kmuRUNDSCHAU 03/2021

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AUSGABE 03 / 2021

AUS DEM TAKT GEKOMMEN DIE BILATERALEN BEZIEHUNGEN MIT DER EU

GREEN NEW DEAL | UNTERNEHMENSKULTUR | HYBRIDE BÜROS | CRM IM EINSATZ



LIEBE LESERIN, LIEBER LESER, Anfang August publizierte der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sein aktuelles Grundsatzpapier. Er beschreibt in klarer Schärfe, was wir seit dem Club of Rome (Grenzen des Wachstums) und Hoimar von Ditfurth und seinen steigenden Klimakurven aus den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts eigentlich wissen: Der Klimawandel findet statt und ist eine zentrale Herausforderung für diesen Planeten. Nur wurden wissenschaftliche Erkenntnisse bislang von Konsumenten, der Politik und grossen Teilen der Wirtschaft ignoriert und verdrängt. Das beginnt sich zu ändern. Wir lauschen nicht nur mahnenden Sonntagsreden ohne Folgen, sondern sind von der Praxis positiv überrascht. So präsentieren wir in dieser Ausgabe ein Elektroflugzeug, mit dem das Transport- und Logistikunternehmen DHL seinem Ziel der Klimaneutralität näherkommen will. Das sind beeindruckende Botschaften und Lösungen in der bedrückenden Klimadebatte, in der man sich manchmal wie in einer tibetanischen Gebetsmühle fühlt. Die Zeit ist vorbei, darüber zu diskutieren, wer die Kosten für mehr Klimaschutz trägt oder ob sich Ausgaben dafür überhaupt lohnen. Es ist Zeit zu handeln. Schweizer Unternehmen sind bekannt für ihre Innovationskraft. Es geht um eine klimataugliche Wirtschaft. Wir werden auch in den nächsten Ausgaben dazu wegweisende Beispiele präsentieren.

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Im Rahmen unseres publizistischen Highlights diskutieren wir ein Thema, welches sich nach einigen Aufregungswellen im Frühjahr jetzt im Tiefschlaf befindet – dies aber zu Unrecht. Es geht um die bilateralen Verträge mit der EU. Nach sieben Jahren Verhandlungen ist die Schweizer Delegation Ende Mai vom Verhandlungstisch aufgestanden. Das historisch enge Verhältnis wird so einer zunehmenden Belastungsprobe ausgesetzt. Das Rahmenabkommen liegt auf Eis, aber das Eis bröckelt. Es wird zunächst keine weiteren Abkommen geben, und ältere Abkommen werden wahrscheinlich nicht aktualisiert. Zudem droht der Ausschluss aus EU-Förderprogrammen. Auf jeden Fall nimmt die Bürokratie, auch für KMU-Verantwortungsträger, zu. Das sind genügend Gründe, um aufzuwachen und politisch Druck zu erzeugen.

Georg Lutz

Chefredaktor kmuRUNDSCHAU

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Enterprise-Content-Management


INHALT

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BILATERALER WEG – ERFOLGREICH UND UNSICHER Nach dem Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen befinden sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in der vielleicht grössten Krise seit dem Beginn des bilateralen Wegs vor über 20 Jahren. Für die Schweiz ist dies eine bedenkliche Entwicklung, denn mit dem Zugang zum EU-Binnenmarkt steht und fällt der Erfolg der Schweizer Wirtschaft.

24 DER WANDEL IST DA Eine aktuelle Commerzbank-Studie belegt, dass trotz der Pandemie Nachhaltigkeit das entscheidende Thema für Schweizer Unternehmen wird. Wie so häufig bei gesellschaftlichen Wandlungsprozessen gibt es einige Early Birds auf der einen und Nachzügler auf der anderen Seite. Die Tendenz ist aber eindeutig.

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E-MOBILITY IM UNTERNEHMEN Die Zeit fester Arbeitsplätze scheint vorbei zu sein. Mobiles Arbeiten liegt seit Längerem im Trend, die Pandemie hat dabei für den ultimativen Digitalisierungsschub gesorgt. Überall, wo es ausreichend Bandbreite gibt, kann der Wissensarbeiter sein mobiles Büro aufschlagen. Enterprise-Content-Management(ECM)-Systeme bilden als zentrale Informationsplattform die passende Technologie – flexibel und leistungsstark.

KUNDENBINDUNG ALS ZENTRALER FAKTOR

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Vorsorge bedeutet, mit bestimmten Massnahmen eine Begeisterte Kunden, die Produkte oder Dienstleistungen weiterempfehlen und voll hinter der Marke stehen – davon träumt jeder, der ein eigenes Geschäft führt. Mit der zunehmenden Marktsättigung und steigenden Ansprüchen der Kundschaft wird es jedoch immer schwieriger, eine treue Kundenbasis aufzubauen.



INHALT ZUKUNFT IM BLICK Unternehmenskultur ist zunächst eine schwer greifbare Angelegenheit. Natürlich ist sie gerade in den aktuellen Umbruch- und Transformationsphasen wichtig. Aber wie kommen wir über oberflächliche Beschreibungen hinaus? Mit Simon Sagmeister vom The Culture Institute aus St. Gallen finden wir nicht nur zu dieser Frage Antworten.

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SCHMERZPATIENT FUHRPARK

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RUBRIKEN Editorial 1 Highlight 10 Global & Lokal 20 Die Welt der Finanzen 24 Software & Hardware 34 IT-Sicherheit 58 Marcom 62 Menschen in Unternehmen 70 Business Portrait 80 Unternehmen unterwegs 112 Kommentare 6, 8, 9 Kolumnen 23, 37, 57, 65, 75, 84, 89 Impressum 120

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Der Fuhrpark des eigenen Unternehmens ist essenziell für einen reibungslosen Ablauf im Betriebsalltag. Durch ihn wird die Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen sichergestellt. Dennoch: Die Mehrheit der Entscheidungsträgerinnen und -träger ist sich dem Stellenwert des Fuhrparks nicht bewusst und schenkt ihm deshalb nicht die Aufmerksamkeit, die eigentlich notwendig wäre.

WIR SIND VOR ORT Dies ist eine Corona-Ausgabe und daher sind auch unsere Aussentermine minimiert. Dafür setzen wir vermehrt auf digitale Lösungen, merken aber, dass auch sie an einige Grenzen stossen. Wir freuen uns daher, Sie in naher Zukunft wieder Face to Face begrüssen zu dürfen.

IM WEB Wir halten Sie zwischen den Ausgaben mit aktuellen News, Fotostrecken, Kolumnen und Analysebeiträgen auf dem Laufenden. Sie sind gerne eingeladen, sich crossmedial zu beteiligen. Zum Beispiel mit News: 1 000 Zeichen, Bild und URL. Besuchen Sie www.kmurundschau.ch


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KOMMENTAR

DIE UHR TICKT von Martin Dätwyler

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ichts wünschen sich Schweizer KMU mehr als stabile politische Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Dies zeigt die jährlich durchgeführte KMU-Mittelstandsstudie von Raiffeisen. Kein Wunder, denn die Europäische Union ist für Schweizer Export-Unternehmen eine Art «Heimmarkt». 51 Prozent unserer Ausfuhren gehen in die EU. Der hindernisfreie Zugang zum EU-Binnenmarkt ist ein entscheidender Erfolgsfaktor des Schweizer Wirtschaftsstandorts. Fällt dieser Vorteil weg, haben wir ein Problem. Die Beziehungspflege mit der EU ist deshalb die wichtigste Aufgabe der Schweizer Aussenpolitik. Umso unverständlicher ist es, wie wir es geschafft haben, in der aktuellen europapolitischen Sackgasse zu landen. Statt gemeinsam an konstruktiven Lösungen zu arbeiten, sind wir in einer Negativ-Spirale gefangen. Die Schweiz zahlt die längst freigegebene Kohäsionsmilliarde nicht aus und lässt die EU nach jahrelangen Verhandlungen über ein Rahmenabkommen im Regen stehen. Die EU dagegen hat die Schweizer Börsenäquivalenz aberkannt, lässt die Schweiz nicht voll am Forschungsprogramm «Horizon Europe» mitmachen und datiert wichtige Marktzugangsabkommen nicht mehr auf. Die Schweizer Europapolitik ist offensichtlich in arge Schieflage geraten. Jetzt den Kopf in den Sand zu stecken und auf bessere Zeiten zu hoffen, wäre aber fatal. Denn die aktuelle Unsicherheit ist Gift für unseren Wirtschaftsstandort. Je länger die Eiszeit mit der EU anhält, desto mehr schwindet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die Unternehmen können es sich nicht leisten, auf bessere Zeiten zu warten. Erste Firmen spielen bereits mit dem Gedanken, EU-Tochtergesellschaften zu gründen, um die neuen Hürden beim Marktzugang und bei der Forschungszusammenarbeit zu umgehen. Das birgt die Gefahr, dass Firmen zukünftig auch andere Geschäftsbereiche nach und nach von der Schweiz in die EU verlagern. Auch im Forschungsbereich tickt die Uhr. Ohne Zugang zum Forschungsprogramm «Horizon Europe» verlieren Schweizer Universitäten und Forschungsinstitute an Attraktivität. Internationale

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Spitzenforscherinnen und -forscher überlegen es sich zweimal, ob sie unter diesen Umständen noch in der Schweiz forschen wollen, denn es gibt weltweit in Bezug auf Prestige und Umfang kein vergleichbares Forschungsprogramm. Auch Schweizer KMU verlieren den Zugang zu den beliebten EU-Forschungsprogrammen. An der bilateralen Kooperation führt kein Weg vorbei. Diese muss innen- und aussenpolitisch kontinuierlich verteidigt und gepflegt werden. Die Politik muss nun alles daransetzen, dass unser Land möglichst zügig auf einen europapolitisch stabilen Pfad zurückfindet. Dazu braucht es glaubwürdige Signale an die EU, dass wir an langfristigen Lösungen interessiert sind. Zudem muss der Bundesrat in Zukunft mehr Zeit für die Beziehungspflege mit Brüssel und den Nachbarstaaten einplanen. Aber auch die Unternehmen und die Wirtschaftsverbände sind gefordert. Wenn wir uns stabile Beziehungen mit der EU wünschen, müssen wir auch öffentlich dafür einstehen. In der aktuellen Situation heisst das, dass wir in Bern, Brüssel und in unseren Nachbarstaaten für Kompromisse werben und aufzeigen müssen, was auf dem Spiel steht. Die Handelskammer beider Basel lud im Juli hohe Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu einem Treffen in der Dreiländerregion Basel ein. An einem runden Tisch konnten wir die konkreten Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen für die Unternehmen diskutieren und ein wichtiges Signal an die Politik aussenden. Diesen Austausch müssen wir in Zukunft noch viel mehr fördern. Denn die Uhr tickt.

MARTIN DÄTWYLER ist Direktor der Handelskammer beider Basel. www.hkbb.ch


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KOMMENTAR

ZUKUNFTSFÄHIGE EUROPAPOLITIK von Dr. Peter Grünenfelder

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ie noch stärkere Integration in den EU-Binnenmarkt seit der Jahrtausendwende hat sich als Wohlstandstreiber erwiesen. Weder Abschottung noch Abgrenzung sind zukunftsfähige Strategien für eine nachhaltige Wohlstandssicherung. Nun hat der Bundesrat am 26. Mai 2021 den Verhandlungstisch rund um das InstA (Institutionelle Abkommen Schweiz-EU) verlassen – ohne Plan B. Man möchte am Status quo der Bilateralen festhalten. Doch der EU-Binnenmarkt entwickelt sich weiter. Bereits drei Monate nach Verhandlungsabbruch sind erhebliche bilaterale Störungen eingetreten. Der vom Bundesrat anvisierte politische Dialog mit Brüssel hat sich bislang als wirkungslos erwiesen. Um den Bilateralismus nicht weiter erodieren zu lassen, tut eine Lösung in fünf Schritten Not. Erstens muss sich die Schweiz über ihr Souveränitätsverständnis im Klaren sein. Nicht wenige hierzulande möchten die für sie geltenden Regeln des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt selbst aufstellen. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel der profitablen Teilhabe und der als absolut verstandenen Souveränität entsteht dadurch, dass die Binnenmarktregeln in den politischen Organen der EU festgelegt werden, in denen die Schweiz nicht mitentscheiden (sondern allenfalls punktuell mitsprechen) kann. Die logische Konsequenz dieser Konstellation ist eine eingeschränkte Souveränität bei der Setzung der Regeln im EU-Binnenmarkt. Die Suppe wird auch hier politisch heisser gekocht als gegessen: Die Stimmbevölkerung zeigt sich bei bilateralen Vorlagen regelmässig pragmatisch. Zweitens soll – statt der laufenden Erosion – der bilaterale Weg vertieft werden. Will die wirtschaftliche Schweiz weiterhin erfolgreich am EU-Binnenmarkt partizipieren, dann muss die politische Schweiz an dessen zukünftiger Ausgestaltung durch ein aufdatiertes Abkommen mitwirken. Dazu braucht es «Bilaterale plus» und ein transparentes Streitbeilegungsverfahren – ersteres für neue Marktzugangsabkommen, zweiteres zur Schaffung von Rechtssicherheit für Schweizer Unternehmen, um sich erfolgreich gegen eine Nadelstichpolitik der EU wehren zu können (was mit dem heutigen Vertragswerk quasi ausgeschlossen ist).

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Drittens sollte in der Politik weniger das europapolitisch Trennende, sondern die gemeinsame europapolitische Schnittmenge im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Zu oft haben die grossen Parteien rund um das InstA in den vergangenen zwei Jahren die Differenzen untereinander akzentuiert. Gerade das bürgerlich-liberale Lager, Wirtschaftsverbände und Gewerbekreise, die politischen Kräfte der Mitte zusammen mit den fortschrittlichen Kräften der Sozialdemokratie sind gefordert, die europapolitischen Gräben wieder zuzuschütten und in einem gemeinsamen Effort mehrheitsfähige Lösungen zu entwickeln. Der europapolitische Pragmatismus des Souveräns kann dabei als Leitlinie gelten. Viertens ist die Öffnung des eigenen Binnenmarkts voranzutreiben – dies vorab durch die unilaterale Abschaffung der Zölle. Industriegüterimporte tragen 41 Prozent zu den gesamten Zolleinnahmen bei, ein Abbau würde zu einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von fast einer Milliarde Franken führen. Der Zollsatz bei Agrargütern von 30.4 Prozent ist weltweit ein Spitzenwert für Protektion. Ein Abbau würde das Preisniveau für Lebensmittel senken und den inländischen Wettbewerb im Detailhandel intensivieren. Die Öffnung des Binnenmarkts verlangt auch, der um sich greifenden Ausweitung der Geschäftsaktivitäten von Staatsbetrieben resolut Einhalt zu gebieten. Schliesslich sollte fünftens das Potenzial des Aussenhandels konsequenter ausgeschöpft werden – vorab mit dem Abschluss neuer Freihandelsabkommen mit den USA und den MercosurLändern. Doch dazu gehört auch die verbesserte Nutzung bestehender Freihandelsabkommen durch Massnahmen zur administrativen Reduktion der Import- und Exportanforderungen.

DR. PETER GRÜNENFELDER ist Direktor bei Avenir Suisse. www.avenir-suisse.ch


KOMMENTAR

DIE SCHWEIZ IM EUROPAPOLITISCHEN BLINDFLUG von Jean-Philippe Kohl

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er Bundesrat hat die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU abgebrochen, ohne die weitere Flugroute aufzuzeigen. Das Abkommen hätte den bisher vom Volk mehrfach bestätigten und erfolgreichen bilateralen Weg der Schweiz fortführen und damit die Marktchancen für Schweizer Unternehmen sichern sollen. Viele Branchen sind stark auf die EU ausgerichtet. Mit dem Verhandlungsabbruch bleiben die bestehenden Pro­ bleme mit der EU ungelöst. Schweizer Unternehmen sind unter anderem mit drei zentralen Hürden konfrontiert. Da die EU das bestehende Mutual Recognition Agreement (MRA) nicht aktualisierte, können Schweizer Medizinalprodukte nicht mehr wie bisher hindernisfrei auf dem EU-Markt vertrieben werden. Die Unternehmen müssen jetzt zusätzlich eine Zulassung in der EU beantragen. Dies verursacht Aufwand und damit Kosten. Der MEM-Industrie (Maschinen- Metall und Elektroindustrie) drohen in zwei bis drei Jahren ähnliche Probleme wie der Medizinaltechnikbranche, wenn die Aktualisierung der Maschinenrichtlinie ansteht. Das ist die erste Hürde. Zweitens ist die Schweiz nur noch als Drittstaat bei Programmen wie Horizon Europe, Forschung Euratom, Digital Europe und ITER assoziiert. Das verringert die Attraktivität hiesiger Universitäten, womit der Zugang von Schweizer Firmen zu Talenten und Forschung erschwert wird. Da ein Stromabkommen mit der EU fehlt, ist künftig drittens die Netzstabilität gefährdet und damit eine verlässliche Stromversorgung nicht mehr garantiert. Mittelfristig droht eine Erosion des bilateralen Wegs, der zu Wohlstandsverlusten (Einkommen, Arbeitsplätze, aber auch Steuersubstrat) für die gesamte Schweizer Bevölkerung führen kann. Mit dem abrupten Ende der Verhandlungen zum Rahmenabkommen muss eine drohende negative Spirale in den bilateralen Beziehungen zur EU und den Mitgliedstaaten unbedingt verhindert werden. Nichtstun ist deshalb keine Option – Bundesrat und Parlament müssen rasch handeln.

können. Dazu gehören auch vertrauensbildende Massnahmen. So unterstützt Swissmem die Absicht des Bundesrates, den Erweiterungsbeitrag der Schweiz an die EU zu leisten (Kohäsionsmilliarde). Eine rasche Auszahlung der Kohäsionsmilliarde, ohne diese an Bedingungen zu knüpfen, ist ein starkes Bekenntnis der Schweiz zum bilateralen Weg. Darüber hinaus soll damit die Assoziierung der Schweiz zu Horizon Europe sichergestellt werden, weil die EU diese bedauerlicherweise vom Zahlungsbeginn des Erweiterungsbeitrags abhängig macht. Der erstklassige Forschungsplatz und dessen Vernetzung mit europäischen Partnern ist ein massgeblicher Grundpfeiler für den innovationsbasierten Wirtschaftsstandort Schweiz sowie die Schweizer Industrie. Des Weiteren soll die Schweiz autonom die flankierenden Massnahmen modernisieren und digitalisieren. Sie waren Ausgangspunkt für die EU-Forderung nach einem Streitschlichtungsmechanismus. Bereits 2016 haben Berichte des Bundes aufgezeigt, dass zum Beispiel mit ITReformen der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert und die Voranmeldefrist – quasi als das Verhältnis mit der EU entlastendes Beiprodukt – verkürzt werden kann. Schliesslich soll der Bundesrat zur Abfederung des drohenden Schadens als Folge des verschlechterten Marktzugangs zur EU rasch ein internes Reformprogramm zur Sicherung der Arbeitsplätze am Standort Schweiz vorschlagen. Dazu braucht es vermehrte Freihandelsabkommen (zum Beispiel Mercosur, USA, Indien) sowie administrative Entlastungen im Inland. Der «Ease of Doing Business»Indikator der Weltbank ist diesbezüglich ein Warnzeichen. Die Schweiz ist zwischen den Jahren 2015 und 2020 von Platz 20 auf Platz 36 zurückgefallen.

JEAN-PHILIPPE KOHL ist Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik bei Swissmem.

Die Schweiz muss mit der EU sowie den Mitgliedstaaten im Gespräch bleiben, um den bilateralen Weg sicherstellen zu

www.swissmem.ch

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HIGHLIGHT

Die Schweiz und die EU drohen sich in einer negativen Spirale wiederzufinden.

QUO VADIS?

BILATERALER WEG – ERFOLGREICH UND UNSICHER von Gabriel Schweizer

Nach dem Abbruch der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen befinden sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in der vielleicht grössten Krise seit dem Beginn des bilateralen Wegs vor über 20 Jahren. Für die Schweiz ist dies eine bedenkliche Entwicklung, denn mit dem Zugang zum EU-Binnenmarkt steht und fällt der Erfolg der Schweizer Wirtschaft.

W

eit über die Hälfte der Schweizer Exporte und fast 70 Prozent der Einfuhren entfallen auf die EU. Dabei war der bilaterale Weg schon immer von Unsicherheiten geprägt. Denn die Schweiz ist zwar geografisch, wirtschaftlich und kulturell eng mit Europa verflochten, politisch möchte unser Land aber mög-

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lichst unabhängig bleiben und ist deshalb kein Mitglied der Europäischen Union. Aus diesem Spannungsverhältnis hat sich der bilaterale Weg entwickelt. Er ermöglicht uns über einzelne Abkommen eine enge Anbindung an die Europäische Union unter Beibehaltung maximaler politischer Selbstbestimmung. Dieser Kompromiss ist eine

grosse Erfolgsgeschichte und in der Bevölkerung sehr beliebt. Die europapolitischen Volksabstimmungen der letzten zwei Jahrzehnte zeigen dies deutlich. Aber der bilaterale Weg ist kein einfacher Weg. EUskeptische Kräfte im Inland fordern mit Referenden und Initiativen die Europapolitik immer wieder heraus. Auch im europäi-


HIGHLIGHT

schen Ausland stossen die politischen Prozesse und Positionen der Schweiz oft auf Unverständnis. Kurz: Dem bilateralen Weg fehlt eine stabile Basis, weshalb er immer wieder auf die Probe gestellt wird.

EIN VERLORENES JAHRZEHNT Die jetzige Krise entstand aus dem Unvermögen der Schweiz und der EU, sich auf ein institutionelles Abkommen zu einigen. Das Vorhaben, wenigstens die zentralen Marktzugangsabkommen mittels eines Rahmenabkommens auf eine stabile Basis zu stellen, wäre grundsätzlich im Interesse beider Seiten. Die EU wünscht sich insbesondere, dass die Schweiz ihr Recht rascher an das sich verändernde EUBinnenmarktrecht anpasst. Die Schweiz würde von einem langfristig stabilen und verlässlichen Verhältnis zu ihrem wichtigsten Handelspartner profitieren. Ein geregeltes Streitschlichtungsverfahren gäbe ihr eine Handhabe gegen diskriminierende Massnahmen der EU. Ein Rahmenabkommen hätte vor allem auch mehr Rechts- und Planungssicherheit für Schweizer Unternehmen gebracht. Letztlich fehlte es aber auf beiden Seiten an Kompromissbereitschaft, um dem Abkommen zum Durchbruch zu verhelfen. Das unklare Verhalten des Bundesrats in den letzten Jahren hat massgeblich zum Scheitern beigetragen. Es lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Nach mehreren Jahren Vorabklärungen und vier Jahren offiziellen Verhandlungen erklärte die EU 2018 den Vertrag über ein institutionelles Rahmenabkommen als fertig verhandelt. Der Bundesrat nahm das Verhandlungsergebnis zur Kenntnis, konnte sich aber nicht zu einer klaren Stellungnahme durchringen. Er schickte das Dokument stattdessen in die innenpolitische Konsultation, wo es von Interessengruppen – hauptsächlich den Gewerkschaften und EU-Skeptikern – drei Jahre lang schlechtgeredet wurde. Am 26. Mai 2021 schliesslich erklärte der Bundesrat den Abbruch der Verhandlungen. Sieben Jahre Verhandlungen und mehrere Jahre Vorbereitungen endeten ergebnislos. Warum der Bundesrat 2018 nicht klar Stellung bezogen hatte – also entweder auf das Weiterverhandeln der EU zu pochen oder den Vertrag innenpolitisch zu verteidigen – ist aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar. Dem nicht genug hat auch das Parlament noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, indem es 2019 die Auszahlung der Kohäsionsmilliarde blockierte.

Es knüpfte die Freigabe des «Beitrags zugunsten ausgewählter EU-Staaten» an die Bedingung, dass die EU keine diskriminierenden Massnahmen gegen die Schweiz ergreift. Mit diesem taktisch ungeschickten Schachzug lieferte die Schweiz der EU erst recht einen Vorwand für benachteiligende Massnahmen.

WAS AUF DEM SPIEL STEHT Als Resultat dieser unglücklichen Entwicklung sind die Schweiz und die EU heute in einer Negativ-Spirale gefangen. Die EU will ohne Rahmenabkommen einzelne Verträge nicht mehr erneuern. Damit drohen diese an Wirkung zu verlieren. Die Konsequenzen können wir bereits spüren, zum Beispiel in der Medtech-Branche. Wegen des gescheiterten Rahmenabkommens akzeptiert die EU-Schweizer MedtechZertifikate nicht mehr. Die Schweizer Medizintechnik-Unternehmen exportieren jährlich Produkte im Wert von zwölf Milliarden Franken – die Hälfte davon geht in die EU. Der Export dieser Produkte wird nun komplizierter und teurer. Dies ist erst der Anfang. Das gleiche Schicksal droht unter anderem der Maschinenindustrie. Auch die Unternehmen aus anderen Branchen müssen früher oder später ihre Produkte zusätzlich in der EU zertifizieren lassen, wenn diese die entsprechenden Abkommen nicht erneuert. Eine weitere schmerzhafte Entwicklung ist der Entscheid der EU, die Schweiz nicht voll am Forschungsprogramm «Horizon Europe» teilnehmen zu lassen. Für den Wirtschaftsund Innovationsstandort Schweiz ist diese Entwicklung fatal. Hierbei ist es entscheidend zu verstehen, dass es nicht einfach um den Verlust von Forschungsgeldern geht. Diese kann die Schweiz ersetzen. Beim Zugang zu den europäischen Forschungsprojekten geht es in erster Linie um Prestige und die internationale Vernetzung. Es gibt weltweit in Bezug auf Renommee und Umfang kein vergleichbares Forschungsprogramm. Darüber hinaus ist auch die angewandte Forschung betroffen. Forschende Schweizer Firmen – darunter oftmals KMU – profitieren von EU-Forschungsgeldern und den länderübergreifenden Forschungsprojekten. Sie erlauben ihnen, Innovationen frühzeitig auf ausländischen Märkten zu testen und ihre Forschung breit abzustützen. Um weiterhin Zugang zu diesen Projekten zu haben, überlegen sich einige KMU, ihre Forschungsabteilungen in die EU zu verla-

gern. Die Konsequenzen werden nicht von heute auf morgen zu spüren sein. Aber für den langfristigen Erfolg unseres Forschungsstandorts ist diese Entwicklung höchst gefährlich.

WEITERE WEGE Wann und wie die Schweiz und die EU wieder auf einen positiven Pfad zurückfinden, ist derzeit schwer abzuschätzen. Klar ist nur, dass die Schweiz unter der aktuellen Unsicherheit weit mehr leidet als die EU. Die zunehmenden Hürden für den EU-Marktzugang und der Ausschluss aus dem EU-Forschungsprogramm treffen viele Unternehmen hart. Die Schweiz muss sich also überlegen, wie sie aus dieser Lage schnell wieder herauskommt. Dazu braucht es positive Signale an die EU und eine klare Strategie. Die rasche Freigabe der Kohäsionsmilliarde durch das Parlament wäre eine gute Gelegenheit, unseren Willen zu einer Normalisierung der Beziehungen kundzutun. Für die langfristige Sicherung der Bilateralen muss die Schweiz aber wieder einen innenpolitischen Konsens herstellen. Dieses Übereinkommen muss zum Ausdruck bringen, was wir von der EU wollen und was wir bereit sind, dafür zu zahlen. Denn ohne Kompromissbereitschaft wird es nicht gehen. An einer Institutionalisierung der Beziehungen zu unserem grössten Handelspartner führt langfristig kein Weg vorbei. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir mit der Europäischen Union erneut darüber verhandeln werden. Spätestens dann müssen wir wissen, warum uns die Bilateralen wichtig sind und welche Kompromisse wir bereit sind einzugehen. Die Maximalforderungen einzelner Interessengruppen zu übernehmen – wie jüngst beim Rahmenabkommen –, ist keine Lösung. Der Bundesrat muss die Vorteile einer engen Zusammenarbeit mit der EU wieder besser erklären und deutlicher dafür einstehen.

GABRIEL SCHWEIZER ist Leiter Aussenwirtschaft der Handelskammer beider Basel. www.hkbb.ch

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HIGHLIGHT

INTERNATIONALE EXPANSIONSKURSE ERFOLGREICH IN GLOBALEN MÄRKTEN von Georg Lutz

Während der Pandemie haben auch Schweizer Unternehmen je nach Branche leiden müssen. Aufgrund der gescheiterten Verhandlungen mit der EU, die dazu geführt haben, dass die bilateralen Verträge auf Eis liegen und einige auslaufen, droht neues Ungemach. Trotzdem sind Schweizer KMU, die gerade auch auf Exportmärkte setzen, oft sehr erfolgreich. Der folgende Beitrag stellt drei Unternehmen vor, die belegen, warum man auf fremden Märkten Erfolg haben kann.

Telemedizin liegt im Trend, Vertrauen ist aber immer noch die zentrale Grundlage.

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as Erfolgsrezept von Exportunternehmen beruht auf einigen wichtigen Merkpunkten. Dies belegen drei Beispiele. Das Basler Unternehmen Medgate hat sich seit seiner Gründung 1999 zur bekanntesten und vertrauenswürdigsten Telemedizin-Marke in der Schweiz entwickelt. Beständige Qualität, die zu Vertrauen auch in anderen Märkten führt, ist

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der erste Punkt. Der zweite Punkt betrifft die klaren Erfolgsperspektiven in der jeweiligen Branche. Das Zürcher Start-up Nispera hat sich innerhalb von wenigen Jahren zu einem globalen Anbieter von Datenlösungen für erneuerbare Energieanlagen entwickelt. Das dritte Unternehmen repräsentiert den dritten Faktor dieser Erfolgsformel. Es geht um Lösungen, die

Gesellschaften unter den Nägeln brennen. Dass die klassisch industrialisierte Landwirtschaft immer mehr an ihre Grenzen stösst, ist überdeutlich. Das Thurgauer Familienunternehmen Penergetic International aus Romanshorn hat eine Technologie entwickelt, die in der Landwirtschaft eine effiziente und optimale Nutzung der natürlichen Ressourcen ermöglicht.


HIGHLIGHT

INTERESSE DES AUSLANDS Schauen wir uns jetzt die Unternehmen und ihre Erfolgsrezepte im Detail an. Medgate hat sich im Sektor Telemedizin zu einer beachtlichen Grösse in der Schweiz entwickelt. Nun ist es an der Zeit, im Ausland weitere Märkte zu erschliessen. Medgate betreibt heute das grösste telemedizinische Zentrum Europas. Der Digital-Healthcare-Pionier aus Basel bietet sowohl Patienten als auch Krankenversicherern eine umfassende, ortsunabhängige und bezahlbare medizinische Versorgung – und das rund um die Uhr. Dank Konsultationen per App, Telefon, Video und Chat können unnötige Arztbesuche vermieden und die Qualität der medizinischen Versorgung kann hochgehalten werden. 2014 wagte das Basler Unternehmen den Markteintritt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. 2016 folgten die Philippinen, 2017 Indien und 2020 Deutschland. Als Europas führender Telemedizinanbieter und aufgrund eines weltweit stark gesteigerten Bedarfs an Digital-Health-Lösungen ist es nun an der Zeit, die Expansionsstrategie im Ausland weiter voranzutreiben und weitere Märkte zu erschliessen. So sind zusätzliche Standorte in den Kernregionen Europa und Südostasien geplant, darunter Spanien, Italien, Österreich, Polen, Vietnam, Malaysia und Indonesien. Zu diesem Zweck hat Medgate bereits mehrmals Marktanalysen mit S-GE (Switzerland Global Enterprise) durchgeführt.

Es geht um eine ortsunabhängige und bezahlbare Lösung.

Partnerschaften geht Medgate sowohl auf Gesellschafterebene als auch auf operativer Ebene an. Insbesondere Vertriebsaktivitäten und Stakeholder-Management müssen durch die lokalen Partner und die Organisationen vor Ort betrieben werden, um Glaubwürdigkeit herzustellen. Was zudem für Glaubwürdigkeit sorgt, ist das Gütesiegel «Made in Switzerland». Die Schweiz geniesst im Ausland hohes Vertrauen. Und Qualität, die in Vertrauen mündet, ist in einer Branche wie dem Gesundheitswesen zentral.

AN LOKALE MÄRKTE ANPASSEN

ZIELMÄRKTE BEARBEITEN

Damit das Konzept von Medgate an lokale Märkte angepasst werden kann, muss man die Gegebenheiten eines Marktes genau verstehen und die Leistungen länderspezifisch adaptieren. In Australien beispielsweise spielen Schlangenbisse eine wesentlich grössere Rolle als in der Schweiz. Oder auf den Philippinen sind Krankheiten wie Dengue oder Malaria eher vorzufinden als in Deutschland. «Die lokalen Gegebenheiten zu verstehen, ist eine der grössten Herausforderungen», sagt Paul de La Rochefoucauld, einer der drei Managing Partner von Medgate. Aus diesem Grund wird das internationale Geschäft aus der Schweizer Holding gesteuert. Darunter sind die Ländereinheiten strukturiert, was eine höhere strategische Kontrolle ermöglicht, die gerade im Bereich der Medizin notwendig ist, um Prozessstandardisierungen und eine hohe Qualität sicherzustellen.

Nispera ist ein globaler Anbieter von Datenlösungen für erneuerbare Energieanlagen. Das ist in Zeiten des Klimawandels ein wichtiges Pfund. Das Erfolgsrezept ist die gezielte Bearbeitung der Zielmärkte. Seit der Gründung Mitte 2015 ist das Zürcher Unternehmen Nispera auf Erfolgskurs. Bei der Internationalisierung geholfen hat nicht zuletzt das gezielte Vorgehen: die Teilnahme an relevanten Events in den Zielmärkten (vor der Corona-Pandemie) und die sorgfältige Identifikation und Ansprache potenzieller Kunden. Innerhalb von wenigen Jahren konnte sich Nispera eine ausgezeichnete Reputation erarbeiten und dank einer soliden Basis zufriedener Kunden zu einem führenden Anbieter in seinem Nischenmarkt werden. Die Software-as-a-Service-Plattform (SaaS) des Start-ups ist bereits in über 150 Wind-

energieanlagen, 250 Photovoltaik-Anlagen und 20 Wasserkraftwerken in über 25 Ländern im Einsatz. Die vollständig dezentral betriebene Plattform ermöglicht die Überwachung der tatsächlichen und prognostizierten Produktion, die Identifizierung von Bereichen mit unzureichender Leistung,

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HIGHLIGHT

Der Einsatz von regenerativen Energien steht auf der Tagesordnung und braucht globale und professionelle Lösungen.

die Erkennung von Abweichungen durch KI-basierte Analysen sowie die Automatisierung der Berichterstattung.

ENGINEERING, KI UND BIG DATA Das 15-köpfige, internationale und äusserst effiziente Team stellt jedoch nicht nur die Software, sondern auch das nötige technische Know-how zur Verfügung, um Kunden auf Basis der gewonnenen Daten bezüglich Leistungssteigerung ihrer Anlagen zu beraten. Möglich ist dies dank der Erfahrungen, welche das Nispera-Team durch die Arbeit mit einem wachsenden Portfolio an Kundenanlagen gesammelt hat, sowie aufgrund des Firmenmottos «Hohe Wissbegierde und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Kunden». Möglich ist dies auch durch die Zusammenarbeit

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mit verschiedenen Partnern, beispielsweise der ZHAW, die Nispera bei der Entwicklung fortschrittlicher Analytik mit künstlicher Intelligenz unterstützt. Dadurch, dass Nispera seine Kunden aktiv bei der Identifizierung von Verbesserungspotenzialen an ihren Anlagen und bei der Umsetzung entsprechender Korrekturmassnahmen unterstützt, steigt der wahrgenommene Wert der Dienstleistung und stärkt die Beziehung zum Kunden. Ein weiterer wichtiger USP ist die Fähigkeit, sich sehr schnell und flexibel an spezifische und sich schnell entwickelnde Kundenanforderungen und Marktbedürfnisse anzupassen. Laufen beispielsweise in einem Markt die festen staatlichen Subventionen aus, ist es für die Überwachung

der finanziellen Leistung der Anlagen unerlässlich, die Risiken der Marktexposition zu managen.

AMBITIONIERTE EXPANSIONSPLÄNE Mit seiner «Swiss Made»-SaaS-Plattform hat es Nispera innerhalb von wenigen Jahren geschafft, mehr als 80 Prozent seines Umsatzes im Ausland zu generieren. In den nächsten Jahren strebt das Unternehmen die Expansion in weitere Märkte wie USA und Asien an und will den im Ausland erzielten Umsatz auf 97 Prozent erhöhen. S-GE unterstützt das Startup, indem es Informationen zu relevanten Themen und Märkten zur Verfügung stellt und die Chancen in den unterschiedlichen Märkten einschätzt.


HIGHLIGHT

EXPORT IN ÜBER 35 LÄNDER Penergetic generiert bereits heute 95 Prozent des Umsatzes im Ausland. Dank der langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit lokalen Vertriebspartnern steht dem weiteren Wachstum nichts im Weg. Seit über 20 Jahren setzt sich das aufstrebende Thurgauer Familienunternehmen mit Sitz in Romanshorn dafür ein, dass in der Landwirtschaft eine positive Veränderung für Mensch, Tier und Umwelt vorangetrieben wird. Zu diesem Zweck hat das KMU die einzigartige PenergeticTechnologie entwickelt, die eine effiziente und optimale Nutzung der natürlichen Ressourcen in der Landwirtschaft ermöglicht. Penergetic bietet seinen Kunden nachhaltige und langfristig kosteneffiziente Lösungen für eine zukunftsorientierte Landwirtschaft. Die Produkte decken dabei alle landwirtschaftlichen Produktionszweige ab – Boden, Pflanzen, Tiere, Gülle und Kompost – und erlauben es Landwirten auf der ganzen Welt, chemische Betriebsmittel zu reduzieren. Die Penergetic-Produkte tragen zu einer optimierten Tierhaltung, ertragreichem Pflanzenanbau, fruchtbarem Boden und einer Verbesserung der Gülle

und des Komposts bei. Dadurch wird nicht nur die Qualität der Produkte, sondern auch der Ertrag des Betriebs optimiert.

EIGENES FORSCHUNGSTEAM IN BRASILIEN Getreu der Philosophie «Gesundheit stärken, statt Symptome zu bekämpfen» leistet Penergetic einen aktiven Beitrag für eine nachhaltige, intelligente und profitable Landwirtschaft. Deshalb liegt der Fokus des Unternehmens nicht nur bei der Vermarktung der Produkte. Es möchte auch ein Umdenken im Hinblick auf die zukünftige Landwirtschaft anstossen. Mit einem eigenen Forschungsteam in Brasilien arbeitet Penergetic deshalb laufend an der Weiterentwicklung seiner Produkte. In mehreren Ländern unterstützt das Unternehmen zudem «Farm Academies» mit dem Ziel, Wissen an Landwirte weiterzugeben und die Penergetic-Technologie bekanntzumachen.

Stelle der Gesamtstrategie steht die internationale Ausrichtung. Teil der Wachstumsstrategie sind die Erhöhung der Absatzmenge in den bestehenden Märkten sowie der Ausbau des Partnernetzwerks. Eine Schlüsselrolle für das Wachstum des KMU spielt nebst den langjährigen und guten Beziehungen zu den lokalen Vertriebspartnern auch der Wirtschaftsstandort Schweiz. Als Mitglied von S-GE profitiert Penergetic zudem von einer breiten Palette an erstklassigen Dienstleistungen, Informationsangeboten und Veranstaltungen.

GEORG LUTZ ist Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU.

Die komplexe Vermarktung in über 35 Ländern übernehmen meist exklusive Vertriebspartner vor Ort. Sie verfügen über das lokale Know-how und Netzwerk im Bereich der Landwirtschaft. An oberster

www.s-ge.com www.medgate.ch www.nispera.com www.penergetic.com

Konzepte in der zukünftigen Landwirtschaft müssen neu gedacht werden.

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HIGHLIGHT

Die Schweizer Exportwirtschaft zeigt sich bislang den Herausforderungen der Pandemie gewachsen.

HERAUSFORDERUNGEN MEISTERN

SCHWEIZER KMU-EXPORTEURE TROTZ KRISE POSITIV EINGESTELLT von Georg Lutz

Trotz der Herausforderungen aufgrund der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Massnahmen sind Schweizer KMU-Exporteure überraschend positiv eingestellt. Dies zeigt eine Umfrage von swiss export. Man muss hier aber erstens zwischen den Branchen differenzieren. Zweitens zeigt die Studie jedoch auch eine von den Befragten deutlich wahrgenommene Zunahme des Wettbewerbs- und Innovationsdrucks auf. Es gilt, sich im Herbst wärmer anzuziehen.

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ie Auswirkungen der COVID-19-­ Pandemie sind nach einem intensiven Jahr 2020 auch im ersten Halbjahr 2021 noch deutlich spürbar. Insbesondere exportorientierte Schweizer KMU sind von den Veränderungen der wirtschaftlichen Lage betroffen. An einer Umfrage, die swiss export und die Managementberatung Kearney im April 2021 gemeinsam mit Raiffeisen, dem Raiffeisen Unternehmerzentrum (RUZ) und der Business Broker AG durchgeführt haben, nahmen rund 120 exportorientierte Schweizer KMU teil. Trotz der grossen Herausforderungen im Zusammenhang mit der COVID-19-

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Pandemie zeigte sich, dass die Stimmung bei den befragten Schweizer KMU im Vergleich zum Vorjahr insgesamt positiver ist. Dabei gaben 75 Prozent der Befragten an, dass sie ihre mittelfristige wirtschaftliche Lage als gut bis sehr gut einschätzen.

RESILIENZ GEFRAGT Die zentrale Ursache liegt vermutlich darin, dass viele Branchen die COVID-19-Krise ohne grössere Schäden überstanden haben. In der aktuellen Studie gaben lediglich 35 Prozent der Unternehmer an, nach wie vor stark unter den Auswirkungen der Krise zu leiden. Zudem gelang es 50 Pro-

zent der befragten Schweizer KMU, ihren Umsatz in den letzten zwölf Monaten zu steigern. Dabei bleibt jedoch festzuhalten, dass die Umfrage vor dem Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU durchgeführt wurde. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Umfrageergebnisse aufgrund dieser politischen Entwicklung im Nachhinein leicht eingetrübt wären. Langfristig dürfte das eher noch schwieriger werden. Es stellt sich die Frage, ob sich die Resilienz der Schweizer KMU ähnlich gefestigt zeigt wie in der Hochwährungsphase. Auch dort mussten Schweizer KMU durch ein Stahlbad.


HIGHLIGHT

Ein Blick auf die Auswirkungen der COVID19-Krise bezüglich der Exporttätigkeiten von Schweizer KMU ergibt aber alles andere als ein rosarotes Bild. Bei rund zwei Dritteln der befragten KMU ist der Umsatz im Ausland im vergangenen Jahr erneut zurückgegangen, bei fast einem Viertel krisenbedingt gar um mehr als 20 Prozent. Neben diesem nach den vielen negativen Voraussagen positiven Ergebnis wird jedoch auch deutlich, dass die Belastung der Krise nach wie vor spürbar ist. Insbesondere zeigt sich diese gemäss den Befragten durch zunehmenden Wettbewerbsund Innovationsdruck, die unsicheren politischen Entwicklungen der bilateralen Beziehungen mit der EU, die ich gerade thematisiert habe, aber auch durch die verstärkten Herausforderungen betreffend der Digitalisierung und der Entwicklung digitaler Technologien.

und über zwei Drittel erachten den Beitrag der Unternehmenskultur zum Erfolg als hoch oder sehr hoch. Lediglich acht Prozent schätzen den Beitrag als gering ein. Fragt man die Schweizer KMU nach dem konkreten Beitrag der Unternehmenskultur, dann dominieren qualitative Effekte. Zwischen 85 und 90 Prozent der Unternehmen heben Effekte wie verbesserte Aussen­ wahrnehmung, erhöhte Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit sowie Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb hervor.

BEZIEHUNGEN ZUR EU

ZUSÄTZLICHE THEMEN

Diese eindeutigen Resultate zur Unternehmenskultur beeindrucken Matthias Weibel, den Geschäftsführer des RUZ, der Unternehmensberatung der Raiffeisen Gruppe: «Die befragten Unternehmerinnen und Unternehmer sind sich der grossen Bedeutung der Unternehmenskultur bewusst: Bei der erfolgreichen Bewältigung von Krisen kann sie den entscheidenden Unterschied ausmachen.»

Zudem werden laut der befragten KMU auch die gesteigerten Anforderungen an die Agilität und Effizienz von Unternehmen sowie Veränderungen in der Unternehmenskultur deutlich. Dazu gehören veränderte Mitarbeiterbedürfnisse und neue Arbeitsformen. Auch dieser auf den ersten Blick nicht gerade wichtigste Punkt im Rahmen des Exportthemas gewinnt an Bedeutung. Die Studie zeigt deutlich, dass Unternehmen ihre Kultur als Erfolgsfaktor sehen. Knapp 80 Prozent der befragten KMU sehen die Unternehmenskultur als Chance

«Um die durch die Krise gesteigerten Anforderungen weiterhin meistern zu können, ist es nötig, klare Rahmenbedingungen bezüglich der Digitalisierung und ein solides Fundament für die Beziehung mit der EU zu schaffen», sagt Claudia Moerker, Geschäftsleiterin von swiss export. «Digitalisierung und technologische Entwicklung sind zentral für den Unternehmenserfolg – die Politik ist hier gefragt, um die Rahmenbedingungen zu verbessern», bestätigt Fabian Siegrist, Principal bei

Kearney. Nur so können der langfristige Erfolg unserer KMU und die Anbindung der Schweiz an den internationalen Handel gesichert werden. In den wichtigsten Themen spiegelt sich auch dieses Jahr wider, wie bedeutend der Export für die Schweiz ist und wie zentral die Digitalisierung die künftige wirtschaftliche Lage der Schweizer KMU beeinflusst. Die Beziehung mit der EU endlich auf ein solides Fundament zu stellen, insbesondere nach dem Scheitern des Rahmenabkommens, ist auch in der vierten Ausgabe der Studie das Dauerbrennerthema und steht ganz oben auf der Prioritätenliste für die Politik. Das Thema hat gegenüber letztem Jahr nochmals an Bedeutung gewonnen. Hier sind Bundesrat und Parlament angehalten, eine Lösung zu formulieren, nachdem die Verhandlungen mit der EU vorerst gescheitert sind.

KOMPETENZ FÜR AUSSENWIRTSCHAFT

swiss export ist ein Kompetenzzentrum für die Schweizer Aussenwirtschaft. Schwerpunkte des Serviceangebots bilden die breite Palette an Seminaren und Fachveranstaltungen, die individuelle Exportberatung sowie das vom Verband herausgegebene Fachmagazin der Aussenwirtschaft, das «swiss export Journal». Der rein privatwirtschaftlich organisierte Verband schafft Marktvorteile für seine Mitglieder und stellt die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sowie der Rahmenbedingungen für international tätige Unternehmen ins Zentrum seines Handelns. Neben der Geschäftsstelle in Zürich bietet swiss export ein weltweites Spezialistennetzwerk an.

GEORG LUTZ ist Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU. Die aktuellen Bruchlinien zwischen der EU und der Schweiz sind bislang noch kaum sichtbar.

www.swiss-export.com

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HIGHLIGHT

Kundenbindung und Kundenfeedback sind zentrale Momente.

GLOBAL TRIFFT LOKAL CASE STUDY ZÜRICH VERSICHERUNG von Gerhard Raffling

Der folgende Beitrag thematisiert eine Herausforderung. Es geht um ein globales Versicherungsunternehmen, welches Loyalität auf lokaler Ebene aufbauen kann. Wie schafft man das?

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ie Zürich Insurance Group mit Sitz in Zürich ist eine international tätige Schweizer Finanzdienstleistungsgesellschaft und die Muttergesellschaft der Zürich Versicherungsgesellschaft. Die Zürich Versicherung verfügt über ein breites Angebot an allgemeinen Versicherungs- und Lebensversicherungsprodukten für Privat- und Firmenkunden. Das Unternehmen stellt Privat-, Geschäftsund Kommunalversicherungen eine Anzahl an Vertriebskanälen zur Verfügung und bietet zugleich eine Palette an Schutz-, Altersvorsorge- und Sparpolicen an, die online, über Finanzvermittler für den Privatkundenmarkt und über MitarbeiterVorsorgeberater für den Firmenkundenmarkt erhältlich sind. Der auf Versicherungen für Studenten und junge Menschen spezialisierte Anbieter Endsleigh gehört seit 2007 vollständig zur Zürich Versicherung und ist die einzige Versicherungsmarke, die von der National Union of Students (NUS)

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empfohlen wird. Endsleigh bietet eine Reihe von Kfz-, Hausrats-, Reise- und Gadget-Versicherungen an.

DIE HERAUSFORDERUNG Loyalität und Kundenbindung sind wichtige Prioritäten für Versicherungsunternehmen – insbesondere im wettbewerbsintensiven Schadenversicherungsmarkt, in dem Kunden leicht den Anbieter wechseln können. Als Wettbewerber in Märkten mit traditionell hoher Fluktuation beschloss die Zürich Versicherung, in die Verbesserung des Kundenerlebnisses zu investieren, um die Kundenbindung und -treue zu erhöhen. Um sich auf die Kundenbindung zu konzentrieren, benötigte das Unternehmen ein Customer-Experience-Management-System (CEM-System), um Kundenerfahrungen zu messen, zu verstehen und Massnahmen zur Verbesserung zu ergreifen. Die Schweizer Versicherung verliess sich zuvor auf eine Marktforschungslösung. Der Forschungsansatz teilte jedoch die Ergebnisse der Kundenerfahrungen in

Zyklen und nicht auf einer kontinuierlichen Basis mit Realtime-Feedback mit. Die Einblicke waren veraltet und konzentrierten sich immer auf Trends auf aggregierter Ebene. Auf diese Art und Weise war es für die Zürich Versicherung nicht möglich, einen Kunden, der ein negatives Erlebnis hatte, zu identifizieren und ihm unmittelbar im Anschluss bei seinem Problem zu helfen. Mit monatlichen und vierteljährlichen Berichten war die Versicherung nur in der Lage, Probleme extrem langsam nachzuverfolgen und zu verbessern. Sie wollte schneller Massnahmen ergreifen und ihren Mitarbeitern Informationen in Echtzeit zur Verfügung stellen, um Verbesserungen vornehmen zu können. Schnell wurde klar: Es wird ein System benötigt, das sowohl ein aggregiertes Reporting als auch die Möglichkeit bietet, bis auf die individuelle Ebene zu gehen. Dieser Individualisierungsgrad ist entscheidend, um Kunden, die eventuell zu


HIGHLIGHT

einer anderen Versicherung wechseln wollen, davon abzubringen und weiterhin an sich zu binden. Wichtig war es der Zürich Versicherung ebenfalls, die einzelnen Märkte in die Lage zu versetzen, ein eigenes Programm zu erstellen und die Bedürfnisse der Kunden bestmöglich zu verstehen und zu befriedigen.

