8 minute read
Interview Gabriel Graf von Plettenberg-Lenhausen
Dem Herzen folgen
Gabriel Graf von Plettenberg-Lenhausen (Jahrgang 1960) lebt und arbeitet seit 2005 auf Mallorca, zunächst mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau Irina in Cala Figuera und seit vier Monaten in Portocolom. Graf Plettenberg gehört zum westfälischen Uradel mit den Stammsitzen Schloss Hovestadt (Kreis Lippstadt) und Schloss Lenhausen (Sauerland). Auf Mallorca ist er selbstständig und berät in Einrichtungsfragen (www.tavar.de). Wir befragten Graf Plettenberg zum Thema Adel, Monarchie und Kirche heute.
Advertisement
EL AVISO: Viele Menschen beeindruckt ein Adelstitel. Da spiegeln sich Sehnsüchte wider, Schlagworte wie „schön“, „reich“ oder „königlich“ schwingen mit. Welche Bedeutung hat Ihr Name für Sie selbst? Gabriel Graf von Plettenberg: Der Name hat eigentlich keine besondere Bedeutung für mich, nur dass ich weiß, dass meine Familie schon lange existiert und es rückblickend haufenweise Informationen über viele Generationen gibt. Ich bin aber nicht mit dem Gefühl aufgewachsen, anders oder besser zu sein. Das hat auch mit unserer familiären Situation zu tun: Wir sind kein Adel mit Besitztümern, mein Vater war Soldat, ich bin auf eine ö entliche Schule gegangen und hatte immer überwiegend nichtadelige Freunde.
EA: Sind mit einem adeligen Namen Privilegien oder zumindest positive E ekte verbunden oder ist der Name eher eine Last? GvP: Also positive E ekte kann ich nicht leugnen. Der Name ö net Türen. Das ist schon mal positiv, wenn ich an mein Geschäft denke. Ich will nicht sagen, es gibt auch negative E ekte, aber mit dem Namen sind – das ist mir schon sehr früh als Jugendlicher aufgefallen – auch Erwartungen verbunden, was meinen Charakter und meine Leistung betri t. Es wurde immer erwartet, dass da mehr kommt als vielleicht von anderen.
EA: Ist es denn nicht zudem schwierig, aus dem Schatten glanzvoller Vorfahren herauszutreten? GvP: (lacht) Wir sind eigentlich eine sehr bodenständige Familie, die ihren Grund und Wald bearbeitet hat oder einem Beruf nachgegangen ist, und so viele glanzvolle Vorfahren waren es nicht. Da gab es im Mittelalter einen Ordensgroßmeister, der die Stadt Riga vor der Invasion der Russen bewahrt hat, und noch heute mit einem Denkmal geehrt wird. Der zweite, der mir einfällt, war Fürstbischof von Münster, der Schloss Nordkirchen im südlichen Münsterland gebaut hat, was auch das deutsche Versailles genannt wird. Es ist nicht mehr im Familienbesitz, weil es bei einem Fürstbischof natürlich keine direkten Erben gab.
EA: Jahrhundertelang war der Adel eine vorgegebene Elite, 1919 wurden alle Standesvorrechte des Adels abgescha t. Sind mit dem Übergang zum Bürgerstand nicht auch Chancen verpasst worden, weiterhin und vor allen sichtbar eine Vorbildfunktionen einzunehmen?
GvP: Grundsätzlich glaube ich nicht, dass der Adel immer nur vorbildlich war. Der Adel ist in jeder Hinsicht genauso durchmischt, wie alle anderen Bevölkerungsgruppen auch. Ich bin zudem ein Gegner von der Annahme, man würde in eine Position hineingeboren. Wenn man ein Amt ausfüllen will, ist die Ausbildung viel wichtiger. Ansonsten hat der Adel auf dem Land immer noch eine Bedeutung und auch Vorbildfunktion für sein Umfeld. Wenn ich an Lenhausen denke, das der Bruder meines Vaters geerbt hat, sind mein Onkel und die Familie alle irgendwie eingebunden. In den Städten hat der Adel selbstverständlich komplett an Bedeutung verloren.
EA: Das deutsche Kaiserhaus hat vor und nach seiner Abdankung keine so glanzvolle Rolle gespielt. Was halten Sie vom aktuellen Streit der Hohenzollern um Kunst und Schlösser? GvP: Was ihnen rein rechtlich zusteht, sollen sie fordern und bekommen. Wenn es ihnen nicht zusteht, sollten sie Zurückhaltung üben, weil es nicht in Ordnung ist, nur aufgrund des Namens Ansprüche zu erheben.
