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Geschichte einer Kindheit

Interview

» In unserem Beruf ist es ja das große Glück, dass man seine Kindheit mit hineinnehmen kann – ich kann mich deshalb auch heute noch freuen wie ein Kind. «

Waltraut Haas

Die Geschichte einer Kindheit

Waltraut Haas

Mit Begriffen wie „Ikone“ und „Legende“ sollte man sparsam umgehen, doch bei Waltraut Haas fällt es schwer, keine Superlative zu verwenden: Als Mariandl im Kultfilm „Der Hofrat Geiger“ spendete sie dem von der Nachkriegszeit gebeutelten Österreich ganz viel Trost, Hoffnung und Unterhaltung. Wir baten um eine Audienz, um ein wenig über ihre Kindheit zu plaudern. von peter zirbs

Tipi: Was ist das Allererste, an das Sie sich erinnern können? Auch wenn es nur schemenhaft ist …

Waltraut Haas: Meine Erinnerungen gehen zurück zum Anfang der 30er-Jahre: Meine Mutter war Wirtin des Restaurants Stöckl am Meidlinger Tor, direkt im Schlossgarten von Schönbrunn. Wenn der Park geschlossen wurde und keine Gäste mehr da waren, konnten mein kleiner Bruder und ich unbeschwert herumtollen im Schlosspark. Also ein riesiger Schlosspark als Spielplatz – nur für uns allein!

Wie darf man sich Ihre frühe Kindheit vorstellen? Also die Menschen, die Sie umgeben haben ... Gepflogenheiten und Besonderheiten?

Mein Vater starb sehr früh, daher wohnte ich mit meiner Mutter und meinem Bruder nebst Onkel und Katze in den Räumlichkeiten, die zum Restaurant gehörten. Es waren ehemalige Dienstwohnungen für Bedienstete des Schlosses.

Meine Mutter war die Geschäftsführerin, und mein Onkel bediente die Schank. Im Sommer, nach der Sperrstunde des Parks, haben mein Bruder und ich sogar heimlich im Neptunbrunnen gebadet! Und es kamen schon damals Künstler zu uns zum Essen. Die Enten von Frau Haas waren berühmt; Paul Hörbiger und Hans Moser kamen zu uns, da war ich aber noch nicht in meinem späteren Beruf.

Wollen Sie mir noch etwas über Ihre Eltern erzählen?

Mein Vater starb, als ich vier Jahre alt war; er war evangelischer Religionslehrer. Meine Mutter war zeitlebens meine beste Freundin und lebte dann später auch mit uns – also mit meinem Mann, meinem Sohn und mir im gemeinsamen Haus.

Meine Mutter war immer meine Bezugsperson und hat mich mit ihrer ehrlichen und fleißigen Art sehr geprägt. Sie hat auch dafür gesorgt, dass ich später, als ich als Schauspielerin berühmt wurde, „normal“ geblieben bin. Nach meinem ersten Filmerfolg 1948 mit „Der Hofrat Geiger“ meinte sie: „Wenn du glaubst, dass du dir darauf jetzt etwas einbilden kannst, bekommst du von mir gleich auch noch eine Watsch’n!“ (lacht)

Wie haben Sie sich mit Ihrem Bruder verstanden?

Ich hatte ein sehr inniges Verhältnis zu meinem verstorbenen Bruder Fritz. Wir hatten auch viele Jahre ein gemeinsames In-Lokal in Wien-Meidling: das Laterndlgrill, das wir als gleichberechtigte Partner führten und wo wird auch ab und zu singend auftraten.

Können Sie sich an ein ganz besonderes Weihnachten erinnern? Es war ja vermutlich nicht die einfachste Zeit damals …

In meiner Erinnerung sind eher die schönen Zeiten hängen geblieben als die schlechten. An mein schönstes Weihnachten als Kind im Stöckl in Schönbrunn kann ich mich noch gut erinnern: Vor Weihnachten war auf einmal meine geliebte Katze Minka verschwunden – sie war weggelaufen. Das Tier lief einer Nachbarin zu, und sie behielt sie zunächst, nämlich bis zum 24. Dezember. Meine Mutter holte Minka dort am Weihnachtsabend ab und setzte sie mit einem großen Mascherl um den Hals unter den Weihnachtsbaum. Na, ich war überglücklich!

Ab wann war es klar, dass Sie Schauspielerin und Sängerin werden wollen?

Der Wunsch war schon sehr früh da, weil ich eben in unserem Restaurant Stöckl schon als Kind die großen Künstler kennenlernen durfte. Es gab mal in den Rosenhügel-Filmstudios einen Aufruf, dass man Komparsen für einen Film suchte; ich muss damals vierzehn Jahre oder so gewesen sein. Ich ging natürlich hin. Auf einmal holte mich Paul Hörbiger aus der großen Menge der Komparsen hervor und fragte mich: „Bist du nicht der Frau Haas ihre Trauti? Was machst du denn da? Wenn du Schauspielerin werden willst, dann erlerne den Beruf richtig – hier schaffst du das nicht!“ Ich habe seinen Rat befolgt …

Können Sie sich noch an Ihre Volksschulzeit erinnern?

