PRESTIGE Switzerland Volume 54

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BY




A B C D E F G

G

Be the Storm

V8 Levante Trofeo mit 580 PS. Der stärkste Maserati, den es je gab

V8 90° 3799 cm3; Leistung 580 PS (427 kW); Drehmoment: max. 730 Nm bei 2500-5000 Upm; Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h; Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 4,1 Sek. Kraftstoffverbrauch (kombiniert): 16,1 l/100 km; CO2-Emissionen* (kombiniert): 363 g/km; Abgasnorm: EURO 6d-FINAL; Effizienzklasse: G. * CO2 ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; Die mittlere CO2-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen Fahrzeugtypen in der Schweiz beträgt 174 g/km.





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erscheint vierteljährlich

CORRECTOR ANDREAS PROBST

MEMBER OF THE BOARD TIBOR MUELLER BORIS JAEGGI

COVER Diyala Kayiran All rights reserved

rundschauMEDIEN AG St. Jakob-Strasse 84 CH-4132 Muttenz  T +41 (0)61 335 60 80 F +41 (0)61 335 60 88 info@rundschaumedien.ch rundschaumedien.ch

PHOTOGRAPHS Bilddatenbanken, Louboutin, Patek Philippe, A. Lange & Sähne, Chanel, Cartier, Baume & Mercier, Carl F. Bucherer, Hermes, Nomos, Jaeger, Girard Peregaux, Rolex, Piaget, Vacheron, Breitling, Bulgari, Hublot, TAG Heuer, Zenith, Maurice Lacroix, Ulysse Nardin, Oris, Roger Dubois, MeisterSinger, Revlon, Yves Saint Laurent, Clarins, Dior, Lancome, Tamara Orjola, Jenifer Wen Ma, PPR/WITWINKEL/David Hubacher

EDITOR-IN-CHIEF SWENJA WILLMS s.willms@rundschaumedien.ch DEPUTY EDITOR-IN-CHIEF NIKE SCHRÖDER n.schroeder@rundschaumedien.ch

IM PRES SUM

SALES SALVATORE D'ALESSANDRO s.dalessandro@rundschaumedien.ch PATRICK FREY p.frey@rundschaumedien.ch VIRGINIE VINCENT v.vincent@rundschaumedien.ch FRANCO D'ELIA f.delia@rundschaumedien.ch MICHELE ZITO m.zito@rundschaumedien.ch ALBAN MULAJ a.mulaj@rundschaumedien.ch URS HUEBSCHER u.huebscher@rundschaumedien.ch HEAD OF PRODUCTION & ART DIRECTION EMMA R. SCHAUB e.schaub@rundschaumedien.ch PRODUCT PUBLIC RELATION SWENJA WILLMS s.willms@rundschaumedien.ch EDITORS DR. ALEXANDRA ARNOLD SANESHA BLOOM GISBERT L. BRUNNER WALTER EDELMANN WILMA FASOLA PATRICK FREY LONE K. HALVORSEN BERND HAUSER THOMAS HAUER SIMONE HOFFMANN URS HUEBSCHER ANDREAS KRAFFT BEAT KRENGER HEIKO LASCHITZKI CORINA RAINER KATHRIN ROTH ANNA KAROLINA STOCK BEATRICE SCHÖNHAUS SPIRIG HELENA UGRENOVIC ANDY ZAUGG

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ADMIN, COORDINATION &  SUBSCRIPTIONS SERPIL DURSUN s.dursun@rundschaumedien.ch PRICE  Issue CHF 10.–/€ 9.50 Year ­C HF 39.–/€ 35.– IT SUPPORT DEJAN DJOKIC deki@rundschaumedien.ch WEB SERVICES websiteria GmbH info@websiteria.ch is a registered trademark. (IGE 596.147) ISSN 1662-1255





