NEUE KUNST AUS ÖSTERREICH. BAND 2
CHRISTOPH WEISSENBÄCK editionbaden
„Der Musiker öffnet Zahlen den Käfig, der Zeichner befreit die Geometrie.“ Jean Cocteau
Human Aspects Christoph Weissenbäcks Bilder sind eine uferlose Reise. Im Mittelpunkt: der Mensch als expressive Nuance. Ob man der figurativen Tendenz den Charakter eines beliebigen Ereignisses beimisst oder deren Immer-Wiederkehr als bloßen Ausdruck der sensiblen Auseinandersetzung mit dem stets gültigen Mensch-Sein betrachtet, darüber lässt sich diskutieren. Tatsache ist, dass die Exzentrik des Vitalen ein nicht enden dürfendes Thema im internationalen Kunstschaffen, ganz allgemein formuliert, darstellt. Egal freilich, welches Medium dabei bedient wird. 3
Christoph Weissenbäck, ein junger Maler aus Wien, entdeckte eine ungewöhnliche literarische Vorlage, den russischen Untergrundroman „Die Reise nach Petuschki“ von Wenedikt Jerofejew, als ganz persönliche Inspirationsquelle für seine künstlerische Tätigkeit. Die Surrealität dieses hochkomplexen Textes betrachtet einen einzigen Tag im Leben des Ich-Erzählers Venja, an welchem dieser versucht, mithilfe eines Vorort-Zuges zu seiner in der kleinen Stadt Petuschki lebenden Geliebten zu kommen. Während der Zugfahrt betrinkt sich der Protagonist zusehends, und damit überschreiten auch die Schilderungen mehr und mehr die Grenzen zum Bizarren. Im Verlauf der Reise tauchen historische Gestalten ebenso auf wie monströse Fabelwesen, schließlich senkt sich eine apokalyptisch anmutende Dunkelheit herab, und Venja, der nach dem Getümmel des Ein- und Aussteigens an einem der Bahnhöfe unbemerkt im falschen Zug sitzt, fährt nach Moskau zurück. Am Startpunkt der Reise wieder angekommen, wird der vollends verwirrte Held von vier düsteren Gestalten überfallen, brutal misshandelt und letztlich umgebracht. Die Reise als Symbol des Lebens. Der mobile Mensch am Beginn des dritten Jahrtausends, rastlos agierend zwischen den Wurzeln der Vergangenheit und den Angst machenden Schlagzeilen der Gegenwart. In diesem Alltags-Spannungsfeld zeigt Christoph Weissenbäck emotionale Wirklichkeiten – Menschen, die in ihrer Nacktheit und Verletzlichkeit „unterwegs“ sind. Dass die Dargestellten dabei in hohem Maße statisch wirken, ist trotz des scheinbaren Widerspruchs die akzentuierte Betonung dieser Tatsache: Die Uferlosigkeit der Reise, das Sitzen im falschen Zug als maskenhaftes Sinnbild, die unkontrollierbare Reflektion des sinnlich Erlebten erstarren in der Bewusstmachung des zutiefst Existenziellen. So gesehen bleibt Weissenbäck gar keine andere Wahl als die Perspektive aufzuheben und seine Bilder auf das dramatisch Seelische, ohne jedes Zugeständnis, zu reduzieren. Der Tanz der Hoffnung schwingt freilich stets dahinter mit, mal jeden Rhythmus aufhebend, mal hysterisch schrill – denn nicht ohne Grund heißt es auch in Jerofejews Roman: „In Petuschki verblüht nie der Jasmin und verstummt nie der Vogelgesang.“ 4
O.T., WV 908 ZYKLUS „AUF DER REISE VON PETUSCHKI“ 2010 Kohle, Pastell und Acryl auf Papier 60 x 80 cm 8
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MAG. CHRISTOPH WEISSENBÄCK Geboren am 9.8.1974 in Wien, Studium der Betriebswirtschaftslehre, 1999–2008 internationale Karriere in der Industrie, zuletzt als Vorstand in Österreich und Geschäftsführer in Großbritannien tätig. 2008: Entdeckung der eigenen künstlerischen Ausdrucksfähigkeit und Entschluss, die Zeit fortan ausschließlich dem Kunstschaffen zu widmen. Ausbildung Unterricht bei Haider Al-Zubaidi und Thomas Nemec in Wien. Eigene Erforschung von Material, Farbe und Stil. Austellungen 2009 Bezirksamt Alsergrund, Wien KVH, Wien 2010 „Lust“, Galerie time, Wien „Ansichtssache“, Galerie time, Wien Über meine Arbeit Mich interessieren in erster Linie Menschen, genauer: das Menschliche hinter der Alltagsmaske. Ich führe einen Dialog mit diesem Verborgenen und halte dessen Schönheit unmittelbar und ohne Ausschmückungen fest. Nach intensiver Beschäftigung mit unterschiedlichen Materialien ermöglichen mir die Kohle und Pastellkreide, dieses Unmittelbare am direktesten festzuhalten, oft sehr grob und immer bestimmt. Kontakt christoph.weissenbaeck@gmx.at www.weissenbaeck.com 26
O.T., WV 820 2009, Acryl und Gouache auf Leinwand, 105 x 150 cm
Portr채tfotos: Gernot Payer 27
„Die Kunst ist es, sich von diesem befreiten Zustand immer wieder finden zu lassen.“ Mag. Christoph Weissenbäck
VERLAG POLLISCHANSKY
editionbaden HERAUSGEGEBEN VON THOMAS RIEGER