EL AVISO | 06/2021
GESELLSCHAFT
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Dem
Herzen folgen
Gabriel Graf von Plettenberg-Lenhausen (Jahrgang 1960) lebt und arbeitet seit 2005 auf Mallorca, zunächst mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau Irina in Cala Figuera und seit vier Monaten in Portocolom. Graf Plettenberg gehört zum westfälischen Uradel mit den Stammsitzen Schloss Hovestadt (Kreis Lippstadt) und Schloss Lenhausen (Sauerland). Auf Mallorca ist er selbstständig und berät in Einrichtungsfragen (www.tavar.de). Wir befragten Graf Plettenberg zum Thema Adel, Monarchie und Kirche heute. EL AVISO: Viele Menschen beeindruckt ein Adelstitel. Da spiegeln sich Sehnsüchte wider, Schlagworte wie „schön“, „reich“ oder „königlich“ schwingen mit. Welche Bedeutung hat Ihr Name für Sie selbst? Gabriel Graf von Plettenberg: Der Name hat eigentlich keine besondere Bedeutung für mich, nur dass ich weiß, dass meine Familie schon lange existiert und es rückblickend haufenweise Informationen über viele Generationen gibt. Ich bin aber nicht mit dem Gefühl aufgewachsen, anders oder besser zu sein. Das hat auch mit unserer familiären Situation zu tun: Wir sind kein Adel mit Besitztümern, mein Vater war Soldat, ich bin auf eine öffentliche Schule gegangen und hatte immer überwiegend nichtadelige Freunde.
zweite, der mir einfällt, war Fürstbischof von Münster, der Schloss Nordkirchen im südlichen Münsterland gebaut hat, was auch das deutsche Versailles genannt wird. Es ist nicht mehr im Familienbesitz, weil es bei einem Fürstbischof natürlich keine direkten Erben gab. EA: Jahrhundertelang war der Adel eine vorgegebene Elite, 1919 wurden alle Standesvorrechte des Adels abgeschafft. Sind mit dem Übergang zum Bürgerstand nicht auch Chancen verpasst worden, weiterhin und vor allen sichtbar eine Vorbildfunktionen einzunehmen?
EA: Das deutsche Kaiserhaus hat vor und nach seiner Abdankung keine so glanzvolle Rolle gespielt. Was halten Sie vom aktuellen Streit der Hohenzollern um Kunst und Schlösser? GvP: Was ihnen rein rechtlich zusteht, sollen sie fordern und bekommen. Wenn es ihnen nicht zusteht, sollten sie Zurückhaltung üben, weil es nicht in Ordnung ist, nur aufgrund des Namens Ansprüche zu erheben. EA: Vom deutschen Uradel zum britischen Königshaus ist es nicht weit. Wenn ich an Harry und Meghan denke, sind da nicht auch Chancen verpasst worden, als Mitglieder eines Könighauses eine zeitgemäße Monarchie mitzugestalten? GvP: Ja, das ist auch meine Meinung, da ist eine Chance verspielt worden: Harry ist mit seiner Entscheidung für Meghan seinem Herzen gefolgt. Das muss man anerkennen und hätte es geschickt ins Königshaus integrieren sollen. Denn meine Überzeugung ist, jeder kann von dem anderen viel lernen. Meghan hätte vielleicht neue Perspektiven in die Familie eingebracht. Ich gehöre nicht einem Königshaus an, aber noch in der Generation meiner Eltern wurde sehr darauf geachtet, wer mit wem ausgeht. Das hat uns Kindern nicht gefallen, denn wir waren lieber unterwegs, um außerhalb der Familie Leute kennenzulernen. In meiner Generation wurde dann schon sehr gerne bürgerlich geheiratet.
EA: Sind mit einem adeligen Namen Privilegien oder zumindest positive Effekte verbunden oder ist der Name eher eine Last? GvP: Also positive Effekte kann ich nicht leugnen. Der Name öffnet Türen. Das ist schon mal positiv, wenn ich an mein Geschäft denke. Ich will nicht sagen, es gibt auch negative Effekte, aber mit dem Namen sind – das ist mir schon sehr früh als Jugendlicher aufgefallen – auch Erwartungen verbunden, was meinen Charakter und meine Leistung betrifft. Es wurde immer erwartet, dass da mehr kommt als vielleicht von anderen. EA: Ist es denn nicht zudem schwierig, aus dem Schatten glanzvoller Vorfahren herauszutreten? GvP: (lacht) Wir sind eigentlich eine sehr bodenständige Familie, die ihren Grund und Wald bearbeitet hat oder einem Beruf nachgegangen ist, und so viele glanzvolle Vorfahren waren es nicht. Da gab es im Mittelalter einen Ordensgroßmeister, der die Stadt Riga vor der Invasion der Russen bewahrt hat, und noch heute mit einem Denkmal geehrt wird. Der
hineingeboren. Wenn man ein Amt ausfüllen will, ist die Ausbildung viel wichtiger. Ansonsten hat der Adel auf dem Land immer noch eine Bedeutung und auch Vorbildfunktion für sein Umfeld. Wenn ich an Lenhausen denke, das der Bruder meines Vaters geerbt hat, sind mein Onkel und die Familie alle irgendwie eingebunden. In den Städten hat der Adel selbstverständlich komplett an Bedeutung verloren.
GvP: Grundsätzlich glaube ich nicht, dass der Adel immer nur vorbildlich war. Der Adel ist in jeder Hinsicht genauso durchmischt, wie alle anderen Bevölkerungsgruppen auch. Ich bin zudem ein Gegner von der Annahme, man würde in eine Position
EA: Der Adel war immer prägend bei den BenimmRegeln. Ein öffentliches TV-Interview über Familienprobleme bei den Windsors – geht das mit den ungeschriebenen Regeln des Adel-Anstands konform? GvP: Prinzipiell sollte man Familienprobleme meines Erachtens erstmal innerhalb der Familie klären. Wenn das nicht funktioniert und man immer noch wahnsinnig verletzt ist, würde ich es auch dann nicht in die Öffentlichkeit tragen, sondern vielleicht mit Freunden und Leuten besprechen und klären, die mir am