AUSGABE 03 / 2020
CHANCEN UND RISIKEN DIE DIGITALE TRANSFORMATION IM FOKUS
GENUSS AM ARBEITSPLATZ | INVESTMENT UND NACHHALTIGKEIT | QUERDENKER IN DER KRISE
#unternehmerisch
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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, Jeden Tag bekomme ich als Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU Presse mitteilungen und Newsletter zum Thema Digitalisierung oder deren Unter themen wie Künstliche Intelligenz (KI). Meist geht es um ein tolles Produkt oder eine passende Dienstleistung, die bei der digitalen Transformation des jeweiligen Unternehmens substanziell weiterhilft. Dies korrespondiert aber mit einer gesellschaftlichen Debatte, die sehr kontrovers geführt wird. Einerseits sind unsere persönlichen Daten bedroht. Mit wenigen tausend Datenpunkten kann man die Handlungen unserer Persönlichkeiten bestim men und voraussagen. Das Stichwort dazu heisst «Microtargeting». Für Unternehmen wie Facebook ist das die legale Geschäftsgrundlage. Unsere Persönlichkeitsrechte sind bedroht. Das ist das negative Szenario. Auf der anderen Seite kommen Kolleginnen und Kollegen von mir zurück aus Kali fornien und berichten euphorisch von unserer Zukunft, die sie dort schon bewundert hätten. Die digitale Revolution gilt, im Rahmen dieser Sicht weise, als Rettung aller Weltprobleme. Um hier zu realistischen Szenarien zu kommen, gilt es, analytisch tiefer zu schürfen. In der vorliegenden Ausgabe finden Sie aus diesem Grund ein Essay – für Fachmagazine ein ungewöhnliches Format. Unter einem Essay versteht man einen Aufsatz, in dem die Autorin oder der Autor ein Thema frei erörtern kann. In die Argumentationsfiguren bezieht die Verfasserin oder der Verfasser mehrere Standpunkte mit Beispielen und Belegen ein. Daraus entwickelt er / sie einen Standpunkt. Er / sie entscheidet jedoch ein Stück weit selbst, welchen Argumenten er/sie wie viel Gewicht verleiht. Die Darstellungen in Essays können in der Folge durchaus etwas Schlagseite ha ben, aber es soll nachvollziehbar sein, daher der Umfang von acht Seiten – mit dem Titel: «Den Blick schärfen». Es geht darum, den Kern des umkämpf ten Trendbegriffs Digitalisierung freizulegen. Oberflächliche Meinungen und Beiträge gibt es zu diesem Thema genug. In einem dazu passenden Schwerpunktbeitrag gehen wir der Frage nach, was die digitale Transformation eigentlich mit unserem analogen Gehirn macht. Stichworte wie «digitale Demenz» machen die Runde. Angeblich ist unsere Konzentrationsspanne geringer als die eines Goldfischs. Wir klären auf.
Georg Lutz
Chefredaktor kmuRUNDSCHAU g.lutz@rundschaumedien.ch www.kmurundschau.ch
INHALT ALTERNATIVEN ZUR KANTINE Wir verbringen den Grossteil der Woche am Arbeitsplatz. Da ist es nur natürlich, dass gerade das Mittagessen zum Arbeitstag gehört. Gleichzeitig liegt eine ökologische und nachhaltige Lebensweise im Trend und wirkt sich auch auf die Ernährung aus. Theoretisch wissen wir, wie man sich gesund ernährt – dennoch finden wir bei der Arbeit nur selten Gelegenheit, uns an die guten Vorsätze zu halten.
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AUSSENWIRTSCHAFT UND CORONA Manch einer glaubt, dass eine Einschränkung der globalisierten Wirtschaft die Lösung für globale Krisen wie die Covid-Pandemie sei. Im Gegenteil: Gerade für kleine Volkswirtschaften wie die Schweiz ist es zentral, dass sich die Unternehmen und der Standort im globalen Wettbewerb behaupten können. Die Corona-Pandemie hat den internationalen Handel und Konsum gebremst. International tätige Schweizer KMU sind von diesem Einbruch stark betroffen.
CHANCEN UND RISIKEN VON KI
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Künstliche Intelligenz hat einen grossen Einfluss auf die Zeit in der Corona-Krise, aber auch nach der Krise ist sie sehr hilfreich. Krisen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass es nicht weitergeht wie zuvor. Die viel diskutierte Corona-Bewegungs-App für Smartphones in Europa wird aller Voraussicht nach eingeführt werden und viele werden sie sich freiwillig herunterladen. Hat die momentane Situation einen Einfluss auf den Einsatz von KI?
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DIE WEICHEN NEU STELLEN Aktuell befinden sich Corona-bedingt viele Unternehmen in einer Situation, in der ihre Existenz akut bedroht ist. Und in den kommenden Monaten werden weitere in diese Situation geraten. Das heisst, sie müssen einen Turnaround vollziehen, um mittel- und langfristig zu überleben. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, in dem – wie der englische Begriff «turn around» bereits andeutet – die Vorzeichen, unter denen die Entwicklung des Unternehmens steht, umgedreht werden.
INHALT DER WEG ZUR KLIMANEUTRALITÄT Unermüdlich führen einige Akteure aus Wirtschaft und Politik technologische und ökonomische Sachzwänge ins Feld, nach denen zügige Veränderungen in Richtung einer klimaverträglichen und zugleich sicheren Energieversorgung unmöglich seien. Regenerative Energien könnten ökonomisch nicht mit fossilen Energien oder Kernenergie mithalten, heisst es. Oder auch: Regenerative Energien seien schlicht nicht finanzierbar. Werden wir tatsächlich in Zukunft auf Wohlstand und hohen Lebensstandard verzichten müssen, weil wir die Erzeugung alternativer Energien zu teuer subventionieren?
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NACHHALTIGE GELDANLAGEN Das Thema Nachhaltigkeit hat trotz der Corona-Krise nicht an Relevanz verloren. Im Gegenteil: Einiges deutet darauf hin, dass Nachhaltigkeitsüberlegungen infolge der für viele Unternehmen dramatischen Umstände noch stärker ins Zentrum rücken werden. Investoren und Finanzdienstleister werden dem Thema Nachhaltigkeit noch mehr Beachtung schenken. Aber auch die Regulatoren sind weltweit dabei – mit teils sehr unterschiedlichen Ansätzen –, die Finanzbranche auf Nachhaltigkeit zu trimmen.
WIR SIND VOR ORT
RUBRIKEN Editorial 1 Highlight 8 Menschen im Unternehmen 22 Global & Lokal 52 Marcom 54 Software & Hardware 60 IT-Sicherheit 78 Unternehmen unterwegs 92 Die Welt der Finanzen 98 Kommentar 6, 7 Kolumnen 35, 47, 58, 63, 84, 90 Impressum 112
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Dies ist eine Corona-Ausgabe und daher sind auch unsere Aussentermine minimiert. Dafür setzen wir vermehrt auf digitale Lösungen, merken aber, dass auch sie an einige Grenzen stossen. Wir freuen uns daher, Sie in naher Zukunft wieder Face to Face begrüssen zu dürfen.
IM WEB Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News, Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden. Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen. Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL. Besuchen Sie www.kmurundschau.ch
KOMMENTAR
MIT VOLLER FAHRT IN DIGITALE FEHLENTSCHEIDUNGEN? von Aaron Bolte
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iele predigen dieser Tage, wie unvernünftig es ist, Digitalisierung zu verschlafen. Dem stimme ich zu. Doch es ist genauso unvernünftig sie zu starten ohne eine solide Risikoabschätzung. Was Risiken der Digitalisierung besonders auszeichnet, ist, dass sie immer in den strategischen und technischen Details versteckt sind. Mangels Expertise entscheiden sich viele Betriebe nach Gesprächen mit Dienstleistern aus dem Bauch heraus für einen Weg und finden erst unterwegs heraus, ob es der richtige war. So eine Digitalisierung ins Blaue hinein kann ähnlich risikoreich sein, wie gar nicht erst loszugehen.
Neue Softwareprodukte bringen immer ein eigenes Set von Herausforderungen und Schwächen mit sich, die die Anwender auch weit hinter der Lernkurve noch auf Trab halten. Wenn die Videokonferenz-App bei einem der Gesprächsteilnehmer nicht richtig funktioniert, wenn die Cloud wieder einmal spinnt, wenn die Telefonanlage streikt, wenn Datenschutz-Schwächen sich rächen, dann sind die Reibungsverluste immens. Denn in solchen Situationen gilt es, Handbücher zu lesen, Fehler einzugrenzen, online zu recherchieren und Support-Hotlines oder Anwälte anzurufen. Auch diese Aktivitäten gehören zum digitalisierten Arbeitsalltag dazu.
Unternehmen werden sich darüber zunehmend bewusst. Wir erhalten stetig mehr Anfragen von Marketing-Kunden, die zunächst Ressourcen in eine DetailAbklärung investieren möchten, um den Weg wirklich zu kennen, bevor er gegangen wird. Hier ist ein Umdenken bei den Betrieben spürbar und es wirkt. Marketingprojekte, denen eine intensive Orientierungsund Abklärungsphase voranging, sind deutlich erfolgreicher und nachhaltiger. Respekt vor dem Teufel im digitalen Detail ist angebracht. Beinahe jede Firma hat schon einmal fehlinvestiert in Onlinewerbung, Websites oder Softwarelösungen. Jedes Unternehmen hat schon frustrierende Reibungsverluste durch neue Technologien hinnehmen müssen. Betriebe können die Tragweite von angebotenen Digitalisierungsmassnahmen nur selten in der Tiefe überblicken. Bei der Entscheidung für einen Weg geht es daher immer um Vertrauen und das kann nicht in ausreichendem Masse entstehen, wenn Dienstleister oder Technologieanbieter sich einfach nur freundlich beim Kunden vorstellen und Offerten für digitale Pakete unterbreiten. Hinreichendes Vertrauen kann auch nicht durch Versprechungen entstehen. Vertrauen entsteht aus der Gewissheit über individuelle Details. Die grössten Schmerzpunkte in Digitalisierungsvorhaben liegen nicht im Bereich der investierten Zeiten oder Gelder, die vorab in den Offerten erkennbar sind. Die grösste Pein der Digitalisierung liegt in der Änderung gewohnter Abläufe und im Umgang mit unerwarteten, digitalen Problemen.
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Noch schmerzhafter wird es, wenn die neu gebaute digitale Infrastruktur sich im laufenden Betrieb als gänzlich untauglich erweist. Die Anzahl der Digitalisierungsprojekte, die sich als komplette Blindgänger herausstellen, ist erheblich. Wenn Anforderungen vorab nicht klar bestimmt und die Tauglichkeit der einzelnen Komponenten vorab nicht überprüft wurden, treffen digitale Theorie und Praxis mitunter hart aufeinander. Wie können also die Details und deren Risiken vorab sinnvoll eingeschätzt werden? Wie kann genug Gewissheit geschaffen werden, um den Digitalisierungsprozess zum Erfolg zu führen? Entscheidend ist, den Einkaufsprozess mit Dienstleistern und Technologieanbietern schrittweise zu gestalten und dem Reflex zu widerstehen, sofort ein grosses Komplettpaket einzukaufen. Es braucht eine Phase der detaillierten Routenplanung, die frei ist vom Druck, umfangreiche Massnahmen zu beauftragen. Wenn das stattfinden kann, entsteht die gemeinsame Gewissheit, sich für den richtigen Weg zu entscheiden. Das ist zunächst ungewohnt, ist aber Balsam für den Prozess und für den Return on Invest.
AARON BOLTE ist Kopf von Plan A & Partner. www.planapartner.com
KOMMENTAR
DIGITALE KOMPETENZ IST GEFRAGT von Manuel P. Nappo
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ie digitale Transformation in der Schweiz hat einen noch nie dagewesenen Rückenwind bekommen. Alles verändert sich; inklusive des Arbeitsmarktes. Unsicherheit und Sorgen um Chancen- und Einkommensungleichheit sowie hohe Arbeitslosigkeit machen sich breit. Wie sollen sich Mitarbeitende für den Arbeitsmarkt 2.0 rüsten? Wie lässt sich das Risiko des Attraktivitätsverlusts reduzieren? Mitarbeitende sind gefordert. In Folge der Automatisierung brauchen Unternehmen weniger Arbeitskräfte und unterziehen die Bewerbenden einer harten Selektion. Getreu dem Motto «The Winner takes it all» steigt der Druck auf Arbeitnehmende ungemein. Da hilft auch ein Arbeitgeberwechsel wenig, zumal die digitale Transformation vor keiner Branche oder Unternehmung haltmachen wird. Früher oder später werden sie alle davon betroffen sein. Zeit, sich als Arbeitnehmende für alle momentanen und zukünftigen Veränderungen proaktiv zu rüsten. In wirtschaftlich unsicheren Phasen, wie wir sie jetzt erleben, kommt gerade Entscheidungsträgern aus dem privaten und öffentlichen Sektor eine entscheidende Rolle zu. Diese haben sicherzustellen, dass alle Menschen über die benötigten Fähigkeiten verfügen, um die «Arbeit der Zukunft» verrichten zu können. Das ist noch nicht der Fall. Für die wenigsten digitalen Berufsprofile gibt es beispielsweise die ideale formale Ausbildung. Um sich nachhaltig auf dem Arbeitsmarkt 2.0 positionieren zu können, müssen sie anpassungsfähiger werden. Heisst: Weiterbildungen absolvieren, die auf spezifische Aufgaben vorbereiten, aber unternehmens-, branchen-, gar landesunabhängig ausgeführt werden können. Skills aufbauen, die sie resilient für zukünftige Unsicherheiten machen. «In Lichtgeschwindigkeit» ist die Antwort auf die Frage, wie schnell sich digitale Berufsprofile in den nächsten Jahren verändern werden. Sie dominieren den Arbeitsmarkt von morgen. Scrum Master, Growth Hacker oder Blockchain Architects sind gefragt. Social
Media Skills sind Voraussetzung und kein USP mehr. Gerade Business-Social-Media-Plattformen wie LinkedIn oder Xing sind aus dem Bewerbungsprozess nicht mehr wegzudenken. Digital Leadership steht sowohl für das Führen im digitalen Zeitalter, als auch führend zu sein in digitaler Kompetenz. «Führend zu sein» ist dann auch das Stichwort, geht es darum, sich vom durchschnittlichen Arbeitnehmenden abzuheben. Denn: Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Cloud Computing werden auch in Abteilungen wie Vertrieb oder Marketing ihre Berechtigung finden. Ähnlich wie der allgegenwärtige Verständnis-Anspruch an digitale Risiken oder ethische Herausforderungen. Heisst: Social Media Skills und digitales Grundverständnis reichen morgen nicht mehr aus, um sich vom Durchschnitt abzuheben und an beruflicher Attraktivität zuzulegen. Es ist Zeit, die heute geltenden Bedingungen für morgen aufzubrechen: Weiterbildungen schaffen Grundlagen für Nischen-Kompetenzen in den Bereichen Digitale Ethik, Digitales Risikomanagement oder Künstliche Intelligenz. «The Winner, who takes it all» ist aber der, der den Anspruch hat, über die Grundausbildung hinauszugehen. Der, der Eigenverantwortung zeigt und sich intrinsisch motiviert sowie autodidaktisch weiterbildet. Der, der Konferenzen besucht, Bücher liest, Dokus schaut, Communities beitritt und mittels all dieser Aktivitäten Trends erkennt und nutzt. Jetzt ist die Zeit umzudenken. Jetzt ist die Zeit, um Eigenverantwortung zu zeigen und sich für den Arbeitsmarkt von morgen zu rüsten.
MANUEL P. NAPPO ist Leiter des Institute for Digital Business an der Hochschule für Wirtschaft Zürich. www.hwzdigital.ch
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ESSAY
HIGHLIGHT
DEN BLICK SCHÄRFEN ANNÄHERUNG AN DAS WESEN DER DIGITALISIERUNG von Urs Wiederkehr
Kaum ein Thema spaltet die Gesellschaft mehr als die allgegenwärtige Digitalisierung. Der Begriff ist zu einem polarisierenden Kampfbegriff mutiert, der aber wie andere Trendwörter – wie zum Beispiel Nachhaltigkeit – seltsam inhaltslos wirkt. Auf jeden Fall geht bei vielen das emotionale Sackmesser auf. Die einen bemerken darin den Untergang der Menschheit und die Konzentration aller Macht auf wenige globale Unternehmungen wie Google, Facebook, Amazon und Microsoft, andere sehen darin die einzige Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten und alle globalen Herausforderungen von der Dekarbonisierung bis zum Weltfrieden zu meistern. Warum ist das so? Warum werden – unter Gebrauch von digitalen Plattformen – die Digitalisierung vollständig infrage gestellt und die angenehmere Erscheinung der analogen Welt gehuldigt? Andere stellen nur das Positive fest, ohne jeden Nachteil! Nach Meinung des Autors hängt das mit dem Wesen der Digitalisierung zusammen, bezüglich deren Ausprägung oft einfache Worte für die Beschreibung oder das Vermitteln des Verständnisses fehlt. Also schauen wir die Sache im Detail an.
B
eginnen wir mit der pessimistischen Sichtweise. In dem aktuellen Buch «Die grosse Zerstörung. Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht» von Andreas Bartelmess (2020) taucht der T-Rex wieder auf. Er frisst alles andere in seiner Umgebung auf. Bartelmess ist kein Kulturpessimist, sondern selber Gründer eines Start-ups. Er seziert mit dem ökonomischen Blick das Geschehen, welches sich unter dem Satz «The Winner takes it all» zusammenfassen lässt. Gesunde Konkurrenz ist in diesem Spiel ein Fremdwort. Wir kennen die Macht der Tech-Giganten und werden doch immer abhängiger von Whatsapp, Facebook, Instagram, Uber, Airbnb, Amazon oder Paypal. Bartelmess ist aber keine Kassandra gegen das digitale Zeitalter wie etwa Hans Magnus Enzensberger, der aus seinem kulturpessimistischen Loch gar nicht mehr herauskommt. Bartelmess weiss als Internetkenner und Unternehmensgründer, dass Bewegungen um Greta Thunberg (Fridaysfor-Future-Bewegung) oder # MeToo ohne Big Data und Social Media nicht solch eine Wirkungswelle hätten entfalten können. Gerade daher sind die Argumente gegen die Plattformökonomien glaubwürdig, wenn es um die ökonomische Schieflage der Netzwerk- und Skaleneffekte geht. Das macht er dann auch an ganz praktischen Punkten wie den Steuertricks der Silicon-Valley-Elite fest. Auf dieser Ebene bleiben wir aber noch weitgehend an der Oberfläche. Daher gilt es im Folgenden, einige soziologische Tiefbohrungen anzustellen.
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MISSBRAUCH VON VERHALTENSÜBERSCHUSS Ende der Neunzigerjahre standen auf den Tischen noch Röhrenmonitore und der Browser hiess Netscape. Einige TechFirmen pumpten eine Digital-Blase auf, die dann auch platzte. Die Geschäftsmodelle standen auf dem Prüfstand. Mit einigen Werbebannern war einfach zu wenig Geld zu verdienen. Da entstand die Idee, mit unserem Daten- und Informationsmüll Geld zu verdienen. Das war die erfolgreiche Geburtsstunde von Google und Co. Heute blicken einige kritische Geister auf die weitere Entwicklung. Obwohl die Digitalisierung in der Regel als eine technische Herausforderung gesehen wird, stehen Philosophen, Soziologen und Ökonomen hinter diversen aktuellen Büchern zum Thema, die nicht nur mein Interesse geweckt haben. Der neue Begriff Verhaltensüberschuss (behavioral surplus) prägt das Buch «Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus» (The Age Of Surveillance Capitalism) von Shoshana Zuboff (2018). Die emeritierte Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Harvard Business School hat in siebenjähriger Arbeit minutiös zusammengetragen, wie die Unternehmungen einseitig die digital erfassten menschlichen Erfahrungen zur Umwandlung in Verhaltensdaten missbrauchen. Wohl werden gewisse zur Verbesserung
von digitalen Produkten und Dienstleistungen verwendet, andere hingegen werden als sogenannter Verhaltensüberschuss zur Handelsware für zukünftige Vorhersageprodukte mit Künstlicher Intelligenz (KI) benutzt. Das passiert ohne Entschädigung der Datenlieferanten. Dank elektronischer Bestätigung von allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sehr einseitig und klein geschrieben abgefasst sind, geben die Datenlieferanten sogar das uneingeschränkte Recht zur Datenverwendung. Schon im Jahre 2008 ist in den USA für die angemessene Durchsicht aller Bedingungen ein Aufwand von 76 Arbeitstagen pro Einwohner angefallen beziehungsweise Opportunitätskosten von total 781 Milliarden Dollar, wie Zuboff aufgrund der Forschungsresultate zweier Professoren der Carnegie Mellon University berichtet. Sie sieht im Big Other, das Grosse Andere, die «… wahrnehmungsfähige, rechner gestützte und vernetzte Marionette, die das menschliche Verhalten rendert, überwacht, berechnet und modifiziert.» Damit schaffe das Big Other, «eine instrumentäre Macht, die die Manipulation der Seele durch die Verhaltensmodifikation ersetzt». Eine Folge davon ist der allgegenwärtige Vergleich, der bei vielen Personen zur Angst führt, etwas Wichtiges online zu verpassen (sog. FOMO, fear of missing out). Der Industriekapitalismus, den Karl Marx kritisiert hat, «… baute auf die Ausbeutung und Kontrolle der Natur … Der Überwachungskapitalismus baut, …, auf Ausbeutung und Steuerung des mensch-
HIGHLIGHT
lichen Wesens». Zuboff folgert, dass mit Big Other «das Universum Einzug in unsere vier Wände» nimmt. Es fehlt eine Fluchtmöglichkeit, eine sogenannte Freistatt (sanctuary). Schon im «… Altertum, als die Tyrannei die vorherrschende Ordnung war, galt das Recht auf Freistatt als unantastbar.» Aus diesem Grund möchte Zuboff, dass jedermann Sand im Getriebe ist, wenn die Überwachungskapitalisten neue Forderungen stellen. Wir müssen aktiv etwas dagegen tun, denn unser «… Leben wird ausgewrungen und das Produkt daraus zur Finanzierung unserer Unterjochung verkauft». Einerseits lobt sie die Datenschutzgesetzgebung in Europa. Kaum erlangte aber die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) ihre Gültigkeit, änderte Facebook seine Nutzungsbestimmungen. Damit nicht mehr im europäischen Irland geklagt werden kann, sind 1.5 Milliarden Nutzer dem amerikanischem Datenschutzrecht unterstellt worden. Zuboff stellt wiederholt folgende Fragen: «Wer weiss? Wer entscheidet? Wer entscheidet, wer entscheidet?» Diese Argumentationsfiguren münden in dem Begriff «Innere Landnahme», der von Karl Marx, Rosa Luxembourg und Hannah Arendt historisch gespurt wurde und jetzt eine Renaissance erlebt. Nur geht es jetzt nicht um neue Territorien oder Kolonien, sondern um die Eroberungen unserer Köpfe. Nach der Lektüre von Shoshana Zuboffs Buchs hat der deutsche Soziologe G. Günter Voss sein eigenes Werk «Der arbeitende Kunde. Wenn Konsumenten zu unbezahlten Mitarbeitern werden» (2005, zusammen mit Kerstin Rieder verfasst) neu interpretiert. Unter dem Titel «Der arbeitende Nutzer, Über den Rohstoff des Überwachungskapitalismus» (2020) erweitert er seine Überlegungen vom Kunden Richtung Nutzer, der seine Daten überlässt. So weit die pessimistischen Positionen.
WELTGEIST IM SILICON VALLEY Ein konträres Bild und ganz andere Botschaften vermittelt Hans Ulrich Gumbrechts Buch «Weltgeist im Silicon Valley, Leben und Denken im Zukunftsmodus» (2018), eine Sammlung seiner Kolumnen und BlogBeiträgen unter anderem in der NZZ sowie verbindenden Artikeln und Interviews, geführt von NZZ-Feuilleton-Chef René Scheu. Gumbrecht, 1948 in Würzburg geboren, am-
tete von 1989 bis 2018 als Professor in Literatur an der Stanford University. Den Weltgeist, ein vom Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel geprägter Begriff, verknüpft Gumbrecht Richtung heutige amerikanische Westküste: Wie Hegel den Weltgeist in Napoleon ortete – wegen dessen strategischer Kriegsführung –, steht nun die Vermutung im Raum, dass Hegel diesen heute ins Silicon Valley transferieren würde. Kleiner Einschub an dieser Stelle: Historisch ist Hegel selbst von Napoleon abgerückt, als dieser auf die Verliererstrasse kam, und hat den preussischen Staat als das positive Ende der Geschichte propagiert. Junghegelianer wie Marx sahen das dann ganz anders. Fahren wir fort. Gesellschaftspolitisch wird die Argumentationsfigur von Napoleons Wirken auf ganz Europa in die heutige Zeit transformiert. Heute formt die elektronische Industrie aus diesem Epizentrum in Kalifornien die ganze Welt. Dank Studenten in seinen Seminaren aus den Computer Science, erfährt Gumbrecht die Energie dieser Ausstrahlung ganz direkt. Gumbrecht berichtet auch von Hausaufgaben in den Computer Science, welche je nach Intuitionsqualität des ersten Lösungsansatzes von den Jüngeren in sechs Minuten, von den fünf bis zehn Jahre Älteren erst in 60 Stunden gelöst sind. Einige Studierende sind überzeugt, dass die Auseinandersetzung mit den philosophischen Werken von Hegel und Martin Heidegger die Qualität und den Erfolg ihrer Programmierarbeiten steigert. In diesem Sinne sieht Gumbrecht eine grosse Zukunft nicht nur in den Ingenieur-, sondern auch in den Geisteswissenschaften.
«Der Spirit hat Spuren hinterlassen und ist in unseren Medienwelten sehr wirkungs mächtig.» Die Euphorie passt in die Wirtschaftswelten. So besuchten die Manager von Daimler Benz vor einigen Jahren das Silicon Valley und kamen ohne Krawatten und mit Turn-
schuhen zurück. Der Spirit hat Spuren hinterlassen und ist auch in unseren Medienwelten sehr wirkungsmächtig.
ERSTE ZWISCHENBILANZ UND FRAGEN Im Anschluss ans Lesen von Shoshana Zuboffs Buch «Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus» und G. Günter Voss’ «Der arbeitende Nutzer» bin ich etwas frustriert gewesen. Sind wir nur die Zuträger von sogenanntem Verhaltensüberschuss Richtung Überwachungskapitalisten? Haben wir nur minimale Vorteile beim Einsatz von digitalen Tools, sodass es sich nicht lohnt, für den Überwachungskapitalismus die Daten herzugeben? Und wenn ich dann noch digitale Lösungen kreiere und forciere, mache ich mich da verdächtig? Bin ich gar Handlager für die Überwachungskapitalisten? Habe ich Alternativen? Oder ist schon die Verwendung einer Hardware und eines Betriebssystems, ohne die es nicht geht, ein Pakt mit dem Überwachungskapitalismus? Auf der anderen Seite schafft die Digitalisierung eine noch nie gekannte Transparenz. Nur ist diese nicht überall gewünscht. Eventuell wären die illegalen Preisabsprachen der Engadiner Baufirmen bei grösserem Digitalisierungsgrad nicht möglich gewesen. Auch in China wird die umfassende Überwachung der Bürger durch den Staat als Beitrag zur Korruptionsbekämpfung betrachtet. Oder ist die Digitalisierung einfach ein Thema ein paar junger Seelen im Silicon Valley, fragt man sich bei Gumbrecht. Ist Professor Gumbrecht ein unverbesserlicher Romantiker und unkritischer Beobachter, der fasziniert ist, dass seine geisteswissenschaftlichen Themen plötzlich unerwartete Nachfrage aus einer zukunftsträchtigen Ecke erfahren? Nein, das ist Gumbrecht nicht. Hingegen bezweifle ich, dass die Intuitionsqualität und die für die Digitalisierung notwendige Intensität ein Privileg der Jungen ist, sprich, vom Jahr der Geburt abhängig ist. Wie Gumbrecht die Philosophie und das Ingenieurwesen vernetzt, finde ich faszinierend. Also, was soll ich nun tun? Nur auf Shoshana Zuboff hören? Hans Ulrich Gumbrecht einbeziehen? Das Handtuch werfen und sofort mit dem Schreiben über das Thema aufhören? Oder soll ich das Bestmögliche
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HIGHLIGHT
aus der Situation machen? Schliesslich liegen die Vor- und Nachteile nahe zusammen, zum Beispiel beim Konzept der Smart Cities, und ganz machtlos ist man nicht. Sie ahnen meine Antwort, denn der Artikel geht weiter. So plädiere ich, nicht zum ersten Mal, für eine differenzierte Sicht auf die Digitalisierung. Vor dem nächsten Beurteilungsschritt werfe ich einen historischen Blick 50 Jahre zurück auf die Sache, welche wir heute Digitalisierung nennen.
ZURÜCK ZU DEN ANFÄNGEN Ein passendes Zeitdokument dafür ist die «Kurze Einführung in die Programmierung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen», die mein Vater Kurt, damals gemäss Arbeitsvertrag dienstpflichtiger Techniker 1A bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB, in einem internen Kurs Ende 1968 erhalten hat: > «Eine Datenverarbeitungsanlage – vielfach auch als Computer bezeichnet – ist in der Lage, genau definierte Arbeitsprozesse mit phantastischer Geschwindigkeit auszuführen. Ein Computer kann jedoch nicht denken, ist also kein Gehirn… Ein genau d efinierter Arbeitsprozess des Computers kann mit einem a uswendig gelernten ‹Denkprozess› des Menschen verglichen werden. Durch die Übermittlung bestimmter Informationen vom Auge oder Ort an das Gehirn wird der abgespeicherte Denkprozess ausgelöst und dessen Endprodukt mittels Schrift oder Sprache an die Mitmenschen weitergegeben. In ähnlicher Weise wird auch der in Form eines Programms im Computer abgespeicherte Arbeitsprozess durch das Eintreffen von bestimmten Daten vom Lesegerät herausgelöst. Die Daten werden den jeweiligen Vorschriften (im Programm definiert) verarbeitet und das Endergebnis durch das Schreibgerät ausgegeben.» Mir gefällt in der Beschreibung die Zentrierung auf einen genau definierten Arbeitsprozess, der dank dieser neuen Technologie «auswendig gelernt» abläuft. In den Unterlagen habe ich auch Lochkarten gefunden, eine ausgestellt auf den Namen «Muster, welche die ‹Tbc-Vorbeugungs
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aktion› des SBB-Ärztlichen Dienstes – ABV» unterstützt hat. Es ist darum gegangen, Arbeiten zu rationalisieren, in der Qualität zu verbessern und über die ganze Unternehmensbreite der SBB auf die gleiche Art und Weise abzuwickeln. Weitere Hinweise liefern ein Verzeichnis der Fachausdrücke, eher technischer Natur, die Erfolgstory der Umstellung auf elektronische Datenverarbeitung in diversen Teilbereichen der SBB und Werbeprospekte der damals aktuellsten Computeranlage bei den SBB, einer IBM System / 360.
«Digitalisierung besteht nicht darin, alles zu verhindern, sondern es sind die wichti gen Fragen zu stellen … » QUANTITATIVE UND QUALITATIVE VERÄNDERUNGEN Nicht nur die Stellenbezeichnungen, Techniker und Dienstpflichtiger, und das Wording überhaupt haben sich geändert. Auch die Anzahl möglicher Computer-Operationen pro Sekunde sind um einiges höher: Ein IBM-Grossrechner schaffte damals etwa 100’000 Gleitkommaoperationen pro Sekunde, sogenannte FLOPS (Floating Point Operations Per Second). Heute leistet der Computer des Autors rund 375 Milliarden FLOPS, also etwa vier Millionen Mal mehr, und der schnellste Schweizer Supercomputer, der Piz Daint in Lugano, 19 Billiarden FLOPS. Zwölf Millionen Zeichen, also zwölf Megabyte (MB), beanspruchten entweder 150’000 Lochkarten, einen 400 Kilogramm schweren Turm von 25.5 Meter Höhe oder vier Magnetbänder-Rollen von je 30 Zentimeter Durchmesser. Dieser Datenspeicher würde heute für etwa vier Fotos ab meinem Smartphone reichen. Möchte ich den ganzen Arbeitsspeicher von 64 GB in Loch-
karten abbilden, dann würde ich 800 Millionen Lochkarten gebrauchen. Das gibt einen Turm von 136 Kilometer Höhe oder die Strecke von Basel nach Lausanne. Für das Starten und Verwenden einer App müsste ich davon immer einige Lochkarten (eine Lochkarte pro 80 Byte) mitnehmen. IBM machte in den 1950er-Jahren zwei Drittel des Umsatzes mit dem Verkauf von Lochkarten. Der finanzielle Erfolg dieses Technologieunternehmens hing von der Produktion von Papierkarten ab, steht im Buch «Im Dienste der Welt» zum 100-Jahre-Jubiläum von IBM im Jahre 2011. 1968 ist die Digitalisierung als eine technische Herausforderung betrachtet worden. Es ist dahin gearbeitet worden, dass die verschiedenen Anforderungen möglichst ideal umgesetzt sind. Heute würde den nicht minder wichtigen Nebenbedingungen wie Datenschutz und Datensicherheit übergrosses Gewicht beigemessen. Im schlimmsten Fall würde man diese Punkte so in den Vordergrund stellen, dass die eigentliche Aufgabe vergessen ginge. Digitalisierung besteht nicht darin, alles zu verhindern, sondern es sind die wichtigen Fragen zu stellen, zu beantworten und so das Gesamtsystem entsprechend ausgewogen auszubilden. Ob das vollständig widerspruchsfrei möglich ist, kann nur situationsbezogen entschieden werden. Aber auch von Überwachungskapitalismus ist man bei nicht vernetzten Computerinstallationen weit entfernt gewesen. Der Luzerner Architekt Hans Ulrich «Jean» Gübelin (1925 – 2017), der unter anderem die Luft- und Raumfahrthalle des Verkehrshauses der Schweiz konzipierte, hat mir während eines gemeinsamen Forschungsprojekts in den 1990er-Jahren die Nachteile des CAD (Computer Aided Design) folgendermassen geschildert: Wenn er früher nach Arbeitsschluss seiner Zeichner durch das Konstruktionsbüro gegangen sei, wäre er dank der offengelegten Pläne auf den Zeichnertischen auf einen Blick über den Stand der Arbeiten informiert gewesen. Mit CAD nun hätte er keine Ahnung mehr, wie weit wer ist und ob die Selbsteinschätzung der Zeichner bezüglich Fortschritt der Arbeiten der Realität entsprechen. Wenn Jean geahnt hätte, dass ein Mal nicht nur das Resultat überhaupt, sondern auch Daten auf dem Weg zum Ziel, der Verhaltensüberschuss jedes Mitarbeiters, zur Diskussion stehen könnte. Seine Einschätzung stimmt aber: Der notwendige
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HIGHLIGHT
Aufwand, um ähnlich sinnförmig auf die Daten und Informationen zu schauen wie von Auge, braucht so viel Ressourcen und Zeit, dass sein kurzer Blick in dieser Beziehung auf jeden Fall auch heute effizienter wäre. In den 1990er-Jahren, anlässlich des Fichenskandals, ist die Wendung «trinkt Abends gerne ein Bier!» in die Schlagzeilen geraten. Die Betroffene, die Thurgauer SP-Politikerin Menga Danuser (1951 – 2011) hat das publik gemacht, um zu zeigen, wie dilettantisch der Schweizer Staatsschutz vorgegangen ist. Heute muss man anerkennend sagen, dass dieser Schnüffeldienst sehr modern gehandelt hat und jeden digitalen Brotkrümel, ein Begriff von Shoshana Zuboff, genauestens erfasst hat. Anders betrachtet hat Menga Danuser im Rahmen ihres damaligen Wissens bereits auf die Gefährlichkeit des Sammelns des Verhaltensüberschusses aufmerksam gemacht. Nur, bei Danuser ist der Staat aktiv gewesen, heute sind es in erster Linie Privatfirmen. Wie und was man berechnen könnte, wusste man schon lang. Die zeitliche und Ressourcen-beanspruchende Dimension des Rechnens hat aber verhindert, dass zeitgerecht ein Resultat vorgelegen hat. So nützt es wenig, wenn die berechnete Wettervorhersage zwar genau ist, das Resultat aber drei Tage zu spät zur Verfügung steht. Entwicklungen ermöglichen heute einerseits zeitnahe Ergebnisse, andererseits auch die Vergrösserung der Präzision, zum Beispiel wenn auf Kartendarstellungen die Maschenweite von Beobachtungsquadranten halbiert werden können. Auch die Simulation von biochemischen Vorgängen ist zeit- und ressourcenintensiv und benötigt die schnellsten Rechner der Welt, nur schon um Bruchteile von Sekunden abzubilden. Zusammengefasst kann gesagt werden, dass heute vieles möglich ist, von dem man vor 50 Jahren nicht mal träumen mochte, insbesondere wenn man die Kosten als Entscheidungshilfe einbezieht. Leider habe ich keine Zahlen, um abzuschätzen zu können, was mein Computer zu Preisen von 1968 kosten würde. Aber die Preise von 1991 konnte ich auffinden: Die heute verwendete Festplatte von 238 GB würde rund zwei Millionen, der Arbeitsspeicher von acht GB rund eine Million Franken, zusammen also drei Millionen kosten. Damit ist auch ersicht-
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lich, warum früher Speicherplatz gezielt eingespart worden ist. So haben die SBB im Kurs empfohlen, nicht signifikante Nullen auf den Speichermedien zu unterdrücken. Das Kostenintensive von damals drückt auch der Titel «Jede Minute kostet 33 Franken» aus, der erste Roman von Elektroingenieur und Informatiker Emil Zopfi aus dem Jahre 1977, wo er Einblick in die Arbeit in einem Rechenzentrum vermittelt hat. Offen bleibt die Frage, ob man sich heute vollständig, also wirklich restlos über alle Lieferketten, von der Digitalisierung ausklammern kann, so wie es meine Grosseltern väterlicherseits in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegenüber dem Fernsehen tun konnten. Ich bin sicher, dass das nicht mehr geht.
DIE VERDOPPELUNG DER WELT Es ist erstaunlich, es gibt viele Stimmungen und Stimmen zum Thema Digitalisierung, aber eine breit abgestützte Theorie der Digitalisierung fehlt. Es gibt wohl Ansätze dazu, zum Beispiel von Soziologie-Professor Dirk Baecker im Buch «4.0 oder Die Lücke, die der Rechner lässt», das 2018 erschienen ist. In seiner Arbeitsdefinition für die Digitalisierung verknüpft er folgende drei Fragestellungen: > «Welche Frequenzen sind für wen interessant?» > «Mithilfe welcher Codierung kann man sie berechnen?» > «Und an wen oder was kann man die Rechenergebnisse kommunizieren?» Und sein Kollege Professor Armin Nassehi aus München hat im Herbst 2019 mit dem Buch «Muster – Theorie der digitalen Gesellschaft» das Thema vertieft. Er sieht in der Digitalisierung die Verdoppelung der Welt. Als Input wird datenförmiges Material, welcher Art auch immer verlangt. Diese Daten werden intern bearbeitet beziehungsweise mit anderen Daten in Beziehung gebracht. Am Schluss wir das datenförmige Material über eine Schnittstelle in sinnförmige Information Richtung analoge Welt zurückübersetzt. Schauen wir das nun am Beispiel dieses Texts an: Der Autor hat den im Kopf und auf Fresszettel konzipierten Text mit den Fingern über die Tastatur in datenförmiges Material umgewandelt.
«Offen bleibt die Frage, ob man sich heute vollständig, also wirklich restlos über alle Lieferketten, von der Digita lisierung ausklammern kann … » Der Redaktor der kmuRUNDSCHAU hat die Daten übernommen und die Eingaben bewertet und wo notwendig in der Substanz verbessert. Schlussendlich hat der Computer das vom Redaktor und dem Korrektorat, am Computer, optimierte datenförmige Material so aufbereitet, dass direkt die Ausgabe auf der Druckmaschine und der Auftritt im Internet bedient werden können, beides sinnförmige Informationen, die durch den Sinn «Sehen» über die Augen aufgenommen werden. Es wäre aber auch möglich, das datenförmig vorliegende Material an einen Sprachsynthesizer zu senden, der den Text mit einer synthetischen Stimme in eine für die Ohren bestimmten Sinnförmigkeit ausgibt. So hat heute die Diskussion Buch oder eBook, Ausdrucken oder Lesen eines Texts am Bildschirm, nur mit dem Teilschritt der Rückübersetzung in die analoge Welt zu tun. Und welche Methode der Anwender am liebsten verwendet, haben die Überwachungskapitalisten schon längstens über den Verhaltensüberschuss herausgefunden! So wird das Konzept des «Computational Thinking» von grosser Bedeutung. Es geht hier um die systematische Analyse der Abläufe, bei denen Probleme und ihre Lösungen so ausgedrückt werden, dass sie vom Computer abgearbeitet werden können, sprich, es handelt sich um computergestütztes Denken, welches abgebildet wird.
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Die digitale Repräsentation der verdoppelten analogen Welt besteht aus einer Abstraktion, einer Vereinfachung. In der Regel muss zuerst eine wohlüberlegte Zerlegung der bestehenden Systembestandteile in Abgrenzbares stattfinden. Über eine Mustererkennung, im Beispiel als die zielgerichtete Anwendung des Alphabets mittels eines Algorithmus zu verstehen, kann der Computer Buchstaben, Wörter, Satzteile und Sätze erkennen. Charakteristisch ist die fast grenzenlose Kombinations-Möglichkeit des datenförmigen Materials. Es kann zu neuen Kontexten in Beziehung gesetzt werden. Die Systemgrenzen werden damit fliessend. Das ist eine praktische Eigenschaft, die eine eminente Bedeutung bei der Digitalisierung erlangt. Wir werden darauf zurückkommen. Nassehi meint sogar, «das Material von Datenverarbeitung / Digitalität sind also prinzipiell miteinander kombinierbare items, deren Informationswert gerade in der Begrenztheit möglicher Kombinationen liegt. Konkreter: Wenn jedes mögliche Element mit jedem anderen möglichen Element verknüpft wäre, könnten Daten keinerlei Information hergeben, also keinen Unterschied machen.» Und leider reproduzieren sich somit alle Fehler, je mehr, dass eine fehlerhafte digitalisierte Anwendung verwendet wird. Wenn das Resultat bereits die reale Welt erreicht hat, ist das Beheben dieser Unregelmässigkeiten wesentlich komplexer, als wenn noch in der virtuellen Welt reagiert werden kann.
DIE KONKRETISIERUNG VON DIGITALISIERUNG Was ist konkret zu tun, wenn eine digitale Lösung gewünscht wird? Der Satz aus der SBB-Unterlage von 1968, dass ein definierter Arbeitsprozess des Computers mit einem auswendig gelernten «Denkprozess» des Menschen verglichen werden kann, nehme ich gerne auf. Übrigens hat diese stattfindende Arithmetisierung der Welt und quasi deren Entführung in die digitale der österreichisch-deutsche Philosoph und Mathematiker Edmund Husserl bereits um 1935 vorausgesagt. Die Digitalisierung entspricht meiner Vorstellung nach der: Vorratshaltung von parametrisierten Daten-Bearbeitungs- und Nutzungs-Möglichkeiten.
Die einzelnen Wörter in der Definition sind folgendermassen zu verstehen: > «Vorratshaltung» bezieht sich auf das immer wieder DurchführenKönnen, quasi auf das auswendig Gelernte. > Mit «parametrisiert» wird die Tatsache umschrieben, dass eine optimale d igitale Lösung ohne Umprogrammierung auf verschiedene Situationen reagieren kann. Massgeblich ist die Veränderung der Eingabewerte, also der Parameter. > «Daten-Bearbeitung» umfasst die Aktionen und Vergleiche, die auf die Daten angewendet werden. > «Daten-Nutzung» beschreibt den Umgang mit dem Resultat, welches wieder in die analoge Form zurückübersetzt werden muss, sodass die Daten und Informationen wieder sinnförmig vorliegen. > Das Wort «Möglichkeit» soll darauf hinweisen, dass diese für den Computer auswendig vorliegende Vorschrift durch den Menschen situationsbezogen angewendet werden kann, aber wenn sie nicht passt, nicht angewendet w erden muss. Es existieren noch mindestens drei weitere interessante Zusammenhänge. Erstens wird unter betriebswirtschaftlicher Betrachtung beim Erstellen einer digitalen Lösung in die Zukunft investiert. Buchhalterisch wäre das ein klassischer Fall für eine Investition, die anschliessend abgeschrieben wird. Nur, Abschreibungen sind wegen des Wertverlusts, eventuell durch Alterung, der eingelagerten Produkte notwendig. Der Programmcode altert aber nicht, denn er kann wegen der Materielosigkeit auch als Basis für Erweiterungen verwendet werden, eine Möglichkeit, die sich nur in der virtuellen Welt ergibt. Die Anwendung der gelagerten Datenbearbeitungsmöglichkeit in die Gegenwart erfolgt über die Verwendung von aktuellen Daten und Informationen als parametrisierte Eingabegrössen. Arbeits- und betriebspsychologisch betrachtet werden zweitens schon für die erste Durchführung des Prozesses alle Teile der Vorratshaltung benötigt, aber im Gegensatz zur klassischen steht der verwendete Prozess auch nach x-maligem Durchlauf wieder unverbraucht und unverändert zur Verfügung. Wird ein Prozess digitalisiert, so ergibt sich unmittelbar ein Aufwand, die Erträge sind aber wiederkehrend, jedes Mal
wenn der Prozess wieder aufgerufen wird. Auf diese Art und Weise können quasi regelmässig Erträge aus dem Prozess generiert werden, ohne dass grosser Aufwand betrieben werden muss. So laufen bei diversen digitalen Prozessen die Grenzkosten, also die Kosten, die bei der Herstellung eines zusätzlichen Exemplars des Produkts aufgewendet werden müssen, gegen null. Kein Wunder, dass die Überwachungs kapitalisten immer reicher werden. Ein dritter Punkt betrifft die Überführung der datenförmig vorhandenen Verdoppelung der Welt zurück in sinnförmige Informationen, die von unseren fünf Sinnen wieder ohne Umwege erfahren werden können: Dieselbe digitale Repräsentation, in Daten vorliegend, kann in verschiedene sinnförmige überführt werden. Welche es sind, wird der spätere Nutzer im Rahmen der Ausgabemöglichkeiten individuell entscheiden. Dieser Entscheid ist von verschiedenen Faktoren abhängig, seien das persönliche Präferenzen des Nutzers, aber auch temporär auftretende Notwendigkeiten oder die Beschaffenheit der nachgelagerten Schritte.