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ART & CULTURE

22 VOM ASPHALT INS MUSEUM Christian Louboutin im Palais de la Porte Dorée 32 EDITOR’S CHOICE Kultur in Buchform 33 UNIQUE ART  –  METAMORPHOSEN Athi-Patra Ruga 34 EINE HERZENSANGELEGENHEIT Christina Oiticica im Interview 40 KAMPF UM NOTRE DAME Die wichtigste Baustelle Europas

48 ENTLANG DES MEKONG Vom tibetischen Hochland hinab zum Südchinesischen Meer

TRAVEL

56 GOOD VIBRATIONS Lily Beach Resort & Spa 58 DIE PERLE DER KARIBIK Cartagena 70 ITALIENISCHE GESCHICHTE IN STEIN UND MÖRTEL Grand Hotel Excelsior Vittoria 74 ANDALUSISCHE TRÄUME Golf & Spa Resort Finca Cortesín

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THE DOLDER GRAND · A BRAND OF DOLDER HOTEL AG KURHAUSSTRASSE 65 · 8032 ZURICH, SWITZERLAND · INFO@THEDOLDERGRAND.COM · THEDOLDERGRAND.COM · T +41 44 456 60 00


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WATCHES 78 &

78 SCHLICHT UND EINFACH Armbanduhren für kultivierte Zeit-Genossen

88 KRISTALL FUNKELT IMMER 125 Jahre Swarovski

92 UHR-ZEITEN DES WANDELS Neuheiten 2020 102 EINZIGARTIG UND ANDERS Big Bang Integral

JEW EL­ L ERY MO TION 108

88 104 BRITISH OPEN AIR FEELING New Bentley Continental GTC 108 EIN EVOLUTIONÄRER PROZESS Autodesign im Wandel der Zeit 112 DER LETZTE SEINER ART Der EB110 116 DER MEISTER DER GESCHWUNGENEN KANTEN Design-Provokateur Luigi Colani

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FASH ION

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124 COME, FLY WITH ME Pan Am Lounge Berlin 136 KULTFOTOGRAFIE –  NEU ENTDECKT Madame d’Ora 142 FASHION EDITORIAL Her(a)

150 KULTOBJEKT LIPPENSTIFT Eine wechselhafte Erfolgsgeschichte

BEAUTY &  WELL 150 BEING 170 LI VING 160 KOLUMNE Katrin Roth

162 BODY RELOADED Ansätze für ein neues Körpergefühl 168 WALDHAUS FLIMS Eintauchen, abschalten, aufatmen

170 ZWISCHEN TREND UND TRADITION Moderne Orientteppiche von Jan Kath

176 «CLASSIC BLUE» Die Trendfarbe 2020

178 AUF LUXUS GEBETTET Vispring 180 WELTHAUPTSTADT DES DESIGNS Lille

184 QUARTETT IMMOBILIEN Der Weg zum perfekten Eigenheim

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NEW SERUM

O R D E S A LP E S T E AC H I N G YO U R S K I N TO T U R N B AC K T I M E

WE UNLOCK NATURE’S SECRETS FOR YOUR SKIN

ALP E O R.C O M


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202

188 DER AROMENMAGIER Mitja Birlo 195 KOLUMNE Andy Zaugg 196 WOMEN IN BUSINESS Weibliche Spitzenköche am Gourmet Festival in St. Moritz 202 MEER IM MUND Die Limfjord-Auster

46 ART & CULTURE 68 TRAVEL 100 JEWELLERY 122 MOTION 141 FASHION MEN 148 FASHION WOMEN 161 BEAUTY 186 LIVING 200 CULINARIUM 220 FINANCE

214 EIN GUTES GESPANN Restaurant «Sühring»

222 KINDER, KOSTEN, KRISENGEFAHR? Ein kostspieliges Vergnügen 225 KOLUMNE Dr. Alexandra Arnold 226 WOHLSTAND IN DER SCHWEIZ Hoffnung auf ein sorgenloses Leben 230 INVESTMENT OUTLOOK Wie Anleger trotz tiefer Zinsen Rendite erzielen

