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1, 2, Brei! Wie der Beikoststart stressfrei gelingt
1, 2, Brei!
Das Thema Beikost beschäftigt Jungeltern schon vor dem ersten Zahn und bietet viel Platz für Unsicherheit. Wichtig ist, dass der Start des Babys in die Welt der Kulinarik abseits von Stillen und Flascherl vor allem stressfrei abläuft.
von inez ardelt
Mit dem Beikoststart beginnt für Kind und Eltern eine neue Ära. Egal ob Brei vom Löffel oder Baby-led Weaning – die Hauptsache ist, dass das Essen entspannt abläuft.
Eltern gehören zu einer Spezies, die prinzipiell von Zweifeln geplagt ist. Was kann man nicht alles falsch machen in der weiten Welt des Baby- und Kinderaufziehens? Zuerst das Kinderwagen-Thema: Stylisch, schadstofffrei, ergonomisch und leistbar sollte er sein. Oder doch lieber ein Tragetuch? Oder eine Babytrage? Dann die Windeln: Wegwerf- oder Waschbar-Fraktion? Schnuller: Ja oder nein? So ist man neben dem ganz normalen Wahnsinn mit einem Säugling gut beschäftigt und kann sich in den diversesten Internetforen eine Meinung bilden. Richtig spannend wird es, wenn das Baby sich seiner 17. Lebenswoche nähert. Jetzt geht das Beikost-Fenster auf und bleibt laut gängigen Empfehlungen bis zur 26. Lebenswoche geöffnet. Für Eltern bedeutet das: Gear up, next level! Ob selbst gekocht, Gläschen, breifreie Kost, wie sie die alternative Methode Baby-led Weaning propagiert, wo Babys nur das essen, was sie selbst in Händen halten können – Handlungsbedarf ist angesagt, und das kann in Verbindung mit dem Gerede vom richtigen Zeitpunkt und von „Fristen“ ganz schön stressen. Zum Glück kann aber gleich Wind aus den Segeln genommen werden. Der BeikostBeginn ist keine Wissenschaft, und essen gelernt haben sie früher oder später noch alle. „Mir liegt eine Botschaft am Herzen: Eltern sollten sich bei der Beikost-Einführung keinen Druck machen! Es spielt überhaupt keine Rolle, ob bereits in der 18. oder erst in der 25. Lebenswoche mit dem Zufüttern begonnen wird“, beruhigt Jasmin Briesner, Diätologin bei der Österreichischen Gesundheitskasse.
Zeichen und Zeitpunkt Warum wird akkurat dieses Zeitfenster von Expert(inn)en empfohlen? „Zum einen enthält die Muttermilch nicht mehr genügend Eisen, um den steigenden Bedarf des Säuglings zu decken. Auch die Zinkversorgung kann nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleistet werden. Diese beiden wichtigen Mineralstoffe sind aber für die gesunde Entwicklung des Babys entscheidend und müssen daher über das Zufüttern verschiedener Nahrungsmittel abgedeckt werden“, erklärt Briesner. Säuglinge, die im genannten Zeitraum Beikost erhalten, würden überdies seltener an Allergien erkranken, wie Studien belegen. Nicht zuletzt besäßen die meisten Babys in dieser Zeit alle körperlichen Voraussetzungen, um zu essen zu beginnen. „Sie werden neugierig auf das Essen. Nun wollen diese Fähigkeiten natürlich auch trainiert und erweitert werden.“
Den besten Zeitpunkt erkennen Eltern anhand sogenannter Reifezeichen aber immer noch selbst. „Letztlich signalisiert das Baby selbst, wann es bereit für die Beikost ist. Zu den Entwicklungszeichen zählt etwa das Verschwinden des sogenannten ,AusspuckReflexes‘, der den jungen Säugling vor dem Verschlucken schützt“, weiß die Ernährungsexpertin. Das Baby sollte dazu in der Lage
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sein, mit minimaler Hilfe aufrecht zu sitzen, seinen Kopf selbstständig halten können, Interesse am Essen zeigen und Nahrung (z.B. einen Brei) mit dem Mund von einem Lö el aufnehmen können.
