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Heilen im Einklang mit der Natur

Ayurveda ist alles andere als ein Trend, denn die indische Heilkunde gibt es bereits seit über 3.500 Jahren. Doch in letzter Zeit erfreut sich Ayurveda auch bei uns größter Beliebtheit – unter anderem bei der Behandlung von Kindern. Warum das so ist, haben uns zwei Experten erzählt. von heidrun henke

Dr. Susheel Saini

ist Facharzt für Allgemeinmedizin sowie für Kinder- und Jugendheilkunde und nutzt als „Ayurveda Doc“ die Vorteile der ayurvedischen Medizin als Ergänzung zur westlichen Schulmedizin.

Termin nach Vereinbarung: +43 670 603 93 99

www.ayurvedadoc.com

Viele spannende Infos gibt’s auch auf Instagram: @ayurveda.doc

Wörtlich übersetzt bedeutet Ayurveda „Das Wissen vom Leben“ (Ayur = Leben und Veda = Wissen) und deutet damit schon ganz klar auf seinen holistischen Ansatz hin. Bei Ayurveda wird das gesamte „System Mensch“ behandelt. Im Zentrum steht das harmonische Zusammenspiel von Körper, Geist, Seele und Umwelt. Ayurveda kann einerseits als Prävention eingesetzt werden, zur Erhaltung der Gesundheit, und andererseits als therapeutische Maßnahme, um Krankheiten zu heilen und Beschwerden zu lindern. Diese Art der Naturheilkunde umfasst Innere Medizin, Hals-Nasen-Ohren- und Augenheilkunde, Frauenheilkunde sowie Ansätze zur körperlichen Entgiftung.

Doch auch in der Kinderheilkunde ist die indische Wissenschaft mittlerweile fest verankert und hat in jüngster Zeit auch immer mehr in unseren westlichen Kinderzimmern Einzug gehalten. Denn gerade bei Kindern kann man besonders gut ganzheitlich arbeiten und die Weichen für ein ausbalanciertes System stellen. Allergien, Atemwegserkrankungen, Depressionen, Migräne, Lernschwächen und Übergewicht können bei Kindern gut mit Ayurveda behandelt werden. Die ayurvedische Naturmedizin besagt, dass jedes Kind von der Geburt bis zum Erwachsenenalter seinem Temperament, seinem Naturell und seiner Konstitution entsprechend umfassend gefördert werden sollte. Eine Schlüsselrolle dabei spielt die Ernährung. Dahinter steht die Vorstellung, dass der physische Körper durch Nahrung lebt und krank werden kann, wenn er mit den falschen Nahrungsmitteln versorgt wird.

Ernährung ist das Fundament Davon ist auch Dr. Susheel Saini überzeugt. Der Allgemeinmediziner ist seit vielen Jahren auf Ayurveda spezialisiert: „Wir vergessen oft den immensen Stellenwert von Nahrung. Ernährung ist das, was uns ausmacht, wie die Substanz, aus der ein Haus gebaut wird. Sie ist unsere Basis für

» Man sagt, zum Zeitpunkt der Geburt entscheiden die Umwelt, das Wetter, die Gefühlslage, die Genetik und die Gesundheit der Eltern über die Konstitution des Kindes. «

Susheel Saini

eine gute Gesundheit. Ernährung ist die Medizin, die wir tagtäglich zu uns nehmen.“ In seiner täglichen Arbeit behandelt er sehr oft Kinder und Jugendliche mit Verdauungsproblemen: „Mit der typgerechten Ernährung kann man schon sehr viel lösen. Es braucht nicht immer ein abführendes Mittel.“ Ernährung und das Ausmaß an Bewegung wirken sich maßgeblich auf unsere Gesundheit aus. Doch nicht nur, Ayurveda widmet sich durch das Berücksichtigen der Umgebungseinfl üsse und der psychischen Hintergründe der Ursache hinter dem Symptom – ganz im Sinne des ganzheitlichen Ansatzes. Kinder reagieren auf emotionale Spannungen sehr sensibel und bevorzugt mit Bauchschmerzen und Verdauungsproblemen, wie zum Beispiel chronische Verstopfung.

Unterschiedliche Konstitutionen Grundlage im Ayurveda ist die Bestimmung der individuellen Konstitution (Prakriti) und eventuell vorhandener Störungen (Vikriti). Denn jeder Mensch ist hinsichtlich seiner Konstitution (Dosha) und Eigenschaften einzigartig. Wer seinen Dosha-Typ und seine individuellen Eigenschaften kennt, weiß, in welchen Bereichen seine Stärken und Schwächen liegen und kann gut einschätzen, welche Praxis, Ernährung oder Meditationstechnik wirkungsvoll und heilsam ist. „Man sagt, zum Zeitpunkt der Geburt entscheiden die Umwelt, das Wetter, die Gefühlslage, die Genetik und die Gesundheit der Eltern über die Konstitution des Kindes“, erzählt Susheel Saini.

