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Bodyweight – Training ohne
Gesunde Bewegung im Familienalltag Bodyweight – Training ohne Tools
Krafttraining bedeutet nicht unbedingt das Bewegen von Gewichten: Auch das Training mit dem eigenen Körper(gewicht) stärkt die Muskeln. Zudem haben Calisthenics und Co. einen ganz großen Vorteil im Familienalltag: Sie benötigen kaum Equipment und sind somit überall und jederzeit umzusetzen – auch neben und sogar mit Kindern gemeinsam. von jonny roth
Das Auge des Tigers Seit ich mir 1987 heimlich die Trainingssequenz von Rocky auf VHS reingezogen habe, wollte ich so stark sein wie Stallone. Aber auch wenn ich meine Tage und Nächte mit Liegestützen und Klimmzügen füllte: Meinem Ziel kam ich damit als Siebenjähriger klarerweise nicht näher. Trotzdem verlor ich nie wieder meine Liebe zum Training mit dem eigenen Körpergewicht. Und manchmal höre ich beim Training immer noch „Eye of the Tiger“, und ein Teil von mir schämt sich ein klein wenig. Körpergewichtstraining ist die Basis … für alles Jede Übung mit einer Hantel hat ihren Ursprung im Körpergewichtstraining, somit sollte auch zuerst die Variante ohne zusätzliche Beladung gemeistert werden. Wenn du eine Plank nicht zwei Minuten lang halten kannst, ist es keine gute Idee, Bankdrücken zu gehen, da dein Körper einfach noch nicht bereit dafür ist. Die Reihenfolge sollte immer dieselbe sein: Bewegung – Wiederholung – Beladung. Gewichte oder Körpergewicht Gewicht – egal ob als Kettlebell, Langhantel, Kurzhanteln oder Körpergewicht – ist ein Werkzeug, um dem Muskel Widerstand zu bieten, damit er wächst. Praktischerweise haben genormte Gewichte eine Gewichtsangabe – das macht das Training nachvollziehbar, und man kann es progressiv gestalten: Mehr Gewicht, die Übung wird schwerer.
Das Training mit dem eigenen Körpergewicht ist da schon komplexer, da der Körper von heute auf morgen keine großen Gewichtssprünge macht. Eine Steigerung der Intensität ist also – ohne das nötige Know-how – schwer zu erreichen. Denn auch nach dem fünfzigsten Klimmzug am Stück beherrscht man nicht den einarmigen Klimmzug: Beim Körpergewichtstraining ist jede Progression einer Übung ein Neuanfang, daher sollte man das Training auch lieber über Jahre und nicht über Wochen und Monate planen.
Die Grenzen des BodyweightTrainings Jedes Gewicht ist wie gesagt lediglich ein Werkzeug, und als solches muss es auch für den richtigen Zweck eingesetzt werden. Wenn du also zweihundert Kilogramm Kreuzheben oder wie aus Marmor gemeißelt aussehen möchtest, reicht das Training mit dem eigenen Körpergewicht nicht aus. Ob diese Ziele für Hobbysportler sinnvoll sind, bleibt eine persönliche Entscheidung.
Obwohl ich glaube, dass es förderlich ist, zumindest das eineinhalbfache, wenn nicht sogar das doppelte Körpergewicht heben zu können, bedeutet das nicht, dass man das ständig tun sollte. Denn allein der Aufbau unseres äußerst beweglichen Schultergelenks legt nahe, dass wir noch vor Kurzem auf Bäumen kletterten, und auch unsere Wirbelsäule ist immer noch nicht perfekt an den aufrechten Gang angepasst. Primär sind wir also dafür gemacht, unser Körpergewicht hochzuziehen und nicht dafür, (ständig) schwere Lasten zu schleppen.
Am Ende muss es aber wie so oft im Leben kein Entweder-Oder sein. Beide Arten des Trainings haben ihre Berechtigung, und die Liste der Gründe, Körpergewichtsübungen in jedes Trainingsprogramm zu integrieren, ist lange.
Du minimierst deine Verletzungsgefahr Das Training mit dem eigenen Körpergewicht hat den Vorteil, dass die Schwierigkeit der Progressionen es verhindert, dass man sich übernimmt: Zu viel Gewicht auf die Stange laden und sich verletzen kann jeder, einen einarmigen Klimmzug machen und sich verletzten wird da schon schwieriger, weil man als Anfänger erst gar nicht so weit kommt.
Außerdem ist unsere Körperstruktur nicht symmetrisch aufgebaut. Eine asymmetrische Struktur mit einer Langhantel symmetrisch zu beladen und ihr so jede Ausweichmöglichkeit zu nehmen, führt ohne unilaterale Ausgleichsbewegungen nahezu zwangsläufig zu Problemen. Beim Körpergewichtstraining ohne zusätzliche Beladung hat der Körper jedoch immer noch Möglichkeiten, Asymmetrien auszugleichen.
Du trainierst Kraft, Mobilität und einen Skill – gleichzeitig und überall Mir persönlich macht es definitiv mehr Spaß, mit den Kindern am Strand einen Handstand zu machen, als dem Nachbarn auf der Strandliege zu erzählen, wie viel ich bankdrücke. Zudem wirst du durch den Handstand nicht nur kräftiger, sondern notwendigerweise auch mobiler, und deine Balance verbessert sich. Alles Dinge, die du auch im Alltag spüren wirst. Trainieren mit dem eigenen Körpergewicht kannst du außerdem jederzeit: während die Kinder fernsehen, im Park oder am Strand – am Ende der Woche sind 5 Klimmzüge am Tag schon 35 pro Woche.