MONCLER

CULI NA 214 RIUM FI NAN CE TRENDS

210 SONNE AUF DEM TISCH Kurkuma

8 IMPRESSUM 21 EDITORIAL ANTONINI

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232 VORSCHAU


Unsere patentierte Kochinsel ist nicht nur Teil einer Designküche. Sie bildet als Kunstwerk für sich den neuen Mittelpunkt des Zusammenlebens. Das Aussehen und die Funktion der Kochinsel lässt sich per Sprachbefehl verändern. Unsere Küche steht in einem Hightech Umfeld direkt am Flugplatz in Heubach, wo hinter verschlossenen Türen die präzisesten Architektur-, Beleuchtungs- und Decken- Systeme der Welt entstehen. Die Firma RICHTER entwickelt und produziert mit 130 Mitarbeitern Systeme für die anspruchsvollsten Kunden weltweit! www.holzkunst-holocher.de

HolzKunst Holocher GmbH | Oberburg, 14 | 87448 Waltenhofen | +49 172 – 5893325 | info@holzkunst-holocher.de


BOUTIQUES GENEVE • LUZERN • ZURICH • ZERMATT


EDITORIAL

PER ZEITKAPSEL UNTERWEGS

Um die Gegenwart zu verstehen, müssen wir die Vergangenheit kennen; ergo öffnen wir in der vorliegenden Ausgabe unsere Zeitkapsel und reisen zurück in Zeiten, in denen Pioniere, Künstler und Entdecker am Werk waren, deren Einfluss heute noch immer wahrnehmbar ist. Unsere Frühlingsausgabe führt durch eine bunte Mischung geistreicher Epochen, beginnend bei der mächtigsten Göttin des Olymps in der griechischen Mythologie: Hera – verkörpert durch unser Coverbild und unsere Mode-Fotostrecke. Wortwörtlich in einer Zeitkapsel landen wir in Berlin in der Pan Am Lounge. Rauschende Partys, Galas und Empfänge wurden hier in den 1960er Jahren abgehalten – und werden es auch heute noch. Dank Natascha Bonnermann wurden die Räumlichkeiten mit dem Bewusstsein für deren historische Bedeutung wiederbelebt. Ebenfalls in Berlin führte Mitte des 20. Jahrhunderts der Design-Provokateur Luigi Colani unerbittlich einen Feldzug gegen die geraden Linien im Design. Wir würdigen die organische Formsprache des Visionärs nach seinem Tod vergangenen Jahres. Auf der Höhe der industriellen Revolution vor 125 Jahren nahm die Geschichte einer der grössten Kristall-Konzerne der Welt ihren Lauf: Swarovski ist heute der Inbegriff von Schönheit, gepaart mit Luxus und vereinigt mit Moderne. Wir werfen einen Blick zurück zu den Anfängen des Prestigeunternehmens. Und schliesslich begleiten wir ein Beauty-Utensil durch das letzte Jahrhundert, das als Symbol der Verführung, Filmrequisite oder politisches Statement eingesetzt wurde: Der Lippenstift war nie nur ein Kosmetikprodukt, sondern auch Ausdruck eines Lebensgefühls und ein epochenabhängiges Stimmungsbarometer. Berauscht von den Errungenschaften fast vergessener Vorboten, verschliessen wir wieder die Zeitkapsel und widmen uns der Gegenwart. Denn auch hier warten Geschichten und Ideen nur auf ihre Entdeckung, und wer heute schon den Blick geöffnet hat, der schreibt bald selbst Erfolgsgeschichte.

