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Der Blechhandwerker von Por

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Es gibt Dinge im Haushalt, die wir kaum beachten und vielleicht nur einmal im Jahr benutzen. Ausstechformen für Plätzchen zum Beispiel. Hand aufs Herz – jetzt nach Weihnachten ist das Figuren-Ensemble wieder in die unterste Schublade gewandert. Ganz im Gegensatz zum kostbaren Messer-Set oder den gusseisernen Schmortöpfen führen solche unspektakulären Küchenutensilien ein Schattendasein. Niemand macht sich Gedanken darüber wo sie herkommen, wie sie entstehen. Aber diese kleinen Förmchen haben auch ein Vorleben. Vor allem, wenn sie von Hand gemacht wurden vom letzten Blechschmied Mallorcas.

Früher Hausrat, heute Souvenir In der Werkstatt von Biel Cortés (78) in Porreres entstehen Alltagsgegenstände als Kunsthandwerk. Jedes einzelne Stück wird von Hand gebogen, gehämmert und gelötet. Je seltener solche manuellen Herstellungsprozesse in unserer Welt zu finden sind, desto mehr werden sie von den Kunden wertgeschätzt. Als Biels Vater vor mehr als 100 Jahren von Manacor nach Porreres zog, um die BlechnerWerkstatt aufzubauen, holten sich die Familien bei ihm Kessel fürs Schlachten und die Herstellung von Schweineschmalz (saïm), Röstpfannen für Spanferkel und Backbleche für ihre Cocas. Alles, was in den mallorquinischen Haushalt gehörte. Die Produkte des Hojalatero, wie der Blechschmied hier heißt, waren damals noch keine Souvenirs oder Dekorationsobjekte, sondern notwendiger Hausrat. Heute gelten sie der jungen Generation und den vielen Touristen als hübsche Mitbringsel oder als besonders authentisches Gerät, um die mallorquinische Küche zu zelebrieren.

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Blechkunst zwischen Antiquitäten Biel ist in der Werkstatt quasi aufgewachsen. Schon mit 15 Jahren hat er selbst als Hojalatero gearbeitet. Damals war sein Vater Pep Cortés ein Arbeitgeber für mehrere Frauen aus dem Ort. Heute steht dem Sohn noch Margalida Ferrà zur Seite, deren Mutter hier schon Bleche gestanzt und zugeschnitten hat. Biel hat das Familienunternehmen erweitert und ausgebaut. Seit dreißig Jahren ist das Geschäft „Bàrbara Art“ in Porreres ein Begriff. Das 150jährige Gebäude war früher ein Weinkeller, bis Läden und Werkstatt der Familie Cortès Einzug hielten. „Es war die Idee meines Vaters, das Dachgebälk aus Schiffsbalken einzuziehen.“ Mit der Anmutung des Fachwerk-Architektur und den spitz zulaufenden Bleiglasfenstern wirkt der Laden denn heute auch eher wie ein Antiquitätengeschäft. Laternen und Metall-Kunst sind anmutig um alte Sekretäre, eine Chaiselongue, Truhen und antike Klaviere arrangiert.

100 Jahre alte Werkzeuge Die historischen Stücke, die sich im hinteren Teil des Gebäudes in der Werkstatt versammeln, sind zwar weniger ansehnlich, aber mit Sicherheit ebenso kostbar. An den Wänden hängen Hämmer, Blechscheren und Zangen, die schon Biels Vater benutzte. Diese Werkzeuge und die Vorrichtungen, an denen die Bleche eingespannt und bearbeitet werden, haben schon ein ganzes Jahrhundert auf dem Buckel. Daher mutet der Besuch in der Werkstatt wie ein Rundgang in einem Museum an. Für Biel und Margalida hingegen, die ihr Leben lang in diesen Räumen alle möglichen Formen produzieren, steckt darin die ideale Umgebung für eingespielte Arbeitsabläufe. Ein Coca-Blech für die hauchdünne spanische Pizza, so demonstriert Biel, entsteht am Stück aus einer dünnen Platte. Die Ecken werden abgeknipst, hochgebogen und die Fugen eingepresst. Fertig. Was schnell und unkomplizert vonstatten geht, verdankt die scheinbare Mühelosigkeit den ausgefeilten Werkbänken, bei denen jede Formbearbeitung individuell und millimetergenau eingestellt werden kann.

Plätzchen in Mallorca-Form Dass Geschick und langjährige Erfahrung dennoch wichtige Faktoren sind, zeigen die sicheren Handgriffe von Biel, als er die Ausstechformen für die Tagesproduktion in Angriff nimmt. Die Blechstreifen haben vorgestanzte Punkte an jenen Stellen, die von Biel je nach gewünschter Form über ein Rohr oder ein kantiges Eisenblatt gebogen werden. So entstehen die Klassiker wie Blumen- oder Sternmotive. Aber damit gibt sich Biel nicht zufrieden. Im Verkaufsraum stehen Dutzende unterschiedlicher Designs zur Auswahl – der Umriss von Mallorca, Dimonis, Kühe, der Schirm von Mary Poppins oder Delfine. Als neuestes Projekt hat er sich vorgenommen, die Wappenfiguren der Gemeinden von Mallorca als Ausstechformen herzustellen. Den Anfang machte der Windhund (Ca Llebrer) von Inca und als nächstes soll die Mare Deu De Lluc der Gemeinde Escorca folgen.

