7 minute read
Ich will Papas zusammenbringen“
Ein zweifacher Vater entdeckt während seiner Karenz die Herausforderungen, aber auch die Freuden des Papaseins und möchte diese mit anderen Vätern teilen. Unter dem Titel „Papafreude“ bietet er Workshops und Kurse speziell für Männer an und unterstützt sie damit in ihrer Vaterrolle. von heidrun henke
Beim täglichen Hinbringen und Abholen meiner Kinder vom Kindergarten ist mir Clemens aufgefallen, ein Papa, der seinen „Job“ besonders ernst nahm und mit viel Hingabe, Leidenschaft und Freude seine Karenzzeit auslebte. Vielleicht wäre er mir nicht aufgefallen, wäre er eine Frau. Doch es ist noch immer nicht ganz selbstverständlich, dass auch Männer in Karenz gehen, nämlich für länger, und sich in dieser Phase ausschließlich um die Kindererziehung kümmern, so wie Clemens es tat. Angefangen vom Hirsebällchen über anstehende Arzttermine bis hin zu den täglichen Trotzanfällen.
Playdates, Kochen, Wäsche waschen
Clemens Schmoll ist jemand, der sich genau dafür einsetzt: dass sich immer mehr Männer trauen, für eine längere Zeit in Karenz zu gehen und dabei die Freude am Papasein entdecken. Er ist Soziologe, systemischer Coach und war 18 Jahre lang Sozialarbeiter beim Hilfswerk in Wien, bevor er sich selbstständig machte. In all diesen Funktionen konnte er viel Expertise in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sammeln. Die meiste Erfahrung kam allerdings durch seine Rolle als zweifacher Vater – während seiner Karenz. Beim ersten Sohn hatte er sich nur ein paar Monate Auszeit genommen, beim zweiten Kind teilten er und seine Frau sich die Karenzzeit 50/50 auf, und er ging ein Jahr in Karenz, um sich seinen Kindern voll zu widmen: Freizeitprogramm für den älteren Sohn, Organisieren von Playdates, Kochen, Einkaufen, Wäsche aufhängen, Abholen vom Kindergarten und natürlich die Babyversorgung für den Kleineren. Das volle Programm halt. Er strauchelte in dieser Zeit, war überfordert, oft hilflos und erschöpft, wuchs aber langsam in die Rolle hinein, improvisierte, erledigte die Dinge auf seine Art und fand immer mehr Freude daran, die er an andere Väter weitergeben wollte.
Bei Clemens Schmoll lässt sich „Papafreude“ auch in Kursen oder Workshops erlernen, zum Beispiel, wie man kreativ die Windel wechselt.
Von Mann zu Mann
Daraus entwickelte sich eine Businessidee: „Papafreude“. Seit 2020 bietet Clemens als selbstständiger Coach Trainings, Workshops und Freizeitangebote für Jungväter an. Sein Ziel ist es, Männer zu ermutigen, es ihm nachzutun, sich in ihrer neuen Rolle auszuprobieren, sie als Spielwiese zu betrachten und auf ihre ganz individuelle Art Vater zu sein. „Papafreude“ soll auch eine Anlaufstelle sein, wo sich engagierte Papas oder solche, die es werden wollen, hinwenden und austauschen können. „Angebote für Mütter gibt es schon genügend. Doch Papas werden damit nicht wirklich angesprochen. Sie sind zwar immer gern gesehen und überall willkommen, doch meist ist man der Hahn im Korb“, stellte Clemens schnell fest. Nach erfolgloser Recherche begann er sich selbst seinen eigenen Kreis zu scha en, wo er sich mit Jungpapas austauschen konnte. Für seine Plattform hat er Mama-Angebote zielgruppenspezifi sch auf Männer umgelegt. „Es redet sich von Mann zu Mann einfach anders. Wenn ein Papa und eine Mama über Kinderthemen reden, fühlen sich Männer schnell unterlegen, da automatisch die Mutter als Expertin wahrgenommen wird. Die Diskussion ist gefühlsmäßig nicht auf Augenhöhe“, berichtet Clemens. „Umgekehrt wird dem Papa von der Gesellschaft auch viel mehr verziehen und nachgesehen. Sei es, dass er die Sonnencreme vergessen hat oder wenn das Kind bockt und kreischt. Da erntet „mann“ manchmal mitfühlende bis mitleidige Blicke von Frauen à la: Der arme Mann, wie soll er das denn scha en? Papas werden in der Ö entlichkeit noch immer anders wahrgenommen.“
Mit Augenzwinkern und Humor
Bei seinen Angeboten setzt Clemens auch auf Witz und Ironie und spielt mit männlichen Klischeebegri en. So gibt es zum Beispiel einen „Heldenstammtisch“, den „Dreckspatzcontest“ oder das „Sparring“-Angebot. Die Kinder sind immer bei den Kursen dabei, nicht nur die Väter, sondern auch die Kinder sollen zusammenkommen, es sollen im besten Fall Freundschaften entstehen oder zumindest Netzwerke und Playdates. Beim Heldenstammtisch geht es zum Beispiel darum, in Kleingruppen miteinander ins Gespräch zu kommen und über Kinder- und Erziehungsfragen zu plaudern – auf die maskuline Art. Es ist ein geschützter Rahmen, wo „mann“ beobachten und ausprobieren kann. „Männer tun sich grundsätzlich schwerer, Fragen zu stellen und Schwäche zu zeigen“, weiß Clemens auch aus seiner Zeit als Sozialarbeiter, „es sind meist die Frauen, die um Hilfe bitten. Männer kommen leider oft erst, wenn es schon zu spät ist!“ Insofern sieht Clemens seine Arbeit auch als gesellschaftlichen Auftrag. Doch wir müssen alle dazulernen, Männer wie Frauen. Auch die Mamas sind hier gefragt, loszulassen, abzugeben und Vertrauen in ihre Männer zu entwickeln. „Es ist ein Spiel aus Geben und Nehmen“, wie Clemens es nennt. Auch an den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen muss sich
» Der Papa macht’s anders, aber genauso gut. Wir sind alle Experten unseres eigenen Kindes. «
Clemens Schmoll
diesbezüglich noch viel ändern und die Gehälter angepasst werden. Erst dadurch würde das fi nanzielle Argument, wer in Karenz geht, wegfallen und der Gap bei den Pensionsansprüchen verringert werden.