EDI TO RIAL

Swenja Willms Editor in Chief

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ART ART && CULCULTURE TURE

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ART & CULTURE

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ART & CULTURE

DIE HOHE KUNST DER VERFÜHRUNG VOM ASPHALT INS MUSEUM: PARIS FEIERT DIE SCHUHE VON CHRISTIAN LOUBOUTIN MIT EINER GROSSEN AUSSTELLUNG. HIGH HEELS TREFFEN AUF SHOWGIRLS, LADY DI UND DAVID LYNCH. Autor_Beat Krenger

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© Marc Domage

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ART & CULTURE

Sie ist selten, diese Begegnung der speziellen Art. Und derzeit ist sie in den Art-déco-Hallen des Palais de la Porte Dorée in Paris zu sehen. Dort inszeniert der französische Schuhdesigner Christian Louboutin seine Träume hautnah. Wie er das gemacht hat, ist elektrisierend. Haute Culture kommt auf knallroten Ledersohlen daher. Zu sehen gibt es Modelle aus seinem persönlichen Fundus ebenso wie Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen aus aller Welt. Eine Parade von spektakulären Schuhen, viele davon zum ersten Mal öffentlich ausgestellt. Das Spektrum ist so bunt wie Louboutins Designs. Wo sonst sieht man schon ein riesiges Stiletto-Glasmosaik, das er für Maison du Vitrail entworfen hat, neben dem Hologramm einer strippenden Dita von Teese? Die Werkschau zu Ehren von Christian Louboutin hat eine schillernde Bühne geschaffen für Kollaborationen mit Regisseur David Lynch, Multimedia-Künstlerin Lisa Reyhan, Choreografin Blanca Li und dem englischen Design-Duo Whitaker Malem. Es ist ein Heimkommen für Louboutin. Im 12. Arrondissement wurde er geboren. Hier im Südosten von Paris ging er zur Schule. Gleich um die Ecke besuchte er das Gymnasium. Als Teenager verbrachte er fast jedes Wochenende in den Kinos an der Avenue Daumesnil, wo damals indische und ägyptische Filme gezeigt wurden. Im zarten Alter von 13 Jahren – es war im Sommer 1976 –  wurde zum ersten Mal Christians Interesse an Frauenschuhen geweckt – in der Eingangshalle zum Aquarium im Musée des Arts Africains et Océaniens (heute Palais de la Porte Dorée, wo jetzt die Louboutin-Ausstellung gezeigt wird). Dort sprang ihm ein Schild ins Auge, das einen durchgestrichenen Pumps mit einem Bleistiftabsatz zeigte. Die Zeichnung mit den zensierten Schuhen sollte die weiblichen Besucher davon abhalten, mit ihren Absätzen die Parkettböden zu zerkratzen. Die Form dieses «verbotenen» Absatzes faszinierte ihn enorm, und er zeichnete ihn immer wieder nach. Heute ist der Pigalle-­Pumps, der von dieser Begegnung inspiriert wurde, Louboutins Bestseller und gilt als Wahrzeichen der Weiblichkeit. Mit einem Höhenunterschied, der nie acht Zentimeter überschreitet, sind Schuhe zu Objekten der Begierde geworden, die Frauen zum Träumen bringen und Männer zum Staunen. LIEBLINGE DER SUPERSTARS Über zweitausend Paar Pigalle-Pumps werden jeden Tag weltweit verkauft. Das Fabrikationsgeheimnis? Nicht weniger als 100 Arbeitsschritte von Hand sind nötig, um dieses Gefühl von Schwerelosigkeit zu erreichen. Stars wie Beyoncé, Madonna, Angelina Jolie, Leonardo DiCaprio, Catherine Deneuve, Rihanna und Zendaya sind erklärte Fans. In den letzten drei Jahrzehnten seit der Gründung seiner Firma sind ein Paar «Louboutins» zu einer Metapher für echten Luxus geworden. Rapperin Cardi B hat ihnen im Jahr 2017 sogar einen eigenen Song gewidmet. Und auch wenn die Pumps mittlerweile in 1000 unterschiedlichen Variationen erhältlich sind, verbindet sie ausnahmslos ein Merkmal: die rote Ledersohle. Das Markenzeichen jedes Schuhs aus dem Hause Louboutin. Und was hat es mit den roten Sohlen genau auf sich? Die Geschichte, die dahintersteckt, ist dem Zufall zu verdanken. Bei einem neuen Prototyp plagte Christian Louboutin das Gefühl, dass dem Schuh das gewisse Etwas fehlte. Seine Assistentin, die an diesem Tag mit roten Nägeln im Atelier erschien, brachte den