Verkaufsschlager Empanada-Form Ohne Innovation gibt es keinen Bestand. Nicht umsonst hat Biel Cortés als einziger Blechschmied überlebt. „Von den Backblechen allein können wir längst nicht mehr existieren“, erklärt er. „Wir haben immer überlegt, wie wir uns dem Bedarf der Kunden anpassen können.“ Eine Erfindung, die 2008 genau aus dieser Überlegung heraus entstand, sind die Empanada-Formen à la Biel. Dank der Kombination aus Metallform und Holzpresse wurde die häusliche Backtradition wiederbelebt, da die Herstellung schneller und einfacher vonstatten geht. „Das war von Anfang an ein Verkaufsschlager. Sogar das

Die Nostalgie des Blechbiegens

Kaufhaus El Corte Inglés nahm uns die Formen ab. Bis heute verkaufen wir bis zu 400 Stück im Jahr.“

Laternen von Meisterhand Ein weiterer Beweis für Biels Ideenreichtum ist der Einfall, metallgefasste Laternen (Fanals) nachzubauen, die sich in der Gestaltung an die traditionelle Beleuchtung früherer Jahrhunderte anlehnen. Originale lassen sich noch in Kirchen oder Landgütern bewundern, aber außer Biel gibt es heute niemanden mehr auf der Insel, der sie reproduzieren könnte. Bei einfachen Kopien hat es Biel nicht belassen, sondern auch ausgefallene Eigenkreationen entworfen. Im Laden finden sich die schönsten Exemplare als Wand-, Decken- oder Stehlampen – von klassisch über verspielt bis hin zur SteampunkVersion mit eingebautem Barometer. „Wir fertigen auch Sonderstücke nach Kundenwünschen an. In den vergangenen 25 Jahren haben wir 30.000 Fanals verkauft.“ Die Produktion der Laternen wird ebenfalls in der rückwärtigen Werkstatt realisiert. Den Zuschnitt des Glases, die Anfertigung des Metallgerüsts, die Zinnlegierung und die Farbgebung – alles von Hand. Selbst das Königspaar Felipe und Letizia ist in den Besitz eines Fanal mallorquin gelangt, das gerahmte Dankschreiben an der Wand dient als Beweis. „Wir haben ihnen zur Hochzeit eine Lampe als Geschenk gesandt, ein Mond mit einem angeleuchteten Amethyst.“ Ob die Leuchte aufgestellt wurde, weiß Biel nicht, aber die Referenz vom Königshaus ist ein wichtiges Aushängeschild.

Wenn Schluss ist, ist Schluss Biel ist fast 80 Jahre alt und trotzdem geht er noch immer mit der Zeit. Im Verkaufsraum neben seinen Formen für Empanadas läuft ein Video in Endlosschleife, das die Handhabung seiner Erfindung vorführt. Seine neuesten Aktivitäten und Produkte sind stets auf Facebook dokumentiert. Und doch findet sich kein Nachfolger für seine „Blech-Bude“. Sollte er tatsächlich irgendwann in Pension gehen, ist das das Aus für die handgebogenen Formen und Förmchen. Dann hat die Massenproduktion der alltäglichen Dinge wieder einen Sieg mehr errungen. Aber der Meister lässt sich darüber keine grauen Haare wachsen: „Was kann ich tun, wenn das Handwerk mit mir ausstirbt? Ich jedenfalls habe es mein Leben lang genossen.“

Rezept

Empanada

Empanadas haben eine lange Tradition – als „ErsatzKühlschrank“ vor dessen Erfindung. Eingebacken in Teig waren Fleisch und Fisch länger haltbar. Man kann sie mit Lammfleisch füllen (vor allem zu Ostern), aber auch mit Schwein, Huhn, Fisch, Kalmar oder vegetarisch nur mit Gemüse.

Zutaten für etwa 15 Stück Für den Teig: 1kg Mehl, 250g Schweineschmalz, 15ml Olivenöl, 250ml Wasser, 3 Eigelb. Für die Füllung: 600-700g Lammfleisch (alternativ auch Huhn oder Schwein oder ein Gemisch), Sobrassada, Speck, Erbsen, Paprikapulver, Pfeffer, Salz, Olivenöl.

Zubereitung Erbsen mit Olivenöl benetzen, mit Paprikapulver, Pfeffer und Salz würzen. Fleisch kleinschneiden. Alle Zutaten – bis auf das Mehl – für den Teig vermischen. Dieses kommt dann nach und nach dazu, bis alles eine homogene Masse ergibt. 75 Gramm benötigt man pro Empanada, aus denen man ein Körbchen formt (etwa 10 Zentimeter Durchmesser und 3-4 Zentimeter Höhe). Hinein kommen zunächst die Erbsen, dann Speckstücke, Sobrassada, Lamm und obenauf wieder ein paar Erbsen. Aus kleinen Massekügelchen formt man den Deckel. Dabei drückt und verdreht man gleichzeitig mit den Fingern den Teigdeckel mit dem Teigkörbchen, sodass Muster entstehen. Bäcker haben sogar pro Füllung ein anderes Muster – zur Unterscheidung. In den Deckel sticht man ein kleines Loch, damit der Dampf entweichen kann. Bei 180 Grad kommen sie circa 40-50 Minuten in den Ofen.

Barbara Art C/. del Pare Francesc Molina, 15, Porreres Öffnungszeiten: Mo-Fr 8-13 Uhr, Sa 9.30-13 Uhr https://www.facebook.com/ MotllesIFanalsBarbaraArt/

 Christiane Sternberg Fotos: Marcos Gittis

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