Die Herausforderung ist der Alltag
„Betreuungs- und Kinderarbeit wird noch immer viel zu wenig anerkannt. Auch als Mann fühlte ich mich zu wenig wertgeschätzt. Das Selbstbewusstsein kommt manchmal erst durch die Arbeit, durch tolle Projekte, Aufträge ... Das blieb in der Karenz auf der Strecke“, gibt Clemens zu. „Oft war ich am Abend streichfähig und wusste gar nicht mehr, was ich den ganzen Tag so gemacht habe. Elternsein ist ein anstrengender Job. Doch die echte Herausforderung ist der Alltag mit den Kindern. Das Immer-bereit-Sein, das Grenzen setzen und Anleiten. Wochenend-Highlights organisieren kann jeder. Doch das Wichtigste dabei ist, in dem ganzen Stress niemals die Freude zu verlieren.“ Wie der Name bereits verrät, hat sich der Initiator von „Papafreude“ auf das Positive konzentriert. „Wo ich meinen Fokus hinlege, dort werde ich auch die Früchte ernten“, ist er überzeugt. Die Kurse leben nämlich vor allem von seiner Persönlichkeit. Mit seiner herzlichen Art und seiner O enheit scha t er ein Setting, in dem es Männern leichtfällt, über ihre Troubles als Vater zu reden und Ideen anzunehmen. „Keiner ist ein Profi , doch jeder ist Experte seiner eigenen Lebenswelt und seines eigenen Kindes“, ist sich Clemens sicher. Ein authentischer Umgang mit dem Kind, der zu einem selbst und zur ganzen Familie passt, ist die Grundvoraussetzung für eine gelungene Vaterrolle.
Am Ende dieses Gespräches bin ich erstaunt, wie wohltuend es sein kann, sich mit einem Mann über genau diese Themen zu unterhalten, mit denen ich normalerweise nur mit Mamas rede, und auf vollstes Verständnis zu tre en. Wir reden über Wickelunterlagen, Tragetücher, Fernsehverbote und gesundes Snacken. Es sollte noch viel mehr Männer wie Clemens geben, die aktiv, bewusst und empathisch in ihrer Vaterrolle aufgehen.
Mit Tragetuch (hier von Manduca) sind Papas die Blicke anderer sicher. In den „Papafreude“-Workshops können sie ihre Erfahrungen mit Gleichgesinnten teilen.
4 Fragen an Clemens Schmoll Gründer von „Papafreude“, www.papafreude.at
Tipi: Kann man im Stehen wickeln?
Clemens Schmoll: Ja klar, man kann überall wickeln, man muss sich nur darauf einlassen und improvisieren.
Soll es ein Gehalt für Kinderbetreuung geben?
Unbedingt. Kinderbetreuung gehört in unserer Gesellschaft viel mehr wertgeschätzt, auch monetär.
Bei welchen Themen kommen deine Kinder ausschließlich zu dir?
Ich bin der große Zecken-Entferner. Aber auch, wenn das Spielzeug kaputt ist. Dann heißt es „Paparieren?“
Warum bist du in Karenz gegangen?
Mir war es wichtig, dabei zu sein, wenn meine Kinder die ersten Schritte machen, die ersten Wörter sprechen oder das erste Mal am Spielplatz klettern. Das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Interview Papafreude-Angebote
Sparring: Für alle, die sich im alltäglichen „Boxkampf“ zwischen Kind und Alltag wiederfi nden. In einer Ecke der neue Schatz, in der anderen alle Omas, Opas und Mamas mit vielen Tipps und guten Ratschlägen. Doch der Schiedsrichter fehlt. Clemens Schmoll bietet eine neutrale Ecke für alle Sorgen, Fragen, Wünsche und Challenges. Aussprache steht an erster Stelle, trainiert wird mit bewährten Coaching-Methoden.
Heldenstammstisch: Auch Helden brauchen mal eine Pause! Austausch mit anderen Papas und Kindern. Gemeinsames Abschalten, Durchschnaufen und Kennenlernen.
Dreckspatz-Contest: Die große Windelwechsel-Competition. Hier werden gemeinsam die Grenzen des Windelwechselns gesprengt. Denn … braucht es wirklich immer eine Wickelaufl age? Man glaubt kaum, in welchen Lagen Wickeln eigentlich möglich ist. Tipps und Tricks für kreative Papas. www.papafreude.at