Achtsam für den Körper Ayurveda ist einerseits Praxis, aber auch ein ganzheitlicher Heilungsweg, der auf Selbstbeobachtung und Erfahrung beruht. Durch Refl exion und Selbstwahrnehmung lernt man, achtsam mit seinem Körper und dem eigenen Atem umzugehen, ähnlich wie bei Yoga. „Ayurveda ist auch eine Art Lifestyle. Im besten Sinne“, weiß der Ayurveda-Doc. „Man lernt damit fi xe Morgenroutinen. Wie beginne ich meinen Tag? Wie beende ich ihn?“ Dazu gehören Reinigungsmaßnahmen, wie Zunge schaben, das morgendliche Ölziehen genauso wie warme Ölmassagen, die tägliche Meditationspraxis und Achtsamkeitsübungen. „Die täglichen Routinen helfen, uns selbst für unsere Gesundheit zu disziplinieren und in unseren Körper hineinzuhören. Und das können bereits Kinder“, meint Susheel Saini. Die Phase der Kindheit formt den Menschen. Daher ist eine gesunde Entwicklung besonders wichtig. Außerdem bilden sie permanent neues Gewebe und brauchen daher eine optimale Nährsto versorgung. Bis zum 5. Lebensjahr überwiegt immer Kapha – daher auch die so häufi g auftretenden „Schleimkrankheiten“ wie Schnupfen und Bronchitis in diesem Alter. Ein schleimlösender Tee gehört für Eltern kleiner Kinder also unbedingt in die Hausapotheke. Dr. Saini empfi ehlt Ajwain als Tee bei Erkrankungen der oberen Atemwege oder gegen Husten. Mit Beginn der Pubertät nimmt dann Pitta zu, wodurch nicht nur Entzündungen wie Akne entstehen, sondern auch die Anfälligkeit für Sucht- und Genussmittel in dieser Altersgruppe besonders hoch ist. Ernährung und Bewegung können helfen, die Phasen bis zum Erwachsenwerden besser zu bewältigen. Wer früh lernt, auf seinen Körper zu hören, nimmt auch rechtzeitig wahr, wenn sich ein Ungleichgewicht in unser System schleicht. So kann man gegensteuern, noch bevor die Krankheit ausbricht.

Porridge als leicht bekömmliches Powerfrühstück ist ideal, wenn das Verdauungsfeuer Agni am Morgen noch nicht so aktiv ist – und schmeckt auch schon den Kleinen. Herbstzeit ist

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Dr. Nicole Rosenberg

arbeitet in eigener Praxis für ganzheitliche Allgemeinmedizin und Psychosomatik, Ayurvedamedizin und Yoga-Therapie. Praxiseröffnung am 7.10.2022 (Anmeldung: office@e5ayurveda.com) Stubenring 14, 1010 Wien

www.nicolerosenberg.at

© Heidrun Henke (1) Interview

Tipi: Was ist das Besondere beim Ayurve-

da? Warum hat es dich als Schulmedizinerin zum Ayurveda gezogen?

Nicole Rosenberg: Mich hat der Zusammenhang zwischen Körper und Psyche immer schon begeistert. An mir selbst und in meiner Arbeit als Ärztin habe ich erlebt, wie unglaublich „mächtig“ die Psyche ist und dass sie nahezu alle Symptome im Körper hervorrufen kann. Mein Forscherdrang führte mich zunächst zur Psychosomatischen Medizin, und ich fand viele Antworten, jedoch blieb eine wesentliche Ebene bei der Betrachtung des Menschen weitgehend ausgegrenzt. Nämlich die Berücksichtigung der spirituellen Dimension unseres Menschseins. Im Ayurveda bekommt diese einen selbstverständlichen Platz. Damit hab ich einen Weg zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise in meiner Arbeit gefunden. Außerdem: Nicht das Symptom wird in den Fokus gestellt, sondern das ganze „System Mensch“ in seiner Umgebung wird berücksichtigt, und Heilung geschieht durch die Wiederherstellung der Balance in diesem System; weg von einem symptomorientierten Zugang hin zu wahrem Verstehen dessen, was zum Symptom geführt hat.

Warum kann man sie auch bei Kindern anwenden?

Kinder befinden sich in der „Aufbauphase“, es wird die Basis geschaffen für alles, was später an Kompetenzen zur Bewältigung des Lebens notwendig wird – körperlich, mental und emotional. In dieser Phase ist es entscheidend, wie gut das System „genährt“ wird und wie Einflüsse von außen „verdaut“ werden können. Dies gilt nicht nur für feste Nahrung auf stofflicher Ebene, sondern auch und vor allem für die Nahrung auf der psycho-emotionalen Ebene.

Was kann Ayurveda bei Kindern, Kleinkindern, Jugendlichen leisten?