EA: Vom deutschen Uradel zum britischen Königshaus ist es nicht weit. Wenn ich an Harry und Meghan denke, sind da nicht auch Chancen verpasst worden, als Mitglieder eines Könighauses eine zeitgemäße Monarchie mitzugestalten? GvP: Ja, das ist auch meine Meinung, da ist eine Chance verspielt worden: Harry ist mit seiner Entscheidung für Meghan seinem Herzen gefolgt. Das muss man anerkennen und hätte es geschickt ins Königshaus integrieren sollen. Denn meine Überzeugung ist, jeder kann von dem anderen viel lernen. Meghan hätte vielleicht neue Perspektiven in die Familie eingebracht. Ich gehöre nicht einem Königshaus an, aber noch in der Generation meiner Eltern wurde sehr darauf geachtet, wer mit wem ausgeht. Das hat uns Kindern nicht gefallen, denn wir waren lieber unterwegs, um außerhalb der Familie Leute kennenzulernen. In meiner Generation wurde dann schon sehr gerne bürgerlich geheiratet.
EA: Der Adel war immer prägend bei den BenimmRegeln. Ein ö entliches TV-Interview über Familienprobleme bei den Windsors – geht das mit den ungeschriebenen Regeln des Adel-Anstands konform? GvP: Prinzipiell sollte man Familienprobleme meines Erachtens erstmal innerhalb der Familie klären. Wenn das nicht funktioniert und man immer noch wahnsinnig verletzt ist, würde ich es auch dann nicht in die Ö entlichkeit tragen, sondern vielleicht mit Freunden und Leuten besprechen und klären, die mir am
Herzen liegen. Ich befürchte aber auch, dass die beiden es aus Überlebensgründen gemacht haben, um sich eine Marke zu scha en und im Blick der Ö entlichkeit zu bleiben, was ihnen ja auch gelungen ist.
EA: Apropos Benimm-Regeln. Sie leben auf Mallorca. Hier ist alles etwas lässiger. Wenn Sie an den Knigge denken, was beobachten Sie, welche No gos des Benehmens fallen Ihnen auf? GvP: Ich finde Mallorca wunderbar, so wie es ist. Mir fällt da wenig Störendes auf. Ich bin aber selbst auch –wie man so schön sagt – nicht mit einem Stock im Hintern erzogen worden, bei uns war das nicht so streng. Ich würde wahrscheinlich nicht mit der kurzen Hose in ein gutes Restaurant gehen. Sandalen mit Strümpfen würde mir für die meisten Situationen als nicht passend au allen. Andererseits hängt in meinem Schrank eine größere Sammlung von Krawatten, die ich seit 16 Jahren Mallorca nie wieder angezogen habe.
EA: Bleiben noch die Tischsitten. Haben Sie manchmal auch den Eindruck, die Kellner machen mehr Fehler als die Gäste? GvP: Ja, da ist das ein oder andere schon verbesserungsfähig, aber auch nicht überall (lacht).
EA: Warum haben Sie Mallorca als Wohn- und Arbeitssitz gewählt? Inwieweit fühlen Sie sich integriert und inwieweit ist Integration auf der Insel aus Ihrer Sicht überhaupt möglich? GvP: Ich hatte 18 Jahre in Wien gelebt, und dort habe ich 2001 meine mittlerweile verstorbene Frau kenschrieben wird, habe ich dabei niemals erlebt. Unsere Bekannten sind alle sehr wohlerzogen, haben ein großes Herz, arbeiten für ihr Geld ehrlich und hart und kennen keine Exzesse, so wie es aus den Partyorten wie Monaco, Saint Tropez oder woher sonst berichtet wird.
EA: Vor allem die spanische Linke und die Separatisten fordern regelmäßig die Abscha ung der spanischen Monarchie. Wie sehen Sie das, auch vor dem Hintergrund der Verdienste von Juan Carlos? GvP: Das finde ich sehr traurig. Das Königshaus leistet sehr viel, obwohl es an der eigentlichen Regierung des Landes ja nicht beteiligt ist. Von Juan Carlos war ich immer sehr begeistert, auch wenn er als Vorbild Fehler gemacht hat. König Felipe macht eine hervorragende Figur, alleine wie er jüngst die Schadensbegrenzung für das Land und die Monarchie betrieben hat, war souverän, es ging dabei ja immerhin um die Fehler seines Vater und seine Familie. Er ist ein echtes Vorbild und ich finde es schade, wenn man so jemanden einfach abscha en will. Die nächste Generation muss man abwarten. Wie gesagt, in Positionen herein geboren zu werden ist nicht unproblematisch. kein anderer, und das hat nichts damit zu tun, dass sich der Priester auf sein Gott gegebenes Amt konzentrieren soll. Meine Mutter ist aus allen Wolken gefallen (lacht).
