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Zeiten des Umbruchs

Mensch bleiben

James Gray erzählt sensibel von „Zeiten des Umbruchs“ – ein toll besetztes und sehr persönliches Coming-of-Age-Drama.

Dass nicht jeder auf der Welt die gleichen Chancen hat, bemerkt der verträumte Teenager Paul (Banks Repeta), als ein Sitzenbleiber in seiner Klasse Platz nimmt: Er selbst wird anders behandelt als Johnny, dessen Hautfarbe schwarz ist und mit dem sich Paul rasch anfreundet – auch wenn sich ihre Wege bald trennen werden. Johnny lebt bei seiner kranken und schon etwas dementen Großmutter. Wenn es einen Schulausflug gibt, muss er die Einverständniserklärung dafür selbst unterschreiben und Geld von Paul annehmen. Paul wiederum ist in eine Familie eingebettet, die auf ihn aufpasst, allerdings fühlt er sich hier recht allein: Mit seinem Bruder gibt’s nur Streit, und seine Eltern Esther (Anne Hathaway) und Irving (Jeremy Strong, Succession) reagieren in seinen Augen zu streng auf den Quatsch, der Teenagern so einfällt. Nur sein liebevoller Großvater Aaron (Anthony Hopkins) setzt sich wirklich mit ihm auseinander; nur von ihm lässt er sich etwas sagen. Etwa, dass man wie ein Mensch agiert und reagiert, wenn Schulfreunde etwas gegen Schwarze oder Hispanics sagen. Die eigene Familiengeschichte ist jüdisch – und von den Fluchterfahrungen seiner Vorfahren kennt Paul noch nicht die wüsten Details. Nicht einmal vom Antisemitismus, den die Älteren immer wieder erleben.

LIEBE. WÄRME. HUMOR. VERLUST. James Gray (Die versunkene Stadt Z, Ad Astra – Zu den Sternen) führt mit seinem melancholisch getönten und autobiografisch gefärbten Coming-of-Age-Drama, das in Cannes Standing Ovations erhielt, in die 1980er-Jahre in New York. „Ich wollte die Geschichte von genretypischen Stolperfallen freihalten und die größtmögliche Aufrichtigkeit walten lassen. Vor allem wollte ich der Wahrheit treu bleiben“, so Gray. „Ich erinnere mich, dass ich vier Worte auf ein Stück Pappe geschrieben habe und dieses als ständige Erinnerung an die Kamera geklebt habe: ‚Liebe. Wärme. Humor. Verlust.‘ Und gerade Verlust nimmt in diesem Film vielerlei Formen an.“ In sensiblen Tönen erzählt er nicht nur von Familie, Freundschaft und menschlichen Werten, er erzählt auch, wie aussichtslos für viele die Jagd nach dem amerikanischen Traum ausfällt, wenn zum Beispiel die Hautfarbe nicht stimmt und das Bankkonto schwächelt. Seine vier Begriffe hat Gray bei seinem einnehmenden Film nie aus den Augen verloren. #armageddontime

ZEITEN DES UMBRUCHS – ARMAGEDDON TIME KINOSTART 24.11., USA 2022, REGIE James Gray, MIT Anne Hathaway, Anthony Hopkins, Jeremy Strong, Jessica Chastain, Banks Repeta, Jaylin Webb, FILMLÄNGE 114 Min., © UPI

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