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Work Capacity

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Wir sind weg

Wir sind weg

Gesunde Bewegung im Familienalltag Work Capacity – die Kraft, die wir wirklich brauchen

Im Gym schwer heben zu können, ist eine nette Sache. Es hilft dir aber nur bedingt, wenn du zwei Kleinkinder, drei Einkaufstaschen und den Hund vom Supermarkt zum Auto bringen sollst, und das gleichzeitig. von jonny roth

Wie bitte? Work Capacity bedeutet, so viel Arbeit wie möglich in einer vorgeschriebenen Zeit zu bewältigen oder aber eine vorgeschriebene Arbeit in so kurzer Zeit wie möglich.

Tja. Als ich diesen Satz zum ersten Mal gelesen hatte, musste sich mein Gehirn erst mal entknoten. Falls es euch ähnlich gehen sollte, möchte ich es nochmals anders formulieren: Du sollst das Gewicht nicht fünfmal aufheben, sondern zehn Minuten lang, jede Minute fünf Mal. Oder aber fünfzig Mal hintereinander – und zwar so schnell du kannst.

Warum du das willst Die Work Capacity beschreibt deinen Fitnesslevel, und bildet somit die Grundlage deiner körperlichen Leistungsfähigkeit – das, was man im englischsprachigen Raum unter „General Physical Preparedness“ versteht. Und auch wenn man bei „GPP“ jetzt vielleicht eher an Footballspieler und Feuerwehrleute denkt: Jeder Mensch profitiert von einer erhöhten Work Capacity im Alltag, egal, ob es ums Schleppen von Einkaufstaschen, die Gartenarbeit oder das Spiel mit den Kindern geht.

Gern, aber wie? Ob Air Bikes, Prowler Sleds, Loaded Carries … Möglichkeiten, deine Work Capacity zu steigern, gibt es genug, aber die meisten benötigen eben spezielles Equipment, zu dem nicht jeder Zugang hat. In Folge möchte ich also einfache Wege aufzeigen, dasselbe zu erreichen.

Purzelbaum An dieser Stelle müssen jetzt vielleicht einige von euch schmunzeln, und auch in mir lebte lange die Erinnerung, wie mühelos es als Kind war, mich am Boden zu bewegen. Wer sich jedoch als Erwachsener daran versucht, wird vielleicht – wie ich vor einigen Jahren – mit der unangenehmen Realität konfrontiert, dass die Kindheit vorüber ist. Mobilitätsdefizite sind spürbar, und auch der Gleichgewichtssinn ist nicht mehr derselbe. Wer zehn Purzelbäume hintereinander macht, gerät ordentlich ins Schwitzen, und eventuell wird einem erst mal auch übel. Wem das nicht reicht, der kann sie mit Schulterrollen und Radschlagen ergänzen. Der Boden ist das wichtigste Trainingsgerät, und „Groundwork“ gehört in jeden Trainingsplan.

Bergauf Natürlich kann man im Fitnesscenter Schlitten schieben, um seine Work Capacity zu trainieren – aber weder Gyms noch Schlitten gibt es überall. Was man jedoch fast überall findet, sind Hügel, um hinaufzulaufen: Hill Sprints. Klingt nicht reizvoll? Ist es auch nicht, außer man kennt die Vorteile: Es ist schwierig, sich zu verletzen, da die Gliedmaßen ihre maximale Geschwindigkeit nicht erreichen. Deine Lauftechnik verbessert sich automatisch, da du dich nach vorne lehnen und Schultern und Arme einfach mitnehmen musst. Dein

Kalorienverbrauch erhöht sich dramatisch im Vergleich zum Sprinten in der Ebene. Und last but not least: Es funktioniert auch mit dem Laufkinderwagen.

Komplexe, oder was? Im Gym sicher eine der besten Möglichkeiten, um die Work Capacity zu erhöhen, sind Übungskomplexe. Ein Komplex ist eine Serie von Übungen, bei der die Wiederholungen einer Übung beendet werden, um dann nahtlos zur nächsten Übung überzugehen – und zwar ohne dass das Gewicht die Hand verlässt. Das kann mit Kurzhanteln, Kettlebells oder Langhanteln geschehen, wobei ich persönlich letztere bevorzuge.

Mein persönlicher Lieblingskomplex lautet daher Rudern/Umsetzen/Frontkniebeugen/Schulterdrücken/Kniebeugen/ Rumpfaufrichten, bei 3 mal 8 Wiederholungen. Vom Gewicht her sollte man es jedenfalls sehr konservativ angehen, am besten erst mal mit dem Besenstiel versuchen – Übungskomplexe sind bedeutend schwerer, als man glaubt. Zudem muss die Hantel auch irgendwann über den Kopf, was für unangenehme Überraschungen sorgen kann, wenn die Kraft ausgeht.