DAS WESEN DER DATEN Daten sind ein besonderes Gut. Sie sind die Bausteine der digitalen Welt. Sie beschreiben als Attribut-Werte-Paare analoge Sachverhalte in der digitalen Repräsentation. Der grosse Aufwand stellt dabei die Überführung von realen Gegebenheiten in die digitalen dar. Sind die Daten digital vorhanden, so stehen rasch unzählige weitere Bearbeitungs- und Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Datenspezialisten sprechen im Akronym CRUD von Create, Update, Read und Delete von Daten. Für das Create, also das Erzeugen der Daten, stehen verschiedene Abläufe zur Verfügung, unterstützt von diversen Eingabegeräten, deren Zwischendaten mit Algorithmen in verwendbare Daten umgewandelt werden können. Interessant wird es dann, wenn Daten mit Sensoren aufgenommen werden können, ohne dass menschliches Zutun notwendig wird. Darauf basiert auch der Erfolg des Überwachungskapitalismus, denn die sie interessierenden Daten fallen als Nebenprodukte an. Der Wert von Daten wird erst sichtbar, wenn sie digital vorliegen. So haben die GoogleGründer Larry Page und Sergey Brin am
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Anfang eine Suchmaschine besessen, ein erfolgreiches Geschäftsmodell hat aber gefehlt. «Mehreren Darstellungen zufolge waren Page und Brin nur zögerlich ins Werbegeschäft eingestiegen. Nachdem sich jedoch die Hinweise darauf häuften, dass Werbung dem Unternehmen aus der Krise helfen könnte, änderten sie ihre Haltung», hat Shoshana Zuboff recherchiert. Die Konkurrenzplattform «Overture zog darüber hinaus Online-Werbung an, indem sie es den Werbekunden ermöglichte, für ein besseres Ranking zu zahlen – genau das Format, das Brin und Page verabscheuten», beschreibt Zuboff die Metamorphose der beiden Gründer von Saulus zu Paulus. Der Zweck heiligt die Mittel. Nicht immer fallen die Daten einfach an. Besonders in der Bauplanung sind die erzeugten Daten Ergebnis von komplexen und aufwändigen Prozessen. Den eigentlichen Nutzen haben diejenigen, welche die mit Daten hinterlegten Gebäude- und Anlagenteile jahrelang nutzen und mit Sensoren die aktuellen Daten dazu abfragen, überlagern und darauf mit Mustererkennung reagieren können. Kein Wunder, dass vor allem Bauherren und die FacilityManagement-Branche die Digitalisierung im Bauwesen forcieren. Hier sind Lösungen zur Abgeltung der anderswo getätigten Vorleistungen gefragt. Aber auch nicht vorhandene Informationen sind ein Thema. Schon 1990 hat DatenbankUrvater Edgar F. Codd in seinem Buch «The Relational Model for Database Management, Version 2» dem Thema «Missing Information» knapp 30 Seiten gewidmet. Er stellte die grundsätzlichen Fragen: «What kind of information is missing? What is the main reason for its being missing?» Mit der Massenverarbeitung von Daten kommt der Vollständigkeit eine wichtige Rolle zu. Und ist diese nicht gegeben, dann müssen Strategien bekannt sein, wie man sie umschiffen kann. So ist bei einem Buch mit unbekanntem Erscheinungsjahr der Wert dazu nicht 0, sondern unbekannt. Sonst wirkt sich das frappant auf Analysen aus, zum Beispiel beim Heraussuchen des ältesten Buchs oder des Berechnens des mittleren Alters der Bücher in einer Bibliothek. Schlussendlich besteht auch der Programmcode, aus dem die Algorithmen aufgebaut sind, aus Daten. Und das Programmieren sei wie abstrakteres Schreiben, bemerkt Soziologe Armin Nassehi, bezug-
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nehmend auf den deutschen Medientheoretiker Friedrich Kittler. Und Dirk Baecker meint: «Wo die Mathematik rechnet, um zu beweisen, programmiert die Informatik, um zu produzieren.» Mit Daten kann aber auch Unfug getrieben werden, was durch ihre nicht greifbare Beschaffenheit unterstützt wird. Wie bei allem Neuen finden rasch Gratwanderung zwischen Erlaubtem und Verbotenem statt, einfach um die Grenzen der Akzeptanz auszuloten. Auch kriminelle, gar mafiöse, Machenschaften sind nicht weit weg. Sicher spielt in diesem Zusammenhang dieses Wesens der Daten eine grosse Bedeutung: Da restlos alles auf einer binären Codierung passiert, lassen wir den Quantencomputer noch auf der Seite, sind kleine Unterschiede, theoretisch der Wert eines Bits, null oder eins, massgeblich ob eine Sache erlaubt oder verboten beziehungsweise der Zugang zu einem System offen oder geschlossen ist. Und dieses einzige Bit im Wert zu ändern, kann im Verborgenen passieren. Rückt man hingegen mit einer Kiste voll Einbruchwerkzeuge aus und lässt sich von der Polizei ertappen, so kann man sich kaum herausreden, dass die Werkzeuge als Geschenk an die Quartierbewohner gedacht gewesen sind. Das Wesen des Schliessmechanismus ist bei einem Vorhängeschloss mit einrastbarem Bügel und Schlüssel sofort erfassbar, quasi sichtbar. Bei einem elektronischen Schloss entscheiden zweiwertige, gleichförmige Konstrukte, also binäre Daten, ob das Ding offen oder gesichert ist. Damit kann auch eine kleine Ursache eine grosse Auswirkung haben. Man denke an das Wort des Jahre 2013: «Stellwerkstörung».
DIGITALISIERUNG IN DEN GRIFF BEKOMMEN Jetzt, wo die Digitalisierung als Ganzes fassbar ist, können wir bestimmen, wie wir eine Digitalisierungsaufgabe angehen. Sollen wir nun einfach alles negativ sehen und vor lauter Herausforderungen nicht wissen, wo wir beginnen sollen? Ich plädiere für das Positive und ein Schritt-für SchrittVorgehen. Professor Gunter Dueck, nach Selbstcharakteristik Businessphilosoph und Innovator, meint in seinem aktuellen Buch: «Wir brauchen wieder Menschen, die es wissen wollen, als Lernbegierige, Experimentierwillige und Unternehmende.»
Dueck grenzt auch Prozessoptimierung und Neues klar ab: «Die Prozessorientierung und das ständige Optimieren der Prozesse haben ihren Sinn, wenn sich Vorgänge tausendfach oder millionenfach wiederholen. Es ist sinnvoll, diese in der bestmöglichen Weise abzuarbeiten und möglichst zu automatisieren. Wenn man aber im Unternehmen Neues beginnen will, muss ja erst einmal exploriert werden, was später einmal tausendfach wiederholt werden muss. Alles muss erst einmal effektiv und sinnvoll gestaltet werden – dann erst darf über Effizienz und Kosten nachgedacht werden.» Lassen wir uns nicht einschüchtern. Bei der Digitalisierung gilt immer der Zukunftsmodus, mit Erweiterung des Anwendungs-
«Wo die Mathematik rechnet, um zu beweisen, programmiert die Informatik, um zu produzieren.» gebiets und zugehöriger praktischer Forschung. Nur mit hoher Intuitionsqualität, von der ich meine, sie sei nicht vom Alter der Beteiligten abhängig, findet man akzeptable Lösungen. Am besten orientiert man sich an der zu lösenden Aufgabe und optimiert später die Anwendung bezüglich Integration ins Umfeld. Schlussendlich ist auch die Corona-Kontakt-App so entstanden. Die grundlegende Aufgabe der App stand von Anfang an fest, die nun erfolgte dezentrale Datenspeicherung zur Gewährung des Datenschutzes ist erst nach und nach in die Diskussion eingeflossen und entsprechend verwirklicht worden. Nun geht es um die operativen Schritte, die in der Praxis so aussehen könnten: 1. Konzentration auf die Lösung des Anwendungsfalls:
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Am Anfang steht das Geschäftsverständnis. Man muss das Geschäft, die Aufgabe, restlos verstanden haben, heute und so wie man es unter digitalen Gegebenheiten umsetzen will. Fehler, die hier entstehen, sind nur unter g rossem Aufwand auszubügeln. Die Initiative muss beim M enschen liegen, den Fachpersonen für die Aufgabe. 2. Sorgfältige Analyse der Datenlage: Auf der anderen Seite braucht es eine genaue Analyse der Datenlage, denn das Prinzip der Digitalisierung besteht darin, Resultate von Arbeitsschritten auf dem Computer strukturiert als Daten zu verwalten, sodass sie im Rahmen des nächsten Prozessschrittes maschinell weiterverarbeitet werden könnten. Eine genaue Überprüfung, die zeigt, was benötigt wird an Daten und was nicht, ist unerlässlich. 3. Vollziehen der notwendigen Modellbildung und Datenaufbereitung: Ohne Modellbildung geht es nicht. Programmiert wird das Modell. Dort finden Berechnungen statt. Der vollständigen Datenerfassung ist grosse Wichtigkeit zu geben. Insbesondere muss vermieden werden, dass von vorneherein unvollständige Daten angestrebt werden. Ist keine Datenübernahme über Sensoren möglich, sind der Aufwand der Datenerhebung und der daraus resultierende Ertrag genauestens abzuwägen, inklusive die Vergütung für vorgelagerte Datenerfassungen. 4. Unabhängige Überprüfung des Modells: Das zu enge Befassen mit einem Thema macht blind. Aus diesem Grund sind eine unabhängige Prüfung und laufende Diskussion mit Beteiligten und Unbeteiligten zwingend notwendig. 5. Überprüfen des Umfelds: Schlussendlich geht es darum, die unter anwendungsspezifischen Gesichtspunkten vorgedachte Applikation bezüglich den Aspekten Betrieb (Integration, Organisation, Ressourcen / Hardware, Einführung), Gesellschaft ([Personen-]Datenschutz, Digitale Ethik, Urheberrecht, weitere Rechte), Sicherheit (Systemsicherheit, Diebstahl, Datenverlust, Gefahren /- Viren), aber auch Synergien (Daten, Algorithmen,
osten, Termine) zu betrachten. K Die einzelnen Punkte können zu Zielkonflikten führen, zum Beispiel werden die grösstmöglichen Synergien bei der Datennutzung berechtigterweise durch den Datenschutz eingeschränkt. Diese Vorgehensweise ist angelehnt an CRISP-DM, eine anerkannte Methode für den sogenannten «CRoss-Industry Standard Process for Data Mining». Digitalisierung führt zu Änderungen. Oft wird vor lauter Rücksichtnahme auf das dafür notwendige Verlassen der menschlichen Komfortzone die Mehrheit der Ressourcen dafür investiert, diesen Prozess möglichst wenig wahrnehmbar zu gestalten. Die kalte Dusche, welche der Lockdown der CoronaZeit initiiert hat, lässt mich fragen, ob die stets propagierte, angstbehaftete, schrittweise und das letzte Risiko zum Scheitern ausschliessende Vorgehensweise die richtige im Hinblick auf die zu lösenden Probleme ist und sein wird. Überraschungen sollen nicht ausbleiben, sondern sind als Quelle von Intuitionsqualität sehr erwünscht.
GESCHÄFTS- UND DATENVERSTÄNDNIS Eine prioritäre Sicht auf die gemäss Geschäftsverständnis zu lösende Aufgabe fördert die Vogel- und beschränkt die auf Nebenaspekte basierende Froschperspektive. Dafür ist viel Erfahrungswissen notwendig. Das Thema Digitalisierung, das angesprochen wird, die Digital Natives in die entsprechenden Arbeitsgruppen zu schicken, greift zu kurz. In der Regel haben diese wohl ein Anwendungs-, aber kein Entwicklungsverständnis. Insbesondere sind die Wirkungen auf der Seite des Kunden massgebend. Zielgerichtete, menschengerechte, praxis- und zukunftstaugliche Innovationen drängen sich auf. Sonst passiert das, was Thorsten Dirks, damals CEO von Telefónica Deutschland, am Wirtschaftsgipfel der «Süddeutschen Zeitung» 2015 so auf den Punkt gebracht hat: «Wenn Sie einen Scheissprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiss digitalen Prozess.» Neben dem Geschäfts- sind auch Daten-, Datenbearbeitungs-, Datenbeziehungs- und Kommunikationsverständnis notwendig, um akzeptable digitale Lösungen zu schaffen.
Stets sind die Erkenntnisse des «Computational Thinking» auf die einzelnen Bereiche abzubilden und gleichzeitig im Gesamt zusammenhang auszubalancieren. Hier ist auch mathematisches Know-how gefragt, auch aus der Mengenlehre, denn die einzelnen Arbeitsschritte müssen berechenbar werden. Und sollten sie es ein Mal nicht sein, sind ordnende Massnahmen gefragt, zum Beispiel das Behalten des Prozesses in der analogen Welt. Beim Kommunikationsverständnis steht die Art der Rückübersetzung in die analoge Welt im Mittelpunkt. Hier können psychologische Aspekte individueller Art darüber entscheiden, ob Ausgabschritte auf feste Medien wie Papier oder flüchtige Medien wie Bildschirmausgabe angebrachter sind. Die bevorzugte Ausgabeform entscheidet in keiner Art und Weise über den Grad seiner «Digitalisierung».
VERHALTEN IN DER DIGITALEN WELT Ich sehe bei der Diskussion um die Digitalisierung folgende Wirkungsbereiche, wo jedermann je nach Rolle Verantwortung übernehmen muss und sich seiner Rolle entsprechend verhalten soll. Auf jeden Fall darf das, was einen schon in der analogen Welt stört, nicht in die digitale mitgenommen werden. So steht an vorderster Stelle die Würde des Menschen und der Natur, welche unter wechselnden Perspektiven beurteilt werden muss. Aus praktischen Gründen fange ich beim Persönlichen an und zeige, wie man sich durch das Verhalten in den Dienst der Sache stellen kann: 1. Beim Schutz der eigenen Freistatt /Rückzugszone: Gemäss Shoshana Zuboff hat mit dem digitalen «das Universum Einzug in unsere vier Wände» genommen. Es braucht also Rückzugszonen, aber auch eine Selbstdosierung, wie ich mich im digitalen Raum bewege. Brauche ich die ständige Präsenz? Muss ich alles Persönliche dort teilen und damit ö ffentlich publizieren? Oder will ich auch mal Sand im Getriebe sein und den Systemen ein Schnippchen schlagen? Andererseits muss man sich auch im Klaren sein, dass jedes Reagieren, zum Beispiel auf Spam, einen Beitrag zum Verhaltensüberschuss leistet und vom Big Other verwendet werden kann.
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2. Bei der Aufklärung von Leuten zum Verhalten im digitalen Umfeld: Die eigenen Erkenntnisse zu teilen und damit Aufmerksamkeit zu wecken, ist eine sinnvolle Art, Drittpersonen aufzuklären. Dazu gehört, das eigene Wissen stets aktuell zu halten. 3. Bei der Einbindung von Anwendungen im Unternehmen: Sei es als Vorgesetzter oder als Verantwortlicher für die Implementierung einer Lösung im Unternehmen, darf man nur das anwenden lassen, was man selbst tun und zulassen würde. Sonst heisst es rasch, man predige Wasser und trinke Wein. Ein genaues Abwägen, mit einer Risikoanalyse, bildet hierfür die Basis. Und e ventuell helfen einfache punktuelle Massnahmen, zum Beispiel das Beschränken der Zugriffsrechte auf die betroffene Personengruppe. 4. Bei der Entwicklung von eigenen Anwendungen: Und ist man gar Mitentwickler, dann ist die Verantwortung am grössten. Ein laufendes Abwägen ist notwendig. Andere Methoden
«Ein solides Geschäfts verständnis ist die Grund lage jeder Massnahme.» einzusetzen und darüber zu diskutieren, kann schwierige Situationen deeskalieren lassen. So ist die Praktik der «Differential Privacy» bei der diesjährigen Volkszählung in den USA (1.4.2020) angewendet worden, um die Daten der Bürger nicht rückverfolgbar zu machen. Gezieltes Nachfragen, Denken in innovativen Lösungen, Ermöglichen von differenzierten Zugriffen, sodass jeder nur das erfährt, was er auch wissen muss, können
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die S ituation entschärfen. Auch bewusste Medienbrüche, also die Vermeidung von automatischen, digitalen Schnittstellen, können ein Ergebnis darstellen.
UNVOLLSTÄNDIGES SCHLUSSWORT Eine eindimensionale Betrachtung der Digitalisierung bringt uns nicht vorwärts, weder die ganz kritische noch die unkritische Sichtweise. Sich von den vielen Herausforderungen einschüchtern zu lassen, ist keine Lösung. Es ist nicht alles neu bei der Digitalisierung. Ein solides Geschäftsverständnis ist die Grundlage jeder Massnahme. Es geht um unzählige Beurteilungen von Systemen und Zusammenhängen, daraus Massnahmen für Verbesserungen abzuleiten sowie die weiteren Folgen und Möglichkeiten selektiv abzuschätzen. Das Ausdiskutieren und Ausbuchstabieren von Zielkonflikten ist zwingend. Und es muss nicht alles digitalisiert werden. Nimmt man die Sache selbst in die Hand, lässt sie zielgerichteten Einfluss ausüben, als wenn man sich mittreiben lässt. Auch der gezielte Erwerb von Know-how ist zwingend. Wie bei einer Erbschaft, die zu verteilenden Ressourcen auszumitteln, müssen die Einflüsse der Aspekte in ausgewogenem Mass berücksichtigt werden, sodass das zurzeit unter den gegebenen Umständen optimale Ergebnis für alle Beteiligten herauskommt. Bei passivem Verhalten muss man sich wegen Nicht-Verstehen, Ahnungslosigkeit und Nicht-Befassen selbst an der Nase nehmen, wenn nicht die erhofften Resultate eintreffen. Am schlimmsten ist die Digitalisierung zu unterschätzen oder gar zu verharmlosen und auf ein rein technisches Problem zu reduzieren. Hans Ulrich Gumbrecht betont «Vielleicht sind die Engineering Departements ja der Ort, wo Hegels Weltgeist heute zu Hause ist.» Zudem kann Gumbrecht «Studium oder Lehre», also Theorie und Praxis, nicht trennen. Zur Frage «Philosoph oder Ingenieur» meint er, «Auch das ist kaum mehr zu trennen. Sind nicht die Ingenieure die Philosophen unserer Gegenwart?» Diesen Gedanken finde ich interessant, denn es geht in der
Philosophie darum, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen. Und nach Armin Nassehi wird bei der Digitalisierung die Welt gar verdoppelt. Es braucht aber eine gegenseitige Annäherung der zwei Disziplinen. Und für die Zukunft stellt sich die Frage: Müssen auch die Baufachleute für die erfolgreiche Digitalisierung in der Branche mehr Hegel und Heidegger und dann auch die Kritikerinnen und Kritiker der Grossdenker lesen? LITERATURVERZEICHNIS - Baecker Dirk: 4.0 oder Die Lücke, die der Rechner lässt, Merve, Leipzig, 2018 - Barthelmess Andreas: «Die grosse Zerstörung». Was der digitale Bruch mit unserem Leben macht., Dudenverlag, Berlin 2020 - Codd Edgar F.: The Relational Model for Database Management, Version 2, Addison-Wesley, Reading MA, 1990 - Dueck Gunter: Heute schon einen Prozess optimiert? Das Management frisst seine Mitarbeiter, Campus, Frankfurt am Main, 2020 - Enzensberger Hans Magnus: Wehrt Euch! FAZ.NET, Frankfurt am Main, 28.02.2014 - Gugerli David: Suchmaschinen – Die Welt als Datenbank, Edition Unseld, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2009 - Gugerli David: Wie die Welt in den Computer kam. Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit, S. Fischer Verlag, 2018 - Gumbrecht Hans Ulrich: Weltgeist im Silicon Valley, Leben und Denken im Zukunftsmodus, NZZ Libro, Schwabe AG, Zürich und Basel, 2018 - Kohlas Jürg Kohlas, Schmid Jürg, Zehnder Carl August (Hrsg.): Informatik@gymnasium, Ein Entwurf für die Schweiz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 2013 - Maney Kevin, Hamm Steve, O'Brien Jeffrey M.: Im Dienste der Welt, Ideen, die ein Jahrhundert und ein Unternehmen prägten, IBM Press-Pearson plc, München, 2011 - Nassehi Armin: Muster, Theorie der digitalen Gesellschaft, C. H. Beck, München, 2019 - Schweizerische Bundesbahnen SBB: Kurze Einführung in die Programmierung elektronischer Datenverarbeitungsanlagen; Weiteres Unterrichtsmaterial interner Kurse, 1965 bis 1968 - Voß, G. Günter: Der arbeitende Nutzer, Über den Rohstoff des Überwachungskapitalismus, Campus, Frankfurt am Main, 2020 - Wiederkehr Urs: Wissen, was hinter der Digitalisierung steckt, Webinarreihe SIA-Form, 1. bis 22.3.2018, Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA, Zürich, 2018 - Zopfi Emil: Jede Minute kostet 33 Franken. Limmat, Zürich, 1977 - Zuboff Shoshana: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Campus, Frankfurt/New York, 2018 - Diverse punktuelle Ergänzungen und Querkontrollen aus Gabler Wirtschaftslexikon, Wikipedia und Archiv Urs Wiederkehr (inklusive weiterer Publikationen)
URS WIEDERKEHR ist Dr. sc. techn., dipl. Bau-Ing. ETH / SIA, Leiter Fachbereich Digitale Prozesse, Geschäftsstelle Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein SIA, Zürich. www.sia.ch
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GEHIRN 4.0 ODER GENERATION GOLDFISCH UNSER ANALOGES HIRN IN DIGITALEN ZEITEN – EINE ANNÄHERUNG von Julia Kunz
Ob selbstverständliche Standards oder neue Angebote – wie wir sie gerade alle erleben – zu virtuellem Teamwork oder digital classroms: Was macht das mit unserem Gehirn? Stichworte wie «digitale Demenz» machen die Runde. Angeblich ist unsere Konzentrationsspanne geringer als die eines Goldfischs.
Digitalisierung ist für unser Gehirn keine einfache Angelegenheit.
D
as Rad zurückdrehen möchte niemand. Was bleibt, sind allerdings wichtige Fragen: «Wie gehen wir am besten mit der Digitalisierung um, damit wir davon profitieren können?» und «Gibt es die Möglichkeit, nicht trotz, sondern durch digitale Tools schneller, konzentrierter – und ausgeglichener im Sinne der Work-Life-Balance – zu sein?» Dieser Beitrag soll den Einfluss der Digitalisierung auf das Gehirn – aus neurowissenschaftlicher Sicht – beleuchten.
FRÜHER WAR ALLES … Erinnern Sie sich noch an die ausufernden Urlaubserzählungen von Freunden mit Dias? Bei dem ausufernden Vortrag von Onkel Kurt aus seinem Urlaub Kärnten mit über 250 Bildern sind wir als Kinder immer eingeschlafen. Die Dias, die man als Vorbereitung mühsam eingerahmt hat und die rettungslos durcheinander waren, wenn die Box einmal runtergefallen ist. Gut für den, der die Dias vorher durchnummeriert hatte. Heutzutage ist das nicht mehr vorstellbar – wir sind im Zeitalter der Digitalisierung angekommen.
UND DANN KAM DIE DIGITALISIERUNG In der einfachsten Definition bedeutet Digitalisierung die Umwandlung von analogen
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Werten in digitale Formate, also vom schönen bunten Dia zu Nullen und Einsen. Das Diapositiv oder Fotonegativ als Bild auf unserem Smartphone – beliebig zu bearbeiten, zu kopieren und zu verschicken. Tonbandaufnahme und Schallplatte geniessen wir in digitaler Form als MP3Format auf unseren mobilen Geräten, von welchen wir sie jederzeit und überall abhören können. Der Übergang von der analogen in die digitale Welt ging rasant vor sich. 1969 war die Geburtsstunde des Internets, 2003 gilt schon als Startpunkt des digitalen Zeitalters. Damals gab es geschätzt bereits mehr Daten im digitalen als im analogen Format. Schliesslich Google, der Touchscreen am iPhone, Messenger-Dienste wie WhatsApp und jetzt autonom fahrende Autos, 3-D-Druck und Alexa. Die Digitalisierung macht vor keinem Lebensbereich halt. Kurz gesagt: Die digitalen Vorzüge haben die allermeisten von uns schon längst in ihr Leben integriert. Ob Basics wie Telefonspeicher, Navi oder Kalender im Smartphone – das Leben ist in diesem Sinne bequemer geworden. Wir müssen uns nichts mehr merken, weil wir alles ständig dabei und griffbereit haben.
GEHIRN-BASICS Kann unser Gehirn als circa zwei Millionen Jahre altes, analoges Steinzeitgebilde überhaupt mit der Digitalisierung zurechtkommen? Dazu ist es wichtig, einige Basics über das Gehirn zu kennen: Prinzipiell ist unser Gehirn extrem wandelbar und anpassungsfähig. Es ist zu grandiosen Leistungen fähig, wenn es richtig benutzt wird. Wichtig dafür ist erst einmal die Grundversorgung: Die richtigen Nährstoffe und genügend Flüssigkeit. Ausreichend Getränke, über den Tag verteilt und eine ausgewogene Ernährung stellen die wichtige Basis für einen konzentrierten und fokussierten digitalen Alltag dar. Wenn unser Gehirn gut funktioniert, schüttet es Botenstoffe und Hormone in den richtigen Massen aus, um uns am Leben zu erhalten und uns mit unserer Umwelt interagieren zu lassen. So sorgt zum Beispiel Serotonin dafür, dass wir uns wohlfühlen und guter Stimmung sind. Wenn wir ins Tun kommen wollen, brauchen wir Dopamin, dessen Ausschüttung unter anderem durch körperliche Bewegung angeregt wird. Glückshormone, sogenannte Opioide, schütten wir aus, wenn wir ein Ziel erreicht haben. Diese sind allerdings sehr kurzlebig, die Wirkung verpufft rasch. Dann
brauchen wir wieder Dopamin, um ein neues Vorhaben anzugehen. Allerdings speichert unser Gedächtnis die Erinnerung an die schönen Gefühle der Glückshormone, weshalb wir immer wieder danach streben. Ein wichtiger Faktor für die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns ist der Stress level, dem wir unterliegen. Mässiger Stress macht uns konzentriert und aufmerksam. Wenn der Stress hingegen zu viel wird, werden wir vergesslich und unkonzentriert. Sehr starker Stress über lange Zeit schädigt gar das Gehirn. Wobei «starker Stress» und «lange Zeit» extrem unterschiedlich ausfallen – manches Gehirn steckt jahrelangen extremen Stress gut weg, wogegen andere Gehirne und deren Besitzer nach wenigen Wochen direkt auf den Burnout zugehen. Wer auf sich selbst und die Signale hört, die ihm sein Körper und damit sein Gehirn sendet, kann meist ganz gut einschätzen, was zu viel ist und wie viel Stress er noch ohne Schaden aushält. Unser Gedächtnis schliesslich arbeitet umso besser, je mehr wir es nutzen. Es ist allerdings schnell überlastet. Die meisten Eindrücke des Tages nehmen wir gar
nicht bewusst wahr, nur ein Bruchteil schafft es in unser Bewusstsein. Dann müssen noch viele Faktoren stimmen, damit wir Fakten langfristig abspeichern. Das sind zum Beispiel neben dem schon genannten richtigen Hormoncocktail und mässigem Stresslevel auch Interesse, vorhandenes Wissen sowie die richtige Dosis an Informationen, die unser Gedächtnis aufnehmen soll.
DIE FRAGE NACH DER KOMBINATION Wie bekommen wir jetzt die Digitalisierung und unser Steinzeithirn zusammen? Kann das funktionieren? Die Antwort gleich vorneweg: Ja, es kann funktionieren. Wenn wir erst unser Gehirn einschalten und dann unsere digitale Welt betreten.
GRENZEN IM KOPF In den letzten Monaten fand eine digitale Disruption ohnegleichen statt. Was nie für möglich gehalten wurde, war plötzlich Wirklichkeit: Fast alle Büroarbeitsplätze und noch mehr wurden digital. Geschäftsreisen wurden abgesagt und remote erledigt, Schule geht plötzlich digital und sogar Dinge wie Whiskey-Tastings oder kulinarische Abende haben kreative Köpfe mithilfe der analogen Zusendung der
Nahrungsmittel im weiteren Verlauf ins Netz verlegt. Die Grenzen des Home Office finden ihren Ausdruck in dem neu entstandenen Begriff «Zoom-Fatigue», sprich, «Zoom-Müdigkeit». Das beschreibt die Tatsache, dass wir Webmeetings als extrem ermüdend empfinden. Doch wo genau liegt das Problem? Es liegt darin, dass unser Gehirn in «normaler, analoger» Kommunikation aus der Körpersprache des Gegenübers Informationen sammelt und wir deshalb in einer bestimmten Art und Weise reagieren. Online sehen wir maximal den Oberkörper oder oft nur den Kopf unserer Gesprächspartner. Hände sind nicht zu sehen. Wir hören den Atem nicht, wenn der andere Luft holt, um uns beispielsweise zu unterbrechen. Wir sehen die Augen schlecht, können die Mikromimik, ganz kleine Muskelbewegungen
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Multitasking ist für unser Gehirn eine Herausforderung – dazu gehören auch die unterschiedlichen Bedürfnisse im Home Office.
in unserem Gesicht, nicht erkennen. Diese Bewegungen machen den Unterschied, ob wir ein Lächeln als echtes Lächeln erkennen oder ob es auf uns «falsch» wirkt. Unser Gehirn versucht während eines Online-Meetings die ganze Zeit, diese nonverbalen Signale zu erkennen – ohne Erfolg. Dafür verbraucht es ziemlich viel Energie. Und das macht müde. Für eher introvertierte oder schüchterne Menschen ist es in Online-Meetings zudem schwierig, sich zu Wort zu melden, weil die gesamte Aufmerksamkeit auf den Sprecher gerichtet ist. Ein wichtiger Faktor im Home Office ist die Tatsache, dass wir zumeist nicht allein sind. Ob Partner oder zu betreuende Kinder – auch bei optimaler Selbstbeschäftigung und grosszügiger Wohnsituation können wir niemals unsere ganze Konzentration auf das, was vor uns liegt, fokussieren. Unbewusst ist ein Teil unseres Gehirns immer im Alarm-Modus, um sofort auf volle Aufmerksamkeit umzuschalten, sollten unerwünschte Geräusche aus dem Kinderzimmer kommen.
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All das bedeutet für unser Gehirn: Stress. Statt Kuschelhormone wie Oxytocin auszuschütten, wenn wir uns beim analogen Meeting die Hand geben oder umarmen, sind die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin angesagt. Statt im kurzen Smalltalk vor dem Meeting die Atmosphäre und Stimmung der Kolleginnen und Kollegen auszuloten, versucht unser Gehirn, neben der Konzentration auf das Inhaltliche, alle Teilnehmer im Blick zu haben. Und das, obwohl wir am Bildschirm bestenfalls kleine Kacheln von einigen wenigen Anwesenden sehen. Und so wissen wir auch nach einem langen virtuellen Meeting immer noch nicht, wie es ihnen geht und ob wir unterstützen sollten oder selbst auf Unterstützung hoffen können.
«EFFIZIENTES» MULTITASKING Vielleicht haben Sie sich oder Ihre Angehörige auch schon bei einem relativ neuen Phänomen ertappt: beim Hantieren mit dem «second screen». Wenn wir zum Beispiel fernsehen, haben viele nebenher noch ihr Smartphone in der Hand. Wenn Sie an einem Webmeeting teilneh-
men, werden Sie sehr wahrscheinlich ab und zu wenigstens kurz Ihre E-Mails oder Ihr WhatsApp – oder beides – checken. Ihnen gibt das das Gefühl, effizient zu sein. Für Ihr Gehirn heisst das jedoch: Multitasking. Und das funktioniert nicht. Wenn wir konzentriert und effizient arbeiten wollen, dann geht das nur an einer einzigen Aufgabe. Sobald eine andere dazukommt, sind wir nicht mehr aufmerksam bei der Sache. Das merken Sie spätestens dann, wenn Sie die E-Mail, die Sie während eines Telefongesprächs geschrieben haben, noch einmal senden müssen, weil Sie den Anhang vergessen haben oder im Datum ein Zahlendreher ist. Gehirngerecht arbeiten bedeutet: eine Aufgabe nach der anderen erledigen, nicht gleichzeitig. Das Smartphone ist ein Quell der Ablenkung. Vermutlich haben auch Sie Ihr Handy meist auf dem Schreibtisch liegen. Stumm geschaltet zwar, aber sichtbar. Problematisch ist das deswegen, weil Ihr Unterbewusstsein ständig einen Teil seiner Aufmerksamkeit auf das Smartphone
HIGHLIGHT
Glückshormone, mit denen wir unser Gehirn belohnen, können sehr unterschiedliche Ursachen haben.
gelenkt hat: Es könnte ja sein, dass eine Nachricht gekommen ist. Studien belegen diese Ablenkung. Dagegen hilft, das Smartphone komplett auszuschalten und so wegzulegen, dass Sie es nicht mehr sehen können.
SCHWINDENDE MERKFÄHIGKEIT Ein grosser Vorteil an der Digitalisierung und dem Internet ist, dass das Wissen dieser Welt ständig und in früher nie vorstellbarem Ausmass zur Verfügung steht. Wir müssen buchstäblich einfach nur googeln. Der Effekt ist – und auch das ist durch Studien bewiesen –, dass wir uns viel weniger merken. Während wir früher auf der Suche nach einer Antwort ans Bücherregal zum Brockhaus gegangen sind und dort nachgeschlagen haben, schauen wir jetzt kurz ins Internet. Weil dieser ausgelagerte Teil unseres Gedächtnisses immer verfügbar ist, machen wir uns nicht mehr die Mühe, uns etwas zu merken. Doch das ist fatal. Denn wer nichts weiss, der kann keine Entscheidungen treffen. Der
muss sich auf sein Umfeld verlassen, dass es ihm die «richtige» Entscheidung vorgibt. Der kann keine Fake-News erkennen. Der sieht nicht mehr, dass eine Nachricht gar nicht stimmen kann. Der kann mit den Informationen aus dem Internet nicht umgehen, weil er eine seriöse nicht von einer unseriösen Quelle unterscheiden kann. Hier hilft dem Gehirn folgende Vorgabe: Denken Sie bewusst nach, bevor Sie googeln. Sie werden sich an das eine oder andere erinnern, wenn Sie Ihrem Gedächtnis nur die Chance dazu geben. Sprechen Sie miteinander, vielleicht finden Sie gemeinsam die richtige Antwort heraus.
schub der Dopaminproduktion bei Bewegung. Dem haptischen Erlebnis beim Blättern in Lexikon oder Atlas. Einen Vorteil hat die Kombination von Hirn und Internet auf jeden Fall: Mit den Erinnerungen, die Sie vom letzten Dia-Abend im Gedächtnis haben, finden Sie im Internet mit Sicherheit den Ortsnamen wieder und können ganz bequem online gleich die nächste Reise dorthin buchen. Merken Sie es? Die Dopaminproduktion in Ihrem Gehirn läuft schon auf Hochtouren, ganz analog.
KLEINES FAZIT Digitalisierung hat uns viel Segensreiches gebracht, die Welt ohne sie wäre sicherlich ärmer. Nutzen wir einfach beides: die faszinierende digitale Welt und die Freude des analogen Lebens 1.0. Lassen wir unser Gehirn 4.0 das tun, was es am liebsten tut: arbeiten. Mit unseren fünf Sinnen, die unser Gehirn zu einem Gesamtbild verarbeitet. Dem Abbau von Stresshormonen und An-
JULIA KUNZ ist Personal Brain Coach, ist Master of cognitive neuroscience (aon) und Diplom-Kulturwirtin (Univ.). www.juliakunz.de
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
(GESUNDE) ERNÄHRUNG AM ARBEITSPLATZ MÖGLICHKEITEN EINER AUSGEWOGENEN ERNÄHRUNG IM ALLTAG von Elisa Beck
Wir verbringen den Grossteil der Woche am Arbeitsplatz. Da ist es nur natürlich, dass gerade das Mittagessen zum Arbeitstag gehört. Gleichzeitig liegt eine ökologische und nachhaltige Lebensweise im Trend und wirkt sich auch auf die Ernährung aus. Theoretisch wissen wir, wie man sich gesund ernährt: Dennoch finden wir bei der Arbeit nur selten Gelegenheit, uns an die guten Vorsätze zu halten. Stattdessen ist Fast Food in die Büros eingezogen und droht, sich im Alltag einzunisten.
Die gemeinsame Mittagspause ist eine tolle Möglichkeit zum plaudern und entspannen.
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ur grosse Arbeitgeber verfügen über eine Kantine und sind damit eher die Ausnahme in der Schweiz: Immer öfter bringen die Mitarbeiter Essen mit oder essen in der Mittagspause auswärts. Dabei birgt die zweite Option auch Risiken. Ein schnelles Sandwich zwischen zwei Besprechungen oder der Gang zur Pommesbude um die Ecke haben kaum Vorteile ausser den paar Schritten, die dabei gemacht werden. Diese können aber auf keinen Fall die eingenommenen Kalorien und den Mangel an Vitaminen und
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Nährstoffen ausgleichen. Es scheint die beste Lösung, selbst etwas zur Arbeit mitzubringen. Vorgekochtes vom Vortag, ein gesundes Sandwich mit Vollkornbrot und in jedem Fall mehrere Portionen Obst und Gemüse. Das setzt Eigeninitiative, Können und Zeit voraus, die viele Arbeitnehmer nicht haben. Entgegen den verlockenden Versprechungen von Kochshows und Foodblogs ist gesunde Ernährung noch immer mit einem Aufwand verbunden, der oftmals den Zeitrahmen und die Fertigkeiten des Publikums übersteigt. Statt selbst
zubereiteten Gerichten wird dann doch schnell eine Tüte vorgewaschener Salat geöffnet und mit einem Fertigdressing garniert. Salat ist schliesslich gesund, oder? Diese Situation fordert auch Angebote der Arbeitgeber, denn das Wohlbefinden der Angestellten trägt massgeblich zur Effizienz am Arbeitsplatz bei. Wer mittags so fettig isst, dass der Döner ihm schwer im Magen liegt, ist kaum noch leistungsfähig. Die herkömmliche Kantine ist da eine bequeme Variante. Wer hier bei den Beilagen
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auf Pommes oder Kroketten verzichtet und häufiger zum Salat mit Essig-Öl Dressing greift, kann sich ohne viel Aufwand ein gesundes Mittagessen zusammenstellen. Auch das Fleisch kann ein- bis zweimal pro Woche durch Fisch ersetzt werden. Doch nicht jedes Unternehmen verfügt über eine eigene Kantine. Gerade kleinere Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter anderweitig versorgen. Ein einfaches Angebot ist der klassische Obstkorb, an dem sich die Kollegen bedienen können. Fünf Portionen Obst oder Gemüse werden als Tagesmenge empfohlen. Egal ob von einem externen Anbieter geliefert oder selbst organisiert, hier gilt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Ein Obstkorb ist eine gute Ergänzung zur Ernährung und kann zu einer bewussteren Verpflegung anregen. Zugreifen muss der Mitarbeiter noch selbst. Dieses Prinzip hat unter Anderem Felfel ausgebaut: Am Arbeitsplatz wird ein Kühlschrank installiert, der von Felfel-Mitarbeitern täglich mit frischen, abwechslungsreichen Speisen aufgefüllt wird. Dabei kann auf verschiedene Ernährungskonzepte eingegangen werden, egal ob vegetarisch, vegan oder traditionell. Auch Snacks und Desserts stehen im Kühlschrank bereit. Es ergibt sich damit eine Mischung zwischen den Möglichkeiten, das Mittagessen selbst mitzubringen und dem Essen in der Kantine: Zwar muss nicht selbst gekocht werden,
doch die Auswahl findet individuell statt. Die in recycelbaren Behältern verpackten Speisen regen zum Zusammensitzen an. Gesichert ist der Kühlschrank mit einem Schloss, das sich per Chip öffnen lässt. Dieser Chip ist gleichzeitig das Bezahlmittel, von dem die Kosten für das jeweilige Gericht abgebucht werden. Felfel setzt im Sinne der heutigen Zeit auf regionale Produktion in Familienbetrieben und Nachhaltigkeit, kann also bei vielen Abnehmern punkten. Snacks und Süssspeisen sind gerade im Büroalltag gefährliche Verführungen. Ein Stück Schokolade zur Belohnung nach einem anstrengenden Meeting oder ein paar Guetzli gegen den kleinen Hunger sind willkommene Seelentröster. Zusätzlich lassen sie sich einfach in der Schreibtischschublade lagern und sind immer schnell zur Hand. Wer besonders in Stresssituationen zu Süssigkeiten greift, kann mit etwas Kreativität auf andere Rituale ausweichen: Ein kurzer Spaziergang, eine Hand voll Nüsse oder eine kurze Meditationseinheit können genauso entspannend wirken. Doch um eine gesunde Ernährung zu ermöglichen, muss der Arbeitgeber nicht unbedingt auf externe Anbieter zurückgreifen: Oft hilft es bereits, einen Kühlschrank, eine Mikrowelle oder im besten Fall eine kleine Küchenecke mit Herd bereitzustellen, die das Mitbringen sowie Zubereiten von Speisen ermöglichen. Auch diese Variante
kann für den Zusammenhalt der Mitarbeiter förderlich sein: Wer nicht jeden Abend vorkochen mag, kann sich zum Beispiel mit Kollegen zu einer Koch-Gruppe zusammentun. Dabei kocht eine Person gleich für mehrere andere mit. Im besten Fall muss der Einzelne auf diese Weise nur einmal die Woche für ein gesundes Essen sorgen, die Gruppe bekommt jedoch jeden Tag ein frisches, ausgewogenes Mittagessen. Supermärkte und Lieferdienste haben in diesem Zustand eine Marktlücke mit Verkaufspotenzial entdeckt. Bei Migros bequem online bestellen und die gewünschten Produkte nach Hause oder in die Firma liefern lassen ist kein Problem mehr. Lieferdienste wie Lieferando bringen fertige Gerichte direkt ins Büro. Auch hier ist es möglich, gesunde Optionen zu finden: Reis mit Gemüse, Vollkornsandwiches oder Obstsalate. Doch die Entscheidung fällt schwer, wenn Burger, Schnitzel und Co. ebenfalls zur Auswahl stehen und dabei noch so gut aussehen. Am Ende des Tages ist gesunde Ernährung eine individuelle Angelegenheit. Sich an aktuellen Trends zu orientieren ist nicht für jeden das Richtige, ein Quinoasalat oder eine Poke Bowl führen nicht auf magische Weise zum Erfolg. Denn was für den einen Körper passt, muss nicht unbedingt gut für den anderen Körper sein. Es gilt, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören und die eigenen Gewohnheiten zu beobachten. Mit etwas Eigeninitiative ist es möglich, sich so zu organisieren, dass die Ernährung über den ganzen Tag ausgewogen ist. Vom Unternehmen muss dieser Aufwand ermöglicht werden. Übrigens: Eine ausgewogene Ernährung bedeutet keinesfalls strenge Regeln und Verzicht. Ab und an ein Stück Schokolade oder ein Stückchen Kuchen heben nicht nur den Zuckerspiegel, sondern auch die Laune.
ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU. Auch gesunde Snacks für Zwischendurch gehören zu einem guten Lunch-Paket.
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© Franke
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Kleiner Automat mit grosser Auswahl.
KLEINES FORMAT – GROSSER GENUSS DIE FRANKE KAFFEEMASCHINEN AG STELLT NEUEN VOLLAUTOMATEN VOR von Elisa Beck
Für viele Menschen beginnt der Tag erst richtig mit einer guten Tasse Kaffee, dessen Duft sich langsam im Raum ausbreitet. Das ist bereits mit einem einfachen Knopfdruck möglich: Die Franke Kaffeemaschinen AG aus Aarburg erweitert nun ihr Portfolio. Mit drei Basis-Modellen und ihrem modularen Aufbau ist die neue A300 ein optimaler Einstieg in die Welt der professionellen Kaffee-Vollautomaten.
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enig Platz, aber hohe Ansprüche an die Kaffeequalität? Mit der neuen A300 präsentiert Franke
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einen kompakten Vollautomaten, der sich im professionellen Segment vor den grös seren Modellen nicht verstecken muss.
Wie die übrigen Modelle der A-Linie steht auch die A300 für exzellente Getränkequalität – Tasse für Tasse. Dabei ist jede Tasse
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ein neues Geschmackserlebnis. Mit der FoamMasterTM-Option steht ein in der Einstiegsklasse einmaliges, professionelles Milchsystem zur Verfügung, mit dem warme Milch sowie Milchschaum mit einer individuell einstellbaren Konsistenz produziert werden können. So gibt es je nach Laune und Getränk immer die passende Milchschaumhaube. Auch für die Sauberkeit ist gesorgt: Das integrierte Reinigungssystem EasyClean sorgt für perfekte Hygiene mit nur wenigen Handgriffen.
INTERAKTIV UND INDIVIDUELL Auf einem interaktiven 8-Zoll-Touchscreen wird der Endkunde mit fotorealistischen Getränkebildern ganz einfach durch das Getränkemenü geführt. Mit dem QuickSelect-Bedienmodus können sechs bis zwanzig Getränke je Seite abgebildet werden. Die Optionen sind vielfältig: Grösse, Aromastärke und Bohnenauswahl lassen sich auf die Vorwahltasten programmieren und erleichtern damit die Getränkeauswahl zusätzlich. Mit bis zu 100 verschiedenen Getränkespezialitäten bietet die A300 eine enorme Auswahl für jeden Anspruch – alle
in altbewährter Franke-Qualität. Dank des patentierten Heizsystems lassen sich zum Beispiel unterschiedliche Brühtemperaturen für verschiedene Getränke einstellen, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist.
EIN ECHTES ALLROUNDTALENT Zahlreiche Ausstattungsoptionen und Konfigurationsmöglichkeiten machen die A300 zu einem Anpassungskünstler. Ob Festwasseranschluss oder Wassertank-Version, ein oder zwei Bohnenbehälter oder noch eine zusätzliche BohnenbehälterErweiterung – die A300 bleibt jederzeit kompakt und flexibel. Wahlweise kann die Maschine mit oder ohne Pulverbehälter ausgestattet werden – so lässt sich die Maschine optimal für den Einsatz an den verschiedensten Standorten anpassen. Mit optionalen Beistellgeräten wie einer Kühleinheit oder einem Abrechnungssystem für den Selbstbedienungsbetrieb wird aus der kompakten Maschine ein überall einsetzbarer Verwandlungskünstler.
flotte integriert werden. Werksseitig ist sie bereits für Frankes IoT-Lösung – Digital Services – vorbereitet. Damit erhält der Betreiber volle Kontrolle und einen klaren Überblick über alle Getränkeverkäufe und Maschinendaten der A300. Software- und Konfigurations-Updates per Fernwartung ersparen kosten- und zeitintensive Vorort-Einsätze. Ob in der Mitarbeiterversorgung, der Bäckerei, dem Café oder in kleineren Restaurants – die A300 macht dank Schweizer Spitzentechnologie, optimaler Zubereitung und einfacher Bedienung in jeder Lage die gewünschte Tasse Kaffee.
ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU.
Dank ihrer Anpassungsfähigkeit kann die A300 problemlos in eine Kaffeemaschinen-
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BEI DER ARBEIT NICHT AUF DEM TROCKENEN SITZEN WIE AUSREICHEND FLÜSSIGKEIT ZUR LEISTUNGSFÄHIGKEIT BEITRÄGT von Elisa Beck
Jeder weiss, wie wichtig es ist, doch die wenigsten schaffen es: Gerade bei der Arbeit vergessen viele Beschäftigte, genug Wasser zu trinken. Wichtig ist vor allem, regelmässig über den Tag verteilt zu trinken, damit die Konzentration nicht leidet oder Kopfschmerzen entstehen. Doch nicht jedes Getränk ist für einen ausgewogenen Flüssigkeitshaushalt geeignet.