EA: Nochmal zurück zu den Sehnsüchten: Welche Möglichkeiten gibt es heute für einen Bürgerlichen, adelig zu werden? GvP: Ich wundere mich immer, dass das eine solche Anziehungskraft ausübt. Mit einem adeligen Namen kommt dem Menschen ja keine andere Bedeutung zu. Der Charakter, der Verhalten und was er in seinem Leben so schafft, ist doch entscheidend. Ja, Türen öffnen sich, aber damit verbunden sind auch Erwartungen, die erfüllt werden müssen. Adoptieren oder Heiraten wären Möglichkeiten. Mit einer Adoption hat man aber keinen automatischen Zugang zu Adelskreisen. Und Hochzeit? Da sollte man doch lieber seinem Herzen folgen. Meine erste Ehe mit einer Gräfin ist schief gegangen, glücklich war ich mit meiner zweiten Ehefrau Irena, in Russland geboren, in Norwegen aufgewachsen und später Österreicherin geworden.
Mit seiner verstorbenen Frau Irina
nengelernt. Ein adeliger Hotspot (lacht)! Wenngleich in Österreich 1918 alle Adelstitel abgescha t wurden. Und letztlich haben wir dann wegen des Klimas im Mittelmeer-Raum gesucht. Von Mallorca waren wir spontan sehr begeistert: von der Infrastruktur, der Schönheit, des Angebots insgesamt und die Insel ist groß genug, um keinen Inselkoller zu bekommen. Wir starteten in Cala Figuera, und die Mallorquiner haben uns ein Jahr lang beobachtet. Danach entwickelte es sich immer mehr zu einer großen Familie. Von Verschlossenheit keine Spur. EA: Es gibt eine Wahl-Monarchie, die auch in Spanien eine große Rolle spielt und auch uns Deutsche gerade sehr beschäftigt: der Vatikan bzw. die katholische Kirche. Sehen Sie Reformbedarf? GvP: Ich selber bin fünf Jahre lang von Jesuiten erzogen worden, die ja innerhalb der Kirche als die fortschrittlichsten Katholiken gelten, und immer eine andere Meinung hatten als der Rest. Ich denke, es gibt einen enormen Bedarf an Reformen in der katholischen Kirche, die momentan komplett an der Zeit vorbei lebt. Die Kirche muss sich mit der Gesellschaft mitentwickeln, sonst verliert sie die Gesellschaft. Absurd ist, dass Priester nicht heiraten dürfen und Frauen das Priesteramt verwehrt ist. Mit dieser Sturheit sägt sich die Kirche den Ast ab, auf dem sie sitzt. Hinzu kommen die aktuellen Skandale, die aufgearbeitet werden müssen.
Das Gespräch führte Frank Heinrich Fotos: Andrei Constantin, Graf von Plettenberg
EA: Sie waren Vertreter einer russischen Handelskammer in Wien und haben über längere Zeit auch auf der Insel mit russischen und internationalen Kunden gearbeitet. Wie sind Ihre Erfahrungen bezogen auf Mallorca? GvP: Wir hatten auf der Insel mit Ferienvermietung begonnen und dann mit Immobilien, was sich erfolgreich entwickelte. Es kamen die ersten russischen Freunde und Bekannte zu Besuch, die dann auch kaufen wollten. Die russische Klientel kam aus der mittleren und oberen Mittelschicht. Und was so plakativ über die Russen geEA: Ihr Familienzweig Lenhausen ist katholisch. Ist diese kritische Haltung mit Ihrer Generation neu? GvP: Das hat sich generationsübergreifend durchgesetzt. Nachdem mein Vater gestorben war, hatte meine Mutter angefangen, Geschichte zu studieren. Eines Tages rief sie mich an und sagte: „Junge, hast du gewusst, warum die Priester nicht heiraten dürfen? Das wurde von der Kirche eingeführt, damit die Besitztümer der Kirche nicht an die nächste Generation weitervererbt werden dürfen.“ Der einzige Grund war also die Sicherung der kirchlichen Besitztümer und