täglicher Wechsel. Wichtig dabei ist, jeweils nur eine Einzelzutat auszuwählen und diese ohne Kräuter, Gewürze Jasmin Briesner, BSc ist Diätologin bei der Österr. Gesundheitskasse und im Projektteam und Salz zuzubereiten.“ Später können auch verschiedene Obstsorten angeboten werden. Wenn das Baby mehr Appetit Was kommt auf das Löffelchen? „Richtig essen von Anfang an“. www.oegk.at hat und größere Portionen verzehrt, wird aus diesen „ersten hat und größere Portionen verzehrt, wird aus diesen „ersten Die Frage nach dem Lö elchen“ der sogenannte Lö elchen“ der sogenannte „Wann“ wäre damit geklärt. Als nächstes „Anfangsbrei“, der auch weitere steht das „Was?“ und gleichzeitig auch das wichtige Zutaten enthält. „Wie viel?“ zur Disposition. Zu Beginn der Wie der Name bereits verrät, bedeutet Beikosteinführung essen Säuglinge meist Beikost nicht automatisch einen Rückgang nur sehr kleine Mengen, etwa zwei oder des Stillens oder der Flaschenmahlzeiten. drei Teelö el. In dieser ersten Phase gehe „Beides ergänzt sich im ersten Lebensjahr es um ein schrittweises Herantasten an die zu einer optimalen Ernährung. Das Baby Nahrungsaufnahme, um das Ausprobieren. kann weiter gestillt werden, solange es „Gemüse und Obst bieten sich für den Start vonseiten der Mutter und des Kindes geam besten an. Säuglinge weisen von Geburt wünscht ist.“ an eine Vorliebe für den süßen Geschmack auf, weshalb Eltern darauf achten sollten, Beikost-Verweigerer und Alternativen den Schwellenwert für das Süßempfi nden Manche Nachwuchs-Esser geben dem „ersniedrig zu halten.“ Dass Bitteres zunächst ten Lö elchen“ und auch dem zweiten und abgelehnt wird, ist evolutionsbedingt nor- dritten keine Chance. Sie lehnen Brei kommal, weil der Geschmack bitter von Natur plett ab, was Eltern, die sich gerne an einen aus instinktiv mit Gift und Gefahr verknüpft Fahrplan halten, in eine veritable Krise stürist. Gleichzeitig ist die Muttermilch süßlich, zen kann. Auch hier kann Expertin Briesner weshalb Nahrung dieser Art bevorzugt wird. Entwarnung geben. „Nicht jedes Baby kann Aber wenn es viele süßliche Lebensmittel sofort für die Beikost begeistert werden. Bei gibt, macht es das später schwer, säuerliche den ersten Mahlzeiten handelt es sich um oder bittere Sachen zu mögen. völlig neue, unbekannte Situationen, die für Der Geschmack ist überwiegend die Kleinen eine immense Herausforderung Prägung. Deshalb biete es sich an, mit darstellen.“ Was sie rät, hat erst mal wenig Gemüse zu beginnen. „So können sich die mit der Nahrung an sich, sondern mit dem Babys auch langsam an die säuerlichen Setting der Essensaufnahme zu tun. „Babys und bitteren Geschmäcker gewöhnen und benötigen ein sicheres und ruhiges Umfeld. diese lieben lernen.“ Pastinaken, Karotten, Wenn ausreichend Zeit zur Verfügung Sellerie, Kürbis und Zucchini eignen sich be- steht und das Kind am Schoß von Mutter sonders gut für den Start, weil sie mild und oder Vater sitzt, klappt es meist wesentlich angenehm im Geschmack sind. Entgegen besser.“ Die Eltern sollten beim Füttern der althergebrachten Meinung, tagelang entspannt sein. Manchmal helfe es auch, dasselbe servieren zu müssen, wird heute wenn sie selbst etwas essen und ihrem Kind Geschmacksvielfalt zelebriert. „Damit das damit noch mehr Sicherheit signalisieren. Baby schon bald viele unterschiedliche Aro- „Babys essen am liebsten, wenn sie munter men kennenlernt, empfi ehlt sich ein rascher, und zufrieden sind.“ Sollte das Baby das Essen dennoch hartnäckig verweigern, ist es vielleicht noch nicht reif für die Beikost. Manche Säuglinge interessieren sich zwar sehr für die Mahlzeiten ihrer Eltern, weil sie die Lebensmittel bunt und spannend fi nden. Das heißt aber nicht immer, dass sie auch selbst bereit dafür sind. Andere Babys bevorzugen von Beginn an feste Kost, die sie auch selbstständig in den Händen halten können. Hier kommt eine Alternative in Form von „Baby-led Weaning“,
Selbst erkunden: Es muss nicht immer Brei sein; Babys probieren gerne aus und entdecken Lebensmittel mit allen Sinnen.
