im porträt
Valentin Roschacher
oder wie der Einhaarpinsel zum Kunstwerk kam
«Alpenpanorama; Eiger, Mönch und Jungfrau», 180 x 450 cm, Oel auf Leinwand, 2010 - 2012, Museum Roggwil
DIE BERGWELT Die Kunstmalerei der Bergwelt begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und zwar mit der Darstellung der eindrücklichen Sujets des Berner Oberlandes, gefolgt vom Genfersee. Die Innerschweiz
Sind Sie die «Fortsetzung» der Bergmaler wie Wolf, Calame, Hodler,
und der Vierwaldstättersee kamen Mitte des 19. Jahrhundert und
Segantini oder Giacometti?
die Bündner Berge gegen Ende des letzten Jahrhunderts dazu. Die-
Ja, so sehe ich mich. Die Schweiz hat eine grosse künstlerische Tradi-
ses «gestaffelte» Interesse hängt mit der Tourismusentwicklung und
tion was die Bergmalerei angeht. Und jeder der Maler im 20., 19. und
der Alpenbegeisterung zusammen, so war z. B. das Engandin eher
18. Jahrhundert sah und malte die Berge mit den Augen seiner Zeit.
ein touristischer «Spätzünder». Jede Region brachte ihre Künstler
Ich bin ein Mensch des 20. und 21. Jahrhunderts und ich möchte, dass
hervor, dies waren Wolf, Hodler, Calame, Segantini oder Giacometti
diese Tradition weiter lebt, weiter entwickelt wird.
– es war der Aufbruch der malerischen Bergwelt. Warum weisen Ihre Bilder keine Zivilisationsmerkmale auf? (Lacht) Ich sage immer, dass ich die Berge male, wie ich sie mir vorIhre Liebe gehört der Bergmalerei, gibt es hierfür Gründe?
stelle, dass sie am 1. August 1291 ausgesehen haben. Segantini war in
Es tönt vielleicht seltsam, aber mein erstes Bergbild stammt von
meinen Augen ein toller Maler, aber nicht ein eigentlicher Bergmaler.
2000, da war ich 40 Jahre alt. Als junger Mensch hat mich die Natur
Er malte Szenen mit Bauern in der Bergwelt, wo er lebte. Ich lebe nicht
als Motiv für die Malerei nicht interessiert. Berge zu malen wäre mir
in den Bergen, sondern gehe dorthin, um den Berg zu malen. Und
– als Flachländer aus Herrliberg – gar nicht in den Sinn gekommen,
da möchte ich nichts auf dem Bild haben, das den Berg bzw. meine
da ich keinen speziellen Bezug zur Bergwelt hatte. Und zudem war
Auffassung vom Berg «stört».
nach dem Militär die Bergwelt bei mir eher negativ besetzt, da ich dort ziemlich oft ziemlich unschöne Momente verbrachte.
Was war der Beweggrund für ein so überaus grosses Panoramabild
Die Versöhnung mit der Bergwelt und die Entdeckung der Berge als
(180 x 450 cm) welches Sie einen immensen Aufwand kostete. Ge-
Motiv für meine Malerei hatte ich an einem Wochenende mit meiner
mäss Ihren Angaben waren es 6516 Arbeitsstunden, 584 Arbeitstage,
Frau in der Alphütte ihres Vaters in Gimmelwald im Berner Ober-
182 Pinsel, 43 Tuben Ölfarbe, 5256 Kapselkaffee, 5256 Zigaretten
land. Zuerst war es so hässlich, wie ich es mir vorgestellt und vom
und mehrere Kilo Gummibärchen.
Militärdienst in Erinnerung hatte: kalt, neblig, trüb und feucht. Aber
Was soll ich sagen? Mich reizen Herausforderungen, bei denen ich
plötzlich öffnete sich der Nebel, die Sonne wärmte die Umgebung
nicht schon im Voraus weiss, ob mein Können, meine Disziplin und
und der Gipfel der Jungfrau strahlte durch die Wolken. Ich sagte nur
meine Ausdauer reichen werden, um zu einem guten Resultat zu
«wow, das muss ich malen». Und schon am nächsten Wochenende war
gelangen. Aber als mir die Möglichkeit geboten wurde – es war ja
ich mit Leinwand und Staffelei zurück und malte meine ersten beiden
eine Auftragsarbeit – musste ich es versuchen. Ich war am Schluss
Bergbilder, direkt vor dem Motiv.
zwar wirklich «geschafft», aber ich habe während der über zwei Jahre
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