DIE LÖSUNG Als Fortune-100-Unternehmen ist die Zürich Versicherung der Inbegriff von Globalität. In Märkten auf fünf Kontinenten, in mehr als 40 Ländern und in 26 Sprachen werden zahlreiche Versicherungspolicen und -dienstleistungen verkauft – von der Auto- bis zur Lebensversicherung, sowohl im B2C- als auch im B2B-Geschäft. Mit einer solchen Grösse geht auch organisatorische Komplexität einher. Deshalb entschied sich die Zürich Versicherung für Medallia als Partner. Gemeinsames Ziel ist es, ein globales Programm aufzubauen, das die Bedürfnisse der einzelnen lokalen Märkte erfüllt und sie zeitgleich auf einer Plattform vereint. Das Medallia-Programm umfasst mehrere Geschäftsbereiche und Marken. So ermöglicht Medallia über seine globale Reichweite einen weltweiten Überblick sowie Benchmarking auf der Gesamtebene. Jeder der über 20 Märkte entwickelt und verwaltet sein eigenes Programm, angepasst an spezifische Geschäftsanforderungen, Erfassungskanäle, Customer Journeys, Kundenkontaktpunkte, Organisationsstrukturen und an die lokale Sprache – ein perfektes Zusammenspiel aus Globalität und Lokalität. Gabor Dani, Customer Centricity Leader bei der Zürich Versicherung, fasst wie folgt zusammen, auf welche Weise Medallia das Kundenerlebnis für die Zürich Versicherung auf ein neues Level heben konnte:

> Ein vereinheitlichtes globales Programm: Durch die Vereinheit­ lichung aller Programme in einer einzigen Plattform haben wir nun einen konsistenten Ansatz, sprechen die gleiche Sprache und nutzen die gleichen Metriken, die gleiche Methodik. Wir lernen voneinander durch Benchmarking und den Austausch von Best Practices. > Neueste Technik: Die Technologie ist auf dem neuesten technischen Stand. Medallia war das einzige Unternehmen, das die spezifischen Compliance-Anforderungen jedes einzelnen Landes problemlos erfüllen konnte – entscheidend für ein globales Unternehmen und insbesondere für Versicherungen. Zudem sind wir nun in der Lage, Multi-Channel-Feedback zu sammeln, beispielsweise per Handy, SMS, E-Mail, Contact Center und über viele weitere Kanälen. > Befähigung der Mitarbeiter: Die Daten, Aktionen und Kundenerfahrungen liegen in unserer Hand und wir haben die volle Kontrolle darüber. Wir können die Daten in Realtime auswerten und müssen nicht auf periodische Berichte warten. > Massgeschneiderte Einblicke für jeden und überall: Medallia wurde aus der Sicht des Benutzers entwickelt. Durch rollenbasiertes Reporting sendet Medallia die richtigen Informationen in Echtzeit an die richtige Person in der Organisation, sodass jeder Mitarbeiter genau weiss, was zu tun ist, um die Kundenerfahrungen zu verbessern. Durch diese massgeschneiderten Einblicke wird das System

für den Anwender relevant – und ansprechend für den Benutzer. > Priorisierte Aktionen in Echtzeit: Medallia gibt uns die Flexibilität, unser Programm nach Bedarf anzupassen. Wenn wir sehen, dass ein bestimmter Touchpoint verbessert werden muss, können wir schnell entsprechende Massnahmen ergreifen. Sofern sich ein anderer Touchpoint bewährt, können wir Best Practices auf breiter Ebene teilen. > Native Textanalyse: Die native Analyse auf Basis von Satzteilen ist entscheidend: Dadurch erhalten wir deutlich genauere Analysen einzelner Signale und Feedbacks.

DER KREIS SCHLIESST SICH Mithilfe verlässlicher Alerts von Medallia schafft die Zürich Versicherung einen Informationsaustausch mit jedem Kunden, der eine negative Erfahrung gemeldet hat. Im amerikanischen B2B-Markt rufen beispielsweise sogar der CEO und das Führungsteam persönlich die Kunden zurück, um die Wogen zu glätten und Beziehungen wiederherzustellen. Auf der operativen Ebene nutzt die Zürich Versicherung diese Feedback-Schleife, um Problembereiche zu identifizieren und Massnahmen zur Verbesserung einzuleiten. In der Türkei stellte das Customer-Experience-Team zum Beispiel fest, dass sich Kunden über automatische Verlängerungen beschwerten, die von lokalen Banken und nicht von Zürich selbst verwaltet wurden. Das Team arbeitete zusammen mit den Banken daran, die Kunden besser über anstehende Verlängerungen zu informieren. Infolgedessen stieg der Net Promoter Score innerhalb weniger Monate nach der Umstellung um 20 Punkte an.

GERHARD RAFFLING ist Vice President und Country Manager bei Medallia, einem der weltweit führenden Anbieter von Customer Experience (CX) und Employee Experience. Customer Journey in lokaler Sprache und globalem Zusammenhang.

www.medallia.com

Ausgabe 3/2021 // Seite 19


GLOBAL & LOKAL

Internationaler Handel bedeutet internationale Verantwortung.

BEZIEHUNGEN SCHWEIZ-CHINA UNVERZICHTBARKEIT DER SCHWEIZ STÄRKEN von Stefan Brupbacher

China ist für die Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM-Industrie) ein zentraler Markt – sei es für Exporte, aber auch für Aktivitäten vor Ort. Allerdings verändert sich das Land rasant und der Handels- und Technologiekonflikt zwischen China und den USA führt zu widersprüchlichen Normen sowie zu Rechtsunsicherheit. Swissmem hat deshalb zusammen mit dem deutschen Maschinenbauverband VDMA eine Studie zu den neuen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in China samt Handlungsempfehlungen an Schweizer Unternehmen in Auftrag gegeben.

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ie Studienresultate zeigen die weiterhin hohen Chancen von Schweizer Unternehmen auf dem chinesischen Markt sowie dessen Herausforderungen. Gefordert ist vor allem auch die Schweiz als Standort, damit hier tätige Firmen weiterhin weltweit exportieren können. Swissmem fordert eine Politik auf drei Säulen: Erstens soll die Schweiz dank diplomatischer Initiativen unverzichtbar sein. Gleiches sollen unsere Firmen dank ihrer hervorragenden Nischenprodukte erreichen. Diese doppelte Unverzichtbarkeit ist mit aussenwirtschaftlicher Neutralität zu verbinden: Die Schweiz soll generell nur Sanktionen des UNOSicherheitsrats übernehmen. Ziel dieser Strategie ist es, dass es Schweizer Firmen weiterhin möglich ist, weltweit und damit auch in China dank ihrer Technologien und ihrer Arbeitsplätze zum Wohlstandswachstum beizutragen.

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Tektonische Verschiebungen zwischen Grossmächten haben in den letzten Jahrhunderten meist zu Konflikten geführt. Besonders betroffen davon sind kleine offene Volkswirtschaften wie die Schweiz. Ihnen ging es in den letzten 70 Jahren, in denen Multilateralismus, Freihandel und Völkerrecht die internationalen Beziehungen prägten, gut. Sie könnten aber zu den grössten Verlierern einer Ära von Protektionismus und Nationalismus gehören.

tige erwartete Wirtschaftspolitik Chinas dargestellt und daraus die Herausforderungen für Industrieunternehmen abgeleitet.

STUDIE ZEIGT HERAUSFORDERUNGEN

Die Studie zeigt verschiedene Liberalisierungs- und Öffnungsschritte von China in Bereichen, die für die Schweizer MEMFirmen wichtig sind. Sie betont das grosse und wachsende Engagement von China in internationalen Normierungsgremien und kommt klar zum Schluss, dass für Spitzen- und Nischenprodukte aus der Schweiz China weiterhin ein sehr attraktiver Markt bleibt.

Zusammen mit dem deutschen Verband für Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat Swissmem die neue Studie «Markt China im Wandel – Wie bleibt der Maschinenbau im Wettbewerb erfolgreich?» durch das Beratungsbüro Sinolytics erstellen lassen. Darin werden die aktuelle sowie die zukünf-

Zudem macht sie auf die Gefahr aufmerksam, dass international agierende Schweizer Unternehmen immer mehr in einen rechtlichen Dschungel zwischen den USA, China und weiteren Blöcken geraten können. Im Extremfall können sich die Unter-


GLOBAL & LOKAL

nehmen gar nicht mehr in alle Richtungen gesetzeskonform verhalten. Ein Beispiel dafür ist die Reaktion Chinas auf die Politik der USA, welche chinesische Firmen auf eine US-Sanktionsliste gesetzt haben. Daraufhin hat China seinerseits ein AntiSanktionsgesetz erlassen, welches Firmen weltweit der Gefahr von strafrechtlichen Sanktionen aussetzt, wenn diese USSanktionen einhalten. Diese Rechtsunsicherheit ist gefährlich und schädlich, da sie entweder investitionshemmend wirkt oder Investitionen Vorschub leistet, die nach politischen und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien gefällt werden.

UNVERZICHTBARKEIT IN JEDER HINSICHT Swissmem fordert von der Schweiz deshalb eine aus drei Pfeilern bestehende Strategie: 1. Herstellung möglichst unverzichtbarer Produkte und Dienst­ leistungen: Gerade COVID-19 hat der Bevölkerung vor Augen geführt, was die Kunden der Schweizer Industrie schon lange wussten: Viele der hier tätigen Firmen in Technologiefeldern wie Automatisierung, Fertigungs­ technologie und ähnlichem sind in ihren Bereichen weltweit führend. Sie sind nicht nur essenziell für allgemeine Herausforderungen, sondern auch für viele Kunden unverzichtbar als spezifische Lösungserbringer. Der beste Schutz für den Standort Schweiz gegen politischen Druck aus dem Ausland ist die Tatsache, möglichst viele dieser Firmen in der Schweiz beheimatet zu wissen. Dies kann durch gute hiesige Rahmenbedingungen sowie moderne Produktion und hochstehende Forschung und Entwicklung erreicht werden. Die Politik soll daher die industriellen Perlen mit guten Rahmenbedingungen unterstützen und dafür sorgen, dass neue Perlen entstehen oder in die Schweiz ziehen. Die Schweizer Firmen können durch ihre Technologien sowie ihre Arbeitsplätze, die bessere Arbeitsbedingungen als lokale Firmen aufweisen, im Ausland ihren wichtigsten Beitrag leisten. 2. Unverzichtbarkeit der politischen Schweiz: Dank guter Dienste und diplomatischer Initiativen – erneut im Interesse der Lösungserbringung – soll die Schweiz für die grossen

Machtblöcke vermehrt unverzichtbar werden. Dabei sind die Vorteile der Schweiz, beispielsweise das Zentrum für internationale Zusammenarbeit in Genf, wiederzubeleben. Mit solchen Initiativen kann in Konflikten die Lage von Bevölkerungen verbessert werden und so ein bedeutender und aktiver Beitrag zur Stabilität geleistet werden. Ein positives Beispiel ist die Mediation zugunsten des Waffenstillstands in Mozambique durch den damaligen Schweizer Botschafter vor Ort. Weitere Bereiche für Schweizer Initiativen stellen Reformen verschiedener internationaler Organisationen wie der Welthandels­ organisation WTO dar, um den Multilateralismus sowie die Bedeutung von Völkerrecht und Freihandel erneut zu stärken. 3. Sicherheits- und aussenpolitische Neutralität: Diplomatische Unverzichtbarkeit verlangt Glaubwürdigkeit und dazu ist die sicherheitsund aussenpolitische Neutralität eine Voraussetzung. Die Schweiz soll verhindern, in die Konflikte der Grossmächte hineingezogen zu werden. Als Folge soll sie einzig Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats übernehmen und sicherstellen, nicht als Umgehungsstandort missbraucht zu werden. Generell haben Sanktionen und Boykotte in den vergangenen Jahrzehnten kaum Wirkung gezeigt, sondern vor allem der lokalen Bevölkerung geschadet und Konflikte teilweise sogar angeheizt.

MENSCHENRECHTSSITUATION GEZIELT VERBESSERN Diese drei Pfeiler schliessen Kritik der Schweiz an Menschenrechtssituationen im Ausland nicht aus. Dies gilt gegenüber China und anderen Staaten. Entsprechende Kritik soll aber einerseits über die dafür vorgesehenen Plattformen der UNO-Organisationen und andererseits auf dem Weg des bilateralen Dialogs vorgebracht werden. Auf öffentliche Belehrungen ist zu verzichten, viel wirksamer sind Diskussionen hinter den Kulissen. Swissmem fordert deshalb die rasche Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs zwischen China und der Schweiz. Swissmem ist überzeugt, dass über internationalen Handel und die globale Tätigkeit der Firmen mit ihren 550’000 Mitarbeitenden im Ausland nicht nur der Wohlstand verbessert und Armut bekämpft wird, sondern auch ein positiver Beitrag zugunsten der Menschenrechte geleistet werden kann. Mit der vorgelegten Strategie können einzelne Unternehmen und die Schweiz ihre Verantwortung global am besten wahrnehmen.

STEFAN BRUPBACHER ist Direktor bei Swissmem. www.swissmem.ch

Sitz der Vereinten Nationen in Genf.

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GLOBAL & LOKAL

Massgeschneiderte Lösungen für die Chemieindustrie.

ZUVERLÄSSIG RISIKEN MINIMIEREN HERAUSFORDERUNGEN UND LÖSUNGEN FÜR DIE CHEMIEINDUSTRIE von Selina Hipp

Die chemische Industrie in der Schweiz ist Weltklasse. Um Supply-Chain-Herausforderungen zu bewältigen und Risiken zu minimieren, braucht sie zuverlässige Logistikdienstleister. DACHSER Chem Logistics bietet der chemischen Industrie weltweit homogene Prozesse, die höchsten Sicherheits- und Qualitätsansprüchen gerecht werden.

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peziell für die Chemielogistik ausgebildete Mitarbeitende sowie eine hohe Prozesssicherheit durch definierte Abläufe, verlässliche Laufzeiten und Kapazitäten sind ausschlaggebend für den Erfolg. Täglich gelebtes Qualitätsmanagement sorgt für durchgehende Sicherheit im Sendungsverlauf und transparente Nachverfolgung der Sendungen zum Vorteil aller Beteiligten. Die Sicherheits- und Qualitätsstandards von DACHSER liegen dabei weit über den gesetzlichen Anforderungen.

BREITGEFÄCHERTE GEFAHRGUTKOMPETENZ Ein zentrales Gefahrgutmanagement über alle Verkehrsträger hinweg (Luft-, See- und Strassentransport) ist eine Grundvoraussetzung, um Sendungen reibungslos und regelkonform weltweit transportieren zu können. 255 eigene, regional zuständige Gefahrgutbeauftragte, jährliche Weiterbil-

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dungsmassnahmen für diese und regelmässige interne und externe Schulungen für über 12’700 Mitarbeitende garantieren Fachkompetenz und sorgen für eine hohe Prozessqualität, die die Effizienz in der Supply Chain der Kunden steigert.

END-TO-END-TRANSPARENZ Eine durchgehende digitale Vernetzung dank einer homogenen IT-Systemwelt und eigens entwickelter Transport- und Warehouse-Systeme ermöglicht eine nutzerfreundliche, interaktive Überwachung von Lieferketten. Automatisierte Prozesse mit durchgängiger, elektronischer Schnittstellendokumentation garantieren vollständige Transparenz.

PROAKTIVES REPORTING Auch in herausfordernden Zeiten hat sich die schnelle Reaktionsfähigkeit von DACHSER bei weltweiten Supply-Chain-

Störungen bewährt. «Atmende» Netzwerke mit flexiblen Kapazitäten und deren vorausschauende Steuerung senken Supply-Chain-Risiken. Proaktives Reporting macht Kunden rechtzeitig auf mögliche Probleme aufmerksam, sodass diese zusammen mit DACHSER alternative Lösungen finden können.

SELINA HIPP ist Business Development Manager Switzerland DACHSER Chem Logistics. www.dachser.ch


KOLUMNE

HANDLUNGSBEDARF IN DER SCHWEIZ von Sascha Meier

W

ährend Whistleblower in der Europäischen Union durch die EU-Hinweisgeberrichtlinie mittlerweile einen besonderen Schutz geniessen, haben sie in der Schweiz wohl auch in Zukunft einen schweren Stand, wenn sie illegales oder unethisches Verhalten im Unternehmen melden. Der Nationalrat folgte im Jahr 2020 nicht dem EU-Vorbild und lehnte einen entsprechenden Gesetzentwurf zum zweiten Mal ab. Dennoch sollten auch Unternehmen in der Schweiz nicht auf ein Hinweisgebersystem verzichten.

Der offizielle Name der EU-Hinweisgeberrichtlinie, die am 16. Dezember 2019 in Kraft trat und bis zum 17. Dezember 2021 durch die EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss, ist ein wenig sperrig: «Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstösse gegen das Unionsrecht melden». Die Botschaft dahinter ist jedoch eindeutig: Unternehmen sind verpflichtet, Massnahmen zu ergreifen, um Mitarbeitern – aber auch externen Anspruchsgruppen wie Lieferanten oder Kunden – die Möglichkeit zu geben, auf unethische oder illegale Verhaltensweisen hinzuweisen, ohne Sanktionen bis zur Entlassung oder andere Repressalien befürchten zu müssen. Zentrale Massnahme ist dabei ein vertraulicher Meldekanal, den Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern in der EU einrichten müssen. Dass die nationale Gesetzgebung keinen Hinweisgeberschutz fordert und die EU-Hinweisgeberrichtlinie keinen Einfluss auf die Tätigkeit von Schweizer Unternehmen innerhalb der eigenen Landesgrenzen hat, bedeutet jedoch nicht, dass diese die EURegelungen ignorieren können. Ganz im Gegenteil: Vor allem für international agierende Konzerne in der Schweiz, die Niederlassungen mit mehr als 50 Mitarbeitern im EU-Ausland unterhalten, besteht dringender Handlungsbedarf. Denn sie unterliegen mit ihren Auslandstöchtern EU-Recht und müssen damit bis Ende des Jahres 2021 einen internen Meldekanal einrichten, über den Compliance-Verstösse anonym gemeldet werden können.

Um einen einheitlichen Standard im Unternehmen sicherzustellen, sollte dies jedoch nicht nur in den ausländischen Niederlassungen geschehen, sondern im ganzen Unternehmen. Folglich sollten auch Angestellte in der Schweiz die Möglichkeit haben, Missstände zu melden, ohne dabei ein unkalkulierbares Risiko einzugehen. Denn aktuell müssen diese weiterhin befürchten, aufgrund von Verstössen gegen die arbeitsrechtliche Treuepflicht, den Datenschutz oder Geheimhaltungspflichten zur Verantwortung gezogen zu werden. Durch die Einführung einer internen Meldemöglichkeit demonstriert ein Unternehmen zudem eine gute Corporate Governance, eine umfassende Risikominimierung und die Schaffung einer Unternehmenskultur, die ein hohes Mass an Ethik und Vertrauen in ihre festgelegten Unternehmenswerte fördert. Und darüber hinaus erfüllen Schweizer Unternehmen damit die Erwartungen und Ansprüche der Konzerne aus der Europäischen Union an die Compliance ihrer Zulieferer und Geschäftspartner. Wie wichtig Good Governance für die Schweizer Konzerne ist, zeigt auch die zunehmende internationale Kritik am Umgang der Schweiz mit Whistleblowern. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beschreibt in ihrem Bericht zur Implementierung der Anti-Korruptions-Konvention (März 2018) die Situation in dieser Hinsicht als «kritisch» und den rechtlichen Schutz von Hinweisgebern als «ungenügend». Der Europarat stösst ins gleiche Horn und empfiehlt, einen gesetzlichen Rahmen zum Schutz von Hinweisgebern und gegen deren missbräuchliche Kündigungen zu schaffen.

SASCHA MEIER ist Head of Sales & Partnerships Compliance Services bei der EQS Group AG. www.eqs.com

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DIE WELT DER FINANZEN

Der Green New Deal bedeutet einen Umbruch. Junge Generationen bringen sich in Stellung – und zwar weltweit.

DER WANDEL IST DA SCHWEIZER UNTERNEHMEN SETZEN ZUNEHMEND AUF NACHHALTIGKEIT von Georg Lutz

Eine aktuelle Commerzbank-Studie belegt, dass trotz der Pandemie Nachhaltigkeit das entscheidende Thema für Schweizer Unternehmen wird. Wie so häufig bei gesellschaftlichen Wandlungsprozessen gibt es einige Early Birds auf der einen und Nachzügler auf der anderen Seite. Die Tendenz ist aber eindeutig.

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er vergangene Sommer präsentierte deutliche Signale des Klimawandels. Die Waldbrände in Sibirien, Kalifornien, Algerien, Griechenland und der Türkei, Hochwasser in Deutschland, Indien und China flimmerten über die Screens. Es sind nicht die einzelnen Feuer im Mittelmeerraum, die gibt es dort schon seit Jahrhunderten, sondern die steigende Massivität und die immer schnelleren Zyklen, die die letzten Skeptiker zum Grübeln bringen. Die Klimaerwärmung ist seit den Siebzigerjahren bekannt. Der Club of Rome veröffentlichte 1973 seinen Klassiker «Grenzen des Wachstums» und Hoimar von Ditfurth erklärte den Fernsehzuschauern schon vor 45 Jahren die steigenden Gradzahlen des Weltklimas.

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Vor diesem historischen Hintergrund und den Katastrophen der Gegenwart steht die Politik unter Handlungszwang. Die Verantwortlichen betonen durch die Bank die Notwendigkeit, Umwelt- und Klimaschutz zu betreiben. Es bleibt aber meist bei salbungsvollen Sonntagsreden. In der Praxis werden beispielweise regenerative Energien immer noch ausgebremst. Und so verkommt die selbst errichtete Verpflichtung des Klimaschutzabkommens von Paris, den Temperaturanstieg auf 1.5 Grad zu begrenzen, zur Makulatur.

GREENWASHING ODER UMDENKEN Im Gegensatz zur Politik fangen Unternehmensverantwortliche an zu handeln, wobei

auch hier zwei Stossrichtungen zu unterscheiden sind. Die erste Handlungsweise beschäftigt fast nur die Marketingabteilung, bei der zweiten setzt man sich klare Ziele und krempelt seine Wertschöpfungsketten um. Zeichnen wir zunächst eine kurze Skizze beider Handlungsweisen. In einem der besten Marketingfilme der letzten Jahre fliegt eine Kamera über grüne und nebelverhangene Wälder und Kaffeesträucher: Glückliche Menschen pflücken Kaffeebohnen und es fallen die üblichen Stichwörter wie «Nachhaltigkeit». Es ist ein Film für Nespresso und seine bunten Alukapseln. In der Realität sieht die Herausforderung etwas anders aus. Die Alukapseln sind nicht automatisch nachhaltig, nur weil sie jetzt von Kundinnen und Kunden


DIE WELT DER FINANZEN

besser recycelt werden können und weil man in glückliche Gesichter blickt. Offensichtlich soll der Kunde in seinem guten Gewissen baden können und die schlechten Botschaften, dass es den Kaffeebauern in Lateinamerika aufgrund des Klimawandels immer schlechter geht, sollen verdrängt werden. Uns allen fallen noch viele weitere Beispiele ein, bei denen es um eine weisse Weste mit grünem Mäntelchen geht. Demgegenüber setzen sich andere Unternehmen klare Ziele und definieren Wegmarken, die schon dieses Jahr beginnen und nicht erst in zehn Jahren, wenn die Verantwortlichen von heute in Rente sind. Ein Beispiel ist die DHL Group. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, ein emissionsfreies Unternehmen zu werden, kommuniziert dahingehend auch eine konkrete Jahreszahl und setzt noch dieses Jahr auf Elektroflugzeuge, die die mittlere Strecke bedienen. Für ein Transport- und Logistikunternehmen ist das eine klare Ansage.

GAMECHANGER GREEN NEW DEAL Und hier kommen die Finanzmärkte, konkreter die Banken, ins Spiel, die ja die neuen grünen Investitionen finanzieren sollen. Die Commerzbank wollte sich zunächst in der Schweiz einen Überblick verschaffen. Die Studie der Commerzbank Schweiz mit dem Titel «Wirtschaft im Umbruch: Die Chancen des Green Deal», die das Marktforschungsunternehmen forsa im Auftrag der Bank erstellt hat, bildet mehrere Befragungszeiträume zwischen März 2020 und Mai 2021 ab. Befragt wurden 140 Unternehmen mit einem Jahresumsatz ab 15 Millionen CHF. Green New Deal ist ein weiters wichtiges Stichwort, da unter dieser Überschrift ähnlich wie in den USA in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts, als die Gesellschaft mit einem Nachfrageprogramm einen wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Aufschwung bekam, nun die ökologische Wende erreicht werden soll. Inzwischen setzen sowohl die EU-Kommission als auch die US-Administration unter Joe Biden auf den Green New Deal.

fähigkeit an. Für 86 Prozent ist Nachhaltigkeit notwendig für die Zukunftsfähigkeit. Der Begriff wird dabei nicht nur als Synonym für Klima- und Umweltschutz verwendet – drei Viertel der Befragten verstehen darunter einen Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung. Hier gewinnt der eigentlich sinnentleerte Begriff Nachhaltigkeit wieder an Schärfe. Den damit verbundenen Herausforderungen blicken die Unternehmen grundsätzlich optimistisch entgegen: 89 Prozent sehen sich für eine nachhaltige Unternehmensführung gut gerüstet. Trotz der hohen Relevanz des Themas verfolgen erst rund 54 Prozent der Unternehmen bereits eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie, bei weiteren 24 Prozent ist sie in Planung. Im Vergleich zu Deutschland liegt die Schweiz damit bei der Strategieentwicklung vorne (54 Prozent gegenüber 43 Prozent). Damit bestätigt sich ein altes Muster: Schweizer Unternehmensverantwortliche können mit Herausforderungen eher besser umgehen, da sie Drucksituationen, zum Beispiel in der Hochwährungsphase des Schweizer Franken, durch aktives Handeln besser bewältigen können. Dabei hat die Pandemie tendenziell wenig Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsstrategien der Schweizer Unternehmen. 68 Prozent halten unverändert daran fest, 16 Prozent bauen die Massnahmen weiter aus. Lediglich weitere 16 Prozent möchten die Umsetzung einzelner Massnahmen auf später verschieben. 27 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie bereits neue Geschäftsfelder erschlossen und aufgebaut haben. Die Mehrheit (86 Prozent) realisiert dies in Kooperation mit ihren Kunden. 28 Prozent der befragten Unter-

nehmen befinden sich noch auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern, vier Prozent planen hingegen keine Veränderungen. «Hier sehen wir durchaus noch etwas Luft nach oben. Unser Ziel ist es deshalb, unsere Kunden mit Blick auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell aus unserer Perspektive als Bankpartner umfassend zu beraten und insbesondere für neue Geschäftsimpulse zu inspirieren», so Marc Steinkat, CEO der Commerzbank Schweiz. Das passt zu dem seit Jahren bestehenden Fokus der Commerzbank Schweiz, Unternehmen bei ihren Aktivitäten in Exportmärkten zu unterstützen. In diesem Rahmen bekommen in den nächsten Jahren ökologische Lösungen sicher Oberwasser.

KUNDENBINDUNG STÄRKEN Die Chancen von Nachhaltigkeitsmassnahmen sind in den Augen der meisten Unternehmen stark mit ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit verknüpft. Die deutliche Mehrheit (90 Prozent) sieht hier die Möglichkeit zur Imagepflege und zur Stärkung der sozialen Verantwortung (87 Prozent) weit vorn. Rund drei Viertel der Unternehmen sind sicher, damit auch ihre Arbeitgeberattraktivität und die Kundenbindung zu stärken. Deutlich nachgeordnet sind demgegenüber nicht nur die Erschliessung neuer Geschäftsfelder (58 Prozent), sondern auch andere unternehmerisch wesentliche Faktoren wie Investoren zu gewinnen beziehungsweise zu binden (26 Prozent) oder ein besseres Rating bei der Kreditvergabe zu erzielen (23 Prozent). Gefragt nach den Massnahmen, die bereits umgesetzt werden, nannten die Unternehmen eher klassische effizienzgetriebene Themen, etwa das Recycling, das Einsparen von Verbrauchsmaterialien oder die Optimierung von Arbeitsabläufen. Massnahmen im

KONKRETE STRATEGIEN Zurück zur Studie. Es überrascht zunächst nicht, dass Nachhaltigkeit das grosse Thema ist, das die Schweizer Unternehmen bewegt – auch die Folgen der Corona-­ Pandemie ändern nichts daran: 81 Prozent der befragten Unternehmen sehen das Thema als massgeblich für den dauerhaften Erhalt der wirtschaftlichen Leistungs-

Der Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung gewinnt an Konturen.

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DIE WELT DER FINANZEN

und versuchen, Rahmenbedingungen zu schaffen. Nehmen wir als Beispiel die EU-Kommission.

Für Marc Steinkat, CEO der Commerzbank Switzerland, gibt es beim Thema grüne Finanzierungen, was die Banken betrifft, noch Luft nach oben.

Bereich Kreislaufwirtschaft setzen heute bereits 43 Prozent der befragten Unternehmen um, in Deutschland sind es erst 33 Prozent. Insgesamt ist die Bereitschaft zu Investitionen hoch: Gut die Hälfte der Unternehmen hat in den vergangenen zwei Jahren ihre Investitionen in Sachen Nachhaltigkeit verstärkt ausgeweitet. Die Studie nimmt auch die Hindernisse ins Visier. Auf die Frage, warum Unternehmen bei Nachhaltigkeitsmassnahmen zurückhaltend agieren, nannte mehr als die Hälfte (61 Prozent) die Unsicherheit, wenn es um die Kalkulation von Aufwand und Ertrag geht. 45 Prozent sehen eine generell zu hoher Arbeitsbelastung. Die Bank soll Vorbild sein und nachhaltige Produkte anbieten. Von ihrer Bank erwarten die befragten Unternehmen, dass sie selbst auch nachhaltig arbeitet. In der Krise gibt es weiterhin einen hohen Bedarf an nachhaltigen Finanzierungsprodukten wie Förderkrediten. Gewünscht sind auch nachhaltige Anlagen und Investmentmöglichkeiten sowie Beratungen rund um Nachhaltigkeitsthemen. «Bei diesem Thema sind ganz klar Banken gefragt, deshalb bauen wir unser Angebot an nachhaltigen Lösungen für Investitionen, Finanzierungen sowie Anlagen kontinuierlich aus. Bereits

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heute haben wir bei vielen Nachhaltigkeitsaspekten eine hohe Expertise, zum Beispiel im Bereich Green Bonds, grüne Finanzierungen oder beim Thema Emissionsrechte», erläutert Steinkat. Die Wirtschaft steht, und das zeichnet sich immer deutlicher ab, vor einem Umbruch. Der verzahnte Dreiklang Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung gewinnt an Bedeutung. Allerdings hat, und das bleibt aus der Studie festzuhalten, knapp die Hälfte der Unternehmensverantwortlichen noch keine Strategie. Der zentrale Grund liegt darin, dass Aufwand und Ertrag schwierig zu ermitteln sind. Allerdings gewinnen Faktoren wie gemessene Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen immer mehr an Bedeutung. Auch im Export werden Themen wie Effizienz, regenerative Energien und Kreislaufwirtschaft an Bedeutung gewinnen.

Sie hat der Finanzbranche eine Offenlegungsverordnung vorgelegt, die am 10. März dieses Jahres in Kraft trat. Seit diesem Zeitpunkt müssen Finanzinstitute regelmässig über die nachhaltigen Aspekte ihrer Produkte informieren, um Anlegern mehr Transparenz zu bieten und Greenwashing zu vermeiden. Es geht dabei um 32 verpflichtende und 18 optionale Indikatoren aus den Bereichen Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Biodiversität, Wasser, Abfall, Soziales und Mitarbeiter, Menschenrechte sowie Korruption. Die EU-Offenlegungsverordnung schreibt im ersten Schritt vor, dass Anbieter von Finanzprodukten in öffentlich zugänglichen Dokumenten darlegen, wie sie mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen. Zudem müssen die Anbieter ihre Produkte in eine von drei Schubladen einsortieren: Sie sind entweder konventionell, berücksichtigen ökologische und soziale Kriterien oder streben ein konkretes Nachhaltigkeitsziel an. Anhand dieser Indikatoren müssen die Verantwortlichen nachweisen, wie Fonds beispielsweise die Nachhaltigkeitsziele erfüllen. Das könnte kompliziert und aufwendig werden. Und es stellen sich Fragen, wie sich Massnahmen zur Erhaltung der Biodiversität oder gegen die Abholzung von Wäldern objektiv und quantitativ messen lassen. Auch an der Datenfront gibt es noch Luft nach oben, da Grosse Unternehmen müssen ResearchKapazitäten aufbauen.. Kleinere Akteure können sie auch als Dienstleistung beziehen. Inzwischen gibt es hier verschiedene Anbieter am Markt. Der Teufel liegt wie so oft im Detail. Es gibt, um dies zusammenzufassen, noch einiges zu tun, die Notwendigkeit des schnellen Handels steht aber ausser Frage.

TRANSPARENZ MUSS HER Die Frage, wie sich Greenwashing minimieren lässt, ist so aber noch nicht beantwortet. Die Finanzbranche hat hier selbst Verantwortung zu übernehmen, die sie selbst mit dem Thema «Grün bei Ihren Finanzprodukten» zur Sprache bringt. Nun gibt es Institution, die aktiv werden

GEORG LUTZ ist Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU. www.commerzbank.ch


DIE WELT DER FINANZEN

UNBEKANNTE LEADER HIDDEN CHAMPIONS AUF DEM WELTMARKT von Georg Lutz

Wer in Exportmärkten erfolgreich sein will, muss nicht unbedingt im Silicon Valley oder ein Spin-off der ETH Zürich sein. Hidden Champions kommen eher unscheinbar daher und schreiben trotzdem in ihrer Branche Erfolgsgeschichten. Ein aktuelles Buch von Hermann Simon analysiert und erklärt uns die Erfolge.

HIDDEN CHAMPIONS Die neuen Spielregeln im chinesischen Jahrhundert von Hermann Simon, 2021 280 Seiten, 39.95 Euro ISBN 978-3-593-51484-0 Campus Verlag

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unächst stellt sich die Frage: Wer sind eigentlich Hidden Champions? Es sind die eher kleineren Weltmarktplayer, die ihre Erfolge nicht gross aus dem Fenster hängen. Es geht aber auch genauer. Für Hermann Simon sind drei Punkte zentral. Ein Hidden Champion sollte erstens in seinem Markt zu den Top 3 der Welt gehören oder Nummer 1 auf seinem Kontinent sein. Zweitens muss der Umsatz unter fünf Milliarden Euro liegen und drittens hat das Unternehmen eine geringe Bekanntheit in der allgemeinen Öffentlichkeit vorzuweisen. Die meisten Hidden Champions sitzen nicht etwa im Silicon Valley, sondern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seit dem ersten Buch von Hermann Simon aus dem Jahr 1996 hat sich vieles ver-

ändert. Nach dem Exportboom in den Jahren 1990 bis 2010 sehen sich die Unternehmen heute vor grossen neuen Herausforderungen: Direktinvestitionen verdrängen den Export, die Warenströme weichen zunehmend digitalen Dienstleistungen, das Thema Nachhaltigkeit bietet zwar erhebliche Chancen, die aktuell auf der Agenda stehen, erfordert aber ein Umdenken. Wie steht es um die Zukunftsaussichten der »heimlichen Gewinner« und welche Strategien und neuen Spielregeln bringen sie weiter? Ein zentraler Punkt, auch in dem neuen Buch, ist die wachsende Wirtschaftsmacht Chinas. Viele Hidden Champions stellen unscheinbare Alltagsdinge her, die aber wichtig sind und mit denen sie sich als Weltmarktführer etablieren konnten. Hier einige Beispiele: Alupak ist der Hersteller von Nespresso-Kapseln, Rohi produziert Stoffbezüge für Flugzeugsitze, Sanner hat sich auf die Herstellung von Trockenmittel für Verpackungen spezialisiert und Anton Häring ist führend im Bereich Präzisionsdrehteile. Das sind jetzt nicht gerade Namen, die jeder kennt, sie bilden jedoch ein wichtiges Bindeglied in den jeweiligen Wertschöpfungsketten.

grossen Playern. Das sind bekanntlich auch Stärken und Zahlen, mit denen Schweizer KMU beeindrucken können. Wie das aller­ dings bei den kommenden Generationen aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Schon heute hat man Jobs nicht mehr für mehrere Jahrzehnte, sondern für einige Jahre.

KERNKONZEPT MITARBEITERBILDUNG

Last, but not least stehen im Rahmen der Exportstrategie nicht dritte Player im Vordergrund, sondern eigene Tochtergesellschaften. Damit ist auch in den Auslandsmärkten der direkte Kundenkontakt möglich.

Die Unternehmen bewegen sich auf technologisch sehr hohem Niveau, was bei Weltmarktführern fast eine Selbstverständlichkeit ist. Trotzdem liegt der Erfolg meist in altbewährten Erfolgsrezepten begründet, die im Unternehmen gelebt und entwickelt werden. Die ideologischen Dickschiffe der Managermethoden und -strategien, die die grossen Konzerne prägen, kommen eher seltener zum Einsatz. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Unternehmensverantwortlichen bei Hidden Champions viel Wert darauf legen, nur leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beschäftigen. Die Fluktuationsquote ist aus diesem Grund viel niedriger als bei den

MARKTTIEFE ERREICHEN Die Ziele dieser Firmen sind äusserst ambitiös und vor allem auf Wachstum und Marktführerschaft ausgerichtet. Das Wachstum vollzieht sich dabei kontinuierlich. Spektakuläre Wachstumsraten findet man hier eher selten. Stabilität steht im Vordergrund. Zielführende Indikatoren beziehen sich nicht nur auf möglichst grosse Marktanteile. Es geht eher um das Setzen von Standards, um Kunden und Mitbewerber zu beeindrucken und indirekt zu lenken. Die Markttiefe wird durch den Focus auf attraktive und einzigartige Produkte erreicht. Dadurch erreicht man auf den ersten Blick nur kleine Märkte. Durch die Globalisierung ergeben sich aber neue Möglichkeiten. Das sind dann gute Economies of Scale.

GEORG LUTZ ist Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU. www.simon-kucher.com

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DIE WELT DER FINANZEN

Helikoptergeld federt gut ab, ist aber keine Lösung.

PROFESSIONELLE EIN- UND AUSBLICKE

DAS HANDELN IM RAHMEN TURBULENTER FINANZMÄRKTE Interview mit Mario Geniale von Georg Lutz

Weltweit bewegen sich die Börsen zwischen immer neuen Höchstständen einerseits und Blasenbildungen und Abstürzen andererseits. Da braucht es professionelle Markteinschätzungen und proaktive Informationen, um mögliche Risiken nicht aus den Augen zu verlieren. Nur dann besteht die Chance, einen Überblick und die Weitsicht für die Umsetzung von Anlageentscheiden zu behalten. Wir führten mit dem Chief Investment Officer der Bank CIC, Mario Geniale, ein Interview.

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ie Situation an den Finanzmärkten ist für mich ein bislang historisch einmaliges und gigantisches Experiment. Der Ausgangspunkt: Die Notenbanken fluten mit billigstem Geld die Märkte – und das seit der Finanzkrise von 2008. Wie skizzieren Sie die Situation? Ja, es geht schon seit Jahren so und wird auch noch einige Jahre im gleichen Stil weitergehen. Wir haben seit 2008 immer wieder Krisen zu bewältigen, zu-

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letzt die einer globalen Pandemie. Fast die einzige «Medizin» dagegen, die die Zentralbanken immer wieder anbieten, ist vermehrte Liquidität. Ist das nicht eine ewige Hängepartie mit ungewissem Ausgang? Es erinnert mich an die fast schon stagnierende volkswirtschaftliche Entwicklung Japans in den beiden letzten Jahrzehnten. Natürlich versucht beispielsweise die FED (US-Zentralbank), in den USA immer wie-

der einmal einen Testballon zu starten und wenigstens theoretisch mit einem Anheben der Zinsen zu spielen. Doch dann gibt es wieder eine Krise oder eine unvorhersehbare Herausforderung wie aktuell die gigantischen Infrastrukturprogramme in den USA, und es wird wieder dieselbe «Medizin» verabreicht. Das viele Geld wird aber kaum klassischerweise in Unternehmen investiert, sondern in unterschiedlichste Finanz-


DIE WELT DER FINANZEN

anlagen verschoben. Dadurch steigen die Kurse, obwohl dies die Realwirtschaft in Teilen schon seit Jahren gar nicht mehr hergibt. Das ist so. Hart gesagt geht es um ZombieUnternehmen, die gar nicht in die Insolvenz gehen können, da sie durch die nichtvorhandenen Zinsen künstlich am Leben gehalten werden. Man pflastert an den Symptomen herum und verhindert so eine Generalüberholung. Jetzt greifen zudem vermehrt staatliche Akteure in das Geschehen ein? Ja, in der Pandemie hat man den Bürgerinnen und Bürgern Geld zukommen lassen – entweder durch das Kurzarbeitergeld oder durch direkte Zahlungen wie in den USA. Dieses Geld wurde zum Teil in den Konsum gesteckt. Wir sehen das Geld aber auch an den Börsen. Das ist eine neue qualitative Stufe. Das ist mit dem Stichwort Helikoptergeld gut auf den Punkt gebracht. Und es gibt in der Folge neue Akteure am Markt, die in sehr hohe Risiken einsteigen. Konkret heisst das: auf Unternehmen wie GameStop setzen, deren Geschäftsmodelle ihren Zenit eigentlich schon überschritten haben. Da könnte ich jetzt noch einige Beispiele aufzählen. Die klare Folge: Risiken von Blasenbildungen haben aus diesem Grund zugenommen. Es gibt Hype-Themen, die sich auf verschiedenen Plattformen gegenseitig befeuern und so jenseits von realwirtschaftlichen Rahmenvorgaben gewissermassen ausufern können. Die sehr volatilen Kurse von Kryptowährungen sind ein Beispiel.

tätigen. Die durchschnittlichen Renditen für USD-Anleihen mit CCC-Rating lagen im Mai bei 6.1 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand aller Zeiten. In Europa liegen die CCC-Renditen bei 5.8 Prozent, dem niedrigsten Stand seit 2017, was einen Rückgang von 19 Prozent gegenüber dem Höhepunkt der Pandemie im vergangenen Jahr darstellt. Die riesige Menge an Liquidität führt zu einem zunehmenden Risiko einer Blasenbildung bei Hochzinsanleihen. Die Anleger kaufen aufgrund fehlender Anlagemöglichkeiten Anleihen von Non-InvestmentGrade-Unternehmen. Daher haben sich die Spreads von Anleihen in diesem Jahr auf ein Niveau verengt, das seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen wurde.

«Statt in Panik auszubrechen, handeln wir bei Warnungen vorsichtiger …»

Wie beraten Sie Ihre Kunden vor dem Hintergrund solcher Situationen und Szenarien? Das Problem der negativen Verzinsung von Obligationen im Anlagebereich ist allgegenwärtig, aber wir warnen unsere Kundinnen und Kunden vor einer Erhöhung des Portfoliorisikos, nur um ein paar Basispunkte Rendite zu erwirtschaften. Es gilt, sehr vorsichtig zu sein. Gleichzeitig muss man sehen, dass sich die Renditen grösstenteils auf Tiefständen befinden, auch im historischen Vergleich. Man wagt immer mehr Risiko, weil es ja mehr Rendite bringen könnte. In der Folge stimmen Risk und Return nicht überein, was das Anlageverhalten betrifft. Das heisst allerdings nicht, dass man die Finger davonlassen sollte. Wir empfehlen, individuelle Lösungen zu suchen und im Rahmen von breit aufgestellten Fonds zu agieren. Das sind sogenannte Satelliten-Strategien, die als Beimischung fungieren. Sie präferieren die Grautöne und keine Schwarz-Weiss-Gemälde? Absolut. Ich kann Ihnen auch verraten, wie wir das strategisch angehen. Man lässt als grundsätzliche Strategie an den Aktienmärkten die Gewinne laufen, aber man betrachtet die Entwicklungen immer

Versicherer, Pensionskassen und Privatanleger kaufen grössere Mengen an Junk-Anleihen, um die schrumpfenden Renditen zu kompensieren. Hier werden Investoren doch fast schon gezwungen, sehr hohe Risiken einzugehen. Wenn die Schweizer Pensionskassen ausserhalb des Triple-A- oder Triple-B-Spektrums investieren, ist es per Definition eine alternative Anlage. Es gibt auch in der Schweiz Obligationen im Zweifach-B- sowie im Single-B-Bereich. Richtig ist, dass die Akteure grössere Mengen an Junk-Anleihen kaufen, um die schrumpfenden Renditen zu kompensieren. Dadurch sind Investoren gezwungen, Allokationen in Anleihen mit BB-Rating zu

Die Gefahr von Blasen, die dann auch platzen können, ist da.

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DIE WELT DER FINANZEN

die Inflation für einen gewissen Zeitraum hoch bleiben wird. Es gibt hier einige klare Basiseffekte, zum Beispiel den Ölpreis. Was wir uns vorstellen könnten, ist eine gewisse Rotation durch unterschiedliche Produktgruppen und Branchen hindurch. Ein gutes Beispiel der letzten Monate ist der Holzpreis. Er ist geradezu explodiert, hat sich jetzt aber wieder auf einem leicht erhöhten Niveau eingependelt. Eine höhere Inflation, die einige Punkte über den angestrebten zwei Prozent liegt, ist durchaus im Sinne der Notenbanken und der Staaten, da die Schulden so «weginflationiert» werden. Das kann sich folglich noch zwei, drei Jahre hinziehen. Ihr Haus setzt auf Tradition und Innovation. Das ist in diesen Zeiten der Umbrüche und schnellen Entwicklungen auch ein nicht ganz einfacher Spagat. Wie bekommen Sie diesen hin? Es geht hier um die Diskussion, die um das Thema Mensch und Maschine kreist. Auch hier wünsche ich mir eine nüchternere Debatte. Bei der digitalen Transformation geht es zunächst um technische Voraussetzungen, die uns dann viel stupide Arbeit abnehmen können.

Risk und Return sollten zusammenkommen.

im Verhältnis zum Gesamtportfolio. Wenn die Märkte gut laufen, erhöht sich die Aktienquote, da die Aktien besser performen als die anderen Anlageklassen. Von Zeit zu Zeit muss man neu austarieren, auch um Gewinne zu sichern. Die Quote sinkt entsprechend wieder. Das ist in dieser hektischen Situation ein sehr pragmatischer Ansatz. Das hört sich sehr nüchtern an. Wir wissen nicht, wie sich der Markt morgen entwickelt. Wir haben aber immer wieder Ideen, und dann geht es um eine richtige Chancen-Risiken-Abwägung. Die Wahrscheinlichkeit von Rückschlägen nimmt

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zu. Das kann man historisch belegen, aber auch mathematisch mit Modellrechnungen durchgehen. Statt in Panik auszubrechen, handeln wir bei Warnungen vorsichtiger und setzen auf andere Anlageklassen. Ein weiteres, aktuell heftig diskutiertes Stichwort heisst Inflation. Kommt sie oder kommt sie nicht? Älteren Marktteilnehmern steckt noch die Inflation der Siebzigerjahre in den Knochen, und laut einigen volkswirtschaftlichen Theorien müsste die Inflation längst da sein. Die Notenbanken beschwichtigen hier. Klar, sonst müssten sie ja auch an den Zinsen drehen. Wir gehen davon aus, dass

Können Sie uns ein Beispiel verraten? Wir haben unser Mobile Banking neu lanciert, das wir gemeinsam mit einem Partner entwickelt hatten. Es ist wirklich «State of the Art». Sämtliche Prozesse können heute schnell, smart und sicher abgewickelt werden. Gleichzeitig liegt unsere Kernkompetenz weiterhin in der persönlichen Beratung. Selbst wenn wir neue Hard- und Software brauchen, um à jour zu bleiben, wollen wir den persönlichen Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden weiterhin pflegen und individuelle Lösungen finden. Beratung ist und bleibt bei uns persönlich.

MARIO GENIALE ist Chief Investment Officer der Bank CIC (Schweiz) AG. www.cic.ch


BEI UNS DREHT SICH ALLES UM IHR WOHNEIGENTUM IM HAUSEIGENTÜMERVERBAND IMMER GUT BERATEN von Markus Meier

Seit über 100 Jahren setzt sich der Hauseigentümerverband nachhaltig für die Anliegen der Wohn- und Grundeigentümer ein. Mit unseren 340’000 Mitgliedern in über 100 kantonalen und regionalen Sektionen zählen wir zu den grössten Verbänden der Schweiz. Danke, dass auch Sie auf uns vertrauen.

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er Hauseigentümerverband Schweiz ist die Dachorganisation der Wohneigentümer und Vermieter in der Schweiz. Der Verband setzt sich aus rund 340’000 Mitgliedern zusammen. Mit unseren über 100 Regionalsektionen und Kantonalverbänden sind wir überall nahe bei unseren Mitgliedern – auch bei Ihnen. Als sich Ende des 19. Jahrhunderts die ersten Vermieter zu Hausbesitzervereinen zusammenschlossen, konnten sie wohl nicht ahnen, wie gross der Stein sein würde, den sie damit ins Rollen brachten. Die beharrliche Aufbauarbeit früherer Generationen hat

sich gelohnt. Aus den lokalen Vereinen von Hausbesitzern und Vermietern ist mit der Zeit einer der mitgliederstärksten Verbände des Landes entstanden.

«Starker Partner auch für KMU.» Seit mehr als 100 Jahren setzt sich der HEV konsequent und erfolgreich für die Förderung und Erhaltung des Immobilien-

eigentums ein. Dazu gehören die Eigentumsgarantie, nur so viel Bürokratie wie nötig, wirtschaftlich tragbare Vorschriften sowie auch massvolle Steuern, Gebühren und Abgaben.

WERDEN SIE JETZT MITGLIED! Der Hauseigentümerverband engagiert sich als Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum für seine Mitglieder. «Ihren» HEV bzw. Ihren Regionalverband finden Sie ganz in der Nähe. Damit Ihr Wohneigentum noch mehr Freude macht – HEV, die Nr. 1 für Wohn­eigentum!

IHRE VORTEILE BEIM HEV > Telefonische Rechtsauskunft in Sachen Wohn- und Grund­eigentum > Fachzeitung «Der Schweizerische Hauseigentümer» (2 x monatlich) > Vergünstigte Mitgliederpreise auf Bücher, Ratgeber und Formulare > HEV-Mitglieder-Vergünstigungen www.hev-shop.ch > Prämienrabatte mit bis zu: 10 Prozent auf Zurich Versicherungen, 25 Prozent bei Swica Krankenkasse, 5 Prozent Erdbeben­versicherung, uvm. > HEV-Hypotheken zu Vorteilskonditionen > Vergünstigungen auf hilfreiche Praxiskurse rund ums Wohneigentum > Attraktive HEV-Reisen > Spannende Freizeitangebote und vieles mehr!

MARKUS MEIER ist Direktor HEV Schweiz. www.hev-schweiz.ch/mitgliedschaft www.hev-schweiz.ch

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DIE WELT DER FINANZEN

Professionelle und transparente Beratung führt zur richtigen Lösung.

ES IST PASSGENAU BERUFLICHE VORSORGE FÜR KMU von Christof Hügli

Sie bieten eine Vielzahl an Lösungen, ermöglichen viele Arbeitsplätze, sind in allen Branchen tätig und bilden gleichzeitig das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft: die KMU. So vielfältig und originell wie die schweizerische KMU-Landschaft soll auch die entsprechende Pensionskassenlösung sein. Darum bietet die Tellco massgeschneiderte Lösungen, die wirklich den Bedürfnissen und Wünschen von KMU entsprechen.

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as benötigen KMU in der beruflichen Vorsorge wirklich? Die langjährige Erfahrung der Tellco mit Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz zeigt das deutliche Bedürfnis nach flexiblen, passenden, sicheren und klaren Pensionskassenlösungen – mit einem persönlichen Kontakt.

AUF DAS UNTERNEHMEN ZUGESCHNITTEN Der Erfolg eines Unternehmens basiert zunächst auf einem einzigartigen Businesskonzept, das sich von jenem der Konkurrenten am Markt unterscheidet. Doch damit alleine ist es natürlich noch nicht getan: Zu einer erfolgreichen Unternehmensführung gehören Fachkompetenz, Erfahrung, Herzblut und Engagement bei der täglichen Arbeit. Wer langfristig erfolgreich bleiben will, gibt sich zudem nicht mit Mittelmass zufrieden und entwickelt sich ständig weiter. Dieselben Anforderungen stellen Unternehmen an ihre berufliche Vorsorgelösung.