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asserflasche öffnen, an den Mund setzen, Wasser trinken: Das Prinzip ist so einfach. Dennoch trinken viele Menschen gerade auf der Arbeit zu wenig. Gründe dafür gibt es viele. Einer der wichtigsten davon ist Stress. Wer beruflich oder auch privat unter Druck steht, vergisst häufiger mal den Griff zum Wasserglas. So kommt es, dass die wenigsten die empfohlene Tagesmenge von eineinhalb bis zwei Litern zu sich nehmen. Folgen sind Konzentrationsmangel, Kopfschmerzen, trockene Augen bis hin zu Müdigkeit. Mineral- oder Leitungswasser sollte die Grundlage bilden, mit welcher der Durst gelöscht und der Wasserhaushalt ausgeglichen wird. Das eine richtige Trinkverhalten im Büro gibt es allerdings nicht. Jede Sekretärin, jeder Assistent, jede Officekraft hat unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen bezüglich der Getränke sowie ein individuelles Trinkverhalten. So bleibt es jedem selbst überlassen, was und wie viel er trinken möchte. Neben Wasser zählt Kaffee zu den beliebtesten Getränken am Schreibtisch. Viele Personen brauchen morgens erst einmal einen Kaffee, um in den Tag zu starten. Kaffee bewirkt die Besetzung bestimmter Rezeptoren im Gehirn, die Müdigkeit schwindet als Folge, der Arbeitstag kann beginnen. Zusätzlich steigt mit der Aufnahme von Koffein die Konzentration, die bei geistiger Arbeit im Büro unverzichtbar ist. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Grosse Mengen an Kaffee führen zu innerer Unruhe und Nervosität. Doch Heissgetränke wie Kaffee oder Tee sind aus vielerlei Hinsicht wichtig im Arbeitsalltag. Neben der belebenden Wirkung nehmen die Wärme des Kaffees oder Tees Einfluss auf unsere Stimmung:
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Wasser erfrischt und belebt.
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Sie vermitteln Gemütlichkeit und Entschleunigung, die beide im Arbeitstag zu kurz kommen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Getränke für seine Mitarbeiter bereitzustellen. Kaffeeautomaten, an denen Mitarbeiter für einen kleinen Betrag das gewünschte Heissgetränk erhalten, sind allerdings weit verbreitet. Oftmals fungieren sie darüber hinaus als sozialer Treffpunkt, der zu kurzen Pausen einlädt. Dabei wird das Miteinander gefördert. Eine kurze Pause, ein Kaffee mit den Kollegen, ein paar Minuten weg vom Bildschirm tragen zur Entspannung bei, damit anschliessend wieder fokussiert gearbeitet werden kann. In manchen Betrieben gibt es zusätzliche Wasserspender, welche die Angestellten mit stillem oder kohlensäurehaltigem Wasser versorgen. Bei diesen Spendern wie auch den Automaten ist ein wenig Einsatz des Arbeitgebers gefragt: Ohne regelmässige Wartung und Reinigung werden diese kleinen Helfer schnell zu regelrechten Bakterienherden. Eine schöne Ergänzung ist frisches Obst am Arbeitsplatz, egal, ob vom Arbeitgeber gestellt oder selbst mitgebracht. Früchte wie Orangen, Melonen oder Äpfel enthalten besonders viel Flüssigkeit und tragen so zur Grundversorgung bei. Zusätzlich eignen sie sich wunderbar, um in Scheiben geschnitten das Glas Wasser optisch wie auch geschmacklich aufzuwerten. Wem Wasser immer noch zu langweilig ist, der greift zu Kräuter- oder Früchtetees. Wichtig ist in diesem Fall, das Getränk ungezuckert zu geniessen. Ein wenig Zucker ist natürlich kein Vergehen, allerdings kommen bei mehreren Gläsern schnell grössere Zuckermengen zusammen, als man denkt. Dasselbe gilt für Saftschorlen, die möglichst im Verhältnis ein Teil Saft und drei Teile Wasser gemischt werden sollten. In beiden Fällen ist man am besten beraten, sich selbst um die Zubereitung zu kümmern. Fertige Schorlen und auch Tees aus dem Supermarkt enthalten oft unnötige Zusatzstoffe oder Geschmacksverstärker und sind noch dazu um einiges teurer. Auch Fruchtsäfte oder Eistees erscheinen nur auf den ersten Blick als gesunde Alternative: Oft kommen schon auf ein einzelnes Glas mehrere Zuckerwürfel. Dafür liegt der Fruchtgehalt bei einem Grossteil der Getränke weit unter 50 Prozent, erschreckend häufig fällt er sogar noch niedriger aus. Auch Smoothies vermitteln den Eindruck,
in der Flasche stecke eine geballte Ladung Frucht. Doch hier ist ebenfalls Vorsicht geboten: Neben den grossen Mengen natürlichen Fruchtzuckers, der in moderatem Ausmass durchaus vertretbar wäre, versteckt sich auch hier zusätzlicher Zucker. Im Laufe des Tages rückt das Trinken häufig in den Hintergrund. Um trotzdem den Bedarf zu decken, helfen kleine Gedankenstützen. Ein grosses Glas Wasser gleich nach dem Aufstehen, bei der Ankunft im Büro und in der Pause. Am besten steht die Wasserflasche immer im Blickfeld und erinnert so daran, häufiger mal zuzugreifen. Wenn es darum geht, am Arbeitsplatz ausreichend zu trinken, gilt trotzdem keinesfalls das Motto «Viel hilft viel». Wasser steht an erster Stelle und sollte den grössten Teil des Bedarfs decken. Wer sich mehr Geschmack wünscht, gibt etwas Zitrone oder Minze hinzu oder
wählt die selbst gemachte Schorle. Auch Kaffee als Konzentrationshilfe ist nicht verkehrt – in Massen und zur rechten Zeit. So lässt sich die Getränkeauswahl abwechslungsreich gestalten und bleibt gleichzeitig kalorienarm: Auf diese Weise fällt es leicht, genug Flüssigkeit aufzunehmen, ohne dass sich unnötige Zusätze einschleichen.
ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRundschau. www.kmurundschau.ch
Beim Gang zur Kaffeemaschine lässt sich gut plaudern.
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Auch im Home Office müssen Mitarbeitende nicht auf das Verpflegungsangebot verzichten.
MITARBEITERVERPFLEGUNG IM HOME OFFICE EINE GESUNDE MITTAGSPAUSE FÜR DIE AKTIVE ERHOLUNG von Manuela Gehrig
Unbestritten führte die Corona-Pandemie zu einem permanenten Aufschwung des Home Office. Für Führungskräfte heisst es nun, den Mitarbeitenden den Weg in eine gesündere und nachhaltigere Arbeitsumgebung aufzuzeigen.
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ährend des Lockdowns ist die Zahl der Schweizer Beschäftigten, die von zu Hause arbeiten, von 25 Prozent auf 50 Prozent angestiegen. Experten erwarten, dass sich dieser Wert nach der Krise bei ungefähr 34 Prozent einpendeln wird. Weitere Umfragen zeigten, dass die Arbeitsproduktivität zu Hause nicht abgenommen hat und viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden zukünftig flexiblere und ortsunabhängigere Arbeitsmodelle anbieten möchten. Doch auch das Arbeiten in den eigenen vier Wänden hat seine Schattenseiten: Die fehlende persönliche Interaktion mit Kollegen und Kunden ist einer der grössten Nachteile des Home Office. Einige sehen sogar ihr mentales Wohlbefinden gefährdet, fühlen sie sich im Home Office doch oft isoliert. Viele Menschen brauchen Strukturen, daher sind Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit essenziell – zum Beispiel mit klaren Anfangs- und Schlusszeiten, einer gesunden und erholsamen Mittagspause oder auch mit regelmässiger Bewegung. Gerade wenn man das Arbeiten zu Hause nicht gewohnt ist, kann sich das Essen vor dem Bildschirm in Kombination mit weniger Bewegung negativ auswirken.
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Ein Spaziergang ins nahe gelegene lokale Restaurant vereint Bewegung und eine ausgewogene Ernährung mit gleichzeitiger Unterstützung der lokalen Wirtschaft. Die Pause von den eigenen vier Wänden hilft ausserdem, sich von der Arbeit abzugrenzen und trägt zu einer aktiven Erholung bei. Somit können die Mitarbeitenden am Nachmittag mit frischer Energie wieder konzentriert und produktiv loslegen.
EINHEITLICHE VERPFLEGUNG MIT SPARPOTENZIAL Während Angestellte am Hauptsitz oftmals von Kantinen oder Verpflegungs-Kühlschränken profitieren, gehen Mitarbeitende im Home Office oder an Aussenstellen meist leer aus. Mit Lunch-Check-Beiträgen werden für alle Mitarbeitenden dieselben Voraussetzungen geschaffen: Die Mitarbeitenden am Hauptsitz können die Verpflegungsbeiträge auch ausserhalb des Firmenareals nutzen, die Angestellten an Aussenstellen sind nicht auf eine Betriebskantine angewiesen und Beschäftigte im Home Office können das lokale Verpflegungsangebot nutzen. Mit 8 000 angeschlossenen Restaurants ist für eine vielfältige Verpflegung gesorgt
und ein Angebot für jeden Geschmack sichergestellt. Zudem können hohe Fixkosten für den Betrieb und die Unterhaltung des Personalrestaurants eingespart werden. Die Auslastung der betriebseigenen Kantine ist nicht mehr länger Aufgabe des Arbeitgebers und ermöglicht es, sich wieder gezielter auf die eigenen Kernkompetenzen zu konzentrieren. Nebst der Einsparung der Kosten für das Personalrestaurant sind die Verpflegungsbeiträge für Arbeitgeber und Mitarbeitende bis 180 Franken pro Monat von sämtlichen Sozialversicherungen befreit und müssen nicht als steuerbarer Lohn ausgewiesen werden.
MANUELA GEHRIG ist Chief Marketing Officer bei Lunch-Check. www.lunch-check.ch
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© Emil Fröhlich
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Gemeinsam die Mittagspause geniessen war noch nie so einfach.
LANGWEILIGES MITTAGESSEN WAR GESTERN … MITARBEITERKULINARIK VON EMIL FRÖHLICH IST HEUTE von Elisa Beck
Gesunde und zufriedene Mitarbeitende sind das Kernstück jedes Unternehmens. Dabei spielt die Verpflegung eine wichtige Rolle. EMIL Fröhlich bringt genussvolles und qualitativ hochwertiges Essen direkt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Büro. Ob für KMU oder Grossunternehmen – der intelligente Kühlschrank eignet sich für jedes Budget und jede Unternehmensgrösse.
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s ist kein Geheimnis, dass eine gute Bürokultur die besten Arbeitskräfte anzieht. Die Möglichkeit, sich vor Ort frisch und ausgewogen ernähren zu können, ist für viele Angestellte ein wichtiger Benefit. So wird ein sinnstiftender Job durch ein attraktives Essenangebot optimal ergänzt. Tatsächlich wünschen sich Mitarbeitende, dass ihr Unternehmen auch in Sachen Ernährung nachhaltig handelt. Damit führt das Thema Essen zu einem willkommenen Effekt: mehr zufriedene Mit-
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arbeitende, weniger Fluktuation und damit geringere Kosten. Was aber kann man als Arbeitgeber tun, wenn kein eigenes Mitarbeiterrestaurant besteht oder umsetzbar ist, die Mitarbeitenden aber dennoch eine frische und gesunde Verpflegung geniessen sollen?
TÄGLICH FRISCH, GESUND UND FEIN Es gibt sie, die einfache und schnelle Lösung – und die heisst EMIL Fröhlich. Der
digitale Kühlschrank präsentiert eine vielseitige Auswahl an köstlichem Essen. «Unser Angebot ist abwechslungsreich, fein und gesund. Zudem ist das Handling höchst einfach», sagt Tobias Lang, Marketingleiter von EMIL Fröhlich. Das kulinarische Angebot reicht vom veganen, proteinreichen Birchermüesli über erfrischende Salate bis zu Sandwiches. Und von währschaften Klassikern bis zu würzigen Currys und den trendig-kreativen Bowls. Klar, dass da auch die ver-
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führerischen Desserts von eigenen Patissiers gemacht werden.
FÜR MENSCH UND UMWELT Das Essen kommt aus der hauseigenen Manufaktur in Wallisellen und wird von erfahrenen Köchinnen und Köchen täglich frisch zubereitet. «Unsere Speisen entstehen aus hochwertigen und regionalen Zutaten. Nachhaltigkeit hat dabei einen hohen Stellenwert, das zeigt sich auch in unserer Partnerschaft mit dem WWF Schweiz. So stammt das Fleisch zu 100 Prozent aus der Schweiz, der Fisch ist MSC / ASC-zertifiziert und Gemüse und Früchte sind wenn immer möglich aus der Region», führt Tobias Lang weiter aus. Apropos Fleisch: Das entspricht zu einem Grossteil dem BTS- und RAUS-Programm («Besonders tierfreundliche Stallhaltung» und «Regelmässiger Auslauf im Freien»). Zudem ist auch Fairtrade ein Thema. Vor allem bei Produkten, die in grossen Mengen eingekauft werden, wie etwa Reis, Bananen und Zucker. Das alles für Klima, Mensch und Tier.
EINFACH PER APP BESTELLEN EMIL Fröhlich setzt auf intelligente Technologie: Das Angebot wird durch Algorithmen auf die Vorlieben der Mitarbeitenden abgestimmt. Jedem EMIL-Kühlschrank können die Gerichte unkompliziert per SmartphoneApp entnommen und digital bezahlt werden. «Sobald wir wissen, wie viel von welchem Produkt gekauft wird, beliefern wir unsere Kunden ganz nach Bedarf. Damit reduzieren wir auch den Foodwaste.» Die Montage von EMIL Fröhlich ist denkbar einfach. «Alles, was es braucht, ist eine Steckdose», sagt Lang. «Wir liefern den EMIL direkt ins Büro, bestücken ihn mit einem Basisangebot und laden das ganze Mitarbeiter-Team zum Degustations-Apéro ein.»
Bowls. Die Idee ist, dass für jeden etwas drin ist, und zwar zu bezahlbaren Preisen: Ob Allergiker, Veganer oder Fleisch-lieb haber, bei EMIL finden alle etwas. Auch für Caterings oder Zwischenverpflegungen ist EMIL Fröhlich ideal: Dank des attraktiven Angebots an Snacks und Brainfood können Teams vor Ort schnell eine gesunde Pausenverpflegung für ein Meeting zusammenstellen oder einen spontanen Apéro organisieren. So sorgt EMIL im Handumdrehen für mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz.
FOOD-TEAM ENTWICKELT NEUE REZEPTUREN Das hauseigene Food-Team kümmert sich um die stete Weiterentwicklung der Menüs und Rezepturen. Im FOODlab der SV Group werden neueste kulinarische Trends und spannende Zutaten getestet, zum Beispiel Fleischalternativen wie Planted oder Beyond Meat. Besonders angesagt sind zurzeit die
ELISA BECK ist Redaktorin von kmuRUNDSCHAU. www.emil-froehlich.ch
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SINN IN DER (POST-) CORONA-ZEIT WARUM WIR GENAU JETZT «MOTI-VIREN» BRAUCHEN von Stefan Dudas
In guten Zeiten ist es einfach, über Sinn zu sprechen und zu schreiben. In unternehmerischen Leitbildern, Ethik-Reports und Nachhaltigkeitsberichten stehen deshalb auch meistens die schönsten Absichtserklärungen. Wenn die Nerven in schwierigen Zeiten blank liegen, zeigt sich, wer es ernst damit meint. Gerade in oder nach Krisen ist es wichtig, über «Sinn» zu sprechen und zu schreiben – und vorher darüber nachzudenken. Denn nach diesem Coronavirus brauchen wir jetzt vor allem eines: positive «Moti-Viren».
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s wird gerade viel darüber philosophiert, dass die Post-Corona-Zeit begonnen hätte. Ich denke allerdings, dass wir nur in eine neue Phase der Corona-Krise gekommen sind. Von einer Post-Corona-Phase zu sprechen, halte ich um Monate zu früh. Die wahren Aus- und Nebenwirkungen werden wir wohl erst mit der Zeit erkennen.
WENN DAS UNMÖGLICHE PLÖTZLICH MÖGLICH IST Corona fungiert wie ein Katalysator. Ein Katalysator erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit. Genau das ist in unserer Gesellschaft durch Corona passiert. Die «Zwangsdigitalisierung» war wie ein Knall in der schon schnellen digitalen Entwicklung. Jeder Schreibmaschinen-Fetischist und jeder CEO mit einer ärztlich attestierten Home-OfficeIntoleranz hat spätestens jetzt bemerkt, dass das Unmögliche gar nicht so unmöglich ist. Die Mitarbeiter wurden innerhalb weniger Tage mit Laptops, Zugangsdaten und Software ausgerüstet und arbeiteten per sofort im Home Office. Corona hat in wenigen Tagen das geschafft, was die Berater-Branche in den letzten Jahren nicht geschafft hat: die Digitalisierung der Arbeitswelt. Auch im Privatbereich wurde «zwangsdigitalisiert». Grosseltern nahmen Veränderung und technische Hürden in Kauf, um die Enkelkinder zumindest digital wiederzusehen. Insgeheim ist man stolz, die Hindernisse der digitalen Neuzeit gemeistert zu haben. Die Gewohnheit, online einzukaufen oder per Videochat zu kommunizieren, hat sich bei vielen Menschen damit fest etabliert. Dies wird massive Auswirkungen auf den stationären Handel und viele Branchen haben. Gerade wenn Unternehmen sparen müssen, macht es sich gut, auf teure Reisen zu verzichten und unter dem Label des Umweltgedankens PRwirksam auf Online-Meetings umzusteigen.
WO BLEIBT DER SINN? Wenn etwas so Tiefgreifendes wie die Covid-19-Pandemie passiert, ist es ratsam, kurz innezuhalten und zu analysieren, was wirklich geschehen ist und was man daraus lernen könnte. Krisen als Chancen auszurufen, mag inhaltlich oft stimmen, kommt jedoch bei Menschen mit akuten existenziellen Problemen, die durch diese Krise entstanden sind, schlecht an. Wir sind aktuell immer noch in der Krise und sie wird uns wahrscheinlich noch eine längere Zeit beschäftigen. Weil die Stimmung kippt und die Rufe nach schnellen Lösungen zunehmen, lohnt es sich, früh nach dem
Sinn zu suchen und zu hinterfragen, wie Corona die Arbeitswelt und damit auch unser Leben nachhaltig verändert hat und weiter verändern wird.
KULTUR DES VERTRAUENS Zukünftig wird das Home Office einen höheren Stellenwert einnehmen. In den Niederlanden gibt es bereits seit fünf Jahren ein «Recht auf Home Office». Auch deutsche Politiker diskutieren im Moment darüber. Ob dieser Eingriff der Politik in die Unternehmenswelt richtig und nötig ist, ist eine andere Frage. Daraus resultiert aber eine neue Disziplin für Führungskräfte: die Führung auf Distanz. Dies bedingt zwingend, dass man über Begriffe wie Vertrauen, Selbstdisziplin und Empathie in den Unternehmen sprechen muss. Ist kein gegenseitiges Vertrauen da, wird Home Office nicht funktionieren. Im Home Office zählen die Resultate – und weniger, wie lange man dafür am Schreibtisch sass. Obwohl auch dieser Mythos, dass im Home Office (also, ohne Kontrolle des Vorgesetzten) weniger gearbeitet wird, aus der Welt geschafft gehört. Laut einer repräsentativen Studie von Prof. Michael Beckmann von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel arbeiten Angestellte bei Vertrauensarbeitszeit pro Woche durchschnittlich 80 Minuten länger als Angestellte mit festen Arbeitszeiten. Also nichts mit Faulenzen. Trotzdem ist die Präsenz der Mitarbeiter vielen Führungskräften heute immer noch enorm wichtig. Es ist auch eine alte Weisheit, dass sich Arbeit zeitlich ausdehnen kann und lässt. Es ging also weniger darum, was in dieser Zeit wirklich gemacht wurde, sondern eher, wie lange man anwesend war. Hier muss und wird sich die Führungskultur verändern. Hin zu weniger Kontrolle, dafür mehr Vertrauen.
EIN NEUES BEWUSSTSEIN In der akuten Krise wurde viel geklatscht. Menschen auf Balkonen haben für die tolle (und sehr günstige) Arbeit der Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern und den Menschen an den Supermarktkassen geklatscht. Ein schönes Zeichen zwar, aber wenn wir schon über systemrelevante Berufe sprechen, sollte auch über einkommensrelevante Verbesserungen für diese gesprochen werden. Ob diese Berufsgruppen eine starke Lobby haben, um dies durchzusetzen, wird sich zeigen. Gewisse
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Berufsbilder sind allerdings aufgewertet worden. Viele Menschen haben vielleicht (wenn auch nur sehr kurz) darüber nachgedacht, welche Berufe «wichtig» und welche Berufe eben nicht systemrelevant sind.
UNTERNEHMEN BEGEHEN KOMMUNIKATIVEN SUIZID Kommunikation war schon immer die Königsdisziplin, die aber in vielen Unternehmensleitungen unterrepräsentiert ist. Kommunikation ist kein ausführendes Organ, sondern muss in jeder Geschäftsleitung persönlich vertreten sein. Einige Grosskonzerne haben sich in dieser Krise die Finger und vielleicht auch ihren guten Ruf verbrannt. Man wollte die Miete stunden, weil es möglich war. Das Unmögliche daran war, dass man mit knapp zwei Milliarden Euro Gewinn im letzten Jahr überhaupt auf so eine Idee gekommen ist. Wenn dann noch im Leitbild dieser Unternehmung etwas von «Team», «Gesellschaft» und «Verantwortung» steht, ist der Shitstorm vorprogrammiert. In vielen Köpfen ist diese Marke für eine lange Zeit negativ markiert: markiert mit drei Streifen. Es ist entscheidend, dass man alles, was man in Leitbildern, Ethik-Richtlinien oder Nachhaltigkeitsberichten von PR-Profis schreiben lässt, auch zu 100 Prozent lebt. Dass man selber – die Geschäftsleitung wie auch alle Mitarbeiter – daran glaubt. Weil es den eigenen Werten entspricht. Dann kann so ein «Mehr Profit zu jedem Preis»-Lapsus nicht mehr passieren. Das mag «banal» klingen, ist aber eine revolutionäre Änderung zum bisherigen Modell. Alles, was ich vorgebe zu sein und nicht wirklich lebe, kann und wird öffentlich gegen mich verwendet werden. Das bedingt ein neues Bild von Führung. Leadership muss sich wandeln. Weg vom Befehlsgeber hin zum Teamplayer. Eine Führungsperson ist Dienstleister seiner Mitarbeiter. Ist man als Führungskraft an alte Denkmodelle gebunden, wird es in neuen Strukturen eng. Die Strukturen verlangen nach weniger Führung, dafür nach echten inhaltlichen Autoritäten. Anführer, die es schaffen, Menschen hinter sich zu vereinen, um ein Ziel zu erreichen, das wirklich Sinn macht und Werte verkörpert. Man könnte sie vielleicht «Sinnfluencer» nennen.
FOKUS AUF DIE ZUKUNFT «Alles lächerlich», «Alles nur eine Modeerscheinung». Diese Begriffe höre ich oft
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Statt Befehlsgebern sind nun Teamplayer gefragt.
von Unternehmern oder Führungskräften. Kann man so natürlich denken. Auch Nokia hat über Apple gelacht, als bekannt wurde, dass Apple mit einem Mobiltelefon in den Markt einsteigen möchte. Swatch hat gelacht, als Apple mit einer Uhr kommen sollte. Veränderungen scheinen oft unmöglich. Bis jemand kommt und es einfach (vor-)macht. Und wer sind nun die Gewinner der Krise? Es geht nicht darum, Branchen aufzulisten, die von dieser Krise profitiert haben. Es geht vielmehr darum aufzuzeigen, dass diejenigen, die jetzt ihren Fokus richtig setzen, die Chance auf eine gute Zukunft haben. Diejenigen, die jetzt die Verantwortung übernehmen und konstruktiv ins Handeln kommen. Diejenigen, die ihr Geschäftsmodel, ihre Kommunikation und ihren Führungsstil selbstkritisch hinterfragen. Denn Corona kann Unternehmen zu Innovationssprüngen zwingen. Sprünge, für die man vorher «zu satt» oder zu ängstlich war. Liest man bei Facebook die Schuldzuweisungen und was alles falsch gelaufen ist, hilft das im Moment niemandem. Der Fokus
muss weg vom Coronavirus hin zu einem «Moti-Virus». Dieser spezielle Virus darf ansteckend sein und kann unglaubliche Nebenwirkungen haben. Unser Fokus bestimmt unser Energielevel und unsere Motivation. Motivation benötigt ein Motiv. Legen wir den Fokus also auf die Möglichkeiten: Es geht schliesslich nicht nur um unsere eigene Zukunft, sondern auch um die Zukunft aller Mitarbeiter in den Unternehmen und um die Zukunft unserer (Arbeits-)Welt. Das alles sollte es uns wert sein, mutig in die Zukunft zu blicken und Veränderungen wirklich anzugehen.
STEFAN DUDAS ist Speaker, Coach, Autor und Dozent. www.stefandudas.com
KOLUMNE
TIPPS FÜR UNTERNEHMEN IN KRISENZEITEN von Prof. Dr. Norbert Wieselhuber
I
n Phasen wie diesen ist es Zeit, allerhöchste Zeit, über Fortschrittsfähigkeit, Zukunftsperspektive und Neukonfiguration des Unternehmens nachzudenken und durch individuelle und kollektive Intelligenz Wettbewerbsvorteile zu generieren, um schneller und gezielter in die neue Wirklichkeit zu starten. Die Zeit dafür sollte man sich nehmen. Die operative Hektik, die Wachstumsdynamik, der Glaube an «alles ist planbar» und das «Management-Dogma» der Unfehlbarkeit, das «Not-inventedhere-Syndrom» und die Zeitnot haben häufig daran gehindert, systematisch, kritisch und kreativ über das Erreichte und die Zukunft nachzudenken. Ein Fehler, der sich immer in schwierigen Situationen, in Unternehmens- und Marktkrisen gravierend, ja existenzbedrohend, bemerkbar macht. Leider bedarf es externer, exogener Katastrophen, damit diese Denkprozesse angestossen werden. Verdrängung, Fehleinschätzung, Heldentum, Angstblockaden et cetera verzögern die Reaktion auf diese Ereignisse. Für die aktuelle Corona-Krise, die in ihrer Intensität, ihrer Bedrohung für Menschen, Gesellschaft und nicht zuletzt für die Wirtschaft mit keiner Krise aus der jüngsten Vergangenheit vergleichbar ist, gibt es keine «Blaupause» zur Krisenbewältigung. Dies wird dazu führen, dass Unsicherheit Fehler und Irrtümer hervorruft. Der grösste Fehler wäre es dann, nichts zu tun. Dies trifft im Übrigen auch auf Unternehmen zu. Entscheiden unter Unsicherheit und unter unzureichender Information ist bei strategischen Entscheidungen unternehmerischer Alltag. Das Denken in unterschiedlichen Szenarien, mit verschiedenen Chancen- und Risikoprofilen und Eintrittswahrscheinlichkeiten kennzeichnet erfolgreiche Führungspersönlichkeiten. Es bleibt jedoch nicht dabei: Die konsequente Umsetzung, doch auch die rechtzeitige Korrektur von Entscheidungen gehören dazu.
In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass Entscheidungen von Menschen mit unterschiedlichen subjektiven Risiko profilen getroffen werden – vom Zocker bis hin zum vorsichtigen, vorsorgenden ordentlichen Kaufmann. Letzterer war aus der Mode gekommen, was sich jetzt an der unzureichenden Absicherung von Ressourcen, vor allem aber an mangelnder Liquidität und Bonität zeigt. Auch wenn die Feststellung «Jede Krise ist auch eine Chance» zu einer Sprechblase verkommen ist, trifft sie zu. Wenn man die Ursachen der Krise erkennt, sie in ihren Auswirkungen richtig interpretiert und sie im Sinne einer ganzheitlichen, vernetzten «Behandlung» auch therapiert, kann eine nachhaltige Krisenbewältigung gelingen. Ein Reset unter dem Motto «Wir machen danach weiter wie bisher, vielleicht nur ein bisschen schlanker und ein wenig vorsichtiger» ist nicht angesagt. Neukonfiguration des Unternehmens, wirksamere Ressourcenallokation, Fokussierung und Priorisierung sind die relevanten Aufgaben. Die möglichen Zukunftswelten sollen einen «Pull-Effekt» auf das Unternehmen ausüben. Dem gegenüber steht die «Push-Funktion» des Unternehmens mit seinen Möglichkeiten, den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden und Erfolge zu generieren. Dies wird nur gelingen, wenn konstruktive Kritik, Intelligenz und Erfahrung, Erfolgswille und der bereichsübergreifende Dialog um die besten, passenden Lösungen herrschen.
PROF. DR. NORBERT WIESELHUBER ist Managing Partner der auf Familienunternehmen spezialisierten Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH. www.wieselhuber.de
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Achtsame Führungskräfte steigern die Motivation ihrer Mitarbeiter.
ACHTSAM FÜHREN UND KOMMUNIZIEREN WAS FÜHRUNGSKRÄFTE IN KRISENZEITEN BEACHTEN MÜSSEN von Rainer Paszek
Gerade in Krisen- und Marktumbruchzeiten wie den aktuellen sollten Führungskräfte ihre gewohnten Reiz-Reaktionsmuster reflektieren und wenn nötig durchbrechen. Denn in ihnen sind auch ihre Mitarbeiter hochgradig verunsichert. Entsprechend empfindsam sind sie.
D
ie Auswirkungen der Covid-19-Pandemie fordern und belasten die Führungskräfte der Unternehmen in vielfältiger Hinsicht: Es müssen nicht nur viele Entscheidungen und gewohnte Vorgehensweisen überdacht werden, auch das Führungsverhalten muss reflektiert und den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Deshalb fragen sich viele Führungskräfte aktuell: Wie kann ich in diesem von rascher Veränderung und einer hohen Unsicherheit geprägten Umfeld als Top-Entscheider und -Manager in dem mir anvertrauten Bereich meine Handlungsfähigkeit bewahren? Wie kann ich als «Leader» bzw. Führungskraft meine Mitarbeiter durch den Dschungel der Veränderungen führen? Gleichzeitig stellt
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sich das persönliche Problem, als Individuum die Freude am Job zu bewahren und im Mitarbeiterkontakt die nötige Zuversicht und Gelassenheit auszustrahlen.
ERHÖHTE ACHTSAMKEIT IST GEFRAGT So unterschiedlich die Antworten im Einzelfall abhängig von der Person und Situation auf diese Fragen auch sein mögen, ein Faktor ist für die Bewältigung der Herausforderung unabdingbar: eine erhöhte Achtsamkeit beim Führen der eigenen Person sowie der Mitarbeiter – auch Mindful Leadership genannt. «Mindfulness», also Achtsamkeit, ist eine besondere Form der Konzentration, bei der man bewusst wahrnimmt, was im Mo-
ment ist und geschieht – und zwar ohne dies zunächst zu beurteilen. Ein Vordenker in diesem Bereich war Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn, ein emeritierter Professor der University of Massachusetts Medical School in Worcester. Er entwickelte mit seinem Team in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Trainingsprogramm namens «Mindfulness Based Stress Reduction», um nachhaltig besser mit Stress und den Herausforderungen im beruflichen und privaten Leben umzugehen. Seine Kerninhalte sind verschiedene Meditationsformen sowie eine gezielte Entwicklung der Achtsamkeit im Alltag. Dieses Programm wird inzwischen seit über 40 Jahren in mehr oder minder modifizierter Form in der Personalentwicklung erfolgreich angewendet. Wissenschaftliche Studien be-
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den ausgebaut. Weitere positive Effekte sind der Aufbau nachhaltiger Stressbewältigungsstrategien sowie ein flexiblerer Umgang mit (neuen) Herausforderungen.
Im Gespräch können viele Unsicherheiten geklärt werden.
legen seine positiven Effekte – nicht nur auf der psychologischen Ebene.
FÜHRUNGSVERHALTEN VERSCHÄRFT REFLEKTIEREN Im Zentrum des Programms steht eine Entwicklung der Selbststeuerungsfähigkeit durch eine erhöhte und sensiblere Eigenwahrnehmung. Sie ermöglicht es, unbewusst wirkende Denk-, Fühl- und Verhaltensmuster in sich zu erkennen und bei Bedarf ausser Kraft zu setzen – also eingeübte und antrainierte Reaktionsmuster zu durchbrechen. Durch diese Form des Bewusstseins-Managements vergeht zwischen dem jeweiligen externen Reiz und unserer Reaktion eine kleine Zeitspanne. In ihr können wir unsere Antwort beziehungsweise Reaktion auf den Reiz bewusst wählen. Die achtsame Wahrnehmung dieses inneren Prozesses ermöglicht es somit, unser Empfinden und Verhalten zu steuern. Besonders in Krisen- und Marktumbruchsituationen wie den aktuellen ist dieses beim Führen von Mitarbeitern extrem wichtig, denn in ihnen sind auch diese verunsichert und teils auch beruflich sowie privat extrem belastet. Deshalb achten sie auch stärker als in «normalen» Zeiten auf die Reaktionen, das Verhalten und die Aussagen ihrer Führungskräfte und versuchen hieraus, Antworten auf verschiedene Fragen abzuleiten: Wie sicher ist mein Arbeitsplatz? Wie viel Vertrauen schenkt mir mein Chef noch? Wie loyal ist er seinen Mitarbeitern gegenüber?
BEWUSSTSEIN FÜR DIE EIGENE WIRKUNG Deshalb kann ein Verhalten, das in ruhigen Zeiten durchaus zielführend und angemessen ist, in Krisen- und Umbruchsituationen extrem negative Wirkungen haben. Also müssen Führungskräfte in ihnen ihr Verhalten verschärft reflektieren und ge-
gebenenfalls neu justieren. Allein fällt dies gerade in Zeiten, in denen sie selbst den Druck spüren, oft schwer. Deshalb sollten Unternehmen gerade dann erwägen, ihren Führungskräften einen Coach als Sparringpartner zur Seite zu stellen. Unabhängig von der aktuellen Ist-Situation bietet ein Steigern der Achtsamkeit ihrer Führungskräfte Unternehmen jedoch vielversprechende Möglichkeiten. Untersuchungen zeigen: Durch ein Mindful Leadership können Führungsaufgaben authentischer und erfolgreicher wahrgenommen werden. Das erkannte zum Beispiel Google bereits 2007 und etablierte weltweit mit dem Programm «Search inside yourself» ein entsprechendes Achtsamkeitsentwicklungsprogramm in seiner Organisation. Auch viele deutsche Unternehmen, Konzerne wie Mittelständler, haben inzwischen die Bedeutung einer gezielten Schulung der Achtsamkeit nicht nur ihrer Führungskräfte in der von immer rascheren Veränderungen und einer sinkenden Planbarkeit geprägten VUKA-Welt für sich erkannt und bieten ihnen entsprechende Entwicklungsprogramme und Trainings an. Denn fest steht: Ein kaum selbstreflektives und sich seiner negativen (Neben-)Wirkungen nicht bewusstes Führungsverhalten verursacht für Unternehmen oft hohe Kosten. Studien belegen unter anderem einen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter, deren Produktivität sowie Fehlzeiten und Fluktuation.
Das hat positive Folgen für das gesamte Unternehmen. Zu diesen gehören unter anderem höhere Produktivität aufgrund effektiverer Führungsarbeit, höhere Motivation und Zufriedenheit im Team, weniger krankheitsbedingte Fehltage und qualitativ höherwertige (Projekt-)Arbeit durch vernetztes Denken und Handeln. Ein Mitarbeiterorientiertes Betriebsklima führt ausserdem zu einer höheren Arbeitsidentifikation. Durch ein Mindful-Leadership-Programm kann folglich nicht nur das Stresslevel der Führungskräfte gesenkt, sondern ebenfalls der Unternehmenserfolg gesteigert werden – auch weil eine erhöhte «Mindfulness» den Führungskräften ermöglicht, herausfordernde Situationen neu wahrzunehmen und mit ihren Mitarbeitern kreative Problemlösungen zu finden.
DIE KOMPETENZ ZU SELBSTFÜHRUNG TRAINIEREN Die Basis für eine achtsame Führung ist eine bewusste Selbstführung. So kennen achtsame Führungskräfte zum Beispiel ihre Werte, Einstellungen und Motive. Deshalb wissen sie auch, warum sie gerade in StressSituationen zu gewissen Reaktionen neigen. Das dahinter stehende «Selbst-Bewusstsein» fällt nicht vom Himmel. Es erfordert vielmehr Zeit, die Bereitschaft, sich zu verändern beziehungsweise zu entwickeln, sowie regelmässiges Üben. Für Führungskräfte bedeutet dies konkret: Sie sollten zum Beispiel täglich circa 20 Minuten in sich und ihre Entwicklung investieren und die eigene Achtsamkeit beispielsweise durch Meditation trainieren – gerade in Zeiten wie den aktuellen.
POSITIVE EFFEKTE Durch ein Achtsamkeit-basiertes Leadership-Programm können hingegen bezogen auf die Führungskräfte folgende positiven Wirkungen erzielt werden: Konzentrationsfähigkeit und Kreativität steigen, die Selbst- und Fremdwahrnehmung verbessert sich und wichtige Führungskompetenzen (wie Empathie, Emotionale Intelligenz, Entscheidungsfähigkeit) wer-
RAINER PASZEK ist Führungskräfte- sowie Teamentwickler, -trainer und -coach. www.fuehrungskraefteentwicklung.team
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
NEU DENKEN, TRANSFORMIEREN, MEHRWERT GENERIEREN QUERDENKER STOSSEN IN DER KRISE INNOVATIONEN AN von Dr. Tobias Heilmann und Kevin Arman
Querdenkerinnen und Querdenker sind vor allem in Krisenzeiten unentbehrlich. Sie stossen notwendige Veränderungen an und generieren klaren Mehrwert in allen Arbeitsbereichen und auf allen Hierarchieebenen. Der folgende Beitrag thematisiert, wie ein Querdenkender identifiziert wird, wo dieser gewinnbringend eingesetzt werden könnte und mit welchen Herausforderungen Querdenker intern konfrontiert sind.
Querdenker können als kreative Ideengeber im Unternehmen viel bewirken.
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
U
nternehmen haben leider oft Angst vor Querdenkern, weil sie den Status quo infrage stellen, beteiligte Personen aus der Komfortzone holen und Unternehmen zu Handlungen zwingen. Das ist unbequem und benötigt eine gelebte Innovationskultur. Die Corona-Krise verändert die Wirtschaft und unsere Gesellschaft nachhaltig. Und Innovation ist der Schlüssel, um diesen pandemiebedingten Wandel aktiv zu gestalten1. Manche Unternehmen entwickeln ungewohnte neue Ideen, andere wirken eher hilflos. Es ist aber wichtig für den Unternehmenserfolg, mit überzeugenden und innovativen Lösungen Kundenbedürfnisse befriedigen zu können 2.
Dabei kann es sich um Produkte (zum Beispiel Corona-Schutzwände statt Möbel), Dienstleistungen (wie hauseigene Lieferung von Landwirtschaftsprodukten oder Mahlzeiten während des Lockdowns), Prozesse (zum Beispiel innovative Online-Lehrformate der Fernfachhochschule Schweiz 3) oder neue Geschäftsmodelle 4 handeln.
DIE FRAGE NACH DEM WIE Doch wie können Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden Innovation vorantreiben? Und wer kann aus Ideen noch bessere Ideen entwickeln? Wer erkennt komplexe Fragestellungen und bringt neue Blickwinkel ein, die Firmen gestärkt durch eine Krise manövrieren? Und wenn Querdenkerinnen und Querdenker diese leisten können oder sollen: Was machen sie genau? Welche sind ihre Stärken und Schwächen? Worauf müssen Unternehmen achten?
INNOVATIONSPROZESS – DESIGN THINKING Design Thinking hilft, Antworten auf bestehende Fragen zu entwickeln. Lösungen sollten sich konsequent an den Kundenbedürfnissen orientieren, die subjektiv und emotional sein können. Der Design Thinking-Prozess folgt dabei einem sehr strukturierten Ablauf und erfolgt iterativ, das heisst wiederholt in Schlaufen – bis vor allem potenzielle Kunden zufrieden sind. Erst dann geht es in die Umsetzung. Der Design Thinking-Prozess5 gliedert sich in sechs Phasen mit verschiedenen Ergebnissen, die hier in aller Kürze skizziert werden: 1. Verstehen: Themenpool und Projektplan sind erstellt. 2. Beobachten: Beobachtungsund Interviewprotokolle von Nutzern und Experten sind vorhanden; Testprotokolle bestehender Lösungen liegen vor. 3. Synthese: User Journey und Kundenbedürfnisse sind klar. 4. Ideengenerierung: Strukturierte und bewertete Ideen zur Bedürfniserfüllung sind vorhanden. 5. Prototyping: Prototypen in unterschiedlichen Ausführungen liegen vor. 6. Testen: Test- und Feedback protokolle von Nutzerinnen und Nutzern liegt vor. Beschreibung des Produkts, der Dienstleistung, des Prozesses, des Geschäfts modells anhand verschiedener Kriterien liegt vor. Bevor der Innovationsprozess mittels Design Thinking beginnt und Unternehmen
Stärken und Schwächen von Querdenkenden.
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Schweizer Franken quantifizieren können. So überzeugen sie auf verschiedenen Ebenen und können final aus der Krise helfen. ANMERKUNGEN
Über den Rand zu schauen lohnt sich.
Lösungen generieren möchten, muss gefragt werden: Wer macht mit? Das ist keine einfache Frage, denn Innovation geht mit Kreativität einher 6 – aber welche Personen sind kreativ oder können andere Sichtweisen einnehmen und sollten eigentlich am Design-Thinking-Prozess teilnehmen, damit dieser ein voller Erfolg wird? Es sind die Querdenkerinnen und Querdenker, die nun gefragt sind.
ANDERS DENKEN, TRANSFORMIEREN Ein Querdenker denkt (a) eigenständig, (b) originell und oft werden dessen Ideen und Ansichten (c) nicht verstanden oder akzeptiert. Dabei ist Querdenken laut Weltwirtschaftsforum dringend notwendig und eine der Top-Fähigkeiten in der Zukunft 7. Aber da präzise Kriterien bislang fehlen und sich deshalb solche Querdenker in Unternehmen nicht zielsicher identifizieren lassen, gingen wir an der FFHS mithilfe von semistrukturierten Experteninterviews mit Innovationsexperten und -expertinnen (mittleren und oberen Managements aus unterschiedlichen Branchen) verschiedenen Fragen nach und führten eine Anforderungsanalyse8 durch. Im Rahmen der Analyse wurde auf Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensweisen von Querdenkern, ihren Stärken und Schwächen sowie die beste Passung zu den verschiedenen Phasen des Design-Thinking-Prozesses geachtet. Die Resultate zeigen, dass Querdenkende vor allem als «eigenständig», «Entdecker» und «kreativ» beschrieben werden. Durch das sogenannte Out-of-the-boxDenken fallen sie besonders positiv auf und
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können in fast allen Innovationsphasen eingesetzt werden. Spezifisch in der Phase der Ideengenerierung kommt der Querdenker voll zum Einsatz und ist unverzichtbar. Er oder sie besitzt die Fähigkeit, komplexe Frage- und Problemstellungen rasch zu erkennen, die Ideen – auch der anderen Projektmitglieder – aufzuwerten oder so weit zu verbinden, dass Ideen noch wettbewerbsfähiger werden. Strukturiertes Zusammentragen von Informationen oder administrative Aufgaben sind nicht die Stärken des Querdenkers.
1. Dachs, B. & Peters, B. (2020, April). Covid-19-Krise und die erwarteten Auswirkungen auf F&E in Unternehmen. ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. http://ftp.zew.de/pub/zew-docs/ policybrief/de/pb02-20.pdf 2. Accenture (2015). «Improving Customer Experience Is Top Business Priority for Companies Pursuing Digital Transformation, According to Accenture Study» news release, https://newsroom.accenture.com/news/ improving-customer-experience-is-top-business-priorityfor-companies-pursuing-digital-transformation-accordingto-accenture-study.htm. 3. SRF. (2020, 14. April). Tagesschau berichtet über E-Learning an der FFHS. https://www.youtube.com/ watch?v=Nyy3PBqc79k 4. Tucker, C. (2020, 8. Mai). Zehn innovative coronavirus solutions created during online hackathons. www.eu-startups.com/2020/05/10-innovative-coronavirussolutions-created-during-online-hackathons/. www.eu-startups.com/2020/05/10-innovativecoronavirus-solutions-created-during-online-hackathons 5. Leifer, L., Meinel, C., & Plattner, H. (2011). Design Thinking Research. 6. Rank, J., Pace, V. L., & Frese, M. (2004). Three avenues for future research on creativity, innovation, and initiative. Applied psychology, 53(4), 518-528. 7. Whiting, K. (2019, 18. April). 5 things you need to know about creativity. www.weforum.org. www.weforum.org/agenda/2019/04/5-things-you-needto-know-about-creativity 8. Flanagan, J. C. (1954). The critical incident technique. Psychological Bulletin, 51, 327–358.
UNRUHESTIFTER MIT MEHRWERT Querdenker stossen Transformation und Innovation an – und können damit schliesslich Umsatz in Krisenzeiten oder in der Post-Krise gewährleisten. Schwierig ist, dass Querdenker bisweilen als Querulanten gelten. Allzu oft hat man in Unternehmen Angst vor Querdenkern. Auch und vor allem in höheren Hierarchiestufen. Denn neue Ideen können bedrohlich sein, weil man sich bewegen und verändern muss. Deshalb benötigt Querdenken unbedingt eine innovationsförderliche Kultur – und kein militärisches «Ist so, weil ist so». Sonst kündigen Querdenker irgendwann innerlich, weil sie nicht gehört werden. Sinnvoll ist es, wenn Unternehmen Stellen für Querdenkende oder ganze Bereiche respektive Gefässe schaffen, in denen Querdenken wirklich erwünscht ist. Querdenker müssen ihrerseits allerdings in der Lage sein, ihr berufliches Umfeld in ihre Ideen einzubeziehen, sonst gelten sie als reine «Unruhestifter». Querdenkerinnen und Querdenker müssen daher den Mehrwert ihrer Ideen aufzeigen und diesen im Optimalfall in
DR. PHIL. TOBIAS HEILMANN trainiert und berät Unternehmen in den Bereichen Führung, Transformation und Kultur in Strategie und Umsetzung. Er ist Wirtschaftspsychologe, Studiengangsleiter MAS Wirtschafts psychologie an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) und Dozent, ebenso Geschäftsführer bei campaignfit.
KEVIN ARMAN MSc Innovation Management (FFHS) ist Global Key Account Manager bei Swiss International Air Lines. www.ffhs.ch
Ruf Lanz
Wie sich gewisse Politiker in den sozialen Medien präsentieren: ein Thema für persönlich und persoenlich.com.