Wie beginnst du damit? Archer Pull-ups, One Arm Push-ups, Shrimp Squats – die Variationen beim Training mit dem eigenen Körpergewicht sind end- und kostenlos. Aber wie beginnst du damit? Du brauchst keinen Kurs und auch keinen Trainer, um dich mal ein Monat lang täglich dreißig Sekunden von einer Klimmzugstange zu hängen und dich danach genauso lange auf deine Fersen zu setzen. Der erste Schritt zu Klimmzügen und Kniebeugen ist dann bereits geschafft, und bekanntlich beginnt doch jede Reise genau damit, oder?
Trainings-Minimalismus
von jonny roth
Jonny Roth
ist Movement Trainer. Über Fitover40.at bietet er maßgeschneiderte, alltagstaugliche und perspektivische Bewegungskonzepte, die in der Auswahl der Übungen, Intensität und Volumen für JEDEN Körper, JEDEN Lebensstil und JEDE familiäre Situation skalierbar sind – UNABHÄNGIG davon, ob man gerne Sport macht oder nicht.
Trainingsprogramme, für die ich Taschenrechner, Mondphasenkalender und einen Abschluss in technischer Mathematik brauche, haben mir noch nie gelegen. Seit ich aber neben meinen kleinen Söhnen trainiere und dafür lediglich zwanzig Minuten Zeit habe, bevor unser Essen im Backrohr verbrennt, sind sie ein Ding der Unmöglichkeit. Aus diesem Grund muss mein Training einfach umsetzbar sein. Um das zu erreichen, orientiere ich mein Training an einigen wenigen Punkten, die ich aber auch wirklich immer berücksichtige und die ich an dieser Stelle mit dir teilen möchte.
1. Nicht zu viele Hasen auf einmal jagen Du willst einen Marathon laufen und 250 kg aufheben können? Kannst du, aber nicht zur gleichen Zeit: Wer zwei Hasen jagt, fängt nämlich keinen. Wähle also dein Ziel und bleibe nur darauf fokussiert – um es zu finden, kann dir auch ein Trainer helfen.
2. Wähle dein Werkzeug Wenn du von A nach B kommen willst, musst du den passenden Weg finden. Du willst Kraft und Mobilität vereinen? Bodyweight. Du willst maximal kräftig werden? Langhanteln. Wichtig ist vor allem, dass du dich für ein Tool entscheidest, zu dem du leicht und regelmäßig Zugang hast, und dann mal ein paar Monate deinen Hauptfokus darauf legst. Begrenzungen fördern zudem die Kreativität, auch selbst auferlegte. 3. Push – Pull – Hinge – Squat – Carry Körperliches Training ist eigentlich nicht so kompliziert. Du kannst ziehen. Du kannst drücken. Du kannst etwas vom Boden aufheben. Du kannst Kniebeugen machen und Gewichte durch die Gegend tragen. Und genau das versuche ich in jedem Training, mit jedem Tool oder auch ohne zu machen, um auch wirklich den ganzen Körper zu trainieren.
4. Der grüne Bereich Natürlich kann man sich ab und zu verausgaben. Der Großteil des Trainings aber sollte im „grünen“ Bereich stattfinden. Weniger ist wie so oft mehr. Profisportler wissen das, Amateure können oft nicht leicht einschätzen, ab wann sie sich überfordern. Da wir aber meist schon ohnehin genug Stress haben, halte ich es für wenig zielführend, auch noch im Training ständig an seine Grenzen zu gehen. Denn nur weil man ständig platt ist, bedeutet das nicht, dass das Training wirkt – es bedeutet, dass man es überdenken sollte.
5. Mobilität Wo ist der Minimalismus? Je älter man wird, desto mehr Zeit sollte man in Mobilität investieren. Ob Yogaklassen oder abendliches Dehnen vor dem Fernseher: Es liegt an jedem selbst, seine Beweglichkeit aufrechtzuerhalten und so unnötige Schmerzen und Verletzungen zu vermeiden. Nicht umsonst wird in Fernost seit jeher das Alter an der Beweglichkeit und an der Qualität der Wirbelsäule gemessen.
6. Erholung Das beste Training ist das, von dem man sich erholen kann. Aber auch die Erholung muss aktiv gestaltet werden: lockere Spaziergänge, Dehnen oder Schwimmen an trainingsfreien Tagen zum Beispiel. Essenziell ist es auch, zwischen zehn und elf schlafen zu gehen. Aus diesem Grund sollte man das Handy oder den Fernseher lieber zeitig abdrehen: Blaues Licht blockiert nämlich die Produktion des Hormons Melatonin, das uns schläfrig macht.
7. Spaß Etwas langfristig in sein Leben zu integrieren, gelingt nur, wenn es auch Freude bereitet. Ein Training sollte daher immer Platz für Improvisation und Spaß bieten. Mein kleinster Sohn muss aus irgendeinem Grund laut lachen, wenn ich den schweren Medizinball gegen die Wand werfe. Vielleicht ist er mir da einfach irgendwo voraus, aber da ich sein Lachen liebe, haben Wall-Balls inzwischen einen festen Platz in meinem Training. Was bereitet dir Freude?