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Darauf hat sich die Tellco ausgerichtet: In der zweiten Säule bietet sie spezielle Vorsorgelösungen an, die den Ansprüchen von KMU gerecht werden. Die Vorsorgespezialistin verfügt über langjährige Erfahrung, eingespielte Prozesse und eine agile Organisation. Darum kann sie Unternehmen eine zeitgemässe Pensionskassenlösung anbieten – mit stimmigen Risikotarifen und fairen Verwaltungskosten. Mit einem gerechten Umwandlungssatz reduziert die Tellco-Lösung die Umverteilung, sodass ein langfristiges Bestehen der Pensionskasse sichergestellt ist.

schlossenen Unternehmen verwaltet sie mit höchster Sorgfalt. Bei der Anlage der Gelder richten die Spezialistinnen und Spezialisten der Tellco den Fokus klar auf Langfristigkeit und Sicherheit. Kleinere, sichere Gewinne sind der Vorsorgespezialistin wichtiger, als kurzfristig hohe Renditen anzustreben und dabei grosse Verluste zu riskieren. Die Anlagestrategie der Tellco zeichnet sich durch geringes Risiko und hohe Sicherheit aus, denn sie sieht ihre Verantwortung darin, das Kapital ihrer Kundinnen und Kunden heute und in Zukunft abzusichern.

SICHERHEIT AN ERSTER STELLE

FLEXIBILITÄT IST EINE VORAUSSETZUNG

Unternehmerinnen und Unternehmer tragen viel Verantwortung. Ihre Mitarbeitenden sind vom Erfolg ihres Unternehmens abhängig und wünschen sich Sicherheit. Die Tellco unterstützt Unternehmensverantwortliche genau hier: Mit einer Vor­ sorgelösung in der zweiten Säule, die für Sicherheit steht. Das Vermögen der ange-

Unternehmertätigkeit erfordert viel Flexibilität in einem dynamischen und komplexen Marktumfeld mit sich ständig verändernden Kundenbedürfnissen. Dieselbe Flexibilität erwarten Unternehmerinnen und Unternehmer auch von ihrer beruflichen Vorsorge.


DIE WELT DER FINANZEN

Diesem Anspruch wird die Tellco mit einer Vorsorgelösung gerecht, die gemäss individuellen Bedürfnissen angepasst werden kann. Die Kundinnen und Kunden profitieren von einer Vorsorgelösung, die individuell erweiterbar ist und flexibel mit dem Unternehmen mitwachsen kann.

BEDEUTUNG VON PERSÖNLICHEN KONTAKTEN In der Zusammenarbeit sind die passenden fachlichen Kompetenzen und persönlichen Eigenschaften zentral. Unternehmerinnen und Unternehmer suchen sich ihre Mitarbeitenden und Geschäftspartner sorgfältig aus und prüfen persönlich, wer zu ihnen und zu ihrem Unternehmen passt. Das ist eine wichtige Voraussetzung, damit Vertrauen aufgebaut werden kann. Das gilt auch für die Partner bei der beruflichen Vorsorge. Die Tellco pflegt den persönlichen Kontakt zu Unternehmenskundinnen und -kunden. Sie arbeitet aus diesem Grund in der ganzen Schweiz an verschiedenen Standorten. Die Regionalvertreterin oder der Regionalvertreter besucht die Kundinnen und Kunden sehr gern persönlich und eruiert zusammen mit ihnen die passende Vorsorgelösung. Die Kundinnen und Kunden können sicher sein: Bei all ihren Fragen oder Wünschen haben sie eine Ansprechperson, die sie persönlich kennt. Eine branchenspezifische Lösung mit ei-

nem abgestimmten Tarif ist für die Tellco dabei selbstverständlich.

EINFACH, VERSTÄNDLICH UND TRANSPARENT Unternehmerinnen und Unternehmer kennen es aus der eigenen Tätigkeit: Je komplexer etwas ist, desto anspruchsvoller wird es, verständlich darüber zu sprechen. Oder anders gesagt: Es ist oftmals schwieriger, die Dinge einfach darzustellen, als sich mit den gewohnten, jedoch nicht für alle verständlichen Fachbegriffen auszudrücken. Doch nur wer verstanden wird, schafft es auch, Vertrauen zu gewinnen. Das gilt für Mitarbeitende genauso wie für Kundinnen und Kunden oder Geschäftspartner. Ein Klischee über die Versicherungs- und die Vorsorgebranche hält sich dennoch nachhaltig: Sie gelten als kompliziert und würden unverständlich kommunizieren. Die Tellco verschreibt sich der Einfachheit – in der Kommunikation genauso wie bei den Modellen und Strategien. Die Kundinnen und Kunden sollen wissen, wie ihre Vorsorgelösung genau aussieht. Sie können volle Transparenz erwarten. Es gibt keine versteckten Kosten und auch keine Klauseln, die ihnen unerwünschte Verpflichtungen oder Nachteile aufbürden. Und falls doch Unsicherheiten auftauchen oder Fragen entstehen, dann haben die Tellco-Kundinnen und -Kun-

den ihre persönliche Kontaktperson bei der Vorsorgespezialistin.

UNTERNEHMENSPORTRAIT Die Tellco AG hat ihre Kernkompetenzen im Bereich Vorsorge und Vermögen. Als Expertin für ganzheitliche Angebote rücken die Verantwortlichen genau diese ins Zentrum ihres Schaffens. Es geht darum, der Kundin oder dem Kunden massgeschneiderte Lösungen zu bieten, die wirklich den Bedürfnissen und Wünschen entsprechen. In den drei Geschäftsbereichen berufliche Vorsorge, private Vorsorge sowie Geld und Vermögen bieten sie Dienstleistungen und Expertise aus einer Hand.

CHRISTOF HÜGLI ist Regionalverantwortlicher Vertrieb Zentralschweiz im Bereich der beruflichen Vorsorge. www.tellco.ch/kmu

Unternehmensverantwortliche wollen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und brauchen daher einfache Modelle.

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SOFTWARE & HARDWARE

VERSCHÄRFTE SITUATION IT-FACHKRÄFTEMANGEL IM FOKUS Interview mit Professor Dr. Thomas Rautenstrauch von Georg Lutz

Der IT-Fachkräftemangel ist eine bildungspolitische und gesamtwirtschaftliche Herausforderung, die alle Beteiligten endlich ernst nehmen müssen. Mit Professor Dr. Thomas Rautenstrauch, dem Leiter des Departements Business Analytics & Technology der HWZ, führten wir ein Interview, um in diese drastische Situation mehr Licht zu bekommen.

Es fehlt an allen Ecken und Enden an IT-Fachkräften.

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elche zentralen Berufsfelder und Ausbildungswege gibt es im IT-Bereich? Es gibt hier in der Schweiz offensichtlich akademische und nichtakademische Wege. Richtig. Es gibt in der Schweiz mehrere Zugangswege zu IT-Karrieren, die aufeinander abgestimmt werden können. Fangen wir zum Beispiel mit der Lehre im ITBereich an, die eine handwerkliche Grundlage darstellt. Anschliessend geht es über den eidgenössischen Fachausweis und

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die höhere Fachschule bis zur Möglichkeit, ein Studium an einer Fachhochschule zu absolvieren. Wer eine Berufsmatura hat, kann direkt an der Fachhochschule einsteigen. Das ist ein durchlässiges System, das in der Schweiz seit Jahren Schule macht. Wer aus der Praxis kommt, kann es so über Zwischenschritte bis zum Hochschulabschluss schaffen. Das ist eine positive Botschaft. Demgegenüber steht aber der seit Jahren

beklagte IT-Fachkräftemangel. Um die 60 Prozent der Schweizer Unternehmen stellen heute fest, dass ihnen ITTalente am Arbeitsmarkt fehlen, die sie für die digitale Transformation ihres Unternehmens benötigen. Was ist hier schiefgelaufen? Das würde ich auch gerne wissen. Aber das Bild sieht leider noch düsterer aus. An den Fachhochschulen zählen wir beispielsweise die Zahl der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen. Dort hatten wir


SOFTWARE & HARDWARE

2018 mit 488 Absolventinnen und Absolventen des Wirtschaftsinformatikstudiengangs schweizweit einen Höchststand erreicht. 2019 waren es 80 weniger und 2020 sind wir bei 375 gelandet. Wir haben folglich sogar mit einer rückläufigen Tendenz zu kämpfen, trotz eines steigenden Bedarfs. Da tut sich eine problematische Schere auf, die nicht nur auf meiner Stirn zu Sorgenfalten führt. Ich dachte bislang, wir sprechen von linear leicht ansteigenden Herausforderungen. Jetzt sagen Sie: Nein, wir standen 2018 schon mal besser da. Für mich ist das eine neue Qualität, allerdings im negativen Sinne. Dazu kommt eine sich auftürmende Nachfrageseite. Bereits in der Pandemie und auch jetzt steigt die Nachfrage nach ITDienstleitungen dramatisch an. Das Home Office braucht kompetente IT-Unterstützungen. Viele Unternehmen stellen ganze Prozessketten um. Nehmen Sie nur das Beispiel des Kundesupports. Die Kundenberatung musste im letzten Frühjahr innerhalb weniger Wochen komplett auf OnlineFormate umgestellt werden. Da brauchen Sie Expertinnen und Experten, vor allem bei KMU ohne eigene IT-Abteilungen. Wenn diese IT-Spezialistinnen und -Spezialisten nicht verfügbar sind, zerschellt das ganze hochgeschraubte Projekt der digitalen Transformation in der Praxis. Und es wird aufgrund dieser Situation extrem teuer für die Unternehmen. Lassen Sie uns kurz einen wichtigen Unterbereich durchgehen. Aus aktuel-

lem Anlass können wir mit IT-Security anfangen. Wir lesen fast jeden Tag von neuen Erpressungsversuchen und unterschiedlichster Schadsoftware in den Medien. Cybersecurity-Spezialistinnen und -Spezialisten sind durch den Einfluss der CoronaPandemie noch wichtiger geworden. Die Pandemie hat Hacker regelrecht vor sich hergetrieben. Unternehmen werden mit krimineller Energie und in neuer Intensität gehackt, obwohl dies kein neues Phänomen ist. Sowohl quantitativ als auch qualitativ erleben wir immer wieder neue Steigerungsstufen. Jetzt gibt es sowohl in Europa als auch in der Schweiz mehr Anbieter mit mehr Wissen zum Thema IT-Sicherheit. Firmen wie ESET, Trend Micro oder – hier in der Schweiz – infoGuard präsentieren beeindruckende Wachstumszahlen … … und gleichzeitig suchen alle verzweifelt nach Fachkräften. Egal, ob man einen internen oder externen Ansatz wählt: Die Herausforderung, Fachkräfte zu finden, lässt die Verantwortlichen nicht los. Da brennt offensichtlich die Hütte, um dies umgangssprachlich auf den Punkt zu bringen. Was hat sich denn in den letzten Jahren in der IT-Branche verändert? Wir haben mit einem neuen Bewusstsein zu tun, was die Qualität und die Bedeutung von Daten angeht. Dadurch sind neue Berufsbilder entstanden. Stichworte sind hier Big Data und datenbasierte Geschäftsmodelle. Unternehmensverantwortliche

wollen mehr aus ihren Daten herausholen. Und schon sind wir wieder bei neuen Stichworten wie Data Science und Business Analytics. Neben dem Sammeln von Daten geht es immer auch um das Heben von Schätzen, die dort verborgen sind. Mit klug ausgewerteten Daten kann man sehr viel mehr über die Kundschaft, die Lieferantinnen und Lieferanten in Erfahrung bringen. Da lassen sich beispielsweise Erkenntnisse über das Kaufverhalten oder Lieferzeiten gewinnen, die wir gestern so noch nicht hatten. Am Schluss steht vielleicht sogar ein neues Geschäftsmodell vor der Tür. Aber auch dazu braucht es qualifizierte Expertinnen und Experten, die dies erkennen und bewerten. Wie reagieren Unternehmensverantwortliche, wenn sie keine Fachkräfte finden? Sie gehen zunehmend in die Cloud. Unternehmen, die bislang eigene IT-Strukturen unterhalten haben, suchen sich Cloudlösungen, die extern bedient werden. Sie kaufen sich, beispielsweise im Rahmen von Software as a Service (SaaS), SoftwareApplikationen von aussen ein. Cloud Computing erlebt aktuell einen wahren Boom. Aber bestehen nicht auch Gefahren, wenn ich mich als Geschäftsführer überhaupt nicht mehr mit den IT-Themen auseinandersetze? Jede Medaille hat zwei Seiten. Da liegen Sie richtig. Es scheint dann so, dass man alle Herausforderungen nach aussen abgeben kann. Aber die Cloud-Anbieter suchen ja selbst verzweifelt nach Fachkräften.

Frauen sind in der IT-Branche leider immer noch völlig unterrepräsentiert.

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SOFTWARE & HARDWARE

Machine Learning ist ein neuer Trend, der in Lerninhalte integriert werden muss.

Hinzu kommt, dass neue Themen wie Data Science und Analytics bei unseren Ausbildungsträgern erst in die Lehrpläne eingepflegt werden müssen. Auch das braucht seine Zeit. Was seit Jahren auffällt, ist der Gendergap. Ich habe vor einigen Wochen ein Interview mit einem CEO eines kleineren IT-Unternehmens geführt. Er hat von 25 Prozent seiner IT-Fachkräfte gesprochen, die Frauen seien. In anderen Branchen würde man heute sagen, da gibt es noch Luft nach oben. Hier ist es aber eine erfreulich positive Zahl. Warum finden wir auch in Ihren Hörsälen fast nur Studenten und keine Studentinnen? Ich komme nochmals zu den Absolventenzahlen vom Anfang dieses Interviews zurück. Nur etwa ein Zehntel davon sind Frauen. Das ist deprimierend. Und die Situation wird sich auch in den nächsten Jahren nicht verändern, wenn es in der Ausbildung so aussieht. Hier gibt es erst Veränderungen, wenn wir ganz am Anfang ansetzen. In den Schulen gilt es, Mädchen für technische und naturwissenschaftliche Themen gezielt zu begeistern. Ihr Haus konzipiert für den Herbst einen neuen Bachelor-Studiengang. Wie sieht dieser aus? Neue Themen wie Data Science und Machine Learning sind darin integriert. Wir müssen als Ausbildungsinstitution immer

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am Ball bleiben, damit die Wirtschaft die Fachkräfte mit den richtigen Qualifikationen bekommt. Das ist unser Anspruch. Wir haben den Fokus da gesetzt, wo die Lücke, sprich der Fachkräftemangel, am grössten ist. Aber Sie brauchen selbst Fachkräfte als Lehrpersonal. Wie finden Sie diese? Ein Weg ist, auf ehemalige Studierende zu setzen. Viele haben noch eine Bindung zu unserer Fachhochschule und darauf setzen wir. Aber sonst stehen auch wir im knallharten Wettbewerb um Fachkräfte. Es gibt viele Jäger und wenige Hasen. Zudem haben die begehrten Persönlichkeiten ihren Preis. Bei Bachelor-Studiengängen bilden wir üblicherweise, ich überspitze das mal etwas, Fachidioten aus. Die Menschen können gut Programmierzeilen schreiben. Wie können Sie da die Auswirkungen auf die Arbeitswelt und Gesellschaft einschätzen. Bei der aktuellen schnellen und umfassenden Transformation geht es doch auch immer um ethische oder soziale Fragen? Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Allerdings dominiert an Hochschulen die Ansicht, wonach die Studentinnen und Studenten sich zunächst das Basiswissen aneignen sollten, um es im weiteren Verlauf des Studiums dann einordnen zu können. Wir haben aus diesem Grund zum Thema digitale Ethik im Rahmen von künstlicher Intelligenz auch einen Masterlehrgang im Programm. Das ist ein spannendes Wei-

terbildungsprogramm, das auf rege Nachfrage stösst.

«Die Pandemie hat Hacker regelrecht vor sich her­getrieben.» Wir haben am Schluss des Interviews einen positiven Punkt gefunden. Super. Ja, natürlich hat es diese auch, aber sonst liegen viele Herausforderungen vor uns, die wir im Bildungsbereich dringend angehen sollten.

PROFESSOR DR. THOMAS RAUTENSTRAUCH ist seit Januar 2019 Leiter des Departements Business Analytics & Technology sowie Mitglied der Schulleitung an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich. www.fh-hwz.ch


KOLUMNE

CLOUD-SICHERHEIT IST CHEFSACHE von Bertram Dorn

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ie Cloud bietet eine agile, flexible und sichere Infrastruktur, um in Zeiten von Globalisierung, Digitalisierung, steigenden Kundenanforderungen und volatilen Märkten zu bestehen. Für die Sicherheit in der Cloud sollte die Führungsetage verantwortlich sein. Doch wie kann sie diese Sicherheit schaffen? Der Einsatz von Cloud-Lösungen, die Rekrutierung von Security-Experten oder die gezielte Weiterbildung im Cloud- und Sicherheitsbereich: All diese Aspekte sind wichtige Voraussetzungen für die Unternehmenssicherheit. Wie die Führungsetage diese Voraussetzungen schaffen kann: Eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Verantwortlichen ist Voraussetzung. In vielen Firmen ist der Chief Information Security Officer (CISO) vorrangig für technische Aspekte rund um den Schutz der IT-Infrastruktur zuständig. Es gibt allerdings auch Sicherheits-Entscheidungen, welche über die technische Ebene hinausgehen. Hier sollten CEO und CFO sowie die Verantwortlichen für das Risiko­ management und den Datenschutz eng mit dem CISO und seinem Team zusammenarbeiten. Gemeinsam können sie die Prioritäten einzelner Sicherheitsmassnahmen definieren und die Verantwortlichkeiten klar verteilen. Bei Datenschutzthemen oder Cyberangriffen können so Massnahmen schneller eingeleitet werden, wodurch sich das Ausmass der Auswirkungen frühzeitig begrenzen lässt. Datenschutz muss auch bei Partnern und Cloud-Anbieter sichergestellt sein. Verstösse gegen die Datenschutzverordnung (DSGVO) können hohe Kosten und Image-Schäden nach sich ziehen. Daher trägt das Management die Verantwortung für ihre Einhaltung. Das gilt nicht nur für das eigene Unternehmen, sondern auch für die Cloud-Provider und Zulieferer, mit denen es Daten austauscht. Bei der Auswahl ihrer Cloud-Anbieter sollten Firmen daher unbedingt darauf achten, wie ernst die potenziellen Part-

ner das Thema Datenschutz nehmen und welche Massnahmen sie diesbezüglich ergreifen. Um Kandidaten mit nötigen Kompetenzen zu finden, bieten sich Konferenzen, Workshops und Hackathons an. Um gute Mitarbeitende dann auch zu halten, muss im heutigen «War for Talents» mehr als eine attraktive Vergütung, umfassende Sozialleistungen und gute Aufstiegsmöglichkeiten geboten werden. Mindestens genauso wichtig ist ein interessantes und abwechslungsreiches Aufgabengebiet. Hier sind Unternehmen im Vorteil, die auf Cloud-Plattformen setzen. Denn in der Cloud lassen sich viele Sicherheitsaufgaben automatisieren, sodass sich die Mitarbeitenden auf anspruchsvollere und strategische Arbeiten konzentrieren können. Die Weiterbildung der eigenen Mitarbeitenden schafft Cloud- und IT-Sicherheitskenntnisse, entlastet sie von Routinetätigkeiten durch Automatisierungsfunktionen, erhöht die Motivation und verbessert die beruflichen Perspektiven der Mitarbeitenden. Mit den neuen Kenntnissen wird der Einsatz von Cloud-Sicherheitslösungen effizienter. Zudem lassen sich die Kosten für die Suche nach externen Fachkräften senken. Weiterbildungen rechnen sich daher vor allem in schwer zu besetzenden Bereichen – etwa dem Sicherheits- und Risikomanagement.

BERTRAM DORN ist Principal Solutions Architect Security and Compliance bei AWS. www.aws.amazon.com

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SOFTWARE & HARDWARE

Das Home Office bietet neue Freiheiten.

ECM: FUNDAMENT FÜR DAS DIGITALE BÜRO E-MOBILITY IM UNTERNEHMEN von Roland Benguerel

Die Zeit fester Arbeitsplätze scheint vorbei zu sein. Mobiles Arbeiten liegt seit Längerem im Trend, die Pandemie hat dabei für den ultimativen Digitalisierungsschub gesorgt. Überall, wo es ausreichend Bandbreite gibt, kann der Wissensarbeiter sein mobiles Büro aufschlagen. Enterprise-Content-Management(ECM)-Systeme bilden als zentrale Informationsplattform die passende Technologie – flexibel und leistungsstark.

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uch nach der Pandemie dürfte es kein Zurück zum starren Büroalltag geben. Die hart umkämpfte grössere Flexibilität bei der Wahl des Arbeitsortes wird wohl eher zur täglichen Routine. Einer repräsentativen Umfrage von Deloitte Schweiz zufolge ist der Anteil der Schweizer Beschäftigten, die im Home Office arbeiten, seit der Corona-Krise von 25 auf 50 Prozent gestiegen. Und 34 Prozent der Befragten wollen auch künftig nicht von der neu gewonnenen Freiheit abrücken.

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Ad-hoc-Lösungen für das temporäre Home Office wurden weitgehend von professionellen Heimarbeitsplätzen abgelöst. Unternehmen haben den Stellenwert der digitalen Office-Welt erkannt und aufgerüstet. Die Pandemie hat also für den seit Langem überfälligen Digitalisierungsschub gesorgt. Grundlagen dafür sind neben der passenden IT-Infrastruktur auch eine konsistente Daten-Governance inklusive Richtlinien für das mobile Arbeiten sowie Datensicherheit und -schutz.

ECM ALS GRUNDLAGE FÜR DAS INFORMATIONSMANAGEMENT Die passende Technologie zur Optimierung der Geschäftsprozesse hält der ECM-Hersteller ELO Digital Office bereit. Dessen Enterprise-Content-Management (ECM)System kommt weltweit bei Unternehmen jeglicher Branche und Grösse zum Einsatz. Das Hauptaugenmerk der Anwender hat sich im Laufe der Jahre von der reinen Dokumentenverwaltung hin zur Digitalisierung ganzer Abläufe in den Fachabteilun-


SOFTWARE & HARDWARE

gen verschoben. Als Hürden gelten dabei fehlerträchtige Medienbrüche. Diese zu vermeiden, gelingt beispielsweise über eine nahtlose Verknüpfung der ECM-Lösung mit Drittanwendungen für EnterpriseResource-Planning (ERP) oder CustomerRelationship-Management (CRM). Speziell den Fachbereichen bietet der ECM-Spezialist mit seinen Business Solutions vorkonfigurierte Lösungen für das digitale Management der Abläufe in Buchhaltung, Einkauf, Empfang sowie Personal- oder Rechtsabteilung. Ob es um die automatisierte Bearbeitung von Eingangsrechnungen, Bestellungen, Bewerbungen, Personalakten oder Verträgen geht: Die Kunden schätzen das Plus an Transparenz, die kürzeren Durchlaufzeiten, die Nachvollziehbarkeit und Entlastung der Belegschaft. Wissen zu teilen, ist heute ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Daher bündelt die Business Solution für Wissensmanagement sämtliche Unternehmensinformationen in einer zentralen Wissensdatenbank – auch über Abteilungsgrenzen hinweg. Dies fördert den Know-howTransfer zwischen den Mitarbeitenden. Darüber hinaus bietet die Business Solution für Weiterbildungsmanagement eine moderne Lernplattform und Kursverwaltung. Organisation, Durchführung und Auswertung erfolgen automatisiert, intuitiv und intelligent. Social-Learning-Elemente beziehen die Teilnehmenden im Sinne motivierender Lernerlebnisse aktiv ein. Schu-

lungen, Workshops oder Sicherheitsunter­ weisungen lassen sich so auch fern vom Schulungsraum effektiv durchführen. Dies spart Reisezeit sowie -kosten und leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. Der Zugriff auf das ECM-System kann auch komfortabel von unterwegs über das Smartphone oder den Tablet-PC erfolgen. Ob eine schnelle Abfrage, eine Freigabe oder das Einsehen wichtiger Informationen: Die ECM-App für mobile Endgeräte «ELO for Mobile Devices» macht es möglich und erleichtert gerade auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ein verzögerungsfreies Arbeiten.

ECM FÜR ZUKUNFTSFÄHIGE PROZESSE Die ELO ECM Suite ist künftig als regelmässig erscheinendes Feature-Release sowie alle zwei Jahre als Long-Term-Support (LTS)Release erhältlich. Anfang Juni wurde die Version 21 mit folgenden neuen Funktionen rund um Automatisierung, Integration und Kollaboration veröffentlicht: > Digitalisierungsturbo «ELO Flows» zur schnellen Umsetzung von Automatisierungs- und Integrations­ aufgaben auf Serviceebene und selbstständiger Konfiguration – ganz ohne Scripting. > Einfachere Integration in Microsoft Office mit dem «ELO Desktop Client». > Mehr Gestaltungsfreiräume in der Teamarbeit: Die enge Verzahnung der ECM-Suite mit Microsoft Teams gewährt den Nutzern direkt

aus dem Kollaborationstool heraus Zugriff auf die ECM-Lösung. Ab Herbst wird der «ELO Teamroom» in die Suite integriert – inklusive der Einbindung spezieller Softwarelösungen zur Terminund Aufgabenplanung. > Neue Architektur zur noch individuelleren Konfiguration ab Herbst: > Neue Generation an responsiven Formularen für eine einheitliche Darstellung in unterschiedlichen Clients auf PC, Tablet oder Smartphone. > Individuelle Konfiguration eigener Arbeitsbereiche innerhalb des ECM-Systems neben der bekannten Baumarchitektur (innovatives Workspace-Konzept). > Neues Metadatenmodell zur einfacheren Verschlagwortung. Ein digitales Office hat Zukunftspotenzial, denn eine freiere und standortunabhängige Arbeitsweise dürfte sich positiv auf Zufriedenheit und Kreativität der Mitarbeitenden und damit auf die Produktivität auswirken. Dies zeigt auch die im Auftrag des Connected Commerce Council (3C) durchgeführte Studie «Digitally driven: Europe» mit einer klaren Korrelation zwischen der frühen Nutzung digitaler Tools, besseren Umsätzen, einer stärkeren Kundenbasis sowie mehr Wachstum bei KMU.1 Die neue Version der ECM Suite dient als ideales Fundament: Sie ermöglicht mehr Flexibilität, eine höhere Prozessautomatisierung sowie eine einfachere Administration und Bedienung – und trägt damit sowohl zu einer Entlastung der User als auch zu höherer Effizienz bei.

ANMERKUNG 1.) New Research: Germany Small Businesses Benefit from Digital Safety Net – https: connectedcouncil.org

ROLAND BENGUEREL ist Head of Sales bei der ELO Digital Office CH AG. ECM ist integrativ und mobil.

www.elo.ch

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SOFTWARE & HARDWARE

Open-Source-Software ist aus der Business-IT kaum noch wegzudenken.

CONTAINER-ANWENDUNGEN IM FOKUS OPEN SOURCE IN KMU von Eduard Modalek

Container sind ein brennendes Thema, wenn es um die Architektur von Anwendungen geht. Seit einigen Jahren gewinnen Container-Anwendungen auch bei KMU an Bedeutung, was aber nicht heisst, dass sich diese im KMU-Umfeld durchgesetzt hätten. Sie werden von KMU oft als eine Option für Grossunternehmen angesehen, was aus heutiger Sicht aber überholt ist.

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ontainer basieren auf Open-SourceTechnologie und bieten die Möglichkeit, Anwendungen zu entwerfen, die nicht in die Umgebung eingebunden sind, in der sie ausgeführt werden. Dies hat bei der Bereitstellung von Software den Vorteil, dass sie beliebig auf einer privaten Cloud-Plattform, bei einem

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öffentlichen Cloud-Anbieter oder als dedizierte Lösung implementiert werden können. Container-Technologie hilft KMU, schneller effizient zu werden und mit ihnen zu wachsen. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Anwendung nur einmal erstellt werden muss und mehrfach verwendet werden kann. Dennoch gibt es bei KMU

auch berechtigte Zweifel an der ContainerTechnologie, wie etwa die Sicherheit und den Datenschutz. Ebenso häufig wird erwähnt, dass Container nur durch die Rekrutierung von zusätzlichen Fachkräften bewirtschaftet werden könnten – kein Wunder also, dass solche Argumente viele KMU abschrecken.


SOFTWARE & HARDWARE

OFFENE FRAGEN FÜR KMU Als weitere Hindernisse beim Einsatz von Open-Source-Technologie werden in der diesjährigen, von der Universität Bern publizierten «Open Source Studie Schweiz» etwa «Integrationsschwierigkeiten», «Mangel an Know-how» und der Aufwand für die Migration auf Open-Source-Systeme genannt. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen scheint Open Source ein schwieriges Thema zu sein. Zwar schreiben die Autoren der Studie, dass die entwickelte Software insbesondere auch KMU anspreche – jedoch kommt «KMU» im Bericht lediglich drei Mal vor. Auch wenn die heutigen Erkenntnisse über Open-SourceSoftware in KMU noch in den Kinderschuhen stecken, sind die Verfasser der Studie sehr optimistisch, was die grundsätzliche Entwicklung von Open Source in Schweizer Unternehmen anbelangt. So wird etwa

ÜBER OPEN-SOURCE-SOFTWARE

fügen oder Fehler beseitigen zu können. Da unter den frühen Anwendern von Computern viele Universitäten waren und es in der Forscher-Community die Norm war, wurden viele der dort entwickelten Modifikationen gemäss den akademischen Grundsätzen des Wissensaustauschs offen geteilt, und es entstanden Organisationen, die diesen Austausch erleichtern sollten. Schnell wurden eigene Projekte auf die Beine gestellt, die gemeinsam entwickelt wurden, etwa das «A-2-System» für den Grossrechner UNIVAC, die Simulationssoftware «SPICE» oder das Textsatzprogramm «TeX», das bis heute weiterentwickelt und verwendet wird.

Das Prinzip offener Software ist fast so alt wie der Computer selbst. In der Pionierzeit der IT war es üblich, mit dem Erwerb der Software auch deren Quellcode zu erhalten, um selbst neue Funktionen hinzuzu-

Meilensteine in der Open-Source-Geschichte waren die Initiative «GNU Project» im Jahr 1983, die Ende der 80er-Jahre eine eigene Lizenz für freie Software

ein Beispiel aus der Raumfahrt aufgeführt: «Der Mensch erkundet den Mars, sucht auf dem roten Planeten nach Leben und bringt Gestein von dort zu Erde – und dies alles dank Open-Source-Software.» Für KMU bleiben jedoch noch einige Fragen offen: Wie können KMU von Open Source profitieren, auch wenn sie über keine eigenen Fachkräfte verfügen? Welche Lösungen gibt es konkret? Welche Hürden gilt es zu berücksichtigen? Zur Beantwortung dieser Fragen lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

Cloud-Plattformen treiben die Digitalisierung voran.

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Ist die Anwendung einmal erstellt, kann sie mehrfach verwendet werden.

herausgeben sollte, die Gründung der «Free Software Foundation» 1985 und vor allem die Publikation der ersten Version des Linux-Kernels durch den finnischen Informatiker Linus Torvalds. Mit der Erfindung von Linux erfüllte Torvalds ein grosses Ziel des GNU-Projekts, die Entwicklung des ersten komplett freien Betriebssystems für Computer, und legte damit den Grundstein nicht nur für eine grosse EntwicklerCommunity, sondern auch für zahlreiche Projekte und Distributionen, die auf dem Linux-Kernel aufbauen, etwa «Red Hat Enterprise Linux». In der Folge nahmen die Verbreitung und der Bekanntheitsgrad von Linux und anderer freier Software in der Unternehmenswelt stetig zu, ob es sich nun um Software für Server, Büroprogramme für Desktop-PCs oder Virtualisierungs-Tools für Cloud-Plattformen handelte. Seit Ende der 90er-Jahre ist dabei generell von Open Source die Rede.

VOM FORSCHER-TOOL ZUR INNOVATIONSMASCHINE Open-Source-Software ist aus der Business-IT heute nicht mehr wegzudenken, und es gibt zahlreiche Lösungen für alle denkbaren Anwendungsgebiete. Ob Kubernetes (Verwaltung von Container-Anwendungen), Android (Mobile-Betriebssystem), Red Hat Ansible Automation Platform (ComputerAdministrationswerkzeug) oder Python

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(Programmiersprache) – oftmals unsichtbar kommt freie Software in Unternehmen jeder Grösse zum Einsatz. Dass es dennoch Firmen und Behörden gibt, die sich mit der Nutzung gemeinschaftlich entwickelter Software schwertun, hat laut der «Open Source Studie Schweiz» verschiedene Gründe. Das wichtigste Argument gegen den Einsatz von Open-Source-Software ist laut der Umfrage aktuell die «unsichere Zukunft von Open-Source-Projekten und das unklare Geschäftsmodell» der Firmen dahinter. Der am zweithäufigsten genannte Hinderungsgrund sind «fehlende Schnittstellen zu anderen Systemen und Integrationsschwierigkeiten». Die Erklärung hierfür sei, dass heutige IT-Landschaften oftmals wenige Schnittstellen anböten, an die Open-Source-Plattformen andocken könnten. Einige Hersteller proprietärer Software würden die Integration von Lösungen aus dem eigenen Ökosystem erleichtern und die Einbettung von Open Source erschweren, vermuten die Autoren. Dies spiele auch beim drittwichtigsten Hinderungsgrund eine Rolle, den technologischen Abhängigkeiten von bestehenden Systemen in den Unternehmen.

GUTE GRÜNDE FÜR OPEN SOURCE Für die meisten Teilnehmer der «Open Source Studie Schweiz» wiegen allerdings

die Vorteile von Open Source schwerer als die Hürden. Als Hauptgrund für den Einsatz von offener Software werden in der Umfrage die «offenen Standards» genannt, die Open Source zugrunde liegen. Dies zeige, dass Interoperabilität heute zentral sei, da monolithische IT-Systeme ausgedient hätten. Von Business-Anwendungen würden offene Schnittstellen via Application Programming Interfaces erwartet, über die etwa Microservices-Daten ausgetauscht werden könnten. Der zweitwichtigste Grund für die Nutzung von OpenSource-Software ist die enorme Auswahl an frei verfügbaren Komponenten und Tools. IT-Entscheidungen orientierten sich oft an dem, was andere tun, schreiben die Autoren. Und so multipliziere die steigende Verbreitung von Open-Source-Software deren Popularität – vor allem im ServerUmfeld, wo die Verbreitung ohnehin bereits hoch sei. Auf Platz drei der Studie findet sich der Vorteil, dass bei vielen Open-Source-Projekten eine hilfsbereite Community bereitsteht, mit welcher Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden können. In der dynamischen IT-Welt sei dieser Zugang zu kompetenten Fachleuten einer der wichtigsten Gründe für den Einsatz von Open-SourceSoftware. Ausserdem schafft die Verbreitung von Open-Source-Know-how auch


SOFTWARE & HARDWARE

die Grundlage für professionellen Support und letztlich die Möglichkeit, erfahrene Open-Source-Fachleute auch direkt anstellen zu können. So wird Open Source zu einem Trumpf im Kampf um IT-Talente, denn die Technologie macht Unternehmen für sie attraktiv. Ein weiteres zentrales Argument auf Platz vier ist die erhöhte Sicherheit, die unter anderem durch schnelle Software-Updates erreicht wird. Die Angst vor fehlerhaften Open-SourceLösungen sei deutlich gesunken, heisst es in der Studie. Ein letztes Argument für Open Source, das in den vergangenen Jahren immer wichtiger wurde, ist die «digitale Souveränität», also die Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln und Entscheiden im digitalen Raum. Anwender von OpenSource-Software haben die Bedeutung der reduzierten Abhängigkeit und der dadurch besseren Verhandlungsmöglichkeiten bei Software-Anschaffungen mittlerweile erkannt. Ebenfalls stark an Relevanz gewonnen hat die Möglichkeit, dass Business-Innovationen mit Open-Source-

Software rascher realisiert werden können. Weil die interne IT-Abteilung oftmals ohne externe Hilfe Open-Source-Tools und -Komponenten nutzen kann, lassen sich technische Anforderungen mit Open Source typischerweise schneller lösen als mit proprietärer Software. Die Popularität von Open Source bestätigt auch die Studie selbst: Zwei Drittel der in ihrem Rahmen Befragten sind der Meinung, dass die Relevanz von Open-SourceSoftware für die heutige ICT zugenommen habe. Open Source dringt in immer mehr Bereiche der Informatik vor und ist relevant in der fortschreitenden digitalen Transformation, schreiben die Verfasser. Diese Argumente greifen natürlich auch bei KMU und helfen, die eingangs erwähnten Zweifel aus dem Weg zu räumen.

KONTROLLE TROTZ OUTSOURCING Zusammen ergeben all diese Vorteile ein klares Bild: Open-Source-Software ist ein Innovationstreiber für Unternehmen, unabhängig von deren Grösse oder Branche.

Die frei entwickelten Lösungen gewähren ihren Nutzern Zugang zu State-of-the-ArtSoftware, modernen Automatisierungswerkzeugen sowie Internet-of-Things- und Edge-Lösungen. Vor allem aber behalten ihre Nutzer dank des offenen Codes und offener Standards die Kontrolle über ihre IT, auch wenn sie Teile davon in PublicCloud-Plattformen auslagern. So können KMU von einem der zentralen Motoren der Digitalisierung – der Nutzung von CloudPlattformen – profitieren, ohne sich Anbietern proprietärer Software auszuliefern.

EDUARD MODALEK ist Head of Sales KMU bei Red Hat Schweiz. www.redhat.com

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Der Helikopterblick auf die Dynamik der Technik kommt oft zu kurz.

KEINE UNBEDEUTENDE NISCHE REISE INS ZENTRUM DES WISSENS Interview mit Alban Fischer von Jost Dubacher

Die Patentabteilung des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) prüft Patentanträge und führt das nationale Patentregister. Darüber hinaus hat sie den gesetzlichen Auftrag, über die immaterialgüterrechtlichen Schutzsysteme und über den Stand der Technik zu informieren. Alban Fischer, Vizedirektor des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) und Leiter der Patentabteilung, erklärt im folgenden Interview, wie er vorgeht und welche Leistungen seine 75 Mitarbeitenden für den Innovationsstandort Schweiz erbringen.

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ie gut verstehen die Schweizerinnen und Schweizer das Patentwesen? In Branchen wie der Pharmaindustrie, aber zunehmend auch in der Hochschul-, Innovations- und Start-up-Szene wird der Schutz von geistigem Eigentum höchst professionell gehandhabt. Was ist mit all jenen, die nicht täglich mit geistigem Eigentum zu tun haben? Den meisten Leuten ist klar, dass griffige Schutzrechtesysteme für eine innovative,

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exportorientierte Volkswirtschaft wie die Schweiz von hoher Bedeutung sind. Aber die rechtlichen, wissenschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen Aspekte des Schutzrechtesystems müssen immer wieder erklärt und begründet werden. Deshalb leisten wir viel Aufklärungsarbeit; mit begleiteten Patentrecherchen für Laien, Publikationen, Schulungen und Auftritten auf Veranstaltungen. Für konkrete Fragen betreibt das IGE ein Contact Center. Wie oft wird gefragt, ob

die unwissentliche Nutzung von fremdem geistigem Eigentum strafbar ist? Das kann ich nicht aus dem Stegreif sagen, aber es kommt vor. Wie lautet die Antwort? Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Bei Streitfällen zu Intellectual Property erfolgt die Strafe aber nie von Amtes wegen. Die Verletzung des geistigen Eigentums Dritter ist ein Antragsdelikt. Der Rechteinhaber muss auf sie aufmerksam werden und dagegen vorgehen.


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Das IGE beschäftigt mehr als 50 Patentexperten in den Bereichen Physik und Elektronik, Chemie, Ingenieurwesen und Life Sciences. Welche Leistungen erbringen sie? Zum einen sind sie für die Prüfung der Patentanmeldungen zuständig. Zum anderen können sie aus einer praktisch beliebigen Zahl von Patentschriften Daten extrahieren und sie für den Kunden aufbereiten. Zwei Begriffe spielen eine zentrale Rolle: Freedom-to-Operate (FTO) und Neuigkeitsprüfung. Mit einer Neuigkeitsrecherche kann ein Erfinder verhindern, dass er in eine Erfindung investiert, die bereits einmal irgendwo auf der Welt gemacht wurde. Mit einer FTO-Abklärung stellt er sicher, dass er mit seinen Aktivitäten nicht die Rechte Dritter verletzt. Das IGE unterstützt Unternehmen auch in strategischen Fragen. Was haben Sie einem Manager zu bieten? Das Zauberwort heisst Metainformation. Patentinformation ist viel mehr als die Offenlegung einer Erfindung oder eines neuartigen Verfahrens. Es enthält auch Informationen über den Besitzer des Patents, über dessen Herkunft, über die Erfinder oder das technische Gebiet der Erfindung. Betrachtet man nun nicht nur eine einzelne Patentschrift, sondern zum Beispiel das Patentportfolio einer Firma oder eines Landes, so lassen sich zusätzliche Informationen gewinnen.

TIPPS ZUM SCHUTZ VON SOFTWARE Grundsätzlich gilt: Computerprogramme als solche sind nicht patentierbar, aber durch das Urheberrecht geschützt. Eine Ausnahme stellen programmbezogene technische Erfindungen, zum Beispiel elektronische Steuerungen, dar (siehe Patentschutz im übernächsten Absatz). Sie sind unter Umständen patentierbar. Der Quelltext von Computerprogrammen ist urheberrechtlich geschützt. Davon ausgeschlossen sind beispielsweise Algorithmen, die einer Software zugrunde liegen. Der Schutz des Urheberrechts entsteht automatisch mit der Schöpfung. Geschützt ist die exakte Formulierung, nicht aber ihre Funktion oder Wirkung. Es bedarf weder irgendwelcher Formalitäten noch einer Anmeldung. In der Schweiz werden keine Register geführt. Software alleine hat keinen technischen Effekt, welcher eine Grundvoraussetzung für ein Patent ist. Liegt dem Computerprogramm jedoch eine technische Erfindung zugrunde, kann diese geschützt werden. Beispiele sind computerimplementierte Verfahren zur Navigation eines Fahrzeugs oder zur Steuerung einer Maschine. Sie fallen in die Kategorie der computerimplementierten Erfindungen (CII). Die technische Wirkung ist durch das Zusammenspiel zwischen Software und Maschine gegeben. Schliesslich kann beim Schutz von Software sogar das Design ins Spiel kommen. So kann die Form und Gestaltung einer Benutzeroberfläche möglicherweise zum Designschutz angemeldet werden. Neben dem Schutz von Software tauchen auch immer wieder Fragen zur Verwendung von Open Source auf. Diese Software basiert auf verschiedenen Lizenzen, welche ganz unterschiedlich gestaltet sein können. Zum Teil sind sich die Nutzer nicht bewusst, dass sie ihr Erzeugnis gemäss Lizenz ebenfalls gratis Dritten zur Verfügung stellen müssen, wenn sie eine bestimmte Software aus der Open-Source-Community nutzen. Um nicht in solche Fallen zu tappen, sollte man die Lizenzen genau lesen.

Können Sie uns da ein Beispiel verraten? Ein erfahrener Patentrechercheur kann herausfinden, auf welchen Gebieten der Inhaber eines Patents sonst noch forscht. Oder er kann der Frage nachgehen, welche Partnerschaften der Inhaber eingegangen ist. Und weil Patente immer nur in bestimmten Ländern und Regionen gelten, lässt sich sogar mit einiger Sicherheit sagen, in welchen Märkten der Patentinhaber tätig ist. Darüber hinaus lassen sich generelle Informationen über Partner und Mitbewerber gewinnen. Wir reden hier von klassischer Business Intelligence. Auch einige Patentanwälte und Informationsbroker bieten Patentrecherchen an. Wie grenzen Sie sich von Ihnen ab? Die privaten Anbieter arbeiten mit den gleichen Basisinformationen wie das IGE. Auf dem – oft grenzüberschreitenden – Markt für kommerzielle Recherchen sind wir unter dem Markennamen IP Search ganz normale Mitbewerber.

Unwissenheit schützt nicht vor Strafverfolgung.

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SOFTWARE & HARDWARE

Für Fragen zu Patenten gibt es einen grossen Markt.

Im Gegensatz zu den Privaten nehmen Sie aber jährlich Gebühren in Höhe von rund 50 Millionen Franken ein … Was die Verwendung von Gebührengeldern betrifft, so unterscheidet der Gesetzgeber klar zwischen den kommerziellen Dienstleistungen und dem Informationsauftrag. Unsere kommerziellen Dienstleistungen müssen kostendeckend sein; sie dürfen nicht quersubventioniert werden, was übrigens dazu führt, dass wir am Markt einer der teuersten Anbieter sind. Die Gebühreneinnahmen sind reserviert für unsere hoheitlichen Dienste für den Innovationsstandort Schweiz. Mit diesem Geld betreiben wir eine kostenlose Auskunft. Oder wir teilen unser IP-Know-how mit Behörden, Hochschulen und anderen Non-Profit-Organisationen. Ein Angebot, das sich direkt an die Erfinder wendet, ist die begleitete Recherche. Worum geht es? Wir haben die begleitete Recherche vor 14 Jahren eingeführt, weil wir gesehen haben, dass es für die Vermittlung von Basisinformationen keine kommerziellen Angebote gibt. Jeder Erfinder, Forscher, Start-up- oder KMU-Vertreter kann hier am IGE seine Fragen zum Patentsystem stellen und mit einem unserer Experten die einschlägige Patentliteratur durchforsten. Wie würden Sie die Antragsteller charakterisieren? Viele arbeiten an der Schnittstelle von Hochschule und Firmengründung. Wir kön-

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nen wieder beim Nationalen Forschungsschwerpunkt NFS «Chemische Biologie» anknüpfen. In einem der Bootcamps bekam der Aargauer ETH-Ingenieur Daniel Steitz einen ersten Einblick in die Qualität seines Patentportfolios. Später gründete er ein Start-up und kam für einen Tag nach Bern. Was interessierte ihn? Er und sein Team arbeiten auf dem Gebiet der metallorganischen Gerüstverbindungen (MOF) – eine neue Stoffklasse, der Experten ein enormes Potenzial voraussagen. Mein Kollege Christian Moser zeigte in einer sogenannten Umfeldanalyse unter anderem auf, wer die potenziellen Mitbewerber sind.

«Das Zauberwort heisst Metainformation.» Wie erleben Sie die KMU in der Schweiz? Viele sind zwar hochinnovativ, verfügen aber nicht über eine systematische und dokumentierte IP-Strategie. Ausserdem sind sie im Tagesgeschäft stark auf die vor- und nachgelagerten Unternehmen in der Wertschöpfungskette fokussiert. Der Helikopterblick auf den sehr oft dynamischen Stand der Technik kommt mitunter zu kurz.

Reicht es nicht, wenn KMU das IGE oder einen Patentanwalt um Rat fragen, wenn sie ein konkretes IP-Problem haben? Wer sich – um ein Beispiel zu nennen – erst um das Thema Schutzrechte kümmert, wenn eine Abmahnung des Mitbewerbers ins Haus flattert, hat in der Regel schon viel investiert. Dieses Geld ist unter Umständen verloren. Was raten Sie in einer solchen Situation? Eine einvernehmliche Lösung im Rahmen eines Lizenzabkommens mit dem Inhaber des fraglichen Patents ist nie ausgeschlossen. Doch eine Lizenz hat ihren Preis. Deshalb gilt grundsätzlich: Je früher im Innovationsprozess auch die rechtlichen Aspekte des IP-Schutzes mitberücksichtigt werden, desto günstiger kommt es am Ende. Patentwissen ist Geld wert. Diese Botschaft muss noch besser gehört werden.

ALBAN FISCHER ist Vizedirektor des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) und leitet die Patentabteilung. www.ige.ch


KOLUMNE

ROBOTIK-TRENDS MACHEN ZUKUNFTSFÄHIG von Carol Richter

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oboter für alle – leicht zugänglich: Diese Entwicklung zeichnet sich seit geraumer Zeit immer stärker ab. Die technologische Evolution ermöglicht den Einsatz von Hilfsrobotern in verschiedensten Anwendungsfeldern – von der Logistik bis zur Feinmechanik. Selbst für kleinere Betriebe und Mittelständler sind Roboter mittlerweile erschwinglich geworden. Bedingt wird dieser Fortschritt durch eine stete Verbesserung der Technologiestandards von Robotern. Mensch und Roboter, die in der Produktion zusammenarbeiten: Was klingt, wie aus einem Science-Fiction-Film, ist bereits seit einiger Zeit Realität in der Industrie. Das Schlagwort lautet kollaborative Roboter – oder Cobots. Ihr grosser Vorteil ist ihre Vielseitigkeit – man kann sie auf die unterschiedlichsten Aufgaben programmieren und, je nach Bedarf, wieder umprogrammieren. Dadurch ist ein Roboter nicht auf Jahre hinweg auf eine Tätigkeit festgelegt. Diese Flexibilität macht Cobots auch für KMU interessant. Mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung werden auch die Cobots in Anschaffung und Unterhalt immer erschwinglicher, wodurch die Automatisierung noch schneller vorangetrieben werden kann. Eine von reichelt elektronik im Jahr 2019 durchgeführte Studie zeigte, dass der Bereich der Automatisierung in der Schweiz im europäischen Vergleich noch ausbaufähig ist. Der Umfrage zufolge hatte lediglich etwa ein Drittel der Unternehmen (31 Prozent) bereits in Industrieroboter investiert – zehn Prozent unter dem europäischen Durchschnitt. Nichtsdestotrotz gehen mehr als die Hälfte der im Bereich Entwicklung und Forschung tätigen Schweizer davon aus, dass Roboter in den nächsten zehn Jahren Teile ihrer beruflichen Tätigkeit übernehmen können. Zusammengefasst: Bereits heute prägen und erleichtern kollaborative Roboter

den industriellen Arbeitsalltag und werden das in Zukunft noch mehr tun. Mit jeder Investition in Cobots wird es entscheidender, dass Unternehmen über geschulte Mitarbeiter verfügen. Aus diesem Grund bieten immer mehr Hersteller bereits in der Ausbildung die Möglichkeit, den Umgang mit Hilfsrobotern zu erlernen – und auch ausgelernte Arbeitskräfte können sich damit weiterbilden. Die nachhaltige Aus- und Weiterbildung mit Schulungsrobotern birgt enormes Potenzial für das Personal. Richtig ausgebildet und von Entscheidern entsprechend eingesetzt, können Mitarbeiter Unternehmen dabei helfen, die Automatisierung der eigenen Produktionsabläufe besser und schneller voranzutreiben. Je genauer der Mensch versteht, welche Aufgaben Cobots lernen können, desto effizienter wird die Zusammenarbeit. Der Robotik-Markt steht weiterhin vor einer steilen Entwicklungskurve, die Technologie wird gerade für den Mittelstand immer erschwinglicher. Wir werden in nicht allzu ferner Zukunft auf immer bessere Lösungen zurückgreifen können. Gelingt es Schweizer Unternehmen, die darin schlummernden Möglichkeiten vollständig auszuschöpfen, wird das Land, das stets für Präzision und Effizienz bekannt war, einen neuen Meilenstein in der Automation erreichen und gegen die Konkurrenz aus den Nachbarländern bestehen können.

CAROL RICHTER ist Produktmanager bei reichelt elektronik. www.reichelt.com

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In der alten Tourismusdestination Zermatt-Matterhorn zeigen die Wege in Richtung digitale Transformation.