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WORKANYWHERE: MIT FLEXIBILITÄT ZUM ZIEL ZUNEHMENDE MOBILITÄT IM ARBEITSALLTAG von David Lauchenauer
Seit einigen Jahren zeichnen sich in der Schweiz zwei Trends für ein modernes Arbeiten ab: zum einen die zunehmende Mobilität der Schweizer Bevölkerung, zum anderen die schrittweise Arbeitsflexibilisierung. Beide Entwicklungen haben in Zeiten von Covid-19 geholfen, das Geschäft vieler Unternehmen am Laufen zu halten. Vor allem grosse Konzerne wie Swisscom oder SBB profitieren bereits von dem «WorkAnywhere»-Ansatz.
Mit dem Home Office wird die Arbeit mit veränderten Lebensumständen verbunden.
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leinere und mittlere Unternehmen (KMU) sind hingegen noch zögerlich. Das kann auf der einen Seite an der mangelnden Zeit liegen, die technologische und kulturelle Basis zu schaffen. Auf der anderen Seite an der Gewohnheit und dem drohenden Kontrollverlust. Dabei entgehen vor allem kleineren Firmen viele Chancen. Denn Mobilität kann mehr, als nur die Art und Weise unserer Arbeit zu verändern – sie schafft es auch, das Image als Unternehmen und als Arbeitgeber zu verbessern sowie das Geschäft voranzutreiben.
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ZEITGEMÄSSE TECHNOLOGIE FÜR OPTIMALE ZUSAMMENARBEIT Mobile Anwendungen und Endgeräte erlauben auch unterwegs den Zugriff auf alle relevanten Daten. Diese lassen sich zum Beispiel über ein Enterprise-ResourcePlanning-System (ERP) aus der Cloud jederzeit und überall zur Verfügung stellen. Vor allem für Mitarbeiter aus dem Aussendienst, die Zugriff auf alle Unternehmens- und Kundendaten benötigen, ist das von Vorteil. Sie können ihre Kataloge zu Hause lassen und nun mit dem Tablet in das Gespräch mit Kunden oder Interessenten gehen.
Das birgt vielfältige Vorteile. Der erste Eindruck zählt: Im 21. Jahrhundert ausschliesslich auf Print zu setzen, ist weder zeitgemäss noch ökologisch nachhaltig. Mit digitalen Präsentationen, Konfigurationen und Bestellungen zeigt ein Unternehmen, dass es im Sinne des Kunden aktuelle Technologie verwendet und schnelle Prozesse gewährleistet. Das kann sich auch auf das Beratungserlebnis auswirken. Durch die gemeinsame Arbeit am Tablet wird die Zusammenarbeit stärker. Der Aussendienstler kann sich vor
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wegs Einsätze planen, Material bestellen und Aufträge ausführen. Auch Logistikabläufe sind mit Daten aus der Cloud und mobilen Geräten optimierbar. Von der Warenbereitstellung über die Kommissionierung bis zur Rückmeldung lassen sich alle Daten nutzen. Sowohl Schnelligkeit als auch die Prozessoptimierung können zu einer höheren Kundenzufriedenheit führen und die Kaufentscheidung positiv beeinflussen.
Mit dem richtigen Equipment lassen sich Kundengespräche flexibel gestalten.
Ort Zeit nehmen, um zu beraten, individuelle Aufträge aufzunehmen oder nach Alternativen zu suchen. Zudem reduzieren sich die Absprachen mit dem Innendienst, was wiederum mehr Zeit für den Kunden bedeutet. Dank der Echtzeitübermittlung von Daten sieht der Kunde gleich, was er bekommt – und wann. Lösungen aus der Cloud schaffen somit einen ständigen Informationsfluss zwischen Firmenzentrale und mobilen Arbeitskräften. Redundante oder veraltete Datenstände gehören der Vergangenheit an. Sowohl Kunden als auch Mitarbeitende können sich auf aktuelle, zentral gespeicherte Daten verlassen. Das spart Zeit, steigert die Qualität und erleichtert den Arbeitsalltag.
ATTRAKTIVITÄT DURCH MOBILITÄT Auch in der Schweiz ist der Kampf um Talente gross. Wer hier überzeugen will, sollte jungen Experten eine moderne Arbeitsumgebung und -kultur bieten. Beides muss in einem allgemeingültigen Mobilitätskonzept enthalten sein. Das klärt unter anderem, wann und wie von zu Hause aus gearbeitet wird, welche mobilen Digitallösungen in den Alltag integriert werden und welche Werte bei der Zusammenarbeit wichtig sind. Auf diese Weise wird Balance geschaffen: Mit dem Home Office lassen sich veränderte Lebensumstände viel besser mit der Arbeit verbinden. Ob Familienzuwachs, ein unerwarteter Pflegefall oder der Wunsch nach mehr Freizeit – durch Mobilitätsansätze finden sich individuelle Lösungen. Auch die Attraktivität der Arbeitgeber wird gesteigert und die Mitarbeiterfluktuation sinkt. Aber auch für potenzielle Bewerber sind solche Arbeitsbedingungen interes-
sant und beeinflussen die Entscheidung für einen Jobwechsel. Basis des Mobilitätskonzeptes ist eine transparente Unternehmenskultur, die sich durch Partizipation, Mitgestaltung und offenes Feedback auszeichnet. Zudem braucht es «mobiles Denken», das Mitarbeitende kontinuierlich motiviert, unterstützt und zum Austausch anregt. Für den Weg zu einer solchen Kultur gibt es keine einheitliche Route. Vielmehr sollten Entscheider ausprobieren und sich dabei von verschiedenen Fragen leiten lassen: Was ist für die Zusammenarbeit wichtig? Worauf wollen wir auch im Digitalen achten? Wie vermeiden wir «Vereinsamung» und stärken Kreativität? Darüber hinaus will die mobile Zusammenarbeit organisiert und Transparenz sichergestellt werden.
KURZE REAKTIONSZEIT TROTZ LANGER DISTANZ Dank Software aus der Cloud, die jederzeit und an jedem Ort verfügbar ist, gibt es zahlreiche neue Möglichkeiten, den Umsatz zu erhöhen. Ob im Pop-up-Store, bei Roadshows, Kongressen oder Marktständen – erst die Technologie macht das Business-to-Go möglich. Wichtig dabei: Die mobilen Lösungen müssen in die bestehenden Prozesse integriert und ein durchgängiger Datenfluss organisiert werden. Im Idealfall gibt es eine zentrale Verwaltung von Daten wie Preisen, Bildern oder Kundeninformationen in einem ERP-System. Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Mit Mobile Business lässt sich zu jeder Zeit und an jedem Ort das Geschehen kontrollieren und im Zweifelsfall sofort eingreifen. Damit verringert sich die Reaktionszeit. Gleichzeitig können Abläufe optimiert werden – zum Beispiel im Service. Hier lassen sich von unter-
Mobilität bedeutet auch, dass die Büroauslastung sinkt. Demnach brauchen Firmen nicht mehr für alle Mitarbeitenden einen festen Arbeitsplatz mit Schreibtisch, Bürostuhl oder Parkplatz. Mobile Geräte und Systeme sowie die Datenspeicherung in der Cloud erübrigen die Bereitstellung einer teuren Infrastruktur. Zudem lassen sich Tablet und Smartphone auch über den Ansatz «Bring Your Own Device» bereitstellen. Dabei nutzen Mitarbeitende ihre eigenen Geräte, was die Anschaffungskosten reduziert. Durch die Nutzung von Cloud-Software verringert sich auch der Aufwand für die IT wie Server, Desktop-Clients und Datensicherung.
WECHSELWIRKUNG VON MOBILITÄT UND KULTUR Ob Marken-Image, Attraktivität als Arbeitgeber oder Impulse für das eigene Geschäft – Mobilität bietet zahlreiche Möglichkeiten. Gerade kleine und mittlere Unternehmen können davon profitieren und auf unterschiedlichen Ebenen einen grossen Schritt nach vorne gehen. Dabei empfiehlt es sich, zuerst mit der Kultur zu starten: Sie muss die Basis für alle folgenden Veränderungen sein. Ist das «mobile Denken» über alle Bereiche und Ebenen hinweg verankert, lassen sich weitere Projekte angehen. Zentrales Element dabei ist die Einbindung der Mitarbeiter – bei allen Prozessen und Aktionen. Je mehr sie sich mit dem Unternehmen und seinen Projekten identifizieren, desto zufriedener und motivierter sind sie.
DAVID LAUCHENAUER ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Myfactory-Gruppe. www.myfactoryschweiz.ch
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
FÜHREN UND KOMMUNIZIEREN AUF DISTANZ CHANCEN UND HERAUSFORDERUNGEN DIGITALER KOMMUNIKATION von Barbara Liebermeister
Beim Führen von Mitarbeitern auf Distanz und Kommunizieren über digitale Medien zeigen viele Führungskräfte Verhaltensunsicherheiten. Dies gilt es zu beheben, wenn die digitale Kommunikation ein fester Bestandteil der Regelkommunikation wird – zum Beispiel weil mehr Mitarbeiter dauerhaft im Home Office arbeiten.
D
ie digitale Kommunikation hat im Business-Kontext durch den Coronabedingten Lockdown einen enormen Push erfahren. Führungskräfte konnten zum Beispiel plötzlich mit Mitarbeitern, aber auch Dienstleistern und Kunden, die sie zuvor regelmässig persönlich trafen, nur noch digital kommunizieren. Auch Meetings, bei denen sich zuvor alle Teil-
nehmer um einen Tisch versammelten, fanden plötzlich online statt.
ZUSAMMENARBEIT WILL KOORDINIERT SEIN
Für viele Führungskräfte bedeutete dies eine grosse Umstellung, doch absolutes Neuland betraten sie meist nicht: Denn auch in den Jahren vor dem Ausbruch der Covid-19Pandemie gewann die digitale Kommunikation bereits zunehmend an Bedeutung.
Unter anderem aus folgendem Anlass: Die Beziehungssysteme, in denen die Unternehmen ihre Leistung erbringen, wurden in den letzten Jahren immer komplexer. Gründe dafür waren die Globalisierung sowie der Ausbau der technischen Infrastruktur für moderne Informations- und Kommunikati-
Bei einer Videokonferenz kann es schwierig sein, jedem Teilnehmer genug Aufmerksamkeit zu schenken.
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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Persönliche Meetings finden tendenziell seltener statt.
onstechnologie. So sind in die Leistungserbringung heute oft nicht nur mehrere Mitarbeiter und Kollegen an anderen Standorten, sondern auch externe Dienstleister involviert. Es gilt, die Zusammenarbeit zu koordinieren. Darüber hinaus soll die hierarchieübergreifende, aber auch die bereichsübergreifende Zusammenarbeit verbessert werden. Auch dies erhöht den Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf, der oft nur digital bedient werden kann.
CORONA WAR LEDIGLICH VERSTÄRKER Diese Entwicklung wird sich fortsetzen – unabhängig davon, ob das Corona-Virus irgendwann wieder aus unserem Leben verschwindet oder nicht. Darauf weisen alle Entwicklungen hin, die im Zusammenhang mit solchen Schlagworten wie «Industrie 4.0» und «Digitalisierung der Wirtschaft», aber auch «New Work» diskutiert werden. Je bedeutsamer aber die digitale Kommunikation für ein erfolgreiches Wahrnehmen der Führungsaufgaben wird, umso wichtiger wird es, dass Führungskräfte wissen, inwiefern sich die digitale von der persönlichen Face-to-face-Kommunikation unterscheidet.
Dazu sollte man sich zunächst vor Augen führen, was die Kernaufgabe einer Führungskraft ist: Eine Führungskraft muss ihr Umfeld so gestalten, dass alle an der Leistungserbringung beteiligten Personen in ihrem Arbeitsalltag die Entscheidungen treffen, die für die Zielerreichung nötig sind. Das heisst wiederum, eine Führungskraft muss die gewünschten Wirkungen in ihrem Umfeld erzielen. Sie muss sozusagen ein wirksamer Influencer in ihm sein. Nur dann ist sie eine echte Führungs-Kraft.
KERNFRAGE: WIE ERZIELE ICH DIE GEWÜNSCHTE WIRKUNG? In der klassischen Führungssituation, bei der die Führungskraft und ihre Mitarbeiter sich regelmässig sehen, ist dies den Führungskräften bewusst. In ihr haben sie meist verinnerlicht, dass man Mitarbeitern ein kritisches Feedback nicht vor der versammelten Mannschaft, sondern im VierAugen-Gespräch gibt – selbst wenn sie speziell in Stresssituationen zuweilen ein anderes Verhalten zeigen. Sie haben zudem verinnerlicht, dass sie, wenn sie von einem Mitarbeiter Mehrarbeit wünschen oder ihm komplexe Zusatzaufgaben übertragen möchten, dies möglichst nicht per Mail tun sollten. Vielmehr sollten sie zum
Beispiel sein Büro aufsuchen oder zum Telefonhörer greifen, um ihm die Botschaft mitzuteilen. Anders verhält es sich, wenn eine analoge Mensch-zu-Mensch-Kommunikation nur eingeschränkt möglich ist – sei es, weil die Mitarbeiter im Home Office arbeiten oder ihre Büros an einem anderen Standort haben. Dann zeigen viele Führungskräfte Verhaltensunsicherheiten oder sie reflektieren nicht ausreichend, bevor sie Kontakt aufnehmen.
FLEXIBLE KOMMUNIKATION So macht es zum Beispiel einen grossen Unterschied, ob eine Führungskraft einen Mitarbeiter, wenn sie ihn im Regelbetrieb zufällig auf dem Flur trifft, beiläufig mit einem freundlichen Lächeln fragt: «Na, Herr Müller, wie läuft’s? Alles klar?» oder ob sie ihm, wenn er im Home Office arbeitet, eine Mail mit demselben Text sendet. Im ersten Fall wird dies in der Regel als Ausdruck eines persönlichen Interesses interpretiert, im zweiten Fall nicht selten als Kontrolle oder Ausdruck eines mangelnden Vertrauens empfunden, denn: Die Person beziehungsweise der Adressat ist zwar dieselbe, doch die Situation ist eine andere. Das machen sich viele Führungskräfte,
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Saulus zum Paulus. Während sie zuvor erklärte Gegner dieser Kommunikationsform waren, dachten sie nun, alles könne nun per Video Call oder -konferenz kommuniziert werden. Dies ist nicht der Fall. Bei der Videokommunikation ist und bleibt die Wahrnehmung reduziert, und bei Videokonferenzen fallen schnell einzelne Teilnehmer unter den Tisch.
auch Verfechter eines situativen Führungsstils, bei der digitalen Kommunikation nicht ausreichend bewusst. Dass viele Führungskräfte bei der digitalen Kommunikation noch unsicher sind, zeigte sich in der Lockdown-Phase auch häufig in den Videokonferenzen mit ihren Mitarbeitern. Bei ihnen hatten die Mitarbeiter nicht selten den Eindruck: Unsere Führungskräfte sind schlechter vorbereitet als bei normalen Meetings und diese verlaufen unstrukturierter. Ob dies real der Fall war oder von den Teilnehmern aufgrund des Mediums nur so wahrgenommen wurde, darüber kann man streiten. Zudem registrierte ich, wenn ich als Moderator oder Gast an solchen Meetings teilnahm, oft mehrere Dinge: Die Führungskräfte loggen sich als letzte Teilnehmer und nicht selten gar mit einer genuschelten Begründung einige Minuten verspätet ein. Oftmals tragen sie, wenn sie selbst «Homeworker» sind, eine legere Freizeitkleidung statt des gewohnten BusinessLook und hängen nicht selten schlaff auf ihrem Stuhl. Im Hintergrund steht häufig ein Sofa und an der Wand hängt zum Beispiel ein Strandbild mit Palmen.
digitale Kommunikation existieren wie zum Beispiel: Wer etwas sagen möchte, quatscht nicht einfach dazwischen; er wartet vielmehr, bis ihm das Wort erteilt wird. In der Phase nach dem Corona-bedingten Lockdown, in der in den Unternehmen vieles einen provisorischen Charakter hatte, waren solche Defizite tolerierbar. Wenn die digitale Kommunikation aber zur Regelkommunikation oder ein Teil von ihr wird, sollten auch für sie Qualitätsstandards und Regularien entwickelt werden. Zudem müssen die Führungskräfte – aber auch Projektmanager und Key-Accounter – darin geschult werden, wie sie auch in der digitalen oder hybriden Kommunikation, bei der sie die Kommunikationskanäle situationsabhängig wählen, die gewünschte Wirkung erzielen.
DIGITALE BEZIEHUNGSARBEIT
DIGITALE KOMMUNIKATION ERFORDERT REGELN
Dabei sollte als Faustregel gelten: Je digitaler die Kommunikation, umso mehr Zeit sollten die Führungskräfte in die Beziehungsarbeit investieren. Beispielsweise indem sie ihre Mitarbeiter auch mal anrufen und mit ihnen bewusst nicht über die Arbeit schnacken. US-amerikanische und skandinavische Unternehmen organisieren häufig auch virtuelle Teamevents, bei denen die Teilnehmer gemeinsam einen Film schauen oder einen Umtrunk machen, weil sie wissen: Sonst geht schnell der Teamspirit verloren.
Das registrierten selbstverständlich auch die Mitarbeiter und davon ging gewiss nicht die Botschaft aus, welche die Führungskräfte transportieren wollten: «Wir arbeiten nun zwar im Home Office, doch ansonsten gilt: Business as usual.» Unverkennbar war zudem oft, dass keine Verhaltensregeln für die
Generell stellte man in der Corona-Zeit fest: Viele Führungskräfte waren überrascht, dass man bei einer Videokonferenz deutlich mehr als erwartet von seinem jeweiligen Gegenüber wahrnimmt. Nicht wenige wandelten sich deshalb vom
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Neue Kommunikationsrituale entwickeln Deshalb hat es sich speziell bei einer grösseren Teilnehmerzahl bewährt, dass auf dem Tisch der Führungskraft eine Liste mit den Teilnehmernamen liegt, auf der sie abhaken kann, wen sie schon persönlich angesprochen hat. Zudem ist es nach Videokonferenzen oft sinnvoll und nötig, einzelne Teilnehmer anzurufen und sie persönlich zu fragen: «Wie geht es Ihnen nach dem Meeting? Können Sie mit der Entscheidung leben? Was wünschen Sie sich von mir, um …?» Solche Calls sind, sofern die Kommunikation primär digital erfolgt, nötig, damit besonders bei grösseren Projekten kein Teammitglied emotional verloren geht. Die Bedeutung des Telefons als Kommunikationsmittel auf Distanz sollte man ohnehin nicht unterschätzen, zumal dieses gerade bei Personen, die einen grossen Teil ihrer Arbeitszeit am PC verbringen, einen entscheidenden Vorzug hat: Bei einem Telefonat können Sie das Telefon in die Hand nehmen und mit ihm im Raum spazieren gehen. Bei einem Video Call hingegen müssen Sie die ganze Zeit auf Ihrem Stuhl vor dem Monitor sitzen. Auch auf solche Aspekte sollte man beim Führen von Mitarbeitern auf Distanz achten, zumindest wenn man als Führungskraft Wirkung erzielen und somit ein «Influencer» des Unternehmenserfolgs sein möchte.
BARBARA LIEBERMEISTER ist Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt. www.ifidz.de
KOLUMNE
BERATERSPRECHQUATSCH von Rolf Gruber
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erater haben eine eigene Sprache. Diese Sprache hat die Eigenschaft, einfach Verständliches in Sprechquatsch umzuwandeln. Meist sind es Anglizismen, welche wortreich vorgetragen, das Up-to-Date-Sein der Berater demonstrieren sollen. Es handelt sich um Idiotismen – um Begriffe, die nichts Neues, sondern nur das beinhalten, was Unternehmer bereits wissen. Hier sind zwei «Alter Wein in neuen Schläuchen» Beispiele – und zwei Tipps, wie wir ihnen begegnen können. Besonders beliebt sind heute ProjektWorth ülsen wie «Costomer Journey» oder «Design Thinking». Bei dem Begriff «Costomer Journey» handelt es sich einfach um Kundenführung. Es geht darum, dass sich der Kunde vom ersten Kontakt über Beratung, Fragen, Kauf, Nutzung, Entsorgung bis zu weiteren Käufen, Empfehlungen und Erlebnissen mit dem Unternehmen, das er ausgesucht hat, gut fühlt. Kundenführung bedeutet somit, an jedem Berührungspunkt, den Zielpersonen mit einem Unternehmen haben, positive Erfahrungen zu schaffen. Interessante Kontaktpunkte sind zum Beispiel Offerten, welche es verkauforientiert zu gestalten gilt, sodass diese zu einem bevorzugten Leseobjekt für Wunschkunden werden, wenn es um die Vergabe eines wichtigen Auftrages geht, oder unangenehme Kundenreklamationen, die zur Behandlung anstehen und über zwei bis drei interne Stationen gehandhabt werden müssen. Jeder gute Unternehmer kennt dies und weiss somit, was Kundenführung bedeutet. Und die besten von ihnen machen in ihrem Unternehmen klar, welche Berührungspunkte bei ihren Ansprechgruppen verbindend zu Ihren Aktivitäten sind. Und vor allem richten sie an allen wichtigen Kontaktpunkten ein Radarsystem ein, welches nicht nur positive, sondern, vor allem auch, negative Rückmeldungen liefert, und handeln dementsprechend. Wer Ihnen also den Begriff «Costomer Journey» auftischt, vernebelt nur die Sinne der Anwesenden. Dies schon deshalb, weil die Verkünder dieser Botschaft, den Inhalt meist selber nicht verstehen.
rung verstanden haben. Einer der Kernpunkte der «Design Thinker» heisst «Agility». Mit anderen Worten: Diese «Leuchten der Allwissenheit» wollen Unternehmern klarmachen, dass diese ab sofort agil denken und handeln sollen – und dies natürlich Team-orientiert. Aber hallo? Für wie dumm werden denn hier Unternehmer gehalten? Unternehmer und ihre Teams sind bis jetzt die Einzigen, welche allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Widrigkeiten getrotzt haben und weiterhin trotzen werden – durch eben diese Fähigkeit zur Agilität. Sie sind diejenigen, welche immer wieder aufstehen, sich den Veränderungen stellen und immer wieder mit neuen Innovationen Neues aufbauen. Sie sind die Schultern, auf denen die Gesellschaft steht. Kurz und bündig: Nur weil Berater, welche noch nie ein Unternehmen und dessen Innovationsprozesse geführt haben, Ihnen erzählen wollen, dass es heute opportun sei, agil und Menschen-zentriert zu arbeiten, heisst dies noch lange nicht, dass Sie auf deren Worthülsen hereinfallen sollten. Deshalb mein Tipp Nummer eins, solchen Idiotismen zu begegnen: Hören Sie nicht auf diesen Quatsch. Lassen Sie sich nichts vormachen. Denn alles, was in solchen Begriffen versteckt ist, wissen Sie schon längst. Und mein Tipp Nummer zwei: Fragen Sie jeden, der mit solchen Begriffen um sich wirft, nach deren Definition. Und wenn er diese nicht blitzschnell und korrekt beantworten kann, dann stellen Sie ihn stante pede1 vor die Türe.
Anmerkung 1) stante pede: auf der Stelle; lat. = stehenden Fusses – Sie können den Fuss auch bewegen
ROLF GRUBER ist Inhaber und Geschäftsführer bei Richards & Gold.
Und mit dem Begriff «Design Thinking» wollen Berater Unternehmern weismachen, dass diese bis heute nichts von Innovationsfüh-
www.richards-gold.ch
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DIGITALE KRANKENVERSORGUNG ANGEBOT UND AKZEPTANZ NEHMEN ZU von Stephan Wirz
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen hat durch die Pandemie weltweit einen kräftigen Schub erhalten. Auch in der Schweiz beschleunigt sich diese Entwicklung, neue Angebote liefern den Patienten und Versicherten viel Mehrwert. Digitale Angebote helfen bei der Überweisung aus der Ferne.
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ie Covid-19-Pandemie hat in vielen Ländern Schwachstellen im Gesundheitswesen aufgezeigt. Gleichzeitig haben diese Extremsituation und die damit einhergehenden Lockdowns dazu geführt, dass digitale Gesundheitsleistungen schlagartig eine ganz neue Wichtigkeit erhalten haben. Vor Covid-19 diente die Digitalisierung im Gesundheitsbereich vor allem der Vereinfachung von Prozessen als Instrument zur Kostensenkung und der Verbesserung des Kundenerlebnisses. Doch während des Lockdowns und des reduzierten Angebots der Spitäler und Arztpraxen wurden digitale Konsultationen und andere Gesundheitsdienstleistungen für viele Patienten plötzlich zur einzigen Möglichkeit, medizinische Hilfe und Beratung zu erhalten.
NEUE UND EFFIZIENTE MODELLE OHNE ARZTBESUCH Die spezifischen Probleme und Entwicklungen sind von Land zu Land verschieden. In China und anderen Ländern, wo sich zum Beispiel die Behandlung von Krebspatienten auf wenige grosse Zentren beschränkt, gab es ausserhalb der grossen Städte keinen Zugang zu Behandlungen und Medikamenten. Regierungen und Pharmaunternehmen arbeiten dort nun mit Hochdruck daran, für Ärzte und Patienten digitale Angebote zu entwickeln, damit Ärzte auch in abgelegenen Gebieten komplexe Behandlungen vornehmen können. Solche «Remote-Lösungen» werden auch in Ländern mit hoch entwickelten Gesundheitssystemen angestrebt; digitale und kostengünstige Gesundheitsberatung und -versorgung ist weltweit ein immer stärkerer Trend.
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Auch in der Schweiz war der Zugang zu Spitälern und Ärzten während des Lockdowns begrenzt. Die Anzahl der Telefon- und Videoberatungen ist in die Höhe geschnellt. Während Telefonmodelle vor einigen Jahren noch eher verpönt waren, nutzen nun immer mehr Patienten digitale Angebote. Beim Telefonmodell beispielsweise verpflichtet sich der Versicherte, vor dem Arztbesuch per Telefon eine medizinische Beratungsstelle zu kontaktieren, was den Arztbesuch in manchen Fällen überflüssig macht. Im Gegenzug zahlt er niedrigere Krankenkassenprämien. Patienten gehen heute nicht mehr systematisch zum Hausarzt, sondern suchen vermehrt MedixZentren (Gruppenpraxen) auf oder wählen ein Telefon- oder Apothekenmodell. Diese Dienstleistungen wurden in den letzten Jahren stark ausgebaut. Allgemein erfordern Bagatelluntersuchungen nicht zwingend einen Arztbesuch und einfache Überweisungen funktionieren auch per Videoberatung.
DIAGNOSE UND DATENAUSTAUSCH PER APP? Die Digitalisierung bietet in Sachen Diagnose von «einfacheren» Krankheiten grosses Potenzial. Verschiedene Krankenkassen sind dabei, zusammen mit entsprechenden Technologieunternehmen Geräte zu entwickeln, die eine einfache Messung verschiedener Werte ermöglichen. Instrumente, die der Patient an die Stirn halten kann, um die Temperatur zu messen, und Blutzuckermessgeräte sowie Diagnosegeräte für Entzündungen werden rasch weiterentwickelt und vereinfacht. Unzäh-
lige Personen, auch gesunde, tragen Uhren, welche die Herzfrequenz, den Blutdruck und den Sauerstoffgehalt im Blut messen. Herzrhythmusstörungen und andere Anomalien können sofort erkannt und bei Wunsch direkt an den Arzt übermittelt werden. Gerade auch ältere Patienten mit Gesundheitsproblemen können so «rund um die Uhr» überwacht werden, auch wenn sie noch zu Hause wohnen. Die Vorteile dieser neuen Anwendungen sind unbestritten. Zentral ist, dass solche Technologien und Geräte einfach zu bedienen sind – und dass der Datenschutz in jedem Fall gewährleistet ist. Je mehr Daten der Forschung zur Verfügung stehen, desto bessere Medikamente und Behandlungen können entwickelt werden, wie auch die aktuelle Suche nach einem Covid-19-Impfstoff zeigt. Doch beim Verkauf und der Auswertung von Gesundheitsdaten von beispielsweise AppleGeräten stellen sich verschiedene, nicht zuletzt ethische Fragen – und ob die Patienten und Nutzer solcher Geräte und Apps wirklich wissen, was mit ihren Daten geschieht. Davon zeugt in der Schweiz auch die Diskussion rund um die eHealth-Strategie und das elektronische Patientendossier. Mit der «Strategie eHealth Schweiz 2.0» wollen Bund und Kantone erreichen, dass von allen Einwohnern der Schweiz eine digitalisierte Krankengeschichte abrufbar wird. Im Mittelpunkt steht dabei das elektronische Patientendossier, das Spitäler, Pflegeheime und andere Anbieter von Gesundheitsleis-
MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Die Pandemie hat der digitalen Krankenversorgung einen kräftigen Schub verliehen und die Akzeptanz in der Bevölkerung für digitale Konsultationen und Dienstleistungen ist deutlich gestiegen. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen, entsprechende Modelle werden auch durch finanzielle Anreize gefördert. Viele Krankenkassen sind parat – und auch ihre erfolgreiche Umstellung auf Home Office verlief rasant und meist reibungslos. Das ist eine positive Entwicklung. Kosten können eingespart und Abläufe effizienter gestaltet werden. Zu bemerken ist allerdings, dass im Einzelfall gewisse Fehler oder Probleme, die ein Mitarbeiter erkennen würde, im automatisierten Workflow untergehen und zu suboptimalen Lösungen führen können. Die Schweiz steht in puncto Digitalisierung im internationalen Vergleich sehr gut da. Zudem ist sie – vor allem die Region Basel – weltweit führend in der Entwicklung von neuen Medikamenten und Life-Science-Anwendungen. Das Schweizer Medtech-Ökosystem ist gross und dynamisch, und es zeichnet sich durch viele hoch interessante Start-ups aus. Diese Entwicklung wird einerseits durch die Nähe zu den traditionellen Pharmariesen begünstigt, die das Know-how und viele hoch qualifizierte Arbeitskräfte liefern. Andererseits gehen viele Jungunternehmen aus dem universitären Umfeld hervor, wo Hochtechnologie erforscht und geschaffen wird. Digitale Gesundheitsleistungen könnten in Zukunft Bagatelluntersuchungen beim Arzt überflüssig machen.
tungen seit diesem Frühjahr allen Patienten anbieten müssen. Für Praxisärzte und Patienten ist die Datenerfassung zurzeit noch freiwillig wegen grossen Widerstands des Berufsverbands der Schweizer Ärzte FMH. Durch das Sammeln der Daten sollen die Gesundheitsleistungen verbessert, Doppelspurigkeiten vermieden und Kosten gesenkt werden. Das Thema Datenschutz ist aber noch nicht zufriedenstellend gelöst.
MEDIZIN UND ADMINISTRATION DIGITALISIEREN Einerseits ist das Ziel neuer Versicherungsmodelle und digitaler Angebote, die Notaufnahmen von Bagatellfällen freizuhalten und den Zugang zu Spezialisten nur wenn medizinisch notwendig zuzu-
lassen. Andererseits sollen die Interaktionen zwischen den einzelnen Dienstleistungserbringern besser koordiniert und somit auch Kosten gespart werden. Auf rein administrativer Seite ist die Digitalisierung schon fortgeschritten, obschon es bei den einzelnen Krankenversicherern diesbezüglich noch grosse Unterschiede gibt. Bei fast jeder Krankenkasse ist es inzwischen möglich, Rechnungen, Arztzeugnisse und Anträge elektronisch oder per App abzuwickeln. Seit Covid-19 werden Versicherungsanträge fast ausschliesslich online abgewickelt; Aufnahmeentscheide erfolgen teilweise schon Minuten später. Der Mehrwert solcher Lösungen ist für die Patienten und Versicherten klar erkennbar.
Das Schweizer Gesundheitssystem ist nicht nur aus Kostengründen gefordert, die Digitalisierung voranzutreiben und das entsprechende Angebot auszubauen. Es muss von den innovativen digitalen Möglichkeiten auch Gebrauch machen, um den sich verändernden Ansprüchen der Versicherten und Patienten gerecht zu werden.
STEPHAN WIRZ ist Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG. www.maklerzentrum.ch
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© Naturpark Gantrisch
MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Das Wahrzeichen der Region, die Gantrischkette.
«ENTWEDER MAN MACHT ODER MAN GEHT EIN» ARMIN FUCHS – VOM VERDINGBUB ZUM UNTERNEHMER von Urs Huebscher
In der Region Saanenland ist der 72-jährige Armin Fuchs ein bekanntes Gesicht. Der Erfinder des Kletterbaums für Kinder, Gründer des erfolgreichen Spielplatz-Zubehör-Herstellers Fuchs Thun AG, FC-Thun-Fan und Mäzen, ist des Unternehmens aber noch nicht müde.
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er Erfolg seiner Produkte gründet auf der grenzenlosen Energie von Armin Fuchs, die beinahe eine physische Präsenz im Raum einnimmt. Und von dieser Energie investiert der Pensionär viel in seine Region. Mit 60 hat er sich frühpensionieren lassen, sein Unternehmen Fuchs Thun AG im Jahr 2007 seinem Sohn übergeben. Das Unternehmen entwirft und produziert seit über 40 Jahren Spielplatzgeräte mit heute 40 Mitarbeitern. Darunter Rutschbahnen, Netzkletteranlagen, Federgeräte, Wippen, Balanciergeräte und komplette Spielplätze, wie sie überall auf der ganzen Welt anzutreffen sind.
SPORT ALS WICHTIGER BESTANDTEIL DES ALLTAGS Seine unermüdliche Energie führt er auf den Sport zurück. Als aktiver Fussballer in den 70er-Jahren beim FC Fortuna Thun, danach sogar als Präsident des Vereins.
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Diese Leidenschaft für Fussball und Sport im Allgemeinen hat er nie verloren, obwohl er sich dazwischen um andere Dinge wie den Aufbau seiner Firma kümmern musste. «Eine gute Kondition ist entscheidend, um sich seine Selbstständigkeit zu bewahren», so Armin Fuchs, der schon sein Leben lang selbstständig gewesen ist. Damit musste er schon früh anfangen: Keine einfache Zeit war seine Kindheit. Mit sechs Jahren wurde er Verdingbub und war ab da auf sich gestellt. Auf diese Vergangenheit zwischen seinem sechsten und 16. Lebensjahr blickt er schwermütig zurück. Diese erzwungene Selbstständigkeit seiner Kindheit hat ihn aber eine wichtige Lektion gelehrt: «Entweder man macht oder man geht ein.» Irgendwann hat sein Sohn und FirmenNachfolger zwei Saisonkarten für die Spiele
des FC Thun gekauft, damit sie zusammen mal etwas Abwechslung haben vom Geschäftsalltag. Mittlerweile schaut sich Fuchs als grosser Fan jedes Heimspiel an und engagiert sich aktiv als Mäzen für den Verein. Als der Verein Geldgeber suchte, kam ihm die Idee, Fans aus der Region Saanenland an die Spiele zu bringen. Als ehemaliger Verkäufer wusste er natürlich, dass dies kein leichtes Unterfangen werden wird. Doch Fuchs wäre nicht Fuchs, wenn er nicht VIP-Tickets organisiert hätte: Er lud andere Unternehmer zu den Spielen ein und damit verdiente der Club und Fuchs konnte Networking betreiben. So entstanden Spenden für den FC Thun. Mit dieser Aktion half er nicht nur dem Verein, es entstanden neue Beziehungen und Freundschaften, welche sich dann auch auf seine Unternehmertätigkeit auswirkte: «Man muss ein Netzwerk bauen und eine Gegenleistung bieten.» Fuchs gründete die Gruppe
© Fuchs Thun AG
MENSCHEN IN UNTERNEHMEN
Armin Fuchs gilt als Erfinder des «Drehbaren Kletterbaums», der seit 1983 in Thun hergestellt wird.
«Freunde FC Thun Saanenland» und richtete ein Konto ein, bei dem jeder so viel einzahlen konnte, wie er wollte, davon bezahlte er die Saison-Abos. Die Idee kam gut an: Sehr viele Firmeninhaber und Angestellte folgten dem Ruf von Armin Fuchs und konnten so ein erfolgreiches Networking während der Fussballspiele betreiben.
DES UNTERNEHMENS NOCH NICHT MÜDE Armin Fuchs scheut weder Kosten noch Mühen, um die Region zu unterstützen, in der er seit Jahren «Kraft tankt», wie er selbst sagt. Seit langer Zeit engagiert er sich ehrenamtlich für Projekte und Produkte aus dem Gurnigelgebiet, hat sogar einen Teil seiner Ersparnisse investiert. Sein Hauptantrieb sei dabei der Frust, sagt er schmunzelnd – der Frust, wenn niemand sonst sinnvolle Ideen für die Förderung der Region realisiert. Sein Vorgehen dabei darf man getrost als unkonventionell bezeichnen. Neben einem Panoramaweg am Gantrisch gehen auch die Guggershörnli-Teigwaren auf sein Konto. Dabei verdient er selbst nichts an den Hörnli, es geht allein darum, etwas für die Region zu tun. Die Motivation, sich für die Region Gantrisch einzusetzen, ist simpel: Es ist die gute Luft, die es dort oben hat. «Während über 20 Jahren habe ich am Wochenende dank Luft und Aussicht Kraft tanken können», sagt der Unternehmer. «Nun gebe ich etwas zurück.» Dabei beweist er ein glückliches Händchen: Neben der Instandstellung des GantrischPanoramawegs lässt er die bekannten Guggershörnli produzieren, Teigwaren in der Form des Guggershorns. Seit 2012 ist das 400 Quadratkilometer umfassende Gebiet im Regionalen Naturpark Gantrisch als Regionaler Naturpark zerti-
fiziert. Jahrzehntelang war der Wanderweg vom Gurnigel via Selibühl, Schüpfenfluh, Gägger, Pfyffe, Horbühlpass, Hällstett bis ins freiburgische Zollhaus wohl begehbar, aber einige Wegabschnitte vor allem für ältere Wanderbegeisterte und Familien mit Kindern kaum mehr passierbar. Armin Fuchs setzte sich 2006 zum Ziel, diesen wunderbaren Wanderweg über die gesamte Länge von circa 18 Kilometern nach den Vorstellungen und Ideen vieler Wanderfreunde zu sanieren und für die Region Gantrisch bekannt zu machen. Losgelöst von Regionsverbänden und Planungsgruppen machte sich eine Arbeitsgruppe um den umtriebigen Unternehmer daran, unentgeltlich Konzepte für die Sanierung auszuarbeiten, die einigen Sponsoren und Helfern gefielen, und so mit dem nötigen Startkapital und einigem Rohmaterial den Baustart zu ermöglichen. Die Sanierungsarbeiten wurden durch viele Einzelpersonen, kleinere und grössere Teams von Firmen und Institutionen unterstützt, sodass der GantrischPanoramaweg im Jahr 2008 von Zollhaus bis Gurnigelbad den Standortgemeinden übergeben werden konnte.
GUGGERSHÖRNLI FÜR PARKBESUCHER Eine Wanderung aufs Guggershörnli ist eine mystische Erfahrung. Vor allem während der letzten Höhenmeter auf der steilen, aber gut gesicherten Holztreppe, die geradewegs in den Himmel zu führen scheint. Dieses Panorama hat schon «Vreneli ab em Guggisberg» gefallen. Die Besucher des Gurnigelgebietes müssen zwar Parkplatzgebühren bezahlen, im Gegenzug erhalten sie aber eine Packung Guggershörnli-Teigwaren. Eigentlich naheliegend, den Namen «Guggershörnli» für Teigwaren zu benutzen. Aber da musste man ja erst mal draufkommen und
dann ging es darum, den «Hörnli» auch eine etwas spezielle Form zu geben, die sich von den Massenprodukten abhebt. Die Drei-Eier-Teigwaren – hergestellt mit Hartweizengriess, Eiern aus Boden- und Freilandhaltung sowie mit reinem Bergquellwasser – haben nicht nur den Namen, sondern auch ihre Form vom bekannten Guggershörnli bekommen und niemand anders als Armin Fuchs steckt dahinter. Unterstützt wird die Aktion von der Gantrisch Plus AG sowie zahlreichen Gastrobetrieben in der Region. Mit der Aktion will man den Besuchern für ihren Besuch in der Gantrischregion Danke sagen, und diese führt auch zu einer Wertschöpfung. Der Verein Guggershörnli investiert den Erlös aus dem Verkauf immer wieder in die Region. So werden Wanderwege gebaut oder instand gestellt. Nach seinem Antrieb zu urteilen, könnte Armin Fuchs noch immer CEO eines internationalen Unternehmens sein. Er artikuliert und kommt schnell auf den Punkt. «Ich war schon immer viel beschäftigt, und das hat sich nach der Pension nicht geändert.»
URS HUEBSCHER ist Chefredaktor des Magazins IMAGINE. www.gantrisch.ch/panoramaweg www.guggershoernli.ch www.fuchsthun.ch
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GLOBAL & LOKAL
KEINE ERHOLUNG OHNE AUSSENWIRTSCHAFT STRATEGIEN FÜR DEN GLOBALEN WETTBEWERB von Simone Wyss Fedele
Mit 40 Prozent BIP-Anteil ist die Aussenwirtschaft für die Schweiz wichtig. Eine gute Position nach Covid-19 ist deshalb unerlässlich und bietet neue Chancen.1
Die Corona-Pandemie hat Auswirkungen auf den internationalen Handel.
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GLOBAL & LOKAL
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anch einer glaubt, dass eine Einschränkung der globalisierten Wirtschaft die Lösung für globale Krisen wie die Covid-Pandemie sei. Im Gegenteil: Gerade für kleine Volkswirtschaften wie die Schweiz ist es zentral, dass sich unsere Unternehmen und unser Standort im globalen Wettbewerb behaupten können. Gelingt es uns, in entscheidenden Technologien führende Firmen in der Schweiz anzusiedeln, und erobern viele unserer KMU mit hoch spezialisierten Nischenstrategien die Weltmärkte, stärkt dies den Werkplatz Schweiz und sichert Arbeitsplätze und Wohlstand. Dies im Rahmen der Schweizer Exportförderung und Standortpromotion gemeinsam mit seinen Partnern zu unterstützen, ist die Mission von Switzerland Global Enterprise (S-GE). Doch was braucht es heutzutage, um im globalen Wettbewerb die Nase vorn zu haben?
KARTEN WERDEN NEU GEMISCHT Die Corona-Pandemie hat den internationalen Handel und Konsum stark gebremst. International tätige Schweizer KMU sind von diesem Einbruch stark betroffen. Angesichts ihrer Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft ist klar: ohne Erholung der Aussenwirtschaft keine Erholung der Schweiz. Nach einer von Krisenmanagement geprägten Phase im ersten Halbjahr gilt es nun für Schweizer KMU sich neu zu orientieren, um rascher und mit einer besseren Strategie als die Konkurrenz in die Zielmärkte zurückzukehren. Eine politische Herausforderung bleiben dabei Reiserestriktionen sowie die damit einhergehende Planungsunsicherheit. Solange kein Impfstoff im breiten Einsatz ist, müssen wir jederzeit mit neuen Ausbrüchen in den Auslandsmärkten rechnen, die zu neuerlichen Grenzschliessungen oder Einreisebeschränkungen führen können. International ausgerichtete Firmen brauchen eine transparente und frühzeitige Kommunikation über die jeweiligen Etappen der Schliessung und Öffnung des Reiseverkehrs in Europa und darüber hinaus. Zeitgleich evaluieren die Firmen ihre Wertschöpfungsketten. Gerade für die Schweiz, die sich als stabiler und führender Technologie-Hub in Europa positioniert, bedeutet das eine Chance, wertschöpfungsstarke Arbeitsplätze anzuziehen. Matchentscheidend hierfür ist und bleibt allerdings der Zugang zu Schlüsselmärkten wie der EU, zu Talenten und Zukunftstechnologien so-
Die jeweilige Position auf dem Weltmarkt sichert Arbeitsplätze und Wohlstand.
wie zu einem unternehmensfreundlichen Umfeld. Dass die Schweizer Politik zielgerichtet und rasch die nötigen Rahmen bedingungen sichern kann, hat sie mit den Covid-Liquiditätskrediten gezeigt. Neu gemischte Karten bedeuten für die international tätigen Firmen, dass sich die Märkte, Kundenbedürfnisse, Partnernetzwerke und Wertschöpfungsketten fundamental verändern. Um die Nase hier vorn zu haben, unterstützt S-GE gemeinsam mit seinen Partnern Schweizer KMU mit unseren Aussenstellen in 31 Ländern und darüber hinaus: Die KMU sollen besser über die aktuelle Situation und die Chancen in den Zielmärkten informiert sein, sie sollen für den Markt(wieder)eintritt nach der Krise eine optimale Strategie haben und vor Ort die relevanten Partner- und Kundenetzwerke gezielt stärken. Zudem helfen wir ihnen dabei, die eigene globale Wertschöpfungskette effektiv und rasch auf die neuen Gegebenheiten zu adaptieren und dank unseren lokalen Teams und
virtuellen Formaten rascher zurück im Markt zu sein. Unsere Gespräche zeigen: Erhalten die Schweizer KMU den nötigen Handlungsspielraum, dann werden sie mit der nötigen Willens- und Innovationskraft auch diese Krise meistern. ANMERKUNG 1) Dieser Artikel ist erstmals in «Die Volkswirtschaft» am 19. Juni 2020 erschienen (Schwerpunkt «Globaler Wettbewerb»). In der kmuRundschau wird er mit redaktionellen Änderungen wiedergegeben.
SIMONE WYSS FEDELE ist CEO von Switzerland Global Enterprise. www.s-ge.com
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MARCOM
UMSATZEINBRUCH UND UNSICHERE ZUKUNFT? MIT VERTRIEBSGEIST UND AKTIVEM VERKAUF GEGEN DIE CORONA-KRISE von Sandra Schubert
Viele Unternehmen und Selbstständige haben in den letzten Monaten unverschuldet einen grossen Umsatzeinbruch verkraften müssen. Fast noch schlimmer wiegt die unsichere Zukunft – das drückt nicht nur auf die Psyche, sondern auch auf den Unternehmer- und Vertriebsgeist.
Zurückhaltende Konsumhaltung mit Eigeninitiative und Unternehmergeist überwinden.
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MARCOM
Dem Umsatzeinbruch kann aktiv entgegengewirkt werden.
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och nicht allen Branchen geht es schlecht, und am Horizont tauchen auch schon wieder gesundheitliche und wirtschaftliche Hoffnungsschimmer auf. Zeit, das Tal der Tränen zu verlassen und ins Handeln zu kommen. Denn wir haben unser persönliches und unternehmerisches Glück vor allem selbst in der Hand – das lehrt uns der sogenannte Glückskuchen aus der Positiven Psychologie.
GLÜCK IST SELBST GEMACHT! Wir Menschen haben einen genetisch bedingten Glücksfixpunkt, zu dem wir immer wieder zurückkehren. Nach extrem positiven Ereignissen genauso wie nach sehr negativen Begebnissen. Das spüren die meisten Menschen aktuell auch: Nach einer gewissen Corona-bedingten Schockstarre haben wir uns inzwischen an die Situation gewöhnt. Wir sind an vielen kleinen und grossen Herausforderungen gewachsen und haben vollkommen neue Möglichkeiten entwickelt. Diese Chancen auch weiterhin zu ergreifen, genau dazu rät uns
besagter Glückskuchen: Wie in der Abbildung zu erkennen, beeinflussen uns die äusseren Umstände «nur» zu zehn Prozent. Immerhin durch 40 Prozent bewusste Verhaltensweisen können wir unser Glück selbst bestimmen. Das sollten wir also auch tun und – menschlich wie wirtschaftlich – für uns und andere nutzen.