Designer auf die zündende Idee: Den roten Lack pinselte er kurzerhand auf die Sohlen und setzte damit einen Akzent, der Geschichte schreiben sollte. Der Schuh wurde zur Sensation. Warum Louboutin über all die Jahre gerade bei Rot geblieben ist? Weil es, laut seiner Auffassung, keine Farbe, sondern die Essenz der Verführung ist. Die roten Louboutin-Ledersohlen sind sehr wichtig. Ein exklusiver Code. Weil die Menschen es lieben, zu einer verschworenen Gemeinschaft zu gehören. Dabei ist der Farbakzent subtil genug, um nicht aufdringlich zu sein. REBELLISCHE JUGEND Christian Louboutin wuchs unter Frauen auf. Als erster und einziger Sohn nach drei Töchtern wurde er von seiner Mutter vergöttert und mit Liebe überschüttet. Sein Vater, ein Zimmermann, war beruflich viel unterwegs und selten zu Hause. Louboutin hat bereits als Kind lieber gezeichnet, als in die Schule zu gehen. Nachdem er drei Mal aus dem Unterricht verwiesen wurde, entschloss er sich im Alter von zwölf Jahren, von zu Hause wegzulaufen – und erhielt darauf die Erlaubnis seiner Mutter, zu einem Freund zu ziehen. Statt eine echte Ausbildung zu absolvieren, zeichnete und reiste Louboutin seit seiner Jugend viel und ausgiebig und entdeckte rein zufällig seine grosse Liebe zu Schuhen, mit denen er, wie er später sagte, «Regeln brechen, Frauen Mut geben und sie emanzipieren» wollte. Seine erste Kollektion entwarf er mit 20 Jahren für die Showgirls des Varieté- und Musicaltheaters Folies Bergère in Paris. Die Tänzerinnen trugen nur einen Hauch von Nichts auf der Bühne, und dennoch spürte man diese Stärke und Selbstsicherheit bei ihren Auftritten – dank ihren hohen, kunstvoll geschwungenen und verzierten Schuhen. Danach war Louboutin ein Shooting Star. Chanel, Maud Frizon, Charles Jourdain, Roger Vivier und Yves Saint Laurent rissen sich um das junge Modetalent. Und Louboutin verbrachte seine Jugendjahre zwischen den grossen Pariser Modehäusern, wo er als Freelancer arbeitete. 1991 eröffnete Christian Louboutin mit Hilfe von zwei Freunden aus der Kunstszene seine erste kleine Boutique an der Seine. Er stand die ersten Jahre selbst im Verkaufsraum und schenkte seinen Kundinnen gratis Kaffee aus. Und der Zufall wollte es, dass gleich in der ersten Woche nach der Eröffnung Prinzessin Caroline von Monaco den Weg zu ihm fand – und den Laden begeistert mit vier gefüllten Schuhschachteln verliess. Von da an war der Erfolg der Marke Louboutin nicht mehr zu stoppen. So schliesst sich ein Kreis mit der Werkschau mit dem doppeldeutigen Namen «Christian Louboutin – L’Exhibition[niste]», die noch bis zum 26. Juli zu sehen sein wird. Es gibt eine schillernde Parade an Schuhkreationen aus seinem fast 30-jährigen Schaffen zu entdecken, viele davon Spezialanfertigungen, etwa für Michael Jackson, Tina Turner und Usain Bolt, ebenso wie die Inspirationen, die hinter den ausgewählten Modellen stecken. FRIVOLE LEICHTIGKEIT Louboutins Schaffen überschreitet auch in den zehn Ausstellungsräumen die Grenzen: Eine Theaterinszenierung aus dem Königreich Bhutan trifft auf Showtänzerinnen. Fetisch auf Filmlegenden. Die Schuhe hier sind mehr als nur ein Accessoire, sie sind Zeitzeugen und Kunst-Objekte zugleich. Ob Andy Warhol, ägyptische Katzen, Go-go-Tänzerinnen oder ein Zylinder von Marlene Dietrich: Sie alle haben den Franzosen beeinflusst, ebenso wie seine Reisen nach Afrika, Südamerika, Asien und Ozeanien.