TOURISMUS IM WANDEL KUNDENERLEBNIS UND DIGITALISIERUNG von Andreas Mazzone

Die Tourismusdestination Zermatt-Matterhorn will das bestmögliche Erlebnis für jeden Gast individuell garantieren. Dafür wurde die Bonfire AG, ein Start-up-Unternehmen von Zermatt Tourismus und der Zermatt Bergbahnen, gegründet. CEO Andreas Mazzone beschreibt ein Projekt, welches auch für die Chancen und Risiken in der Corona-Krise steht.

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och vor zwölf Jahren führten Unternehmen wie Exxon Mobil oder PetroChina die Liste der weltweit höchsten Marktkapitalisierung an. 2019 lauteten die Top Five: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet, Facebook. Wir haben es mit einem Megatrend zu tun, einem eigentlichen Paradigmenwechsel, der alle Wirtschaftszweige betrifft – und ganz besonders den Tourismus, da diese Branche ein Schlusslicht der Digitalisierung ist. Das drückt sich auch in Verschiebungen beim Gästeprofil aus: Die Generation Y und vor allem die Generation Z, also die nach 1995 Geborenen, wollen Facetime, Google Search oder Apps auch in den Ferien uneingeschränkt nutzen. Diese Erwartung wird immer bestimmender. Gleich-

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zeitig bestand im Falle von Zermatt das Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Die Destination möchte die Datenflüsse selbst erfassen und steuern können, ohne Kompromisse bei der Datensicherheit und Wirtschaftlichkeit machen zu müssen. Organisatorisch lag die Herausforderung darin, gefestigte Strukturen und das, was schon lange praktiziert wurde, nicht einfach fortzuschreiben. Es benötigte eine Organisation, die mit dem Tempo des Paradigmenwechsels mithält. Sie musste sehr schnell sein und zeitgemässe Tools einführen, sprich: disruptiv unterwegs sein. Das führte zur Gründung des Start-ups Bonfire als eigenständiges Unternehmen, welches die Digitalisierung quasi «auf der grünen Wiese» realisieren sollte: mit neu

erschaffenen Strukturen und der zusätzlichen Anforderung, den nötigen Kulturwandel nicht nur voranzutreiben, sondern auch vorzuleben: in einer Community mit rund 6 000 Einwohnern, 120 Hotels, 138 Restaurants und 220 Geschäftsführern. Alle waren davon zu überzeugen, warum Digitalisierung wichtig ist und dass sie nur gemeinsam eingeführt werden kann.

DIE LÖSUNG Die ersten Schritte unternahm Zermatt vor rund fünf Jahren im Rahmen eines EFitness-Programmes. Die Leistungspartner – namentlich der Tourismusverein, die Hotellerie und Gastronomie, Bergbahnen, Appartementbesitzer und -vermieter sowie das lokale Gewerbe – wurden an die neuen Technologien herangeführt.


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Schon früh war erkennbar, dass nur ein ganzheitlicher, strategischer Ansatz langfristig zum Erfolg führen würde. Aus dem E-Fitness-Programm ging die Digitalisierungsstrategie hervor. In ihr wurden die gemeinsamen Ziele der Leistungsträger und von Bonfire festgeschrieben: > Auslastung erhöhen > Kundennutzen steigern > Marke stärken > Effizienz verbessern > Neue Kunden gewinnen > Erfolg nachhaltig sicherstellen und Synergien in der Destination nutzen Passend zu dieser Strategie waren Bestin-class- und Best-of-breed-Technologien gefragt. Grundbedingung waren offene Strukturen, um Tools über offene APIs und Schnittstellen in eine Gesamtlösung einbinden zu können. Diese Faktoren führten dazu, dass auf die Cloud-Technologie gesetzt wurde. Der Zugriff von überall und die Skalierbarkeit sollten sich im Laufe des Jahres 2020 als besonders wertvoll erweisen. Ein weiteres Kriterium war, dass die Implementierung in Schritten möglich sein musste. Im vorliegenden Fall wurden die Service-Cloud und die Marketing-Cloud ausgewählt und man konzentrierte sich erst einmal darauf, das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Clouds einerseits sowie mit den Leistungspartnern und den vielfältigen Anforderungen andererseits zu optimieren. Schliesslich kamen auch spezielle Präferenzen zum Zug. Über die Marketing-Cloud sollten sämtliche Kommunikationsmassnahmen verknüpft sein, um das durchgängige Markenerlebnis zu garantieren. Die Service-Cloud wiederum hat eine Omni­ channel-Plattform: Soziale Medien, Telefonie, Mail et cetera laufen alle zusammen. Wenn zum Beispiel Internetnutzer Nachrichten senden, öffnet sich in der Cloud gleich das Fenster zum Antworten, sodass der Kontakt unmittelbar am Ursprung des Bedürfnisses entsteht.

DIE AUSWAHL Der Auswahlprozess fand in sechs Schritten statt: 1. Die Wünsche und Vorstellungen der Leistungspartner wurden in Form von Anforderungskatalogen, Funktionen und qualitativen Anforderungen festgeschrieben.

Tourismusgäste brauchen ein individuelles und passendes Angebot.

2. Aufgrund dessen begann die Suche nach potenziellen Anbietern. Dabei wurde vor allem auf Experten, eigene Research und persönliche Empfehlungen gesetzt. 3. In der Folge wurden für jede mögliche Lösung mindestens vier Anbieter evaluiert. Dazu wurden Videokonferenzen angesetzt, Referenzen eingeholt und Q & ADokumente erstellt. Das Auswahlsystem entsprach einer «Ampel»: Eine vollständige, gute Lösung war grün, eine, die nicht die Anforderungen erfüllte, war rot. Bei gelb wurde gefragt, welche Programmierung nötig wäre, um in den grünen Bereich zu kommen. 4. Für jeden auf dem Markt als gültig identifizierten Lösungsbaustein wurde ein Business Case entwickelt. Der konkrete Fall wurde dann praxisnah durchgespielt und ein Benchmarking beziehungsweise detaillierte Vergleiche der Vor- und Nachteile wurden durchgeführt. 5. Innerhalb der Tool-Kategorien wurden individuelle Anpassungsaufwände untersucht. 6. Abschluss des Auswahlverfahrens waren die Verhandlungen und der Entscheid.

Im Prozessverlauf kristallisierten sich für jeden Teil der Lösung zwei oder höchstens drei Anbieter heraus, die im Sinne eines Proof of Concept einzeln validiert wurden. Es zeigte sich dabei, dass neben der Cloud namentlich das Customer-RelationshipManagement übergreifende Bedeutung hat. Das führte zum Entscheid für eine ganzheitliche Lösung von Salesforce.

DIE UMSETZUNG Am Anfang stand folgende Vision: «Wir wollen das bestmögliche Gästeerlebnis für jeden Gast individuell garantieren.» Die Umsetzung derselben im Rahmen der Digitalisierungsstrategie verlief in drei Phasen:

PHASE 1 Hier geht es um die Erstellung eines zentralen Data Warehouse. Um den Gast bestmöglich zu kennen, auf seine individuellen Bedürfnisse und Interessen eingehen zu können und das bestmögliche Angebot zur richtigen Zeit zu machen, werden die Informationen der Destination sowie die entsprechenden Digitalisierungslösungen konsolidiert und in einem zentralen Data Warehouse miteinander vernetzt. Die Daten gehören jederzeit dem Gast. Dieser hat immer die Möglichkeit zu entscheiden, ob er sie teilen möchte oder nicht, ob er einen Newsletter oder andere

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SOFTWARE & HARDWARE

essenzielle persönliche Kontakt wird so gezielt gefördert. Als besonders wertvoll erwies sich in der Implementierungsphase das Integration Layer. Es vernetzt 22 Projekte und nutzt statt Point-to-point-Integration die APIs und Standard-Schnittstellen. Dank dieser Metaebene können zum Beispiel Tools einfach aufdatiert werden. Während der Covid-19-Pandemie zeigten sich zusätzliche Vorteile bei der Umsetzung. Durch die Cloud konnten Mitarbeitende im Home Office ohne Verzögerung Anfragen bearbeiten. Newsletter fanden besonderen Anklang und die Social-MediaAktivität ergab laufend Resultate. Meldungen informierten die Leistungsträger über den aktuellen Stand der Schutzkonzepte und Synergien wurden erzeugt.

KLEINES FAZIT Der Einsatz von neuster Kommunikationstechnologie ist bei Anbieter und Tourist eine Selbstverständlichkeit.

I­ nformationen erhalten möchte oder nicht. Ziel ist, dass der Gast sein Einverständnis gibt, dass er folglich den Mehrwert sieht, welchen er erhält.

PHASE 2 In der zweiten Phase steht das Kennenlernen der Gäste im Fokus. Die gesammelten Informationen im zentralen Data Warehouse werden ausgewertet, um den Gast besser kennenzulernen. Zudem werden die Daten direkt genutzt, um zum Beispiel anonymisierte Auswertungen in Echtzeit tätigen zu können. Die Lösung Tableau ermöglicht die umfassende Interpretation der Daten aus Sicht jedes einzelnen Leistungsträgers und hilft dadurch, die Marketingaktivitäten zu planen. Die Leistungsträger wollen die Daten verstehen und auf deren Basis Entscheidungen treffen, beispielswiese bei den Marketingaktivitäten. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Wie ist die Auslastung insgesamt? Welche Hotelkategorien sind am meisten gefragt? Welche Skipässe werden in welcher Periode am besten verkauft? Welche BenchmarkAnalysen sind notwendig?

PHASE 3 Last, but not least geht es um ein optimales Gästeerlebnis. Jetzt können die Gäste

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durch massgeschneiderte Lösungen bedient und informiert werden. Das beste Angebot zur besten Zeit wird individuell möglich. Es wird auch niemand mit unnötigen Informationen zugespammt. Als Resultat ergeben sich Leistungen und Kommunikationsmassnahmen basierend auf Daten. Ein Gast, der fünf Tage in einem Hotel in Zermatt ist, drei Tage Ski fährt und in dieser Zeit zweimal gut essen geht, erhält völlig andere Angebote als ein Gast, der für einen Tag nach Zermatt reist, um das Matterhorn zu sehen. Newsletter werden spezifisch versendet. Der Gast gibt an, welche er erhalten will, je nach Interessenslage zum Beispiel mit Schwergewicht auf Skifahren, Wandern, Matterhorn, Events, Familie et cetera. Falls er auch die Newsletter des Hotels abonniert, erhält er sie im look & feel und im Namen des Hotels. Oder es werden nur Stammgäste angesprochen. Die Lösung hat­ für jeden Leistungsträger individualisier­te Möglichkeiten. Die so erschaffene ganzheitliche Customer Experience bestimmt darüber, ob der Gast der Destination treu bleibt. Denn nur begeisterte Kunden sind nachhaltig loyal. Auch die Mitarbeitenden werden durch diese Lösungen unterstützt und ihre Beratung wird aufgewertet. Der im Tourismus

Die Digitalisierung im Tourismus schreitet unaufhaltsam voran. Nur wenn die vielfältigen Informationen erfasst und die Interessen und Wünsche der Gäste in ihrer Gesamtheit zusammengeführt werden, kann ihnen zu jeder Zeit das beste Angebot gemacht werden. Die meisten Gäste werden diese individualisierte Ansprache und massgeschneiderte Kommunikation in Zukunft als selbstverständlich einfordern. Eine Tourismusdestination sollte nicht nur folgen, sondern führend sein. Dies ist aber nur die erste Station auf einem langen Weg. Die Digitalisierung muss nachhaltig dazu beitragen, dass die Gäste und Mitarbeitenden von Tourismusdestinationen digitale Tools als neuen Teil des Urlaubserlebnisses ausdrücklich willkommen heissen. Die Destinationen sind aus diesem Grund täglich herausgefordert, auf modernste Technologien zu setzen, sie konsequent einzusetzen und die nötige Überzeugungsarbeit zu leisten.

ANDREAS MAZZONE ist seit 2019 CEO der Bonfire AG. www.salesforce.com


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SOFTWARE & HARDWARE

Zufriedene Kunden sind spendierfreudig.

LOYALITÄT IST NICHT GENUG MEHR UNTERNEHMENSERFOLG DURCH KUNDENZENTRIERUNG von Dominik Georgi und Jan-Erik Baars

Unternehmen entdecken den Kunden: Nach Jahren des nach innen gerichteten und auf Effizienz betriebenen Unternehmertums, bei dem die Saldoziele dem Geschick des Unternehmens statt dem Engagement der Kunden geschuldet waren, verändert sich der Fokus.

KUNDEN-ERFOLGSKETTE 1. Kundenzentrierung 2. Kundenbegeisterung 3. Kundenloyalität 4. Personalmotivation 5. Kosteneffizienz 6. Kundenwert

W

eil Firmen wie Apple und Nike dank der Loyalität und Spendierfreudigkeit ihrer Kunden gedeihen und Erfolge einfahren, wollen viele es ihnen gleichtun. Die Frage stellt sich daher, wie man eine so loyale und motivier­te Kundschaft erzeugt wie die von Apple. Und Loyalität ist nicht genug, sie muss auch den Umsatz ankurbeln und ihr Umfeld überzeugen, das Gleiche zu tun! Wie kann man also Kunden davon überzeugen, zum Unternehmen zu halten, die angebotenen Dienste zu konsumieren und aktiv für dieses zu werben? Man braucht eine starke Marke, relevante Angebote und ein Erlebnis, das die Kunden gerne mit anderen teilen wollen. Dabei ist es nicht genug, nur in einem dieser Aspekte führend zu sein, man muss bei allen den Nagel auf den Kopf treffen, damit der Kunde den Dienst gerne in Anspruch nimmt. Daher macht es keinen Sinn, sich nur auf die Ge-

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staltung seiner Produkte zu konzentrieren, nur seine Servicequalität zu verbessern oder nur die Marke aufzuladen: Es sind nicht die einzelnen Instrumente, die zählen – es ist das Orchester, das zählt.

ZUSAMMENARBEIT ALS MOTOR Und hier beginnt das Problem: In vielen Unternehmen herrscht die Verwaltung vor – ausgeübt von spezialisierten Personen, die perfekt einen konkreten Teil eines Unternehmens effizienter und effektiver machen können; von Managern, die ausgebildet sind, Entscheidungen zu fällen, die sicherstellen, dass jeder Teil der Organisation seine Zielsetzungen erreicht oder übertrifft. Viele dieser Unternehmen werden zwar von fähigen Managern geleitet – aber was diese selten beherrschen, ist die Fähigkeit, das Zusammenspiel aller Bestandteile einer Organisation zu gestalten. Die Fähigkeit zu orchestrieren ist rar, ebenso das Vermögen, alle Mitarbeitende in enger Zusammenarbeit zu herausragenden Kundenerlebnissen zu führen. Denn den Kunden ist es egal, wie performant die einzelne Abteilung ist, wie effektiv das Unternehmen arbeitet: Sie schauen nur auf das, was sie vom Unternehmen «erleben», und trennen die einzelnen «Instrumente» nicht. Das Erlebte ist ausschlaggebend für den Kundenzuspruch, den sie entwickeln –

und dafür, ob sie eine Beziehung mit dem Unternehmen eingehen werden. Voraussetzung für erfolgreiche Kundenbeziehungen ist also die konsequente Kundenzentrierung des Unternehmens. Es ist zentral, dass die gesamte Organisation auf den Kunden und an seinen Bedürfnissen ausgerichtet ist – und nicht nur eine Abteilung. Nur dann kann die Kunden-Erfolgskette in Gang gesetzt werden. Umfassend kundenzentrierte Unternehmen erzeugen Kundenbegeisterung, Kundenloyalität und in Konsequenz mehr Kundenwert. Gleichzeitig schaffen sie intern eine höhere Mitarbeitermotivation sowie effizientere Prozesse, beispielsweise indem Produktentwicklungen zielorientierter auf den Kunden ausgerichtet sind und damit mehr «Treffer» (erfolgreiche Innovationen) generiert werden. Auch über diese internen Effekte werden mehr Kundenwert und Unternehmenswert geschaffen. Die Kundenzentrierung der Organisation lässt sich gemäss unserem Customer Centricity Score (CCScore) anhand von drei Dimensionen beschreiben und überprüfen:

1. KUNDENZENTRIERUNG DER FÜHRUNG Wie sehr stellen die Führungskräfte den Kunden ins Zentrum? Wie konsequent


Cyber Security Weiterbildungen wird dies verfolgt? Sind auch die Anreizsysteme auf den Kunden ausgerichtet? Häufig treffen wir in Unternehmen die Situation an, dass die Geschäftsleitung Kundenzentrierung als Credo kommuniziert, bei wichtigen Entscheidungen dann aber doch Kosten- oder Zeitaspekte ausschlaggebend sind.

2. KUNDENZENTRIERUNG DER ZUSAMMENARBEIT Wie gut sind die Prozesse im Unternehmen auf den Kunden ausgerichtet? Ist die Organisation durchlässig für Ideen aus dem Kreis der Mitarbeitenden? Wie arbeiten die verschiedenen Abteilungen zusammen? Haben viele Mitarbeitende direkt oder zumindest indirekt häufigen Kundenkontakt? Das Silo-Denken und -Arbeiten dominiert nach wie vor in vielen Unternehmen, was dazu führt, dass ihre Angebote inkonsistent und inkohärent von Kunden erlebt werden.

3. KUNDENZENTRIERUNG DER UMSETZUNG Werden die kundenzentrierten Vorhaben auch «auf die Strasse gebracht»? Kennen alle im Unternehmen die Kundenbedürfnisse? Ist bekannt, was der eigene Beitrag für die Customer Experience ist? Werden Kunden bei der Angebotsgestaltung eingebunden? Stehen den Mitarbeitenden alle Hilfsmittel zur Verfügung zur Schaffung einer guten Customer Experience? Die Umsetzung von ganzheitlichen Kundenangeboten leidet oft an mangelndem Kundenwissen und schlecht abgestimmten Systemen. Je ausgeprägter diese Aspekte in einem Unternehmen erfüllt sind, desto kundenzentrierter ist die Organisation aufgestellt und desto erfolgreicher kann die KundenErfolgskette in Gang gesetzt werden. Motor einer erfolgreichen Unternehmung ist die «Fitness» der Organisation.

ORGANISATIONSFITNESS Dies erweist sich für viele als schwierig zu erfassen. Denn um die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen und sie zur loyalen und «spendierfreudigen» Kundschaft zu machen, ist es zwingend nötig, die eigene «Organisationsfitness» zu kennen. Kundenzentrierung ist nicht die Aufgabe einer Abteilung: Es reicht nicht, wenn ein kleiner Teil fit ist, der ganze «Organismus» muss mithalten können. Es ist der Job des CEO, sich um diese umfassende Fitness zu kümmern. Der CEO muss die Organisation dazu befähigen, eine Selbstführung zu entwickeln – ein Gefühl, das jeder Mitarbeitende spürt und ihn dazu veranlasst, auf seine eigene Fitness und die der anderen zu achten. Auf der Basis eines «Fitnesstests» kann ein CEO feststellen, wo Stärken und Schwächen

liegen, und so einen «Trainingsplan» entwickeln, der die Organisation zu einer besseren Führung befähigt. Ein Trainingsplan zur besseren Führung hat folgende Phasen: 1. Fitness-Test: Überprüfung der Kundenzentrierung in der Organisation mit dem Customer Centricity Score™ 2. Auswertung: die Identifikation von Feldern der Stärke und der Schwäche 3. Ursachenanalyse: mittels einer Reflexion die Symptome erfassen und auf ihre Ursachen hinterfragen 4. Verbesserungsplan: die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um Massnahmen zu gestalten, die die Selbstführung entwickeln 5. Umsetzung: das Erzeugen und «Empowern» von Bedingungen, um die Massnahmen umzusetzen 6. Kontrolle: Abgleich der eigenen Sicht auf die Kundenzentrierung mit der Sicht der Kunden: Man wird sehen, dass diese korrelieren! 7. Kreislauf schliessen: die Fitness wieder überprüfen und die Organisation in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einbinden 8. Wiederholen, wiederholen: Nur wer trainiert, verbessert die Fitness!

PROF. DR. DOMINIK GEORGI ist Leiter Competence Center Marketing Management des Instituts für Kommunikation und Marketing (IKM) der Hochschule Luzern und Co-Founder der Customer Metrics AG.

Mit Sicherheit Ihr Vorteil:

Bilden Sie Ihre ICT-Mitarbeitenden weiter. Cyber Security Specialist eidgenössischer Fachausweis Cyber Security Specialists sind Spezialist/innen in allen Fragen rund um die Cyber Sicherheit in Unternehmen und öffentlichen Institutionen. Sie analysieren Bedrohungslagen, decken Schwachstellen auf, leiten Schutzmassnahmen ein und wehren Angriffe ab. ICT Security Expert eidgenössisches Diplom ICT Security Experts mit eidgenössischem Diplom sind die absoluten Vertrauenspersonen in Sachen IT-Sicherheit. Ihre Firewalls sind unüberwindbar und jede Lücke wird im Handumdrehen ausgemerzt.

PROF. JAN-ERIK BAARS ist Dozent und Projektleiter des Instituts für Kommunikation und Marketing (IKM) der Hochschule Luzern und Co-Founder der Customer Metrics AG. www.hslu.ch

Weitere Infos auf www.ict-weiterbildung.ch


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Gute Kundenbeziehungen schaffen langfristige Bindungen.

KUNDENBINDUNG ALS ZENTRALER FAKTOR DIE ROLLE VON CRM von Adi Kolecic

Begeisterte Kunden, die Produkte oder Dienstleistungen weiterempfehlen und voll hinter der Marke stehen – davon träumt jeder, der ein eigenes Geschäft führt. Mit der zunehmenden Marktsättigung und steigenden Ansprüchen der Kundschaft wird es jedoch immer schwieriger, eine treue Kundenbasis aufzubauen.

H

ier kommt das Thema CRM ins Spiel: Ohne ein gutes Kundenbeziehungsmanagement wettbewerbsfähig zu bleiben, ist heutzutage fast unmöglich. Nicht nur für Grosskonzerne, auch für KMU und Start-ups ist es eine hervorragende Strategie, um Kunden nachhaltig zu binden.

WAS IST CRM? CRM ist die Abkürzung für CustomerRelationship-Management, auf Deutsch: Kundenbeziehungsmanagement. Gemeint sind sämtliche Tätigkeiten zur Pflege von Kundenbeziehungen mit dem Ziel, eine langfristige Bindung zu schaffen. CRM ist aber kein Instrument, sondern viel mehr Teil der Unternehmensphilosophie. Der Fokus liegt auf der Kundschaft, die ganzheitlich betreut werden soll. Ein erfolgreiches Kundenmanagement setzt das Arbeiten mit einem CRM-System, also einer speziellen Software, voraus. Es beruht auf dem Anlegen einer umfassenden Datenbank mit Kundeninformationen, die sich ohne elektronische Unterstützung unmöglich verwalten lassen. Das klingt aufwendig und teuer? Muss es nicht. Es gibt verschiedene innovative

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CRM-Lösungen wie die KLARA CRM, die komplett kostenlos sind.

WARUM IST CRM SO WICHTIG FÜR KMU? Kundenbindung ist in der heutigen Wirtschaft ein zentraler Faktor, um unternehmerischen Erfolg zu sichern. So zeigt eine Studie von Adobe, dass im E-Commerce wiederkehrende Käufer zwar nur acht Prozent aller Besuche ausmachen, aber ganze 40 Prozent des Umsatzes bringen. Alleine ein Wiederholungskäufer macht dabei so viel Umsatz wie sieben Neukunden. CRM, weitaus mehr als nur eine Adressdatenbank, hilft Unternehmen, ihre Kunden langfristig zu binden. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die CRMSoftware eines Detailhandels informiert darüber, dass eine Kundin bald Geburtstag hat, woraufhin sie einen speziellen Rabattgutschein erhält. Das stärkt die Beziehung zur Kundin und bietet zudem die Möglichkeit, neue Aufträge zu generieren. Auch durch die Zuweisung von individuellen Kategorien lassen sich das Verkaufspotenzial besser identifizieren und die Verkaufs- und Marketingaktivitäten gezielt steuern.

Durch die gesammelten Daten erfahren Unternehmen viel über ihre Kundschaft: Wie oft kauft jemand, welche Produkte ziehen Konsumenten vor, wo kaufen sie lieber ein? Dies erlaubt eine gezielte Kundenansprache – ein enormer Vorteil für das Marketing. Kunden fühlen sich bestens betreut und sehen so keinen Grund, die Marke zu wechseln. Das macht CRMSysteme zu einem unverzichtbaren Instrument für die Unternehmensführung.

WAS MUSS EINE CRM-SOFTWARE KÖNNEN? CRM-Systeme bieten eine ganze Reihe von Funktionen an, die unter Umständen die komplette Wertschöpfungskette abdecken. Für KMU reichen aber für gewöhnlich bestimmte Funktionen. Diese sind jedoch ein Muss, um vom Einsatz der Software wirklich zu profitieren und den administrativen Aufwand zu reduzieren. Die folgende Aufzählung nennt einige Beispiele: > Die Kundendatenbank können mobil von jedem Gerät aus abgerufen werden. > Kunden lassen sich mit eigenen Tags kategorisieren, um sie dem unternehmerischen Bedarf entsprechend zu segmentieren.


SOFTWARE & HARDWARE

> Firmenkontakten können einzelne Ansprechpartner hinzugefügt werden. > Notizen, Verträge, Rabattcoupons und ähnliche Dokumente können hochgeladen und Kunden zugewiesen werden. > Eine Verknüpfung mit anderen digitalen Systemen wie Buchhaltung oder Online-Shop ist möglich. So sind beispielsweise Aufträge oder Finanzen per Knopfdruck ersichtlich und Rechnungen werden automatisch abgebucht. > Die Analyse der gespeicherten Daten unterstützt bei der Jahresplanung sowie der Erstellung von Zielkennzahlen und dient somit als Grundlage für wichtige Entscheidungen. > Die Interaktionen mit den Kunden werden dokumentiert, damit alle im Team mit den gleichen Informationen arbeiten und an vorherige Unter­haltungen anknüpfen können.

CRM UND DATENSCHUTZ Datenschutz ist ein wichtiges Thema – nicht nur beim CRM. Aber gerade dort ist er praktisch gleichzusetzen mit Personenschutz, da teilweise mit äusserst sensiblen Personendaten gearbeitet wird. Die EU machte im Mai 2018 mit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) den ersten Schritt hin zu einem verbesserten und europaweit einheitlichen Datenschutz. Das umfassende Regelungswerk gilt für die EU-Mitgliedstaaten sowie für alle Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen im EU-Raum anbieten. Wichtig zu verstehen ist, dass der «räumliche Anwendungsbereich» gilt, also der Ort, an dem sich die betroffene Person befindet. Mit anderen Worten: Die DSGVO tritt in Kraft, sobald jemand aus dem EU-Raum angesprochen wird, und betrifft somit fast alle Schweizer Unternehmen, die eine Website betreiben, mit E-Mail-Marketing arbeiten oder Liefermöglichkeiten ausserhalb der Schweiz anbieten. Ein Verstoss kann harte Sanktionen und gewaltige Geldbussen nach sich ziehen. Im Herbst 2020 reagierte die Schweiz mit einer Revision des bestehenden Datenschutzgesetzes (DSG), die voraussichtlich 2022 in Kraft tritt. Damit passt sie sich an

das Niveau der EU an, behält aber auch nationale Besonderheiten im Auge. Die revidierte Gesetzgebung stärkt mit einem ausschliesslichen Schutz von natürlichen Personen vor allem die Rechte der Betroffenen. Ohne Einwilligung der betroffenen Personen dürfen künftig keine persönlichen Daten mehr bezogen werden. Ausserdem dürfen diese die Auskunft sowie allenfalls die Löschung oder Berichtigung ihrer Daten verlangen.

HR, Lohnbuchhaltung und Zeiterfassung in einer Software Die effiziente Gesamtlösung für das Personalwesen

WAS BEDEUTET DAS KONKRET FÜR KMU? Das hört sich kompliziert an? Keine Angst, CRM-Lösungen berücksichtigen mit ihren Funktionen bereits die DSGVO. Wichtig sind zudem vor allem folgende Punkte. Im Zweifelsfall sollte zur Sicherheit aber trotzdem der Rat von Rechtsexperten herangezogen werden. > Es sollte immer klar informiert werden, welche Daten wo, wie, warum und für wie lange gesammelt werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten nur wirklich notwendige Daten gesammelt werden. > Personen müssen aktiv eine Ein­willigung zur Nutzung ihrer Daten geben, also selbst ein Häkchen setzen oder einen Button anklicken. > Im CRM-System werden persönliche Daten am besten in einer Form gespeichert, die den Export in ein benutzerfreundliches Format erlaubt, um es dem jeweiligen Kunden zur Verfügung stellen zu können. > Es gilt sicherzustellen, dass die Option besteht, systeminterne Daten komplett zu löschen. > Newsletter müssen Empfängern die Möglichkeit bieten, sich abzumelden – am besten anhand eines Buttons am Ende der E-Mail.

Human Resources

Lohnbuchhaltung

Zeiterfassung

Ihr Nutzen Unsere Module im Personalbereich bieten innovative Lösungen für ein effizientes HR-Management. Sie umfassen Rekrutierung, Employee Self Service (ESS/MSS), Personaldossier, Einsatzplanung, Vergütungsmanagement, branchenspezifische Lohnbuchhaltungen sowie die integrierte Erfassung von Arbeitszeit, Absenzen, Spesen und vieles mehr.

Weitere Informationen finden Sie unter: abacus.ch/personal

ADI KOLECIC ist freier Redakteur für KLARA. www.klara.ch

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SOFTWARE & HARDWARE

Die Ransomware-Bedrohung nimmt zu.

Gerade die Endpunkte müssen gesichert werden.

IM VISIER DER CYBER-GANGSTER WIE SICH KMU GEGEN DIGITALE KRIMINALITÄT WEHREN KÖNNEN von Mario Heer

Weltweit machte erst kürzlich ein Ransomware-Angriff auf das IT-Unternehmen Kaseya Schlagzeilen. Mehr als 1 000 Unternehmen waren betroffen, die Lösegeldsumme überschritt 70 Millionen Dollar. Auch in der Schweiz werden jedes Jahr mehr als 20’000 Firmen Opfer von Cyberkriminalität. Kleine und mittlere Unternehmen sind dabei genauso betroffen wie Konzerne, verfügen oft aber nicht über das IT-Personal und Know-how, um sich selbst ausreichend abzusichern. KMU benötigen daher eine zuverlässige IT-Security, die nicht nur umfassend schützt, sondern auch leicht zu bedienen und zu verwalten ist.

W

er Anfang Juli 2021 das Vergleichsportal Comparis aufrief, sah nur die Mitteilung, dass die Seite nicht erreichbar sei. Das Unternehmen war – wie so viele vor ihm – Opfer einer Ransomware-Attacke geworden. Erpresser der Hackergruppe Grief hatten die Website verschlüsselt und verlangten 400’000 Dollar Lösegeld. Auch der Westschweizer Hersteller von Gleisbaumaschinen Matisa wurde jüngst Opfer eines Erpressungstrojaners. Das sind nur zwei von zahlreichen Schweizer Firmen, die in den vergangenen zwölf Monaten von Cyberkriminalität betroffen waren. Das Bundesamt für Statistik hat im vergangenen Jahr mehr als 24’000 Cybercrime-Straftaten erfasst, davon über 20’000 im Bereich Cyberwirtschaftskriminalität. Cyberkriminelle beschränken sich dabei längst nicht mehr nur auf Grossunternehmen, sondern haben auch KMU als lukrative Ziele ins Visier genommen. Bei 50 Prozent der KMU wurde laut dem Sicherheitsunternehmen Sectigo bereits einmal die Website gehackt.

PROFESSIONELLE SICHERHEIT KMU benötigen deshalb denselben professionellen Schutz wie Konzerne, haben jedoch meist nicht das IT-Personal und ITKnow-how, um hochkomplexe SecurityLösungen im eigenen Haus zu betreiben. Der Sicherheitsspezialist WatchGuard bietet ihnen deshalb mit der WatchGuard Cloud eine leistungsfähige Plattform für die Verwaltung sämtlicher Sicherheitslösungen und -services. Über eine zentrale Managementoberfläche erhalten Sicherheitsver-

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antwortliche Zugriff auf alle Dienste und Geräte und können deren Status in Echtzeit überprüfen. Automatische Warnmeldungen und eine integrierte rollenbasierte Zugriffskontrolle sorgen für effiziente Arbeitsabläufe und durchgängige Sicherheit.

PROAKTIVER NETZWERKSCHUTZ GEGEN ZERO-DAY-EXPLOITS Die Firewall ist die wichtigste Verteidigungslinie, um Eindringlingen den Zugang zum Firmennetz zu verwehren. WatchGuard bietet mit der Firebox nicht nur sämtliche Funktionen des traditionellen Netzwerkschutzes wie Intrusion Prevention System (IPS), Antivirus, URL-Filterung, Applikationskontrolle und Spam-Schutz, sondern zusätzlich moderne und innovative Fähigkeiten, die auf künstlicher Intelligenz und Machine Learning beruhen. Der Threat Hunting Service von WatchGuard analysiert ausserdem kontinuierlich sämtliche Bedrohungen, denen die an die WatchGuard Cloud angeschlossenen Clients ausgesetzt sind, und kann so ungewöhnliches Verhalten oder verdächtige Aktivitäten schnell identifizieren. So lassen sich auch Zero-Day-Angriffe abwehren, die bislang unbekannte Schwachstellen ausnutzen. Alle Konfigurationen und Alarme können zentral über die WatchGuard Cloud bereitgestellt werden.

EINFALLSTOR ENDPUNKT Neben dem Schutz des Netzwerks ist vor allem die Absicherung der Endpunkte essenziell für eine ganzheitliche Security. Die meisten Endpoint-Sicherheitsprodukte blockieren allerdings nur bekannte Schad-

programme und untersuchen allenfalls verdächtige Dateien. Alles, was unbekannt ist, aber nicht verdächtig erscheint, wird dagegen zugelassen. So kann Malware, die sich schnell verändert, die Abwehr umgehen. WatchGuard Endpoint Security bietet dagegen einen Zero Trust Application Service, der alle ausführbaren Dateien 100-prozentig klassifiziert. Der komplette Schutz kann über einen einzigen Agenten bereitgestellt und über die WatchGuard Cloud verwaltet werden.

Bieten auch Sie Ihren Netzwerken und Endpunkten maximalen Schutz bei mini­malem Verwaltungsaufwand. Informieren Sie sich in einem der BCD-Webinare zum Thema am 9. oder 16. September 2021 (www.bcd-sintrag.ch/wag-09) oder neh­men Sie Kontakt zum WatchGuard-Experten Mario Heer (mario.heer@bcd-sintrag.ch) auf.

MARIO HEER ist Inside Sales Manager WatchGuard bei BCD-SINTRAG. www.bcd-sintrag.ch


KOLUMNE

PEGASUS – EIN SICHERHEITS­ DESASTER MIT ANSAGE von Jochim Selzer

P

egasus war kein Ausrutscher, kein einmaliges Versehen, das in dieser Form nicht mehr vorkommt. Es ist ein Sicherheitsdesaster mit Ansage, und es kann sich jederzeit wiederholen. Verantwortlich sind wir, sind die von uns gewählten Regierungen und die Vorstellung, das Spiel mit dem elektronischen Feuer kontrollieren zu können. Tatsächlich stellt sich nur die Frage, wann und mit welchem Schaden es das nächste Mal schiefgeht. Das Grundproblem ist sogar noch verständlich. Seit etwa einem Vierteljahrhundert steht auch Zivilpersonen eine Verschlüsselungstechnologie zur Verfügung, die sich zumindest mit den derzeit verfügbaren Supercomputern nicht brechen lässt. Das gefällt natürlich den Ermittlungsbehörden nicht, deren Arbeit seit Jahrhunderten das Abfangen und Mitlesen von Nachrichten umfasst und denen jetzt ein wichtiges Instrument abhandengekommen ist. Als Ausweg greifen sie jetzt nicht mehr die Kommunikationswege, sondern die Endgeräte an und versuchen, Nachrichten abzufangen, noch bevor sie ver- oder nachdem sie wieder entschlüsselt worden sind. Um auf die Laptops und Smartphones zugreifen zu können, gibt es drei Wege: erstens Phishing-Mails, die das Ziel zum Öffnen einer mit Schadcode versehenen Datei oder dem Besuch einer präparierten Webseite verleiten, zweitens Kompromittieren des Geräts bei Einbrüchen oder Flughafenkontrollen und drittens Einbruch aus der Ferne mittels Schwachstellen auf dem Gerät. Der erste Weg hat geringe Erfolgsquoten, der zweite Weg setzt physischen Zugriff auf die Hardware voraus, und der dritte ist aufwendig. Alle drei Methoden nutzen Sicherheitslücken auf den Geräten aus, und genau hier liegt das Problem: Wer findet solche Lücken? Die eigenen Mittel einer Sicherheitsbehörde reichen oft nicht aus. Also kaufen sie Lücken auf dem Schwarzmarkt und bedienen damit ein Geschäftsmodell, das sie eigentlich bekämpfen sollten. Darüber hinaus kosten gute Sicherheitslücken je nach Qualität

bis zu siebenstellige Beträge. Wer so viel Geld zahlt, hat wenig Interesse, nach einmaligem Gebrauch dafür zu sorgen, dass die Lücke gestopft wird, sondern wird sie so lang wie möglich geheim halten und sie weiter ausnutzen. Nun beschränken sich Software-Schwachstellen selten auf das Land, in dem eine Behörde ermitteln möchte, sondern treten weltweit auf. Um also eine Handvoll Verdächtiger beobachten zu können, riskieren Ermittlungsbehörden die globale IT-Sicherheit auf Milliarden Endgeräten. Das so etwas schief geht, zeigen die Vault-7-Leaks, bei denen die Angriffswerkzeuge der CIA ausgenutzt wurden, um mit den Ransomwares Petya und Wannacry unter anderem die Deutsche Bahn, Stadtverwaltungen, Universitäten und Krankenhäuser anzugreifen. Bei Ransomware wiederum liegt das Problem weniger darin, dass Sie Ihre Dateien nicht mehr lesen können. Dem können Sie mit einer guten Backupstrategie zumindest teilweise begegnen. Es liegt darin, dass vor dem Verschlüsseln Ihre Firmengeheimnisse abgesaugt und auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. Davor schützt Sie kein Backup der Welt. Der Pegasus-Skandal zeigt, dass die NSO-Group keine Probleme damit hat, ihre Software zum Aushorchen demokratisch gewählter Regierungen, Investigativjournalistinnen und indischer Oppositioneller bereitzustellen, und selbst, wenn das Unternehmen plötzlich so etwas wie Ethik in sich entdeckt, gibt es zahlreiche andere Hersteller, die ähnliche Software liefern. Diese weltweite Bedrohung ist, wenn schon nicht von uns politisch gewollt, so doch billigend in Kauf genommen.

JOCHIM SELZER ist hauptberuflich Applikationsadministrator und engagiert sich ehrenamtlich beim Chaos Computer Club. www.ccc.de

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IT-SICHERHEIT

Sichere Passwörter müssen den Mindestanforderungen entsprechen.

RISIKEN IM DIGITALEN RAUM MEHR SICHERHEIT FÜR KMU von Andreas W. Kaelin und Nicolas Germiquet

Dank Digitaltechnik konnten Millionen von Menschen während der Coronakrise in ihren privaten Räumen für ihr Unternehmen arbeiten. Dadurch konnte die weltweite wirtschaftliche Aktivität einigermassen aufrechterhalten werden. Doch die schwindelerregende Ausweitung der Aktivitäten im globalen digitalen Raum führt zu einer Zunahme der Risiken, die Gesellschaft, Wirtschaft sowie den Staat in existenziellem Ausmass gefährden können.

S

chäden, verursacht beispielsweise durch Feuer oder Überschwemmungen, sind für alle deutlich sichtbar. Schäden, die dadurch entstehen, dass Bürger und Unternehmen ihre Systeme und Daten unzureichend vor Angriffen aus dem Internet schützen, bleiben meist im Verborgenen. Unternehmen, die von schweren Cyberschäden betroffen wurden, sprechen meistens nicht öffentlich

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über ihre Erfahrungen beziehungsweise über die erlittenen finanziellen Verluste oder rechtlichen Folgen im Zusammenhang mit Datenverlusten.

STUDIEN DES GFS-ZÜRICH Mit dem Ziel, Bürger und Unternehmen wachzurütteln, zeigt digitalswitzerland mittels repräsentativer Studien auf, wie es um die tatsächliche Schadenslage steht. Ende

März 2019 wurde eine durch das Marktund Sozialforschungsinstitut gfs-zürich durchgeführte repräsentative Studie hierzu veröffentlicht.1 Die Realität ist, dass 15 Prozent der Bewohner der Schweiz schon einmal Opfer eines Angriffs aus dem Internet wurden. Im Auftrag von digitalswitzerland befragte das gfs-zürich von August bis Oktober 2020 in einer repräsentativen Umfrage 503 KMU-CEOs detailliert zur Digi-


IT-SICHERHEIT

UNTERSTÜTZUNG GEGEN CYBERRISIKEN

Die Motivation der Hacker ist jedoch eine andere. Sie überlegen sich, welchen Wert die Daten für das reibungslose Funktionieren des Unternehmens haben. Je höher der Wert, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Unternehmen angegriffen wird. Wer ein Unternehmen leitet, tut deshalb gut daran, abzuschätzen, wie hoch die potenzielle Gefahr eines Angriffs auf das eigene Unternehmen ist. Onlineplattformen wie Cybero helfen kleinen und mittleren Unter­nehmen, ihr Cyberrisikoprofil schnell und einfach zu ermitteln. Es braucht dazu keine besonderen Kenntnisse im Bereich Cybersicherheit. In weniger als fünf Minuten kann mithilfe eines Selbstchecks und unter Berücksichtigung der bereits getroffenen organisatorischen Massnahmen die Gefährdungslage in Bezug auf vier Aspekte ermittelt werden, die für den reibungslosen Betrieb des Unternehmens wichtig sind: > Datendiebstahl > Reputationsschaden > Betriebsunterbruch > Rechtliche Konsequenzen

Werden Führungskräften von KMU in der Schweiz auf dieses Thema angesprochen, machen diese regelmässig geltend, die Daten ihres Unternehmens seien für Hacker nicht interessant. Sie halten es deshalb häufig nicht für notwendig, sich gegen Cyberangriffe zu schützen.

Das Risikoprofil kann jederzeit abgerufen werden. Anhand dessen können Anwender ihre Situation analysieren, mit ihrem IT-Dienstleister sprechen und vor allem die Umsetzung der empfohlenen Massnahmen planen. Gestützt auf den Selbst-

talisierung und zur Cybersicherheit in ihren Unternehmen.2 Es zeigte sich, dass rund jedes fünfte KMU (18 Prozent) schon Opfer eines folgenschweren Malware-Angriffs war. Neben MalwareAngriffen sind einige KMU anderen Angriffen zum Opfer gefallen. Dazu gehören Onlinebetrug (sechs Prozent), etwa durch einen gefälschten Zahlungsauftrag im Namen des Geschäftsführenden, Datendiebstahl (fünf Prozent), eine absichtlich herbeigeführte Überlastung des Netzes oder des Servers (fünf Prozent) und Erpressung (vier Prozent). Diese Anteile von vier bis sechs Prozent mögen auf den ersten Blick klein erscheinen. Doch hochgerechnet auf die Grundgesamtheit der Schweizer KMU sind die Zahlen beachtenswert. So bedeutet etwa eine Erpressungsrate von vier Prozent, dass über 6 000 kleine Unternehmungen bereits erpresst wurden.

check und das Risikoprofil bietet Cybero gezielte Massnahmen und Checklisten an, mit denen die aktuell drängendsten Cyberrisiken reduziert werden können. Das eigene Profil kann jederzeit durch die Beantwortung der technischen Fragen verfeinert werden.

AUFMERKSAM BLEIBEN UND RISIKEN VERRINGERN Mit ein paar grundlegenden und wenig kostspieligen Massnahmen können Sie das Risiko für Ihr Unternehmen bereits erheblich verringern. Beispiele für grundlegende Massnahmen: > Regeln für sichere Passwörter festlegen (Mindestanforderungen) > Sensible, schützenswerte Unternehmensdaten identifizieren > Sensible Daten regelmässig sichern und Back-ups überprüfen Zu beachten ist, dass stets ein Restrisiko besteht. Bleiben Sie also das ganze Jahr über wachsam und schulen Sie Ihre Mitarbeitenden auf Cyberrisiken. ANMERKUNGEN 1.) gfs-zürich (2019): Sicherheit im Internet – Repräsentative Befragung der Deutsch- und Westschweizer Bevölkerung. 2.) gfs-zürich (2020): Digitalisierung und Cyber-Sicherheit in kleinen Unternehmen..

MIT KOMPETENTEN IT-DIENSTLEISTERN ZU MEHR CYBERSICHERHEIT

Die Allianz Digitale Sicherheit Schweiz entwickelt das Gütesiegel CyberSeal «Geprüfter IT-Dienstleister». Das CyberSeal macht die Vertrauenswürdigkeit von IT-Dienstleistern auf den ersten Blick sichtbar und hilft KMU bei der Wahl ihres IT-Partners. Es zeichnet IT-Dienstleister aus, die ihren Kunden mit den nötigen technischen und organisatorischen Massnahmen ein angemessenes Schutzniveau gewährleisten. So steigert das CyberSeal die digitale Sicherheit von KMU und verankert die Digitalisierung auf einem höheren Qualitätsniveau. www.digitalsecurityswitzerland.ch

ANDREAS W. KAELIN ist stellvertretender Geschäftsführer von digitalswitzerland und Mitgründer und Geschäftsführer der Allianz Digitale Sicherheit Schweiz.

NICOLAS GERMIQUET ist Mitglied des Vorstands der Allianz Digitale Sicherheit Schweiz und Leiter der Initiative Cybero. Für Hacker zählt der Wert der Daten für das Unternehmen.

www.cybero.ch

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IT-SICHERHEIT

Bei Anhängen lohnt es sich, genauer hinzuschauen.

HACKER WERDEN IMMER RAFFINIERTER NEUER CYBERSECURITY-REPORT VON HP von Joe Weidner

HP Inc. veröffentlicht mit dem neuen globalen «Threat Insights Report» eine Analyse realer CybersecurityAngriffe und -Schwachstellen. Die Studie zeigt: Cybercrime-Aktivitäten nehmen rasant zu und werden immer raffinierter. Im zweiten Halbjahr 2020 sowie im ersten Halbjahr 2021 stieg etwa die Anzahl der Downloads von Hacking-Tools über Underground-Foren und Filesharing-Websites um 65 Prozent.

I

m Zuge der Untersuchung stellte das HPForschungsteam zudem fest, dass die aktuell weitverbreiteten Hacking-Tools sehr leistungsfähig sind. Beispielsweise gibt es ein Tool, dass CAPTCHA (dahinter verbergen sich Challenge-Response-Tests) mithilfe von Computer-Vision-Techniken wie Optical Character Recognition (OCR) löst, um eine sogenannte Credential-Stuffing-Attacke gegen eine Website auszuführen. Der Report belegt zudem, dass die Cyberkriminalität besser organisiert ist als je zuvor. Dabei bieten Underground-Foren Cyberkriminellen eine umfassende Platt-

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form, um sich zu vernetzen und zu kooperieren sowie Angriffstaktiken, -techniken und -prozesse auszutauschen. Die wichtigsten Bedrohungen finden sich unter anderem in den folgenden Bereichen:

GRÖSSER ANGELEGTE ANGRIFFE Cyberkriminelle arbeiten zusammen und können so grösser angelegte Angriffe einleiten: Hacker, die auf die Malware Dridex setzen, verkaufen den Zugang zu infiltrierten Organisationen an andere Bedrohungsakteure, damit sie diese Ransomware ver-

breiten können. Durch den Rückgang der Emotet-Aktivitäten im ersten Quartal 2021 wurde Dridex zur führenden MalwareFamilie, die HP Wolf Security isolierte. Informationsdiebe verbreiten bösartige Malware: CryptBot-Malware wurde bisher vorwiegend als Infostealer genutzt, um Anmeldeinformationen von Krypto­ währungs-Wallets und Webbrowsern abzuschöpfen: Cyber-Kriminelle setzen sie jetzt auch zur Verbreitung von DanaBot ein. Kriminelle Gruppen betreiben den Banking-Trojaner.


IT-SICHERHEIT

FÜHRUNGSKRÄFTE IM FOKUS VBS-Downloader-Kampagne zielt auf Führungskräfte ab: Eine mehrstufige VisualBasic-Script(VBS)-Kampagne verbreitet bösartige ZIP-Anhänge. Diese sind nach der Führungskraft benannt, auf die sie abzielt. Noch bevor legitimierte SysAdminTools zum Einsatz kommen können, stören getarnte VBS-Downloader sie. Diese greifen in das anvisierte Endgerät ein und verbreiten dort Malware. Von der Anwendung zur Infiltration: Eine Spam-Kampagne zielte auf Schifffahrts-, Seefahrts-, Logistik- und verwandte Unternehmen in sieben Ländern ab (Chile, Japan, Grossbritannien, Pakistan, USA, Italien und die Philippinen). Dabei wurde eine Sicherheitslücke in Microsoft Office ausgenutzt, um das kommerziell erhältliche Remcos RAT zu installieren. Über eine Hintertür gelangte die Malware auf infizierte Computer. Die Erkenntnisse basieren auf Daten von HP Wolf Security. Dabei wird Malware innerhalb isolierter, mikrovirtueller Maschinen verfolgt, um die vollständige Infektionskette zu verstehen und zu erfassen sowie Bedrohungen zu entschärfen. Das bessere Verständnis für Malware versetzt die Forscher und Ingenieure von HP Wolf Security in die Lage, den Schutz der Endpoint-Security zu optimieren sowie die allgemeine System-Resilienz zu stärken. Weitere Ergebnisse umfassen unter anderem die folgenden Themen:

E-MAILS BIETEN ANGRIFFSFLÄCHE 75 Prozent der identifizierten Malware wurden per E-Mail zugestellt, 25 Prozent durch Web-Downloads verteilt. Über Webbrowser heruntergeladene Bedrohungen stiegen um 24 Prozent an – besonders der Download von Hacking-Tools und Software für das Cryptocurrency Mining schlug hier zu Buche. Die häufigsten E-Mail-Phishing-Köder waren Rechnungen und Geschäftstransaktionen (49 Prozent), 15 Prozent entfielen auf Antworten auf abgefangene E-Mail-Threads. Phishing-Köder, die Covid-19 erwähnten, machten weniger als ein Prozent aus und fielen vom zweiten Halbjahr 2020 bis zum ersten Halbjahr 2021 um 77 Prozent. Die häufigste Art bösartiger Anhänge: Archivdateien (29 Prozent), Tabellenkalkulationen (23 Prozent), Dokumente (19 Prozent) und ausführbare Dateien (19 Prozent). Ungewöhnliche Archivdateitypen – etwa JAR (Java-Archivdateien) – werden verwendet, um Erkennungs- und Scanning-Tools zu umgehen sowie Malware zu installieren, die leicht auf Underground-Marktplätzen erhältlich ist. Der Bericht belegt darüber hinaus, dass 34 Prozent der erfassten Malware bisher unbekannt waren. Dies entspricht einem Rückgang von vier Prozent gegenüber dem zweiten Halbjahr 2020. Malware, die CVE2017-11882 ausnutzt, stieg um 24 Prozent.

Dabei sucht die Malware nach Schwachstellen, um über Microsoft Office oder Microsoft WordPad den Speicher zu erreichen und dateilose Angriffe auszuführen.