MIT ZUVERSICHT ZUM ERFOLG Für Unternehmer und Selbstständige heisst das vor allem eines: für die richtige Einstellung sorgen, eine zielgerichtete Vertriebsstrategie entwickeln und täglich aktiv verkaufen! Die Erfolgsfaktoren der HappySales-Strategie und die konsequente Umsetzung helfen dabei, einem weiteren Umsatzeinbruch aktiv und erfolgreich entgegenzuwirken. Eine optimistische Grundhaltung sorgt dafür, Vertriebschancen zu erkennen und zu ergreifen. «Der Kunde hat aktuell wirklich anderes zu tun, als zu kaufen, oder? Der ist doch froh, wenn er sein Tages-
geschäft schafft! Und jetzt soll ich ihm auch noch etwas verkaufen?» Das ist die düstere, eher pessimistische Haltung, die uns gerade jetzt enorm schadet. Eine Einstellung, die uns davon abhält, aktiv zu verkaufen. Dabei trifft das zum einen längst nicht auf alle Kunden zu und darüber hinaus kann uns der Kunde immer noch mitteilen, wenn er momentan keine Möglichkeiten hat, zu konsumieren oder zu investieren. Eine optimistische Grundhaltung beruht auf Zuversicht: dem Vertrauen in eine sich positiv entwickelnde Zukunft – auch und gerade bei Coronabedingt negativen wirtschaftlichen Indikatoren. Mit diesem Grundvertrauen ersparen sich Unternehmer und Selbstständige nicht nur unnötige Sorgen, sie lenken ihre Energie auch in die richtige Richtung – die der produktiven Vertriebsaktivität. Winston Churchill soll gesagt haben: «Ein Pessimist sieht die Schwierigkeiten in jeder Möglichkeit, ein Optimist sieht die Möglichkeiten in jeder Schwierigkeit.» Demzufolge müssten Optimisten in Zeiten von
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MARCOM
Schon ein einfacher Anruf kann dem Kunden zeigen, dass der Auftrag wichtig ist.
wirtschaftlichen Turbulenzen – wie momentan – zur Hochform auflaufen. Das ist übrigens auch wissenschaftlich belegt: Die «Broaden-and-build-Theorie» der amerikanischen Emotionsforscherin Dr. Barbara Fredrickson belegt, dass eine positive Grundhaltung die eigene Wahrnehmung erweitert. Wir erkennen und ergreifen Chancen schneller. Dramatisch falsch wäre jedoch, aufgrund von übertriebenem Optimismus nur darauf zu vertrauen und auf gezielte und gesteigerte Verkaufsmassnahmen zu verzichten.
GUTE SICHTBARKEIT SORGT FÜR LEADS UND KUNDEN Viele Unternehmer wären in den letzten Wochen schon froh gewesen, den Umsatz zumindest halten zu können. Um den Umsatz in rückläufigen Zeiten sogar zu steigern, gibt es zwei einfache Möglichkeiten: entweder neue und bestehende Kunden initiativ selbst ansprechen oder dafür sorgen, von potenziellen Kunden angesprochen zu werden. Zugegeben: Der zweite Ansatz ist – zumindest auf den ersten Blick – der bequemere, schliesslich muss in Sachen Akquise der innere Schweinehund nicht erst qualvoll überwunden werden. Mit umso mehr Energie haben Anbieter in den vergangenen Wochen daran gearbeitet, den
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eigenen Internet- und Social-Media-Auftritt aufzupolieren und für Suchmaschinen zu optimieren, um so für eine ausgezeichnete Sicht- beziehungsweise Auffindbarkeit zu sorgen. Ist der Interessent erst einmal als Besucher auf der Website des Unternehmens, so gilt es mit guten Kundenbewertungen und weiteren «Trust-Elements», wie zum Beispiel Qualitätssiegeln, das Vertrauen zu gewinnen. Ein interessantes Kennenlern-Angebot macht eine initiative Kontaktaufnahme durch den Interessenten wahrscheinlicher. Eine weitere, die Kundengewinnung unterstützende Möglichkeit, ist ein gezieltes Content-Marketing mit einem darauf aufbauenden Leadmanagement. Die Idee dabei: Für die Zielgruppe relevante Inhalte werden gegen Kontaktdaten von Interessenten getauscht, die so zu «Marketing Accepted Leads» werden. Im nächsten Schritt können diese vom Vertrieb als «Sales Accepted Leads» direkt angesprochen werden. Das Ziel: aus den «angewärmten» Interessentenkontakten Kunden zu machen, die gerade in rückläufigen Zeiten heiss begehrt sind.
BEHARRLICHKEIT ALS ERFOLGSSTRATEGIE Alles spricht für digitale Marketingmassnahmen, will man verhindern, dass der Um-
satz weiter zurückgeht. Einer drohenden Rezession, englisch «downturn» sollte man aber auch noch anders begegnen: mit «Sales Activeness», einer Steigerung der eigenen Vertriebsaktivitäten. Täglich aktiv zu verkaufen ist einer der entscheidenden Erfolgsstrategien in schwierigen Zeiten. Was also hindert uns daran, täglich zu akquirieren? Ist es tatsächlich Zeit- oder Ressourcenmangel? Oder nicht doch eher mangelnde Motivation und Akquise-Aufschieberitis? Fehlt uns schlicht und ergreifend nur die Gesprächsstrategie? Oder ist es eine fehlende Klarheit bezüglich der Zielgruppe und ein Mangel an Kontakten? Da das operative Geschäft immer dringlich ist – und jetzt mehr denn je –, droht der aktive Verkauf und damit die Neukundengewinnung gerade jetzt oft verschoben zu werden. Meine Empfehlung: wöchentlich entsprechende Zeitblöcke einplanen und auch einhalten. Manchmal hilft auch die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Vertriebsexperten sowie ein gezieltes Coaching on the job. Weiss man erst einmal, wie die Kundengewinnung anzugehen ist, dann steigert das erfahrungsgemäss auch die Motivation dafür. Ein klares Aktivitätsziel, zum Beispiel wie viele Kontakte pro Woche angesprochen werden sollen, wirkt dem stetigen Prokrastinieren entgegen. Fakt ist:
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Zielgerichtete, gesteigerte Aktivität wird mittel- und langfristig im Vertrieb immer belohnt – aus dem anfänglichen «Akquisefrust» wird so «Akquiselust»! Diese wiederum wirkt effektiv gegen wirtschaftlich bedingten Kunden- und Ertragsschwund. Allerdings gilt es, rechtzeitig zu starten, denn Kauf- und Investitionsentscheidungen werden aktuell oftmals nur zögerlich getroffen.
Kurzfristiger Sprint oder langfristiger Dauer lauf? Im Vertrieb zählt Durchhaltevermögen. Wie aber stärkt man die eigene Vertriebskondition? Hier hilft das Bewusstsein, dass es meistens mehrere Kontakte braucht, um aus einem Interessenten einen Neukunden zu machen. Zwischen der Identifizierung des Entscheiders, dem ersten Kontakt, der Bedarfsklärung bis zum Angebot und schliesslich Abschluss ist entscheidend, nicht nur selbst motiviert zu bleiben, sondern auch den Schon-baldKunden immer wieder zu motivieren. Neue Informationen, wichtige Erkenntnisse per E-Mail oder einfach ein Anruf, der signalisiert, wie wichtig einem persönlich der Auftrag ist, sind hier hilfreich. Es gilt, das klare Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und dabei gut gelaunt, aber hartnäckig zu bleiben. Das festigt die Kundenbeziehung auch über den Erstauftrag hinaus. Bis die Stammkundenbeziehung erreicht ist, gilt es, viele Stufen zu erklimmen und jede einzelne Etappe als Erfolg zu feiern – gerade, wenn es in Zeiten wie diesen im Vertrieb nicht so einfach ist.
DEN EIGENEN AUFSCHWUNG SCHAFFEN Ein weiterer drastischer Rückgang der Konjunktur wird in allen Medien angekündigt. Die Konsumhaltung ist zurückhaltend in der Industrie machen sich noch stärker als bislang sinkende Aufträge bemerkbar. Statt einer schlechten Stimmung nachzuhängen, sollten Vertriebsmitarbeiter und Unternehmer lieber der drohenden Corona-Rezession aktiv entgegenwirken. Ausbleiben wird sie deshalb nicht, aber wir haben es in der Hand, diese zumindest abzumildern und unseren eigenen Aufschwung zu schaffen.
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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ – CHANCEN UND RISIKEN von Dr. Stefan Schwarz
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as Thema Künstliche Intelligenz (KI) ist zurzeit allgegenwärtig – die Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie sind vielseitig und entwickeln sich stetig weiter. Dabei gehen die Meinungen der Deutschen zu KI allerdings stark auseinander: So sind 38 Prozent der Befragten der Meinung, dass KI ihr Leben verbessern wird. 33 Prozent hingegen empfinden KI als gefährlich und 30 Prozent der Befragten macht sie sogar Angst. Doch hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zahlen sowie die mittel- und langfristigen unternehmerischen Erwägungen. Viele Unternehmen erkennen, dass Digitalisierung und KI Wettbewerbsvorteile darstellen. Angst vor technologischer Veränderung ist ein schlechter Berater in diesen Zeiten, denn langfristig gefährdet sie die Zukunft eines Unternehmens und damit die Arbeitsplätze der Mitarbeiter. Technologischer Wandel heisst nicht automatisch Arbeitsplatzverlust. Die Unternehmen profitieren nämlich weitaus mehr davon, ihre jetzigen Mitarbeiter in KI und Datenanalyse weiterzubilden. Ein Szenario: Ein Produktionsunternehmen möchte Predictive Maintance für seine Maschinen einsetzen und benötigt dafür eine Person, welche die notwendigen Daten in das KI-System einspeist und auswertet. Dafür braucht es weitaus mehr als nur Datenexpertise. Ein detailliertes Verständnis der Maschine und ihrer Funktionsweise ist entscheidend – ein Ingenieur, der eine Weiterbildung in Predictive Maintaince erhalten hat, ist hier deutlich qualifizierter. Durch KI werden sich zahlreiche Wertschöpfungen in einem Unternehmen vom Menschen auf die Technik verlagern. Reduziert sich die Wochenstundenzahl, weil KI einen Teil der Arbeits-
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last übernimmt, haben Mitarbeiter mehr Zeit für ihre Familie und Freizeit. Von dieser Entwicklung profitiert letztendlich auch die Gesellschaft als Ganzes. Der Geldvorteil, der durch diese effizientere Arbeitsweise erwirtschaftet wird, kann insbesondere dazu benutzt werden, um Angestellte beim Erlernen neuer Fähigkeiten im Bereich der KI zu unterstützen. KI ist jedoch kaum in der Lage, den Menschen in der Arbeitswelt überflüssig zu machen. Sie eignet sich hervorragend für Mustererkennung, aber auch Einfühlungsvermögen und Innovationskraft entscheiden letztendlich über den Erfolg in der Arbeitswelt – Faktoren, die eine Maschine nicht leisten kann. Im Optimalfall soll KI den Menschen bei der Verwirklichung seiner Kreativität und seiner Fähigkeiten unterstützen, nicht ersetzen. Ohne die Bedenken der Bevölkerung gegenüber KI zu adressieren, wird diese Technologie niemals ihr volles Potenzial entfalten können. Es liegt an der Politik, den KI-Entwicklern und den Unternehmen, nicht nur Aufklärungsarbeit zu leisten, sondern auch einen angemessenen und rücksichtsvollen Übergang in diese neue technologische Ära zu gestalten.
DR. STEFAN SCHWARZ ist Partner Business Consulting bei Teradata. www.teradata.ch
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DIE WIRTSCHAFT IN CORONA-ZEITEN WIE KI IN DER KRISE DIE WIRTSCHAFTSLEISTUNG UNTERSTÜTZT von Claudia Bünte
Künstliche Intelligenz hat einen grossen Einfluss auf die Zeit in der Corona-Krise, aber auch nach der Krise ist sie sehr hilfreich. Krisen zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass es nicht weitergeht wie zuvor. Hat die momentane Situation einen Einfluss auf den Einsatz von KI?
KI als Bedrohung oder Chance: Es liegt an uns, ob das Glas halb leer oder halb voll ist.
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ir sehen aktuell einen Anstieg der Akzeptanz; ihr Einsatz wird im Westen durch Corona deutlich steigen und von der Gesellschaft weitaus positiver gesehen werden als bisher. In Asien hat KI sowieso kein Akzeptanzproblem. Die gerade erst entwickelte CoronaWarnapp hatten sich bereits Anfang August über 16 Millionen Bundesbürger runtergeladen, das sind rund 25 Prozent aller Menschen mit einem Handy. Die DatenspendeApp-Ladezahlen des RKI zeigen ebenfalls deutlich, dass Menschen bereit sind, persönliche Daten für einen aus ihrer Sicht guten Zweck zu teilen. Parallel forschen viele Firmen und wissenschaftliche Institute weltweit an Medikamenten und Impfstoffen gegen das Coronavirus, und lassen sich von KI unterstützen. Chatbots wirken im Gesundheitswesen und geben für Normalbürger erste Diagnoseüberblicke darüber, ob man erkrankt sein könnte oder nicht. Mehr und mehr Menschen kommen also freiwillig mit KI in Kontakt. Das Team um Claudia Bünte hat ausserdem beobachtet, dass zwei KI-Algorithmen, eine im Westen und eine in China, früher als Experten erkannt haben, dass es in Krankenhäusern in Wuhan zu ungewöhnlich vielen Lungenkrankheiten kam – sie hätten also als Frühindikator genutzt werden können. KI kann helfen, Unternehmen in Zeiten von Corona zu unterstützen. Das geschieht aktuell in zwei Richtungen: beim Eindämmen der Ausgaben und beim weiteren Übernehmen von automatisierbaren Prozessen.
AUSGABENREDUKTION In Krisenzeiten wird in Firmen vieles knapp, vor allem das Geld. Dadurch steigt der Druck, noch effizienter mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen. Ausgabenreduktion ist eine typische Reaktion, um kurzfristig genügend Cashflow im Unternehmen zu halten. Wir sehen zum Beispiel, dass bestimmte, auch gesunde Unternehmen ihre Produktwerbung bis auf Weiteres eingestellt hatten, so etwa Coca-Cola. Google prüfte, wie die Ausgaben für Marketing und Vertrieb reduziert werden können. Und die Lufthansa hat diese Woche erklärt, 20’000 ihrer Mit arbeiter entlassen zu müssen. Langfristig suchen Unternehmen aber auch nach Möglichkeiten, kostspielige, notwendige Ausgaben zu reduzieren. Hier kann der Einsatz von KI helfen: Wer bisher noch kein Programatic Adbuying im Marketing
Eine Zusammenarbeit von Mensch und KI kann gelingen.
hatte, wird jetzt schnell versuchen, den Mediaeinkauf über entsprechende Tools zu optimieren. Wer Mitarbeiter bisher damit beschäftigte, jeden Werbetext für jedes Produkt im eigenen Onlineshop zu texten, wird vielleicht Anbieter ausprobieren, die Texte automatisiert erstellen. Wer bisher Werbetexte online mit A / B-Tests auf ihre Wirksamkeit hin überprüft hat, testet jetzt vielleicht lieber gleich mit KI. Oder er beginnt, KI zu nutzen, um die gesamte bisherige Marktforschung zu reanalysieren.
AUTOMATISIERTE PROZESSE Bei der Übernahme automatisierter Prozesse unterstützt KI Unternehmen generell dort, wo viele Daten erhoben und analysiert werden. Denn das kann eine KI deutlich besser und schneller als Menschen. Das geht entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Angefangen von der optimierten Preis- und Kaufzeitpunktanalyse für Rohmaterialien über die Qualitätssicherung durch optische Inspektion in der Produktion, die dabei hilft, Fehler und Prozesse zu analysieren und zu optimieren, bis hin zu KI-gestützter Energieversorgung ganzer Fabriken. KI kann den Ausfall oder das nächste Wartungsintervall der Maschinen vorhersagen, das nennt man «predictive maintenance». Ausserdem übernimmt KI Teile der Produktion, unterstützt die Verkaufsabteilung und die Werbemassnahmen durch ein besseres Kundenverständnis und bucht automatisch Werbeplätze ein. Eine KI kann auch Kunden
interaktionen via Chatbot oder Avatar unterstützen und die Performance der Marketingausgaben analysieren und optimieren. Grundsätzlich sollte das Ziel aber immer sein, KI als ein Werkzeug zu betrachten, das hilft, die Leistung des Unternehmens zu verbessern, und nicht, um menschliche Arbeit zu ersetzen.
AUCH KI HAT GRENZEN Es gibt zwei Grenzen: Daten müssen überhaupt vorhanden sein und es braucht die Erlaubnis, diese Daten zu analysieren. Denn KI braucht massig Daten, um zu lernen und besser zu werden. Ohne Daten geht es nicht. Das ist aktuell auch der Grund, warum es noch keine sinnvollen KI-Tools zur Strategieentwicklung gibt, denn dafür müssten Millionen Unternehmen ihre zukünftige Strategie veröffentlichen – und das tut natürlich kein Unternehmen freiwillig. Die DSGVO begrenzt in Europa bewusst die Möglichkeit, Daten zu analysieren mit dem Ziel, einen hohen persönlichen Datenschutz zu gewährleisten. Die Corona-Krise und die diskutierte Tracking-App zeigen, dass es eine feine Linie ist zwischen dem persönlichen Recht auf Schutz der eigenen Daten und dem Nutzen für die Gesellschaft, wenn Daten geteilt werden dürfen.
ERSATZ ODER UNTERSTÜTZUNG? Viele Menschen fürchten, durch die Automatisierung oder den Einsatz von KI ihren
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KI ist auch in der Produktion eine willkommene Unterstützung.
Job zu verlieren. Andere vertrauen darauf, dass neue Technologien eher unterstützend eingesetzt werden. Beides hat seine Berechtigung. Verschiedene globale Studien gehen davon aus, dass in Summe über alle Industriezweige hinweg die Arbeit für Menschen insgesamt kaum weniger wird, sich aber umschichten wird. An der SRH in Berlin wurden dazu Studien durchgeführt, die folgende Annahmen unterstützen: Für die meisten Unternehmen wird sich KI eher so entwickeln, dass «nur» Teil aufgaben wegfallen, beispielsweise das Bildersuchen bei Grafikern und Grafikerinnen. Dabei sind auch Aufgaben, zu denen man nicht wirklich Lust hat. 72 Prozent der Befragten unserer Studie unter Marketingmanagern und -managerinnen sagen beispielsweise, dass die KI ihnen helfen wird, «lästige Routineaufgaben» abzugeben. Das klingt doch gut. Wie immer, wenn es neue Technologien gibt, entstehen auch neue Aufgaben für Menschen. Wir beobachten das heute schon in China, wo KI unter anderem im Marketing breit eingesetzt wird. Das Ergebnis ist, dass Konsumierende anspruchsvoller werden und immer bessere und individuellere Angebote der Marken erwarten. Wer da nicht mithält, verliert Kunden und Kundinnen. Für die Firmen heisst das, immer schneller passende Produkte und Services zu entwickeln. Also auf der einen Seite eine Ersparnis von Routinearbeiten durch KI, auf der anderen Seite mehr neue Aufgaben durch anspruchsvollere Konsumierende.
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WIRTSCHAFTLICHE MASSNAHMEN Corona wird allen Vorhersagen nach die Wirtschaft in eine Rezession ziehen, die einige Monate bis Jahre andauern wird. Und wir haben auch schon ohne Corona in Europa ein paar Herausforderungen für die Wirtschaft in den nächsten zehn bis 20 Jahren, allen voran der «War of Talents» durch eine zunehmende Überalterung der Gesellschaft sowie die Digitalisierung der Wirtschaft. Viele Unternehmen, aber nicht alle (Stichwort Online-Handel) werden jetzt gezwungenermassen aktiv werden müssen: Aus neuem, finanziellem Mangel durch Corona oder der Not heraus, für gute Mitarbeitende attraktiv zu werden. Und das auch noch in einem Umfeld, in dem Konsumierende nicht unbedingt mehr konsumieren wollen als vor der Krise. Die Digitalisierung sollte nicht als eine weitere Aufgabe für Unternehmen gesehen werden, die gelöst werden muss, sondern als Hilfsmittel für eine mögliche Lösung. Wir haben die Wahl. Es geht um unsere Haltung: Wir können uns in Europa die Digitalisierung ansehen und feststellen, dass das Glas halb voll oder halb leer ist. Wenn unsere Haltung ist, wir würden alle arbeitslos, ist das Glas halb leer und wird vermutlich auch völlig leer werden. Dann werden uns andere Regionen zeigen, wie man in einer digitalen Welt wirtschaftet und Kunden gewinnt. Oder wir entscheiden uns dafür, uns das Wasserglas mit Interesse anzusehen und festzustellen, dass wir zwar viele Dinge anpassen müssen in der Art,
wie wir arbeiten, aber dass auch Potenzial in einem halb vollen Wasserglas ist. Dabei kann durchaus ein volles Wasserglas mit neuen, vielleicht sogar interessanteren Aufgaben statt lästigen Routinen entstehen. Für Letzteres braucht es mehrere Elemente: den unternehmerischen Mut, unbekannte Tools auszuprobieren – also weg von «Das haben wir noch nie gemacht». Den Willen, mit Partnern und Mitarbeitenden zu arbeiten, die aus dem Bereich der Data Science kommen. Und ein Projektmanagement, das nachverfolgt, wie die einzelnen Meilensteine erreicht werden. Eine weltweite Studie von McKinsey zu KI kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass viele Unternehmen KI für wichtig halten, aber die meisten in der Pilotierungsphase stecken bleiben. Daher scheint es wichtig, KI wie jedes neue Werkzeug auszuprobieren und den Erfolg eng zu managen.
CLAUDIA BÜNTE ist Professorin für internationale BWL / Marketing an der SRH Berlin University of Applied Sciences und Geschäfts führerin von Kaiserscholle GmbH. www.srh-hochschule-berlin.de www.kaiserscholle.com
KOLUMNE
MIT DER CLOUD DURCH DIE ENERGIEWENDE von Dennis Martin
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er prognostizierte globale Stromverbrauch soll in den nächsten Jahren immens ansteigen. Dies stellt Energieversorger vor ungeahnte Herausforderungen. Von den vielen Faktoren, die den Stromverbrauch beeinflussen, stehen allen voran die hohe Mobilität und der gestiegene Umfang der Kommunikation. Nur ein Beispiel: Der neue Funkstandard 5G soll den Stromverbrauch in den nächsten Jahren um bis zu 3.8 Milliarden Kilowattstunden in die Höhe treiben. Für die effiziente Nutzung der energetischen Ressourcen bedarf es einer intelligenten Steuerung von Erzeugung und Verbrauch. Cloud-basierte Lösungen könnten hier den Durchbruch schaffen. Um die Energieversorgung – gerade in Zeiten der Energiewende – sicherzustellen, bedarf es der Berechnung zahlreicher Kennwerte, etwa bei der Nachfrage (Verbrauch- oder Lastgangprognosen), der Erzeugung (Erzeugungsprognose von Wind, Solar und Wasserkraft), dem Netz an sich (Netzprognose für Auslastung, Verlust, Effizienz) sowie bei den Preisprognosen für Strom und Gas. Für grosse Anbieter bedeutet das die tägliche Durchführung von Prognoseberechnungen für mehr als ein Terabyte an Daten. Ein Job, wie gemacht für die Cloud. Die hierfür notwendige Skalierbarkeit und Geschwindigkeit werden durch eine grosse Anzahl von kurzfristig bereitstellbaren sogenannten «Containern» erreicht. Container umfassen Anwendungen mit ihren virtualisierten Umgebungen und lassen sich in der Cloud nach Bedarf an- und abschalten. Die Bearbeitungszeit für Prognosen ist im Vergleich zu einer On-Premise-Lösung geringer. Gerade neue Energieversorger und Energie-Start-ups werden von Forecasting-as-a-Service und Managed Services profitieren. Mit Forecasting-as-a-Service können die Input-Daten für die Prognose einfach hochgeladen werden, der gesamte Prognoseprozess wird vom Anbieter durchgeführt. Die Ergebnisse werden täglich zur gewünschten Uhrzeit geliefert. Insgesamt
bieten Managed Forecasting Services eine bessere Gesamtleistung, höhere Qualität und Flexibilität. Durch die hohe Effizienz spart man nicht nur viel Zeit, sondern auch Kosten, da nach dem Pay-as-you-go-Prinzip nur die tatsächlich benötigte Zeit für die Erstellung einer Prognose abgerechnet wird. So gehen enorme Kosteneinsparungen Hand in Hand mit einer deutlichen Steigerung der operativen Effizienz! Die hohe Performance und Verfügbarkeit von Cloud-Lösungen macht es leicht, neue auf Daten basierende Services anzubieten. Ein Beispiel aus Schweden zeigt, wie Microsoft und Vattenfall für deren Kunden über Azure einen Dienst aufgesetzt haben, der ihnen über ein Dashboard präzise ihren aktuellen Energie-Mix aufschlüsselt. So können die dortigen Verbraucher sicher sein, dass sie zum Beispiel nur mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgt werden. Durch beliebig skalierbare Ressourcen und intelligente Dienste lassen sich Stromnetze mithilfe von CloudLösungen vorausschauend verwalten. Prozesse zur Ausführung einer Netz sicherung und der Umleitung von Stromquellen, die durch hohe Ausfallsicherheit und Geschwindigkeit eine rechtzeitige Ausführung unterstützen, können in der Cloud gehostet werden. Kostensenkung, Effizienzsteigerung und Flexibilität sind letztendlich entscheidende Schlüsselfaktoren, die langfristig alle Unternehmen im Energiesektor zur Migration in die Cloud anregen werden.
DENNIS MARTIN ist Direktor für Vertrieb und Marketing der metalogic GmbH in München. www.metalogic.de
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© Stefan Weiss / ETHZ
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Das Team setzt sich aus ETH- und EPFL-Abgängern zusammen.
AUCH KÜNSTLICHE INTELLIGENZ MUSS LERNEN AUTOMATISIERUNG DOKUMENTENBASIERTER ADMINISTRATIONSPROZESSE von Leo Schittenhelm
Rechnungen und Lieferscheine kontrollieren oder Kundenaufträge erfassen ist mit viel repetitiver Arbeit verbunden und omnipräsent im Arbeitsalltag von Büroangestellten. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz will das ETH-Zürich-Spin-off-Unternehmen BLP Digital das zukünftig ändern.
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okumente wie Rechnungen, Lieferscheine, Bestellungen, Mietverträge oder Lebensläufe haben eines gemeinsam: Sie beinhalten Informationen, welche zentral für funktionierende Geschäftsprozesse sind und möglichst schnell und fehlerfrei bearbeitet werden müssen. Bis heute erfolgt ein grosser Teil der Erfassung jedoch noch von Menschenhand, selbst wenn die Dokumente schon in einem elektronischen Datenformat vorhanden sind. Die grosse Problematik für eine automatische Bearbeitung durch ein Softwareprogramm stellen dabei Tabellen dar. Die darin enthaltenen Werte machen nämlich nur dann Sinn, wenn man ihre Bedeutung im Zusammenhang mit der Position kennt.
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Sprich, in welcher Zeile und Spalte sie eingetragenen sind. Wohingegen die visuelle Struktur der Tabellen bei Menschen das Verständnis erleichtert, ist bei Computern genau das Gegenteil der Fall. «Computer lesen von oben links nach unten rechts. Abstände oder Fettgedrucktes erkennen sie nicht», sagt Tim Beck, CEO des ETH-Spin-offs BLP Digital. Aufgrund dieser maschinellen Blindheit erkennen bisherige Automationslösungen nicht mal 80 Prozent der relevanten Daten aus Dokumenten automatisch. Das Ausmass dieses Problems wird deutlich ersichtlich, wenn man sich das Beispiel eines grossen Schweizer Krankenversicherers, der rund 13 Millionen Rechnungen pro Jahr bearbeiten muss, vor Augen führt.
Dort müssen trotz Einsatz einer Automationslösung die Daten von über zwei Millionen Rechnungsdokumenten noch manuell ins IT-System eingelesen werden. Aufgrund der sensitiven Gesundheitsdaten besteht zudem nicht die Möglichkeit, die Arbeit an ein Data Center in einem Billiglohnland auszulagern. Die manuelle Kopierarbeit stellt sich dabei nicht nur als mühsam und demotivierend für die betroffenen Mitarbeiter heraus, sondern verursacht auch auf der Unternehmensseite enorme Kosten.
SELBSTLERNENDES SYSTEM Solche Prozesse zukünftig deutlich besser zu automatisieren und Mitarbeiter zu entlasten, haben sich die Gründer von BLP
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Digital zur Aufgabe gemacht. Ihr Ziel ist es, eine Rundum-Software zu entwickeln, die sämtliche semi-strukturierten Dokumente fehlerlos und komplett automatisch prozessiert. Die Basis dafür ist maschinelles Lernen: Die Software soll sich mithilfe grosser Datenmengen stetig selber verbessern und ihr Wissen von bereits verarbeiteten Dokumenten auf neue transferieren. Die der Software zugrunde liegenden Algorithmen stammen dabei aus zwei Masterarbeiten an der ETH. An diesen forschten die Brüder Beck zusammen mit dem erfahrenen Ex-Google-Manager Pedro Marques und ihrem Team von ETH- und EPFL-Abgängern in der Folge weiter, ehe sie im Herbst 2019 eine Firma gründeten. Die Essenz der Software stellt eine neuartige Kombination zweier Technologien dar: Bild- und Spracherkennung. Während einige Algorithmen den Text analysieren, untersuchen andere das Dokumentenbild auf Pixelebene. «Damit können wir den Text in Bezug zu seiner Position im Dokument bringen, wie es ein Mensch auch tun würde», sagt Sven Beck, Mitgründer von BLP Digital und Bruder von Tim Beck. Tabellen können so erkannt und nachgebildet werden. Wie der Ingenieur weiter ausführt, sorgen parallel laufende Prozesse, welche die extrahierten Daten mit Daten aus der Vergangenheit und von anderen Systemen abgleichen, für eine doppelte Validierung. Stimmen ihre Resultate überein, ist das Ergebnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig. Wir verwenden unterschiedliche Algorithmen für dieselbe Aufgabe. Dadurch beseitigen wir Unsicherheiten», so Sven Beck weiter. Das ETH-Spin-off-Unternehmen, welches von Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfonds für Wissenschaft unterstützt
wird, versucht, die Programmcodes von Anfang an generalistisch zu halten. «So können wir die gleiche Software später für unterschiedliche Anwendungen benutzen», sagt Sven Beck, der sich in seinem Master an der ETH in Robotics, Systems and Control mit der Umgebungserkennung von mobilen Robotern beschäftigte. Dieser Ansatz des System Engineering ist es dann auch, mit dem sich das Start-up von der Konkurrenz unterscheiden will. Denn die gibt es im Markt zuhauf. Alleine in der Schweiz haben sich zwei weitere Start-ups zum Ziel gesetzt, Dokumente automatisch zu erkennen. Was bis heute aber noch niemand ausreichend gelöst hat, ist das Erkennen von Tabellen, sozusagen die Königsdisziplin des Fachs.
FOKUS AUF DIE PRODUZIERENDE INDUSTRIE Mögliche Kunden von BLP finden sich in allen Branchen, wo administrative Prozesse stark auf Dokumenten basieren und viele Ressourcen verschlingen. Besonders betroffen von diesem Problem ist die produzierende Industrie, weil sie die Informationen aus Lieferscheinen für die Produktionsplanung benötigen und deshalb schnell mit den offenen Bestellungen vergleichen müssen. Teil- oder Sammellieferungen sowie Unter- und Überlieferungen machen den Prozess der Lieferscheinerfassung sehr zeitaufwendig. «Da sitzt ein Mitarbeiter schon mal gut 15 bis 20 Minuten an einem mehrseitigen Lieferschein», so Beck. Insbesondere das manuelle Abtippen von Seriennummern und Chargen ist mühsam und fehleranfällig, auch weil die Mitarbeiter im Wareneingang ständig unter Strom stehen. Auch in der Rechnungskontrolle der Unternehmen sieht es mau aus und viele Unternehmen verpassen regelmässige Skontofristen. Gemäss dem Beratungs-
unternehmen Deloitte suchen 80 Prozent der Unternehmen deshalb in den kommenden drei Jahren nach einer Automationslösung für den Prozess von der Bestellung zur Eingasvngsrechnung. «Weil dieselbe Mannschaft immer mehr machen muss, wird Automation im ERP-System immer wichtiger», beschreiben die Brüder. Sie müssen es wissen, denn ihre Eltern führen einen Hersteller für Ressourcen-PlanungsSoftware für produzierende Unternehmen.
MIT BRANCHENWISSEN ZUM ZIEL Die produzierende Industrie war es dann auch, für die sie ihre Dokumentenerkennungs-Software entwickelt haben. Dieses tiefgreifende Branchenwissen ermöglichte es, eine industriespezifische Lösung zu entwickeln, welche Mitarbeiter im Wareneingang und bei der Eingangsrechnungskontrolle Schritt für Schritt unterstützt und den Grossteil der Arbeit komplett abnimmt. Inzwischen sind die mittlerweile zehn Mitarbeitenden hauptsächlich mit der Integration der eigenen Software in weitere ERP-Systeme beschäftigt, sodass zu den rund 50 bestehenden Kunden schnell weitere dazukommen. Unterstützt werden sie bei allem von Stefan Feuerriegel, ETH-Professor für Wirtschaftsinformatik. Gemeinsam sollen weitere Dokumententypen automatisiert werden. «Bis Ende dieses Jahres wollen wir auch die Auftragsanlage im Vertrieb automatisieren, bevor wir dann Anfang nächstes Jahr auf weitere Dokumententypen für neue Branchen expandieren», sagt CEO Tim Beck. Denn eines sind sich die Unternehmer sicher: Die Corona-Krise birgt ein grosses Potenzial, jetzt administrative Prozesse zu digitalisieren und die richtigen Kosteneinsparpotenziale zu erschliessen. Damit wappnen sich insbesondere KMU rechtzeitig für das einsetzende Wirtschaftswachstum nach der Krise.
LEO SCHITTENHELM ist Head of Sales bei der BLP Digital AG. Die manuelle Datenerfassung ist zeitaufwendig und kostenintensiv.
www.blp-digital.com
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Mit der App nie mehr den Überblick über die Arbeitszeit verlieren.
ZEITERFASSUNG SCHAFFT MEHRWERT
PER APP DEN ÜBERBLICK ÜBER DIE ARBEITSZEIT BEHALTEN von Marc André Theytaz
Die heutige Arbeitswelt wird immer mehr geprägt durch flexible Einsatzzeiten der Mitarbeitenden. Arbeiten werden vermehrt unterwegs oder von zu Hause aus, in unregelmässigen Tages- und Nachtzeiten geleistet. Die örtliche und zeitliche Unabhängigkeit ist zur Selbstverständlichkeit geworden. So ist es nur logisch und konsequent gedacht, dass auch die Leistungserfassungen den veränderten Umständen Rechnung tragen, zumal der Gesetzgeber im Arbeitsgesetz die Unternehmen dazu verpflichtet, Arbeits- und Ruhezeitvorschriften einzuhalten und bei Bedarf den entsprechenden Nachweis zu erbringen. Damit eine umfassende und lückenlose Zeiterfassung umgesetzt werden kann, müssen Mitarbeitende ein geeignetes Instrument nutzen können.
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it einem ausgereiften System können Unternehmen aus der Pflicht zur Arbeitszeiterfassung einige Vorteile gewinnen. So registrieren zeitgemässe Lösungen heute nicht nur das reine «Kommen und Gehen». Wenn eine Zeiterfassung vollständig in ein ERP-System integriert ist, lassen sich daraus leicht zusätzliche Vorteile erzielen. So werden beispielsweise mit der umfassenden Zeiterfassungslösung von Abacus nicht nur Ein- und Ausgangszeiten
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registriert, sondern es lassen sich auch Personaleinsätze planen, Leistungen erfassen sowie Spesen und Reisekosten abrechnen. Auch können damit Absenzen verwaltet werden. Selbst Auswertungen lassen sich damit erstellen, die der Entscheidungsfindung und Teamführung dienen. Gleit- und Überzeiten sowie Feriensaldi sind jederzeit für den Mitarbeitenden in Echtzeit ersichtlich. So wird nicht nur Transparenz über die Arbeitseinsätze geschaffen, sondern die
dazugehörigen Prozesse lassen sich automatisieren. Auf diese Weise können beispielsweise Entschädigungen für Überzeit automatisch über die Lohnbuchhaltung ausbezahlt werden. Die Abbildung von Gesamtarbeitsverträgen ist bei moderner Zeiterfassungssoftware ein Muss, genauso wie auch die Unabhängigkeit vom benutzten Eingabegerät. So spielt es keine Rolle, ob Mitarbeitende ihre
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Zeiten auf einem Smartphone unterwegs, am Notebook zu Hause oder am fix installierten Terminal im Büro registrieren, da alles und alle miteinander verbunden sind.
DIGITALE STEMPELUHR Herkömmliche Stempeluhren haben endgültig ausgedient. Mit der Abacus-App AbaClock, bei der das Apple-Tablet iPad als Erfassungsterminal dient, ist die nahtlose Integration erfasster Daten ins Abacus-ERP-System sichergestellt. Mehrere AbaClock-Terminals lassen sich miteinander verbinden, sodass sich Mitarbeitende an unterschiedlichen Orten eines Betriebs an- und abmelden können. Die Identifikation der Mitarbeitenden für die Registrierung der Kommen-und-Gehen-Zeiten am Terminal erfolgt über Chipkarten beziehungsweise Badges. Mit AbaClock lassen sich nicht nur die Arbeitszeiten erfassen, sondern auch die Soll-, Arbeits- und Gleitzeiten sowie der Feriensaldo eines Mitarbeitenden in Echtzeit anzeigen. Das Erfassungsterminal kostet zusammen mit der Abacus-App AbaClock 790 Franken.
KONTAKTLOSE ZEITERFASSUNG Die Erfassung von Kommen/Gehen-Zeiten erfolgt bei AbaPoint automatisch mithilfe von kleinen Bluetooth-Sendern respektive -Empfängern. Sie lassen sich rasch und mit geringem Aufwand in Räumen installieren und interagieren mit einer Smartphone-App. Befindet sich ein Mitarbeiter mit seinem Smartphone im Empfangsbereich eines AbaPoint-Senders, wird dies
VORTEILE DER ABACUS-ZEITERFASSUNG > Keine Mehrfacherfassungen von Daten > Keine Schnittstellen > Einbindung von vor- und nach gelagerten Prozessen wie Planung und Abrechnung > Einfache Bedienbarkeit für Mitarbeitende schafft Effizienz > Automatisierungen schaffen zeitliche und administrative Entlastung > Rechtssicherheit und Transparenz gegenüber Mitarbeitenden und Behörden > Sinnvolle Auswertungen zeigen Optimierungspotenziale auf
Für jedes Unternehmen das Richtige – berührungslos, mobil oder stationär am iPad respektive PC.
von der App erkannt und in einem PopupFenster auf dessen Handy angezeigt. Er muss die Meldung nur noch bestätigten, damit sein Arbeitsbeginn respektive das Arbeitsende registriert wird. Ein BluetoothEmpfänger / Sender kostet zusammen mit der App AbaPoint 30 Franken.
MOBILE ARBEITSZEITERFASSUNG Die Smartphone-App ist ausserdem auf eine ortsunabhängige Erfassung von Arbeitszeiten zugeschnitten. Die Aufzeichnung erfolgt manuell oder automatisch über RFID (Android), Barcode oder GPS-Technologie. Bei der Erfassung mit GPS zeichnet die App auf, wann ein Mitarbeitender den Arbeitsplatz betritt oder verlässt. Die App funktioniert selbst dann, wenn keine Internetverbindung vorhanden ist, da sich alle Angaben offline erfassen und erst anschliessend bei funktionierendem Netzzugang mit der Abacus Business Software synchronisieren lassen. AbaClik enthält auch sogenannte EmployeeSelf-Service-Funktionen, mit denen Mitarbeitende ihre Arbeits-, Soll- und Gleitzeiten sowie Feriensaldi abfragen können. Bei Bedarf lassen sich detaillierte Monats- und Ferienrapports über das Smartphone aufbereiten. Zudem können über die App auch Absenzen oder Ferien beantragt, Spesen erfasst, Personalstammdaten aktualisiert und aktuelle Lohnabrechnungen eingesehen werden.
MITARBEITER-PORTAL MYABACUS Auch über das Portal MyAbacus sind Mitarbeitende in der Lage, ihre Arbeitszeiten via Browser am Arbeitsplatz zu erfassen.
Damit sie jederzeit über die Saldi wie etwa Gleitzeit und Feriensaldo informiert sind, steht eine Übersicht zur Verfügung. Zu den erfassten Stunden können ein Monatsrapport und eine Absenzenübersicht aufbereitet werden. Das bietet insbesondere Vorgesetzten die Möglichkeit, Arbeitsstunden ihrer Mitarbeitenden einzusehen und zu kontrollieren. Über MyAbacus sind Mitarbeitende leicht in der Lage, Anträge für Abwesenheiten zu erfassen oder Adressdaten zum Beispiel bei einem Wohnungswechsel anzupassen.
EIN GEWINN FÜR DAS GANZE UNTERNEHMEN Die Abacus Zeiterfassungsplattform schafft für ein Unternehmen Rechtssicherheit und administrative Entlastung. Dank der vollständig integrierten Zeiterfassungsplattform hat das HR auf alle Daten der Mitarbeitenden in Echtzeit Zugriff. Arbeitsstunden inklusive Überstunden und Überzeit werden getrennt voneinander und somit leicht nachvollziehbar dargestellt. Eine Überzeit kann direkt über den Lohn ausbezahlt werden. Bei Bedarf lässt sich ein Zeitnachweis zusammen mit der Lohnabrechnung verschicken.
MARC ANDRÉ THEYTAZ ist Leiter der Abacus-Zeiterfassung. www.abacus.ch/zeiterfassung
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Die Produktion braucht eine reibungslose Software-Lösung.
SOFTWARE LIFECYCLE MANAGEMENT
MANAGED SERVICE SCHAFFT ENTLASTUNG FÜR DIGITALPROJEKTE von Bernhard Schweitzer
Software Lifecycle Management (SLM) schützt vor Compliance-Verstössen und optimiert Kosten – vor allem in hybriden Lizenzierungsumgebungen. Doch dafür sind Experten-Know-how und Akribie gefragt. Vielen IT-Experten fehlt so die Zeit für wichtige Digitalisierungsprojekte. Ein möglicher Ausweg: die Auslagerung von SLM als Managed Service.
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in klassisches Software Asset Management trifft in der heutigen Zeit nur noch teilweise die Bedürfnisse an die Verwaltung und das Management von Lizenzen. Der ganzheitliche Terminus des Software Lifecycle Management (SLM) beschreibt die Komplexität und die Aufwände dahinter präziser. Eine zentrale Rolle spielt die Abstimmung der Lizenzierung mit der Geschäftsstrategie und die Kostenoptimierung. Manchmal mag es zum Beispiel
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sinnvoll sein, heute ein überdimensioniertes Lizenzmodell zu wählen, um morgen für geplante Entwicklungen gerüstet zu sein. Es obliegt dann der Geschäftsleitung zu entscheiden, ob sie Risiken eingehen will. Bei On-Premises-Software soll vorwiegend Unter- oder Fehllizenzierung vermieden werden, um generell Risiken transparent zu machen und im Falle eines Audits auf der sicheren Seite zu sein. Fakt ist, dass die meisten Unternehmen – unabhängig
von ihrer Grösse – heute eine Mischung aus Cloud Services und On-PremisesSoftware nutzen. Der zunehmende Einsatz von Cloud Services hat das Aufgabenspektrum jedoch nicht wie erhofft vereinfacht, sondern eher verkompliziert.
ZEITFRESSER MINIMIEREN In der Cloud ist das Risiko für ComplianceVerstösse zwar geringer. Unternehmen laufen hier aber grosse Gefahr, dass die
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Kosten explodieren. Häufig buchen Unternehmen bei Cloud Services grössere Pakete, als sie eigentlich bräuchten. Zudem werden Cloud Services teuer, wenn Kunden mehr Ressourcen konsumieren als geplant. Fachabteilungen und Mitarbeiter können heute schnell einen Cloud Service buchen, ohne dass die IT-Abteilung Bescheid weiss – Stichwort Schatten-IT. Dadurch haben es IT-Verantwortliche schwer, noch den Überblick über die tatsächlich genutzten Lizenzen zu behalten. Der Auftrag ist klar umschrieben: SLM soll Transparenz zu Risiken und somit Compliance-Sicherheit schaffen und Kostenkontrolle und -optimierung ermöglichen. Dafür benötigen Lizenzmanager fundiertes Know-how in den komplexen Lizenzmodellen der Hersteller, um die jeweils günstigste Lösung herauszufinden, gleichzeitig aber Unter- oder Fehllizenzierung zu vermeiden. Werden neue Lizenzen angeschafft, müssen sie diese richtig zuordnen und ablegen, sodass sie im Falle eines notwendigen Nachweises schnell parat sind und die Compliance belegen. Das ist akribische Fleissarbeit, die erheblichen Aufwand verursacht und den Einsatz von SpezialTools erfordert. In grossen Unternehmen ist
SLM meist auf mehrere Köpfe verteilt. In kleineren muss dagegen ein einzelner Mitarbeiter sämtliche Rollen übernehmen. Gleichzeitig soll sich die IT um die Digitalisierung kümmern. Das bringt viele Unternehmen in die Zwickmühle, denn entweder werden Routine-Aufgaben wie das Lizenzmanagement oder wichtige Digitalisierungsprojekte vernachlässigt.
migungs- beziehungsweise Einkaufsprozesses an. Der MSP arbeitet mit führenden Lizenzmanagement-Tools. Mit ihrer Hilfe kann er zum Beispiel auch Schatten-IT aufdecken und ermitteln, welche Cloud Services im Unternehmen eingesetzt werden. Verwendet der Kunde bereits eigene SAM-Software, kann der MSP diese in seine Prozesse integrieren.