Kreativität durch Begrenzung Prinzipiell kann man beim Training seiner Work Capacity kreativ sein. Zum Beispiel einfach den Timer des Handys auf zehn Minuten stellen und los geht’s: durchs Wohnzimmer krabbeln, Gartenerde tragen, Medizinbälle an die Wand werfen. Sollte man pausieren müssen, sollte auch der Timer gestoppt und dann so schnell wie möglich weitergemacht werden. Sich dabei zusätzliche Begrenzungen aufzuerlegen, kann förderlich sein, denn Work Capacity ist nicht zuletzt auch eine mentale Kraft: sich beim Training den Elementen der Natur auszusetzen, ein Jahr lang nur mit einer einzigen Kettlebell zu trainieren, ein Monat lang kalt zu duschen. Denn immer, wenn du etwas aufgibst, dich begrenzt und etwas entbehrst, entsteht Raum für Neues.

The New Year Resolutionists

von jonny roth

Jonny Roth

ist Movement Trainer. Über Fitover40.at bietet er maßgeschneiderte, alltagstaugliche und perspektivische Bewegungskonzepte, die in der Auswahl der Übungen, Intensität und Volumen für JEDEN Körper, JEDEN Lebensstil und JEDE familiäre Situation skalierbar sind – UNABHÄNGIG davon, ob man gerne Sport macht oder nicht.

Als ich jünger war, wurde ich jedes Jahr im Jänner Zeuge eines Phänomens, das nur für wenige Wochen im Gym zu beobachten war: die Ankunft der „New Year Resolutionists“. Früher belächelte ich sie. Heute weiß ich, dass das überheblich war.

Dabei jagen Menschen in bester Absicht mit umfangreichen Trainingsplänen, aber wenig sportlicher Grundlage mehreren diametral entgegengesetzten Fitnesszielen gleichzeitig hinterher – um nach nur vier Wochen wie ein Stern am Himmel zu verglühen. Der Grund dafür war nicht fehlende Motivation, wie ich damals annahm – es war die Unerreichbarkeit eines Ziels, das sie selbst nicht definieren konnten.

Damit ihr also nicht an euren Fitnessvorsätzen fürs Jahr 2023 scheitert, lege ich euch in Folge ein paar Fragen ans Herz, deren Antworten euch helfen zu wissen, wo ihr hinwollt.

1. Was willst du wirklich? Wie viele andere auch wollte ich schon immer alles. Der Unterschied zu früher ist, dass ich heute nicht mehr versuche, es gleichzeitig zu erreichen. Ein hartes Trainingsprogramm zeitgleich mit einer harten Diät zu beginnen, ist nicht durchzuhalten, auch wenn XY das im Internet propagiert. Wenn du abnehmen und Muskeln aufbauen willst, nimm vielleicht erst ab und bau dann Muskeln auf. Das eine passiert relativ rasch durch eine Umstellung der Ernährung, das andere über einen längeren Zeitraum im Gym.

2. Hast du tatsächlich die Ressourcen dafür? Ich habe noch nie von Olympiasiegern gehört, bei deren Training ständig Kleinkinder und zwei Hunde anwesend waren und die zwischendurch auch noch in die Arbeit mussten. Wir alle müssen innerhalb unserer persönlichen Möglichkeiten trainieren und um entspannt und lange zu leben, sogar etwas darunter. Das bedeutet oft, in niedriger Intensität, über einen langen Zeitraum – und so sollte man den Großteil seiner Trainingszeit verbringen. 3. Bist du bereit, Dinge zu entbehren? Natürlich kann man sich auch ein kurzfristiges Ziel setzen, eine Zeit lang übermäßig intensiv zu trainieren oder zu fasten. Aber man muss dabei ehrlich zu sich selbst sein und den Zeitpunkt richtig wählen. Das kann der Jänner sein, muss es aber nicht. Mein Sohn hat zum Beispiel im Jänner Geburtstag, und wenn meine Frau den besten Schokokuchen der Welt bäckt, ist das für mich definitiv nicht der richtige Moment für eine Fastenkur.

4. Ist dein Wunsch wirklich dein Wunsch? Willst du wirklich abnehmen? Oder mehr Muskelmasse aufbauen? Und warum willst du das eigentlich? Wenn du an dein Ziel denkst, sollte sich das gut anfühlen. Wenn es das nicht tut, sondern sich nach Druck anfühlt, ist es nicht dein Ziel, sondern höchstwahrscheinlich eines, das du unterbewusst übernommen hast: Gelegenheit dafür bieten die sozialen Medien ja genug, und ich rate aus Gründen der seelischen Gesundheit davon ab, solche „Ziele“ zu verfolgen.

5. Was denkst du über dich? Um fit zu werden, musst du dir sicher sein, dass es funktionieren wird, bis in deine letzte Zelle. Klingt verrückt? Arnold Schwarzenegger wusste, dass er ein Bodybuilder wie sein Vorbild Reg Park werden wollte. Dass er wie er Millionen machen und auch in Hollywoodfilmen mitspielen wollte. Und Arnold war sich ganz sicher, dass es funktionieren würde, obwohl er zu dieser Zeit in Thal in der Steiermark lebte. Und so trainierte er mit Freude, da ihn jede Einheit seinem Ziel ein Stück näher brachte.

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