ÜBER DIE DATEN Die Daten wurden innerhalb der virtuellen Maschinen von HP-Wolf-Security-Kunden im Zeitraum Januar bis Juni 2021 gesammelt. HP Wolf Security, Hersteller von PCs und Druckern, bietet eine neue Art der Endpoint-Security. Das HP-Portfolio aus hardwaregestützter Security und endpunktorientierten Security-Services wurde entwickelt, um Unternehmen vor Cyberangriffen bei PCs, Druckern und Mitarbeitern zu schützen. HP Wolf Security bietet umfassende Endpoint-Security und Ausfallsicherheit, die auf der Hardware-Ebene beginnt und sich über Software und Services erstreckt.

JOE WEIDNER ist Sales Specialist Security Solutions CE bei HP. www.hp.com

Viele Angriffe erfolgen über den Mailserver.

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Ein interner Firmenchat spart Zeit.

SIEBEN WEGE ZUM ZIEL KLASSISCHE OFFLINE-GESCHÄFTE UND DIGITALISIERUNG von Andreas Baulig

Die Digitalisierung schreitet immer weiter voran und findet sich mittlerweile in nahezu allen Branchen wieder. Digitale Lösungen halten dabei in viele Bereiche des beruflichen Alltags Einzug: ob bei Gesprächen über den Videochat, Werbeanzeigen auf Social Media oder automatisierten Prozessen im Unternehmen. Für viele Unternehmen bringt dieser Digitalisierungsschub einen grossen wirtschaftlichen Fortschritt mit sich.

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leichzeitig gibt es einige Branchen, die noch nicht richtig in der digitalen Welt angekommen sind. Das ist beispielsweise im Einzelhandel, bei Ärzten, Kfz-Werkstätten oder anderen OfflineGeschäften der Fall. Aber entspricht es wirklich der Wahrheit, dass diese Branchen gar nicht von den digitalen Lösungen profitieren können? Unternehmensberater und langjährige Experten im Bereich Digitalisierung sind sich sicher: Auch in einer

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vermeintlich ungeeigneten Branche kann ein Unternehmen digitale Lösungen nutzen und stark von diesen profitieren!

auch zu mehr Umsatz im Offline-Geschäft. Um welche Ansätze es sich dabei handelt, verraten wir in diesem Beitrag.

Mithilfe der Erfahrung in der Beratung von über 4 000 Unternehmen haben wir insgesamt sieben Digitalisierungsansätze entwickelt, welche nicht nur online, sondern auch in Offline-Geschäften angewendet werden können. Alle sieben Ansätze führen zu mehr Effizienz und somit letztlich

1. FOKUS AUF DIE KUNDENANBAHNUNG Kommen Ihre Kunden in Ihr Geschäft oder müssen Sie physisch vor Ort ein Produkt ausliefern oder montieren, fällt das Thema «digitale Produkte oder Dienstleistungen» für Sie weg. Worauf Sie sich im Bereich


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Was lockt Kunden in Ihr Geschäft?

der digitalen Ansätze jedoch fokussieren sollten, ist Ihre Kundenanbahnung. Konzentrieren Sie sich auf alles, was passiert, bevor ein Kunde das Geschäft betritt oder eine Bestellung aufgibt. Einige Impulse dazu: Online-Werbung dient Ihnen dazu, Interessenten auf Ihr Angebot aufmerksam zu machen. Beratungs- und Verkaufsgespräche können Sie per Videochat oder Telefon führen. Darüber hinaus können Sie Interessenten und Bestandskunden mit Messenger-Nachrichten oder E-MailMarketing ansprechen und sie so zum Erstkauf oder zu weiteren Käufen animieren. Nicht zuletzt stösst auch die Option, über die Website Termine auszumachen, heutzutage auf grosse Begeisterung.

2. VERTRIEBSPROZESSE OPTIMIEREN Digitale Lösungen eignen sich auch in den Vertriebsprozessen. Zum einen sorgt die Einführung von telefonischer Vorqualifikation, Verkaufsskripten und einer systematischen Nachverfolgung von Bestandskun-

den und Interessen für eine Optimierung der Vertriebsaktivitäten. Diese Geschäftsprozesse können Sie zusätzlich durch Software-Lösungen unterstützen. Eine Möglichkeit wäre hierbei zum Beispiel ein CRM-System. Das bedeutet CustomerRelationship-Management und hat zum Ziel, die Geschäftsprozesse rund um Ihre Kunden zu gestalten und optimal auf deren Bedürfnisse auszurichten. Richtig eingesetzt kann ein CRM-System zu zwei- bis dreimal mehr Umsatz führen.

3. PREMIUM-POSITIONIERUNG UND PREISERHÖHUNG Die dritte Strategie besteht aus der Kombination von Premium-Positionierung und Preiserhöhung. Gemeint ist Folgendes: Wenn Sie sich als Anbieter auf eine bestimmte Nische oder ein bestimmtes Angebot spezialisieren und dort eine überdurchschnittliche Qualität liefern, vergrössern Sie automatisch Ihr Einzugsgebiet. Gleichzeitig können Sie dann moderat die Preise erhöhen. Überlegen Sie also, wie

Sie von einem Anbieter, der alles und nichts anbietet, zum Spezialisten und vielleicht sogar zur Koryphäe werden. Sind Sie zum Beispiel Schreiner und stellen einfache Möbel her oder haben Sie sich schon auf Designerobjekte spezialisiert?

4. LOKALE OMNIPRÄSENZ DURCH BEZAHLTE WERBUNG Mit bezahlter Online-Werbung können Sie auch offline wesentlich mehr Reichweite erzielen. Damit Ihr Ladengeschäft in einem Umkreis von 20 Kilometern bekannt wird, reicht es vollkommen aus, täglich knapp 30 Euro in beispielsweise Facebook-Werbung zu investieren. Ein Vorteil von OnlineWerbung ist dabei, dass sie sich spezialisiert einsetzen lässt. Ihre FacebookWerbeanzeigen können Sie genau den Nutzern zuspielen lassen, die im nahen Umkreis Ihres Ladengeschäfts unterwegs sind. Dadurch erhalten Sie eine hohe Sichtbarkeit bei der richtigen Zielgruppe. Ein zusätzlicher Ratschlag: Klopfen Sie ab, woher Ihre Kunden von Ihnen erfahren

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mit hilfreichen Inhalten zu informieren und so Vertrauen aufzubauen. Zur Standardausstattung des Content-Marketings gehören unter anderem Kundenstimmen, Ergebnisse, Fallstudien oder Erklärvideos.

6. DIGITALISIERTE GESCHÄFTSPROZESSE

Auch Dokumente sollten heutzutage in der Cloud abgelegt werden.

Digitalisierte Prozesse, darunter SoftwareProgramme, Automationen oder systematisierte Vorgehensweisen, bringen mehr Effizienz in Ihr Geschäft. So können Sie die Arbeitszeit Ihrer Mitarbeiter optimieren und auf lange Sicht den Ertrag Ihres Unternehmens steigern. Um einmal konkrete Möglichkeiten zu nennen: Wer immer noch intern über E-Mails kommuniziert, verliert viel Zeit. Nutzen Sie lieber eine FirmenchatLösung. Gleiches gilt für das häufig noch vorherrschende Papier-Chaos im Büro. 99 Prozent aller Dokumente sollten heutzutage in einer Cloud abgelegt werden. Und auch das schon angerissene CRMSystem stellt eine gute Option dar, Vertriebsprozesse systematisch zu organisieren.

7. EXPANSION, FRANCHISING UND LIZENZSYSTEME

Verschiedene Wege können zum Erfolg führen.

haben. Wenn Sie nachvollziehen können, wie der Kunde den Weg zu Ihnen gefunden hat, ob über Google, Online-Werbung oder andere Wege, haben Sie mehr Transparenz bezüglich der Werbemassnahmen. Dieser Weg stellt die einzige Chance dar, ein Tracking für Ihre lokalen Werbeaktivitäten aufzubauen!

mitteln und Vertrauen aufbauen. Denn die Qualität Ihrer Leistungen oder Produkte lässt sich in Bildern und Videos besonders gut einfangen. Vom Entstehungsprozess Ihrer Waren über Ihr Ladenlokal, die Werkstatt oder das Büro bis hin zu Ihren Mitarbeitern haben Sie vielfältige Möglichkeiten, sich gekonnt in Szene zu setzen.

5. VERTRAUEN DURCH VIDEOUND CONTENT-MARKETING

Darüber hinaus sollten Sie die Wirkung des Content-Marketings nutzen. Es geht hierbei um das Produzieren und Verbreiten von Inhalten auf sozialen Plattformen wie YouTube oder Facebook. Solche Inhalte sind sehr wichtig für potenzielle Kunden, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Ziel ist allerdings nicht, Reichweite zu gewinnen. Vielmehr geht es darum, Menschen

Video-Marketing in Form von Werbevideos oder Imagefilmen stellt eine grosse Chance für Sie dar, sichtbar zu werden. Dienstleistungen, die Sie offline anbieten, können durch Videos greifbar gemacht werden. Ausserdem können Sie Ihren Kunden auf diesem Wege ein besonderes Gefühl ver-

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Sofern Sie die vorherigen Wege gut umgesetzt haben, kann es sein, dass Sie irgendwann an eine regionale Wachstumsgrenze stossen. Die Anzahl der Kunden in einem Offline-Geschäft lässt sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr erhöhen, da der Anfahrtsweg, den die Kunden für Ihr Unternehmen in Kauf nehmen, begrenzt ist. An diesem Punkt angekommen, sollten Sie über einen weiteren Standort nachdenken. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste Möglichkeit besteht darin, das eigene Geschäftsmodell an ein Partnerunternehmen weiterzugeben – entweder als Franchise- oder als Lizenzmodell. Alternativ können Sie aber auch andere Betriebe übernehmen und diese ganz nach Ihrem Konzept aufbauen.

ANDREAS BAULIG ist Gründer und Geschäftsführer der Baulig Consulting GmbH. www.andreasbaulig.de


KOLUMNE

EXPERTISE VORTÄUSCHEN von Bernhard Kuntz

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m (Online-)Marketing-Bereich wird oft ein für Laien unverständliches Kauderwelsch gesprochen – teilweise um Expertise vorzutäuschen, teilweise um zu kaschieren, dass sich auch die Experten bei ihrem Tun nur auf Annahmen stützen. Das ist ein Fall von Marketing-Chinesisch. Vor kurzer Zeit hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mit dem Marketingleiter eines grossen Dienstleistungsunternehmens zu telefonieren, der beim Googeln auf unsere Website gestossen war. Nach dem Gespräch klingelten mir die Ohren. Denn die Aussagen des Marketingleiters waren so gespickt mit «Anglizismen» und «Buzzwords» aus dem (Online-)Marketing-Bereich, dass ich Mühe hatte zu verstehen: Was will der Mann eigentlich? Und: Wo drückt sein Unternehmen der Schuh? Das begann mit seiner Gesprächseröffnung, sein Unternehmen führe gerade ein «Review» durch, wie es durch ein Optimieren seiner «Targeting Strategy» den «Impact» seiner «Marketing Activities» erhöhen könne. Nachdem ich diese Aussage gedanklich für mich übersetzt hatte, fragte ich mich: «Warum sagt der Mann nicht einfach, dass sie gerade unter­ suchen, wie sie die Wirkung ihrer Marketingmassnahmen bei ihren Zielgruppen erhöhen können?» So ging’s weiter. Je tiefer wir in die Materie einstiegen, umso mehr Anglizismen und Fach-Termini wie «Brand Awareness», «LeadGenerierung» oder «Sales Funnel» flogen mir um die Ohren – so viele, dass ich mich fragte: Versteht der Mann eigentlich selbst noch, wovon er spricht? Ich erahnte es zum Teil nur. Deshalb googelte ich nach dem Telefonat erst mal den Begriff «Linkjuice», denn ich war unsicher, was er damit meinte, als wir über das Thema Linkaufbau auf Websites sprachen. Vielen Selbstständigen geht es nach Gesprächen mit OnlineMarketing-Experten oft ähnlich wie mir nach meinem Telefonat: Ihnen klingeln die Ohren und sie haben das Gefühl: «Ich habe im

Marketingbereich den Zug der Zeit verschlafen, denn ich verstehe die Aussagen der Experten nicht.» Entsprechend verunsichert sind sie. Dabei haben diese Experten vom praktischen Tun oft wenig Ahnung und präsentieren Sachverhalte als Fakten, die nur Annahmen sind. So sind sie zum Beispiel meist felsenfest davon überzeugt: Ich weiss, was man tun muss, damit eine Website gut im Netz gefunden wird. Dabei haben Google & Co. ihre Algorithmen nie offengelegt. Deshalb sind alle Credos in diesem Bereich nur mehr oder minder gut begründete Annahmen. Zudem haben sie in der Regel vom B2BVertrieb wenig Ahnung. Deshalb hegen sie die Illusion, man könne Industriegüter und -dienstleistungen wie Klamotten und Schminke vermarkten. Darum fahren sie oft völlig auf Social Media ab, denn ihnen – so ihr Credo – «gehört die Zukunft». Deshalb mögen viele ihrer Problemlösungen zwar für Markenartikler und Webshops geeignet sein, für im B2B-Bereich tätige (Klein- und Mittel-)Unternehmen passen sie aber meist nicht. Aus diesem Grund meine Empfehlung an Sie: Lassen Sie sich von den vielen Anglizismen und Kompetenz vortäuschenden Fachbegriffen, die Marketingberater oft gebrauchen, nicht verunsichern, denn: Was zeichnet einen guten Berater aus? Unter anderem, dass er eine allgemein verständliche Sprache spricht, denn dies ist ein Zeichen dafür, dass er die Dinge wirklich verstanden und Erfahrung hat.

BERNHARD KUNTZ ist Inhaber der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, die Bildungs- und Beratungsanbieter beim Vermarkten ihrer Leistungen unterstützt. www.die-profilberater.de

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KUNDEN GEZIELT ZUR KAUFENTSCHEIDUNG FÜHREN BRAND AWARENESS ALLEIN IST NICHT GENUG von Bernhard Kuntz

Vielen im B2B-Bereich tätigen Unternehmen ist nicht ausreichend bewusst, wie sich der Wunsch nach Information und Betreuung ihrer Kunden im Laufe ihres Kaufentscheidungsprozesses wandelt. Deshalb treffen sie im Marketingbereich oft falsche strategische und taktische Entscheidungen, weshalb die erhofften Vertriebserfolge ausbleiben.

«

50 Prozent unserer Marketingausgaben sind Fehlinvestitionen. Wir wissen nur leider nicht welche 50 Prozent.» Dieses Bonmot ist ein Klassiker im Marketingbereich. Und vermutlich hat sich der Anteil der Marketingaktivitäten beziehungsweise -ausgaben, bei denen viele Unternehmen letztlich nicht wissen, wie

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Bei der Kaufentscheidung ist Ausdauer gefragt.

gross ihre Relevanz für den Vertriebserfolg sind, in den zurückliegenden Jahrzehnten noch erhöht. Denn: Heute stehen ihnen aufgrund des Siegeszugs der digitalen Medien deutlich mehr Marketinginstrumente als zur Jahrtausendwende zur Verfügung. Die Marketing- und Vertriebssysteme (und Märkte) der meisten Unter-

nehmen sind heute komplexer als in der «guten, alten Zeit». Plattformen wie Google und YouTube, LinkedIn und Facebook legen alle ihre Algorithmen nicht offen, weshalb viele Marketingaktivitäten dort faktisch nur auf Annahmen über deren Wirksamkeit beziehungsweise auf mehr oder minder gut begründeten Erfahrungen beruhen.


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Virtuelle Kontakte müssen in reale Beziehungen umgewandelt werden können.

DEN MARKT MIT AUSDAUER UND SYSTEM BEARBEITEN Dass insbesondere viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen beim Bewerten der Wirksamkeit ihrer Marketingaktivitäten – selbst wenn sie «schlaue» Online-Analysetools nutzen – letztlich im Dunkeln tappen, hat jedoch auch tieferliegende Ursachen. Einige von ihnen seien hier genannt. > Ursache 1: Viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen betrachten auch heute noch das Marketing nicht als einen Prozess, der organisch mit dem Vertrieb und im Idealfall auch mit der Produkt­ entwicklung verknüpft sein sollte. Deshalb haben sie zwar eine Marketing- und eine Vertriebs­ strategie, aber keine integrierte Marktbearbeitungsstrategie. Die Folge: Marketing und Vertrieb führen faktisch ein Eigenleben, und der Vertrieb erhält vom Marketing bei seiner Alltagsarbeit nicht die erforderliche Unterstützung. > Ursache 2: Viele im B2B-Bereich tätige Unternehmen haben nicht ausreichend verinnerlicht, dass sie keine Schnelldreher verkaufen, die man so spontan wie ein Eis am Stiel kauft: Sie verkaufen vielmehr «Investitionsgüter», also komplexe beratungsinitiative Produkte oder Dienstleistungen, die für ihre Zielkunden eine strategische Relevanz haben. Deshalb ist der Kaufentscheidungsprozess ihrer Kunden stets mehrstufig und

entsprechend langwierig (siehe AIDA-Formel). In diesem Prozess wünschen sich die Kunden abhängig von der Phase der Kaufentscheidung, in der sie sich befinden, eine unterschiedliche Betreuung. Was sich ihre Kunden hierbei konkret wünschen, haben viele Unternehmen nicht ausreichend analysiert. Folglich werden von ihrem Marketing auch nicht die erforderlichen Tools, zum Beispiel Projektbeschreibungen oder Kosten-Nutzen-Rechnungen, entwickelt, auf die der Vertrieb jederzeit bedarfsabhängig zurückgreifen kann. Die Folge: Den Unternehmen gelingt es, nur einen geringen Teil der Kunden, die ein Kaufinteresse signalisieren, zur Kaufentscheidung zu führen. > Ursache 3: Nur ganz wenige Unternehmen haben für sich eine (Marktbearbeitungs-)Strategie formuliert, wie sie ihre Zielkunden Schritt für Schritt zur Kauf­ entscheidung führen oder den Kontakt zu ihnen immer heisser und heisser machen, sodass irgendwann der gewünschte Erstauftrag fällt. Zudem haben sie keine Strategie, wie sie sich Neukunden im Zuge der Zusammenarbeit im Rahmen des Erstauftrags mit System erschliessen, sodass sie nach dem in der Regel kleinen Erstauftrag grosse Folgeaufträge erhalten. Die Folge: Relativ hohen

Ausgaben im Marketing- und Vertriebsbereich stehen oft recht kleine (Erst-)Aufträge gegenüber, weshalb sich die Frage stellt: Lohnte sich die Investition? Ein systematisches «Aufbohren» der Kunden mit einem hohen Umsatz­ potenzial erfolgt nicht. Folge­ aufträge sind weitgehend vom Zufall und individuellen Engagement einzelner Berater oder Key-Accounter abhängig. > Ursache 4: Viele Unternehmen im B2B-Bereich sehen in den neuen digitalen Marketingtools nicht nur eine Bereicherung ihres Werkzeugkoffers, sie sind vielmehr der Überzeugung: «Dem Online-Marketing gehört die Zukunft.» Also forcieren sie ihre Aktivtäten in diesem Bereich. Deshalb gelangten in den letzten Jahren viele junge High Potentials in Entscheiderpositionen im Marketingbereich, die zwar ein grosses (Fach-)Know-how im Online-Marketing-Bereich, aber wenig Vertriebs-Know-how und nicht selten auch ein eher geringes Verständnis des Business ihres Arbeitgebers haben. Sie versuchen oft, Marketingstrategien, die sich zum Beispiel bei Webshops oder im Konsumgüter-Bereich bewährt haben, auf den B2B-Bereich zu übertragen, obwohl dieser ganz anders tickt. Die Folge: Häufig steigt zwar aufgrund der verstärkten Online-Aktivitäten die Brand Awareness der Unternehmen, aber ein systematischer Auf- und Ausbau der persönlichen Kontakte und Beziehungen zu den Zielkunden mit einem hohen Umsatzpotenzial erfolgt nicht.

DIE KUNDENBEZIEHUNGEN GEZIELT AUF- UND AUSBAUEN Aufgrund der genannten grundlegenden Defizite begehen im B2B-Bereich tätige Unternehmen im Marketing- und Vertriebsbereich oft folgenschwere strategische und taktische Fehler. Einige seien hier genannt. > Fehler 1: Bei vielen Unternehmen, die keine integrierte Markt­ bearbeitungsstrategie haben, stellt man fest, dass sie sich, wenn die geplanten Marketing- und Vertriebs­ erfolge ausbleiben, immer wieder in Grundsatzdiskussionen verlieren. Die Folge: Das Unternehmen

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DIE AIDA-FORMEL: KUNDEN GEZIELT ZUR KAUFENTSCHEIDUNG FÜHREN

Viele Anbieter im B2B-Bereich verkaufen ihren Kunden komplexe und beratungsintensive Produkte und Dienstleistungen, die für diese eine strategische Relevanz haben. Je höher diese ist, umso seltener kaufen Kunden die angebotenen Leistungen spontan. Ihre Kaufentscheidung ist vielmehr das Ergebnis eines langwierigen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesses, in den nicht selten eine Vielzahl von Personen involviert ist. In diesem Kaufentscheidungsprozess lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden, die von der sogenannten AIDA-Formel beschrieben werden. Ihr zufolge durchläuft jeder Kunde vor einer Kaufentscheidung folgende vier Bewusstseinsstufen: > Attention = Aufmerksamkeit (Anbieter / Produkt existiert) > Interest = Interesse (Anbieter / Produkt könnte mir einen Nutzen bieten) > Desire = Wunsch (Anbieter / Produkt bietet mir einen Nutzen) > Action = (Kauf-)Entscheidung (Anbieter / Produkt bietet mir die beste Kosten-Nutzen-Relation; Nutzen ist grösser als die Investition) Möchte ein im B2B-Bereich tätiges Unternehmen die gewünschten Vertriebserfolge erzielen, muss es ihm einerseits gelingen, zum Beispiel durch eine Website, die gut im Netz gefunden wird, (Online-)Anzeigen oder Mailings die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu wecken. Andererseits muss es auch die anschliessende Kommunikation mit den Zielkunden so gestalten, dass diese Schritt für Schritt zur Kaufentscheidung geführt werden. Das erfordert in den verschiedenen Phasen des Kaufentscheidungsprozesses auch unterschiedliche «Werbemittel».

befindet sich in einer Art Dauerkrise, weil es immer wieder die Grund­ lagen seiner Geschäftstätigkeit in Frage stellt. Entsprechend unsicher agiert es am Markt – was auch die Zielkunden spüren. Weit häufiger stellen Unternehmen aber, wenn die erhofften Erfolge aus­ bleiben, die genutzten Marketingtools grundsätzlich infrage. Sie vergessen dabei, dass diese stets nur Teilfunktionen im Markt­ bearbeitungsprozess erfüllen können. So ist es zum Beispiel schlicht unmöglich, mit einer guten Website, Mailings, Presseartikeln oder (AdWords-)Anzeigen allein Maschinen- und Computeranlagen oder komplexe Beratungsprojekte zu verkaufen. Trotzdem können all diese Tools wichtige Teilfunktionen im Marktbearbeitungsprozess übernehmen. Weil ihnen dieses prozesshafte Denken fehlt, hüpfen besagte Unternehmen oft von einem Marketinginstrument zum nächsten – stets in der Hoffnung, endlich das Zaubermittel zu finden, das ihnen den erhofften

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«Impact» und die begehrten Aufträge bringt. Doch dieses gibt es nicht. Entsprechend häufig wechseln bei diesen Unternehmen meist die Marketingleiter (und nicht selten auch Verkaufsund Vertriebsleiter). > Fehler 2: Bei vielen Unternehmen, die keine aus dem Kaufentscheidungsprozess ihrer Zielkunden abgeleitete Marktbearbeitungs­ strategie haben, stellt man fest, dass sie viel Zeit und Energie in das Steigern der sogenannten «Brand Awareness» investieren. Sie turnen, salopp formuliert, in allen sozialen Medien herum, die gerade en vogue sind, sie investieren viel Zeit und Geld in die (Online-)Pressearbeit und ContentProduktion für ihre Website, sie schalten auf den unterschiedlichsten Online-Plattformen Anzeigen – stets in der Hoffnung: Vielleicht werden so Personen und Organisationen, die lukrative Kunden werden könnten, auf uns aufmerksam. Kaum Zeit verwenden sie aber auf folgende Fragen: Sind die Personen,

mit denen wir direkt oder indirekt kommunizieren, überhaupt diejenigen, zu den wir einen Draht brauchen, wenn wir grössere Aufträge an Land ziehen wollen? Wie können wir die werthaltigen virtuellen Kontakte, die wir haben, in reale, persönliche Beziehungen umwandeln? Und: Wie bringen wir die Personen, die schon einmal aufgrund unserer Marketing­ aktivitäten ein latentes Interesse an unserer Unterstützung signalisiert haben, dazu, ein persönliches Treffen oder eine Online-Konferenz zur Bedarfsermittlung und zum gemeinsamen Nachdenken über eine mögliche Problemlösung zu vereinbaren? Die Folge: Die sogenannte Brand Awareness mutiert zum Selbstzweck, weil hierauf keine aufbauenden Aktivitäten zum Umwandeln der «Awareness» in reale Kunden­ beziehungen erfolgen. > Fehler 3: Dass die «Hitrate» vieler B2B-Unternehmen recht niedrig ist, also diese so wenig Kontakte in nachhaltige (Kunden-)Beziehungen umwandeln, liegt auch daran, dass bei ihnen oft die Tendenz besteht, die «sehr geehrten Kunden» mit einer «Fast-Food-Kommunikation» abzuspeisen – selbst wenn sie von ihnen Aufträge im fünf-, sechsoder gar siebenstelligen Bereich erhalten möchten. Dies gilt insbesondere für solche, die eine hohe Affinität zur digitalen Kommunikation haben. So fühlt sich zum Beispiel kein Entscheider im Unternehmen als Person wahrgenommen und wertgeschätzt, nur weil er bei LinkedIn eher zufällig ein, zwei Mal pro Woche einen Post vom Inhaber eines Beratungsunternehmens sieht, mit dem er dort verbunden ist. Also tragen diese Posts auch nichts zum Beziehungsausbau bei. Ebenso wenig fühlen sich Entscheider als Person wahrgenommen und wertgeschätzt, wenn sie alle ein, zwei Monate von einem potenziellen Lieferanten einen Newsletter erhalten, denn jeder Empfänger weiss, dass Newsletter neben Social Media die billigste Möglichkeit bieten, um mit vielen Kunden auf einmal zu kommunizieren. Also tragen auch Newsletter nichts zum Beziehungsaufbau bei. Weil viele Unter-


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Unpersonalisierte Newsletter werden schnell lästig.

nehmen solche Dinge nicht ausreichend reflektieren, gelingt es ihnen nicht, sich mit der Zeit als attraktive Partner bei ihren Zielkunden zu profilieren. Also erhalten sie von ihnen auch keine Aufträge oder werden rasch wieder ausgetauscht.

MARKETINGTOOLS SELEKTIV UND GEZIELT EINSETZEN Das heisst nicht, dass die genannten Marketinginstrumente nicht wertvoll sind. So können zum Beispiel Posts auf LinkedIn und Facebook durchaus ein geeignetes Tool sein, um mit Klein- oder Ex-Kunden zu kommunizieren, bei denen sich eine höhere Investition an Zeit und Geld nicht lohnt. Inwieweit diese Tools jedoch auch im B2B-Bereich beziehungsweise beim Projektgeschäft eine hohe Relevanz haben, darüber kann man streiten. Ebenso können Newsletter ein wunderbares Tool sein, um im B2B-Bereich eine Vielzahl an Kunden und Anwendern zu informieren und dafür zu sorgen, dass man bei den

Personen, die auf die Einkaufsentscheidungen einen mehr oder minder grossen Einschluss haben, nicht in Vergessenheit gerät. Doch um die Beziehungen zu den Top-Entscheidern bei den Kunden auszubauen oder um dafür zu sorgen, dass lauwarme Kontakte zu ihnen nicht erkalten – dazu eignet sich das Tool News­letter nicht. Also sollten sich Anbieter im B2B-Bereich und ihre Marketingabteilungen darüber Gedanken machen, welche dies sein könnten – zumindest, wenn das Ziel lautet: Wir wollen von den «sehr geehrten Kunden» irgendwann einen Auftrag erhalten.

«BRAND AWARENESS» ALLEIN NUTZT UNTERNEHMEN WENIG Genau dies tun viele Marketingleiter nicht – insbesondere solche, die sich nicht auch als verlängerte Werkbank des Vertriebs, sondern primär als zuständig für die Pflege des Markenimages verstehen. Das ist bei vielen Marketingverantwortlichen der Fall,

die das Credo «Dem Online-Marketing gehört die Zukunft» verinnerlicht haben. Deshalb sind ihre Marketingstrategien und -pläne nicht selten Stückwerk. Das heisst, sie erfüllen zwar – wie die einzelnen Marketingtools – im Marktbearbeitungssystem eines B2B-Unternehmens eine Teilfunktion, doch dem Bedarf im Marketingbereich, um Vertriebsziele zu erreichen, genügen sie nicht.

BERNHARD KUNTZ ist Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH. www.die-profilberater.de

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Im Idealfall ist das Beleuchtungsniveau im Klassenzimmer optimal auf die Sehaufgaben abgestimmt. Dazu gehören auch eine ausgewogene Leuchtdichteverteilung, gut entblendete Leuchten sowie eine gute Farbwiedergabe.

FÜR BESSERES LICHT UND SAUBERE LUFT BUND FÖRDERT SANIERUNGEN IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN von Dr. Jürgen Waldorf

Die Luft im Raum ist mal stickig, mal zugig, die Maske drückt und die Augenlider werden schwer: Schüler im Präsenzunterricht haben es nicht leicht. Ausreichend Licht und frische Luft sind wichtig für Wohlbefinden und Lernerfolg: Mehr als 80 Prozent aller Informationen nimmt der Mensch über seine Augen auf. Dafür braucht er optimale Sehbedingungen.

A

us Sorge vor Aerosolen in der Raumluft gehören Lüften und FFP2-Masken zum Schulalltag. Eine Lösung: raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) mit UV-C-Luftentkeimung. Denn UV-C-Strahlung zerstört die

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Viren-DNA. Der Bund fördert bis Ende des Jahres RLT-Anlagen und die Sanierung der Beleuchtung. Für eine gute Beleuchtung genügt es schon lange nicht mehr, sie nur ein- und ausschalten zu können. Modernes Lichtmanagement geht

gezielt auf verschiedene Unterrichtsbedürfnisse ein – von der richtigen Beleuchtung zum Schreiben bei MultimediaVorträgen bis zu behaglichem Licht in der Entspannungsecke, etwa im Kindergarten. Individuell einstellbare Lichtstimmun-


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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Wichtig in allen für schulische Zwecke genutzten Räumen ist eine gleichmässige und helle Ausleuchtung der horizontalen Arbeitsflächen.

gen und Tageslichtnutzung bieten Vorteile für Lernende unterschiedlichster Altersgruppen: Eine Beleuchtung nach Human Centric Lighting (HCL) unterstützt den circadianen Rhythmus und hilft so Schülern, die morgens noch müde sind, sich besser zu konzentrieren. Wechselnde Lichtszenen beleben den Unterricht – und die automatische Anpassung der Lichtmenge an Tageszeiten und Präsenz spart jede Menge Energie.

FLEXIBLES LICHT IST GEFRAGT Unterrichtsmethoden sind heute vielfältig: Die klassische Wandtafel wird durch andere Medien ergänzt, wie etwa Whiteboards und Bildschirmpräsentationen. Eine an der Tafel ausgerichtete Sitzordnung ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Lichtsteuerungen unterstützen die flexible Raumnutzung. Meist notwendig ist eine zusätzliche und separat schaltbare Tafelbeleuchtung. Das Licht im Klassenzimmer

sollte dimmbar sein und darf nicht blenden. Nach DIN EN 12464-1 sind 300 Lux für Unterrichtsräume richtig, für Fachklassen und Erwachsenenbildung sind es 500 Lux. Wichtig ist die gleichmässige und helle Ausleuchtung der horizontalen Arbeitsflächen. Das Bundesumweltministerium (BMU) fördert in diesem Jahr die Investition in hocheffiziente Lichttechnik für neue Innen- und Hallenbeleuchtung mit 35 Prozent und in finanzschwachen Kommunen sogar mit 40 Prozent.

privaten Einrichtungen Zuschüsse von bis zu 80 Prozent der förderfähigen Ausgaben. In Einrichtungen für Kinder unter zwölf Jahren werden abhängig von der Ausführung auch Neuanlagen gefördert. So gerüstet können Schüler Informationen leichter aufnehmen, motivierende Lernerfolge erleben und sich endlich wieder freier in einem Raum aufhalten.

FRISCHER WIND FÜR GRAUE ZELLEN Kitas, Schulen, Jugendwerkstätten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe können zu Pandemiezeiten ausserdem ihre Lüftung fit machen: Bestehende Anlagen werden für besseren Infektionsschutz mit UV-C-Luftentkeimung aufgerüstet. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewährt öffentlichen und

DR. JÜRGEN WALDORF ist Geschäftsführer der Brancheninitiative licht.de. www.licht.de

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

MEHR FRAUEN IN FÜHRUNGSPOSITIONEN BALD REALITÄT ODER DOCH NOCH EINE UTOPIE? von Prof. Dr. Beatrice Paoli und Priska Burkard

Die «letzte Hürde» war vor 50 Jahren die Schlagzeile in der Zeitschrift «Schweizer Illustrierte», kurz vor der historischen Abstimmung, bei der Männer Frauen das Wahlrecht einräumten. Doch dieser «letzten Hürde» folgten viele weitere. Frauen verdienen für die gleiche Arbeit immer noch weniger als Männer. Frauen in Führungspositionen sind immer noch die Ausnahme, und sobald sie diese Position erreicht haben, müssen sie sich noch rechtfertigen, warum sie wenig zu Hause sind und sich nicht um die Familie kümmern.

Der Einfluss von Frauen nimmt stetig zu.

Z

war sind Kinderbetreuung und Hausarbeit immer noch überwiegend Frauensache, doch der neue «Schillingreport» des Personalberaters Guido Schilling zeigt, dass die hoffnungsvolle Zahl zehn ist. Denn zehn Prozent beträgt der Frauenanteil in über 100 Geschäftsleitungen der grössten Schweizer Unternehmen im Jahr 2020: immer noch zu wenig.

können oder nicht. Männer gelten als sachlich, dominant und konfliktbereit, Frauen als kommunikativ, teamorientiert und emotional. Obwohl Stereotype nicht der Realität entsprechen – das menschliche Gehirn liebt sie und braucht sie, um sich zu orientieren.

beschäftigt. Diese Ungleichheit bleibt bestehen, auch wenn Männer und Frauen das gleiche Bildungsniveau haben. Hauptgründe dafür sind vornehmlich die eingeschränkte Flexibilität, die bei Frauen oft zu weniger Berufsjahren aufgrund der Familienund Kinderbetreuungspflichten führt.

WESHALB FRAUEN UNTERREPRÄSENTIERT SIND

Was bleibt, ist, dass beiden Geschlechtern bestimmte Stereotype zugeschrieben werden – unabhängig davon, ob die Eigenschaften so verallgemeinert werden

Nach Angaben des Bundesamts für Statistik haben Frauen in der Regel einen niedrigeren Beschäftigungsstatus als Männer: Sie sind meist ohne Führungsaufgaben

Nach Angaben des Bundesamts für Statistik arbeiten derzeit sechs von zehn berufstätigen Frauen, aber nur 1.8 von zehn Männern im Teilzeitpensum. In der Bevölkerung ab fünfzehn Jahren fallen 30.7 Prozent der Frauen und 3.4 Prozent der Männer

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in die Kategorie der Hausfrauen beziehungsweise Hausmänner. Einerseits bedeutet Teilzeitarbeit häufig ungesicherte Arbeitsverhältnisse, tiefere Sozialleistungen und verminderte Aufstiegschancen. Andererseits bietet sie die Möglichkeit, neben der bezahlten Arbeit auch andere unbezahlte Tätigkeiten wie Kinderbetreuung und Hausarbeit zu übernehmen, die jedoch von Arbeitgebern und der Wirtschaft nicht als wertvolle Arbeit erachtet werden. Neben der eingeschränkten Flexibilität gibt es jedoch noch weitere Hürden, die viele Frauen daran hindern, in Führungspositionen zu gelangen. Dazu gehören sozialpolitische Hürden, kulturelle Hindernisse in Unternehmen und der Mangel an erfolgreichen Vorbildern.

FAMILIE ODER BERUF? Die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere fehlende Teilzeitstellen im Kader und ein ungenügendes Kinderbetreuungsangebot, sind die Hauptgründe, wieso viele Frauen heute keine Karriere einschlagen können und wollen. Im letzten Jahrhundert haben immer mehr Frauen eine höhere Ausbildung abgeschlossen und sich für den Eintritt ins Berufsleben entschieden. Trotzdem ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor schwierig – von wenigen Kinderbetreuungsmöglichkeiten bis hin zu traditionellen Rollenbildern, bei der sich Frauen um den Haushalt kümmern und Männer Karriere machen. Laut Bundesamt für Statistik reduziert in den meisten Fällen die Frau ihr Arbeits­ pensum oder gibt vorübergehend die bezahlte Arbeit auf, um sich zu Hause um die Kinder zu kümmern. Die häufigste Familienkonstellation ist ein Vater, der Vollzeit arbeitet, und eine Mutter, die Teilzeit arbeitet, gefolgt von einem Vater, der Vollzeit arbeitet, und einer Mutter, die nicht arbeitet. Nur wenige Paare entscheiden sich für ein Modell, bei dem beide Partner Teilzeit arbeiten; dieses Modell ist häufiger bei Familien mit dem jüngsten Kind unter vier Jahren anzutreffen. Die Betreuung von Kindern ausserhalb der Familie (einschliesslich Grosseltern) durch Kindertagesstätten oder Horte ist eine wichtige Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Kinderbetreuungsangebote stehen jedoch nicht immer in ausreichender Zahl oder entsprechend der Arbeitszeiten zur Verfügung, und Eltern

Kind und Beruf sind nicht leicht zu vereinbaren.

nutzen sie manchmal aus finanziellen Gründen nicht oder nur in geringem Umfang. Je nach Alter und Anzahl der Kinder wird das zweite Einkommen für zusätzliche Betreuungskosten ausgegeben, was die Tatsache bestätigt, dass die Mutter, die in der Regel weniger verdient als der Vater, besonders in den ersten Lebensjahren der Kinder zu Hause bleibt. Während die meisten Mitarbeiter zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr in Führungspositionen aufsteigen, erfahren Frauen einen grossen Nachteil, da sie in diesem Alter typischerweise Mutter werden.

LOHNUNGLEICHHEIT Für das Ungleichgewicht der Geschlechterverteilung in Führungspositionen gibt es nicht nur kulturelle, sondern auch finanzielle Gründe. Laut dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann sind im Durchschnitt die Gehälter von Frauen jeden Monat 1 512 Franken niedriger als die der Männer. Davon lassen sich 54.6 Prozent durch objektive Faktoren wie berufliche Stellung, Dienstjahre oder Bildungsniveau erklären. 45.4 Prozent des Lohnunterschiedes können jedoch nicht erklärt werden und beinhal­ten eine mögliche geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung. Gründe hierfür sind wieder die traditionellen Rollenverteilungen in der Familie.

Gesellschaftliche Stereotype haben nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf die Bildungs- und Berufswahl von Frauen und Männern. Während Männer bei der Familiengründung oft als Ernährer gesehen werden und somit Vollzeit bis zur Pensionierung arbeiten, planen Frauen öfters Karrierepausen und wünschen sich ein flexibles Arbeitsumfeld, in dem kleine Pensen und Pausen möglich sind.

UNTERNEHMENSKULTUR UND VORBILDER Immer wieder gibt es Unternehmen, die die geringe Anzahl von Frauen in Managementpositionen damit erklären, dass es keine qualifizierten Bewerberinnen gibt, obwohl laut Bundesamt für Statistik in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen der Anteil an Frauen mit einem Abschluss an einer Fachhochschule oder einer universitären Hochschule höher als jener der Männer ist. Je nachdem, wie hierarchisch und autoritär die Kultur eines Unternehmens ist, desto schwieriger kann es also sein, eine weibliche Führungskraft erfolgreich für das Unternehmen zu gewinnen. Viele Menschen glauben, dass eine Führungskraft dominant, selbstbewusst und autoritär sein muss – Eigenschaften, die aufgrund von stereotypischem Denken nicht immer den Frauen zugeschrieben werden. Es wurde jedoch bewiesen,

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dass eine Führungskraft auch dann erfolgreich sein kann, wenn sie teamorientiert und demokratisch führt und empathisch ist. Um diese Stereotype zu überwinden, brauchen Frauen erfolgreiche Vorbilder: Frauen, die vorleben, dass sich die beiden Lebensbereiche «Arbeiten» und «Mutter sein» gut und selbstverständlich vereinbaren lassen. Hier sind unter anderem Philomena Colatrella (CSS), Magdalena Martullo-Blocher (EMS Chemie), Jeannette Pilloud (Ascom) oder Suzanne Thoma (BKW) bekannte Persönlichkeiten aus der Wirtschaft.

LÖSUNGSANSÄTZE Die Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter ohne Anstellung ist nicht mehr zeitgemäss. Die traditionellen Rollenbilder beherrschen zwar nach wie vor unser Gesellschaftsbild, stehen aber vor grossen Veränderungen. Die Akzeptanz von Frauen als berufstätige Mütter wird zunehmend grösser: Was jedoch in vielen Haushalten unverändert bleibt, ist die Rollenkonstellation. Hier wird vielfach immer noch gewünscht und erwartet, dass Frauen den elterlichen Pflichten der Kindererziehung sowie dem Haushalt und keiner Arbeitstätigkeit nachgehen. Deshalb liegt die wohl häufigste Barriere auf dem Weg in die Führungsverantwortung nach wie vor in der Mehrfachbelastung der Frauen durch die Betreuung von Kindern und Haushalt. Auch müssen die Politik und Unternehmen bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen. Auf politischer Ebene müssen sich die Parteien für Tagesschulen, attraktive Anreize im Steuersystem und Subventionen der Kinderbetreuung für berufstätige Eltern einsetzen. Damit kann sichergestellt werden, dass Frauen neben den familiären Verpflichtungen ohne Nachteile einer Tätigkeit nachgehen können. Die Unternehmen müssen gleiche Aufstiegschancen für Frauen und Männer durch flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeitsplätze (auch in Führungspositionen), Wiedereinstiegsmöglichkeiten und Lohngleichheit anbieten. Lohngleichheit kommt nicht nur Frauen und ihren Familien zugute, sondern nützt der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft. Lohngleichheit macht den (Wieder-)Einstieg und Verbleib im Erwerbsleben für alle Frauen erheblich attraktiver und liegt somit auch im Interesse der Unternehmen. Wenn sich die Lohnschere zwischen den Ge-

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Es sind noch lange nicht alle Hürden überwunden.

schlechtern verringert, bietet sich einem Paar die Chance, die (bezahlte) Erwerbsund die (unbezahlte) Haushalts- und Betreuungsarbeit gleichmässig aufzuteilen, ohne dass dadurch finanzielle Einbussen entstehen. Lohngleichheit ermöglicht reelle Chancengleichheit und echte Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Familienund Erwerbsmodellen. Gleichzeitig braucht es die gezielte Förderung einer integrativen Kultur, damit Frauen überhaupt erfolgreich sein können. Viele Management- und Machtstrukturen sind nach wie vor stereotypisch männlich geprägt, beispielsweise durch eine überwiegend autoritäre Führungskultur in Unternehmen.

FAZIT

markt und gleichem Lohn für gleiche Arbeit sowie die Förderung von Frauen in Führungspositionen. All dies sollte im Jahr 2021 keine Utopie mehr sein, sondern hoffentlich bald Realität!

PROF. DR.  BEATRICE PAOLI führt als Institutsleiterin anwendungsorientierte Forschung am «Laboratory for Web Science» (LWS) der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) durch.

Der Einfluss von Frauen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik nimmt stetig zu. Trotzdem gibt es immer noch eine grosse Ungleichheit bei den Karrierechancen, insbesondere auf der Führungsebene. Die Politik muss eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung des sogenannten Megatrends «Female Shift» spielen – durch den weiteren Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen und die Unterstützung gleichberechtigter Hausarbeit zwischen Männern und Frauen, die Gewährleistung von Chancengleichheit auf dem Arbeits-

PRISKA BURKARD ist Gründerin der SKILLS FINDER AG und Mitgründerin von TechFace. www.techface.ch www.ffhs.ch


KOLUMNE

EINE REVOLUTION GEGEN UNS von Bernhard Bauhofer

R

eputationsdebakel gibt es immer wieder. So ist der deutsche Fussball nach der EM und dem Ausscheiden in der Vorrunde bei Olympia im Tief. Vom «Sommermärchen» wie 2006 spricht niemand mehr. Jedoch ist der entstandene Schaden nichts im Vergleich zu den Schäden, welche die «Jahrhundertflut» in diesem Jahr in unserem Nachbarland angerichtet hat – und auch die Schweiz blieb von den historischen Fluten ja nicht verschont. So wie der verklärte Blick der Fussballfans die Korruption der Verbände nicht wahrnehmen will, so blendet der Grossteil der Menschheit – wie der im siedenden Wassertopf gefangene und zum Tode geweihte Frosch – die imminente und existentielle Bedrohung durch die Klimakatastrophe immer noch aus. Im gängigen Verständnis verorten wir die Leistungsträger der Gesellschaft in dem kleinen Kreis der Elite: Professionen und Menschen, meist mit akademischer Ausbildung und Titeln, die massgeblich den aktuellen Zustand unseres Planeten zu verantworten haben. (Ich schliesse mich davon nicht aus.) Mit den einschneidenden Erfahrungen aus der Corona-Pandemie sollten wir unser Verständnis von Leistung grundsätzlich hinterfragen und Idole und Ideale neu definieren. Sollen permanent um den Erdball jettende Manager mehr Ansehen und ein Vielfaches an Gehalt verdienen als bis zur totalen Erschöpfung arbeitende Pflegekräfte? Zählt ein «Banker des Jahres»-Titel mehr als ein Prix Courage? Über Jahrzehnte hinweg haben die Nutzniesser der Globalisierung ihre Doktrin mit dem Argument gerechtfertigt, Menschen aus der Armut herauszuführen. Aber gerade diese Menschen waren die ersten, die durch die Corona-Pandemie in teilweise noch prekärere Verhältnisse zurückgeworfen wurden – und sie leiden am meisten unter den Folgen des Klimawandels. Wir müssen uns eingestehen, dass die Globalisierung in der aktuellen Ausprägung eben nicht nachhaltig sichere Lebensverhältnisse für die meisten Menschen schafft. Man sollte meinen, dass das politische System – anders als das dem Shareholder Value und der kurzfristigen Gewinnmaximierung unterworfene Wirtschaftssystem –dank längerer Legislaturperioden und Amtszeiten seiner Führungskräfte intakte Voraussetzungen hätte, um das Ruder in Richtung Nachhaltigkeit herumzureissen. Die Realität zeigt jedoch, dass der kurzfristige

Blick auf die Gunst der ebenfalls kurzfristig denkenden Wähler das langfristige Denken und Handeln verunmöglicht. Der Ball des Handelns liegt vor allem bei den Unternehmensverantwortlichen. Sie können ein fundamental neues Verständnis des Wirtschaftens kreieren, bei dem beispielsweise bei der Ermittlung der Wertschöpfung auch die Externalitäten miteinbezogen werden. Mithilfe der Politik auf supranationaler Ebene müssen Nachhaltigkeitskennzahlen wie die ESG-Kriterien – auch im Sinne der Transparenz für Investoren und Konsumenten – zu einheitlichen und messbaren Standards gemacht werden. Investitionen in Nachhaltigkeit sollten von der Gesellschaft positiv, beschämende Steuervermeidung negativ sanktioniert werden. Statt auf unseren kurzfristigen Gewinn und Vorteil zu schielen, haben wir es als Konsumenten in der Hand, durch unsere Konsumausgaben und Investitionen vorbildliches Handeln der Unternehmen zu würdigen und einen Nachhaltigkeitszyklus zu nähren. Und wir müssen die Superreichen moralisch fordern, ihr Handeln zu ändern. Spenden und philanthropisches Engagement sind oft nur Goodwill-Aktionen – Ablenkungsmanöver, die das bestehende System zementieren. Wir sollten aufhören, Umweltaktivisten als radikale Spinner und Outlaws zu diffamieren und dadurch­ von unseren eigenen Unterlassungen beim Umwelt- und Klimaschutz abzulenken. Wir alle sind gefordert – auch Unternehmer wie Bezos oder Branson, deren Vermögen das Bruttosozialprodukt manch eines Landes übersteigt. Angesichts der weltweiten Umweltkatastrophen hätte ihr Timing für den Startschuss zum Weltraum-Tourismus nicht unglücklicher gewählt werden können. Statt der Erde den Rücken zu kehren, sollten sie, die in ausserordentlichem Masse von ihr profitiert haben, ihr jetzt vielmehr zur Hilfe eilen. Und wir alle sollten mit ihnen mitziehen.

BERNHARD BAUHOFER ist Gründer und Managing Partner der Sparring Partners GmbH. www.reputationmanagement.ch

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Ein strahlendes Lächeln überzeugt.

DER ERSTE EINDRUCK ZÄHLT SCHÖNE ZÄHNE ALS SCHLÜSSEL ZUM BERUFLICHEN ERFOLG von Elisa Beck

Die Corona-Pandemie hat in den letzten Monaten vielen Menschen ihren Arbeitsplatz gekostet. Wer jetzt einen neuen Job sucht, sollte sich dabei nicht nur auf seine fachlichen Kompetenzen verlassen. Neben dem menschlichen und fachlichen Know-how spielt auch die Optik eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen Kandidaten.

F

achkompetenz und Berufserfahrung gepaart mit Sympathie und sozialen Fähigkeiten sind die entscheidenden Faktoren in der heutigen Berufswelt. So kommt es unter anderem auch auf ein gepflegtes Äusseres an – zum Beispiel auf gesunde und schöne Zähne. Schöne Zähne geben ein besseres Selbstwertgefühl, sind ein Ausdruck von Gepflegtheit und Kompetenz und erwecken Sympathie – auch beim potenziellen neuen Arbeitgeber.

SCHÖNE ZÄHNE UND EINE ERFOLGREICHE KARRIERE Lachen ist die schönste Art, dem Gegenüber die Zähne zu zeigen, sagt man. Das gilt auch im Geschäftsleben. Schöne, ästhetische Zähne werden mit Erfolg, Vitalität, Attraktivität und Intelligenz ver-

bunden. Der Zusammenhang zwischen schönen Zähnen und einer steilen Karriere ist mittlerweile auch wissenschaftlich belegt. So fand Zahnpsychologe Tim Newton in einem Experiment am renommierten King’s College heraus, dass Menschen mit strahlend weissen Zähnen als kompetenter, intelligenter und psychisch stabiler gesehen werden als Menschen mit weniger schönen Zähnen. Schöne Menschen werden deshalb auch eher zum Vorstellungsgespräch eingeladen, werden eher ausgewählt und haben danach grössere Chancen, Karriere zu machen. Es verwundert daher nicht, dass schlechte Zähne – neben anderen Faktoren – als Ausschlusskriterium gesehen werden, wenn es um die Besetzung einer Jobposition geht, die Kun-

DIE NEUE PHILIPS SONICARE 9900 PRESTIGE Die neue Philips Sonicare 9900 Prestige ist die fortschrittlichste Schallzahnbürste von Philips Sonicare – Intelligenz, personalisierte Funktionen und ein exklusives Design in einem einzigen Produkt vereint. Sie ermöglicht eine aussergewöhnliche und individuelle Pflege: > Farben: Champagner (HX9992 / 11), Midnightblue (HX9992 / 12) > SenseIQ-Technologie > KI-gesteuerte Philips-Sonicare-App (iOS, Android) > Schalltechnologie mit bis zu 62’000 Bürstenkopfbewegungen pro Minute > Premium-All-in-One-Bürstenkopf: Plaque-Entfernung, weissere Zähne, Zahnfleischpflege > BrushSync-Funktion: erinnert an den Austausch des Bürstenkopfes > Drei Intensitätsstufen

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denkontakt erfordert. Ein strahlendes Lächeln ist also mindestens so hilfreich wie ein guter Lebenslauf.