kurz BLW, ins Spiel. Übersetzt bedeutet es „vom Baby geführtes Entwöhnen/Abstillen“. Was die Methode für viele so sympathisch macht ist, dass der Übergang von Milchnahrung nicht von den Eltern bestimmt wird, die den Lö el „zücken“. Bei BLW bestimmt das Kind selbst das Tempo und entscheidet, wann es mit dem Essen beginnen möchte. Dabei soll das Hungergefühl, aber auch die Orientierung am Verhalten der Eltern und Geschwister eine maßgebliche Rolle spielen. Briesner sieht durchaus positive Aspekte an BLW, das die Entwicklung der starken Kaumuskulatur fördere. Aber nicht ausschließlich: „Es hat auch seine Tücken. So können etwa Fleisch oder Fisch, die einen wichtigen Stellenwert in der Ernährung von Säuglingen spielen, in dieser Form nur schlecht gegessen werden. Gerade rote Fleischsorten, die besonders wertvolle Eisenlieferanten sind, können kaum eingebunden werden.“ Um einem Mangel vorzubeugen, könnten beispielsweise Nockerln oder Knödel zubereitet werden, in die sich püriertes Fleisch und Fisch, Gemüse und Getreide einarbeiten ließen.
Selbst gekocht, selbst gekauft In einer idealen Welt gibt es genügend Zeit und Muße, sich in die Küche zu stellen, das zuvor selbst gezogene oder zumindest in Bio-Qualität erworbene Gemüse zu putzen, schnippeln, dünsten und pürieren. Im oft stressigen Alltag ist das aber leider nicht immer möglich. Die Expertin hat einige Tipps, wie man diesem Dilemma begegnet. „Viele Mahlzeiten bzw. Babybreie lassen sich einfrieren. Wenn beim Kochen größere Mengen zubereitet werden, können Vorräte angelegt werden, die in stressigen Zeiten gute Dienste erweisen.“ Außerdem sollten Eltern generell nicht davor zurückscheuen, Hilfe anzunehmen. Ist auch das keine Option, könnten sie immer noch auf fertige Gläschen zurückgreifen. „Die Zutatenliste sollte vor dem Kauf genau unter die Lupe genommen werden, denn die Altersangabe bezieht sich nur darauf, wie fein der Brei püriert wurde. Es können durchaus ungeeignete Zutaten wie Zucker, Salz, Schlagobers, Schinken oder Käse enthalten sein, die im ersten Lebensjahr nicht empfohlen werden“, lautet Briesners Tipp.
