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Die Welt ist klein – meine zumin
Die Welt ist klein – meine zumindest
Wie es ist, wenn Mama sich ihr Baby schnappt und mit ihm eineinhalb Jahre lang Europa erkundet. Eine Reise, die zwar kreuz und quer über zehn Landesgrenzen hinweg verläuft, aber dann doch eines verdeutlicht: dass die kleinen, feinen Momente namens Alltagsglück oft dort auftauchen, wo man sie am wenigsten vermutet. von lena kappe
Servus, Greece di! Kreta ist für Neo-Eltern eine tolle Destination, um das Reisen mit Baby kennenzulernen. Aber Achtung: Die kinderlieben Griechen wollen bereits die Allerkleinsten mit süßem Loukoumi verführen.
Kaum lichtete sich der undurchsichtige Nebel der Corona-Restriktionen über Europa, gab es für meine damals sechs Monate alte Tochter Ida und mich nur einen folgerichtigen Griff. Und zwar den zu den Reisepässen, die die letzten Monate ein eher einsames Dasein zwischen Papierwirtschaft und Play-Doh gefristet hatten. Waren diese von einer dünnen Staubschicht befreit, konnte es auch schon losgehen. Aber wohin eigentlich? Wo startet man ein Abenteuer samt Kind, Kegel und Krabbeldecke? Und kann so ein Trip mit Baby mehr bieten als ein paar hübsche Bildchen für den Insta-Feed und die obligatorischen, kitschig-bunten Kühlschrankmagnete?
Europa mal anders Schnell stellte sich heraus, dass Europa abseits der schillernden Touri-Pfade viel mehr zu bieten hat; und das sowohl für meine kleine Co-Pilotin als auch für mich. Während ich im beschaulichen Alcúdia zurück auf meine Sonnenliege kroch, um an meinem Sangria zu nippen, erfreute sich Ida an den Kriechtieren „Caracoles“, sprich: den Schnecken. Im eiskalten Helsinki entdeckten wir den größten, lustigsten Indoorspielplatz und lachten vor allem über Beschriftungen wie „Pomppulinna“ für dessen Hauptattraktion, die Hüpfburg. Und spätestens als meine Kleine ihr Herz in einem Dorf Kretas an ein Zimmermädchen verlor, das seither fast zeremoniell angebetet wird, war uns klar, dass es beim Reisen (ob mit oder ohne kindlichem Travelbuddy) um viel mehr geht. Es geht darum, das Glück zu finden – in sich selbst und in den Orten, die man entdeckt.
Glück und mein Vogerl Dass die Welt durch Kinderaugen eine bessere, unverfälschtere ist, wurde auf der Reise mehr als deutlich. Kinder sagen, was sie fühlen. Sie zeigen, wie sie sich fühlen, was sie wundervoll (in Idas Fall: Zehen im Sand einbuddeln) oder doch ganz fürchterlich finden (Gesicht eincremen, na pfui!). Kinder sind ehrlich. Kinder sind pur. Und aus unseren insgesamt zehn Stopps, aus Griechenland, Portugal, der Slowakei, Litauen, Italien, Spanien, Tschechien, Großbritannien, Österreich und Finnland, nahmen wir so am Ende jeweils eine Lektion mit, was denn Glück wirklich bedeutet. Und eine dieser Erfahrungen aus dem Vereinigten Königreich prägte uns nachhaltig.
Fügung auf Feldern Hier ein kleines Ratespielchen für zwischendurch: Was ist die häufigste Antwort auf die Aussage, mit Kind und Kegel nach Liverpool zu reisen? Antwortmöglichkeit A) Na supercool, viel Spaß euch! Oder B) Was macht man denn bitte in Liverpool?! Für alle, die auf die korrekte, mir unverständliche, zweite Option getippt haben, hier die Erwiderung: durch touristenfreie Fußgängerzonen flanieren, keinen überteuerten Afternoon Tea schlürfen und die Füße auf eiskaltem Sand spazieren führen. Und ganz nebenbei gab es da ja auch noch diese vier besten Freunde, die von hier aus mit ihren Hits die Welt eroberten. Eine britische Einheit, die sonst nur Fish and Chips bilden, sind definitiv Liverpool und die Beatles. Die Stadt ist
förmlich zugepfl astert mit den skurrilsten Gedenkstätten, Bronzefi guren und Memorabilia der Pilzköpfe (wie übergroßen „I love Ringo“-Lollis und gelben U-Boot Miniaturen). Auch die sagenumwobene Penny Lane befi ndet sich nur ein paar Busminuten vom Zentrum entfernt. Und dann waren da auch noch die Strawberry Fields, die von John Lennon und Co. in einem Song verewigt wurden. Dieser wohlklingende Name ist jener eines ehemaligen Waisenhauses der Heilsarmee, das als bevorzugter Zufl uchtsort Lennons in dessen Kindheit galt. Heute sind die Strawberry Fields, neben Pilgerstätte und Museum, einfach eine wunderschöne Parkanlage mit lächerlich grünem Gras in fast schon kitschiger Idylle. Um in den ultimativen Beatles-Spirit zu kommen, warf ich Spotify an. Ida und ich beschlossen darau in, uns bei der Gelegenheit auch gleich unserer Schuhe zu entledigen, sahen uns in die Augen und legten ein wildes Tänzchen aufs erdige Parkett. Vor den Augen aller (leicht bis mittel irritierter) Passanten, die für uns in diesem Moment einfach nicht existierten. Es gab nur uns zwei, diesen einen Song in semiguter Handyqualität und ein wildes Herumgehopse, das so befreiend und gleichzeitig wunderschön war (aus meiner Perspektive zumindest, gewiss nicht aus der uns mit o enem Mund anstarrenden Menschentraube).