GESUNDE ZÄHNE – RICHTIG ZÄHNE PUTZEN Wer schiefe Zähne oder sonstige Zahnprobleme hat, kommt um einen Besuch beim Zahnarzt nicht herum. Doch auch im Privaten kann man viel erreichen, wenn man täglich nach jeder Mahlzeit die Zähne putzt. Mit einer elektrischen (Schall-)Zahnbürste wird das Putzen noch effektiver, denn im Vergleich zu einer Handzahnbürste entfernt sie mehr Plaque, sorgt für weissere Zähne und gesünderes Zahnfleisch. Mittlerweile verfügen die meisten elektrischen (Schall-)Zahnbürsten auch über eine App, die dazu beiträgt, die Zähne korrekt und mit der nötigen Intensität zu putzen. So klappt es auch mit dem neuen Job.

ELISA BECK ist Redaktorin bei kmuRUNDSCHAU. www.philips.ch


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TRÄUMEN ERWÜNSCHT

DAS DENKEN UND HANDELN IN ZEITEN DES UMBRUCHS von Georg Lutz

Es gibt wenige Bücher, die phantasievolle Geschichten mit trockenen Unternehmenskennzahlen zusammenbringen. «Mobility Moves Minds» ist ein Beispiel dafür.

MOBILITY MOVES MINDS von Barbara Flügge 331 Seiten, 55 Euro ISBN 978-1-925452-36-5 Dean Publishing

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ugegeben, wer als Redaktor wieder ein Management-Beratungsbuch auf den Schreibtisch bekommt, ist oft schlicht ermüdet. Natürlich geht es immer um Innovation und einige andere Schlagwörter wie Disruption oder digitale Transformation. Diese werden dann in Form eines «Use Case» auf die Praxis heruntergebrochen. Drum herum stricken die Autorinnen und Autoren einen zusammenfassenden Kranz, der dann mit bedeutungsschwangeren Begriffen wie «Advocacy Consulting» oder «Real Time Strategic Change» gefüllt werden. Oft geht es aber nur um viel heisse Luft. Barbara Flügge wählt einen ganz anderen Ansatz. In ihrem neuen Buch «Mobility Moves Minds» will die Autorin Geschichten erzählen, aus denen wir lernen können. «Alle Geschichten verdienen eine Zuhörerschaft. Denn es sind die Geschichten, die uns Werte vermitteln, die wir im Alltag an-

wenden, in der Gemeinschaft, im Business, und die uns durchhalten lassen. Ohne Geschichten sind wir nichts.» Das ist Flügges Ausgangspunkt und Motivationsbooster. Es kommt zunächst weniger auf technische Fähigkeiten an, sondern es geht um eine neue Kultur des Denkens. Das erinnert an das berühmte Zitat von Antoine de Saint-Exupéry: «Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommele nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.» Flügge fasst ihr zentrales Ziel, was mit dem Buch erreicht werden soll, so zusammen: Es geht darum, «die Komplexität rund um die Mobilität in Systemen zu entschlüsseln». Mobilität ist für sie nicht nur ein Begriff aus der Verkehrspolitik. Sie findet in modernen Handlungen statt. Wir haben nun die Werkzeuge und Mittel, Tickets online zu buchen. Unternehmen sind in der Lage, Mobilitätsdienste kontextbezogen für völlig unterschiedliche Zielgruppen wie Forschende, Reisende oder Kinder zu entwickeln und anzubieten. Das Schlagwort digitale Transformation bekommt so Fleisch an den Knochen.

GESCHICHTEN UND REPUTATION Das Buch «Mobility Moves Minds» erzählt Geschichten, stellt aber auch vor, wie diese in der Realität umgesetzt werden. Das braucht, gerade auch vor dem Hintergrund der Pandemie, eine gehörige Portion Resilienz. Diese braucht man auch bei der komplizierten Reise durch Unternehmensstrukturen. Da stösst nicht nur Barbara Flügge auf einige Schattengewächse und undurchsichtige Dschungellandschaften. Um hier durchzukommen braucht man viel Reputation im Gepäck. Flügge ist Gründerin und Geschäftsführerin der digital value creators (DVC). DVC konzentriert sich auf den Schwerpunkt Service-Transformation für produktbasierte Unternehmen unter Einsatz der Corporate Mobility. Darunter

versteht sie die physische, digitale und mentale Mobilität eines Unternehmens. Barbara Flügge entwirft für Unternehmen Services unter Anwendung eigener Tools und testet sie mit Vertreterinnen und Vertretern aus Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Sie bewertet Positionswechsel für Unternehmen und den Marktumstieg und nutzt dazu eigene über Jahre entwickelte Analyse-Methoden. Im Kern geht es um den Zusammenhang unternehmerischer und individueller Resilienz. Dabei bringt sie viel Erfahrung mit. Für Ariba baute sie das europäische Beratungsgeschäft mit auf und prägte unterschiedliche Vorhaben von ABB, BMW, Volkswagen und Aventis. Auch bei Flügge geht es am Ende um Tools und Werkzeuge: «Mobility Moves Minds wird zu Ihrem Power-Tool.» Im ersten Teil des Buches bekommen die Leserinnen und Leser Einblicke in die Resilienz. Dann geht es um Blicke hinter die Kulissen und das Schärfen von Erkenntnissen. Auch Flügge schaut nach vorne, wenn es um die Ökosystems geht, die ihre Kundinnen und Kunden sowie Leserinnen und Leser erobern wollen. Last, but not least stehen die Lebenslinien des unternehmerischen Wachstums im Fokus. Ein zentrales Stilelement ist der Einbezug unterschiedlichster Persönlichkeiten in den verschiedenen Kapiteln. Das verleiht dem Buch eine Lebendigkeit, die man sonst nur aus guten Interviews kennt.

GEORG LUTZ ist Chefredaktor von kmuRUNDSCHAU. www.digitizingecosystems.com www.barbara-fluegge.com

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Symbolbild: Die Erste-Hilfe-Aus- und Weiterbildung verlagerte sich beim Blended Learning teilweise ins Internet.

BLENDED LEARNING IN DER ERSTEN HILFE WÄHREND UND VOR ALLEM NACH CORONA von Daniel Bollier

Blended Learning steht für die Verknüpfung von E-Learning und Präsenzunterricht. Die Covid-19-Pandemie hat dieser Methode Auftrieb gegeben. Sie bietet sich allerdings auch nach der Pandemie als effiziente, flexible und nachhaltige Lernmethode an. Funktioniert sie auch für Erste-Hilfe-Themen?

G

anz besonders in der Ersten Hilfe sind ein regelmässiges Training und das Auffrischen des Wissens wichtig. Einerseits verlernen wir rasch, was wir selten anwenden. Im Notfall müssen wir aber auf Automatismen zurückgreifen können, die stark verinnerlicht sind und ablaufen, ohne dass man sich viele Gedanken machen muss. Ein regelmässiges Auffrischen ist deshalb zentral. Andererseits laufen auch gewisse Zertifikate – beispielsweise jene des Interverbands für Rettungswesen (IVR) oder die BLS-AEDSRC-Zertifikate mit dem Schwerpunkt Reanimation – nach einer gewissen Zeit ab und müssen aufgefrischt werden.

PRÄSENZUNTERRICHT VS. E-LEARNING Während der Pandemie war es schwierig, Wiederholungskurse durchzuführen. Zwar

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durften Erste-Hilfe-Kurse auch während der zweiten Covid-19-Welle und während des eingeschränkten Präsenzunterrichts stattfinden. Allerdings war es in manchen Betrieben untersagt, Kurse oder Termine ausser Haus wahrzunehmen. Selbst wenn dies erlaubt war, suchte nicht jeder betriebliche Ersthelfer oder jede Ersthelferin nach Kontakten, die ihn oder sie einem unnötigen Ansteckungsrisiko aussetzen könnten. Das entband die Arbeitgeber allerdings nicht von ihrer Pflicht, um die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden besorgt zu sein. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Ersten Hilfe und die Aus- und Weiterbildung der Ersthelfer im Betrieb. So wie sich alle Meetings plötzlich telefonisch oder via Videokonferenzen abspielten, verlagerte sich auch die Aus- und Weiterbildung zeitweise vollständig ins Internet.

In der Ersten Hilfe gestaltete sich das jedoch etwas schwieriger. Das Erklären von theoretischen Aspekten und der Aufbau von Hintergrundwissen funktioniert. Aber eine erfolgreiche Reanimation, die Anwendung eines Defibrillators, das Stillen einer starken Blutung oder die Stabilisierung von Verunfallten lassen sich nur praktisch üben. Nur so kann man auf diese Erfahrungen im Notfall, unter Stress und emotionaler Erregung auch zurückgreifen. Aus genau diesen Gründen etablierte sich für Erste-Hilfe-Kurse das Konzept «Blended Learning».

BLENDED LEARNING FÜR DIE ERSTE HILFE Dieses Konzept ist nicht neu. Bereits seit den Achtzigerjahren gibt es computerbasierte Trainingsanwendungen, die mit gelegentlichem Präsenzunterricht oder


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Prüfungen im Präsenzverfahren kombiniert werden. Die Frage ist nun vielmehr: Wie lässt sich diese Idee für die Vermittlung von Erste-Hilfe-Themen optimal nutzen? Für den Bildungsanbieter bot sich ein dreistufiges Modell an: 1. In einem ersten Schritt können die Teilnehmenden verschiedene E-Learning-Module individuell absolvieren. Diese Module sprechen verschiedene Sinne und Lerntypen an, sind interaktiv gestaltet und beispielsweise mit Videosequenzen ergänzt. Kurze Tests stellen sicher, dass alles verstanden wurde, bevor es zum nächsten Modul geht. Die Module können die Teilnehmenden örtlich und zeitlich unabhängig absolvieren. Sie können die Schulung jederzeit unterbrechen und später wieder einsteigen. Es wird lediglich ein Zeitfenster definiert, in dem die Teilnehmenden auf diese Lernmodule zugreifen und sie absolvieren können – in der Regel werden dafür vier bis sechs Wochen reserviert. Das ist wichtig, damit alle Teilnehmenden koordiniert zum zweiten Schritt übergehen können. 2. Im zweiten Schritt stellen die Teilnehmenden via Webinar einem Dozenten ihre Fragen. Diese haben Erfahrungen im Rettungsdienst und lassen Praxisbeispiele einfliessen, um die theoretischen Inhalte mit tatsächlichen Vorfällen zu verknüpfen.

3. Erst im dritten Schritt ist Präsenzunterricht nötig, um die Theorie anhand von praktischen Fallbeispielen zu festigen. Wenn möglich, sollte dies in der gewohnten Arbeitsumgebung der Teilnehmenden durchgeführt werden. Das hilft, die Automatismen für das wahrscheinliche Einsatzgebiet in einem Notfall auf- und auszubauen.

VORTEILE GEGENÜBER PRÄSENZSCHULUNG Die Fallbeispiele der Dozenten ergänzen den Lernstoff optimal. Auch sonst bietet Blended Learning eine ganze Reihe von Vorteilen. Ein Hauptvorteil ist die Flexibilität. Der gesamte Theorieteil kann zu einer beliebigen Zeit im individuellen Lerntempo durchgearbeitet werden. Somit sparen die Teilnehmenden wertvolle Arbeitszeit und nutzen den Präsenzunterricht sehr effizient, da sie die Theorie bereits kennen. Durch die eingebaute Erfolgskontrolle im E-Learning ist sichergestellt, dass alle die Lernziele erreicht haben. Die Staffelung über eine etwas längere Zeit hat zudem den Vorteil, dass das Gelernte mehrfach repetiert wird und somit besser hängen bleibt, also nachhaltiger gelernt wird. Die Wahl, wann jemand am besten lernt, die hohe Konzentration während der E-Learning-Module und das Ansprechen verschiedener Lerntypen mit unterschiedlichen Medien helfen zusätzlich. Tatsächlich kann diese Lernmethode sogar dazu

beitragen, dass die Theorie deutlich besser in Erinnerung bleibt als durch reinen Präsenzunterricht. Auch erste – statistisch allerdings noch nicht gefestigte – Feedbacks aus Weiterbildungsinstitutionen zeigen, dass Zwischen- oder Abschlussprüfungen nach einem durchgängigen E-Learningoder Blended-Learning-Modul eher besser als schlechter ausfallen. Für einen via Blended Learning absolvierten BLS-AED-SRC-Kurs erhalten die Teilnehmenden nach Absolvierung aller drei Stufen ein offizielles Zertifikat.

POTENZIAL NACH DER PANDEMIE Für Christian Konrad, Leiter Services der Raiffeisenbank Münchwilen-Tobel, steht rund um die Erste Hilfe nicht nur die Sicherheit der eigenen Mitarbeitenden im Fokus, sondern auch jene der Kunden und Kundinnen. «Vor der Pandemie absolvierten wir unsere Erste-Hilfe-Kurse an ein oder zwei Abenden mit dem örtlichen Samariterverein», sagt er. «Dafür war die Planung schwieriger. Mit Blended Learning ist das etwas einfacher.» Für Christian Konrad war das Blended Learning ein Selbstläufer. Er erkannte auch, dass sich die Mitarbeitenden intensiv mit dem Thema auseinandersetzten und viele Fragen stellten. «Dass die Instruktoren von persönlichen Erfahrungen in der Praxis erzählten, hat den Teilnehmenden viele Hemmungen genommen», sagt Konrad. Viele Anbieter entwickelten ihre E-LearningModule und Blended-Learning-Konzepte aufgrund der Pandemie. Diese Konzepte und Lernformen haben aber so viele Vorteile, dass sie unabhängig von der Pandemie ein enormes Potenzial bieten und ihren Platz in der Bildungslandschaft wohl nicht mehr verlieren werden.

DANIEL BOLLIER ist operativer Leiter des Bereichs Notfallschulung und Training bei der Lifetec AG. Blended Learning: Verknüpfung von E-Learning und Präsenzunterricht.

www.lifetec.ch

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BUSINESS PORTRAIT

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Das zentrale Werkzeug von Simon Sagmeister ist die Culture Map.

ZUKUNFT IM BLICK

UNTERNEHMENSKULTUR ZIELGERICHTET GESTALTEN Interview mit Simon Sagmeister von Georg Lutz

Unternehmenskultur ist zunächst eine schwer greifbare Angelegenheit. Natürlich ist sie gerade in den aktuellen Umbruch- und Transformationsphasen wichtig. Aber wie kommen wir über oberflächliche Beschreibungen hinaus? Mit Simon Sagmeister vom The Culture Institute aus St. Gallen finden wir im folgenden Interview nicht nur zu dieser Frage Antworten.

D

as Thema Unternehmenskultur ist ein weites Feld. Als Sozialwissenschaftler steige ich gerne mit einem historischen Blick ein, da man die Unterschiede und Entwicklungen deutlicher aufzeigen kann. Ältere Menschen kennen noch alte Unter-

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nehmenskulturen, die auch damals von Technik und Arbeitsorganisation geprägt waren. Vor fünfzig Jahren war dies das fordistische Akkumulationsregime mit seinen Fliessbändern und der tayloristischen Arbeitsorganisation. Dies spiegelte sich dann auch in

den Büros wider. Die Unternehmenskultur war sehr hierarchisch organisiert. In den Achtzigerjahren stiessen diese Modelle an Grenzen. In der Automobilindustrie tauchten die ersten Schweissroboter auf und bei Volvo experimentierte man mit Fertigungsplatt-


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formen. Im Office gewannen Grossraumbüros an Bedeutung. Heute stehen wir mitten in der digitalen Transformation. Können Sie aus Ihrer Sicht die damalige Situation und die Übergänge skizzieren? Was Sie ansprechen, spiegelt die zentralen Herausforderungen von Unternehmen in unseren Breitengraden wider. Daraus ergibt sich dann auch die Beantwortung der Frage, warum Unternehmenskultur so ein wichtiges Thema ist. Noch vor zwanzig Jahren, als ich studiert habe, war das Thema Kultur in Unternehmen ein Nischenthema. Die Verantwortlichen setzten es beispielsweise ein, um den rhetorischen Rahmen für ein Sommerfest zu gestalten. Mit dem Thema Unternehmenskultur hätten Sie damals nie einen Vorstandstermin bekommen. Demgegenüber erlebe ich heute jeden Tag, wie Vorstände ihre Unternehmenskultur prägen und bewusst gestalten wollen. Wo liegen hier die Gründe? Hier gilt es, mindestens zwei Antworten zu geben. Erstens sind es die gestiegenen Anforderungen an die Funktionalität des Unternehmens. Und zweitens geht es um die gestiegenen Anforderungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und was bedeutet dies konkret? Ich kann heute ein Unternehmen nicht mehr wie im Zeitalter von Henry Ford mit seinen tayloristischen Prozessen führen. Damals wusste der Chef – Chefinnen gab es damals noch kaum – auf allen sehr klaren Hierarchiestufen, wo es langging. Zusammengefasst ging das so: Wenige machen den Plan, alle halten sich an die Vorgaben und dann ist alles gut. Das ist aber keine lernende Organisation, die es heute dringend braucht. In der VUCAWelt (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity) ist die wichtigste Erfolgsgrösse die Steilheit der Lernkurve. Letztendlich geht es darum, schnell zu lernen – und nicht nur an der Spitze. Die Organisation muss als Ganze agil, resilient und anpassungsfähig sein. Solch ein Modell kann ich nicht mit Kommando und Kontrolle führen. Im Gegenteil, ich muss einen Organismus aufbauen, der selbst lebensfähig ist. Und entscheidend ist dabei, an welchen Werten sich dieser Organismus orientiert. Aus diesem Grund steuern Unternehmensverantwortliche heute mehr über die Unternehmenskultur als über direkte Interventionen.

Und die zweite Antwort? Diese bezieht sich auf den Anspruch der Menschen, die in Unternehmen arbeiten. Wenn wir uns anschauen, welches die beliebtesten Arbeitgeber sind, und daneben eine Liste mit jenen Unternehmen legen, die am meisten bezahlen, dann sehen wir, dass die Korrelation gering ist. Es zeigt sich, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Unternehmenskultur ein ganz wichtiger Faktor ist. Gerade die fähigsten Köpfe fragen sich immer wieder: Will ich dort wirklich arbeiten? In einer fordistischen Fabrik würde von denen niemand mehr arbeiten wollen. Kultur ist auch auf dieser Seite ein Schlüsselthema, um als Unternehmen erfolgreich zu sein. Das hört sich auf der einen Seite sehr smart an. Wir müssen zwar sehr viel mehr lernen, haben gleichzeitig aber mehr Freiheiten und mehr Eigenverantwortung, können mehr in Teams agieren und haben flachere Hierarchien. Aber sieht das in der Praxis nicht ganz anders aus, ist das nicht ein Wunschbild von Unternehmensberatern? In der Praxis hat man plötzlich wieder den

Chef als klassischen Patron vor sich, der alles unter Kontrolle haben will. Diese Denke ist doch nicht verschwunden. Auf der anderen Seite gibt es auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich anlehnen wollen. Sie brauchen einen klaren Rahmen und einen Chef, der ihnen zeigt, wo es langgeht. Viele etablierte Organisationen kommen im Vergleich zu den neuen Playern aus dem Industriezeitalter – etwas spöttisch könnte man sagen, sie stammen alle aus dem letzten Jahrtausend. Auch agieren Arbeitnehmer und Arbeitgeber häufig noch in den von Ihnen geschilderten Mustern. Und das gilt nicht nur für Unternehmen. Unsere Schulen, Universitäten oder das Militär agieren ja nicht gerade in flachen Hierarchien und stammen in Teilen von ihren Grundstrukturen her aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ja, sie haben uns fast alle geprägt. Auf der anderen Seite kommen jetzt neue Unternehmen und andere Organisation auf den Markt, die beispielsweise Freiheit über Sicherheit stellen, und das färbt auf die alten Organisationen ab. Lassen Sie es mich

Unternehmenskultur ist laut Simon Sagmeister viel mehr als ein Projekt.

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DIE CULTURE MAP Durch eine Culture Map wird Kultur griffig und konkret. Sie erklärt die sichtbaren Manifestationen und auf welche Grundlagen diese zurückzuführen sind. Wieso wurde die gemeinsam beschlossene Strategie nicht umgesetzt? Welche Überzeugungen leiten den Kundenkontakt? Ist für die Mitarbeiter Schnelligkeit oder Gründlichkeit von höherem Wert? Wie werden Verände­ rungen wahrgenommen? Wie ist die Einstellung gegenüber der Konkurrenz? Welche Motive veranlassen die Mit­arbeiter, mit ganzem Herzen den Erfolg zu suchen und neue Innovationen voranzutreiben? Unternehmen gewinnen mit der Culture Map ein gemeinsames Verständnis und erhalten Antworten auf Fragen statt individueller Mutmassungen. Die Culture Map gibt Menschen eine Sprache und ein Vokabular an die Hand für das, was normalerweise nur vage beschrieben werden kann. Dadurch können Probleme an der Wurzel gepackt werden, statt nur Symptome zu behandeln. Die sieben Culture-Map-Felder fassen jeweils gewisse Kultureinheiten zusammen. Der Aufbau des Modells orientiert sich an Erkenntnissen der kulturellen Evolution. Von Violett bis Aqua finden die Kulturen mit jeder Stufe immer komplexere Lösungen für ihre Herausforderungen. Gleichzeitig zeigt die Culture Map ein Wechselspiel zwischen gruppenorientierten, stabilisierend wirkenden Werten auf der rechten Seite und individualistischen, dynamisierend wirkenden Werten auf der linken Seite. Dabei sei gesagt: Die Welt der Organisationskulturen ist bunt! Niemals kommt nur eine Farbe in Reinform vor. In jedem Unternehmen, in jeder Abteilung, in jedem Team sind Elemente aller sieben Farben enthalten.

mal auf den Punkt bringen: Allein mit dem Versprechen, 20 Jahre den gleichen Job machen zu können, bekommt man doch heute keine guten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr. Ohne Frage finde ich die neue Freiheit in den Co-Working-Center, die gerade wie Pilze aus dem Boden schiessen. Aber finde ich diese neue Welt auch in einer alten Versicherung aus dem zwan-

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zigsten Jahrhundert? Wo stehen wir bei dieser Entwicklung? Ist das noch Nische oder schon Mainstream? Wir sind auf dem Weg in den Mainstream. Wenn Sie heute in eine Bank oder Versicherung gehen, sehen Sie auch schon Bereiche, die wie Co-Working-Spaces aussehen. Zugegeben oft sind noch nicht alle davon betroffen. Aber der Trend ist klar. Vor zwanzig Jahren gab es die vielen Einzelbüros mit den grauen Gängen noch. Heute sind sie weitgehend verschwunden. Lassen Sie uns in die Realität Ihrer Praxis springen. Aus welchen Gründen wollen Unternehmensverantwortliche ihre Unternehmenskultur verändern oder verbessern? Braucht es dazu ein Ereignis, vielleicht sogar eine Kata­ strophe? Wir kennen das aus der Politik: Nach Fukushima steige ich aus der Nutzung der Atomenergie aus. Veränderung braucht auf jeden Fall Energie. Hier gibt es nun zwei mögliche Szenarien. Das eine Szenario könnte man mit dem Leitsatz «Fighting the Dragon» beschreiben. Wir müssen uns verändern, sonst haben wir ein Problem. Das andere Szenario läuft unter dem Motto «Winning the Princess». Das beruht auf einem positiven Zukunftsbild. Wir verändern die Welt und orientieren uns an Apple und nicht an Kodak. Das vermittelt nach innen und aussen positive Energie. Das muss aber nicht auf einen Schlag geschehen. Es lassen sich sehr unterschiedliche Beispiele von Kulturentwicklung anführen. Es gibt viele Unternehmen, die sich über Jahrzehnte und Generationen kontinuierlich kulturell fit halten. Sie arbeiten ganz bewusst und ständig an ihrer Unternehmenskultur. Das erinnert an die persönliche Fitness. Wer hier kontinuierlich arbeitet, erspart sich oft eine Notoperation. Gibt es, wenn Sie mit einem Unternehmen arbeiten, verallgemeinerbare Arbeitsschritte? Ja, da gibt es Gemeinsamkeiten. Im ersten Schritt blickt man auf die heute vorherrschende Kultur. Man reflektiert, wie wir als Unternehmen ticken. Die Kulturmuster sind ja nicht vom Himmel gefallen, sondern bestehen über einen längeren Zeithorizont im Unternehmen. Häufig sind sie die Erfolgsrezepte der Vergangenheit. Da sind auch viele positive Momente dabei und diese müssen wertschätzend verstanden werden.

Sie setzen nicht auf disruptive Momente, bei denen alte Strukturen zerschlagen und dann neu aufgesetzt werden? Da möchte ich an den alten St. Galler Management-Grundsatz der Stärkenorientierung erinnern. Es ist immer gefährlich, auch bei der Unternehmenskultur, Stärken abzuschneiden. Im Rahmen des zweiten Schrittes geht es daher zuerst um den Blick nach aussen. Was passiert eigentlich um uns herum? Beim dritten Schritt steht dann die Frage im Vordergrund: Was braucht es, um in der Zukunft gut aufgestellt zu sein? Daran schliessen sich konkrete Massnahmen an. Dabei geht es um zwei Ebenen, die systemische und die individuelle. Auf der systemischen Ebene hat man die grossen Hebel zur Verfügung. Das sind häufig die «klassischen» HR-Themen, zum Beispiel «Wie entlohne ich?» oder «Nach welchen Kriterien wird befördert?».

«Die Organisation muss als Ganze agil, resilient und anpassungsfähig sein.» Die zweite ist die persönliche Ebene. Menschen machen täglich Kultur, durch ihre Haltungen und ihre Handlungen. Als aktive Kulturbeweger können sie die Entwicklung bewusst und zielgerichtet mitgestalten. Dafür gilt es, Erkenntnis, Energie und Knowhow zu schaffen. Es braucht aber sicher einen Monitoring-Prozess? Es ist hier wichtig, die operativen Schritte immer wieder zu bewerten. Es braucht die schonungslose Aufklärung darüber, was Erfolg auslöst und wo ich Misserfolge sehe. Das kann ich dann an qualitativen und quantitativen Faktoren festmachen. Wir erleben manchmal, dass man das Gefühl hat, in einem fahrenden Zug zu sitzen.


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Man spürt kaum, wie er fährt, und trotzdem kommt man gut voran. Das merkt man an Menschen, die das Unternehmen ein, zwei Jahre verlassen haben und dann wiederkommen. Sie sind dann oft erstaunt und sagen sich: «Mensch, da hat sich ja einiges verändert.» Gibt es eigentlich Branchenunterschiede bei Veränderungen? Nehmen wir mal die digitale Transformation als Beispiel. So kann man sich in der Baubranche etwas mehr Zeit lassen als bei uns in der Medienbranche. Oder stimmt das gar nicht? Ich bin da nicht sicher, ob es von Vorteil ist, mehr Zeit zu haben. Es gibt ja das berühmte Bild vom Frosch im Wasser. Wenn Sie einen Frosch in heisses Wasser werfen, springt er sofort raus. Erhöhen Sie langsam die Temperatur, bleibt er stoisch sitzen. Unternehmensverantwortliche finden mit viel Fantasie immer wieder Erklärungen, warum sicht- und spürbare Veränderungen nur vorübergehend sein sollen und eigentlich alles wieder so wird, wie es war. Etwas Druck schadet nicht, weil man sich dann eher auf die Veränderungsreise begibt. Fast das schlimmste ist es daher, in Zeiten der eigentlich notwendigen Veränderung noch hohe Gewinne zu schreiben. Da hat man schnell schlagende Argumente zur Hand, gar nichts zu verändern. Man schreibt in der Gegenwart Gewinne, die aus der Vergangenheit begründet sind. Das gesamte Umfeld verändert sich aber und man wacht dann in fünf Jahren böse auf. Denn der Gewinn ist eine nachgelagerte Steuerungsgrösse. In Zeiten des Wandels kann es auch sein, dass Erfahrung nicht immer der beste Ratgeber ist. Denn sie zeichnet einen Weg vor, der eben vielleicht nicht mehr funktioniert. Etwas zynisch könnte man sagen: Die deutsche Autoindustrie hatte gegenüber Tesla einen 100-jährigen Erfahrungsnachteil! Ist der gemanagte Veränderungsprozess, den Sie hier geschildert haben, nicht nur für grosse Unternehmen? Es ist auch für einen kleinen Handwerksbetrieb wichtig, wie die Organisation tickt. In kleinen Unternehmen hat man den Vorteil, dass man sich rasch ein gemeinsames Bild machen und die Entwicklung gemeinsam gestalten kann.

Trotz vieler notwendiger Veränderungen dürfen nach Simon Sagmeister Stärken nicht abgeschnitten werden.

BUSINESS CULTURE DESIGN Gestalten Sie Ihre Unternehmenskultur mit der Culture Map von Simon Sagmeister 214 Seiten, 34.95 Euro ISBN 978-3-593-50598-5 Campus Verlag

Unternehmenskultur ist auch nie nur ein Projekt. Diese Verwechslung gibt es häufiger. Die Entwicklung des Unternehmens hat keinen Zeithorizont und ist nie abgeschlossen. Ich vergleiche die Bearbeitung einer Unternehmenskultur mit dem Job eines Landschaftsgärtners. Er arbeitet kontinuierlich und zu jeder Jahreszeit. Aber er agiert indirekt. Wachsen müssen die Pflanzen selber. Was sagt uns der Umgang mit der Pandemie über Unternehmenskultur aus? Da lassen sich unterschiedliche Phasen skizzieren. Zunächst mussten wir vor anderthalb Jahren alle ins Home Office. Ich kenne viele Unternehmensverantwortliche, die da sehr skeptisch bis pessimistisch waren, ob das funktioniert. Man hat es aber machen müssen. Dann, als sich ihre schlechten Vorhersagen nicht bewahrheitet hatten, kam die Honeymoon-Phase. Über einige Monate dachten sie: Klasse das funktioniert doch super. Im Herbst letzten Jahres erlebten viele eine schmerzhafte Katerphase. Man hat realisiert, dass Remote-Arbeiten im Dauerzustand nicht funktioniert. Zum Beispiel leidet der Zusammenhalt bzw. die gemeinsame Orientierung. Und auch das Lösen von Konflikten

BUSINESS PORTRAIT

fällt viel schwerer. Der Betrieb lief im eingespielten Modus weiter recht gut. Wirklich wichtige Sachen blieben aber liegen. Momentan sind wir an einem spannenden Punkt: Wir kommen in Teilen aus dem Home Office zurück und haben gelernt, was Technologie alles kann und was sie (noch) nicht kann. Jetzt können wir unsere Zusammenarbeit neu definieren und die Zukunft bewusst gestalten. Was für eine Möglichkeit!

SIMON SAGMEISTER ist Autor von BUSINESS CULTURE DESIGN und Urheber des CultureMap-Ansatzes. Er ist Gründer und Geschäftsführer am The Culture Institute in St. Gallen und Partner am Science House New York. www.culture.institute

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KOLUMNE

ORT DER ZUGEHÖRIGKEIT von Pirjo Kiefer

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chon vor der Pandemie haben wir dank der Digitalisierung die Möglichkeit gehabt, überall zu arbeiten. Doch wir haben alle schnell gemerkt, was uns zu Hause allein am Schreibtisch fehlt – der spontane Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit, gemeinsam an Ideen zu spinnen, und der soziale Klebstoff, der uns verbindet und die Gemeinschaft eines Unternehmens trägt. Mitarbeitende wollen die Gemeinschaft spüren, Teil von etwas Grösserem sein und ihren eigenen Beitrag sichtbar machen. Nicht für individuelle, konzentrierte Tätigkeiten kommen Angestellte heute ins Büro – sie werden sich auf den Weg machen, weil sie ihren Kolleginnen und Kollegen begegnen wollen und ganz nebenbei Neues erfahren und lernen möchten. Wenn wir remote arbeiten, brauchen wir geplante Besprechungen, um Wissen weiterzugeben. Im Büro passiert das im Vorbeigehen: Wissen aufschnappen und weitergeben. Genau das passiert im Club Office, welches wir kürzlich in unserem Headquarter in Basel eingerichtet haben. Es ist eine Weiterentwicklung unseres Citizen Office. Auch in diesem Konzept – wie in manch anderen auch – wurde Wert auf informellen Wissensaustausch gelegt und es wurden entsprechende Angebote wie Cafeterien und Lounges eingeplant. Das Vitra Club Office zeichnet sich durch eine offene, einladende Atmosphäre aus. Zugleich ist seine Ausstattung funktional durchdacht, sodass jeder Platz als produktiver Arbeitsort genutzt werden kann. Die «Mitglieder» – also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und externe Partnerinnen und Partner – finden eine ganze Reihe von unterschiedlichen räumlichen Szenarien vor, aufgeteilt in einen öffentlichen und einen halböffentlichen Bereich. Der Club bietet zahlreiche unterschiedliche Arbeitsmöglichkeiten auf wenig Fläche – unser Vitra Club ist keine 300 Quadratmeter gross. Im öffentlichen Bereich treffen die Mitglieder spontan aufeinander, sie tauschen sich aus, debattieren und lernen voneinander. Hier steht die Bar im Mittelpunkt, flankiert von bequemen, einladenden Möbeln wie die Sofasysteme Soft Work oder Alcove Plus – beide wurden den Bedürfnissen von Post-Covid-Büros

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angepasst. Dieser erste Teil ist das Herzstück des Clubs und fördert den Aufbau von kollektivem Wissen und Wohlbefinden – deshalb wurde hier bewusst auf zu viel Technik verzichtet. Man könnte also sagen: vom Fokus auf die Produktivität zum sozialen Aspekt der Kraft eines produktiven Kollektivs. Der zweite, halböffentliche Bereich ist der formellen Zusammenarbeit gewidmet. Mitglieder kommen geplant in buchbaren Räumen zusammen, um an Projekten zu arbeiten. Dank flexibel einsetzbarer Möbel wie der Dancing Wall kann ein Raum schnell und einfach umgebaut werden – bei Bedarf auch mehrmals täglich. Diese Umgebung ist konzipiert für Workshops und produktive Teamarbeit. Die Clubmitglieder bauen ihr Umfeld selbst, um das Problem des Tages oder der Woche zu lösen. Ein dritter, privater Teil des Club Office besteht aus wenigen Arbeitsplätzen, an die man sich zurückziehen kann – aber er inkludiert auch das Home Office, das sich für viele im letzten Jahr für konzentrierte Einzelarbeit als geeignet erwiesen hat. Die Fernarbeit und mit ihr ein gut ausgestattetes Home Office sind aus diesem Grund integrativer Bestandteil der Club-Office-Idee. Das Club Office erfüllt zwei sich abzeichnende Anforderungen: Es ist in hohem Masse skalierbar und flexibel und es ermöglicht einem Unternehmen, seine Identität und seine Werte in einem Raum sichtbar zu machen. Das Konzept passt – in unterschiedlichen Ausprägungen – zu allen Unternehmen und Organisationen. Selbst Startups, die das digitale Arbeiten eigentlich gewohnt sind, erkennen den Raum als Motor für Innovation und wesentliches Element, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu halten und an sich zu binden.

PIRJO KIEFER ist Leiterin des Consulting & Planning Studio bei Vitra. www.vitra.com


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Es stellt sich die Frage nach den zukünftigen Plattformen, auf denen Einkäufer unterwegs sind.

ALLTAG IM WANDEL

GESCHÄFTSBEZIEHUNGEN WERDEN DIGITALER von Christian Iten

Die Impfaktion der Schweiz gegen das Corona-Virus verspricht eine Rückkehr zur Normalität in vielen Lebensbereichen. Im Geschäftsalltag der Schweizer KMU hinterlässt Corona aber langfristig Spuren. Laut Peter F. Schmid, CEO von Visable, wird der pandemiebedingte Digitalisierungsschub Mitarbeitenden von Schweizer KMU nicht nur häufiger die Arbeit im Home Office ermöglichen, sondern die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen unterhalten, nachhaltig verändern.

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isable, ein spezialisiertes Unternehmen mit einzigartigem Knowhow und umfassender Erfahrung beim digitalen Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen im KMU-Bereich, konnte auf den Plattformen wlw (ehemals «Wer liefert was») und EUROPAGES ab Ausbruch der Pandemie eine massive Steigerung der Zugriffe beobachten. In Anbetracht wegbrechender Lieferketten haben Einkäufer die Plattformen intensiver genutzt, um neue Lieferanten zu finden. Im Schnitt wuchs der Traffic 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent an – ein Trend, der sich auch 2021 fortsetzt.

TOOLS ERSETZEN GESCHÄFTSREISEN Peter F. Schmid geht davon aus, dass der Handel zwischen den Unternehmen künftig digitaler wird. Während der Pandemie haben digitale Videokonferenz-Tools wie Zoom und Skype einen regelrechten Hype erlebt. Schmid rechnet damit, dass Geschäftsreisen und persönliche Meetings vor Ort künftig vermehrt wegfallen.

SCHUB MIT KRAFT Visable hat während der Pandemie mehrere Umfragen unter Schweizer KMU durchgeführt. Es hat sich gezeigt, dass digitale Tools grundsätzlich eine wichtige Hilfe bei der Bewältigung der Pandemie waren – zum Beispiel Cloud-Systeme, Webinare oder digitale Plattformen für das Finden von Lieferanten. «Corona hat dazu beigetragen, dass die Digitalisierung bei Schweizer KMU einen Schub erlebt hat», sagt dazu Peter F. Schmid, CEO von Visable. Das betrifft auch den Vertrieb und das Marketing: Immer mehr Unternehmen nutzen die Möglichkeit, ihr Angebot auf Online-Plattformen zu präsentieren.

EIN AUSLAUFMODELL

Peter F. Schmid setzt auf digitale Lösungen.

Die zunehmende Digitalisierung von Handelsbeziehungen führt auch zu einem Rückgang der Bedeutung stationärer Messen. In der Zeit vor der Pandemie stagnierten die Besucherzahlen vielfach be-

reits oder waren gar rückläufig. Die Krise führte zur Absage zahlreicher internationaler Leitmessen. Es ist fraglich, ob diese wieder in früherem Umfang stattfinden werden. Peter F. Schmid ist überzeugt: «Jede vierte Messe wird die nächsten zwei Jahre nicht überleben.»

AUSTAUSCH VON EXPERTENWISSEN Zwar räumt auch Schmid ein, dass das Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Austausch und Networking weiterhin bestehen bleibt. Jenseits des digitalen Raums würde dieses jedoch vermehrt in Fachkonferenzen und Summits überführt. «Mittelfristig werden auch traditionelle Branchen auf digitale Optionen setzen müssen, um zukunftsfähig zu bleiben», so der CEO.

CHRISTIAN ITEN ist Marketing- und Kommunikationsberater / Projektleiter bei PULSCOM ! www.visable.com

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Es gilt, einen gemeinsamen Prozess des Lernens zu entwickeln.

BEST PRACTICES

HYBRID WORKING PROFITIERT VON BLENDED-LEARNING-KONZEPTEN von Emma Gerdes

Hybrid Working wird bleiben und weite Kreise strategischer Veränderungen nach sich ziehen: Bestehende Vorgaben der Leistungsbewertung gelten nicht mehr und vorhandene Strukturen zur beruflichen Weiterentwicklung müssen neu justiert werden. Sechs Best Practices zeigen, wie das Konzept des Blended Learnings auf unterschiedlichen Ebenen die Entwicklung von Hybrid-Working-Umgebungen effektiv unterstützen kann.

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unächst stehen Führungskräfte vor der Aufgabe, wie sie dezentrale Teams effizient koordinieren und die Kluft zwischen den Kollegen vor Ort und denen im Home Office vermeiden können. Und für jeden einzelnen Mitarbeiter wird es zur Herausforderung, im virtuellen Umfeld seine berufliche Rolle, Wertschätzung und Weiterentwicklung neu zu definieren.

Remote Work negativ auf ihre Karriere auswirkt: 61 Prozent sagen, dass sie weniger Möglichkeiten haben, sich mit Kollegen und Führungskräften zu vernetzen, über die Hälfte fühlt sich abgeschnitten von der Organisation und den Kollegen. Und 52 Prozent sehen ihre Position gefährdet, wenn ihr Unternehmen aufgrund von Hybrid-Working-Strukturen global Talente rekrutiert.

Laut einem aktuellen Bericht des Capgemini Research Institute befürchten 54 Prozent der Mitarbeiter in Unternehmen, dass sich

Dies sind durchaus ernstzunehmende Ängste, auf die Unternehmen und ihre Führungskräfte nachhaltige Antworten finden

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müssen, damit die Organisation insgesamt nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Denn: Drei Viertel der Unternehmen erwarten, dass 30 Prozent oder mehr ihrer Mitarbeiter aus der Ferne arbeiten werden, und mehr als ein Viertel geht davon aus, dass über 70 Prozent auch künftig Remote Working nutzen. Gleichzeitig zeigt der CapgeminiBericht, dass sich mehr als die Hälfte der Mitarbeiter im Home Office ausgebrannt fühlt. Bei Mitarbeitern im Alter von 31 bis 40 Jahren steigt dieser Wert sogar auf 61 Prozent.


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Moderne Lernplattformen unterstützen den Austausch.

Wird Arbeit ortsunabhängig, braucht es ebensolche Strukturen für die Entwicklung von Teams und Talenten beziehungsweise von Kompetenzen und beruflichen Perspektiven. So zeigt eine Studie von StepStone, dass neben dem Gehalt und der Möglichkeit für flexibles Arbeiten die Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die Unternehmenskultur und sinnhafte Aufgaben zu den fünf wichtigsten Kriterien gehören, die Mitarbeiter an ein Unternehmen stellen. Technologisch rücken hier Blended-Learning-Plattformen in den Fokus, die digitales Lernen sowie das Qualifizierungs- und Weiterbildungsmanagement mit Präsenztrainings verbinden. Doch es geht nicht nur um den reinen Wissenstransfer. Blended Learning als Prinzip ist auch ein strategisches Werkzeug für Unternehmen, um den Risiken und Ängsten, die mit Hybrid Working verbunden sind, effizient zu begegnen und ihre Unternehmenskultur entsprechend weiterzuentwickeln. Dies ist nicht zu unterschätzen, wie die StepStone-Studie zeigt: Neun von zehn Mitarbeitern schauen bei der Unter-

nehmenskultur ganz genau hin – und stellen ihrem Arbeitgeber ein schlechtes Zeugnis aus: Gerade einmal 18 Prozent behaupten, ihr Unternehmen punkte mit einer attraktiven Corporate Culture. Aus der Projektpraxis von Rise Up mit Blended-Learning-Lösungen zeigen sich dafür die folgenden sechs wichtigsten Best Practices: 1. Talente nicht verlieren: Zunächst braucht Hybrid Working HybridLearning-Konzepte. Viel diskutiert wird derzeit die Gefahr, dass durch hybride Arbeitsmodelle eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Unternehmen entsteht, durch die die Mitarbeiter im Home Office in ihren Karrierechancen benachteiligt werden. Wichtig ist daher, den Mix an digitalen und physisch präsenten Arbeitsprozessen auch in den Trainings- und Weiter­ bildungsangeboten abzubilden. Haben alle Beteiligten über einheitliche Blended-LearningPlattformen den gleichen Zugang zu individuellen Entwicklungsplänen

ihrer beruflichen Qualifikation, ist ein wichtiger Baustein der Gleichbehandlung für weitere Karriere­ schritte geschaffen – so fallen auch Talente in Hybrid-WorkingUmgebungen nicht durchs Raster. 2. Innovationsfähig bleiben: Digitalisierte Werkzeuge für Führungskräfte sind eine wichtige Grundlage für die Mitarbeiter­ entwicklung. Mit dezentralen Mitarbeitern sind Führungskräfte stärker auf digitalisierte ManagementWerkzeuge angewiesen, um die berufliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter mit individuellen Plänen zu fördern, Trainingsfortschritte und Ziele abzustimmen und in der Gesamtsicht auf die Teams die nötigen Kompetenzen zu steuern, die für Innovationsfähigkeit und geschäftlichen Erfolg erforderlich sind. Hier unterstützen BlendedLearning-Plattformen, die in Lernmanagementsysteme eingebunden und mit den bestehenden Unternehmenssystemen – insbesondere für das Personalmanagement und

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Innovation braucht Vertrauen.

Enterprise Resource Planning (ERP) – kompatibel sind. So wird Weiter­ bildung ein durchgängiger Prozess zwischen individuellen Ent­wicklungszielen und unter­ nehmerischen Anforderungen. 3. Teambildung stärken: Hybrid Working benötigen vielfältige Räume zur sozialen Interaktion. Wie wichtig der Austausch mit Kollegen und Spass abseits der eigentlichen Arbeit ist, zeigen nicht nur Studien­ ergebnisse wie etwa von Xing, sondern auch die durchaus kreativen «Socializing»-Videocall-Formate, die viele Teams für sich entwickelt haben: von Walk-and-Talk über Freitags-Feierabend-Calls bis hin zu separaten Intranet-Foren für den informellen Austausch. Eine Weiter­ bildung in Hybrid-Working-Um­ gebungen kann diese Bedürfnisse umfassend berücksichtigen und einbeziehen – beispielsweise mit Gamification-Funktionen in BlendedLearning-Angeboten, um die Interaktion der Kursteilnehmer bei den digitalen Lernmodulen zu fördern, etwa mithilfe von Quiz-­ Formaten, Wettbewerben oder Communitys. So wird Lernen zu einem Weg, um Inspiration, Motivation und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu einem Team und einem Unternehmen zu pflegen und zu fördern und gleichzeitig Kompetenzen und Fähigkeiten zu erweitern. 4. Den eigenen Weg entwickeln: Lernprozesse im Rahmen von Hybrid Working sollten als Merk-

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punkt ganz oben auf der Agenda stehen. Den optimalen Umgang mit Hybrid Working muss jedes Unternehmen für sich finden, ein «One-fits-all» gibt es nicht. Hier die geeigneten Standards und Regelungen zu definieren, um produktiv zu sein und eine Vertrauens­ kultur zu schaffen, kann nur in einem gemeinsamen Prozess des Lernens entwickelt werden. Um dies anzustossen, weiterzuführen und mit neuen Technologien und Prozessen zu beleben, können sich Unternehmen Blended-LearningKonzepte zunutze machen – und so Zusammenarbeit, Ideenentwicklung und Wissensvermittlung auf digitalem und physisch präsentem Weg zu einer produktiven Norma­ lität gestalten. 5. Silos verhindern: An diesem Punkt gilt es, Transparenz zu thematisieren. Talente brauchen abteilungsübergreifende Einblicke. Die Herausforderung, Talente zu halten oder zu rekrutieren, ist nicht neu, aber durch dezentrales Arbeiten grösser geworden. Genauso ist es für Mitarbeiter schwieriger, sich für weitere Karriereschritte über Abteilungsgrenzen hinweg zu vernetzen. Berufliche Perspektiven zu bieten, heisst für Unternehmen daher nicht nur, die formal nötigen Weiterbildungsangebote anzu­ bieten. Wichtig ist auch, Mitarbeitern in hybriden Arbeitsumgebungen Wege für Perspektiven in neuen Aufgabenfeldern und Abteilungen zu öffnen. Daher sollten Blended-

Learning-Programme insbesondere auch genutzt werden, um ver­ schiedene Verantwortungsbereiche und Teams in Verbindung zu bringen und den Austausch zu fördern. 6. Onboarding beschleunigen: Neue Mitarbeiter brauchen digitale Mentoring-Programme. Der Onboarding-Prozess neuer Mitarbeiter im Unternehmen oder in Teams beruhte bislang vor allem auf dem täglichen Miteinander und Austausch vor Ort. Viele Fragen konnten häufig schnell zwischen Kollegen geklärt werden, ob am Arbeitsplatz, in Meetings oder in der Kaffeeküche. Fällt dies in weiten Teilen weg, müssen andere Lösungen gefunden werden – virtuelle Videocalls genügen nicht. Hier sind moderne Lernplattformen gefragt, die insbesondere auch digitale Mentoring-Programme unter­ stützen und – auch informell – auf allen Ebenen einen Prozess des Austausches sowie des gegenseitigen Kennen- und Schätzen­lernens ermöglichen.

KLEINES FAZIT Die vermeintlich plötzliche Umstellung auf Hybrid Working hat nur eine Entwicklung beschleunigt, die in vielen Branchen bereits verbreitet ist: die Anforderung, in dezentralen Teams und mit externen Partnern über geografische Entfernungen und sogar Zeitzonen hinweg erfolgreich zusammenzuarbeiten, Vertrauen zu schaffen und innovativ zu sein. Die praktische Umsetzung war bislang oft den Betroffenen selbst überlassen. Nun gilt es für Unternehmen, systematisch Strukturen zu schaffen – für eine Organisation, deren Wettbewerbsstärke und Innovationsfähigkeit nicht zwingend von einem zentralen Arbeitsort abhängt.

EMMA GERDES ist Country Manager Germany von Rise Up in München. www.riseup.ai


KOLUMNE

AUFFANGEN IN KRISENZEITEN von Daniel Schwander

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er Sommer ist vorbei. Wer konnte, nutzte diese letzten Wochen, um die Pandemie bereitwillig hinter sich zu lassen. Aus wirtschaftlicher Sicht völlig zurecht: Die Konjunktur erholt sich schneller als erwartet. Aber viele Unternehmen werden das letzte Jahr trotzdem noch lange spüren. Denn die Corona-Krise schwebt nach wie vor wie ein Damoklesschwert über dem Schicksal vieler KMU. Die prophezeiten Massenentlassungen und -konkurse blieben hierzulande glücklicherweise aus – auch dank der raschen Vergabe von Hilfskrediten im Frühling 2020. Die Bürgschaftsgenossenschaften spielten bei deren Vergabe eine Schlüsselrolle und werden auch in den nächsten Monaten einen entscheidenden Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung beitragen. Die Bürgschaftsgenossenschaften entwickelten sich vor rund 100 Jahren als Selbsthilfeorganisationen des Gewerbes. Wir sind als einzige offiziell vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) anerkannt und unser Ziel ist es, KMU den Zugang zu Krediten zu vereinfachen. Viele kleine und mittlere Unternehmen haben Schwierigkeiten, die Sicherheiten aufzubringen, um bei einer Bank einen Kredit zu beantragen. Gerade in Krisen wie der aktuellen Pandemie sind Kredite jedoch essenziell, um das Geschäft weiterführen zu können. An diesem Punkt kommen wir Bürgschaftsgenossenschaften ins Spiel. Wir verbürgen uns bei den Banken, um im Falle eines Zahlungsausfalls die Rückzahlung eines Kredits zu gewährleisten. So konnte in den vergangenen Jahrzehnten unzähligen KMU der Zugang zu Kapital ermöglicht werden. Die Corona-Krise im Frühling 2020 stellte das genossenschaftliche Bürgschaftswesen vor eine grosse Herausforderung. Wir arbeiteten zusammen mit dem SECO und den Banken unter Hochdruck an einer unbürokratischen und schnellen Lösung. Innert weniger Wochen war das Konstrukt für die Kreditvergabe auf der Plattform EasyGov.swiss startbereit und traf bei der Lancierung am 26. März 2020 auf eine immense Nachfrage. Praktisch über Nacht erhöhte sich das verbürgte Kredit­

volumen um den Faktor 56: von 300 Millionen auf über 17 Milliarden Franken! Das Angebot wurde aktiv genutzt – und nur selten missbräuchlich ausgenutzt, auch wenn es in den Medien zeitweilig den Anschein hatte: Die Eidgenössische Finanzkontrolle verweist in ihrem Jahresbericht 2020 auf einen Anteil von 1.8 Prozent des Bürgschaftsvolumens, bei dem «konkrete Hinweise auf Verstösse» vorliegen – notabene «Hinweise», keine erwiesenen Betrugsfälle. Auch die Kreditausfälle bewegen sich auf niedrigem Niveau. Die Bürgschaftsorganisationen honorierten nur für 1.25 Prozent der ausbezahlten Kredite die Bürgschaft. Zu Beginn der Pandemie rechnete das SECO noch mit Ausfällen von 15 Prozent. Hingegen wurden mehr als 17 Prozent der Kredite bereits wieder vollständig zurückbezahlt – und das in wirtschaftlich weiterhin schwierigen und unsicheren Zeiten. Gut ein Jahr nachdem die letzten Hilfskredite vergeben wurden, lässt das eine sehr positive Zwischenbilanz zu. Die Pandemie ist aber noch nicht überwunden und viele Unternehmen kämpfen weiterhin ums Überleben – die vergangenen 16 Monate haben dabei gezeigt, dass Bürgschaftskredite dazu beitragen, die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern. Sie werden auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen, um KMU in anspruchsvollen Zeiten zu unterstützen. Ich bin stolz, dass die Bürgschaftsgenossenschaften zusammen mit Banken, dem SECO und zahllosen Unternehmerinnen und Unternehmern an einem Strang ziehen und Positives für die Schweizer Wirtschaft bewegen.