Ayurveda zielt darauf ab, den Menschen dabei zu unterstützen, dem eigenen Empfinden und der Wahrnehmung innerer Prozesse einen größeren Raum zu geben. So kann das System durch seine „innere Weisheit“ zu der Gesundheit zuträglichen Verhaltensweisen greifen. Im Laufe unserer Entwicklung zum Erwachsenen lernen wir jedoch oft das Gegenteil, nämlich unser Gefühl zu übergehen und auf das Urteil von außen zu vertrauen und unser Verhalten weitgehend darauf auszurichten. Wenn wir unsere Gefühle und emotionalen und körperlichen Bedürfnisse dauerhaft übergehen, kann sich dies irgendwann als Erkrankung manifestieren. Ayurveda kann Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, ihrem eigenen Empfinden zu vertrauen und so zu lernen, gut für sich zu sorgen. Eine Fähigkeit, die im Erwachsenenalter essenziell ist, wenn es um Prävention und Therapie von Erkrankungen geht.

Gesunde Ernährung und Kinder, das passt doch gar nicht zusammen … Wie können Kinder an gesunde Nahrung herangeführt werden?

Die individuell ideale Ernährung macht im Ayurveda schon etwa die Hälfte der Therapie aus. In der Aufbauphase der Kindheit, die grundsätzlich eine sehr stabile und robuste Lebensphase ist, können „Ernährungsfehler“ eher toleriert werden als im Erwachsenenalter. Deshalb sind strenge Regeln in Hinblick auf die Ernährung bei Kindern nicht notwendig. Viel wichtiger ist es, durch unser Vorbild und durch Kultivierung eines achtsamen Umganges mit Nahrung positiv auf unsere Kinder einzuwirken. Auch in Bezug auf die Umgebung, in der gegessen wird – sprich –, wie und in welchem Setting können wir einen essenziellen Beitrag leisten, damit Kinder sich später auch als Erwachsene auf eine Weise ernähren, die ihrem System zuträglich ist. Wir als Eltern sind das Modell, an dem sie sich orientieren. Die Frage ist: Was möchte ich meinen Kindern weitergeben? Was sind meine eigenen Überzeugungen und meine Herangehensweise an das Thema „Essen“? Eine Beratung zum Thema Ernährung muss immer das ganze System „Familie“ miteinbeziehen.

Wie kann ich das Immunsystem von Kindern mit Ayurveda stärken?

Auch hier geht es um Balance. Wie auch bei uns Erwachsenen führt chronischer Stress zu einer Schwächung des Immunsystems. Das heißt, wenn ich nicht regelmäßig für einen Ausgleich im Nervensystem sorge – sodass sich Spannung und Entspannung die Waage halten –, kann dies dazu führen, dass ich beispielsweise anfälliger für wiederholt auftretende Infekte bin. Durch das Einführen einer ausbalancierenden Alltagsroutine, wie sie im Ayurveda vorgeschlagen wird, kann einer chronischen Überlastung und der folgenden Insuffzienz des Immunsystems entgegengewirkt werden.

Stichwort ADHS bei Kindern: Wie kann Ayurveda hier helfen?

Durch die andauernde Überreizung des Nervensystems, die das Leben in unserer Welt mit ihrem rasanten Tempo und Ablenkungen, die uns ständig aus dem Moment herausführen, mit sich bringt, ist das System Mensch überfordert. Jedem ist klar, welchen negativen Einfluss etwa ein Bildschirm hat. Eine Vielzahl an Maßnahmen können getroffen werden (Änderungen in der Alltagsroutine, Einführen von entspannungsfördernden Maßnahmen, das Sorgen für eine hilfreiche Lernumgebung, Familienrituale etc.). Das Symptom, das sich bei einem Kind zeigt, kann auch ein Auftrag dafür sein, eine ganz neue Qualität in der Familie, im Zusammenleben und an sich selbst zu entwickeln. Das Symptom ist oft der Auslöser und Anfangspunkt einer ganz wunderbaren Veränderung.

Wie gut funktioniert die Integration von Ayurveda in die Schulmedizin und umgekehrt?

Ich finde, dass sich das Beste aus beiden Welten ergänzen darf. Es braucht ein gutes Gespür, um wahrzunehmen, welcher Ansatz zu welchem Zeitpunkt notwendig ist. Es gibt viele Problemstellungen, bei denen die westliche Medizin unschlagbar ist, und ich sehe nicht ein, warum wir uns diese Errungenschaften nicht zugutekommen lassen sollten. Wenn etwa aus schulmedizinischer Sicht ein Antibiotikum notwendig ist, werde ich auch immer eines verordnen. Ich sehe die Konkurrenz zwischen den Systemen nicht, da ich beiden Herangehensweisen gegenüber offenbleibe und das Mittel wähle, das individuell am günstigsten erscheint. Mit der Schulmedizin sind wir oft recht schnell „am Ende“, wenn z.B. eine rein symptomatische Therapie nicht ausreicht. Hier ist Ayurveda unschlagbar.

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