Tanze wie, wann und wo du willst Und singe doch am besten auch noch gleich dazu. Wem willst du etwas beweisen?
Wem willst du vormachen, doch ganz anders, nämlich seriös und angepasst, zu sein? Und zu welchem Zweck? Während unsere nackten Füße im Gras ihre Runden drehten (vermutlich auf dem perfektesten Rasen jemals), ertönte aus den Smartphone-Lautsprechern knacksend diese Strawberry Fields-Strophe: „It’s getting hard to be someone but it all works out. It doesn’t matter much to me.“ Und besser hätten mir Lennon, Ida und Liverpool an jenem Tag nicht klarmachen können, dass wir es selbst in der Hand haben, wie wir sein und was wir tun wollen. Dass wir uns selbst formen und dass das nicht das Bild anderer über uns tut. Und dass andere Zeitgenossen ruhig mit ihren ungefragten Ansichten auf ihren eigenen, beschränkten Fields bleiben können.
Reise mit
ten auch noch gleich dazu. Wem willst du etwas beweisen? Abenteurerin von klein auf: Wenn die winzigen Füßchen erstmalig Sand berühren, ist die Freude groß. Aber auch auf dem fi nnischen Schi oder dem Wald-Campingplatz in Lignano gibt es einiges zu entdecken.
5 TRAVELHACKS MIT BABY
1. Babys allererstes Passfoto kann zu einer echten Geduldsprobe werden. Am besten gleich nach dem Schläfchen den nächstbesten Fotografen stürmen und um die Aufmerksamkeit der Kleinen um die Wette rasseln.
2 Kleinkinder unter 2 fl iegen (fast) gratis und können meist auch Buggy und Babyschale kostenfrei mitnehmen. Falls der Ko er heillos überfüllt ist, lassen sich Windeln und Co. auch super in der Buggytasche verstauen und schützen dazu auch noch den Wagen selbst.
3. Andere Länder, andere Breie: Jede Nation bietet landestypische Speisen. Ein Blick ins
Babyregal im Supermarkt lohnt sich oft, um kulinarische Experimente zu wagen: Wie wäre es denn zwischendurch mit Kaninchen, Fish
Pie oder etwa Köttbullar?
4. Neben dem Reisebuggy ruhig auch zur leichten Babytrage greifen. So lassen sich
Stufen und andere Steigungen viel angenehmer erklimmen, und auch der gemütliche
Strandspaziergang ist damit gerettet.
5. Wickeltische sind überbewertet: Eine dünne, portable Wickelunterlage reicht absolut, um die kleinen Popos auch im Freien fachmännisch zu säubern.
BUCHTIPP
Lena Kappe: Die
Eineinhalbjährige, die Glück fand;
erhältllich bei thalia.at um € 14,50
Ob auf hoher See in Finnland, im italienischen Zelt oder auf den britischen Strawberry Fields: Erfrischend ehrlich und überspitzt beschreibt die Mama der Eineinhalbjährigen die kleinen, feinen Momente namens Alltagsglück, die oft genau dort auftauchen, wo man sie am wenigsten vermutet. Ein Buch für Glücksritter und Abenteurerinnen oder alle, die es noch werden wollen. Mehr auf Instagram: @mitlenaistsschena
Wir verlosen zwei Bücher: Mail bis 31.01.2023 an gewinn@tipimagazin.at – viel Glück!
gewinn! &mach mit Das britische Liverpool ist zwar kein klassisches Reiseziel – aber zu Unrecht! Ruhig einmal mehr die Trampelpfade und damit die eigene Komfortzone verlassen, um überrascht zu werden.