MANAGED SLM ALS ALTERNATIVE
REPORTINGS SORGEN FÜR TRANSPARENZ
Ein möglicher Ausweg ist die Auslagerung von SLM als Managed Service an einen spezialisierten Dienstleister. Ein Managed Service Provider (MSP) kann wahlweise einzelne Rollen oder das komplette Lizenzmanagement übernehmen. So werden die eigenen IT-Mitarbeiter entlastet – und diese gewinnen Zeit, sich mit der digitalen Transformation zu befassen. Zudem müssen Unternehmen kein eigenes Experten-Knowhow in Lizenzthemen aufbauen, sondern können auf das Fachwissen von erfahrenen Spezialisten zurückgreifen. Da dieser in der Regel SLM für viele Unternehmen betreibt, kann er auf einen grossen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Bei der Wahl des MSP sollten Unternehmen darauf achten, dass er gross genug ist, um Kontinuität im Service zu garantieren. Er sollte in der Lage sein, Teams bei Bedarf aufzustocken und bei gleichbleibend hoher Qualität zu skalieren. Zudem sollte er über nachweisliche Erfahrung und spezialisiertes Know-how im SLM verfügen. Das lässt sich zum Beispiel anhand von Kundenreferenzen nachprüfen. Zunächst ermitteln MSP und Kunde in einem gemeinsamen Workshop, wie das Lizenzmanagement aktuell im Unternehmen organisiert ist. Wer hat welche Aufgaben, welche Tools werden eingesetzt und wer berichtet an wen? Damit man SLM sinnvoll in einen Managed Service überführen kann, sollte es bereits einen gewissen Reifegrad haben. Ist das nicht der Fall, sollte zunächst in einem vorgelagerten Projekt eine solide Basis geschaffen werden. Anschliessend vereinbaren die Partner, welche Rollen der MSP übernehmen soll, und legen in den Service Level Agreements (SLAs) fest, welche Leistungen zu erbringen sind. In der Regel bietet der Provider ein Standardprodukt an, das er individuell an die Kundenbedürfnisse anpasst. Vielleicht möchte der Kunde zum Beispiel nur bestimmte Aufgaben auslagern oder nur die Betreuung bestimmter Hersteller an den Dienstleister übergeben. MSPs mit viel Erfahrung bieten hier zum Beispiel auch Anbindungen oder teilweise Übernahmen des Geneh-
Ein zentraler Bestandteil des Managed Service sind regelmässige Reportings und Analysen. Der Provider informiert den Kunden über seine aktuelle Lizenzierung, Nutzung, Chancen und Risiken. Er berät ihn, ob die Analyse-Ergebnisse zur IT-Strategie des Unternehmens passen und gibt Handlungsempfehlungen. Eventuell sollten zum Beispiel bestimmte Prozesse im Einkauf, in der IT oder im Lizenzmanagement selbst angepasst werden. Speziell an diesem Punkt ist es wichtig, dass der MSP in der Lage ist, auf die zumeist sehr spezifischen Anforderungen und Situationen in den Empfehlungen einzugehen, dies auch idealerweise im Dialog mit dem Kunden. Natürlich kostet ein Managed Service auch Geld. Üblicherweise zahlt der Kunde eine monatliche Pauschale für die vereinbarten Leistungen. Ob sich das lohnt, lässt sich mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Analyse errechnen. Je mehr Lizenzen ein Unternehmen einsetzt und je komplexer die Nutzung ist, umso aufwendiger ist auch das SLM. Umso grösser ist die Gefahr für Unter- oder Fehllizenzierung und die Chance zur Kostenoptimierung. Dadurch rechnen sich die Ausgaben für den Managed Service schnell. Jedes Unternehmen muss zudem selbst für sich entscheiden, ob es sinnvoll ist, Zeit und Geld zu investieren, um eigene Mitarbeiter im SLM zu schulen – oder ob man diese Ressource nicht lieber für andere Projekte einsetzen möchte.
BERNHARD SCHWEITZER ist Practise Lead SLM Services bei SoftwareONE. www.softwareone.com
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Trotz technologischen Fortschritts werden viele Befunde und Forschungsergebnisse auf Papier festgehalten.
CORONA ALS ANTRIEB DIGITALE IDEEN SORGEN FÜR FRISCHEN WIND IM GESUNDHEITSWESEN von Yvonne Bettkober
Die Corona-Krise weckt bislang nicht ausgeschöpfte Potenziale in vielen Bereichen der Gesundheitsversorgung. Neue Möglichkeiten bei der Diagnose und grössere Erfolge durch eine medizinische Behandlung, die auf den Patienten zugeschnitten ist sowie eine bessere Kommunikation zwischen Arzt, Patient und anderen Akteuren des Gesundheitswesens: Die Digitalisierung beschäftigt die Branche nicht erst seit der Covid-19-Pandemie. Doch unter dem hohen Druck, die Krise zu meistern, zeigt sich ihre Innovationskraft mit frischen Ideen.
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ereits heute bieten neue Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) vielversprechende Möglichkeiten – etwa bei der Früherkennung von Krankheiten oder der Prognose von Krankheitsverläufen. Laut dem DigitalBarometer von Apropos Swiss, einer Initiative, die den Menschen ins Zentrum der digitalen Transformation setzt, soll KI Ärzte jedoch nicht ersetzen, sondern als Entscheidungshilfe wirken. Im Hinblick auf Diagnose und Therapie, aber auch in der Vorsorge und Nachsorge kann dadurch die Lebensqualität vieler Menschen verbessert werden. Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine Studie
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des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) in Deutschland. Sie zeigt, dass 57 Prozent der deutschen Bürger es befürworten, Ärzte dazu zu verpflichten, KI als automatisierte Zweitmeinung in die Untersuchung mit einzubeziehen, wenn Krankheiten dadurch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Genannt werden namentlich KI-gestützte Hirnscans zur Identifikation spezieller Arten von Depressionen, die Zustandsanalyse von Komapatienten oder die frühzeitige Erkennung von Alzheimer. Auch die Schweizer Behörden und insbesondere die Abteilung Digitale Transformation im Bundesamt
für Gesundheit (BAG) ordnen der Informations- und Kommunikationstechnologie in der Diagnose, Therapie, Vorsorge und Nachsorge eine immer grössere Bedeutung zu. Die Strategie eHealth Schweiz setzt deshalb die Schwerpunkte auf Digitalisierung fördern, abstimmen und koordinieren sowie zur Digitalisierung befähigen. Ziele sind die Etablierung des elektronischen Patientendossiers, die Ermöglichung der Mehrfachnutzung von Daten und Infrastrukturen sowie die Unterstützung der Bevölkerung, damit sie kompetent, verantwortungs- und risikobewusst mit digitalen Gesundheitsdaten umgehen kann.
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HANDLUNGSBEDARF IN DER SCHWEIZ Allerdings kommt die Entwicklung in der Schweiz trotz des grossen Potenzials nur langsam voran. Wie weit der Weg noch ist, zeigt eine kürzlich durchgeführte Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach ist das Schweizer Gesundheitswesen in Sachen Digitalisierung im internationalen Vergleich weit abgeschlagen und belegt den 14. Platz. Gemäss der Studie habe die Schweiz «den Anschluss an andere digitalisierte Länder noch nicht gefunden». Dies liegt daran, dass sich die Implementierung digitaler Gesundheitsdienste wie das elektronische Patientendossier, die Telemedizin, E-Rezepte oder das elektronische Impfdossier noch in der Einführungsphase befinden, während sie in anderen europäischen Ländern Standard sind. 75 Jahre nachdem Konrad Zuse der Welt den ersten programmierbaren Computer präsentierte, werden noch viele Befunde und Forschungsergebnisse auf Papier festgehalten. Eine äusserst unbefriedigende Situation, denn das Schweizer Gesundheitssystem sieht sich mit zunehmenden Herausforderungen konfrontiert. Allen voran einer Bevölkerung, die immer älter wird und künftig mehr Pflege und medizinische Versorgung benötigt. Zugleich steigt der Fachkräftemangel. Die Krise hat das Potenzial, eine neue Antriebsfeder für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu werden. Um die Pandemie einzudämmen, arbeiten verschiedenste Bereiche zusammen und bringen Initiativen hervor, die einen wichtigen Beitrag zur Lösung bereits bekannter, aber auch neuer Probleme leisten. So gibt es neben der
Diagnose und Therapieforschung mittlerweile zahlreiche digitale Projekte zur Pandemie-Bekämpfung. Cloud-Dienste spielen bei dieser Entwicklung eine zunehmend wichtige Rolle. Mit ihnen können die enormen Datenmengen im Gesundheitswesen kostengünstig gespeichert und verarbeitet werden. Zudem stehen schlüsselfertige Dienste für Datenanalysen sowie moderne Verfahren wie maschinelles Lernen und KI zur Verfügung. Somit liefert die Cloud die Grundlage des gemeinsamen, innovativen Handelns diverser Teilnehmer in der Gesundheitsversorgung – auch für solche ohne tiefe technologische Expertise.
VERNETZUNG ZWISCHEN CLOUDANBIETER UND IDEENTRÄGER Damit neue Ansätze realisiert werden können, brauchen die Ideenträger flexible Lösungen, die es ihnen erlauben, ihre Idee schnell in die Tat umzusetzen. Dies ist eine Stärke, die gerade die Cloud mit sich bringt. Mit ihr können kurzfristig IT-Ressourcen bezogen und genau auf den eigenen Bedarf ausgerichtet werden, wobei nur für die Ressourcen bezahlt wird, die auch tatsächlich genutzt wurden. Ein Beispiel für das erfolgreiche Zusammenwirken eines schweizerischen Ideenträgers mit der Cloud ist die während des Lockdown gegründete Plattform Medical Informatics. AWS unterstützte die Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeitendender dabei, eine digitale Plattform aufzubauen, welche Spitäler mit medizinischem Fachpersonal oder anderen freiwilligen Helfern in Verbindung bringt. Über diese Plattform erhalten Krankenhäuser und Hilfsinstitutionen die
dringend benötigte Unterstützung bei der Bewältigung von Spitzen. Vor allem seit Covid-19 ist die sichere und reibungslose Kommunikation zu einem elementaren Baustein geworden, um die Geschäftskontinuität sowie die Gesundheit und Sicherheit der gesamten Belegschaft zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für Organisationen in systemkritischen Branchen wie dem Gesundheitswesen, der Lebensmittelherstellung, des Lebensmittel einzelhandels und der Logistik. Um diese Organisationen während der Krise zu unterstützen, hat Beekeeper ein Covid-19- Paket für seine Kommunikations-App entwickelt, das es Organisationen ermöglicht, die Krisenkommunikation für eine kostenlose Testphase in nur 48 Stunden zu starten. Verschiedene Lösungen von AWS ermöglichen eine schnelle Anwendung, weil die Ressourcen kurzfristig skalierbar sind.
DIGITALE GRUNDLAGEN SCHAFFEN Die Covid-19-Pademie stellt die Medizin wie alle anderen gesellschaftlichen Bereiche vor grosse Herausforderungen. Zugleich zeigt sie, wie viel bis dato ungenutztes Potenzial eine engere Vernetzung des Gesundheitswesens bietet. Mit modernen Entwicklungswerkzeugen, beispielsweise in der Cloud, lassen sich sehr schnell agile Projekte aufsetzen und zum Erfolg führen. Diese Möglichkeiten sollten auch nach der Krise genutzt werden. Nicht nur die Vernetzung der Wissenschaftler und der Datenund Wissensaustausch sollten ganz oben auf der Agenda stehen. Auch die Arbeit der IT-Profis, die kluge Ideen der Wissenschaftler in neue Datenmodelle überführen oder hilfreiche Apps für den Alltag von Patienten entwickeln, ist für die Nach-Corona-Ära unerlässlich. Das Gesundheitswesen könnte damit gut durch die Krise kommen und dauerhaft profitieren.
YVONNE BETTKOBER ist General Manager für Amazon Web Services (AWS) in der Schweiz. KI als Zweitmeinung kann dabei helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen.
www.aws.amazon.com
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Wer beim Thema Mobile Services gut aufgestellt ist, hat heute in der Branche einen klaren Vorteil.
OHNE MOBILE SERVICES GEHT NICHTS MEHR SOFTWARE FÜR HAUSTECHNIK, SANITÄR UND HEIZUNG von Joël Ch. Wuethrich
Im Frühling 2020 schlug die Stunde der Wahrheit für viele Unternehmen in der Sanitär-, Heizungs- und Haustechnik- sowie in der Baubranche: Welche Gesamtlösungen für die Bau- und Haustechnikbranche und welche Vernetzungen innerhalb der Unternehmen haben funktioniert? Waren die Mobile Services effizient, und konnte nahtlos auch während der verschärften Umsetzungsphase der Coronavirus-Massnahmen weitergearbeitet werden? Und wie sieht es in der unmittelbaren Zukunft aus?
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eine Frage, die letzten Monate haben der Bau- und Haustechnik-, der Sanitär- und der Heizungstechnikbranche einen enormen Digitalisierungsschub beschert. Dieser war bereits schon vor der Corona-Krise deutlich spürbar, und
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an der Swissbau 2020 zeigte sich dieser zudem noch am grossen Interesse an den Software-Lösungen im Bereich Vernetzungen, Planungen und Tools für die AuftragsAbwicklungen für Monteurinnen und Monteure. Jetzt erleben wir gewissermassen
eine «Digitalisierungs-Pandemie» in der gesamten Branche. Gefordert sind jene Unternehmen, die in der Branche eine passende Software für den mobilen Einsatz bieten. Und man wünscht sich in der Regel Gesamtlösungen, die eine effiziente
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OF-4 000-Branchenlösung erstellten und terminierten Aufträge werden dem Monteur in Echtzeit digital auf dem Tablet angezeigt. Die benötigten Materialien und Arbeitsstunden werden über digitale Ausmassblätter oder über IGH- und Suissetec-Kataloge erfasst. Dann wird der Auftrag hinterlegt und dem Büro zugesendet. Beim Abrechnen des Auftrages werden die Materialien automatisch in die Rechnung importiert. Verlorene Rapport-Dokumente oder das Entziffern von Handschriften gehören so der Vergangenheit an. Mit den Unterprogrammen von «OF 4 000» – OF-mobileStunden, OF-mobile-Termine und OF-mobile-Order – wird von überall Zugriff auf relevante Informationen ermöglicht und alles effizient und zeitgewinnend abgewickelt. So entstehen keine Doppelerfassungen, alles kann papierlos erledigt werden und das System ist zudem auch sicher.» Seit Januar 2020 das neue Führungsduo bei der OF-Software: Emanuel Morin und Pablo Gudenrath.
Umsetzung von Aufträgen in jeder Situation ermöglichen.
CORONAVIRUS BEFEUERTE MOBILE SERVICES Solche Gesamtlösungen sind nicht einfach nur ein Trend. Durch die zunehmende Durchsetzung der New-Work-Philosophien in fast allen Branchen wird eine totale Vernetzung der Arbeitsbereiche erreicht. Während der Coronavirus-Krise sehen sich viele Unternehmen in allen Branchen nun dazu gezwungen, sogar noch früher als geplant andere Arbeitsweisen wie eben Home Office und dezentrale Lösungen zu forcieren. Damit man in den zum Teil komplexen Arbeitswelten nicht komplett den Überblick verliert, braucht es nachhaltige und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Angebote. Pablo Gudenrath, Mitglied der Geschäftsleitung der OF-Software AG in Birsfelden BL: «Wir zum Beispiel erarbeiten mit unseren Kundinnen und Kunden die bestmöglichen Lösungen und Abläufe. So entwickelt sich bei uns wie auch bei den Kunden eine emotionale Bindung zum Projekt.» Es besteht, so Gudenrath, zudem ein starkes Bedürfnis bei der Kundschaft, alle Involvierten mit in die Arbeitsleistungen einzubeziehen. «In unserer Branche heisst das im Klartext: Alle, also auch Verwaltungen, Generalunternehmen und Architekten können Drittpersonen mit in den Bauprozess einbeziehen.»
Wir befinden uns also gewissermassen bereits schon in der Zukunft. Das Kerngeschäft von Unternehmen wie die OF-Software AG liegt bei der Entwicklung von SoftwareGesamtlösungen für die Bau- und Haustechnikbranche sowie bei der Schulung und dem Support im Tagesgeschäfts-Umgang. Es zeigt sich besonders in Zeiten, in welchen Software-Lösungen speziell effizient und zuverlässig sein müssen, wer gut vorgesorgt und eine nachhaltige Entscheidung getroffen hat. Gut dabei war, wer beim Thema Mobile Services gut aufgestellt ist.
TOTALE SYNCHRONISATION Die Idee dahinter ist: Mit den Mobile Services können Monteure direkt auf der Baustelle beziehungsweise beim Kunden Material und Stunden aus Ausmassblättern erfassen, Material beim Grossisten bestellen, Kleinofferten beispielsweise für Verwaltungen und Servicerechnungen erstellen. Die Daten werden automatisch synchronisiert, sobald das Tablet über eine Internetverbindung (3G, 4G, WLAN) verfügt. Mobile Services erlauben es, in diesen besonderen Zeiten das Social Distancing so zu betreiben, ohne dass man logistische oder arbeitsablauftechnische Nachteile hat, sagt auch Pablo Gudenrath. «Mit dem Mobile Service ist es Monteuren, hauptsächlich den Servicemonteuren, möglich, ohne grossen Kontakt mit dem Büro zu arbeiten. Ein Beispiel: Die in unserer
Der Schwerpunkt-Trend ist die Vernetzung des kompletten Unternehmens mit einer Software-Lösung aus einem Haus. Die Idee ist, dass mit der gleichen Betriebssoftware die Büromitarbeiter mit verschiedenen Funktionen – das heisst konkret beispielsweise die Projektleiter / innen, Sachbearbeiter / innen, Sekretärinnen und Sekretäre und die Geschäftsführung sowie die Monteurinnen und Monteure – also Servicemonteure, Baustellenmonteure, leitende Mitarbeiter / innen – mit den benötigten Tools ausgestattet werden. Diese Vernetzung schafft eine gemeinsame Plattform und bringt einen grossen Zeitgewinn, wo Doppelspurigkeiten vermieden werden. Das Ziel ist, für die führende Ebene eine einfache Übersicht auf sämtliche Daten, Termine und wichtige Kennzahlen zu bieten. Dieses Vorgehen bedient das stetig wachsende Bedürfnis, die involvierten Parteien in einer Betriebssoftware exakt zu steuern.
JOËL CH. WUETHRICH ist CEO einer Marketingagentur, Dozent und Mitarbeiter der Rundschau Medien AG www.of-software.ch www.news.of-software.ch
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SICHER KOMMUNIZIEREN VERLÄSSLICHE IT-LÖSUNGEN SIND EINE HERAUSFORDERUNG von Manuela Olgiati
Die Commend International GmbH in Salzburg ist eine der führenden Anbieterinnen von Systemen für Sicherheit und Kommunikation. Zu den internationalen Kunden zählen Einrichtungen des öffentlichen Strassenverkehrs, Flughäfen, Krankenhäuser, Gebäudesicherheit und Parkhäuser. Hier wird umfassende Intercom-Kommunikation notwendig, auch zu optimieren. So löst Baramundi das Patch-Management und Windows 10 mit dem passenden Unified Endpoint Management ab.
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ie Baramundi Management Suite ist ein modular aufgebautes System. Diese Vorgehensweise kam der Commend International GmbH gerade gelegen. Um die Probleme mit dem PatchManagement und Windows 10 zu lösen, suchte die Commend International GmbH nach einer Alternative. Etwa 250 Clients, verteilt auf rund 200 Server in der Entwicklungs- und Testumgebung werden bei der Commend verwaltet. Über 200 Mitarbeitende in der Salzburger Firmenzentrale
und mehr als 450 Mitarbeiter weltweit sowie 23 Tochterunternehmen und Partner arbeiten im Unternehmen. «Das Endpoint-Management wurde bei uns in der Vergangenheit über eine andere kommerzielle Softwarelösung unterstützt. Im Praxisalltag hat sich leider gezeigt, dass der dazugehörige Support für unsere Zwecke unzureichend war. Das zeigte sich besonders beim Umstieg auf Windows 10: Der Agent des Programms
Kommunikation ist der erste Schritt zur Sicherheit.
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unterband automatisch und kategorisch jede Kontaktaufnahme des Betriebssystems zu den Microsoft-Servern. Das hatte zur Folge, dass unsere Entwickler in ihrer Arbeit schwer beeinträchtigt wurden. Updates konnten nicht fehlerfrei aufgespielt werden, WSUS-Funktionen wurden verändert und die Übertragung von Systemdaten und Fehlerberichten durch Windows 10 wurden komplett unterbunden. Einfach gesagt: Das bestehende System war mit Windows 10 über-
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fordert», betont Wolfgang Zimmel, er ist zuständig für das Projektmanagement bei der Commend Internatoinal GmbH.
UMSTEIGEN AUF WINDOWS 10 «Die Suche nach einer neuen Lösung wurde dadurch erleichtert, dass einige unserer IT-Mitarbeiter bei ihren vorherigen Arbeitgebern bereits gute Erfahrungen mit Baramundi gemacht hatten. Nach einem Test mit der 30-Tage-Vollversion waren wir direkt überzeugt! Dank des simplen, intuitiven Designs unter einem einheitlichen Dashboard brauchten wir keine lange Einarbeitungszeit. Softwarepakete liessen sich im Baukastensystem ganz einfach und logisch zusammenbauen», schlussfolgert Zimmel und weiter: «Einschliesslich der Grundkonfiguration und des Roll-outs des Baramundi-Agents war das gesamte System schon nach zwei Tagen vollständig einsatzbereit, sodass wir im Unternehmen praktisch nahtlos weiterarbeiten konnten. Seither nutzen wir intensiv die Kombination des Vulnerability-Scanners mit automatisiertem Patchmanagement sowie der einfachen Softwareverteilung.»
HERAUSFORDERUNGEN DER MOBILITÄT Der hohe Anteil an Notebook-Nutzern war eine Herausforderung für die IT. Die Ursache dafür begründet Zimmel mit den Worten: «Da die Konnektivität beim mobilen Arbeiten nicht immer und überall gegeben ist, war es schwierig, die Geräte über regelmässig angesetzte Wartungsfenster auf dem neuesten Stand zu halten. User entfernten während des Update-Prozesses ihre Computer aus der Dockingstation und verursachten so einen Verbindungsabbruch.»
nungen vor aktuellen Phishing-Versuchen, Malware-Wellen und Crypto-Trojanern. Der Hinweis auf notwendige Updates hat Wirkung gezeigt: Mittlerweile verwenden viele User die Option, die bereitgehaltenen Updates selbst anzustossen, wenn es für sie am günstigsten ist und sie ihren Rechner nicht brauchen. Gegenwärtig arbeiten wir daran, das Konzept noch mit dem neuen Baramundi-Kiosk auszuweiten und auch ausgewählte Programme als Self-Service-Job bereitzustellen», betont Martin Posch, der IT-Manager von Commend.
WERKZEUG LIEFERN Die umfangreichen Automatisierungsfunktionen der Baramundi Management Suite haben dann endlich die nötige Infrastruktur geliefert. Zimmel fügt an: «Statt weiter nur E-Mails zu verschicken, konnten wir jetzt den Windows-10-Sperrbildschirm anstelle von Landschaftsbildern mit eigenen Awareness-Botschaften bestücken.»
MANUELA OLGIATI ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU.
«Wir verteilen jetzt automatisiert Erinnerungen über notwendige Updates, War-
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RETURN TO SENDER REVISION DES RECYCLINGSYSTEMS STÖSST AUF WIDERSTAND von Elisa Beck
Die Schweiz ist weltweit führend, wenn es um die Rate von recycelten Digitalgeräten geht – ganze 95 Prozent werden abgegeben und wiederverwertet. Auf diese Weise werden aus ausgedienten Geräten Wertstoffe gewonnen und wieder in den Materialkreislauf eingebracht. Nun steht diesem bisher gut funktionierenden Recyclingsystem eine Revision und damit womöglich eine Verstaatlichung bevor.
U
m die Umwelt zu schützen, ist konsequentes eRecycling unabdingbar. In der Schweiz kümmern sich daher private Organisationen wie Swico um das Recycling von Elektroschrott. Die Finanzierung funktioniert über freiwillige
Beiträge, die Händlerinnen oder Hersteller zahlen. Dafür sind für den Kunden beim Kauf ein paar Franken extra fürs Recycling eingerechnet. Swico sieht sich dabei im wahrsten Sinne als Ökosystem: In dem privatwirtschaftlich organisierten Verband
arbeiten mehrere Teilnehmer zusammen und gehen dabei auch untereinander symbiotische Beziehungen ein. Das Recycling von Elektrogeräten erfordert viel Zeit und Aufwand. Zwar können dabei
Ausrangierte Mobiltelefone machen einen grossen Teil des Elektroschrotts aus.
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gewonnene Materialien wie Kupfer oder Kunststoff weiterverkauft werden, dennoch sind die Betriebe auf die vorgezogene Recycling-Gebühr (vRG) angewiesen. Vorgezogen deshalb, weil die Kunden die Gebühr bereits beim Kauf des Elektrogerätes zahlen – vom kleinen Reiseföhn bis zur Waschmaschine. Dieses System hat über 20 Jahre gut funktioniert, ohne dass die Abgaben drastisch angehoben werden mussten. Nun stellen Geräte, die ohne Gebühr verkauft werden, einen Stolperstein dar.
PHÄNOMEN TRITTBRETTFAHRER Das Problem: Bei Geräten, die im Ausland gekauft werden, fehlt die Entsorgungsgebühr. Dennoch werden sie in der Schweiz entsorgt und sorgen so für eine Differenz, die beispielsweise an den Sammelstellen
der Gemeinden auffällt. Das Schweizer Erfolgsmodell beim Recycling kann durch diese Differenz in Gefahr geraten. Dabei ist eine geregelte Entsorgung existenziell für einen nachhaltigen Ansatz. Viel zu oft werden defekte oder ausgediente Geräte am Strassen- oder Waldrand deponiert, unter anderem, weil sie vom Verkäufer nicht zurückgenommen werden könnten. Sogenannte Trittbrettfahrer sind zum Beispiel ausländische Onlinehändler, auf welche die Bevölkerung – nicht zuletzt wegen Corona – vermehrt zurückgreift. So geraten immer mehr Geräte in Umlauf, für die beim Kauf kein Beitrag entrichtet wurde. Das alles macht den Geldstrom dünner, der über die vorgezogene Gebühr in den allgemeinen Recycling-Topf fliesst, sodass unterdessen alle Beteiligten – egal ob Händler, Sammelstellen oder Verwerter – Handlungsbedarf sehen. Dies blieb auch dem Parlament nicht verborgen: So schlägt der Bundesrat eine Reform des Recyclingsystems von digitalen Geräten vor. Das neue Konzept sieht vor, dass in Zukunft Elektronikhändler statt des Zuschlags auf die Geräte eine obligatorische Gebühr für deren spätere Entsorgung als Elektroschrott bezahlen. Auf diese Weise soll das Problem des Onlinehandels und Imports adressiert werden. Geschehen soll dies unter staatlicher Aufsicht, also nicht mehr länger privatwirtschaftlich und freiwillig. Damit soll Finanzierungslücken vorgebeugt werden – ohne jedoch, dass eben solche Lücken im laufenden System bekannt wären. Das geht natürlich auch die Betreiber des heutigen, freiwilligen Systems etwas an. Diese sind nicht einverstanden: So verlören sie den Einfluss auf das System und hätten keine Kontrolle mehr über Höhe und Verteilung der Gebühren. Und das, obwohl das aktuelle System gut und zuverlässig funktioniert.
sätzlicher Nutzen erreicht würde. Auch aus ökologischer Sicht bietet die Veränderung keinen erkennbaren Mehrwert, während sie den Konsumenten zusätzlich belastet. So kommt die Befürchtung einer Verteuerung des Recyclingbeitrags auf: Dadurch sinkt nicht nur der Anreiz der Rückgabe, es steigt auch das Risiko, dass ausgediente Geräte einfach «ausgesetzt» werden. Mit der Revision wird Swico die Betreuung der Sammelstellen entzogen. Diese bekommen einzelne Verträge mit der staatlichen Organisation – so wird das Recyclingsystem zu einer Zahlstelle für Sammelstellen. Kommunikation und Struktur untereinander gehen verloren, das von Swico beschriebene Ökosystem bröckelt.
CROWDING OUT … … heisst das Phänomen, wenn staatliche Unternehmen privatwirtschaftliche verdrängen. Dadurch, dass der Staat in einem solchen Fall selbst Güter bereitstellt, übergeht er private Angebote. Der Stein des Anstosses allerdings bleibt von dieser Lösung unberührt, das Problem, dass auch Onlinehändler für das Recycling zahlen müssen, wird nicht gelöst. Da ist es nur verständlich, dass die Vorlage des Bundesrates starken Gegenwind bekommt. Sie bringt zwar grundlegende Veränderungen, ohne aber eine deutliche Verbesserung zu präsentieren. Dennoch zeigt sie, dass das Recycling von elektronischen Geräten ein aktuelles Thema ist, das es im Sinne der Wirtschaft und der Nachhaltigkeit weiter zu verfolgen gilt. Ob die Fronten in diesem Fall verhärtet sind, oder ob die Kontrahenten realisieren, dass sie ein gemeinsames Ziel verfolgen und darüber zusammenfinden, werden die zukünftigen Verhandlungen zeigen.
RESSENTIMENTS GEGEN REVISION Eine Revision würde für das Recyclingsystem, wie es seit 25 Jahren besteht, das Ende bedeuten. Dagegen besteht, nicht nur von Swico, eine breite Ablehnung. Gründe sind die massive Aufblähung des administrativen Apparates und hohe infrastrukturelle, finanzielle und personelle Ressourcen, ohne dass dadurch ein zu-
ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRRUNDSCHAU. www.swico.ch
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IT-SICHERHEIT
CORONA: KRISENURSACHE ODER NUR -AUSLÖSER? DIE SITUATION ALS CHANCE ZUM WANDEL NUTZEN von Dr. Georg Kraus
Viele Unternehmen befinden sich zurzeit in einer existenziellen Krise und müssen einen TurnaroundProzess vollziehen. Das heisst, die Weichen in der Organisation müssen neu gestellt werden. Dieser Changeprozess gelingt nur, wenn die wahren Problemursachen ermittelt und bekämpft werden.
Für einen Turnaround braucht es Entschlossenheit und Zuversicht.
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IT-SICHERHEIT
A
ktuell befinden sich Corona-bedingt viele Unternehmen in einer Situation, in der ihre Existenz akut bedroht ist. Und in den kommenden Monaten werden weitere in diese Situation geraten. Das heisst, sie müssen einen Turnaround vollziehen, um mittel- und langfristig zu überleben. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, in dem – wie der englische Begriff «turn around» bereits andeutet – die Vorzeichen, unter denen die Entwicklung des Unternehmens steht, umgedreht werden. Sie werden weg vom Negativen ins Positive gewendet, sodass
die Existenz des Unternehmens wieder gesichert ist und dieses wieder voller Zuversicht in die Zukunft blickt, weil es sich erkenn- und messbar wieder in der Erfolgsspur befindet.
EXISTENZIELLE KRISEN ALS RESULTAT EINES PROZESSES Aktuell befinden sich recht viele Unternehmen in einer existenziellen Krise, von denen noch vor wenigen Monaten alle Stakeholder dachten: Das Unternehmen ist kerngesund. Insofern unterscheidet sich die Ist-Situation von «normalen Zeiten». In ihnen sind existenzgefährdende Krisensituationen meist das Resultat eines längerfristigen Prozesses; längerfristig deshalb, weil es meist einige Zeit dauert, bis im Top-Management allmählich die Erkenntnis reift: Wir müssen einen Turnaround vollziehen. In der Regel ist der Anlass hierfür ein akutes betriebliches Problem: Beispielsweise sinkt der Umsatz aufgrund eines veränderten Marktumfelds (Absatz- und Umsatzkrise), die (Fix-)Kosten sind zu hoch, zum Beispiel aufgrund einer geringen Prozesseffizienz (Kostenkrise) oder die Finanzierung des laufenden Geschäfts ist bedroht, beispielsweise aufgrund einer steigenden Verschuldung (Finanz- und Liquiditätskrise). Ein weiterer Anlass ist das Management, wenn es nicht handlungsfähig ist, zum Beispiel, weil es uneins ist (Managementkrise). Werden diese Problemfelder rechtzeitig erkannt und die erforderlichen Gegenmassnahmen ergriffen, dann muss zum Beispiel aus der Managementkrise oder Absatzkrise eines Unternehmens keine Existenzkrise werden, die letztlich nicht nur einen Turnaround, sondern auch eine Sanierung des Unternehmens erfordert.
VON DER MANAGEMENTKRISE IN DIE EXISTENZKRISE Analysiert man die Ursachen, warum Unternehmen in einer Existenzkrise stecken, dann zeigt sich oft folgender Verlauf: Aus einer Managementkrise erwuchs eine strategische Krise. Diese führte zu einer Absatzund Umsatzkrise, die wiederum zu einer Ertrags- und Liquiditätskrise führte, die ihrerseits die Existenzkrise auslöste. Exemplarisch liess sich dieser Verlauf bei vielen Automobilindustrie-Zulieferern beobachten, die in jüngster Zeit einen Personalabbau oder gar eine Insolvenz verkündet haben. Sie machten sich in der Vergangenheit
oft in einem zu hohen Masse abhängig von zwei, drei Schlüsselkunden und bestimmten technischen Problemlösungen. Und diese «strategische Krise» führte – bereits vor Corona – zu einer Absatz-, Ertrags- und Liquiditätskrise, die vereinzelt zu einer Existenzkrise wurde. Ähnliche Prozesse liessen sich im Bankensektor bei den Geldinstituten beobachten, die auf die Niedrigzinspolitik der EZB und den Strukturwandel im Finanzsektor nicht adäquat reagierten. Deshalb sollte in jedem Unternehmen ein Alarmsystem existieren, das Problemfelder in der Organisation so frühzeitig signalisiert, dass Existenzkrisen vermieden werden können.
CORONA: NICHT SELTEN NUR EIN BRANDBESCHLEUNIGER Hätte ein solches Alarmsystem existiert, hätte es jedoch bei der Covid-19-Pandemie in den meisten Unternehmen, speziell im KMU-Bereich, versagt. Warum? Mit diesem «Schwarzen Schwan», also unvorhergesehenen Ereignis rechnete (fast) niemand. Also war es auch nicht in den vorhandenen Alarmsystemen vorgesehen. Entsprechend gross ist denn auch aktuell die Gefahr, dass Unternehmen, wenn sie in eine existenzielle Krise geraten, die Ursache allein in Corona sehen und eine tiefergehende Ursachenforschung unterbleibt. Beschäftigt man sich jedoch intensiver mit der Frage, warum manche Unternehmen ein- und derselben Branche in eine existenzielle Krise gerieten und andere nicht, dann zeigt sich oft: Die Covid-19-Pandemie war zwar der Auslöser der Krise, jedoch nicht deren (alleinige) Ursache. Sie wirkte letztlich nur wie ein Brandbeschleuniger, der latent vorhandene Probleme offen zutage treten liess – sei es im Bereich Finanzen (zum Beispiel Eigenkapital), Marktbearbeitung (zum Beispiel Kundenstruktur) oder Innovation (zum Beispiel Digitalisierung, Produktentwicklung). Entsprechend gross ist die Gefahr, wenn Unternehmen aktuell – aus nachvollziehbaren Gründen – vorschnell Covid-19 als alleinigen Verursacher ihrer aktuellen Existenzkrise ausmachen, diese nicht erfolgreich meistern. Vielmehr wird auf die erste Existenzkrise in naher Zukunft eine zweite folgen, da die wahren Problemursachen nicht beseitigt wurden.
«STAATSKNETE» VERDECKT AKTUELL OFT EXISTENZKRISE Befindet sich ein Unternehmen in einer Existenzkrise, dann ist in der Regel auch
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IT-SICHERHEIT
seine Liquidität bedroht. Also gilt es, diese zunächst wieder herzustellen, damit das Unternehmen zahlungsfähig bleibt. Das haben viele Unternehmen in den Monaten nach dem Lockdown auch mit Staatshilfe getan. Hierdurch wurde ihre existenzbedrohende Ist-Situation zwar entschärft, aber nicht aufgehoben. Sie wird offen zutage treten, wenn die staatliche Subvention entfällt. Dann dürfte die bisher verdeckte Krise nicht selten schwer zu lösen sein, denn: Befindet sich ein Unternehmen – beispielsweise, weil sein Geschäftsmodell überholt ist – in einer Existenzkrise, sind auch die potenziellen Geldgeber wie Banken und Investoren nur noch bedingt bereit, dem betroffenen Unternehmen die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, weil sie wissen: Die angestrebte Sanierung
MITARBEITER FÜHREN IN DER KRISE – ACHT TIPPS Wenn einem Unternehmen die Erträge wegbrechen und dieses im Extremfall in eine Existenzkrise gerät, wird dessen Führungsmannschaft auf eine harte Probe gestellt. Einige Maximen, die Führungskräfte in schlechten Zeiten beherzigen sollten. 1. Offen kommunizieren: Ihre Mitarbeiter sind nicht dumm. Sie spüren es schnell, wenn im Gebälk eines Unternehmens ein Feuer anfängt zu knistern. Informieren Sie Ihre Mitarbeiter früh, wenn Ihr Unternehmen in der Krise steckt, denn nur dann können Sie diese als Mitstreiter bei der Bewältigung gewinnen. 2. Ehrlich sein: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter offen über die möglichen Auswirkungen der Krise. Sonst brodelt die Gerüchte küche, und das Feuer wird – in den Köpfen der Mitarbeiter – immer grösser. Informieren Sie die Mitarbeiter auch darüber, welche Massnahmen ergriffen werden. 3. Rückgrat zeigen: Stehen Sie zu Ihren Entscheidungen, um die Krise zu meistern – selbst wenn diese für Mitarbeiter negative Auswirkungen haben. 4. Fair bleiben: Appellieren Sie möglichst selten an das Wir-Gefühl, um mehr Leistung aus den Mitarbeitern herauszupressen. Denn dann fühlen sie sich zu Recht genarrt, wenn zum Beispiel Entlassungen folgen.
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erfordert Zeit und sie wird den grössten Teil der Finanzmittel verschlingen. Ähnlich verhält es sich bei vielen Lieferanten. Sie sind oft nur noch gegen Vorkasse zu einer Zusammenarbeit bereit, sofern ihnen kein in ihren Augen überzeugendes Konzept vorliegt, wie das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zurückfindet.
aufbauend gilt es dann beispielsweise zu ermitteln, warum die Produkte zu teuer sind. Zum Beispiel, weil die Beschaffungskosten des Unternehmens zu hoch sind? Oder weil seine Produktionsprozesse ineffizient sind? Oder weil die Kosten-Nutzen-Relation der Problemlösung aus Kundensicht zu niedrig ist? Oder weil …?
Problemwurzeln ermitteln und analysieren Deshalb ist der erste Sanierungsschritt stets eine fundierte Analyse, warum das Unternehmen in der Krise steckt. Das heisst, sich Fragen stellen wie: Warum werden die Produkte / Problemlösungen des Unternehmens nicht mehr nachgefragt? Zum Beispiel, weil sie zu teuer sind? Oder weil sie technisch veraltet sind? Oder weil der Service nicht stimmt? Oder weil …? Hierauf
Erst durch dieses konsequente Nach- und Weiterfragen gelangt man zu den eigentlichen Problemursachen. Doch dies allein genügt nicht, um nachhaltige Problemlösungen zu entwerfen. Wichtig ist auch, sich zu fragen: Warum wurde das Problem nicht früher erkannt und gelöst? Zum Beispiel, weil ein Alarmsystem fehlt? Oder weil dem Unternehmen die dafür nötigen Kompetenzen fehlen? Oder weil …?
5. Orientierung geben: Stimmen Sie nicht in das allgemeine Krisengejammer ein, wenn Sie mit Ihren Mitarbeitern zusammensitzen. Zeigen Sie ihnen Wege auf, wie die Krise gemeistert werden kann, damit Ihre Mitarbeiter spüren: Erfolg ist machbar. 6. Halt bieten: Vereinbaren Sie mit Ihren Mitarbeitern, was sie tun sollen, um ihren Beitrag zum Meistern der Krise zu leisten. Definieren Sie mit ihnen Meilensteine, die es auf dem Weg aus der Krise zu passieren gilt. 7. Konsequent sein: Kontrollieren Sie zwischenzeitlich, ob die Mitarbeiter auf dem richtigen Weg sind. Schreiten Sie ein, wenn Einzelne die Stimmung ihrer Kollegen mit Krisengerede «vergiften». Bitten Sie den Mitarbeiter dann zu einem Gespräch und fragen Sie ihn: «Wie beurteilen Sie unsere Erfolgsaussichten?» Wenn er dann jammert, sagen Sie zu ihm: «Wir haben zwei Möglichkeiten: entweder zuzuschauen, wie alles noch schlechter wird, oder dafür zu sorgen, dass alles besser wird. Welchen Weg bevorzugen Sie?» Mit Sicherheit bevorzugt der Mitarbeiter den zweiten Weg. 8. Erfolge feiern: Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über (Teil-)Erfolge beim Bewältigen der Krise und lassen Sie eventuell auch mal die «Sektkorken» knallen. Das spornt sie an und vermittelt ihnen das Gefühl: Wir sind auf dem richtigen Weg.
Eine fundierte Analyse der Krisenursachen gelingt Unternehmen insbesondere in der aktuellen Situation, in der für fast alles die Ausrede «Corona» existiert, in der Regel nur mit externer Unterstützung, denn: Das nachfragende Bohren in der Ist-Situation und Historie des Unternehmens, um die Problemwurzeln zu ermitteln, ist ein schmerzhafter Prozess, bei dem auch Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit ans Licht gezerrt werden – auch Fehler und Versäumnisse des Managements. Deshalb sind mit der Sanierung eines Unternehmens meist auch personelle Wechsel auf der Managementebene verbunden.
SANIERUNGSKONZEPT UND -GUTACHTEN ERSTELLEN Liegen die Analyseergebnisse vor, kann ein Sanierungskonzept erstellt werden, in dem die Massnahmen, mit denen das Unternehmen seine Markt- und Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen möchte, definiert, quantifiziert, budgetiert und terminiert werden. Das Sanierungskonzept dient als Grundlage für das Sanierungsgutachten. Mit ihm sollen unter anderem die (potenziellen) Investoren und Kapitalgeber des Unternehmens von dessen Sanierungsfähigkeit überzeugt werden. In dieses Gutachten fliessen zahlreiche in- und externe Faktoren ein, wie zum Beispiel die Attraktivität des Marktes des Unternehmens, dessen angestrebtes künftiges Geschäftsmodell und die künftigen Geschäftsrisiken. Im Sanierungsgutachten wird auch geprüft, inwieweit das Sanierungskonzept
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mehr akut bedroht. Der Turnaround ist somit ein zentraler Meilenstein in dem Changeprozess, der auf die Sanierung des Unternehmens und die Wiederherstellung seiner Wettbewerbsfähigkeit abzielt. Um diesen Meilenstein zu erreichen, ist meist ein Bündel von Massnahmen nötig, die zum Beispiel auf eine Senkung der Fixkosten, eine Steigerung der Produktivität und Qualität, eine Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und ein Sicherstellen der Liquidität abzielen. Diese Massnahmen sind zumindest für Teile der Belegschaft meist sehr schmerzhaft, denn mit ihnen geht neben einer Umstrukturierung häufig ein Personalabbau einher. Zudem erfordert das Erreichen des Ziels der Massnahmen meist ein radikales Umdenken sowie Aufgeben liebgewonnener, nicht selten identitätsstiftender Routinen und Verhaltensmuster. Entsprechend schwer ist der auf einen Turnaround abzielende Changeprozess zu managen – unter anderem, weil er meist auf Widerstände stösst; gerade in Zeiten wie den aktuellen, in denen für vieles die bequeme Ausrede Corona existiert.
WIEDER ZUVERSICHTLICH IN DIE ZUKUNFT BLICKEN
Wenn im Gebälk eines Unternehmens ein Feuer anfängt zu knistern, spüren dies die Mitarbeiter schnell.
tatsächlich geeignet ist, das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zu führen. Beurteilt werden unter anderem die Schlüssigkeit und Finanzierbarkeit der beabsichtigten Massnahmen sowie deren Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Zudem werden Alternativrechnungen durchgeführt, die unter anderem die Planungsunsicherheiten berücksichtigen. Ausserdem werden in dem Gutachten die kritischen Prämissen dargestellt, auf denen die Planungen beruhen (zum Beispiel Markt- / Konjunkturentwicklung, Entwicklung der Rohstoffpreise, Fortbestand der Verträge mit Grosskunden, ein CoronaImpfstoff wird gefunden).
DEN MEILENSTEIN TURNAROUND ERREICHEN Aufgrund des Sanierungsgutachtens treffen die Kapitalgeber ihre Entscheidung, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen sie dem Unternehmen die für die Sanierung nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Danach kann bei einem positiven Bescheid die eigentliche Sanierung beginnen, deren erstes Teilziel das Erreichen des Turnarounds ist. Stellt das Management eines Unternehmens fest: «Wir haben den Turnaround geschafft», bedeutet dies: Das ehemals «kranke», in seiner Existenz bedrohte Unternehmen befindet sich wieder in der Erfolgsspur; seine Existenz ist nicht
Gemessen wird das Erreichen des Turnarounds meist mittels vorab definierter Kennzahlen wie zum Beispiel Cashflow, Umsatz, Rendite, Durchlaufzeiten. Werden diese erreicht, bedeutet dies aus Change-Management-Warte: Das Unternehmen hat das sogenannte Tal der Tränen durchschritten. Es kann wieder hoffnungsfroh in die Zukunft blicken, sofern es den eingeschlagenen Kurs beibehält. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn in dem Turnaround-Prozess die wahren Krisen- bzw. Brandursachen beseitigt wurden und nicht nur der Brandbeschleuniger Corona bekämpft wurde.
DR. GEORG KRAUS ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. www.kraus-und-partner.de
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Schutz vor den entstehenden Bedrohungen entwickeln.
EFFIZIENZ, ABWEHR UND SCHUTZ CLOUD-BASIERTE LÖSUNGEN FÜR EINE ERHÖHTE SICHERHEIT von Daniel Schmutz
Cloud-Lösungen erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit und sind eine treibende Kraft der digitalen Transformation. Es geht jedoch nicht nur um das Thema Datensicherung, sondern um eine Vielzahl von anderen wichtigen Anwendungen, die auch direkt aus der Cloud betrieben werden. Für einen erfolgreichen Gang in die Cloud sind passende Software-Lösungen eine wichtige Grundlage, die dann enorme Chancen ermöglichen. Sicherheitsfragen sollten dabei in jeder Stufe der Entscheidungsfindung eine zentrale Rolle spielen.
V
iele Unternehmen haben zunehmend mit veralteten IT-Systemen zu kämpfen. Ob alte und langsame Hardware oder Software – der Hersteller stellt keine Updates mehr dafür bereit. Ist die Infrastruktur nicht mehr auf dem aktuellen Stand, verlangsamt das nicht nur die tägliche Arbeit, es kann auch gravierende Folgen für die Sicherheit haben. Denn gerade Schwachstellen in alten IT-Systemen,
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die vom Hersteller nicht mehr geschlossen werden, sind geradezu eine Einladung an Hacker. Insbesondere für KMU-Verantwortliche stellt die Erneuerung ihrer IT-Infrastruktur jedoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Einerseits haben sie oftmals nur begrenzte finanzielle Mittel, andererseits fehlen vielfach auch die personellen Ressourcen, um geeignete Systeme auszuwählen, zu beschaffen und
in Betrieb zu nehmen. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich deshalb für Software-as-a-Service (SaaS) aus der Cloud. Diese Art der Bereitstellung hat zahlreiche Vorteile. So müssen sich die Unternehmen nicht mehr selbst um den zuverlässigen Betrieb und die regelmässige Aktualisierung der Software kümmern, denn dies wird im Rahmen der Dienstleistung vom Anbieter übernommen.