Ich besuchte die Evangelische Volksschule in der Gumpendorfer Straße in Wien-Mariahilf. An meine Lehrer und Mitschüler habe ich leider keine Erinnerungen mehr. Nur an den kleinen Laden an der Stadtbahnstation Schönbrunn, wo ich nach der Volksschule immer etwas genascht habe – meistens Schaumrollen; und meine Mutter schimpfte,

Waltraut Haas mit ihrem Mann Erwin Strahl († 2011): Bereits in jungen Jahren erfuhr sie, was es bedeutet, ein Filmstar zu sein. Ihrer Mutter hat sie es zu verdanken, dass sie dennoch am Boden blieb und ihr der Ruhm nicht zu Kopf stieg.

weil ich dann zu wenig Hunger fürs Mittagessen mitgebracht habe.

Wie hat Ihre weitere schulische Lau ahn ausgesehen? Sind Sie gerne in die Schule gegangen?

Nach der Volksschule Gumpendorf besuchte ich später die Haushaltsschule Mariahilf. Ich war eine einigermaßen gute Schülerin, hatte aber immer auch Flausen im Kopf: Oft sind meine Schulfreundinnen und ich auf der Mariahilfer Straße schrecklich verkleidet herumgelaufen und haben Passanten geschockt und belustigt.

Was waren denn die ersten – oder auch späteren – Freundschaften, an die Sie sich erinnern können?

Eine gute Freundin noch aus meiner Anfangszeit war bis zu ihrem Tod Ida Krottendorf, die Mutter von Barbara Wussow. Auch mit Magda Schneider war ich sehr gut befreundet und später auch mit ihrer Tochter Romy.

Wann haben Sie Ihre Leidenschaft für die Bühne entdeckt? Gab es da einen besonderen Moment oder ein Erlebnis, das Ihnen in Erinnerung geblieben ist?

In der Haushaltsschule in Wien-Mariahilf trat ich mehrere Male beim Abschlussfest auf und durfte singen. Das Publikum meinte damals: Aus der kleinen Trauti wird bestimmt eine große Künstlerin! Dann nahm ich kurzerhand Privatunterricht bei der Burgschauspielerin Julia Janssen und besuchte die Schauspielschule des Preyner-Konservatoriums. Bereits 1946 erhielt ich dann mein erstes Engagement am Landestheater Linz und schon ein Jahr später die erste Filmrolle als Mariandl im „Hofrat Geiger“.

Ich weiß nicht, inwieweit Urlaube in Ihrer Kindheit ein Thema waren. Gab es welche?

Wir fuhren gern nach Lackenhof am Ötscher. Mit der Mutter und dem Bruder im Sommer drei, vier Wochen in den SchulSommer drei, vier Wochen in den Schulferien – und dort wohnten wir bei einer Bauernfamilie. So habe ich das Landleben kennengelernt.

Können Sie sich an das erste Mal Verliebtsein erinnern? Auch wenn es nichts „Ernstes“ oder nur jugendliche Schwärmerei war?

Ja, aber nicht etwa in einen Mitschüler; ich schwärmte stattdessen bereits früh gewaltig für „den“ Filmstar Johannes Heesters. X-mal lief ich damals ins Kino und habe ihn auf der Leinwand bewundert. Als ich meine Schneiderlehre machte, hatten wir mal eine Modenschau. Ich führte damals mein selbst geschneidertes Kleid vor – zu einem Musiktitel von Jopie Heesters! Später arbeitete ich dann mit ihm zusammen, und unsere Freundschaft hielt bis zu seinem Tod.

Ab welchem Zeitpunkt hatten Sie das Gefühl, dass Ihre Kindheit oder Jugendzeit vorbei sei? Gab es da – vielleicht erst rückblickend – einen Wendepunkt oder markanten Moment?

Nein, das könnte ich nicht sagen. In unserem Beruf ist es ja das große Glück, dass man seine Kindheit mit hineinnehmen kann – bei mir war deshalb wohl alles fl ießend. Und ich kann mich heute noch freuen wie ein Kind!

Wie würden Sie Ihre Kindheit in einem Satz beschreiben?

Trotz der schweren Kriegszeiten und dank der Fürsorge und Liebe meiner Mutter: unbeschwert.

Aufgewachsen in den Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs erlebte Waltraut Haas dennoch so etwas wie ein bisschen heile Welt: Im Restaurant der Mutter lernte sie früh Künstler kennen, deren herzliche Art sie bis heute geprägt hat.

WALTRAUT HAAS

Die österreichische Schauspielerin und Sängerin wurde am 9. Juni 1927 in Wien geboren; große Bekanntheit erreichte sie durch ihre Auftritte in Heimat- und Musikfi lmen wie Der Hofrat Geiger und Im weißen Rößl. Sie stand bereits zu Beginn ihrer Karriere mit Größen wie Hans Moser, Paul Hörbiger und Peter Alexander vor der Kamera; später kamen noch viele Namen wie etwa Hilde Krahl, Josef Meinrad, Curd Jürgens oder Helmut Qualtinger hinzu.

Waltraut Haas wirkte in rund 60 Filmen und mehreren TV-Produktionen mit und wurde mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht – wie etwa der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold, dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich und dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst.

LESETIPP

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