Next Stop: Familienkost Mit ungefähr 12 Lebensmonaten, aber spätestens wenn der Nachwuchs im eigenen Sessel sitzt, einen Teller und Besteck vor sich hat und somit Zugri auf das Essen von Mama, Papa und älteren Geschwistern, ist es an der Zeit, auch die Zutatenliste der Familienkost kritisch zu beäugen. Das betri t häufi g Würzmittel wie Salz und endet beim Vorsatz, wieder mehr Frisches, Vitaminhaltiges auf den Tisch zu bringen. Tabu sind intensive Gewürze, Fast Food, Fertigprodukte, aber auch rohe Produkte aus Fleisch, Fisch sowie Ei (inklusive weiches Ei und Spiegelei) und Rohmilch sowie alle daraus hergestellten Lebensmittel. Grünes Licht gibt es hingegen für nährsto reiche Mahlzeiten wie Vollkornnudeln mit Gemüsesugo, gegrillten Fisch, Polenta oder gekochtes Rindfl eisch mit Spinat und Karto elpüree. Die Mahlzeiten sollten bunt und abwechslungsreich sein. „Kinder lernen in erster Linie durch Vorbilder und entwickeln auf diese Weise auch ihre Essgewohnheiten. Wird die Mahlzeit mit einem kleinen Ritual, einem Tischspruch oder lustigen Reim eingeleitet, macht das gemeinsame Schmausen gleich noch mehr Freude.“
Selbst abbeißen und kauen: Das tut zahnenden Kindern gut und fördert die Kaumuskulatur.
Interview
3 Fragen an Brigitte Kaltofen-Sinzig
Brigitte Kaltofen-Sinzig
ist Dipl. Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungsexpertin beim Babynahrungs-Hersteller HiPP. www.hipp.at
Spätestens ab 6 Monaten soll ein Baby Beikost bekommen. Aber was versteht man genau unter diesem Begri ?
Brigitte Kaltofen-Sinzig: Je nach individuellem Entwicklungsstand des Babys reicht die Milchnahrung nach dem 4. bis nach dem 6. Monate allein nicht mehr aus: Ernährungsexpert:innen empfehlen jetzt die Erweiterung des Speiseplans um Gemüse-Karto el-Fleisch-Mahlzeiten. Beikost umfasst alle für Babys geeigneten Speisen außer Milchnahrung. Sobald ein Baby mehrere Mahlzeiten als feste Nahrung bekommt, ist auch zusätzliches Trinken neben der Muttermilch oder Milchnahrung wichtig.
Wie geht man an diese Ernährungsumstellung am besten heran?
Zusätzlich zu Muttermilch oder Säuglingsnahrung kann Ihr Kleines jetzt nach und nach neue Speisen kennenlernen. Damit der Beikoststart gut gelingt, hilft es, mit besonders mildem Gemüse anzufangen. Die von HiPP eigens gezüchtete Karotte „Dulcis“ ist beispielsweise durch ihren mild-süßlichen Geschmack optimal geeignet und erleichtert so den Übergang zur Beikost. Wenn Ihr Kleines den ersten Brei vom Lö el gut annimmt, können Sie weitere Gemüsesorten anbieten. Ernährungswissenschaftler:innen empfehlen, Babys möglichst vielfältige Speisen anzubieten. Die Gewöhnung an die Geschmacksvielfalt und an gesunde Lebensmittel fördert eine vorteilhafte Ernährung – ein Leben lang.
Ist Milch auch weiterhin wichtig? Wie viel und welche ist da ideal?
Grundlage der Ernährung neben der Beikostgewöhnung ist weiterhin Muttermilch oder eine Säuglingsnahrung. Bei dieser ist es wichtig, darauf zu achten, dass sich die Zusammensetzung am Vorbild der Muttermilch orientiert und alle wichtigen Inhaltssto e enthalten sind. In den kommenden Monaten lösen die festen Speisen nach und nach die reinen Milchmahlzeiten ab. So ergeben sich bis ca. zum 10./12. Monat etwa 2 milchhaltige Mahlzeiten pro Tag. Zur Trinkmenge: Der Appetit des Babys ist unterschiedlich je nach Baby und von Tag zu Tag. Die auf der Packung der Säuglingsnahrung angegebenen Trinkmengen sind Mengen, die durchschnittlich von Babys im entsprechenden Alter getrunken werden. Die Trinkmenge pro Fläschchen kann aber sehr unterschiedlich sein. Da Babys sehr gut wissen, wie viel Nahrung sie brauchen, regeln sie die Trinkmenge selbst.