DANIEL SCHWANDER ist Geschäftsführer der BG OST-SÜD. www.kmu-buergschaften.ch

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MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Die Vorteile, aber auch die Herausforderungen des hybriden Arbeitens sollten ernst genommen werden.

TEAMSPIRIT IN GEFAHR DAS FÜHREN VON HYBRIDEN TEAMS von Barbara Liebermeister

Das aktuelle Leadership-Trendbarometer des IFIDZ zeigt: Führungskräfte sehen sich beim Führen hybrider Teams insbesondere im Bereich Kommunikation mit teils neuen Herausforderungen konfrontiert.

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iele Unternehmen sehen sich zurzeit mit dem Wunsch eines Teils ihrer Mitarbeitenden konfrontiert, auch nach dem coronabedingten «Lockdown» im Home Office zu arbeiten, und versuchen diesem zu entsprechen. Deshalb stehen ihre Führungskräfte vermehrt vor der Herausforderung, sogenannte hybride Teams zu führen – also Teams, bei denen ein Teil der Mitarbeiter weiterhin im Betrieb arbeitet, während ein anderer Teil im Home Office oder an einem anderen von ihnen gewählten Ort arbeitet. Deshalb beschloss das Institut für Führungskräfte im digitalen Zeitalter

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(IFIDZ) in Frankfurt am Main (Deutschland), sein aktuelles Leadership-Trendbarometer folgender Frage zu widmen: «Was sind aus Ihrer Warte die grössten Herausforderungen beim Führen hybrider Teams?» An der Online-Befragung nahmen 159 Führungskräfte teil. Auffallend bei den Befragungsergebnissen ist zunächst: Das Gros der Führungskräfte befürchtet offensichtlich nicht, dass unter einer Arbeit in hybriden Teams die TeamPerformance leidet. So sehen zum Beispiel nur 15 Prozent die Gefahr, dass die Moti-

vation der Mitarbeitenden hierdurch sinkt, und nur 13 Prozent mutmassen, dass die Zielorientierung bei der Arbeit hierunter leidet. Und gar nur 9 Prozent befürchten oder haben die Erfahrung gesammelt, dass sich dies negativ auf die Qualität der Arbeit auswirkt. Entsprechend relaxt scheinen die meisten Führungskräfte der endgültigen Entscheidung entgegenzusehen, inwieweit ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter künftig im Unternehmen oder im Home Office arbeiten – zumindest, wenn es um die Leistungsfähigkeit ihres Bereichs geht. Diese Einschätzung wird unter anderem dadurch


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

gestützt, dass nur 16 Prozent der Führungskräfte bei einer Arbeit in hybriden Teams einen Kontrollverlust befürchten.

NICHT NUR EIN BLICK Zugleich fällt jedoch auf, dass – vermutlich auch aufgrund der Erfahrungen im zurückliegenden Jahr – das Gros der Führungskräfte das Arbeiten in hybriden Teams keinesfalls durch eine »«rosarote Brille» sieht. Sie sehen vielmehr die zwei Seiten der Medaille. So stimmen denn auch nur neun

Prozent der Aussage «Ich sehe keine Gefahren, nur Chancen» beim Arbeiten in hybriden Teams zu. Für fast zwei Drittel der befragten Führungskräfte besteht bei dieser Form der Zusammenarbeit zum Beispiel die Gefahr, dass sich einzelne Mitarbeiter isoliert fühlen. Zudem sehen 54 Prozent die Gefahr, dass die Identifikation mit dem Team sinkt. Auch kann sich ein Drittel der Befragten vorstellen, dass in ihrem Team eine gewisse Frontenbildung zwischen den Büro- und Home-Office-Mitarbeitern ent-

steht. Diesen Risiken gilt es nach Auffassung der Führungskräfte entgegenzuwirken. Dabei spielen die Kommunikation und wechselseitige Information offensichtlich eine zentrale Rolle, da laut Überzeugung jeweils circa der Hälfte der Befragten bei einer Arbeit in hybriden Teams durchaus die Gefahren einer «ungenügenden Kommunikation» (53 Prozent) und eines «nicht ausreichenden Informationsflusses» (47 Prozent) drohen. In diesem Bereich sehen sie denn auch den grössten Change-Bedarf.

BARBARA LIEBERMEISTER ist Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter in Frankfurt am Main. Die Kommunikation kann im Home Office unter die Räder kommen.

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Mehr Informationen unter ffhs.ch

www.ifidz.de

MSc Business Administration Executive Master of Business Administration MAS Business Law MAS Wirtschaftspsychologie

Zürich | Basel | Bern | Brig Ausgabe 3/2021 // Seite 91


MENSCHEN IN UNTERNEHMEN

Absolventen haben viele Möglichkeiten.

LÖHNE UND WEITERBILDUNGEN IM FOKUS STUDIE BELEUCHTET KOMPETENZEN von Susanne Baldinger

Die FH-Lohnstudie nimmt alle zwei Jahre die aktuellen Löhne der Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen unter die Lupe. Dieses Jahr untersuchte die Studie zudem, welche Kompetenzen aktuell und in Zukunft wichtig sind und wie diese erworben werden sollen. Klar wird: Lebenslanges Lernen lohnt sich.

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er jährliche Medianlohn 2021 der 13’000 Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen, die an der Lohnstudie 2021 teilgenommen haben, liegt bei 99’450 Franken pro Jahr. 97 Prozent der Befragten konnten ihr Lohnniveau mindestens halten, 48 Prozent sogar erhöhen. Die lukrativsten Branchen sind Pharma, Chemie sowie Finanz- und Versicherungswesen. Die Ökonomen verdienen in fast allen Branchen mehr als Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen anderer Fachbereiche. Der Arbeitsstandort beeinflusst das Gehalt ebenfalls: Zürich ist mit einem Median von 108’000 Franken pro Jahr Spitzenreiter, darauf folgen die weiteren Deutschschweizer Kantone und das Ausland mit einem Medianlohn von rund 100’000 Franken pro Jahr.

funktion. Sie verdienen zwischen rund 101’000 und 133’000 Franken pro Jahr. Die Einschätzung der Studienteilnehmenden, innerhalb von sechs Monaten eine gleichwertige Stelle zu finden, sank etwas im Vergleich zur Einschätzung der Studienteilnehmenden 2019. Trotzdem denkt die Mehrheit weiterhin, dass sie eine gleichwertige Stelle finden würde. «Diese Studie bestätigt einmal mehr, dass Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen in der Gesellschaft und Wirtschaft eine tragende Rolle spielen», so Toni Schmid, Geschäftsführer von FH SCHWEIZ. Je älter sie sind, desto eher haben Fachhochschulabsolventinnen und -absolventen obere Kaderpositionen inne. Entsprechend steigt der Medianlohn kontinuierlich mit dem Alter.

GUTE POSITION AM ARBEITSMARKT

WEITERBILDUNGEN ZAHLEN SICH AUS

70 Prozent der Studienteilnehmenden sind unter 40 Jahre alt. Nichtsdestotrotz haben fast 60 Prozent aller Befragten eine Kader-

Die Studienteilnehmenden mit einer Master-­ Weiterbildung (MAS) sind öfter (über 80 Prozent) in einer Kaderfunktion tätig als jene

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mit einem anderen Abschluss, über 25 Prozent haben sogar eine obere Kaderfunktion. Parallel dazu verdienen diejenigen mit einem MAS-Abschluss weitaus am meisten: Ihr Medianlohn beträgt 133’000 Franken pro Jahr. Sehr viele Personen planen eine Weiterbildung in absehbarer Zukunft. Am ehesten ein CAS (35 Prozent), aber auch die zeitaufwändigeren MAS, MBA und EMBA sind beliebt (knapp 20 Prozent). Die Nachfrage nach Weiterbildungen bleibt hoch.

ERHEBUNGEN ZU DEN KOMPETENZEN Erstmals hat FH SCHWEIZ in Zusammenarbeit mit der Zürcher Gesellschaft für Personalmanagement (ZGP) Fragen zu Kompetenzen in die Studie integriert. 10’000 Personen haben Auskunft darüber gegeben, welche Kompetenzen sie heute und in Zukunft als relevant erachten und wer aus ihrer Sicht für deren Erwerb zuständig ist. Die Mehrheit der Studienteilnehmenden denkt, dass sie für den Er-


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werb der meisten Kompetenzen selbst die Verantwortung trägt. Die einzige Ausnahme ist die Führungskompetenz – hier sehen die Teilnehmenden die Unternehmen etwas mehr in der Pflicht als sich selbst. «Ich glaube, dass sich die Erwartung an Führung allgemein in den letzten Jahren sehr stark verändert hat», erklärt Barbara Aeschlimann, Geschäftsführerin der ZGP. «Wir haben Unternehmen, die noch stark hierarchisch geprägt sind, während auch viele neue Modelle ausprobiert werden, zum Beispiel Holokratie oder Soziokratie». Die 20- bis 40-Jährigen sehen den Arbeitgeber ausserdem beim Erwerb von Fachwissen in der Verantwortung. Für die 20bis 30-Jährigen ist dies vor allem bei der Anwendung des Fachwissens der Fall. Diese Erkenntnisse werden durch eine Studie zum Thema Weiterbildung der Hochschule Luzern gestützt: Weiterbildungsstudierende gaben hier in den allermeisten Fällen (97 Prozent) an, selbst den Besuch eines CAS, DAS oder MAS initiiert zu haben. Gemäss der KMU-Befragung des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB) befindet durchaus auch die Arbeitgeberseite Weiterbildung als wichtig – insbesondere um mit den Folgen der Corona-Pandemie umzugehen. Der Weiter­ bildungsbedarf ist bei 33 Prozent der KMU in Zeiten von Corona gestiegen. Sie sehen es als notwendig, dass Mitarbeitende neue Kompetenzen erwerben oder bestehendes Wissen erweitern, um den Anforderungen im Unternehmen zu begegnen.

AKTUELL UND IN ZUKUNFT GEFRAGTE KOMPETENZEN Die Teilnehmenden erachten die Fachkompetenz als wichtigste Kompetenz, gefolgt von der Sozial- und der Methodenkompetenz. Die persönlichen Kompetenzen beurteilen die wenigsten als die wichtigste Kompetenz. Gemäss der Befragung des SVEB halten rund 60 Prozent der Unternehmen folgende Kompetenzen als wichtig: das agile Arbeiten sowie die sozialen und kommunikativen Kompetenzen. 43 Prozent sehen zudem höhere Anforderungen an die digitalen Kompetenzen. Die Bedeutung der Fachkompetenz wird von den Befragten als abnehmend beurteilt. Die Mehrheit gibt an, dass Fachkompetenzen in fünf Jahren nicht mehr so stark gefragt und etwas weniger wichtig sein

werden als Sozial- und Methodenkompetenzen. Je älter die Befragten sind, desto eher vertreten sie diese Meinung. «Ältere Arbeitnehmende haben gewisse Fertigkeiten erworben, konnten diese unter Beweis stellen und umsetzen. Dadurch haben sie realisiert, dass daneben für ein erfolgreiches Berufsleben auch ganz viel Sozialkompetenz gefragt ist. Ich wehre mich deshalb gegen die Sicht, dass Fachkompetenz grundsätzlich nicht wichtig sei, es ist eine Frage der Perspektive», ordnet Barbara Aeschlimann ein. Mehr als die Hälfte der Befragten denkt, dass bei der Kommunikationsfähigkeit, der Führungskompetenz, der Entscheidungsfähigkeit, der Selbstführung und beim kreativen, innovativen Denken Handlungsbedarf besteht.

HANDLUNGSBEDARF UND FORMEN DER WEITERBILDUNG Unternehmensverantwortliche betonen die Dynamik der digitalen Transformation. Durch die Corona-Krise wurde diese befeuert. Auch wenn nicht explizit nach den digitalen Kompetenzen gefragt wurde, spiegelt sich diese bei den Kompetenzen wider, bei denen mehr als die Hälfte der Teilnehmenden einen Handlungsbedarf feststellt. Konkret sind dies: kreatives / innovatives Denken, Kommunikationsfähigkeit, Führungskompetenz, Entscheidungsfähigkeit, Selbstführung. In der Lohnstudie 2019 hat über die Hälfte der Teilnehmenden angegeben, ziemlich bis sehr gut auf die digitalen Herausforderungen vorbereitet zu sein. Da diese Frage 2021 nicht weiterverfolgt wurde, kann nicht geprüft werden, ob sich diese Selbsteinschätzung auch während des digitalen Schubs bestätigte. Digitalisierung ist dann aber auch ein Thema bei der Durchführung und dem Erfahrungsaustausch der Weiterbildungen: Diese sollten gemäss den Befragten sowohl digital als auch vor Ort möglich sein. Zudem finden es die Studienteilnehmenden wichtig bis sehr wichtig, dass die Inhaltsgestaltung sowie die zeitliche Durchführung flexibel sind. Bezüglich der Instrumente zeigen die Studienergebnisse, dass auch die persönliche Begleitung als sehr wertvoll erachtet wird: Als wichtigste Instrumente wurden Coaching, Mentoring und Hochschul-Weiterbildungen (CAS, DAS, MAS) genannt. Das Lernen «on the job» wurde sogar stärker gewichtet als externe Weiterbildungen, die mit einem Hochschulzertifikat oder -diplom abgeschlossen werden.

LOGIN ZU REFERENZLÖHNEN Weitere Referenzlöhne können mit einem kostenpflichtigen Login (Privatpersonen 100 Franken) über www.fhlohn.ch abgerufen werden. Über eine Eingabemaske können die Lohnprofile nach Kriterien wie Alter, Abschlussart, Branche, Studienrichtung, Region und weiteren Parametern verfeinert werden. Mit einem kostenpflichtigen Firmenlogin (500 Franken) ist es zudem möglich, Branchenund Standortvergleiche vorzunehmen.

SUSANNE BALDINGER ist Projektleiterin der FH-Lohnstudie von FH SCHWEIZ. www.fhschweiz.ch

Lebenslanges Lernen erweitert Kompetenzen.

Die Pharmabranche zählt zu den lukrativsten.

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LIEFERE STATT LAFERE

LERNWERKSTATT OLTEN IST BEREIT FÜR DIE ZUKUNFT Interview mit Daniel Herzog von Joël Ch. Wuethrich

Für Daniel Herzog war das Jahr 1997 ein Wendepunkt in seinem Berufsleben. Er entwickelte durch eine gemeinsame Lernerfahrung eine Vision für ein Bildungszentrum für lebendige Erwachsenenbildung. «Ich wusste schon damals, dass ein grosses Bedürfnis nach Erwachsenenbildung, wirkungsvollem Coaching und zielführendem Mentoring besteht», so Herzog. Es entstand – gemeinsam mit anderen Gesellschaftern – die Lernwerkstatt Olten GmbH. Heute ist sie schweizweit der Branchenprimus in diesem Bereich.

D

ass die Lernwerkstatt in Olten ihren Sitz hat, hat – wie bei den Entwicklungen der Angebote der LWO – ebenfalls eine strategische Komponente: Schon 1997 war klar, dass das zukünftige Mobilitätsverhalten der Zielgruppe(n) berücksichtigt werden musste: «Ich und einige unserer künftigen Gesellschafter haben uns damals als Lerngruppe in Olten getroffen, weil es ein Verkehrsknotenpunkt

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und für alle Beteiligten praktisch erreichbar war. Und heute ist Olten aus dem gleichen Grund das Hauptquartier der Lernwerkstatt – es ist die ideale Location für ein schweizweit operierendes Unternehmen.» Eines ist heute klar: Neues Wissen wird immer wichtiger und die Wahl einer Ausbeziehungsweise Weiterbildung ist eine strategische Angelegenheit. Denn auf die

richtige Vision kommt es an. Die brennenden Fragen heutzutage heissen: Welche Berufe haben Zukunft und passen in die Arbeitswelt 5.0? Welcher Berufszweig hat noch einen «goldenen Boden» und welche Weiterbildung wird mir helfen, einen Argumentationsvorsprung bei einer Bewerbung zu generieren? Denn die Arbeitswelt wird sich mit der Digitalisierung und Transformation stark verändern. Und da muss man


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sich dementsprechend das richtige Knowhow aneignen. Für Weiterbildungsinstitute und -unternehmen werden in der näheren Zukunft einige Trends von Bedeutung sein und dabei muss man bereit sein, die Bedürfnisse der Studierenden und Kursteilnehmenden zu erkennen. «Liefere statt lafere» ist das Motto.

Lernenden. Je nach Lernbiografie werden sich vor allem auch bildungsferne Personen in den veränderten Lernsettings nicht sofort zurechtfinden. Neue Rollen benötigen neue Kompetenzen. Nicht jeder gute Dozent ist auch ein guter Lerncoach. Nicht jede und jeder Lernende hat eine Affinität zu den neuen Technologien.

Daniel Herzog, die Corona-Krise hat in der Bildung einen noch nie dagewesenen Innovationsschub ausgelöst. Ist dies eine Win-win-Situation für die Ausund Weiterbildungsbranche? Das World Economic Forum (WEF) spricht davon, dass sich die Corona-Zwangspause im Unterrichtswesen als Katalysator für eine längst fällige Modernisierung im Bildungsbereich erweisen könnte. Bei der Lernwerkstatt Olten trifft dies definitiv zu. Heute sind alle unsere Prozesse digitalisiert. Grundsätzlich bräuchten wir keine Schulungsräume und keine Büroräumlichkeiten mehr. Natürlich hat nicht die ganze Branche gleich gut reagiert. Ein grosser Teil wird gestärkt aus der Krise hervorgehen, einigen Anbietern hat Corona aber auch das Genick gebrochen.

Wir sind für die Zukunft gewappnet, was auch immer diese bringen wird.

Individualisiertes Lernen wird die Zukunft prägen. Wie sieht das konkret aus? Vor allem die betriebliche Aus- und Weiterbildung fordert die Individualisierung der Bildung schon seit Jahren. Lernen wird vermehrt zeit- und ortsunabhängig stattfinden. Lernangebote werden dann zur Verfügung stehen, wenn neue Kompetenzen benötigt werden. Tempo und Strategie der Know-how-Aneignung wird jede Person selber steuern können. Die Erfahrungen im Rahmen der Corona-Krise zeigen: Dies ist möglich. Die Digitalisierung öffnet Chance für neue Methoden. Wie gestalten sich diese neuen Möglichkeiten und Rollen? Die Möglichkeiten der Digitalisierung öffnen Chancen für neue Methoden, die nahe am ursprünglichen Lernen des Menschen sind. Es werden immer mehr spielerische Lernsettings und Applikationen entwickelt, die Teilnehmende in den Bann ziehen und entdeckendes Lernen ermöglichen. Die Virtualisierung und Individualisierung bedarf aber auch einem neuen Rollenverständnis. Der klassische Dozent wird zum Lernbegleiter, Mentor und Online-Tutor. Die Verantwortung für das Lernen verschiebt sich weg von der Lehrperson hin zu den

Eine Kehrseite der Corona-Pandemie ist die Bildungsschere, die sich weiter öffnet. Wie kann man hier entgegenwirken? Ich denke auch, dass zum einen viele Menschen vom vereinfachten und individualisierten Bildungszugang profitieren, sich auf der anderen Seite die Bildungsabstinenz aber erhöht. Nicht alle Menschen sind technologieaffin und wollen sich auf die neuen Settings einlassen. Sie werden zu Bildungsflüchtlingen, welche die immer weniger werdenden, reinen Präsenzveranstaltungen besuchen. Oder sie verabschieden sich ganz aus der Weiterbildung. Ohne clevere, wenn es sein muss auch staatliche Massnahmen wird sich in der Schweiz die Bildungsschere öffnen. Wie sieht die Zukunft der Lernwerkstatt Olten aus respektive was ändert sich konkret? Viele unserer Angebote bieten wir in Zukunft im Blended-Learning-Format an. Dabei werden Präsenzveranstaltungen mit virtuell stattfindenden Kurstagen und individuellem Lernen mit unserer Lernplattform kombiniert. Wir bieten ab nächstem Jahr auch ganze Lehrgänge wahlweise im Blended-Learning-Format oder zu 100 Prozent im virtuellen Kurssetting an, beispielsweise unseren zwölftägigen Coaching-Lehrgang. Aktuell investieren wir mehrere Hunderttausend Franken in den Aufbau einer neuen Lernplattform und in die Produktion von Digital Snacks. Mit letzteren können un-

sere Teilnehmenden die Lerninhalte nach ihren individuellen Bedürfnissen orts- und zeitunabhängig vertiefen und festigen. Wir bilden Erwachsenenbildnerinnen und -bildner, Coaches und betriebliche Mentorinnen und Mentoren aus. Diese wollen wir damit sowohl im analogen als auch im virtuellen Ausbilden und Coachen fit machen. So sind sie für die Zukunft gewappnet, was auch immer diese bringen wird.

TIPPS FÜR DEN VIRTUELLEN UNTERRICHT

Für Bildungsanbieter hat Daniel Herzog in einem Blog vor einiger Zeit neun Tipps formuliert (www.lwo.ch/9-tipps), wie man den virtuellen Unterricht am besten durchführt. «Den Teilnehmenden von virtuellen Kurstagen empfehle ich am Unterricht mit einem Stehpult teilzunehmen – mal zu sitzen und dann wieder zu stehen und sich etwas zu bewegen. Das Stehpult kann man gut auch selbst «basteln», indem man Laptop beziehungsweise Bildschirm auf dem Tisch auf eine Kiste stellt, um die korrekte Höhe zu erhalten. Virtuelles Lernen macht ebenso viel Spass wie der Präsenzunterricht. Dabei sollte man aber mit eingeschalteter Kamera am Unterricht teilnehmen und sich rege daran beteiligen.»

ÜBER DANIEL HERZOG Daniel Herzog, 56 Jahre und Vater zweier erwachsener Kinder, hat die Lernwerkstatt Olten 1997 gegründet. Heute ist der Bildungsanbieter mit 30 Standorten das schweizweit führende Bildungszentrum für lebendige Erwachsenenbildung, wirkungsvolles Coaching und zielführendes Mentoring.

DANIEL HERZOG ist CEO der Lernwerkstatt Olten. www.coach-werden.ch www.www.lernwerkstatt.ch

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PREISSCHILD ENTWICKELN

BEWERTUNG VON ONLINE-BERATUNG UND ONLINE-TRAINING von Sabine Prohaska

Bezüglich der Preisgestaltung bei digitalen Beratungs- und Qualifizierungsangeboten besteht am Markt eine grosse Unsicherheit – sowohl bei den Anbietern und als auch den potenziellen Kunden. Zu den Gründen gehört unter anderem die noch unzureichende Erfahrung.

Online-Beratung hat zugenommen, die Rahmenbedingungen sind aber noch vielfach unklar.

D

as Online-Beraten und -Lernen hat durch die Corona-Pandemie einen enormen Push erfahren. Unternehmen, die dem Online-Beraten zuvor reserviert gegenüberstanden, forcierten ihre digitalen Beratungsangebote für ihre Kunden und Personalabteilungen, die beim Thema Online-Trainieren und -Coachen eher zögerlich waren, und entdeckten

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plötzlich die Möglichkeiten, die ihnen die moderne Kommunikations- und Informationstechnik für das Gestalten von Mitarbeiterqualifizierungsprozessen bietet. Die dazugehörenden Dienstleister wie Berater, Trainer und Coaches, die bisher ausschliesslich Präsenz-Veranstaltungen durchführten, boten quasi über Nacht auch OnlineFormate an, um auf die veränderte Nach-

frage zu reagieren. Das heisst: Sowohl viele Anbieter als auch Nachfrager im Personalund Organisationsentwicklungsbereich agieren aktuell in einem für sie noch relativen Neuland. Entsprechend gross ist oft ihre Unsicherheit nicht nur in konzeptioneller Hinsicht, sondern auch bezüglich der Preisgestaltung beim Online-Beraten, -Trainieren und -Coachen.


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PREISMODELLE PASSEN NICHT Bei den klassischen Präsenz-Beratungen, -Seminaren und -Trainings war die Preisgestaltung aus Sicht aller Beteiligten einfach, weil seit Jahrzehnten gewohnt: Fakturiert wurden in der Regel die Tage, die ein Berater oder Trainer real mit seinen Kunden oder den Teilnehmern zusammensass – gemäss einem vereinbarten Tagessatz. Zudem wurde für das Erstellen von Konzepten sowie das «Massschneidern» von Seminaren oft eine Pauschale vereinbart oder diese Tätigkeiten wurden aufwandsabhängig zusätzlich vergütet. Für die neuen digitalen Beratungs- und Mitarbeiterqualifizierungsformate passen diese Preisgestaltungsmodelle meist nicht, denn bei ihnen stellen sich den Anbietern, also Beratern, Trainern und Coaches, viele Fragen: > Wie kalkuliere ich eine 30-minütige Online-Beratung, in der ich komprimiert mein Expertenwissen weitergebe, oder ein 90-minütiges Online-Seminar? > Wie viel ist ein Lern- oder Erklärvideo wert? > Mit welchem Betrag kann ich meine Online-Beratung und -Unterstützung im Rahmen von Change- oder Qualifizierungs­ prozessen in Foren ansetzen? > Soll ich bei Online-Vorträgen oder Webinaren eine teilnehmer­ zahlabhängige Preisstaffelung anwenden, weil bei ihnen 10, 100 oder 1000 Personen online präsent sein können? > Lasse ich eine Aufnahme und Weiternutzung meiner Online-Beratungen und -Seminare zu und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

nicht. Und drittens wünschen sie sich diesbezüglich eine Orientierung. In solchen Aussagen artikuliert sich ein Mangel an Erfahrung beim Einkauf von Online-Beratung und digitalen Trainingsformaten. Die hieraus resultierende Unsicherheit hat ihre Wurzeln auch darin, dass sich im Markt noch keine Preisniveaus für die verschiedenen Leistungen etabliert haben. Deshalb findet man, wenn man sich aktuell über die Online-Angebote von Beratern informiert, nicht selten Preise, bei denen man als Marktkenner denkt: «Mit solchen Dumping-Preisen wird es diesem Selbstständigen nie gelingen, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.» Ebenso findet man aber auch Angebote, bei denen man denkt: «Dieser Anbieter hofft offensichtlich, auf unerfahrene Einkäufer zu treffen, die solche Phantasie- beziehungsweise Mond-Preise bezahlen.»

PREISGESTALTUNGSRICHTLINIEN Deshalb haben die Vereinigung der Businesstrainer Österreichs (VBT) und der deutsche Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT) bereits im Juli 2020 gemeinsam eine Honorarrichtlinie für die Vergütung von Online-Formaten

im Mitarbeiterqualifizierungsbereich erarbeitet. In ihr wird zwischen Live-OnlineTrainings, Webtalks oder Webinaren und E-Learnings unterschieden. In der Schweiz gibt es ähnliche Aktivitäten.

LIVE-ONLINE-TRAINING Bei dieser Seminarform ist die Teilnehmerzahl auf etwa zehn Personen begrenzt, damit interaktive und kreative Lehr- und Lernmethoden genutzt werden können. Die Dauer variiert von 90 Minuten bis zu vier Stunden. Bei diesem Format empfehlen VBT und BDVT, ein Drittel des gewohnten Präsenzseminar-Tagessatzes für eine 90-Minuten-Session zu berechnen. Vorbereitungsarbeiten wie das Sich-vertrautMachen mit der firmeninternen Technik zur Durchführung des Online-Seminars oder -Trainings werden zusätzlich berechnet, ebenso eventuelle Co-Trainer (zum Beispiel zur Unterstützung bei der technischen Durchführung).

WEBTALKS UND WEBINARE Dieses Format erinnert oft an einen klassischen Vortrag, der jedoch online gehalten wird und an den sich eine Frage-AntwortRunde anschliesst. Charakteristisch für einen Webtalk beziehungsweise ein

ORIENTIERUNG FÜR ALLE Spricht man mit Marktteilnehmern über das Thema Preisgestaltung, stellt man immer wieder fest: Beim Beantworten der vorgenannten Fragen besteht eine grosse Unsicherheit – bei den Anbietern wie auch den potenziellen Einkäufern in den Unternehmen. So betonen zum Beispiel firmeninterne Entscheider im Gespräch immer wieder erstens die Honorarforderungen der Berater und Trainer. Für die verschiedenen Online-Formate klaffen diese extrem weit auseinander. Auch die Verrechnungsmodelle divergieren. Zweitens fällt es schwer zu beurteilen, welche Preisvorstellungen noch seriös sind und welche

Expertenwissen hat seinen Preis.

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Webinar ist: Die Teilnehmerzahl ist theoretisch unbegrenzt. Seine Dauer beträgt meist 30 bis 90 Minuten. Hierfür empfehlen die beiden Verbände, einen von der Teilnehmerzahl abhängig gestaffelten Preis pro circa 90-minütiger Einheit (zum Beispiel eine Stunde Vortrag plus eine halbe Stunde Fragen beantworten) zu verrechnen – und zwar bis 20 Teilnehmer mindestens 800 Euro und ab 21 Teilnehmern (mit einem Moderator für den Chat) mindestens 1 740 Euro. Speziell dieses Format wird von Auftraggebern oft aufgezeichnet und zur Wiederbeziehungsweise Weiterverwendung in die «E-Learning-Bibliothek» des Unternehmens gestellt. Dasselbe ist in manchen Unternehmen, aber auch bei Live-OnlineTrainings «gängige Praxis». Aus diesem Grund empfehlen die Verbände deren Anbietern, ihre AGBs und Angebote stets mit folgendem Hinweis zu versehen: «Audiound Video-Mitschnitte sind nur mit schriftlicher Erlaubnis des Anbieters gestattet.» Danach kann der Hinweis folgen: «Gerne erteilen wir auf Anfrage eine entsprechende Freigabe.» Erteilen Berater die Erlaubnis zur Aufnahme eines Webtalks, empfehlen der BDVT und VBT, die genannten Honorare beispielsweise mit dem Faktor 10 zu multiplizieren, denn: Wenn der Kunde über einen Mitschnitt verfügt, kann er diesen all seinen Mitarbeitern – im Extremfall weltweit – auf seiner Lernplattform zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stellen. Das heisst für den Trainer oder Berater: Einen entsprechenden Folgeauftrag erhält er bei dem Kunden nicht mehr. Zudem besteht die Gefahr, dass der Mitschnitt «weiterwandert». Dies gilt es, insbesondere bei Webtalks zu vermeiden, in denen der Berater sein Expertenwissen weitergibt oder Themen behandelt werden, bei denen davon auszugehen ist, dass die Mitschnitte längerfristig beziehungsweise in einem grösseren Umgang genutzt werden.

E-LEARNINGS WBTs sowie Lern- und Erklärvideos werden üblicherweise pro Minute abgerechnet. Hier variieren die Preise sehr stark nach Art des Videos (zum Beispiel animiert oder nicht), Qualität des Videos (Studio versus Smartphone), Postproduktion (Sprecher, Schnitt oder Musik) und Nutzungsrechten. Für 20-minütige, professi-

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Online-Lernen braucht Qualität.

onell erstellte E-Learnings empfehlen die beiden Verbände, zwischen 15’000 und 25’000 Euro zu berechnen. Diesem Betrag liegt ein Richtwert von circa 1 000 Euro pro Minute zugrunde. Dieser Wert gilt nicht für Videos, die ein Berater «en passant» mit dem Smartphone erstellt. Er gilt nur für Videos, die unter methodisch-didaktischen Gesichtspunkten gezielt aufgebaut und gestaltet sind und zum Beispiel in einem Studio professionell bearbeitet wurden. Er gilt also nur für Videos, deren Erstellung eine entsprechende Investition an Zeit und / oder Geld erfordert.

KEINE EINHEITSPREISE Die in ihrer Richtlinie genannten Preise verstehen der BDVT und der VBT als eine Empfehlung, die der Orientierung der Anbieter und Nachfrager im Bildungs- und Beratungsmarkt dienen sollen. In der Praxis werden sich, so meine Vermutung, wie bei den klassischen Präsenztrainings und -beratungen nicht nur verschiedene Verrechnungsmodelle, sondern auch Preisniveaus am Markt etablieren, die abhängig vom Thema beziehungsweise von den zu lösenden Herausforderungen, vom Klientensystem (zum Beispiel Profit- oder Non-

Profit-Organisation), von der Vorerfahrung des (Online-)Beraters oder Trainers und seiner Etablierung am Markt zum Teil stark divergieren. Zudem wird der Preis auch davon abhängen, inwieweit die Kunden dem Anbieter überhaupt die Digitalkompetenz zuschreiben, Beratungs- und Qualifizierungsprozesse online professionell durchführen zu können. Aus diesem Grund hat die Richtlinie der beiden Verbände für mich primär eine vorübergehende Orientierungsfunktion. Sie wird zunehmend an Bedeutung verlieren, wenn die Marktteilnehmer mehr Erfahrung mit dem OnlineBeraten und -Trainieren beziehungsweise dem Ein- und Verkauf der hierfür erforderlichen Leistungen gesammelt haben.

SABINE PROHASKA ist Inhaberin des Wiener Beratungs­ unternehmens seminar consult prohaska. www.seminarconsult.at


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Ablenkungen im Home Office sind da, trotzdem ist die pure Skepsis nicht angezeigt.

MEETING VERSUS WASCHMASCHINE

SINN, FOKUS UND MOTIVATION IM HOME OFFICE von Stefan Dudas

Wenn Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit pilgern, sondern zuhause aus dem Home Office arbeiten, hat dies oberflächlich betrachtet schöne Vorteile: Kein Arbeitsweg, dadurch mehr Zeit – und die Umwelt atmet auch noch auf. Wunderbar. Schaut man aber etwas genauer hin, kommt man sehr bald zum Schluss, dass Führungskräfte jetzt handeln müssen. Dabei müssen sie bereit sein für etwas, wofür sie nie ausgebildet wurden. Seite 100 // kmuRUNDSCHAU


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N

atürlich haben wir immer alles im Griff. Auf die Frage «Bei dir alles klar?» erwarten wir eigentlich nur eine einzige Antwort: «Klar doch, bei dir auch?» Für viele Menschen ist aber der Druck im Home Office nicht kleiner als im Unternehmen. Im Gegenteil: Der Papagei mit Sprechdurchfall, die beiden Kinder, die nicht begreifen, warum Papa zu Hause und doch nicht da ist, die Waschmaschine und in schwachen Momenten auch mal YouTube und die neue Clubhouse-App – sie alle buhlen um unsere Aufmerksamkeit und können den Fokus auf die To-do-Liste schnell zunichtemachen. Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Gemäss einer repräsentativen Studie des Forschungsinstituts Link hat sich der Gemütszustand der Schweizer Bevölkerung innerhalb eines Jahres (von Januar 2020 bis Januar 2021) deutlich verschlechtert. Über die Hälfte der befragten Personen sagte, Ängste und Sorgen hätten zugenommen, ein Viertel der Befragten gab an, schlechter zu schlafen. Viele Business-Experten glorifizieren den Schritt ins Home Office. Zu wenig wird

jedoch an die Schattenseiten gedacht. Wenn jemand in einer Dreizimmerwohnung mit zwei kleinen Kindern arbeiten soll, ist das nämlich nicht «gut machbar». Da ist mehr Schein als Sein.

FOKUS UND PRODUKTIVITÄT Trotzdem sind die Bedenken vieler Führungskräfte, dass die Produktivität im Home Office leidet, meist unbegründet. Im Gegenteil: Eine Studie mit 16’000 Mitarbeitern («Does working from home work?») ergab, dass die Menschen zu Hause um 13 Prozent produktiver sind. Auch eine UN-Studie zeigte, dass in den eigenen vier Wänden mehr unbezahlte Arbeit geleistet wird. Aber ganz egal, ob Sie Studien trauen oder nicht: Wichtig ist, dass Menschen im Home Office lernen, sehr schnell eine Struktur zu schaffen, und sich ihrer Selbstdisziplin bewusstwerden. Fehlt einem diese Erfahrung, findet man sich irgendwann im Pyjama, unrasiert und unfrisiert auf dem Bett mit dem Laptop wieder. Zum Glück werden regelmässig Online-Sitzungen durchgeführt. Dies wirkt der Komfortzone entgegen, denn dann muss mindestens das obere Drittel des eigenen Körpers kameratauglich sein.

NIE GELERNT – FÜHREN AUF DISTANZ Führungskräfte haben eine doppelte Herausforderung: Sie müssen ihren eigenen Alltag bewältigen und neu erfinden und gleichzeitig ihre Mitarbeiter auf Distanz führen. Das ist keine einfache Disziplin, die man mit ein paar Tipps intus hat. Führen auf Distanz hat sehr viel mit Kultur und Vertrauen zu tun. Das bedeutet, dass sich möglichst alle zuerst auf ein MindsetUpdate einlassen sollten. Das bedingt wiederum, dass sich alle bewusst machen und definieren, wie sie in dieser neuen Situation arbeiten wollen. Welche Kommunikations-Tools für was? Wie verwenden wir Messenger, wann E-Mail oder die ChatFunktion des Intranets? Wie «funktionieren» Besprechungen wirklich? Bei dieser Gelegenheit könnte man auch gleich die ganzen Meetings (auch «Müdings» genannt), die früher live stattgefunden haben, kritisch hinterfragen. Zudem sollte man als Führungskraft Ideen im Köcher haben, wie man die Interaktion im Team fördert. Home Office zwingt Führungskräfte, das zu tun, was in ihrer Stellenbeschreibung ganz oben steht: Führen. Der Small-Talk in der Cafeteria entfällt gerade. Darum ist es wichtig,

Das Schlagwort Mindset führt zu anderen Sichtweisen und dem Heben neuer Potenziale.

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Die Frage nach der Motivation von Chefinnen und Chefs steht im Raum.

dass die Führungskraft diesen virtuell ersetzt. Jetzt ist sowieso die perfekte Gelegenheit, die Mitarbeiter in das gemeinsame Boot einzuladen, falls das noch nicht geschehen ist. Sprechen Sie über Kultur, über die Zusammenarbeit, über Chancen und Potenziale in der Zukunft. Legen Sie die coole Maske ab und zeigen Sie sich als Führungskraft so, wie sie wirklich sind. Denn gerade in einer Krise wirkt gespielte Coolness nur noch kontraproduktiv.

FOKUS, MOTIVATION UND ZUSTÄNDIGKEITEN Eine Führungskraft weiss nicht wirklich, wie es ihren Mitarbeitern im Home Office geht. Der kleine Bildausschnitt in Zoom oder Teams offenbart nicht das innere Befinden. Jede Führungskraft hat jetzt die Chance, genau hier zu punkten: indem sie sich um das mentale Wohlbefinden der

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anderen kümmert. Immer noch haben zu viele Unternehmen zwar im Leitbild verankert, dass die Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen, aber in Weiterbildung, Inspiration und Motivation wollen sie dann doch nicht investieren. Zu teuer. Die Lohnkosten von 50 Mitarbeitern übersteigen schnell 300’000 Franken pro Monat. Die Frage, ob es sich lohnen könnte, wenn Mitarbeiter etwas fokussierter, motivierter und inspirierter an die Arbeit gehen, ist dann eigentlich eine rhetorische. Ja, Management-Gurus sagen, dass jeder Mitarbeiter selbst zuständig ist für seine Motivation. Das stimmt grundsätzlich schon. Aber in herausfordernden Zeiten ist alles etwas anders. Da wird es besonders geschätzt, wenn sich der Chef auch mal nach dem Wohlbefinden erkundigt und etwas Smalltalk betreibt.

INSPIRATION DER FÜHRUNGSKRÄFTE Die Zwischenüberschrift könnte auch als Frage gestellt werden: Wer motiviert eigentlich die Führungskräfte? Es scheint eine ungerechte Situation zu sein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solle man motivieren, loben und wertschätzen. Und wer macht das bei der Führungskraft? Führungskräfte sollten nicht darauf hoffen, gelobt zu werden. Vielmehr geht es darum, dass eine gute Führungskraft (wie auch ein guter Unternehmer) weiss, warum sie tut, was sie macht. Es geht hier also noch stärker um den Sinn der Arbeit. Hat man dies für sich selbst definiert, ist man weniger auf Lob und Anerkennung von aussen angewiesen. Das bedeutet, dass man dem BusinessBuzzword «Mindset» jetzt doch wesentlich


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mehr Beachtung schenken sollte als bisher. In schwierigen Situationen, in denen wir wenig Erfahrung haben und sich vieles verändert, sind Ängste und Unsicherheit vorprogrammiert. Darum ist es wichtig, worauf wir uns fokussieren und wohin wir unsere Denkhaltung bewusst lenken. Liest und hört man im Stundentakt die neuesten Corona-Zahlen und die nächsten frustrierenden Lockdown-Massnahmen, ist dies nicht der Nährboden für Inspiration und Motivation. Wir sollten etwas kritischer sein bei dem, was wir «da oben» reinlassen, weil es unsere Laune, unsere Energie und damit unsere Leistungsfähigkeit entscheidend beeinflusst.

KONKRETE HINWEISE Was kann man als Unternehmer und Führungskraft konkret für die Kollegen zu Hause im Home Office machen? Fehlende Kontakte, fehlende Motivation und die oft fehlende Struktur – Vermischung von Beruf und Privatleben – sind aktuell die wesentlichen Herausforderungen im Home Office. Hinzu kommt ein

falscher Fokus, da die Arbeit zu Hause mit der Waschmaschine, dem Staubsauger, YouTube, den Kindern und dem Goldfisch konkurriert.

müssen die Krise nicht kleinreden. Sie dürfen auch mal Emotionen zeigen, aber Sie sollten, wenn immer möglich, beruhigend und positiv wirken.

Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter – das ist jetzt eine wichtige Führungsaufgabe. Inspirieren Sie sie mit Info-Snacks (OnlineVorträgen, kleinen Impulsen oder Diskussions-Sessions). Schenken Sie Ihren Mitarbeitern ein gutes Buch, das Sie gerade gelesen haben und das Sie nachhaltig inspiriert hat. Motivieren Sie mit guter Kommunikation und ernstgemeinter Wertschätzung. Und das Wichtigste: Interessieren Sie sich für Ihre Mitarbeiter im Home Office. Vielleicht halten Sie dazu ja regelmässig virtuelle «After-Work-Drinks» ab.

Schlussendlich ist jede Krise eine mentale Herausforderung. Und als Führungskraft ist man eben nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern muss auch stets für seine Mitarbeiter da sein. Geschieht dies unterstützend, wohlwollend und wertschätzend und vermitteln Führungskräfte Sinn, bleiben Teams und Unternehmen auch in Krisen leistungsfähig.

Und zu guter Letzt DER Tipp an alle Unternehmer und Führungskräfte: Bleiben Sie positiv! Übernehmen Sie die Verantwortung und agieren Sie. Geht mal etwas schief, richten Sie keine Schuldzuweisung an irgendjemanden. Denn das hilft Ihnen nicht und bringt auch Ihren Mitarbeitern nichts. Sie dürfen sagen, was abläuft, und

STEFAN DUDAS ist Leadership-Experte für Sinngebung. www.stefandudas.com/lockdown

Seminare erfolgreich gestalten Der inspirierende Ort ist perfekt um eine Tagung auszurichten, ein Seminar durchzuführen oder mit seinem Team an einem Projekt zu arbeiten. Wir bieten von der Infrastruktur her alles, damit Ihre Lern- und Denkzeit Früchte trägt. Sie bringen den Inhalt und Ihre Teilnehmenden, wir sorgen für den Rest. Hotel und Seminarhaus Ländi, Im Ländli 16, 6315 Oberägeri, 041 754 91 11, info@hotel-laendli.ch, www.hotel-laendli.ch

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Spannungsfelder auflösen ist eine wichtige Grundlage für Innovation.

INTERDISZIPLINÄRE TEAMS FÜR INNOVATIONSFÄHIGKEIT

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ZUR AUFLÖSUNG VON SPANNUNGSFELDERN von Silvia Canale, Semir Kljajic, Pia Kohler, Mathias Beck und Raphael Flepp

Bereits einfach implementierbare Massnahmen zur Auflösung von Spannungsfeldern können die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Innovationsprojekten fördern und verbessern. Der folgende Beitrag thematisiert die Ergebnisse aus einer empirischen Untersuchung im Master of Science in BA der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) in Schweizer KMU.

I

nnovative Unternehmen bearbeiten Innovationsprojekte aufgrund der hohen Komplexität oft in interdisziplinären

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Teams. Diese bestehen dabei aus Experten verschiedener Disziplinen und Fachgruppen, welche unterschiedliche Kom-

petenzen und Perspektiven einbringen. Dadurch ergeben sich in der praktischen Unternehmensrealität oft Spannungsfelder


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che nach einer gemeinsamen Vorgehensweise, bei der Projektdefinition oder bei Kommunikationsprozessen. Auf kommunikativ-psychologischer Ebene können personenbezogene Faktoren, zwischenmenschliche Beziehungen und kulturelle Konflikte zu Spannungen führen. Dabei stellen kommunikative Herausforderungen, unterschiedliche Ausbildungshintergründe, abweichende Ziele und weitere Unterschiede zwischen den Disziplinen hohe Hürden dar. In weiterer Folge sind Innovationsprojekte gefährdet. Auf institutioneller Ebene ist die interdisziplinäre Teamarbeit in ein institutionelles Wissenschaftssystem eingebettet. Auch wenn dies Herausforderungen für die Teamarbeit mit sich bringt, können diese nicht auf Teamebene beeinflusst werden. Weiterentwicklungen in diesem Bereich bedingen Lösungen auf bildungs- und forschungspolitscher Ebene.

STRUKTUREN UND OPTIONEN Bei der vorliegenden Untersuchung in innovativen Schweizer KMU wurden in diesen drei Ebenen die Spannungsfelder, Erfolgsfaktoren und Lösungsansätze erhoben. Auf der Ebene der Organisation geht es um Kultur und Werte, Projektleitung und Managementfähigkeiten, Auswahl der Teams, Methodik und Kommunikationsprozesse.

bei der interdisziplinären Zusammenarbeit im Rahmen von KMU.

SPANNUNGSFELDER IN DREI EBENEN Handlungsmöglichkeiten zur Auflösung von Spannungsfeldern in der interdisziplinären Teamarbeit lassen sich in drei Ebenen darstellen. Basierend auf dem aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand wurden diese Spannungsfelder gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Schweizer KMU ausgearbeitet. Epistemische und organisatorische Herausforderungen sind sowohl vor dem Start der Projektarbeit, beispielsweise bei der Wahl der Projektleitung und beim Bilden der Teams, als auch während der Teamarbeit zu finden – zum Beispiel bei der Su-

Unter der kommunikativ-psychologischen Ebene werden personenbezogene Faktoren und kulturelle Konflikte, zwischenmenschliche Beziehungen, Kommunikation und Perspektivenwechsel, unterschiedlicher Ausbildungshintergrund und Unterschiede zwischen den Disziplinen verstanden. Auf der institutionellen Ebene geht es um Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen, Wissensmanagement und die disziplinäre Ausbildung. Diese Erkenntnisse wurden in Kombination mit den einzelnen Phasen des In­ novationsprozesses betrachtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass interdisziplinäre Teamarbeit in allen Phasen des Innovationsprozesses essenziell ist. Auch weisen einzelne Teilaspekte der interdisziplinären Teamarbeit in den einzelnen Teilphasen des Innovationsprozesses keine spezifische Bedeutung auf, sondern haben über den gesamten In-

novationsprozess hinweg eine generische Bedeutung. Die Bearbeitung der Ebenen mündete in Handlungsoptionen. Sie deckten folgende Felder ab: Gruppengrösse, Skillmatrix, Teamverträge, Meetings, Workdates, Weiterbildung, IT-Know-how, Stage-Tage und individuelle Vertiefungsmöglichkeiten.

SECHS HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN Springen wir von der Struktur in die Praxis und füllen die Stichworte mit Inhalt. Dazu liefern wir Kernzitate. Bereits mit einfachen Massnahmen kann ein guter Einstieg in die Förderung interdisziplinärer Teamarbeit gefunden werden. Die nachfolgenden Handlungsempfehlungen sind breit anwendbar und unabhängig von individuellen Unternehmensgegebenheiten. Es handelt sich um Empfehlungen basierend auf den Erfahrungen aus dem Unternehmensalltag von Führungskräften aus zehn Schweizer KMU, welche mittels persönlichen Interviews befragt wurden.

GRUPPENGRÖSSE «Je mehr Personen es sind, desto schwerer wird es.» (anonymes Zitat aus der Branche stationärer Pflegedienstleistungen) Eine erfolgreiche interdisziplinäre Teamarbeit profitiert von der Bildung kleinerer Gruppen. Idealerweise sollten Unternehmen Teams mit maximal sechs Personen, inklusive Teamleader, bilden.

SKILLMATRIX «(…) ist es wichtig, dass sie geeignete Mitglieder für das interdisziplinäre Team finden, die sich in ihren Kompetenzen gut ergänzen (…).» (Andreas Missy, Chief of Staff, Santhera Pharmaceuticals) Dank einer «Skillmatrix» können schnell und übersichtlich die richtigen Mitarbeitenden für Projekte gefunden werden. In der «Skillmatrix», auch Qualifikationsmatrix genannt, kann übersichtlich visualisiert werden, ob und wie ausgeprägt Qualifikationen für die Anforderungen der Aufgabe vorhanden sind. Dies ermöglicht einen Überblick über die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Dazu zählen neben fachlichen Qualifikationen auch Erfahrungen in fachübergreifender Zusammenarbeit und ausserfachliche Kompetenzen.

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ZUR STUDIE Die Erkenntnisse basieren auf Interviews mit zehn innovativen Schweizer Unter­ nehmen. Die Zahl der Mitarbeitenden dieser Unternehmen liegt zwischen 12 und 426. Die Studie wurde im Rahmen des Innovation Research Projektes des berufsbegleitenden Masterstudienganges MSc Business Administration mit Vertiefung Innovation Management der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) durchgeführt.