IT-SICHERHEIT
OFFICE UND ZUSAMMENARBEIT IN DER CLOUD Besonders beliebte Beispiele für solche Lösungen sind Microsoft 365 oder die Google G Suite, bei denen regelmässig verwendete Office-Anwendungen direkt in der Cloud genutzt werden, so in der Covid-19-Pandemie, in der plötzlich eine grosse Anzahl von Mitarbeitern von zu Hause aus arbeitete. Zudem haben Collaboration-Plattformen wie Dropbox noch einmal massiv an Bedeutung gewonnen. Leider sind gerade diese Lösungen häufige Ziele von Cyberkriminellen, welche sie als mögliche Einfallstore in Unternehmenssysteme identifiziert haben. Unternehmen müssen deshalb besonders auf die Sicherheit der von ihnen genutzten Lösungen achten. Denn auch wenn SaaS-Angebote durch regelmässige Updates bereits einen Sicherheitsvorteil bieten, bedeutet dies nicht, dass sie nicht angreifbar wären. In der Regel stellen die Anbieter dieser Lösungen auch nur ein Mindestmass an Sicherheit bereit, das vom Nutzer noch entsprechend ergänzt werden sollte. Gerade E-Mail-Lösungen stehen hier im Fokus, gelangten doch im vergangenen Jahr über 90 Prozent der durch Trend Micro blockierten Bedrohungen mittels bösartiger E-Mails in die Unternehmen. Mit Cloud App Security hat das Unternehmen Trend Micro eine Cloud-basierte Lösung im Angebot, mit der die Sicherheit einer Reihe von Office- und CollaborationPlattformen wie Office 365 deutlich erhöht werden kann. Die zweite Verteidigungsebene von Trend Micro fängt dabei die
Bedrohungen ab, die von den integrierten Sicherheitsfunktionen der Cloud-Dienste von Microsoft und Google nicht erkannt werden. Im Jahr 2019 konnten so insgesamt 12.7 Millionen hoch riskante E-MailBedrohungen abgefangen werden.
VIELFÄLTIGE BEDROHUNGEN Dabei sind die Cyberangriffe mittels E-Mail durchaus vielfältig: Die meisten der 2019 blockierten, risikobehafteten E-Mails standen im Zusammenhang mit Phishing-Versuchen. Die Cyberkriminellen versuchen ihre Opfer auf gefälschte Webseiten zu locken, um dort vertrauliche Informationen wie Zugangsdaten oder Zahlungsinformationen zu stehlen. Im vergangenen Jahr nahmen vor allem die Phishing-Versuche nach Zugangsdaten (Credential Phishing) um 35 Prozent zu. Darüber hinaus stieg die Zahl der unbekannten Phishing-Links bei Angriffen dieser Art massiv an. Das deutet darauf hin, dass Betrüger immer häufiger neue Webseiten registrieren, um nicht entdeckt zu werden. Dementsprechend sind neben technischen Massnahmen auch Awareness-Schulungen für die Mitarbeiter wichtig, um sich vor Phishing-Angriffen zu schützen. Je weniger Mitarbeiter überhaupt auf verdächtige Links klicken, desto besser! Eine weitere Bedrohung sind Angriffe durch Business E-Mail Compromise (BEC, auch als CEO-Fraud bekannt). Dabei geben sich die Angreifer als Vorgesetzte aus und versuchen die Buchhaltung dazu zu bewegen, hohe Geldbeträge auf ihre Konten zu überweisen. Die Kriminellen werden immer
besser darin, die erste Verteidigungsebene gegen BEC-Angriffe auszutricksen, die typischerweise den Inhalt von E-Mails auf Angreiferverhalten hin untersucht. Die Cloud App Security von Trend Micro blockierte im Jahr 2019 fast 400’000 versuchte BEC-Angriffe – das sind 271 Prozent mehr als noch 2018. Doch auch die beste Sicherheitslösung bietet keinen vollständigen Schutz vor ausgefeilten BEC-Versuchen. Hier sind klar definierte Prozesse und ein Vier-Augen-Prinzip bei der Anweisung von Zahlungen wichtig. Zudem sollte eine Unternehmenskultur geschaffen werden, die es Mitarbeitern leicht macht, solche Anweisungen von Vorgesetzten zu hinterfragen und ihre Echtheit zu verifizieren. Noch immer anzutreffen sind auch kompromittierte Anhänge – beispielsweise durch bösartige Macros in Office-Dokumenten oder infizierte PDFs. Solche Angriffe sind durch den Einsatz einer zeitgemässen Sicherheitslösung jedoch gut zu verhindern. Diese sollte dafür idealerweise eine Sandboxing-Funktion mitbringen. Bei einer Sandbox handelt es sich um einen vom restlichen System abgeschotteten Bereich, in dem Software geschützt ausgeführt werden kann. Damit lässt sich das Verhalten eines Programms beobachten, ohne die restliche Systemumgebung zu gefährden.
EINE GUTE WAHL – WENN DIE SICHERHEIT STIMMT Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Nutzung von SaaS-Lösungen zahlreiche, nicht zu unterschätzende Vorteile bietet – gerade auch für KMU-Verantwortliche. Unternehmen, die sich für ihren Einsatz entscheiden, sollten dabei darauf achten, einen vertrauenswürdigen Partner für die Implementierung auszuwählen. Zudem sollten sie stets ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit legen.
DANIEL SCHMUTZ ist Head of Channel und Marketing für die Schweiz und Österreich bei Trend Micro. Die meisten der blockierten E-Mails standen im Zusammenhang mit Phishing-Versuchen.
www.trendmicro.com
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KOLUMNE
DAS UNTERSCHÄTZTE SICHERHEITSRISIKO von Torsten Bechler
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eistungsstarke Drucker spielen eine Schlüsselrolle in der modernen Arbeitswelt, denn sie können weit mehr als nur drucken: Intelligent und vielfach vernetzt straffen sie verwaltungsintensive Prozesse und schaffen die entscheidende Verbindung zwischen analoger und digitaler Informationsverarbeitung. Dass sie ein potenzielles Einfallstor für Cyberkriminelle darstellen, sollte mittlerweile allen Büroangestellten klar sein – spätestens seit den aufsehenerregenden Fällen in den vergangenen Jahren, als ethische Hacker wie «Stackoverflowin» auf die Schwachstellen in der Druckerlandschaft aufmerksam machten.
Dass das Thema von den meisten Menschen jedoch nach wie vor unterschätzt wird, zeigt eine aktuelle europäische Studie, die Sharp unter mehr als 5 500 Büro angestellten aus kleinen und mittleren Unternehmen durchgeführt hat: 91 Prozent der Befragten sehen in modernen Multifunktionsdruckern kein ernst zu nehmendes IT-Sicherheitsrisiko – und das, obwohl die Cyberkriminalität weltweit seit Jahren drastisch zunimmt. Nur einer von zehn Befragten war sich darüber im Klaren, dass die Systeme überhaupt gehackt werden können oder über eine Festplatte verfügen, auf der sensible Daten gespeichert werden. Zahlreiche Drucker sind nicht einmal durch ein simples Passwort geschützt und können im Netz von jedem frei angesteuert werden. Entsprechend leicht ist es für Hacker, an vertrauliche Informationen zu gelangen oder sich über den nicht sicher konfigurierten Drucker im ganzen Unternehmensnetzwerk auszubreiten. Ein anderes, weit verbreitetes Problem entsteht bei der Rückgabe gebrauchter Geräte. Häufig befinden sich dabei noch Daten auf der Festplatte des Geräts, die, meist aus Unwissenheit, nicht oder nur unvollständig gelöscht wurden. Das können gescannte Bilder, Druckaufträge, Systemeinstellungen, Benutzerkonten sowie Dokumente aller Art in den digitalen Speichern sein. Datenschutzrechtlich wäre das ein Desaster, bei dem enorme finanzielle Schäden sowie Reputationskrisen drohen.
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Diesen Herausforderungen lässt sich auf technischer Ebene durch entsprechende Authentifizierungsmassnahmen und Löschmechanismen sehr einfach begegnen: Genau wie ein PC oder mobile Endgeräte kann und muss ein moderner Drucker gegen Angriffe geschützt werden. Da die vorhandenen Möglichkeiten in diesem Bereich jedoch unzureichend genutzt werden, gilt es zunächst, ein grundlegendes Bewusstsein innerhalb der Unternehmen für MFP-Sicherheit (Multifunktionsprodukte) zu schaffen. Denn jenseits der technischen Ebene beginnt umfassende IT- Sicherheit immer mit dem risikobewussten Verhalten jedes Einzelnen. Dazu gehört beispielsweise auch, dass Kopien und vertrauliche Dokumente direkt nach dem Druck- oder Kopiervorgang am Drucker abgeholt werden und nicht stundenlang für jeden offen einsehbar in der Ablage verbleiben. So banal das klingt, so häufig wird es vergessen. In einer Studie unseres Hauses gab mehr als die Hälfte der Befragten an, noch nie eine Schulung oder Weiterbildung zum Thema sicheres Drucken und Scannen erhalten zu haben. Hier müssen Unternehmen dringend aufrüsten. Verbindliche Richtlinien und AwarenessTrainings zur Nutzung der Multifunktionsgeräte helfen, eine durchgängige Sensibilität für Risiken und sicherheitskonformes Verhalten unter den Mitarbeitern zu schaffen. Hierfür hat Sharp gemeinsam mit dem ethischen Hacker Jens Müller einen Security-Leitfaden erstellt, der sich insbesondere an KMU richtet und dabei hilft, die grundlegendsten Massnahmen Schritt für Schritt umzusetzen.
TORSTEN BECHLER ist Manager Product Marketing der Sharp Business Systems Deutschland GmbH. www.sharp.ch
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IT-SICHERHEIT
Die zunehmende globale Vernetzung ist auch für Hacker interessant.
FORTINET THREAT LANDSCAPE REPORT CYBERANGREIFER PROFITIEREN ENORM VON DER PANDEMIE von Derek Manky
Cyberkriminelle zielen im ersten Halbjahr 2020 auf Heimarbeitsplätze ab, um Zugang zu Unternehmensnetzwerken und kritischen Daten zu erhalten. Fortinet, Anbieter von integrierten und automatisierten Cybersecurity-Lösungen, stellt die Ergebnisse des FortiGuard Labs Global Threat Landscape Report für das erste Halbjahr 2020 vor.
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ie FortiGuard-Labs-Bedrohungs daten des ersten Halbjahres 2020 zeigen, in welch dramatischem Ausmass sich Cyberkriminelle die globale Pandemie zunutze gemacht haben, um Cyberangriffe auf der ganzen Welt durchzuführen. Dabei nutzten die Angreifer die Furcht und Unsicherheit aufgrund der aktuellen Ereignisse sowie die plötzliche Fülle von Telearbeitern ausserhalb des Unternehmensnetzwerks aus. Fortinet hat die meisten Bedrohungen weltweit und branchenübergreifend beobachtet, mit einigen regionalen oder branchenspezifischen Unterschieden. Ähnlich wie die Covid-19-Pandemie hat eine bestimmte Bedrohung in einem Gebiet begonnen, sich aber schliesslich fast überall ausgebreitet, sodass die meisten Unternehmen der Bedrohung ausgesetzt waren.
AUSNUTZEN GLOBALER EREIGNISSE Angreifer haben schon früher Schlagzeilen als Social-Engineering-Köder genutzt, doch in der ersten Hälfte 2020 hat dies eine neue Dimension erreicht. Von opportunistischen Phishing-Angriffen bis hin zu hinterhältigen nationalstaatlichen Operationen fanden Cybergegner vielfältige Möglichkeiten, um aus der globalen Pandemie ihren Vorteil zu ziehen. Sie haben sowohl den glo-
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balen Charakter der Pandemie als auch die gleichzeitige Erweiterung der digitalen Angriffsfläche durch die plötzlich sehr hohe Anzahl an Heimarbeitsplätzen ausgenutzt. Die Zunahme der Fernarbeit führte fast über Nacht zu einer dramatischen Veränderung der Unternehmensnetzwerke, die Cybergegner sofort als Chance genutzt haben. Im ersten Halbjahr 2020 standen Ausbeutungsversuche gegen Router und IoT- Geräte der Endverbraucherklasse ganz oben auf der Liste der IPS-Erkennungen. Diese Trends sind insofern bemerkenswert, als sie zeigen, wie sich der Netzwerkrand, das Perimeter, bis nach Hause ausgedehnt hat. Cyberkriminelle versuchen hier über Geräte, mit denen Remote-Mitarbeiter eine Verbindung zu den Netzwerken ihres Unternehmens herstellen könnten, ins Unternehmensnetzwerk zu gelangen.
BROWSER ALS EINFALLSTORE Für Angreifer war der Umstieg auf Telearbeit eine noch nie dagewesene Gelegenheit, Nutzer auf verschiedene Arten ins Visier zu nehmen. Beispielsweise hat Web-basierte Malware, die bei Phishing- Kampagnen und anderen Betrügereien eingesetzt wurde, Anfang dieses Jahres den traditionellen Vektor der E-Mail-Zusendung verdrängt. Dies deutet darauf hin, dass Cyberkriminelle ihre Angriffe
gezielt dann durchführen, wenn Nutzer am anfälligsten sind und zu Hause arglos im Internet surfen. Nicht nur Geräte, sondern auch Webbrowser sind also die Hauptziele von Cyberbetrügern. Ransomware bleibt: Bekannte Bedrohungen wie Ransomware nehmen trotzdem nicht ab. Covid-19-themenbezogene Nachrichten und Anhänge wurden in verschiedenen Ransomware-Kampagnen als Köder eingesetzt. Eine andere Ransomware überschrieb den Master Boot Record (MBR) des Computers, bevor die Daten verschlüsselt wurden. Dieser Trend erhöht das Risiko, dass Unternehmen bei künftigen Ransomware-Angriffen wertvolle Informationen oder sensible Daten verlieren. Weltweit blieb keine Branche von Ransomware verschont. Die fünf am stärksten von Ransomware betroffenen Sektoren sind Telekommunikation, Managed Security Service Provider (MSSP), Bildungswesen, Regierung und Behörden sowie Technologie. Der Anstieg der Nutzung von Ransomware-as-a-Service (RaaS) und die Entwicklung weiterer Varianten deuten darauf hin, dass Ransomware bleiben wird.
EXPLOITATION-TRENDS Ein Blick in die CVE-Liste (Common Vulnerabilities and Exposures) zeigt, dass die Zahl der neu veröffentlichten Schwachstellen in
CIRCULAR FE
IT-SICHERHEIT
den letzten Jahren gestiegen ist. Dies hat eine Diskussion über die Prioritätensetzung beim Patchen ausgelöst. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde 2020 das Jahr mit den meisten veröffentlichten Schwachstellen werden. Tatsächlich gab es für die in diesem Jahr entdeckten Schwachstellen jedoch bisher die niedrigste Ausbeutungsrate, die jemals in der 20-jährigen Geschichte der CVE-Liste verzeichnet wurde. Schwachstellen aus 2018 erreichten mit 65 Prozent die höchste Ausbeutungsrate. Gleichzeitig registrierte mehr als ein Viertel der Unternehmen Versuche, 15 Jahre alte CVEs auszunutzen. Dies deutet darauf hin, dass Cyberkriminelle nach wie vor viel Zeit brauchen, um voranzukommen und ihre Schadprogramme über Hacker-Tools zum Einsatz zu bringen.
NETZWERK BIS INS HOME OFFICE SICHERN Der Bedarf an sicheren Telearbeitslösungen war noch nie so gross wie heute. Unternehmen müssen konkrete Schritte unternehmen, um all ihre Informationen ähnlich wie im Firmennetzwerk zu schützen. Bedrohungsaufklärungs- und Forschungsunternehmen können unterstützen, indem sie das Cyberwissen von Unternehmen aufbessern. Unternehmen muss es gelingen, einen sicheren Zugang zu kritischen Ressourcen zu ermöglichen und gleichzeitig skalierbar zu sein. Nur eine Cybersecurity-Plattform, die umfassende Sichtbarkeit in und Schutz für die gesamte Angriffsfläche bietet – einschliesslich vernetzter, anwendungsbezogener, Multi-Cloud- und mobiler Umgebungen – ist in der Lage, die sich schnell weiterentwickelnden Netzwerke von heute zu sichern. Derek Manky, Chief, Security Insights & Global Threat Alliances, FortiGuard Labs, sagt: «Die ersten sechs Monate des Jahres 2020 waren gekennzeichnet von einer beispiellosen Cyber-Bedrohungslandschaft. Das dramatische Ausmass und die rasche Entwicklung der Angriffsmethoden zeigen die Flexibilität der Gegner, die ihre Strategien schnell ändern, um aktuelle Ereignisse rund um die Covid-19-Pandemie weltweit maximal für sich zu nutzen. Nie zuvor wurde deutlicher, dass Unternehmen ihre Verteidigungsstrategien in Zukunft anpassen müssen, um das Netzwerk, das sich bis nach Hause hin erstreckt, vollständig abzudecken. Sie müssen Massnahmen zum Schutz ihrer Remote-Mitarbeiter ergreifen und ihnen dabei helfen, ihre Geräte und Heimnetzwerke langfristig zu sichern. Es ist auch ratsam in Erwägung zu ziehen, für Cyberviren die gleiche Strategie wie in der realen Welt zu verfolgen. Bei der sozialen Distanzierung im Cyberspace geht es darum, Risiken zu erkennen und Abstand einzunehmen.»
DEREK MANKY ist Chief of Security Insights & Global Threat Alliances von FortiGuard Labs. www.fortinet.de
swiss made
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www.schaetti-leuchten.ch
IT-SICHERHEIT
Beim Surfen wird statt der eigenen IP-Adresse diejenige des VPN-Servers genutzt.
TIPPS VOM SICHERHEITSEXPERTEN WORAUF NUTZER BEI VPNS ACHTEN SOLLTEN von Pieter Arntz
Virtual Private Networks, kurz VPNs, sind beliebt, doch bergen sie auch einige Gefahren. Das VPN hilft dabei, Teilnehmer eines Kommunikationsnetzes mit einem weiteren Netz zu verbinden. Gerade zu Zeiten von Home Office ist es damit unverzichtbar. Der folgende Artikel gibt Tipps für die Auswahl und Verwendung von VPNs.
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ie Corona-Krise hat weltweit viele Mitarbeiter räumlich getrennt. Unternehmen stehen vor einigen Herausforderungen, um auch in dieser Situation eine funktionierende Arbeitsumgebung herzustellen. Nicht selten kommen dabei Virtual Private Networks ins Spiel. Diese helfen, auf Programme und Dateien zurückzugreifen, als befände man sich tatsächlich im Büro. Doch VPNs sind nicht nur für Unternehmen
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interessant, sondern auch für Verbraucher. Laut einer Studie von GlobalWebIndex aus drei wesentlichen Gründen: mehr Sicherheit beim Surfen in öffentlichen Netzwerken, Wahrung von Anonymität im Netz sowie sicheres Kommunizieren. Dass VPNs bei Verbrauchern hoch im Kurs stehen, zeigt die Tatsache, dass bereits jeder dritte Internetnutzer darauf zurückgreift, vor allem die jüngere Generation.
Wie funktioniert ein Virtual Private Network und wo liegen die Stärken? Bei einem VPN handelt es sich um ein virtuelles Netzwerk: Anders als bei herkömmlichen Netzwerken wie etwa dem Heimnetzwerk sind die verschiedenen Endgeräte hier nicht direkt physisch miteinander oder mit einem zentralen Router verbunden – etwa über Netzwerkkabel oder eine WLAN-Anbindung. Ein VPN nutzt in der
IT-SICHERHEIT
Regel die Verbindungswege im öffentlichen Internet, wobei im privaten Umfeld meist eine Verbindung von einem Endgerät – zum Beispiel dem Smartphone oder Tablet – zu einem VPN-Server aufgebaut wird. Dieser weist einem Endgerät intern eine neue IP-Adresse zu. Beim Surfen ist dann statt der IP-Adresse des eigenen Geräts auf den besuchten Webseiten die externe IP-Adresse des VPN-Servers sichtbar. Gleichzeitig werden zwischen dem Endgerät und dem VPN-Server alle übertragenen Daten durch Verschlüsselung vom restlichen Internet abgegrenzt, und zwischen den einzelnen Teilnehmern entstehen Tunnelverbindungen.
RICHTIGE AUSWAHL UND ANWENDUNG Doch durch die gestiegene Beliebtheit und Nutzung sind VPNs auch ins Visier von Cyberkriminellen geraten, und es lauern einige Gefahren, beispielsweise durch betrügerische Anbieter oder fehlende Sicherheitsfeatures. Folgende Punkte sollten daher bei der Auswahl und Verwendung von VPNs unbedingt berücksichtigt werden:
Bei der Auswahl einer Softwarelösung sollte auf eine Kill-Switch-Funktionalität geachtet werden. Diese stellt sicher, dass die VPN-Anwendung nicht «fehlschlägt» oder Internetverkehr durchlässt, falls das VPN kurzzeitig unterbrochen wird. Einige VPN-Provider protokollieren und untersuchen versteckt den Internetverkehr. Verbraucher sollten sich im Vorfeld ausführlich informieren und dubiose VPN-Anwendungen, die dann auch häufig kostenfrei sind, kritisch hinterfragen. Um mit mehreren Geräten die Vorteile eines VPNs zu nutzen, bietet sich ein VPNRouter an. Gerade wenn Verbraucher ständig zwischen verschiedenen Endgeräten wechseln und auf diesen surfen, sorgt die direkte Installation des VPNs auf einem Router dafür, den gesamten Datenverkehr effektiv zu isolieren. Schliesslich sollte der VPN-Anbieter nicht zwischen der Art des Datenverkehrs unterscheiden. Manch kleinere VPN-Anwendung verfügt nicht über die notwendige
Infrastruktur, um grosse Mengen an Peerto-Peer- oder Bittorrent-Datenverkehr zu verarbeiten. Dies könnte zu Lasten der Funktionalität eines VPNs gehen. VPNs bieten gewiss viele gute Möglichkeiten für den Nutzer. Doch auch hier gilt: Achtsamkeit bei der Auswahl und Verwendung ist ratsam. Die genannten einfachen Tipps können bereits einen entscheidenden Beitrag leisten. Denn eines ist klar: Cyberkriminelle und Betrüger schrecken auch vor VPNs nicht zurück.
PIETER ARNTZ ist Lead Intelligence Reporter der IT-Sicherheitsfirma Malwarebytes. www.malwarebytes.com
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KOLUMNE
ROTE KARTE FÜR SKYPE, TEAMS UND ZOOM von Andrea Wörrlein
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ideokonferenz-Systeme haben vielen Unternehmen und Organisationen durch die aktuelle Krise geholfen. Ihr Einsatz war meist spontan und ungeplant, eine echte Evaluation aus Zeitgründen oft nicht möglich. Entsprechend häufig sind Berichte über diverse Schwächen im Praxisbetrieb, die gravierendsten davon beim Thema Sicherheit und Datenschutz. Was vorher nur eine Reihe von Einzelfällen war, ist jetzt zu einer offiziellen Roten Karte für marktführende Programme wie Microsoft Teams, Skype und Zoom geworden. Die dort festgestellten Sicherheitsrisiken sind von der Berliner Datenschutzbeauftragten Maja Smoltczyk schonungslos offengelegt worden. Schon bei der Prüfung der Auftragsverarbeitungsverträge, die die Verantwortlichen mit den Videokonferenz-Dienstanbietern standardmässig schliessen, sind sie durchgefallen. Danach liegen «Mängel, die eine rechtskonforme Nutzung des Dienstes ausschliessen» vor. Deutlicher kann man es kaum formulieren: Platzverweis wegen mangelhafter Sicherheit. Grünes Licht gibt es in dem offiziellen Bericht ausschliesslich für Open-Source-Programme. Umso unverständlicher ist es, dass viele Behörden und öffentliche Institutionen ausschliesslich amerikanische Closed-SourceAnbieter zulassen. So geschehen beispielsweise an bayerischen Schulen. Der berechtigten öffentlichen Kritik daran müssen sie sich jetzt stellen und sich rechtfertigen, warum sie ihrer Verpflichtung zum datenschutzkonformen Einsatz von Videokonferenz-Systemen nicht nachkommen und stattdessen Anbietern von nachgewiesenermassen unsicheren Lösungen lukrative Exklusivrechte einräumen. Was für staatliche Institutionen gilt, trifft auch auf Unternehmen zu: DSGVO- und Compliance-
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Vorgaben sind mit den genannten Closed-Source-Anbietern und -Programmen nicht zu erfüllen. Denn nur sicherheitskonforme Lösungen können auch rechtskonform sein. Da tickt eine Zeitbombe – für alle hörbar. Deshalb sind aus der Roten Karte für Closed-Source-Anbieter die richtigen Konsequenzen zu ziehen: Unternehmen und Organisationen müssen spontane Präferenzen durch eine methodische Evaluation ablösen, in der Sicherheits aspekte eine ausschlaggebende Rolle spielen. Für öffentliche Auftraggeber gilt: Schluss mit Exklusivrechten für sicherheitskritische Anbieter, faire Prüfung von professionellen Alternativen und Transparenz bei den Auswahlkriterien. Die Virtual Network Consult AG ist eine führende Entwicklerin von Open-Sourcebasierten Unternehmensanwendungen und positioniert sich als sichere Alternative zu den etablierten US-Software-Giganten. Die Organisation mit einer weltumspannenden Open-Source-Entwicklergemeinde hat mit VNClagoon eine integrierte Produktsuite für Unternehmen geschaffen, die sich durch hohe Sicherheit, State-of-the-Art-Technologie und geringe TCO auszeichnet. Zu den Kunden von VNC gehören Systemintegratoren und Telcos sowie Grossunternehmen und Institutionen.
ANDREA WÖRRLEIN ist Verwaltungsrätin der VNC AG. www.vnclagoon.com
KOLUMNE
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UNTERNEHMEN UNTERWEGS
Durch die Energiebranche weht ein frischer Wind.
FOLGE DEM GELD! DIE MÄR VON DER UNBEZAHLBARKEIT REGENERATIVER ENERGIEN von Lars Jaeger
Unermüdlich führen einige Akteure aus Wirtschaft und Politik technologische und ökonomische Sachzwänge ins Feld, nach denen zügige Veränderungen in Richtung einer klimaverträglichen und zugleich sicheren Energieversorgung unmöglich seien. Regenerative Energien könnten ökonomisch nicht mit fossilen Energien oder Kernenergie mithalten, heisst es. Oder auch: Regenerative Energien seien schlicht nicht finanzierbar.
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erden wir tatsächlich in Zukunft auf Wohlstand und hohen Lebensstandard verzichten müssen, weil wir die Erzeugung alternativer Energien zu teuer subventionieren? Fragen wir dazu doch einmal als eine Art Kronzeuge die internationale Finanzwirtschaft: Mit einiger Überraschung angesichts obiger
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Aussagen stellen wir fest, dass erneuerbare Energien heute fossile Energien im Hinblick auf Investitionsvolumen weit in den Schatten stellen. Nahezu 78 Prozent der NettoZuwächse an Erzeugungskapazität für Energie weltweit gingen im Jahr 2019 in Wind-, Sonne-, Biomasse-, Geothermieund Wasserkraftwerke. Was die Investi-
tionen angeht, so haben die Frankfurt School of Finance & Management und die Finanzagentur Bloomberg einmal nachgerechnet: 2019 wurden weltweit nahezu 300 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien investiert (zum Vergleich: Der Wert aller Dax-Unternehmen zusammen betrug Ende Juli 2020 knapp 1 200 Milliarden Euro).
UNTERNEHMEN UNTERWEGS
lerweile auf regenerative Energien. Gerade Private-Equity-Investoren haben vor einigen Jahren Wind- und Solarparks als attraktive Renditetreiber entdeckt und legten in den letzten zehn bis 15 Jahren bis zehn Milliarden Dollar pro Jahr in «Green Energy» an. Vielleicht spielen bei dem einen oder anderen privaten Anleger auch idealistische Beweggründe eine Rolle, doch internationalen Anlagegesellschaften liegt es fern, ihr Geld nach solchen Prinzipien anzulegen. Sie sind ihren Klienten verpflichtet und müssen Renditen liefern.
«GREEN ENERGY» IM TREND Diese Investment-Initiative geht nicht nur von den grossen angelsächsischen Anlagehäusern aus. Auch grosse Pensionskassen haben «green energy» als Anlageklasse entdeckt und reduzieren gleichzeitig ihre Investitionen in «black energy», also Kohle und Öl. So kaufte sich 2019 eine Gruppe skandinavischer Pensionsfonds mit insgesamt 700 Millionen Dollar in einen neuen Infrastrukturfonds für erneuerbare Energien ein, der hauptsächlich auf Asien und Lateinamerika abzielt. Und die mit über 500 Milliarden Euro grösste Pensionskasse Europas, die holländische AGP, hat nach eigenen Angaben bereits fast fünf Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert. Das ist rechnerisch zwar nur ein Prozent des anzulegenden Geldes der Pensionskasse, doch für ein Engagement in einen einzelnen Anlagebereich ist das ein sehr grosses Kontingent.
Der Löwenanteil dieser Summe wurde vor allem in die Finanzierung grösserer PVAnlagen und Onshore-Windkrafträder gesteckt. Investoren waren hier vor allem die Energieunternehmen, die auf alternative Energien umstellen, um zukunftsfähig zu bleiben. Aus demselben Grund setzen auch verschiedene Staaten – allen voran China – auf solche Grossprojekte. Finanziert werden diese Investitionen oft von Anlegern auf den globalen Kapitalmärkten, zum Beispiel in Form von Anleihen. Auch staatliche Investitionseinrichtungen treten als Investoren in Erscheinung: In Deutschland ist das zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit ihrem Programm «Erneuerbare Energien». Etwa 50 Milliarden Dollar wurden weltweit für kleinskalige PV-Anlagen ausgegeben. Akteure waren hier grösstenteils private Hausbesitzer, die sich ein paar Paneele aufs Dach bauen liessen. Aber auch die renditehungrigsten Anleger setzen mitt-
Aktuell sind der chinesische Staat sowie chinesische Firmen die grössten Investoren in erneuerbare Energien, zugleich ist die chinesische Wirtschaft Weltmarktführer bei der Herstellung von Windkraftanlagen, Solarzellen und Smart-Grid-Technologien. In China stehen auch die meisten PV-Anlagen, nirgendwo sonst auf der Welt wird so viel Solarstrom produziert. Hier gehen Politik und Wirtschaft – wenn auch autoritär durch die kommunistische Partei gesteuert – Hand in Hand.
DER MARKT HAT GESPROCHEN Bisher haben sich diese Investitionen gut ausgezahlt: Eine im Juni 2020 veröffentlichte Studie des Imperial College London und der Internationalen Energieagentur analysierte Börsendaten der letzten fünf und zehn Jahre in Deutschland, Frankreich, England und in den USA. Das Ergebnis: Die Renditen der Investitionen in erneuerbare Energien waren in den letzten fünf
Jahren beträchtlich. In Deutschland und Frankreich liess diese Geldanlage mit 178.2 Prozent Rendite die Investitionen in fossile Brennstoffe weit hinter sich. Letztere haben mit 20.7 Prozent sogar Geld verloren. Im Vereinigten Königreich lag das Verhältnis bei 75.4 Prozent zu 8.8 Prozent, in den USA bei 200.3 Prozent zu 97.2 Prozent. Professionelle Investoren in aller Welt haben also das Potenzial erneuerbarer Energien als zunehmend attraktive Kapitalanlage erkannt. Für fossile Energien sieht es dagegen ganz anders aus: Während der bekennende Kohle-Fan Donald Trump versprach, die Kohleindustrie des Landes nach Kräften zu unterstützen, mussten allein in den beiden Jahren nach seiner Amtsübernahme 50 Kohlekraftwerke zur Stilllegung angekündigt werden. «Das Schicksal der Kohle ist besiegelt, der Markt hat gesprochen», sagt Michael Webber, ein Energieexperte an der Universität von Texas. «Der Trend ist jetzt unumkehrbar, der Niedergang der Kohle ist trotz der Rhetorik von Donald Trump nicht aufzuhalten.» Investitionen sollen Gewinn abwerfen. Bei Subventionen wird dagegen keine direkte Gegenleistung erwartet. Sie sollen Institutionen, Unternehmen und Branchen stützen, die aus politischen Gründen nicht oder noch nicht marktfähig sind. Ohne ständigen Geldzuschuss müssten zum Beispiel viele Krankenhäuser und Kindergärten schliessen. Lange war die staatliche Unterstützung regenerativer Energien als Subventionierung – also als Geldzuschuss ohne Rendite – verschrien. Das ist längst vorbei. Regenerative Energien erweisen sich heute als wahre Renditetreiber. Dazu kommt, dass viele Investitionsanreize für Solarstrom nicht aus öffentlichen Mitteln kommen – es sich bei ihnen also nicht um Subventionen handelt, auch wenn sie als solche wahrgenommen werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zum Beispiel 2019 festgestellt, dass das deutsche Energie-Einspeisegesetz (EEG) keine staatliche Beihilfe darstellt. Denn die Gelder werden in Form von festgelegten Einspeisevergütungen von den Endverbrauchern bezahlt. Diese «Zwangsinvestitionen» werden nun nach und nach abgebaut.
SUBVENTIONIEREN VERSUS INVESTIEREN Die erneuerbaren Energien sind zu einem Selbstläufer geworden. Es ist ein ganz anderer Teil der Energiewirtschaft, der bis heute im eigentlichen Sinne des Wortes
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UNTERNEHMEN UNTERWEGS
Solarpanels sind schon lange nicht mehr nur auf Hausdächern vertreten.
Bilder wie dieses gehören mehr und mehr der Vergangenheit an.
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UNTERNEHMEN UNTERWEGS
DURCHSCHNITTLICHE KOSTEN VON STROM AUS FOSSILEN QUELLEN > Braunkohle: ca. 4.5 bis 8 Cent pro Kilowattstunde (ct / kWh) > Steinkohle: ca. 6.5 bis 10 ct / kWh > Erdgas (Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk): ca. 7.5 bis 10 ct / kWh > Erdgas-Turbinenkraftwerk: ca. 11 bis 22 ct / kWh > Kernkraft: ca. 5 bis 10 ct / kWh Durchschnittliche Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien: > Solarenergie: In den letzten zehn Jahren sind die Kosten von PV-Strom um mehr als 80 Prozent gesunken. Die folgenden Zahlen stammen aus dem Jahr 2018: > Grössere PV-Anlagen auf Dächern: 5 bis 11 ct / kWh > PV-Grosskraftwerke auf freier Fläche: 3.5 bis 6 ct / kWh
subventioniert wird: die fossilen Energien! Das gängige Argument dafür lautete: Die «Energiesicherheit» muss aufrechterhalten werden. Der Subventionsbericht des EUParlaments von 2017 beziehungsweise 2019 hält fest, dass dieser Wirtschaftszweig vermutlich ähnlich viel, wahrscheinlich aber weit mehr öffentliche Gelder empfängt als derjenige der erneuerbaren Energien. In der EU fliessen je nach Schätzung zwischen 39 und 200 Milliarden Euro pro Jahr unter anderem in direkte Subventionen für die Kohle- und Gasindustrie, steuerbegünstigte Kraftstoffe, die Steuerfreiheit von Treibstoffen für Schiffund Luftfahrt und für kostenlose Emissionslizenzen für Stahl- und Chemieindustrie. Die EU-Kommission schätzt die Subventionen für fossile Energien europaweit auf 55 Milliarden Euro. Schätzungen des Journalistennetzwerks «Investigate Europe» kommen dagegen auf den Wert von 137 Milliarden Euro für die EU plus die Schweiz, Norwegen und Island. Im Vergleich dazu liegen die Investitionen für erneuerbare Energien EU-weit gemäss Schätzungen der EU-Kommission bei ca. 75 Milliarden Euro pro Jahr, wobei ein Teil dieser Gelder wie beispielsweise die EEG-Umlage in Deutschland gar keine eigentlichen Subventionen darstellen, wie wir oben sahen. Weltweit ist das Bild klarer: Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur gingen im Jahr 2018 staat-
> Die Stromgestehungskosten kleinerer PV-Anlagen, zum Beispiel auf den Dächern von Privathäusern, liegen zwischen 7.2 und 11.5 ct / kWh > Windenergie: Onshore-Windkraft anlagen sind mit Kosten von ca. 4 bis 8.5 ct / kWh preislich wettbewerbsfähig im Vergleich mit kon ventionellen Kraftwerken. OffshoreAnlagen liefern trotz besserer Auslastung (stetigerer Wind auf See) Strom zu einem höheren Preis von etwa 7.45 bis 14 ct / kWh. > Wasserkraft: Wasserkraft generiert Strom zu einem Preis von etwa 6.5 ct / kWh > Geothermie: Die globalen durchschnittlichen Kosten liegen bei 4 bis 10 ct / kWh, sie hängen stark von den lokalen Bedingungen ab > Biomasse: Der Preis für den von Biogasanlagen erzeugten Strom liegt bei ca. 10 bis 15 ct / kWh
liche Subventionen in Höhe von ca. 400 Milliarden Dollar an Firmen rund um die fossile Energieerzeugung. Die Unterstützung für die Erzeugung erneuerbarer Energien lag bei weniger als der Hälfte dieser Summe: 166 Milliarden Dollar. Man kann sich ausmalen, was passiert, wenn bis 2025 die Subventionen für black energy gestrichen werden – genau dazu haben sich die G20Staaten bereits 2009 verpflichtet. Eine Antwort auf die Frage nach dem Kostenvergleich zwischen fossilem, nuklearem und regenerativ erzeugtem Strom liefern die sogenannten Stromgestehungskosten, also die summierten Kosten für das eingesetzte Kapital (zum Beispiel für Grundstückskauf und Installation des Kraftwerks) und die Betriebskosten (Wartung, Reparatur, Versicherung). Die Strompreise jeder Branche variieren innerhalb eines bestimmten Rahmens, da die Kosten je nach Standort und weiteren Gegebenheiten der einzelnen Kraftwerke unterschiedlich sind. Die Stromgestehungskosten der verschiedenen Energieträger einfach so einander gegenüberzustellen, ist allerdings ein wenig so, als würde man Äpfel und Birnen vergleichen. Für einen fairen Vergleich müssen weitere Faktoren mit einbezogen werden. Gerade die wichtigsten alternativen Energie-
quellen, Sonne und Wind, sind nicht grundlastfähig. Um ihren Anteil am Energiemix weiter aufzustocken, müssen Speicherkapazitäten entwickelt und ausgebaut werden. Bis diese in ausreichender Menge vorhanden sind, müssen wir Strom aus Wind und Sonne noch mit grundlastfähigem Strom kombinieren.
UNGEWISSE KOSTENFAKTOREN Es ist noch nicht genau bekannt, wie hoch die Kosten zur Bereitstellung dieser Speicherkapazität am Ende sein werden. Für den kleinskaligen Bereich weiss man, dass die Batteriepreise dramatisch sinken. Doch grössere Anlagen brauchen andere Speicherlösungen, zum Beispiel Pumpspeicher oder die Produktion von Wasserstoff oder auch Methanol. Aber auch hier schreitet die technologische Entwicklung schnell voran. Ebenso der Bau neuer Stromtrassen und weiterer Infrastruktur für die Nutzung erneuerbarer Energien muss eingepreist werden. Auch hier sind die Entwicklungen noch nicht abgeschlossen, und belastbare Aussagen zu tatsächlichen Strompreisen sind daher noch nicht möglich. Aber auch bei den konventionellen Stromlieferanten sind nicht alle Kostenfaktoren eingepreist. Würde man zu den direkten Subventionen für fossile Brennstoffe auch die Kosten für nicht eingepreiste Externalitäten zählen (Umweltverschmutzung, Schadstoffemissionen, CO2-Emissionen et cetera), ständen unterm Strich gemäss der Internationalen Energieagentur (IAE) statt der oben genannten «mehr als 400 Milliarden» sogar 3 100 Milliarden Dollar. Die tatsächlichen Kosten für unseren Strom sind also weder für fossile Energieträger noch für alternative Energien bekannt. Eines jedoch ist sicher: Zur Klimaneutralität führt nur der Weg über die erneuerbaren Energien.
LARS JAEGER berät institutionelle Finanzanleger, betreibt einen Blog und ist Autor seines neuen Buchs «Sternstunden der Wissenschaft» (Südverlag). www.larsjaeger.ch
Ausgabe 3/2020 // Seite 95
Autonomes Fahren soll in diesem Jahrzehnt noch massentauglich werden.
E-MOBILITÄT UND AUTONOMES FAHREN STARTEN DURCH BAIN-STUDIE ZUM AUTOMOBIL- UND MOBILITÄTSSEKTOR von Elisa Beck
Die internationale Automobilindustrie ist zurzeit doppelt gefordert. Sie muss die Auswirkungen der CoronaKrise verkraften und gleichzeitig den grundlegenden Umbruch der Branche bewältigen. Elektromobilität und autonomes Fahren werden sich noch in diesem Jahrzehnt vom Nischen- zum Massenmarkt entwickeln.
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usgelöst durch die Corona-Pandemie setzen die meisten Unternehmen aktuell strikte Sparprogramme um und fahren ihre Investitionen zurück. Aus Sicht von Bain-Partner und StudienCo-Autor Dr. Klaus Stricker sollte dabei differenziert vorgegangen werden: «Trotz des extremen Kostendrucks sollten Autohersteller und Zulieferer ihre Investitionen in wichtige Zukunftsfelder wie Elektromobilität, Batterie- und Zelltechnologie, Software oder Konnektivität bestmöglich aufrechterhalten. Die dringend erforderlichen Ergebnisverbesserungen müssen vor allem aus dem traditionellen Kerngeschäft kommen.»
gion im Wesentlichen vom Fahrzeugsegment, von den Batteriekosten, dem Stromund Benzinpreis sowie von staatlichen Stützungsmassnahmen ab. Die Studie geht davon aus, dass die durchschnittlichen Kosten für Batteriepacks 2025 rund 85 Euro pro Kilowattstunde betragen werden.
E-Mobilität: Kundenakzeptanz erhöhen Derweil gewinnt die Elektromobilität weiter an Dynamik. Laut der Bain-Studie erreichen die gesamten Anschaffungs- und Betriebskosten (Total Cost of Ownership) eines E-Autos bereits in diesem Jahr das Niveau eines konventionell angetriebenen Fahrzeugs. Dabei hängt der genaue Zeitpunkt des Übergangs zum Massenmarkt je Re-
Allerdings schrumpfen durch die Wirt schaftskrise infolge der Corona-Pandemie in vielen Haushalten die verfügbaren Mittel für grössere Investitionen wie ein Auto. Gleichzeitig nimmt in der Bevölkerung der Wunsch nach geschützten Mobilitäts räumen zu, was sich positiv auf die Fahrzeugnachfrage auswirken kann. Staatliche Förderungs- und Stützungsmassnahmen
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Das sind 36 Prozent weniger als 2018. Zudem werden die Autohersteller bis dahin voraussichtlich weit mehr als 200 neue E-Modelle anbieten und mit einem steigenden Anteil in der Mini- und Kompaktklasse weitere Käuferschichten ansprechen können.
könnten dem Markt kurzfristig weitere Dynamik verleihen – und bei entsprechender Ausrichtung der Massnahmen könnte insbesondere die Elektromobilität profitieren. «Die Kundenakzeptanz wird letztlich entscheidend sein für den Durchbruch der Elektromobilität», ist sich Bain-Partner und Studien-Co-Autor Marco Gerrits sicher. «Neben den bisherigen Käufern von EAutos, die oft aus gehobenen, progressiven Schichten stammen, müssen in Zukunft auch traditionelle Kundensegmente gewonnen werden.» Diese würden vor allem auf Funktionalität und Praktikabilität achten, sprich Reichweite, einfache und gut funktionierende Lade- sowie Bezahlvorgänge und – im Vergleich zu Verbrennern – günstige Gesamtkosten.
AUTONOMES FAHREN: HÜRDEN ÜBERWINDEN Für den langfristigen Erfolg des autonomen Fahrens sprechen die wachsende technologische Reife sowie aussichts reiche Pilotprojekte mit Robotaxis und
UNTERNEHMEN UNTERWEGS
Autobahnpiloten auf Level-4-Niveau. Laut Bain-Studie wird der Anteil autonomer Fahrzeuge an den Neuzulassungen bis 2030 in Nordamerika auf neun Prozent steigen, in Europa auf sechs Prozent und im Raum Asien-Pazifik auf vier Prozent. Bis 2040 könnten sich diese Werte mehr als vervierfachen. Für den Massenmarkt müssen die Autohersteller allerdings noch einige Hürden wie Allwettertauglichkeit oder das Beherrschen von unübersichtlichem Verkehrsaufkommen nehmen. Zudem fehlen bislang weitgehend verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen. Darüber hinaus müssen die Kosten für die autonomen Systeme signifikant reduziert werden. Diese belaufen sich für Robotaxis derzeit auf rund 65’000 Euro, könnten aber bis 2030 nach Bain-Analysen um mehr als 85 Prozent sinken, auf dann 8 000 bis 10’000 Euro. Zu diesem Preispunkt können ab 2024 urbane autonome Mobilitätssysteme realisiert werden. Innovative Städte werden versuchen, die Vorteile der Robotaxis zu nutzen und sie intelligent in den öffentlichen Personennahverkehr zu integrieren.
GESCHÄFTSMODELL EFFIZIENTER GESTALTEN
MASSNAHMEN KONSEQUENT UMSETZEN
Für die Automobilindustrie bedeutet die Entwicklung hin zu E-Autos und autonomem Fahren zunächst steigende Kosten. Ohne weitere Gegenmassnahmen könnte die Umsatzrendite der Fahrzeughersteller, insbesondere wegen der zunächst hohen Batteriekosten, über die nächsten Jahre im Schnitt um zwei bis drei Prozentpunkte sinken. Laut Bain-Studie lassen sich ab 2025 mit Elektroantrieben Gewinnspannen erreichen, wie sie mit Verbrennungsmotoren erzielt werden. Das wäre eine Option mit Zukunft.
Hersteller und Zulieferer müssen die richtigen Weichen stellen. «Der fundamentale technologische Umbruch kann die Machtverhältnisse im Mobilitätssektor in den nächsten 15 Jahren radikal verändern», stellt Bain-Partner Stricker fest. «Belohnt werden am Ende Unternehmen, die ihr traditionelles Geschäft maximal effizient gestalten und die finanziellen Mittel dafür deutlich reduzieren, das Potenzial neuer Technologien erkennen sowie gemeinsam mit Partnern zum richtigen Zeitpunkt mutig investieren.»
«Angesichts der Corona-Krise und der hohen Investitionen in automobile Zukunftsfelder müssen die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle auf Effizienz trimmen», betont Branchenkenner Gerrits. «Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, alte Zöpfe abzuschneiden und die Komplexität bei Plattformen, Antrieben, Modellen und Derivaten drastisch zu senken sowie Skaleneffekte auch herstellerübergreifend zu nutzen.»
ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU. www.bain-company.ch
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Ausgabe 3/2020 // Seite 97
DIE SCHWEIZ IST TRENDMACHER NACHHALTIGKEITSBERICHTERSTATTUNG IN DER FINANZBRANCHE Interview mit Patrick Schmucki von Georg Lutz
Das Thema Nachhaltigkeit hat trotz der Corona-Krise nicht an Relevanz verloren. Im Gegenteil: Einiges deutet darauf hin, dass Nachhaltigkeitsüberlegungen infolge der für viele Unternehmen dramatischen Umstände noch stärker ins Zentrum rücken werden. Investoren und Finanzdienstleister werden dem Thema Nachhaltigkeit noch mehr Beachtung schenken. Aber auch die Regulatoren sind weltweit dabei – allerdings mit teils sehr unterschiedlichen Ansätzen –, die Finanzbranche auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Allerdings ist der Begriff schwammig und es fehlen standardisierte Messverfahren. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt auch die Finanzbranche.
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uf den ersten Blick ist das Thema nachhaltige Geldanlagen gut in Fahrt. In den letzten Jahren gab es einen kleinen Boom. Einige Akteure lehnen sich aus dem Fenster. Zudem ist viel Anlagegeld unterwegs. Von welchen Dimensionen reden wir in der Schweiz eigentlich? Ist das eine Nische oder hat es Fahrt aufgenommen?
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Ich glaube eine Nische ist untertrieben, die verlässlichsten Zahlen finden Sie in der diesjährigen Marktstudie von Swiss Sustainable Finance (SSF). Das Anlagevolumen hat sich von 2014 bis 2018 verzehnfacht. Damals lag es bei 71 Milliarden CHF, 2018 lag es bei 717 Milliarden. Davon sind rund 90 Prozent des Volumens den institutionellen Anlegern zuzurechnen. Die letzten Zahlen aus dem Jahr 2019 liegen bei
über 1.1 Milliarden CHF in nachhaltigen Anlagen. Das ist beeindruckend, denn das sind in etwa ein Fünftel der Gelder, die in der Schweiz verwaltet werden. Gemäss Bankiervereinigung ist dies doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt. Der Trend ist sozusagen eindeutig und die Schweiz ist Trendmacher. Die Bankiervereinigung ist ja selber im Juni mit
DIE WELT DER FINANZEN
nachhaltige Anlagen weltweit zu etablieren. Es geht um den Standort Finanzplatz Schweiz, der sich weiterentwickeln und neu positionieren muss. Nachhaltigkeit ist hier ein wichtiges Modul, um gegenüber anderen Finanzstandorten zu punkten. Diese Ambitionen werden von der Bankiervereinigung natürlich unterstützt.
einem Grundsatzpapier rausgekommen, können Sie dazu noch kurz etwas sagen? Das ist korrekt. Das Grundsatzpapier kann man eigentlich im Kontext des Strategiepapiers des Bundesrats sehen, dort ist eine Arbeitsgruppe angesiedelt, die Ende Juni einen entsprechenden Bericht herausgebracht hat. Das Ziel ist klar: Es geht darum, die Schweiz als ein Zentrum für
Auch international gibt es zunehmend Gruppen aus der Branche, die sich klar positionieren. Ein Beispiel ist die Climate Action 100 +. Die Gruppe setzt sich aus 320 globalen Asset Managern zusammen, die mehr als 33 Billionen US-Dollar an Vermögen verwalten. Ihr Ziel: dafür zu sorgen, dass die grössten Treibhausgas-Emittenten der Welt endlich die nötigen Massnahmen zum Schutz des Klimas ergreifen und Forderungen aus dem Weltklima-Gipfel von Paris aus dem Jahr 2015 umsetzen. Zu der Initiative gehören solch namhafte Investoren wie Amundi, Axa, BNP, HSBC, Kames oder Natixis. Eigentlich könnte eine solche Marktmacht viel bewegen. Ist das so? Ja, das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Grosse institutionelle Anleger werden immer sensibler in Bezug auf diese Themen wie Risiken des Klimawandels oder den Verlust der Biodiversität. Die Verantwortlichen fürchten um den Wert ihrer Investments. Das hat weniger mit ethisch ökologischen Fragestellungen als mit harten Businessthemen zu tun. Das Portfolio soll Nachhaltigkeitsrisiken und deren finanzielle Auswirkungen berücksichtigen. Weitergehend stellt sich die Finanzindustrie aber durchaus die Frage, was ihr Beitrag zum Erreichen der Klimaziele sein soll.
schäftsmodell integrieren wollen. Entsprechend höchst unterschiedlich ist der Umgang der Finanzinstitute mit dem Thema Nachhaltigkeit. Dies führt für Anleger zu einer unzureichenden Vergleichbarkeit der als «nachhaltig» angepriesenen Anlagen. Die Herausforderung ist, dass Nachhaltigkeitsthemen (z. B. die 17 Sustainable Development Goals der UNO) extrem breit sind und sich zudem direkt widersprechen. Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmensverantwortliche unmöglich, sämtliche Nachhaltigkeitsthemen gleichzeitig und im selben Mass zu berücksichtigen. Darum ist das Konzept der sogenannten Materialität ein zentraler Punkt. Das bedeutet, dass sich Unternehmen für ihr jeweiliges Geschäftsmodell auf die Nachhaltigkeitsthemen ausrichten sollten, die für ihr Geschäftsmodell und ihre wesentlichen Stakeholder zentral sind. Das ist auch das Grundprinzip der Global Reporting Initiative (GRI), dem weltweit gängigsten Standard für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Man sollte immer genau hinschauen, welche Nachhaltigkeitsthemen für ein Unternehmen wirklich relevant sind bzw. wo es eine Wirkung erzielen kann. Das ist in der Praxis nicht immer offensichtlich. Ausserdem sollte man den Fokus auf den Prozess, und nicht den Zustand zu einem statischen Zeitpunkt legen. Zum Beispiel, wenn ein Finanzinstitut Unternehmen im Bereich fossile Energien finanziert, muss es darum gehen, diese Unternehmen bei ihrer Transformationsstrategie in Richtung Nachhaltigkeit zu unterstützen. Dies braucht Zeit. Man kann nicht einfach von heute auf morgen sämtliche Kredite kündigen und überall aussteigen, das hat Implikationen für andere Nachhaltigkeitsfaktoren.
Jetzt kommt das grosse Aber. Nachhaltigkeit ist ja ein relativ schwammiger Begriff geworden. Jeder versteht etwas anderes darunter. Das gilt wohl auch in der Finanzbranche Das führt zu sehr individuellen Argumentationsketten und letztendlich zu Verwirrung. Welchen Aussagewert haben vor diesem Hintergrund die Aussagen zu Nachhaltigkeit? Das ist ein heikler Punkt. Wie die neuste Studie unseres Hauses «Clarity on Sustainable Finance» zeigt, fehlen einheitliche Standards zur Messbarkeit und Berichterstattung im Nachhaltigkeitsbereich weitgehend. Dies führt dazu, dass die Finanzinstitute selbst entscheiden, ob und wie sie Nachhaltigkeitsüberlegungen in ihr Ge-
Da muss ich Widerspruch anmelden. Die Wissenschaft hat schon seit Jahrzehnten auf den Handlungsbedarf hingewiesen. Wir wissen seit 1973, (Club of Rome – das Ende des Wachstums) wohin die Reise geht und mit dem Erdgipfel in Rio 1992, was das sich wandelnde Klima für Auswirkungen hat. Das Argument «Hoppla es gibt einen Klimawandel» finde ich nicht schlüssig. Auch den Widerspruch zwischen ökologischen und sozialen Kriterien sehe ich nicht. Man arbeitet genau aus diesem Grund mit den ESG-Kriterien (Enviroment, Social, Governance). Mir ist bewusst dass viele in der Industrie sich auf eine aggregierte Bewertung hinbewegen, was das Thema ESG betrifft.
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DIE WELT DER FINANZEN
Aber braucht es nicht einheitliche Standards und Regulierungsvorgaben? Damit die Regulierungsbestrebungen effektiv greifen, kommt den Daten und der Berichterstattung eine besondere Rolle zu. Transparenz ist in diesem Zusammenhang essenziell für das Funktionieren der Mechanismen von Sustainable Finance. Es braucht vollständige und verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen, damit Finanzierungsentscheidungen entsprechend gefällt werden können. Die unzureichende Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Vollständigkeit dieser Informationen ist aber ein Grundproblem, welches sich nicht kurzfristig lösen lässt. Implizierte Temperaturangaben als Hilfe.
Es wird sich aber zeigen müssen, ob sich das längerfristig so etablieren wird. Ich kann da nur aus der Praxis heraus argumentieren. Wenn eine Bank oder ein Vermögensverwalter seine Anlageentscheide unkritisch auf solche aggregierten Nachhaltigkeitsratings ausrichtet, kann das schon problematisch sein. Natürlich ist besonders bei der Nachhaltigkeit Klarheit und Einfachheit in der Kommunikation wichtig. Diese darf aber nicht zulasten der Aussagekraft gehen, insbesondere wenn es darum geht, Kleinanlegern aufzuzeigen, was ein «nachhaltiges» Anlageprodukt in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren leistet. Diese Vereinfachung, die zum Teil auch erwünscht ist, hat jedoch Grenzen. Die Industrie wie auch die Anleger befinden sich in einem Lernprozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist.
«Es braucht vollständige und verlässliche Nachhaltigkeits informationen, damit Finanzie rungsentschei dungen entspre chend gefällt werden können.» Seite 100 // kmuRUNDSCHAU
Ich nehme nochmals einen Anlauf. Könnte man nicht mit einer einfachen Kennzahl weiter kommen? Man nimmt die klaren Klimaziele von Paris, und daraus könnte man eine Kennzahl entwickeln rein statistisch wie hoch die Temperatur des jeweiligen Fonds ist. Also eine Gradzahl die dann an dem Fonds hängt was den Treibhausgasausstoss betrifft, wie er unterwegs ist, und dann habe ich eine klare Zahl mit Bezug auf dieser Ziele von Paris. Das gibt es bereits. Ich kenne verschiedene Marktteilnehmer, die bei ihren Produkten angeben, was der implizierte Temperaturanstieg dieses Portfolios ist, sprich der CO2 Ausstoss des Unternehmens. DerThink-Tank «2 Degree Investing» Initiative hat ein Tool (PACTA) entwickelt, das öffentlich zugänglich ist und welches auch durch die Schweizer Eidgenossenschaft unterstützt wird. Das Tool berechnet den implizierten Temperaturanstieg eines Portfolios. Es gibt aber aus meiner Sicht klare Einschränkungen. Die verwendeten Techniken sind heute noch mehr Kunst als Wissenschaft. Erstens weil die Qualität der zugrundeliegenden Daten, namentlich der CO2 Ausstoss von Staaten, Unternehmen und auch Immobilien nicht immer gegeben ist. Zweitens, da sehr viel von der Methodologie abhängt, die man verwendet. Die «richtige» und allgemein anerkannte Methodologie gibt es aber noch nicht. Das führt zu den praktischen Limitierungen, die wir heute sehen. Die Temperaturangaben sind sicher ein guter erster Schritt, aber noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Knackpunkt liegt in der bislang noch unzureichenden Praxis. Jetzt gibt es aber auch politische Akteure, die
Druck ausüben. So hat die EU-Kommission einen European Green Deal ausgerufen. Das wird Folgen haben? Absolut. Der europäische politische Prozess war schon immer so aufgebaut, dass er stark auf Interaktion zwischen den Institutionen und der Industrie ausgerichtet war, und ich meine, da es sich um politische Prozesse handelt, wird es immer Lobbying geben und immer auch Bremser und Treiber. Was mir aber auffällt bei diesem Prozess ist, dass er von den Europäischen Institutionen relativ kompromisslos vorangetrieben wird. Die Kommission, aber auch das Parlament hat beispielsweise einen sehr ambitionierten Zeitplan vorgelegt und verfolgt offen das Ziel, mit den regulatorischen Vorgaben gewisse Marktentwicklungen zu beschleunigen. Welche Rolle könnte Ihr Haus hier konkret spielen? Im Grunde braucht es ja Transparenz und unabhängige Begutachtung. Da könnten Sie zum Zug kommen. Sind Sie vorbereitet? Wir verfolgen das sehr eng, ich denke der Weg ist klar, es werden immer mehr Nachhaltigkeitsinformationen in den Jahresberichten der Unternehmen verfügbar werden, mit oder ohne Regulierung. Investoren (i. e. Eigen- und Fremdkapitalgeber) verlangen nach immer mehr Informationen, und auch im öffentlichen Beschaffungswesen werden diese immer relevanter. Viele Unternehmen lassen diese bereits jetzt durch eine Revisionsstelle überprüfen. In manchen Ländern ist das für gewisse Unternehmen bereits zwingend – zum Beispiel in Deutschland. Wir antizipieren, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung früher oder später in ganz Europa zwingend werden wird und sich auch die Unternehmen in der Schweiz längerfristig diesem Trend nicht werden entziehen können.
PATRICK SCHMUCKI ist Corporate Responsibility Officer und Senior Manager im Bereich Financial Services bei KPMG AG. www.home.kpmg/ch/de
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DIE WELT DER FINANZEN
DEN DRUCK MINDERN DER EINSATZ VON DIGITAL REGULATORY MONITORING Interview mit Thomas Hulmann von Georg Lutz
Akteure der Finanzbranche stehen immer mehr unter dem Druck regulatorischer Vorgaben. Das betrifft Vorgaben, die sich aus der Finanzkrise entwickelt haben, und geht bis zur Erfüllung von Kriterien hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Produkte. Für viele kleinere Player ist es schwierig, den Überblick zu bewahren. Mit dem Tool Digital Regulatory Monitoring von BDO lassen sich regulatorische Anforderungen jetzt effizienter managen. Papierberge, E-Mail-Fluten und die mühsame Konsultation von Gesetzestexten können nun in die Geschichtsbücher wandern.
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DIE WELT DER FINANZEN
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ir befinden uns jetzt über zehn Jahre nach der Finanzkrise, die ja ein Einschnitt für die gesamte Banken- und Finanzwelt war, was Regularien betrifft, die ab diesem Zeitpunkt signifikant nach oben gegangen sind. Wo stehen wir denn da, gerade wenn Sie mal auf den kleineren Markt sehen, gibt es da noch viel Luft nach oben oder ist man gut unterwegs? Es ist sozusagen die Frage: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Ja, ich denke, die Regulierungswelle läuft immer noch weiter, sie ist noch nicht am Ende angekommen. Es kommen immer noch neue Regulierungen, oft geprägt von der EU, die insbesondere für kleine und mittlere Marktteilnehmer immer schwieriger zu bewältigen sind. Die Margen werden immer geringer und die zusätzlichen Regulierungen helfen da auch nicht weiter. Das erhöht den Druck zur Konsolidierung. Aus diesem Grund verschwinden auch immer mehr Marktteilnehmer, sprich, die Anzahl der Banken verringert sich. Sie sind entweder aufgekauft oder völlig vom Markt verschwunden. Die Tendenz ist weiter da, sie hat sich aber noch nicht so verstärkt, wie das vor einigen Jahren von einigen Analysten vorausgesagt wurde. Die Verantwortlichen sind, um es negativ zu formulieren, in einer Art Schraubstock. Auf der einen Seite – Sie haben es ja schon angesprochen – gibt es die sinkenden Margen, der zentrale Punkt
dürfte die Tiefzinspolitik sein, und auf der anderen Seite die Regulierungsvorgaben der Schweiz und vor allem der EU. Das ist ganz klar eine Sandwich-Position. Jetzt hat es aber in der Schweiz ab 2018 Vorgaben gegeben, um die kleinen Player in dieser Branche etwas zu unterstützen. Was ist denn da passiert und wie schätzen Sie das ein? Sie sprechen vermutlich vom sogenannten Kleinbankenregime, das war 2019 in der Pilotphase und ist seit 2020 offiziell am Start. Es nehmen rund 60 Banken teil und das bringt sicherlich Entlastungen, auch bedeutende Entlastungen für die kleineren Institute, wenn es um die Regulierungen geht, die sie befolgen müssen. Konkret geht es um die Informationen, die der Finma zu übermitteln sind. Ich denke, das ist absolut zweckmässig, es ist aber auch nicht ganz einfach, die Zulassungskriterien wie Eigenmittel und Liquiditätsquote stets zu erfüllen, sprich, es kann da nicht jeder mitmachen, es betrifft einfach die ausgewählte Gruppe der kleineren und mittleren Banken. Werden gewisse Dienstleistungen von der Finma übernommen? Nein, die Finma übernimmt keine Dienstleistungen. Es geht darum, dass bei gewissen Finanzkennzahlen Erleichterungen eingeräumt werden, welche den Verantwortlichen bei einigen Finanzkennzahlen einen flexibleren Rahmen gewähren. Regulatorische Hürden sind so niedriger anzusetzen –
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DIE WELT DER FINANZEN
Unterstützung mit Digital Regulatory Monitoring.
zum Beispiel wenn man eine Dienstleistung outsourcen will an einen anderen Anbieter. Es geht um punktuelle Vereinfachungen. Sie haben gesagt, auf der technischen Seite gibt es Bedarf, da müssen wir die Player unterstützen. Ihr Haus hat da im Monitoring-Bereich ein Produkt auf den Markt gebracht, das heisst konkret «Digital Regulatory Monitoring» (DRM), können Sie dazu kurz skizzieren, wo der Grund lag, das Produkt zu entwickeln? Es gibt drei zentrale Gründe, wieso wir dieses DRM entwickelt haben. Der erste betrifft die schon angesprochene Regulierungsflut. Gerade kleinere Unternehmen, die keine grosse Compliance-Abteilung haben, stossen an Grenzen. Es wird zunehmend schwierig, den Überblick zu behalten.
«Es geht gewissermassen darum, für die Institute eine erste Triage zu erstellen.» Man wird mit Pressemitteilungen, Newslettern oder Gesetzestexten bombardiert und man muss dann immer erst selbst einen Weg zur Beantwortung folgender Frage finden: Was ist eigentlich für mich relevant? Dann ist zweitens die Regulierung auch im-
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mer ein Thema auf dem Radar der Aufsichtsbehörde, da wird wirklich jährlich geprüft, ob die Banken, auch die kleinen, technisch und regulatorisch auf der Höhe der Zeit sind. Wurden da intern Vorbereitungen getroffen? Und die dritte Handlungsmotivation betrifft die Perspektive der Compliance Officer bei der Bank, die für die Einhaltung der Regularien verantwortlich sind. Da gab es in den letzten Jahren vermehrt strafrechtliche Entscheide, wo Compliance-Verantwortliche persönlich für Versäumnisse belangt wurden. Da ist einiges aus dem Ruder gelaufen. In diesen Punkten unterstützen wir mit dem DRM die Verantwortlichen. Es geht dabei nicht um einen klassischen Newsletter mit Tipps. Wir holen da weiter aus. Es geht gewissermassen darum, für die Institute eine erste Triage zu erstellen: Es geht um eine Einstufung, was für Ihr Institut mit Ihrem Geschäftsmodell und ihrer Kundenstruktur wichtig ist. Das Ziel ist, eine schrittweise Herstellung von Transparenz bezüglich Handlungsoptionen zu entwickeln, ähnlich wie bei der Einführung von anderen IT-Projekten. Wir haben das alles digital aufgebaut: Zu Beginn füllen Sie einen Fragebogen mit rund 25 Fragen zu Ihrem Geschäftsmodell aus. Die Fragen beziehen sich auf die Anwendbarkeit und Relevanz der Regulierungsanforderungen. Beispielsweise geht es um die Frage, ob Sie Kunden im Ausland oder nur in der Schweiz haben. Bieten Sie Private Banking an, oder geht es eher um Investment Banking. Das sind Fragen, die dann Einfluss auf die Anwendbarkeit von Regulierungen haben können. Aufgrund dieses Fragebogens nimmt das DRM
dann eine Einstufung zu Regularien vor. Wir haben das in einer 3x3-Matrix dann dargestellt, wo wir auf den Achsen die Relevanz für das Institut mit einem bestimmten Geschäftsmodell darstellen und den möglichen Handlungsbedarf abbilden. Zusammengefasst: Wie umfangreich ist der mögliche Handlungsbedarf, der für dieses Institut mit einer Regulierung verbunden ist? Wie geht es dann weiter? Man hat eine Grundlage und einen Überblick und kann diese sozusagen stufenweise abarbeiten. Wenn dann eine neue Vorgabe aus Bern oder Brüssel kommt, kann man diese dann in das Big Picture einarbeiten. Wie kann ich mir das in der Praxis vorstellen? Man hat nicht nur das Bild, man hat die Übersicht. Wenn man die Regulierung anklickt, hat man eine Zusammenfassung des Handlungsbedarfs, da gibt es so fünf bis zehn ganz konkrete Bullets mit dem möglichen Handlungsbedarf und eine Detailansicht zu jeder Regulierung. Und ja, wenn es neue Regulierungen gibt, dann werden die im Hintergrund von uns eingearbeitet mit den Relevanzkriterien und die Kunden erhalten dann eine Update-Mail, dass die neue Regulierung im Tool ist, und können dann direkt sehen, wie diese neue Regulierung für sie eingestuft wird. Wie sehen denn die bisherigen Lösungen aus, damit man die Situation ein bisschen klarer fassen kann, im Vergleich zu dem, was Sie jetzt so machen? Es gibt sehr viele Newsletter und Ähnliches, die Instituten nicht den gewünschten Mehrwert bieten und sie nur bedingt bei der Bewältigung der Regulierungsflut unterstützen.
DIE WELT DER FINANZEN
Spezifisch auf ein Unternehmen abgestimmte Lösungen sind auch auf dem Markt, allerdings nicht im Rahmen eines digitalen Tools aus einer Hand. Nur so erreicht man einen passenden Report für Kunden, der dann eben auch wirklich massgeschneidert erstellt werden kann. Wo ist DRM am sinnvollsten? Im Moment, in der ersten Phase, richtet sich der Inhalt an Banken und Wertpapierhäuser, rein vom betrachteten Bewilligungsstatus her. Es ist aber geplant, dass man das auch mit Inhalten für sonstige Finanzinstitute wie Vermögensverwalter oder auch Versicherungen nutzen wird in der Zukunft. Was die Zielgruppe unter den Banken betrifft: es gibt bei der Finma fünf Aufsichtskategorien nach Grösse abgestuft, die Grossbanken sind Kategorie eins, die kleinsten sind Kategorie fünf. Da sind es sicher die mittleren und kleineren Banken, also die Kategorien drei, vier und fünf. Sind denn die Verantwortlichen in den Häusern mittlerweile bereit für so eine Strategie, oder ist es nur lästig und wird
in Teilen nicht wirklich beachtet? Ich frage vor einem konkreten Hintergrund: In Liechtenstein beispielsweise bei Banken oder Treuhändern hat man gesehen, dass die angekündigte Strategie zwar von sehr vielen umgesetzt wurde, aber von einigen eben doch nicht. Wie erleben Sie das im Markt? Ich denke, da sind die Schweizer schon bereit. Vorbehaltlos wäre zu viel gesagt, aber das ist sicherlich machbar.
Ist die Seite aufgebaut, wie eine Software, in der ich mich optisch und von der Navigation zu Hause fühle? Auf unserer Homepage gibt es ein DemoVideo. Gleich an etwas erinnern tut es wahrscheinlich nicht, alles ist im BDODesign gehalten. Es gibt eine Übersichtsseite mit den beiden Matritzen. Eine führt zu Regulierungen, die bereits vor einigen Monaten in Kraft getreten sind, und die zweite zu den Regulierungsprojekten, die jetzt noch kommen.
Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, so etwas zu machen? BDO ist eine Beratungs- und Prüfgesellschaft mit einer breiten Dienstleistungspalette. Wir beraten tagein, tagaus Finanzinstitute und sind nah an deren Bedürfnissen dran. Sie haben folglich ein Bedürfnis wahrgenommen, dass der Markt so was braucht. Welche operativen Schritte wurden unternommen? Zunächst erstellten wir massgeschneiderte physische Reports für bestimmte Kunden. Dies haben wir nun digitalisiert und skaliert.
THOMAS HULMANN ist MLaw, Rechtsanwalt und Leiter Regulatory & Compliance Deutschschweiz bei der BDO AG. www.bdo.ch/digital-regulatory-monitoring
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Ausgabe| Basel 3/2020| //Bern Seite| 105 Zürich Brig
DIE WELT DER FINANZEN
Die persönliche Beratung wird durch E-Banking nicht überflüssig.
DIGITALISIERUNG MUSS NICHT UNPERSÖNLICH SEIN WAS KMU ZU E-BANKING WISSEN SOLLTEN von Sandra Marugg
E-Banking bietet KMU zahlreiche Möglichkeiten, um ihren Arbeitsalltag zu vereinfachen. Viele Arbeitsschritte können dank der Digitalisierung schneller oder gar automatisiert gemacht werden. Doch was sind konkret die Vorteile? Und wie können KMU dadurch Zeit und Aufwand sparen?
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en Begriff E-Banking setzen viele KMU mit dem digitalen Zahlungsverkehr gleich. Statt wie früher für Zahlungen zur Bank oder Post gehen zu müssen, ist es heute ganz normal, diese online abzuwickeln. Dieses Konzept ist nicht neu und existiert in der Schweiz schon seit 1997. Ein Jahr später nutzten nur gerade rund sechs Prozent aller Schweizer Bankkunden Bankdienste via Internet. Heute sind es dagegen bereits 88 Prozent. Doch nicht nur die Nutzung von E-Banking hat sich stark erhöht, sondern auch die Möglichkeiten haben mit der voranschreitenden Digitalisierung zugenommen. Neue Angebote vereinfachen KMU den Arbeitsalltag und steigern dadurch massgeblich ihre Effizienz.
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MULTIBANKING – EINE NEUE ÄRA Zwei Drittel der Schweizer KMU pflegen laut einer Studie des Swisscom Think Tank e-foresight und des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) mindestens zwei bis drei verschiedene Bankbeziehungen. Dies macht aus verschiedenen Gründen Sinn, führt aber auch zu einigen Nachteilen. So braucht man verschiedene Logins, muss jeweils von einem Login in ein anderes wechseln, wenn man verschiedene Konten bewirtschaftet und muss bei Personalwechseln jeweils bei allen Banken die Berechtigungen neu aufsetzen. Diese Variante ist also nicht unbedingt optimal für den Nutzer. Ausserdem ist es mit grossem Aufwand verbunden, will man den Überblick über die aktuelle Liquiditätssituation oder die Ein- und Auszahlungen nicht verlieren.
Die Lösung für diese Herausforderungen heisst Multibanking und bezeichnet eine der neuesten Entwicklungen im Bereich des E-Bankings. Dabei können dank digitaler Schnittstellen von einer E-BankingLösung aus alle Bankbeziehungen am eigenen Laptop verwaltet werden. Mit einem einzigen Login haben KMU so die Übersicht über ihre verschiedenen Bankkonten. Als einer der ersten Anbieter in der Schweiz ermöglicht die Bank CIC mit ihrer CIC eLounge zudem auch über ein Login, den Zahlungsverkehr über Drittbankkonten zu steuern, was in der Branche ein Novum darstellt. Viele Banken werden nun nachziehen, da diese Entwicklung den Bankenmarkt nachhaltig verändert und für die Kunden die Abwicklung ihrer Finanzgeschäfte enorm vereinfacht.
DIE WELT DER FINANZEN
E-Banking hilft KMU beim Sparen und Wachsen.
VEREINFACHTE BENUTZERVERWALTUNG Bei den meisten KMU ist das Hinzufügen neuer Benutzer oder die Änderung von Zugriffsberechtigungen auf Unternehmenskonten im E-Banking eine aufwändige Angelegenheit. Sowohl innerhalb der Unternehmen wie bei Treuhändern oder Partnern kommt es immer wieder zu personellen Wechseln, die solche Mutationen notwendig machen. Oft ist das aufwändig und bedeutet, dass Gespräche mit den Banken geführt werden müssen, Formulare ausgefüllt und neue Mitarbeitende identifiziert werden müssen, was für alle Beteiligten einen hohen Aufwand bedeutet und viel Zeit verschlingt. Die Bank CIC hat die Benutzerverwaltung in ihrer eLounge deshalb komplett digitalisiert. Auf diese Weise können neue Benutzer nun besonders einfach aktiviert und die individuellen Berechtigungen durch die Unternehmung zugeteilt werden. KMU, welche solche Änderungen auf regelmässiger Basis vornehmen müssen, sparen damit nicht nur Zeit, sondern können auch Mitarbeitende, die zum Beispiel befristet Stellvertretungen übernehmen, zusätzlich temporär berechtigen und so die Funktionsfähigkeit ihrer Abteilungen sicherstellen.
ALLES DIGITAL UND PAPIERLOS Bei den traditionellen E-Banking-Lösungen werden die Kontoauszüge und Transakti-
onsbelege digital zur Verfügung gestellt. Teilweise wird dem Kunden die Möglichkeit geboten, eigene Dokumente in digitale Safes hochzuladen. Um den KMU jedoch einen optimalen Service zu bieten, gehen die modernen Tools einen Schritt weiter. Neben den Standarddokumenten werden auch alle gültigen Verträge mit der Bank sowie wichtige Korrespondenzen automatisch abgelegt und sind jederzeit abrufbar. Die Informationen, welche zum Beispiel in vergangenen Transaktionen oder in den abgelegten Dokumenten enthalten sind, können Kunden dank einer intelligenten Filterfunktion, wie sie etwa bei der Bank CIC zum Einsatz kommt, in Sekundenschnelle wieder auffinden. So sparen sich KMU die aufwendige manuelle Suche oder das endlose Durchblättern von ausgedruckten Dokumenten in vollen Ordnern.
DIE REISE GEHT WEITER Auch weitere Dienstleistungen sind heute über E-Banking möglich. Bei der eLounge beispielsweise werden etwa Zahlungen, die bis 14 Uhr erfasst wurden, standardmässig am gleichen Tag überwiesen. Anlagegeschäfte können digital durchgeführt und ein Beratungsmandat inklusive Risikoschätzungen, Markteinschätzungen mit konkreten Handlungsempfehlungen und dem Zugriff auf Marktchancen genutzt werden. Und auch die Abwicklung von Devisengeschäften läuft schnell und einfach über das E-Banking. So bietet die Digitalisierung den Banken zahlreiche Möglichkeiten, ihren Kunden die Bankgeschäfte noch schneller und einfacher zu machen.
PERSÖNLICHER KONTAKT BLEIBT WICHTIG Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die das E-Banking heute bietet, wird das Bankgeschäft, insbesondere die Handels-, Finanzierungs- und Anlagegeschäfte auch in Zukunft nicht ausschliesslich digital stattfinden. Um die individuellen Bedürfnisse und personalisierten Ansprüche der Bankkunden optimal zu erfüllen, wird auch in Zukunft nichts am persönlichen Austausch vorbeiführen. Obwohl das E-Banking bequem und praktisch ist, fühlen sich viele Kunden am besten aufgehoben, wenn sie kurz persönlich mit ihrem Bankberater sprechen können. KMU sollten bei der Wahl ihrer Bank deshalb unbedingt darauf achten, dass sie eine persönliche Kontaktperson haben, die sie individuell und flexibel unterstützt und die Unternehmerwelt versteht. Die Zukunft des Bankings für KMU liegt wohl im individuellen Mix zwischen einfachen digitalen Lösungen für immer mehr Bankgeschäfte und einer persönlichen Beratung auf Augenhöhe bei komplexeren Fragestellungen rund um das Unternehmen.
SANDRA MARUGG ist Leiterin der Unternehmens entwicklung der Bank CIC. www.cic.ch
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DIE WELT DER FINANZEN
Investoren interessieren sich vor allem für Start-ups, die schon die ersten Hürden genommen haben.
BEREIT FÜR DEN BÖRSENGANG WIE START-UPS AN DER BÖRSE PROFITIEREN von Søren Bjønness
Die Corona-Krise hat die Kapitalmärkte durcheinandergewirbelt. Doch es gab auch Gewinner: So erwies sich beispielsweise der Tech- und Biotech-Sektor als besonders widerstandsfähig. Die Schweiz steckt voller innovativer Start-ups, die in diesen Bereichen tätig sind und aktuelle Probleme adressieren. Umso wichtiger ist es, dass sie gerade jetzt ihren Standpunkt festigen und ihre Unabhängigkeit wahren können.
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m Jahr 2018 wurden in der Schweiz 1.2 Milliarden Franken in frühphasige Firmen investiert – eine Summe, die früher niemals denkbar gewesen wäre. Vergangenen Jahres wuchs diese Summe gar auf einen Rekord von 2.3 Milliarden Franken, erteilt auf 266 Finanzierungsrunden. Sogar im ersten Halbjahr 2020 wurden 760 Millionen Franken in 105 Finanzierungsrunden in Schweizer Start-ups investiert, was in früheren Krisen undenkbar gewesen wäre. Dabei verzeichnete nicht nur Venture Capital ein starkes Plus, sondern der gesamte Werkzeugkasten alternativer Finanzierungs-
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quellen. Unternehmen wollen immer weniger auf das traditionelle «Private Equity»-Modell zurückgreifen, da sie nicht bereit sind, ihr Lebenswerk frühzeitig zu verkaufen. Sie möchten ihre Technologien selbst vorantreiben und weiterentwickeln. Das ist gerade in der aktuellen Situation besonders wichtig. Doch wie kommen Sie an mehr Kapital und können gleichzeitig unabhängig bleiben?
AUF DEN SEKTOR KOMMT ES AN Viele Start-ups wissen zwar, dass ein IPO grundsätzlich möglich wäre, glauben je-
doch, dies sei noch zu früh für ihre Firma. Was dabei jedoch häufig vergessen wird: Investoren sind nicht darauf aus, Vergangenheit zu kaufen, sondern wollen in Zukunft investieren. Innovative, neuartige Technologien sind längst die besseren Wetten als traditionelle, vermeintlich sichere Investitionen. Entscheidend für eine Investition ist vielmehr das Umfeld. Besonders attraktiv sind Sektoren, in denen es bereits viele Firmen gibt, die als Vergleich beziehungsweise Peers dienen. Das animiert Invest-
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mentbanken, aktiv zu werden. Bei der Börse Euronext ist dies für den TechnologieSektor längst gegeben. Im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben sich die Tech-Werte nicht nur als besonders widerstandsfähig erwiesen, sondern auch die zyklischen Schwankungen ausgelassen und somit sogar besser abgeschnitten. Dies gilt insbesondere für Biotech- und Medtech-Unternehmen, aber auch für Tech-Firmen. Grund dafür ist wohl unter anderem, dass die Krise gezeigt hat, wie wichtig digitale Geschäftsmodelle sind.
ÜBER EURONEXT Euronext ist die führende paneuropäische Börse mit Sitz in Amsterdam. Die Euronext betreibt regulierte und transparente Aktienund Derivatemärkte und ist das weltweit grösste Zentrum für die Kotierung von Anleihen und Fonds. Je nach Definition werden bis um 1 100 KMU bei Euronext gehandelt, circa 480 von diesen sind Technologiefirmen. Euronext bietet Schweizer Unternehmen mit internationalen Ambitionen und Potenzial ein Sprungbrett.
DEN ZEITPUNKT FESTLEGEN Stimmt das Umfeld, entscheiden Investmentbanken, welche Firmen sie fördern und auf den Markt bringen wollen. Besonders attraktiv sind Start-ups, welche die Anfangshürden bereits überwunden haben. Wann eine Firma diesen Status erreicht hat, ist unterschiedlich. Es empfiehlt sich daher, in stetigem Austausch mit Banken und Investoren zu stehen, um den optimalen Zeitpunkt zu finden. Gleichzeitig hilft der Austausch, um Vorlieben von Investoren, Fallgruben und Fehlinterpretationen frühzeitig zu er-
kennen. Bei der Börse Euronext lässt sich beispielsweise beobachten, dass Firmen bereits nach der Phase B, sprich, bei einer Kapitalaufnahme von 15 Millionen und einer Bewertung von 30 bis 60 Millionen Franken, einen Börsengang vollziehen können. Dies zeigt, dass ein Börsengang meist früher als gedacht möglich ist.
FRÜHZEITIGE VORBEREITUNGEN Um sich als Börsenkandidat zu etablieren, müssen Firmen dokumentarisch gut aufgestellt sein. Es mag selbstverständlich klingen, aber ein Businessplan, eine ManagementPräsentation, eine Finanzplanung, ein Dataroom und weitere Instrumente sind Pflicht. Ebenfalls bereits früh implementiert werden sollten eine breit aufgestellte Corporate Governance, durchdachte Strukturen und ein rechtlich solides Gebilde. Wagt sie den Schritt in die Öffentlichkeit, wird sie neben einer Kapitalzufuhr von weitaus mehr Vorteilen profitieren: Die Bekanntheit wächst, was wiederum mehr Glaubwürdigkeit und Kreditwürdigkeit mit sich bringt. Zudem werden Strukturen gefestigt sowie die Professionalität gesteigert – und last but not least: Start-ups können ihre Unabhängigkeit wahren und ihr Wachstumspotenzial vollumfänglich ausschöpfen.
SØREN BJØNNESS ist Verantwortlicher für Euronext Schweiz. Stimmt das Umfeld, entscheiden Investmentbanken, welche Firmen gefördert werden.
www.euronext.com
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DIE WELT DER FINANZEN
Währungsrisiken beschäftigen Schweizer Unternehmen. Eine Aufwertung des Euros erwarten sie aber nicht.
WÄHRUNGSRISIKEN ABSICHERN FRÜHZEITIG PLANEN FÜR MEHR SICHERHEIT Interview mit Anja Burford von Georg Lutz
Währungsschwankungen können einen erheblichen Einfluss auf das Geschäftsergebnis haben. Viele Unternehmen entscheiden sich deshalb für eine Währungsabsicherung. Anja Burford, Leiterin des FX Desk für KMU und Banken bei der Credit Suisse, spricht über Termingeschäfte und Derivate und zeigt auf, wie sich Kunden durch Hedging optimal absichern können.
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ie anhaltende Stärke des Schweizer Frankens bereitet exportorientierten Firmenkunden Sorgen. Ein starker Franken wirkt sich direkt auf die Preisgestaltung und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz aus. Unternehmen machen sich Gedanken über die Entwicklung der Devisenkurse und müssen sich aktiv um die strategische Absicherung ihrer Fremdwährungsrisiken kümmern. Den Kunden geht es typischerweise darum, eine möglichst grosse Planungssicherheit für die nächsten Monate zu erreichen. Deshalb braucht es verschiedene Ansätze und Lösungen im Umgang mit Fremdwährungen. Anja Burford, gibt es die perfekte Währungsabsicherung für jeden Kunden? Die perfekte Währungsabsicherung gibt es grundsätzlich nicht, weil jedes Unternehmen anders arbeitet und bei der Absicherung von Währungsrisiken unterschiedliche Erwartungen hat. Da die Produkte im Bereich des Devisenhandels individuell auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt werden können, existiert aber für jeden Fall eine geeignete Absicherung. Ausschlaggebend ist, welche Ziele der Kunde verfolgt. Nehmen wir das Beispiel eines Fremdwährungskäufers: Möchte sich der Kunde nur gegen steigende Kurse absichern? Oder möchte er Risiken auf
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sich nehmen und die Währung zu einem vorteilhaften Kurs kaufen? Die Studie der Credit Suisse zur Devisenkursentwicklung hat gezeigt: Viele Kunden möchten zwar optimieren, aber nicht spekulieren. Wie schaffen Sie ein Gleichgewicht? Genau hier liegt die Herausforderung. Eine reine Absicherung wie das Termingeschäft schützt die Kunden zwar vor allfälligen Währungsverlusten, ermöglicht es ihnen aber nicht, an vorteilhaften Marktbewegungen zu partizipieren. Absicherungsprodukte, die eine Partizipation ermöglichen, sind mit direkten oder indirekten Kosten verbunden. Gemäss unserer Erfahrung sind viele Unternehmen jedoch nicht bereit, eine Prämie zu zahlen. Eine Lösung für dieses Problem bieten andere Produkte, bei denen Kunden die Cashflows optimieren oder eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Absicherungssumme eingehen. Wir empfehlen grundsätzlich die Wahl verschiedener Produkte, um eine gewisse Diversifikation zu erhalten. Wie setzen sich diese Produkte idealerweise zusammen? Die optimale Strategie für Kunden ist aus meiner Sicht das Termingeschäft. Beim klassischen Termingeschäft kaufe ich zum
Beispiel eine Fremdwährung – sagen wir Euro – zu einem bestimmten Fixkurs auf zwölf Monate. Termingeschäfte können durch den Einsatz von Derivaten ergänzt werden. Derivate wiederum sind eine gute Möglichkeit, um sich mittels Optionen abzusichern oder zu optimieren. Grundsätzlich dienen solche Optimierungen zur Ergänzung und sorgen für eine mögliche Extra-Performance. In erster Linie geht es aber immer darum, die Kunden zu schützen. Eine Optimierung kommt erst später infrage. Warum setzen Sie gerne Derivate ein? Wenn Sie ein klassisches Termingeschäft tätigen, müssen Sie praktisch bei jeder Fälligkeit liefern. Sie können nicht, sondern Sie müssen. Daher sind Sie in der Pflicht, die Kontrakte abzunehmen. Bei Derivaten besteht die Möglichkeit zu restrukturieren. Sie können also mittels einer Laufzeitverlängerung oder einer Volumenerhöhung das Derivat umstrukturieren. Die Kunden haben so mehr Spielraum als beim klassischen Termingeschäft. Trotzdem optimieren viele Kunden lieber. Wieso dieser Drang zur Optimierung in der Schweiz? Optimierungen ermöglichen den Kunden, eine Währung zu einem sehr vorteilhaften
© CreditSuisse
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DEVISENUMFRAGE 2020 UND EINSCHÄTZUNG Die Credit-Suisse-Studie zur Entwicklung der Devisenkurse und Handhabung der Währungsrisiken gibt einen Überblick, mit welchen Wechselkursen Schweizer Unternehmen rechnen und in welchem Umfang sie diese absichern. Die Absicherungsstrategie ist bereits während der Planungsphase wichtig.
Kurs zu kaufen oder zu verkaufen. Wir sehen hauptsächlich zwei Fälle: einerseits Kunden, die sich frühzeitig mit dem Thema Absicherung und Optimierung beschäftigen und mit einer Optimierung versuchen, einen Mehrwert zu generieren. Andererseits gibt es Kunden, die nach einer grösseren Bewegung reagieren müssen, da sie ihren Budgetkurs verpasst haben. Eine Optimierung birgt aber auch Risiken und bietet keinen Schutz, da sie verfallen kann. Wir empfehlen grundsätzlich immer eine frühzeitige Planung und eine Kombination von Produkten. Idealerweise wird eine Absicherung mit einer Optimierung kombiniert. Wann machen denn Optimierungen für ein Unternehmen Sinn? Optimierungen machen in der Regel in ruhigeren Märkten Sinn und können für Kunden sehr attraktiv sein. Jedoch darf das Risiko einer Optimierung nicht unterschätzt werden. Denn eine Optimierung ist keine Absicherung. Wichtig ist, dass Kunden eine Optimierung an die Strategie des Unternehmens anpassen. Wir empfehlen in der Regel eine Optimierung nur für einen Teil des Bedarfs. Somit kommen vor allem Unternehmen infrage, die einen genügend grossen Bedarf an Fremdwährungen oder an Schweizer Franken haben. Wie sollten Unternehmen bei der Währungsabsicherung vorgehen? Eine frühzeitige Planung und Analyse der Cashflows ist zentral. In einem ersten Schritt steht die Identifikation der Währungsrisiken im Vordergrund. Anschliessend muss sich das Unternehmen fragen, ob und in welchem Umfang die Risiken abgesichert werden sollen. Bevor dann eine Absicherung getätigt werden kann, stellt sich zudem die Frage nach dem Timing, sprich, wann fallen die Cashflows an und über welchen Zeit-
raum sollen die Währungsrisiken abgesichert werden. Die Fragen zu Bedarf, Volumen und Zeitpunkt müssen also zwingend geklärt werden. Denn je besser Kunden wissen, was sie brauchen, desto eher können wir von der Bank auch die richtige Lösung anbieten.
«In erster Linie geht es immer darum, die Kunden zu schützen.» Sind diese Punkte geklärt, wo setzt dann die Beratung an? Nach der Klärung des Absicherungsbedarfs ist es wichtig, die Markterwartung des Kunden zu kennen. Je nach Markterwartung gibt es dann unterschiedliche Produkte, die infrage kommen. Das Termingeschäft ist nach wie vor das beliebteste Produkt. Aber auch andere Produkte können Sinn machen. Deshalb sollte der Kunde die verschiedenen Szenarien und Risiken verstehen. Dies ist vor allem bei komplexeren Absicherungen oder Optimierungen elementar. Viele verdrängen die Risiken. Aber es ist wichtig, dass sich Kunden über diese bereits in der Planungsphase ihrer Absicherungsstrategie bewusst sind. Wie können Kunden Risiken mindern? Leider suchen Kunden das Gespräch mit der Bank oft erst dann, wenn es schon zu spät ist. Kunden sind heute sowohl über politische Ereignisse wie auch über Veränderungen am Markt viel besser informiert. Sie
sind deutlich mehr am Puls der Märkte – jedoch nur operativ, nicht strategisch. Mit der Bank sollten sie deshalb regelmässig einen strategischen Dialog führen. Denn Märkte können sich mittlerweile sehr schnell verändern. Daher ist es wichtig, periodisch die Veränderungen am Markt und die eigene Strategie zu besprechen. Je früher und öfter Kunden diese strategischen Dialoge mit der Bank führen, desto erfolgreicher sind sie mit der eigenen Währungsabsicherung. Bei manchen Schweizer KMU machen Fremdwährungen nur einen kleinen Teil des Umsatzes aus. Können Firmen auf Währungsabsicherung verzichten? Eine Währungsabsicherung lohnt sich für jedes Unternehmen, unabhängig von dessen Grösse. Auch kleine Beträge können problemlos abgesichert werden. Komplexere Absicherungsstrategien oder Optimierungen machen jedoch erst ab einer gewissen Grösse Sinn. Neben den Währungsabsicherungen gibt es aber auch andere spannende Produkte wie zum Beispiel die Doppelwährungsanlage, die im Bereich des Cash Management eingesetzt werden kann. Der regionale Ansatz mit unseren Zweigstellen in den verschiedenen Regionen ermöglicht es uns, nahe an den Kunden zu sein und die verschiedenen Möglichkeiten zu besprechen. Devisenspezialisten beraten an fünf Standorten in der Schweiz.
ANJA BURFORD ist Leiterin des FX Desk für KMU und Banken bei der Credit Suisse. www.credit-suisse.com/devisen
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VORSCHAU & IMPRESSUM
VORSCHAU DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM DEZEMBER 2020 Folgende Schwerpunkte stehen auf unserer Agenda:
Der Weg ist das Ziel Passendes Flottenmanagement
Haifischbecken Worldwide Web Neue Cyber-Bedrohungen und Lösungen
Schlanke Produktion Lean Management
Bereit zum Start(-up) Marktreife Start-ups
Auf der Höhe der Zeit Passende digitale Transformation
Schöne neue Arbeitswelt? Herausforderungen im Home-Office
Kryptografische Verkettungen Blockchain vor dem Durchbruch
Massnahmen zum Erfolg Realisierung von Marketingzielen
Den Wandel gestalten Potenziale und Grenzen von Finetech
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