«Durch die Skillmatrix hat man dann genau eine Übersicht, um die richtigen Entscheidungen anhand des Know-hows zu treffen (…). (P)ro Bereich sind diese Skillmatrizes natürlich sehr wichtige Führungsinstrumente (…).» (Adrian Steiner, CEO, Thermoplan)

TEAMVERTRÄGE Ein klarer Antrag, Planung und Start verhindern potenzielle Probleme im Vorfeld. Durch einen Teamvertrag können klare Funktionsprofile, Zuständigkeiten sowie Teamwerte und -ziele definiert werden. Diese werden bereits bei Projektstart von allen Teammitgliedern verbindlich gutgeheissen. Ein Teamvertrag kann in verschiedenen Formen aufgesetzt werden, beispielsweise auch in Form eines Pflichten- oder Aufgabenheftes.

«Ich glaube, das steht und fällt auch mit dem Pflichtenheft oder auch Aufgabenheft, was der Rahmen der Entwicklung beinhaltet und was nicht. Und wenn es ausserhalb des Rahmens ist, dann gibt es einen Zusatzantrag, dann kann man das so einreichen. Aber je besser man sich organisiert, desto weniger Konflikte gibt es.» (Adrian Steiner, CEO, Thermoplan)

TEAMMEETINGS UND WORKDATES Die zwischenmenschliche Beziehung in interdisziplinären Teams ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Besonders wichtig sind der regelmässige Austausch und die soziale Teamentwicklung. Unternehmen sollten daher regelmässige Teammeetings durchführen. Persönliche Beziehungen können durch (virtuelle) Workdates gestärkt werden. Bei einem Workdate können Teammitglieder für einen Austausch vernetzt werden. Dieser Austausch ist nicht nur inhaltlich, sondern auch zwischenmenschlich sehr wertvoll. «(R)egelmässige Meetings wären natürlich sehr gut. Dann hätten alle denselben Wissensstand. Alle würden über die wichtigsten Dinge informiert werden. Aber seit Corona findet gar nichts mehr von dem statt. Also, ich denke, es wäre einfach sehr wichtig, dass man wieder mehr auf Kommunikation achten würde. Mehr auf das Befinden der Mitarbeiter, mehr

Im Rahmen von Teamarbeit gilt es, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

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Gleichheit im Team. Das wäre schön.» (anonymes Zitat aus der Branche stationärer Pflegedienstleistungen)

WEITERBILDUNG UND IT-KNOW-HOW «Auf jeden Fall steht bei uns der Mensch im Mittelpunkt. Was jedoch nicht bedeutet, dass diese Personen nicht gut ausgebildet sein müssen. Aber Ausbildung ist nicht alles. Ich denke wir haben einen sehr guten Mix aus hoher Sozialkompetenz, Erfahrung und Know-how durch Weiterbildung, der in die Firma kommt.» (José Lopez, Leiter Verkauf & Marketing, HRM Systems AG) Ein guter Mix aus Erfahrung und Knowhow wirkt sich positiv auf die interdisziplinäre Teamarbeit aus. Dies kann durch Förderung von Weiterbildungen unterstützt werden. Ebenfalls fördert dies die persönliche Entwicklung der Teammitglieder. Digitale Tools sind ein essenzieller Bestandteil der heutigen Zusammenarbeit. Für einen effizienten Umgang sollten Unternehmen IT-Know-how fördern.

STAGE-TAGE «Ursprünglich haben wir das für neue Leute gemacht, um ihnen einen Einblick geben zu können, wie die verschiedenen Abteilungen zusammenspielen. Das hat dann aber bei den bestehenden Mitarbeitenden plötzlich Neugierde geweckt – im Sinne


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TEILNEHMENDE UNTERNEHMEN > Thermoplan, Maschinenbau, 426 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > HRM Systems AG, wirtschaftliche Dienstleistungen für Unternehmen, 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Santhera Pharmaceuticals (Switzerland) Ltd., pharmazeutische Erzeugnisse, 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > matriq AG, chemische Erzeugnisse, 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Anonymes Unternehmen, Pflegeheime, 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Anonymes Unternehmen, wirtschaftliche Dienstleistungen für Unternehmen, 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Anonymes Unternehmen, chemische Erzeugnisse, 180 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Anonymes Unternehmen, Werbung und Marktforschung, 75 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Anonymes Unternehmen, Software, 65 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter > Anonymes Unternehmen, Versicherungsdienstleistungen, 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

von «ich arbeite schon mehrere Jahre in dieser Firma und weiss eigentlich gar nicht so genau, was ihr macht». Und dann hat sich nun ein guter Mix ergeben und das hat wirklich geholfen. Das berühmte Rad, das dreht und was dreht alles mit und wofür das alles gut ist. Diese Abteilungseinblicke machen wir jetzt zwei Mal pro Jahr.» (José Lopez, Leiter Verkauf & Marketing, HRM Systems AG) Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel kann als Grundlage für eine erfolgreiche interdisziplinäre Teamarbeit verstanden werden. Es geht nicht um die vollständige Übernahme der anderen Perspektive. Vielmehr geht es darum, den Wissensstand des Kommunikationspartners abschätzen zu können. Durch das Angebot von StageTagen wird den Mitarbeitenden der Einblick in andere Bereiche der Unternehmung ermöglicht. Stage-Tage sind somit Aufenthalte zur weiterführenden Ausbildung und sollen einen Einblick in eine andere Funktion ermöglichen. Dies fördert den Perspektivenwechsel und beugt gleichzeitig Abteilungsblindheit vor.

INDIVIDUELLE VERTIEFUNGSMÖGLICHKEITEN Allgemein anwendbare, funktionale Handlungsempfehlungen bieten einen guten Einstieg in eine erfolgreiche interdisziplinäre Teamarbeit. Auf allen drei Ebenen bieten sich aber auch individuelle, auf die Unternehmung abgestimmte Vertiefungsmöglichkeiten an. Ein wichtiger Bereich konnte in Ergänzung zum aktuellen Forschungsstand identifiziert werden: Kultur und Werte. Erfolgreiche interdisziplinäre Zusammen-

arbeit ist immer auch eine Frage der Kultur. Die Art und Weise, wie das Verständnis von Zusammenarbeit geprägt und auch gelebt wird, ist dabei zentral. «Das ist, wie wenn ich eine Truppe auf einem Segelschiff habe und jeder hat das Gefühl, Norden ist woanders. Dann wird es schwierig. Dann ist das auch Chefsache, dass vorgegeben wird, was das Ziel eigentlich ist. Wo der Fokus liegt und auch das Timing vorgibt, wann müssen wir wo sein. Das hat mit Führung und Leadership zu tun, aber auch mit Motivation und der Fähigkeit, etwas aufzunehmen und sich weiterzuentwickeln.» (André Bernard, CEO, matriq AG)

SILVIA CANALE ist Fachspezialistin Vertriebsentwicklung bei der Helsana Versicherungen AG und Studentin der FFHS.

SEMIR KLJAJIC ist Dozent für Qualitäts- und Prozess­ management an der Höheren Fachschule TEKO in Olten und Student an der FFHS.

PIA KOHLER ist Consultant bei der AWK Group und Studentin an der FFHS.

KURZES FAZIT Einig sind sich alle Interview-Partner darin, dass ein gutes Bewusstsein für interdisziplinäre Teamarbeit für die Innovationsfähigkeit einer Unternehmung zentral ist. Probleme liessen sich bereichsübergreifend viel einfacher und zielführender lösen. Ausserdem sei die Akzeptanz solcher Problemlösungen in der gesamten Unternehmung viel höher. Trotz dieses Bewusstseins hat die Studie gezeigt, dass Spannungsfelder in allen befragten Unternehmen regelmässig auftauchen. Geeignete Problemlösungsstrategien zur Auflösung sind jedoch selten in den Unternehmen fest verankert. Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass einfache Massnahmen bereits erheblich dazu beitragen können, die Spannungsfelder zu reduzieren. Dadurch kann die Effektivität der interdisziplinären Zusammenarbeit bei Innovationsaktivitäten erhöht werden.

DR. MATHIAS BECK ist wissenschaftlicher Projektleiter an der KOF Konjunktur­forschungsstelle an der ETH Zürich. Er doziert an der FFHS.

DR. RAPHAEL FLEPP ist Oberassistent am Lehrstuhl für Unternehmensführung und -politik an der Universität Zürich und Dozent an der FFHS. www.ffhs.ch

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Weiterdenker können Trittsteine legen.

FÜHRUNGSKULTUR IM WANDEL DER UNTERSCHIED ZWISCHEN STARKEN UND SCHWACHEN LEADERN von Anne M. Schüller

Ein Winzling namens Corona hat die Wirtschaft mächtig durchgeschüttelt. Viele Unternehmen müssen sich neu erfinden. Dies erfordert innovative Ideen – und eine passende Führungskultur.

U

m zukunftsfähig zu werden, braucht es Menschen im Unternehmen, die sich als Vorreiter und Pioniere ins Neuland wagen – auch dorthin, wo noch niemand vor ihnen war. Solche Menschen werden Quer- und Weiterdenker oder bisweilen auch Gamechanger, Freigeister und Corporate Rebels genannt. Sie sprühen vor Ideen, wie man das, was in die Jahre gekommen ist, besser machen könnte, sollte und müsste. Sie sind Helfershelfer auf dem Weg ins Übermorgen, Lotsen in die kommende

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Zeit. Sie ehren das Gute und plädieren zugleich für das bessere Neue. Sie zeigen auf alles, was für Kollegen und Kunden eine Zumutung ist. Sie sind offen für Fortschritt und treiben mutig den Wandel voran. Solche Zukunftsgestalter im Unternehmen sind ein echter Wettbewerbsvorteil – wenn man sie doch nur machen liesse.

sich vom Durchschnitt und Mittelmass abzuheben. Wer das nicht versteht, wird Weiterdenker als Querulanten abqualifizieren. Doch damit liegt er falsch. Querulanten sind Personen, die an allem etwas auszusetzen haben, die sich wegen jeder Kleinigkeit beschweren und stur darauf pochen, recht zu haben.

WEITERDENKER LEGEN TRITTSTEINE INS NEULAND

Querulanten legen sich quer um des Querlegens willen. Sie stänkern rum, verbreiten schlechte Stimmung, befeuern die Gerüchteküche, verdrehen die Wahrheit, spinnen Intrigen und zetteln Streitigkeiten an. Man

Das Denken und Handeln gegen die Regeln und das Übliche, Etablierte gehört zu den massgeblichsten Erfolgsfaktoren, um


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macher, die mit Neugierde, Entdeckerfreude, Gestaltungslust und umtriebigen Ideen Konventionen durchbrachen und Trittsteine ins Neuland legten. Sie sorgten für Fortschritt und führten uns dahin, wo wir heute sind.

SCHWACHE LEADER VERSPIELEN DIE ZUKUNFT Zwangsläufig muss man sich von Veraltetem trennen, damit das notwendige Neue «werden kann». Leider ist man mit solchen Gedankengängen vielen im Unternehmen ein Graus. Bloss nicht den Laden durcheinanderbringen, bloss nicht für Unruhe sorgen, bloss nicht das beschauliche «Weiter-so» stören. «Wer sich der vorgegebenen Ordnung nicht fügt, den können wir hier nicht gebrauchen», erklärte man mir neulich.

kann sie auch als Nörgler, Miesmacher und Quertreiber bezeichnen. Ihr Verhalten ist destruktiv und zu nichts nutze. Sie treiben Keile in Gemeinschaften, statt alle gemeinsam voranzubringen. Echte Querdenker hingegen sind konstruktiv. Sie wollen nichts zerschlagen, keine Barrikaden errichten und auch nicht zündeln. Ihre Vorstösse zielen auf die Verbesserung einer jeweiligen Situation. Sie sind sanfte, schöpferische, förderliche Rebellen, aber keine Aufständische, Saboteure oder Untergrundkämpfer. Allerdings befolgen interne Querdenker nicht unbesehen, was ein Prozess oder System von ihnen verlangt. Gott sei Dank! Denn Konformismus erzeugt Stillstand. Nichts wird mehr gewagt, was zwar Chancen bietet, aber vielleicht auch schiefgehen könnte. Und die flottere Konkurrenz zieht mit Besserem, Neuerem an einem vorbei. Hätten alle Menschen immer alle Regeln befolgt, sässen wir noch heute in der Savanne. Es waren die Weiterdenker und Anders-

Schwache Leader beharren auf vermeintlich Bewährtem. Regeln und Normen geben ihnen einen Sicherheitsrahmen. Neue Wege bedeuten für sie nicht Chance, sondern Gefahr. Zudem haben sie Angst vor der Demaskierung. Insofern nutzen sie die ihnen zugewiesenen Befugnisse für Command & Control. Sie hüten Wissen, denn das gibt ihnen Macht. Auf ihre Entscheidungen muss man lange warten. Sie erzeugen ein Umfeld von Unlust und blindem Gehorsam. Querdenker stellen für sie ein Risiko dar. Sie verweigern ihnen Entfaltungsräume und neigen dazu, sie fertigzumachen. Darüber hinaus sind schwache Leader defizitorientiert. Sie thematisieren die Schwächen ihrer Leute – und nicht deren Stärken. Sie heben deren Fehler und nicht deren Erfolge hervor. Sie können sich schlecht auf andere Sichtweisen einlassen. Selbst die genialsten Ideen werden sie niedertrampeln, wo es nur geht. Und in Wahrheit? In Wahrheit hat ihr Ego vor allem Sorge um Machtverlust – oder Angst vor dem Zeigen von Schwäche.

STARKE LEADER GEBEN FREIGEISTERN RAUM Starke Leader wissen, wie wichtig neues Denken und Handeln ist, um die Zukunft erreichen zu können. Sie geben keine Direktiven vor, sondern unterstützen autonome Entscheidungen in ihren Teams. Spielfelder des Experimentierens sind in ihrem Umfeld völlig normal. So sorgen sie für einen Nährboden stetigen Wandels und erzeugen Biotope für unkonventionelle Ideen.

DIE ORBIT-ORGANISATION In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft Anne M. Schüller, Alex T. Steffen Gabal Verlag 2019, 312 Seiten ISBN: 978-3869368993

FREIGEISTER HABEN EIN GUTES GESPÜR FÜR NEUE TRENDS Als vor Jahren enthusiastische Entwickler bei Atari begannen, Videospiele zu konzipieren, war die Weisung aus der Chefetage deutlich und klar: «Es gibt keinen Markt dafür. Atari ist nicht daran interessiert, Spiele für Computer zu produzieren.» Einem der Software-Ingenieure, der an Star Raiders arbeiten wollte, sagte ein Spitzenmanager: «Ein Spiel, bei dem man im Weltraum herumfliegt und andere Raumschiffe abschiesst? Das ist die dümmste Idee, die uns je untergekommen ist. Schreiben Sie das Projekt ab!» Star Raiders ist nur deshalb fertig geworden, weil der Entwickler vorgab, sich um die regulären Atari-Programme zu kümmern – und weil sein direkter Vorgesetzter ihn schützte. Das Spiel wurde nicht nur zu einem Verkaufsschlager, es gilt als Klassiker der Videospielgeschichte und wurde von der Stanford University zu einem der zehn wichtigsten Computerspiele aller Zeiten gekürt.

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DIE SPRECHBLASENMETHODE FÜR OPTIMIERUNGSINITIATIVEN Wer Überholtes loswerden und Verbesserungspotenzial zeitnah einfangen will, braucht die richtigen Fragen. Versuchen Sie es doch mal mit der Sprechblasen-Methode. Die geht so: Man malt Sprechblasen, die sich gegenüberstehen, eine links und drei rechts. In die linke kommt eine ausgewählte Frage aus der folgenden Liste, die rechten sind leer, damit der Befragte seine Antworten dort einsetzen kann. So gelingt ein kreativer Austausch aller Beteiligten und es ergeben sich neue Perspektiven.

> Die Goldstück-Frage: Welche sind die drei umsatzträchtigsten oder auch kostensparendsten Ideen, die Sie für uns hätten? > Die Sternenstaub-Frage: Welche sind Ihre drei verrücktesten / emotionalsten Ideen, die wir bei unseren Kunden umsetzen könnten? > Die Trüffelschwein-Frage: Welche sind die drei innovativsten Dinge, die wir schnellstmöglich einführen sollten? > Die Killer-Frage: Wenn es einen Sensenmann gäbe: Was wären die drei Dinge, die er unbedingt dahinraffen müsste? > Die Ufo-Frage: Wenn Sie ein Ausserirdischer wären: Welche drei Dinge kämen Ihnen bei uns besonders merkwürdig vor? > Die Forum-Frage: Wenn wir ein Forum hätten mit dem Namen «Was bei uns total nervt»: Was wären die drei Hauptdiskussionspunkte? > Die Gummibaum-Frage: Wenn der Gummibaum in unserem Besprechungsraum reden könnte: Was würde er zu unserer Gesprächskultur sagen? > Die Kaffeemaschinen-Frage: Wenn unsere Kaffeemaschine sprechen könnte: Was würde ihr bei unserem Miteinander am meisten missfallen? Und was würde ihr am besten gefallen? Die Sprechblasen-Methode kann offen oder anonymisiert eingesetzt werden. Hierbei befragt man die Mitarbeitenden einzeln – oder das ganze Team im Zuge eines Meetings.

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Auch Freigeister brauchen Rückendeckung.

Neuesprobierern zollen sie Anerkennung. Querdenkenden wird Wertschätzung entgegengebracht. Wagemut wird belohnt. Auf diese Weise beflügeln sie ihre Mitarbeitenden zu immer neuen Heldentaten. Bei starken Leadern stehen nicht Vorgaben, Forderungen und Kontrollaktionen im Vordergrund, sondern das Befähigen und die vertrauensvolle Ermunterung. Sie stecken Spielfelder ab, in denen Handlungsoptionen für grossartige Ideen und hohe Performance entstehen können. Sie öffnen Türen, entfernen Hürden und machen die Bahn frei, damit die Leute lossprinten können. Hier und da stellen sie – abhängig von Aufgabenstellung und Persönlichkeits­ typologie – auch ein paar Leitplanken auf, damit niemand in den Abgrund fällt. Wenige Spielregeln bestimmen, was geht und was nicht. Zudem erleben starke Leader die Perspektiven anderer als bereichernd. Ihre eigene Meinung betrachten sie als eine von vielen Möglichkeiten. Ihnen ist sonnenklar: Die Menschen wollen wirksam werden, sie wollen erfolgreich sein und das Unternehmen nach vorne bringen. Man muss nur alles entfernen, was sie daran hindert. Spielraum und gefahrloses Ausprobieren lässt Menschen reifen. Eigenverantwortung macht sie selbstbewusst. Entscheidungskompetenz macht sie stark. Selbstinitialisierte Weiterentwicklung macht sie kreativ – und damit die ganze Firma fit für die Zukunft.

ZUKUNFTSMACHER BRAUCHEN RÜCKENDECKUNG Querdenker muss man fliegen lassen. Wer sie domestizieren und ihnen die Flügel stutzen will, nimmt ihnen genau die Power,

die sie so überaus wertvoll macht. Bevormundung und starre Regelkorsetts kommen für sie nicht in Betracht. Ihnen geht es um spannende Aufgaben und bereichernde Erfahrungen, an denen sie selbstwirksam arbeiten können. Folgende Überlegungen treiben sie an: > Macht es Sinn, was ich hier tue? > Kann ich mich fachlich einbringen und etwas zum Guten verändern? > Werde ich als wertvoll gesehen und in meinem Tun anerkannt? Gute Ideen sind sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Ihnen und ihren Schöpfern weht oft eine steife Brise entgegen, weil sie sich gegen eine Vielzahl von Bremsern zur Wehr setzen müssen. Da Querdenker also schnell ins Abseits geraten, brauchen sie Rückendeckung. Nur dann kann sich ihre Wirkkraft voll entfalten. Andererseits müssen sie hier und da gebremst werden, da sie sich in ihrem Übereifer bisweilen vergaloppieren. Und ja natürlich, sie werden sich auch verlaufen. Doch wie heisst es so schön: Wer sich nie verirrt, findet auch keine neuen Wege.

ANNE M. SCHÜLLER ist Managementdenkerin, Keynote-Speakerin, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoachin. www.anneschueller.de


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Elektromobilität braucht passende Ladestrukturen.

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE LADELÖSUNGEN FÜR JEDEN IMMOBILIENTYP von Marcel Bühlmann

Sind Ladestationen ein zukunftsorientierter Kundenservice oder eine bedarfsgerechte Investition für Mieter und Stockwerkeigentümer? Egal, in welcher Dimension Sie Elektromobilität umsetzen, mit den massgeschneiderten Ladelösungen von AGROLA statten Sie jede Immobilie klimafreundlich und unkompliziert für Elektrofahrzeuge aus.

E

lektromobilität wird in der Schweiz immer beliebter und damit steigt der Bedarf an gut verteilten Lademöglichkeiten. Vor allem Ladestationen am Wohn- und Arbeitsort oder an Kundenparkplätzen gewinnen an Bedeutung. AGROLA bietet für solche Einsatzzwecke ein ausgefeiltes Portfolio modular aufgebauter Ladelösungen an, passend für unterschiedliche Rahmenbedingungen. Damit gehen Sie einen wichtigen Schritt in eine nachhaltige, mobile Zukunft – ganz gleich, ob als privater, gewerblicher oder öffentlicher Anbieter.

INDIVIDUELLE KONZEPTE FÜR JEDE LIEGENSCHAFT Unser Portfolio reicht von der einzelnen Säule für ein kleines Ladengeschäft bis hin zu einer Serie wandmontierter Anschlüsse in einem Mehrparteienhaus. AGROLA realisiert das Projekt für Sie als ganzheitliche Lösung von der Planung bis zur Abrechnung. Wir planen mit Ihnen gemeinsam

Neubauten und rüsten Gebäude bedarfsgerecht nach. Im Anschluss sorgt AGROLA auf Wunsch für einen reibungslosen Betrieb inklusive Wartung.

AUSGEREIFTE TECHNIK, MAXIMALE SICHERHEIT Unsere Ladestationen sind alle mit der AGROLA Smart Box ausgestattet. Diese überwacht mit einem intelligenten Lastmanagement jeden Ladevorgang, damit der Hausanschluss nicht überlastet wird. So können Sie die Anlage auch jederzeit bei gleichbleibend hoher Verfügbarkeit erweitern. Sind bereits Solaranlagen bei der Immobilie in Betrieb, fügen sich die Ladestationen nahtlos in das System ein. Sie wählen selbst, ob Ihre Ladestationen in der AGROLA e-Mob-App öffentlich angezeigt werden. Diese Funktion ist besonders interessant für Anbieter wie Kommunen, die den Umstieg auf nachhaltige Mobilität vorausschauend unterstützen.

UNKOMPLIZIERTE ABRECHNUNG Speziell für Anlagen mit mehreren unabhängigen Bezügern bietet das Abrechnungssystem von AGROLA grossen Komfort. Wir rechnen über die Nutzerkarten detailliert und individuell ab, sodass Sie keinen Mehraufwand in der Verwaltung haben. Wir bringen für das Gesamtmanagement langjährige Erfahrung mit und bieten Ihnen ein Rundum-sorglos-Paket aus einer Hand.

MARCEL BÜHLMANN ist Leiter Verkauf Elektromobilität bei der AGROLA AG. www.agrola.ch/ladeloesungen

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Der Fuhrparkleiter und Geschäftsführer Daniel Pfeifenberger von Bienenlieb e. V. zeigt die Routenplanung in der Fuhrparksoftware.

SCHMERZPATIENT FUHRPARK DIESE PFLICHTEN DÜRFEN SIE NICHT VERNACHLÄSSIGEN von Anna Ziegler

Der Fuhrpark des eigenen Unternehmens ist essenziell für einen reibungslosen Ablauf im Betriebsalltag. Durch ihn wird die Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen sichergestellt. Dennoch: Die Mehrheit der Entscheidungsträgerinnen und -träger ist sich dem Stellenwert des Fuhrparks nicht bewusst und schenkt ihm deshalb nicht die Aufmerksamkeit, die eigentlich notwendig wäre.

D

ie Gründe für diese Vernachlässigung sind vielfältig: Oft fehlt die Zeit im stressigen Arbeitsalltag, Expertenwissen zu Themen wie den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) ist nicht vorhanden oder das Budget gibt es einfach nicht her. Beschäftigt man sich einmal genauer mit der Fuhrparkverwaltung, wird klar: Durch die richtigen Ansätze können Zeit,

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Kosten und Arbeitsaufwand verringert und gleichzeitig die Effizienz und Rechtssicherheit gesteigert werden.

WICHTIGE PFLICHTEN BEI DER FUHRPARKVERWALTUNG Die Unfallverhütungsvorschriften müssen immer eingehalten werden, egal ob sich in dem Fuhrpark zwei oder 200 Fahrzeuge

befinden. Geschieht dies nicht, ist die Rechtssicherheit im Betrieb gefährdet. Vor der Übergabe eines Pool- oder Dienstwagens an die Fahrerinnen und Fahrer muss eine Erstunterweisung erfolgen (DGUV Vorschrift 70 § 30). Danach muss eine jährliche Fahrerunterweisung stattfinden (§ 12 ArbSchG und DGUV Vorschrift 70). Zusätzlich sind die Fahrerinnen und Fahrer


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dazu verpflichtet, die Fahrzeuge vor Fahrtantritt auf etwaige Mängel und Schäden zu prüfen (DGUV Vorschrift 70 § 36). Einmal jährlich müssen die Fahrzeuge zudem von einem Sachkundigen überprüft werden (DGUV Vorschrift 70 § 57). Neben den Unterweisungen und Fahrzeugüberprüfungen ist auch die Führerscheinkontrolle eine wichtige Pflicht im Fuhrpark. Die Führerscheine der Mitarbeitenden müssen vor der ersten Fahrzeugübergabe sowie mindestens einmal pro Halbjahr kontrolliert werden.

MÖGLICHE KONSEQUENZEN BEI NICHTEINHALTUNG Werden die UVV-Regeln nicht eingehalten, muss mit straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen gerechnet werden. Diese beginnen bei einem Bussgeld und können im Falle eines Unfalls sogar zu Freiheitsstrafen führen. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis. Nach Paragraph 21 des Strassenverkehrsgesetzes wird diese Tat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Da Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Durchsetzung und Protokollierung der Führerscheinkontrollen verpflichtet sind, werden auch sie zur Verantwortung gezogen. In vielen Fällen übertragen Unternehmen die Halterhaftung an den Fuhrparkverantwortlichen. Voraussetzung dafür: Bei dem Mitarbeitenden muss es sich um eine zuverlässige, erprobte und sachkundige Person handeln, die mit der Erfüllung der Halterpflichten durch Weisung oder Arbeitsvertrag beauftragt wurde.

EINFACHE LÖSUNG FÜR MEHR RECHTSSICHERHEIT

und die Routenplanung die meiste Zeit im Arbeitsalltag. Digitale Lösungen verringern diesen Zeitaufwand ungemein. Das elektronische Fahrtenbuch zeichnet mit Start des Motors alle finanzamtrelevanten Daten auf, lediglich die Kategorisierung der Fahrt in Arbeitsweg, Betriebs- oder Privatfahrt müssen die Fahrerinnen und Fahrer noch selbst vornehmen. Die Tankkartenintegration ermöglicht es, dass alle Belege automatisch im System hinterlegt werden, und verhindert so eine chaotische Zettelwirtschaft. Live-Fahrzeugortung und Routendokumentationen vereinfachen die Routenplanung und Auftragsverteilung und geben Informationen über die Ankunftszeit beim Kunden. Das sorgt nicht

nur für zufriedenere Fahrerinnen und Fahrer, sondern auch für glückliche Kundinnen und Kunden.

ANNA ZIEGLER ist Mitarbeiterin Content Marketing bei Vimcar. www.vimcar.de

Die Fuhrparksoftware gibt einen Überblick über die durchgeführten UVV-Schulungen.

Die Unfallverhütungsvorschriften gehen im stressigen Arbeitsalltag oftmals unter oder werden nicht dokumentiert. Abhilfe schafft hier eine digitale Lösung wie eine Fuhrparksoftware. Fahrerunterweisungen und Führerscheinkontrollen können mit dieser digital durchgeführt werden, um Zeit zu sparen und ein Prüfungsversäumnis zu verhindern.

ZUSÄTZLICH PROFITIEREN Neben der Sicherstellung der Rechtssicherheit im Fuhrpark bietet eine Fuhrparksoftware eine Vielzahl weiterer Funktionen, die die Verwaltung vereinfachen. Laut einer Vimcar-Studie mit 100 Fuhrparkverantwortlichen aus dem Bauhandwerk vom Juni 2021 kostet die Fahrtenbuchführung, das Schadenmanagement

Die Fuhrparksoftware hilft auch nach dem Unfall.

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Die digitale Schlüsselverwaltung erleichtert das Carsharing.

POOLFAHRZEUGE INTELLIGENT VERWALTEN DIGITALE HELFER von Martin Streich

Der Einsatz von Poolfahrzeugen bietet Unternehmen viele Vorteile. Im Vergleich zum personengebundenen Dienstwagen können sie eine kostensparende sowie ökologische Alternative darstellen und dienen darüber hinaus als Motivation für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

D

er Aufwand, den eine PoolfahrzeugFlotte mit sich bringt, führt zu einer Vielzahl an Herausforderungen, denn viele Aufgaben finden parallel statt: das Bereitstellen von intakten Fahrzeugen zu den gewünschten Fahrzeiten, die Dokumentation technischer Daten sowie die Ausgabe und Rückgabe des gemieteten Fahrzeuges an den Mitarbeiter und, nicht zu vergessen, die Verwaltung der Fahrzeugschlüssel. Kurzum, die sinnvolle Auslastung eines Fuhrparks mit Poolfahrzeugen ist mit einem beträchtlichen Verwaltungsund Personalaufwand verbunden. Dieser lässt sich aber durch den Einsatz einer Software zur Poolfahrzeugverwaltung inklusive einer digitalen Schlüsselverwaltung minimieren – und zwar nicht erst, wenn die Carsharing-Flotte eine gewisse Grösse besitzt.

SCHLÜSSELMANAGEMENT – DIGITAL ODER ANALOG? Diese Frage stellt sich jeder Fuhrparkverantwortliche einer Carsharing-Flotte. Wofür Sie sich entscheiden, hängt von vielen Faktoren ab. So haben die Grösse des Fahrzeugpools, die Nutzung der Dienstwagen und die örtlichen Gegebenheiten (zum Beispiel ein abgeschlossener Parkplatz auf dem Firmengelände oder geparkte Autos auf einem frei zugänglichen Gelände) einen wichtigen Einfluss auf die

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Entscheidung, eine manuelle Verwaltung der Schlüssel oder aber eine digitale Lösung zu nutzen. Eine manuelle Schlüsselübergabe durch einen Mitarbeiter kann in der Aufbauphase eines Pools oder bei kleinen Fuhrparks eine sinnvolle Möglichkeit sein, den Zugang zu den Fahrzeugen sicherzustellen, denn dies spart Kosten und kann oft auf dem kurzen Dienstweg gewährleistet werden. Mit wachsender Grösse oder bei steigendem Anspruch an die Professionalität der Schlüsselübergabe ist diese Variante jedoch bald ausgereizt: Selbst «semidigitale» Zugangsmodalitäten mit Excel-Sheets oder über den OutlookKalender sind fehleranfällig, aufwendig, unübersichtlich und vor allem manipulierbar. Letzteres ist besonders schwerwiegend, wenn es um Beschädigungen an den Fahrzeugen geht. Darüber hinaus ist eine zeitlich unabhängige, also 24 / 7 mögliche Schlüsselübergabe meist nicht zu gewährleisten – eines der grössten Mankos beim Pooling, basiert das Modell doch gerade auf grösstmöglicher Flexibilität.

DIGITALE LÖSUNGEN BIETEN VIELE VORTEILE Ein digitaler Schlüsselschrank bietet eine komfortable Lösung zur optimierten und kostensensiblen Ausgabe der Poolfahrzeuge. Er ersetzt erfolgreich und gewinnbringend für Unternehmen und Mitarbeiter

die manuelle Verwaltung der Fahrzeuge. In Verbindung mit einer IT-basierten Lösung für das Management des Fahrzeugpools erfolgt die Schlüsselaufbewahrung platzsparend, sicher und zentral am Abstellplatz der Poolfahrzeuge. Ausgabe und Rücknahme sind rund um die Uhr möglich, da der Schrank vollautomatisch und selbsttätig vom autorisierten Fahrer geöffnet werden kann. Die Funktionsweise eines Schlüsselschranks ist intuitiv und bequem, was besonders bei der Neueinführung einer automatisierten Fuhrparkverwaltung die Akzeptanz unter Verantwortlichen und Mitarbeitern erhöht. Nach erfolgter Reservierung des gewünschten Fahrzeuges über die Website oder App kann der Nutzer mit der ihm zugeteilten PIN oder aber mithilfe eines RFID-Chips den Schlüsselschrank öffnen und den entsprechenden Schlüssel für das gebuchte Fahrzeug entnehmen. Der für den Nutzer vorgesehene Schlüssel gibt ein kleines Lichtsignal ab, sodass er sofort den richtigen Schlüssel erkennt – alle anderen Schlüssel sind nicht zugänglich, was ein Höchstmass an Sicherheit garantiert. Der Buchungsvorgang ist automatisch abgeschlossen, wenn der Fahrzeugschlüssel wieder im Schlüsselkasten steckt. Unter Berücksichtigung von Datenschutz und Persönlichkeitsrechten der Mitarbeiter


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lässt sich die Synergie zwischen einer Poolfahrzeug-Software und dem digitalen Schlüsselschrank weiter optimieren, zum Beispiel durch den Einsatz von Telematik. So können neben zurückgelegter Wegstrecke und entsprechend dem Kilometerstand – wichtige Parameter für Wartung, Leasing und Versicherungszwecke – auch Tankfüllung beziehungsweise Ladezustand bei Elektroautos mithilfe der Software dargestellt werden. Vor allem bei Elektroautos ist dies ein wesentliches Kriterium für eine Anmietung. Fahrzeuge mit geringem Ladezustand können für kürzere Fahrten angeboten und für längere Fahrten blockiert werden. Im Fall eines Unfalls kann der Fahrer den Schaden über eine mobile App melden, die dann wiederum den Fuhrparkleiter informiert. Wenn Sie an Ihrem Standort nicht die nötige Infrastruktur für einen Schlüsselschrank besitzen oder sich die digitalen Möglichkeiten noch umfassender zunutze machen wollen, bietet sich das Modell des digitalen Autoschlüssels an. Hierbei wird eine kleine Schlüsselbox fest, aber reversibel in alle handelsüblichen Fahrzeugmodelle ver-

baut und an den Zigarettenanzünder angeschlossen; der Schlüssel kann zur Fahrzeugzündung entnommen werden. Ein integrierter Akku überbrückt bis zu vier Wochen ohne Strom. Der Nutzer greift selbstständig über eine App auf das Fahrzeug zu, kann es öffnen und schliessen, nachdem er über das Buchungssystem authentifiziert wurde – ein Pluspunkt vor allem, wenn Ihr Fuhrpark auf mehrere Standorte verteilt oder gar standortunabhängig sein soll. Mit einer Schlüsselbox und der dazugehörigen App verringern sich der Administrations- und der Personalaufwand bei der Fuhrparkverwaltung um ein Vielfaches, gleichzeitig ist die Plugand-Play-Lösung einfach zu installieren und mit den meisten webbasierten Flottenlösungen kompatibel. So wird ein Maximum an Kontrolle und Sicherheit bei weniger Aufwand und besserer Auslastung erreicht. Hinzu kommen für den Nutzer Transparenz und Flexibilität.

waltung der Flotte möglichst anpassungsfähig und vor allem einfach in der Anwendung sein. Eine digitale Lösung bietet nicht nur Sicherheit dank genauer Dokumentation, sondern auch echte Kosteneinsparungen. Neben den vielfältigen anderen Aufgaben, die Fuhrparkmanager haben, sollte gerade der zeitintensive und fehleranfällige Bereich der Fahrzeugbereitstellung effizient und kostensensibel erledigt werden. Themen wie Sicherheit, Kontrolle und Auslastung sind wichtige Schlüsselbegriffe, die Sie mit einer digitalen Variante bestens im Griff haben.

FAZIT

ist Online Marketing Manager bei Carano.

Poolfahrzeuge bieten eine flexible Mobilität und dementsprechend sollte auch die Ver-

www.carano.de

MARTIN STREICH

Elektrisierender Weltrekord Längste gefahrene Strecke mit einem E-LKW ohne Zwischenladung

Ausgabe 3/2021 // Seite 115


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Telematik-Daten sind personenbezogen, da der Lkw-Fahrer identifizierbar ist.

TELEMATIK-DATEN IM FOKUS BGL UND ELVIS WARNEN VOR UNREGULIERTER WEITERGABE von Nikolja Grabowski

Europas grösster Lkw-Ladungsverbund ELVIS und der führende Verband der deutschen Transportund Logistikbranche BGL beobachteten in den vergangenen Wochen zunehmende Anfragen gegenüber Transport- und Speditionsunternehmen zur Freigabe ihrer Telematik-Daten im Zusammenhang mit Auftragserfüllungen über Frachtenvermittlungsplattformen.

A

uf diese Daten sollen sowohl der Betreiber der Internetplattform als auch die Auftraggeber zugreifen können, um die Abläufe der Auftragsabwicklung zu optimieren. BGL und ELVIS kommen nach rechtlicher Prüfung durch das BGL-Kompetenzzentrum Recht (KomRe) zu dem Schluss, dass eine unregulierte Weitergabe der Telematik-Daten an Dritte abzulehnen ist. Dabei darf den Unternehmen kein Nachteil entstehen, zum Beispiel durch Ausschluss von Ausschreibungen oder Transporten über eine Plattform. In

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Deutschland ist der Schutz personenbezogener Daten ein hohes Gut. Die Weitergabe dieser Daten ist streng reglementiert. Der häufig unbekümmerte Umgang mit der Weitergabe von Telematik-Daten an Dritte ist daher unbedingt kritisch zu hinterfragen. Laut der Datenschutzgrund­ verordnung (DSGVO) gilt der Anwendungsbereich des Erlasses für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

SCHWIERIGKEITEN BEI DER DATENVERARBEITUNG Telematik-Daten sind per se personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO, da sie sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person – den Lkw-Fahrer – beziehen. Eine Weitergabe dieser personenbezogenen Daten an Dritte bedarf daher grundsätzlich einer ordnungsgemässen Einwilligung der betroffenen Person. Diese Einwilligung setzt jedoch weiterführende Informationen über Art, Umfang und Verwendungszweck der erhobenen Daten so-


wie die Möglichkeit voraus, die Daten auf Anforderung auch wieder löschen zu lassen. Soweit hier Unklarheit besteht, kann der Arbeitnehmer nicht wirksam in die Datenverarbeitung einwilligen. Auch für den Arbeitgeber der Fahrer ist Vorsicht geboten: Falsche oder unzureichende Informationen könnten zu einer Beschwerde der Arbeitnehmer bei einer Aufsichtsbehörde oder zu Schadenersatzklagen führen. Eine Verhängung von Geldstrafen würde bei einem Wert von über 200 Euro in das Gewerbezentralregister eingetragen und kann im Wiederholungsfall zu einem Verlust der Güterkraftverkehrserlaub­nis oder der EU-Lizenz führen. BGL und ELVIS empfehlen den Transport- und Speditionsunternehmen daher dringend, vom Plattformbetreiber einen Nachweis über entsprechende DSGVOkonforme Gewährleistungen und Datenschutzregelungen anzufordern, wenn sie TelematikDaten mit der Plattform austauschen wollen. Insbesondere sollten sie darauf bestehen, dass transparente und umfassende Regelungen mit der Benennung von verantwortlichen Personen vorgelegt werden und sämtliche notwendige Arbeitsschritte der Plattform vom Datenschutzbeauftragten des Betreibers schriftlich ausgeführt und unter Angaben seines vollständigen Namens und der entsprechenden Adresse testiert werden. Diese Daten können dann den eigenen Mitarbeitern und – wenn vorhanden – dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt werden.

Daten sind wichtig für die Auftragsabwicklung.

Nur dann kann der Übermittlung der TelematikDaten zugestimmt werden.

BENACHTEILIGUNG VORBEUGEN BGL und ELVIS weisen darauf hin, dass weder dem Mitarbeiter noch dem Unternehmen ein Nachteil erwachsen darf, wenn sie die Weitergabe der Daten ablehnen. So dürfen derartige Unternehmen beispielsweise nicht von Ausschreibungen oder Transporten über eine Plattform ausgeschlossen oder benachteiligt werden. Andernfalls dürfte nach derzeitiger Auffassung ein Verstoss gegen das Gesetz des unlauteren Wettbewerbs vorliegen. Um Transport- und Logistikunternehmen eine sichere, DSGVO-konforme Lösung anbieten zu können, überlegen BGL und ELVIS, eigene Lösungen zu schaffen.

Everyone's E-Bike

NIKOLJA GRABOWSKI ist Vorstand des Europäischen LadungsVerbunds Internationaler Spediteure AG. www.elvis-ag.com

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Ein E-Flugzeug ist auf Zubringerstrecken vielfältig einsetzbar.

EMISSIONSFREIE ZUKUNFT DER LUFTFAHRT ELEKTRISCHE FRACHTFLUGZEUGE VOR DEM EINSATZ von Margherita Tilotta

Die Elektromobilität schwingt sich in die Lüfte. Die Express Division von Deutsche Post DHL Group bestellt zwölf Null-Emissionen-Flugzeuge des Typs «Alice» von Eviation. Der Aufbau eines weltweit einzigartigen elektrischen Luftfracht-Netzwerks steht auf der Agenda. Der Erstflug soll noch 2021 erfolgen.

E

ine neue historische Wegmarke ist zu besichtigen. DHL Express, der weltweit führende Expressdienstleister, und Eviation, ein innovativer und internationaler Hersteller von Elektroflugzeugen, schreiben gemeinsam Luftfahrtgeschichte: Die Express Division von Deutsche Post DHL Group hat als erstes Unternehmen der Welt zwölf Elektroflugzeuge des Typs «Alice» bestellt. Mit dem Auftrag plant DHL den Aufbau des ersten elektrischen und somit emissionsfreien Luftfracht-Netzwerks und geht damit einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltiger Luftfahrt. Das am Markt führende

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E-Flugzeug Alice ermöglicht Fluggesellschaften sowohl im Fracht- als auch Passagierverkehr den Betrieb emissionsfreier Flotten. Eviation erwartet, die elektrischen Frachtflugzeuge im Jahr 2024 an DHL Express auszuliefern – der Jungfernflug soll noch in diesem Jahr erfolgen. «Wir glauben fest an die emissionsfreie Zukunft der Logistik», betont John Pearson, CEO von DHL Express. «Daher achten wir bei allen Investitionen darauf, dass diese unseren CO2-Fussabdruck verbessern. Auf unserem Weg zu einer umweltschonenden Logistik spielt die Elektrifizierung

aller Transportarten eine entscheidende Rolle und trägt massgeblich zu unserem Nachhaltigkeitsziel von null Emissionen bei. Seit Jahrzehnten gilt DHL Express als Pionier der Luftfahrtindustrie und mit Eviation haben wir den perfekten Partner gefunden, der unsere Mission teilt. Gemeinsam wagen wir den Aufbruch in ein neues Jahrzehnt der nachhaltigen Luftfahrt.»

BEEINDRUCKENDER AUFTRITT Alice kann von einem einzelnen Piloten geflogen werden und über 1 200 Kilogramm (2 600 Pfund) an Fracht transportieren. Die Ladezeit pro Flugstunde beträgt


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circa 30 Minuten, die maximale Reichweite liegt bei 815 Kilometern (440 nautischen Meilen). Alice kann in jedem Umfeld eingesetzt werden, in dem derzeit Flugzeuge mit Kolben- und Turbinentriebwerk verkehren. Ihre hochentwickelten Elektromotoren sind aufgrund der geringeren Zahl von beweglichen Teilen höchst zuverlässig, wartungsarm und damit kosteneffizient. Um permanent eine optimale Flugeffizienz zu gewährleisten, wird die Flugleistung kontinuierlich von der zugehörigen Betriebssoftware überwacht.

und Luftfahrt bei DHL Express. «Aufgrund ihrer Reichweite und Kapazität stellt Alice eine fantastische und nachhaltige Lösung für unser globales Netzwerk dar. Wir wollen unseren CO2-Fussabdruck erheblich verbessern und diese Fortschritte in puncto Flotte und Technologie werden einen wichtigen Beitrag zur weiteren CO2-Reduktion leisten. Für uns und unsere Kunden ist dies ein Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung unseres Geschäfts. Gleichzeitig ist es auch ein wichtiger Schritt für die Luftfahrt insgesamt.»

«Wir haben von Anfang an das kühne Ziel verfolgt, die Luftfahrtindustrie zu transformieren und das Zeitalter des E-Flugzeugs einzuläuten», erklärt Omer Bar-Yohay, CEO von Eviation. «Unsere Zusammenarbeit mit Vorreitern für einen nachhaltigen Frachtverkehr wie DHL belegt, dass die Ära der elektrischen Luftfahrt bereits angebrochen ist. Die heutige Ankündigung ist ein wichtiger Meilenstein für unser Vorhaben, das Fliegen weltweit zu revolutionieren.»

Eviation hat sich Innovation, Performance und Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben und läutet mit dem E-Flugzeug Alice eine neue Ära der Luftfahrt ein. Alice kann aufgrund ihrer speziellen Konstruktion sowohl als Fracht- als auch als Passagierflugzeug konfiguriert werden.

Das E-Flugzeug eignet sich ideal für kürzere Zubringerstrecken und erfordert geringere Investitionen in die Stationsinfrastruktur. Die E-Flugzeuge können während des Beladens und Entladens «betankt» werden, was schnelle Durchlaufzeiten und damit die Einhaltung der anspruchsvollen Zeitpläne von DHL Express ermöglicht. DHL Express plant, mit den E-Flugzeugen vollständig emissionsfreie Zubringer-Netzwerke aufzubauen.

FUSSABDRUCK VERRINGERN «Mein Kompliment geht an Eviation für die innovative Entwicklung des vollelektrischen Flugzeuges Alice», betont Travis Cobb, verantwortlich für das globale Netzwerk

ZIEL DEKARBONISIERUNG «On-Demand-Shopping und On-DemandLieferungen sind unaufhaltsam auf dem Vormarsch», sagt Roei Ganzarski, Executive Chairman von Eviation. «Mit Alice kann DHL einen sauberen, leisen und kostengünstigen Betrieb etablieren, der auch insgesamt viele neue Einsatzmöglichkeiten eröffnen wird. Kunden können in naher Zukunft bei ihrer On-Demand-Bestellung darauf achten, ob das Paket per E-Flugzeug befördert wurde – wie demnächst von DHL praktiziert.» Die Dekarbonisierung des Betriebs zählt zu den tragenden Säulen des neuen Nachhaltigkeitsfahrplans von Deutsche Post DHL Group, der im ersten Quartal 2021 veröffentlicht wurde. Der Konzern investiert bis 2030 insgesamt sieben Milliarden Euro (Opex und Capex), um seine CO2-

Emissionen zu senken. Die Mittel fliessen insbesondere in Elektrofahrzeuge für die letzte Meile, in alternative Flugzeugkraftstoffe und klimaneutrale Gebäude. Auf dem Weg zu seinem Null-Emissionsziel bis 2050, das bereits seit vier Jahren gilt, hat sich das Unternehmen neue, ambitionierte Zwischenziele gesetzt. So verpflichtet sich Deutsche Post DHL Group beispielsweise im Rahmen der renommierten Science Based Targets initiative (SBTi) auf die Senkung der Treibhausgasemissionen bis 2030 – im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen.

FIRMENPORTRAIT 1 DHL ist Teil des Konzerns Deutsche Post DHL Group. Die Gruppe erzielte 2020 einen Umsatz von mehr als 66 Milliarden Euro. Mit nachhaltigem Handeln sowie dem Engagement für Gesellschaft und Umwelt leistet der Konzern einen positiven Beitrag für die Welt. Bis 2050 strebt Deutsche Post DHL Group die Null-Emissionen-Logistik an.

FIRMENPORTRAIT 2 Das im Bundesstaat Washington ansässige Unternehmen Eviation entwickelt und produziert effiziente Elektroflugzeuge, um die Luftfahrt zu einer wettbewerbsfähigen und nachhaltigen Lösung für die regionale Mobilität von Menschen und Gütern zu machen. Eviations elektrische Antriebseinheiten, die Batterien mit hoher Energiedichte, das Fly-byWire-Flugdeck und die innovative Flugzeugzelle sind von Grund auf neu für den Elektroflug konzipiert.

MARGHERITA TILOTTA ist Communication & Event Manager bei DHL Express Schweiz.

Eine neue Ära der Luftfracht ist eingeläutet.

www.eviation.co www.dhl.com

Ausgabe 3/2021 // Seite 119


VORSCHAU &  IMPRESSUM

VORSCHAU DIE NÄCHSTE AUSGABE ERSCHEINT IM DEZEMBER 2021 Folgende Schwerpunkte stehen auf unserer Agenda:

Aufmerksam bleiben Cybersecurity 2.0

Networking Events im Unternehmen

Eine neue Ära Industrie 4.0

Die neuen Arbeitswelten Transparenz und flache Hierarchien

Neue Perspektiven Wohlfühlen am Arbeitsplatz

Green IT Eine Bestandsaufnahme

Herausgeber Editorial AG Ceres Tower Hohenrainstrasse 24 CH-4133 Pratteln Telefon +41 61 551 39 40 Fax +41 61 551 39 49 info@editorial.ag www.editorial.ag Geschäftsleitung Peter Levetzow p.levetzow@editorial.ag Mitglied der Geschäftsleitung Jan Tanner j.tanner@editorial.ag Verlagsleitung Hasan Dursun h.dursun@editorial.ag Projektleitung Carmen Helde c.helde@editorial.ag Verkauf & Marketing Alain Willi a.willi@editorial.ag Elias Thaler e.thaler@editorial.ag

Seite 120 // kmuRUNDSCHAU

Chefredaktion Georg Lutz g.lutz@editorial.ag Redaktion Elisa Beck e.beck@editorial.ag Leitung Produktion & Grafik Nadesh Meyer

n.meyer@editorial.ag Korrektorat / Lektorat Mario Hetzel Aboservice info@editorial.ag Autoren Jan-Erik Baars Susanne Baldinger Bernhard Bauhofer Andreas Baulig Dr. Mathias Beck Roland Benguerel Daniel Bollier Stefan Brupbacher Priska Burkard Silvia Canale Bertram Dorn Martin Dätwyler Stefan Dudas Dr. Raphael Flepp Dominik Georgi

Emma Gerdes Nicolas Germiquet Nikolja Grabowski Peter Grünenfelder Mario Heer Selina Hipp Christof Hügli Andreas W. Kaelin Pirjo Kiefer Semir Kljajic Jean-Philippe Kohl Pia Kohler Adi Kolecic Dr. Georg Kraus Bernhard Kuntz Barbara Liebermeister Andreas Mazzone Sascha Meier Eduard Modalek Prof. Dr. Beatrice Paoli Sabine Prohaska Gerhard Raffling Simon Sagmeister Anne M. Schüller Daniel Schwander Gabriel Schweizer Jochim Selzer Martin Streich Margherita Tilotta Dr. Jürgen Waldorf Joe Weidner Joël Ch. Wuethrich Anna Ziegler

Interviews Seraina Branschi Alban Fischer Mario Geniale Daniel Herzog Thomas Rautenstrauch Simon Sagmeister Titelbild Shutterstock Bilder Medgate Nispera Penergetic The Culture Institute AG Licht.de Lifetec AG DHL Vimcar ELO Dachser Tellco Lernwerkstatt Olten Jahresabo Vier Ausgaben CHF 19.– Einzelpreis CHF 5.90 info@editorial.ag ISSN 2296-7575 A PRODUCT OF PRESTIGE MEDIA GROUP SA Wiedergabe von Artikeln und Bildern, auszugsweise oder in Ausschnitten, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion. Für unverlangte Zusendungen wird von der Redaktion und dem Verlag jede Haftung abgelehnt.


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