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Danach sei sie in der Tat etwas unterkühlt gewesen, berichtete Louboutin amüsiert. Doch bei seiner Arbeit ist er ganz Profi, perfektionistisch, kreativ, leidenschaftlich. Zeichnungen seiner Schuhe müssen makellos sein, immer wieder radiert er Fehler aus. Das fertige Modell wird so lange begutachtet und verändert, bis er zufrieden ist. Das kann schon mal fünf Tage pro Exemplar dauern. «Ich muss mich sehr in eine Kollektion hineinvertiefen, um es richtig hinzubekommen», antwortete Christian Louboutin der «New York Times» auf die Frage nach seiner Arbeitsweise.

Als grosse, schimmernde Pyramide installiert, findet man im nächsten Raum eine Kollektion von Louboutins wichtigsten SchuhIkonen. Jedes Paar ist ein Meisterwerk. Sei es durch den Einsatz der edelsten Materialien, seine Originalität oder dank dem Wissen der besten Handwerker der Welt. Highlights sind ein CinderellaSchuh aus Kristall oder ein Pantoffel mit elaborierten Stickereien aus dem Atelier von Designer Sabyasachi Mukherjee. Ein Pumps mit dem Namen «Lady Grès» ist eine Hommage an die gleichnamige Modedesignerin, die zu Lebzeiten immer einen Turban getragen hatte. Weitere Exponate sind Architekturstars wie Oscar Niemeyer und Ettore Sottsass gewidmet. Popkultur verschmilzt hier mit zeitlosem Design. Mal glamourös, mal geschichtsträchtig, mal witzig und dann wiederum ohne intellektuelle Umschweife. Louboutin wurde lange auf seine sexy High Heels reduziert, die natürlich einen wichtigen Teil seiner Arbeit ausmachen, dabei zeigt die Ausstellung auch, dass er ein Meister der Inszenierung ist und keine Berührungsängste zum Alltäglichen kennt. Christian Louboutin durfte im Januar seinen 56. Geburtstag feiern. Seinen jugendlichen Schalk hat er jedoch bis heute nie ganz abgelegt. Bereits zum Beginn seiner Karriere, Ende der siebziger Jahre, als er die Nächte mit Mick Jagger und Andy Warhol im Pariser Nachtclub Palace durchtanzte, war ihm Freiheitsdrang und Inklusivität ebenso wichtig wie der Kontakt mit den Reichen und Schönen. Fast scheint es, dass Louboutins Karriere einzig auf dieses Lebensgefühl aufgebaut ist, das lieber schreit als schweigt. Das stets gelebte Motto: Schaut mich an. Ich bin stolz, zu sein, wie ich bin. Ich will alles sein, nur nicht langweilig.

80 PAAR STILETTOS IN ZWEI STUNDEN Christian Louboutin hatte das immer schneller rotierende Produktkarussell nie gestört – 150 Schuhe pro Saison, die er entwirft, war das nie eine Bürde für ihn? Der kleine Mann ist ein harter Arbeiter und ein Meister darin, aus Alltagsgegenständen und Eindrücken von seinen vielen Reisen neue Ideen für seine Schuhe zu finden. Erst kürzlich verkündete er in der britischen «Harper’s Bazaar»: «In der Mode gehen wir nicht mit der Evolution, sondern mit der Revolution. Es ist die Revolution, die das Weibliche zelebriert, an die ich glaube. Ich glaube, dass die Zukunft den Frauen gehört.» Die treuste Kundin des Maestros ist Bestseller-Autorin Danielle Steel. Sie soll mittlerweile über 6000 «Louboutins» besitzen. Regelmässig fliegt sie nach Paris und kauft die Boutique an der Rue du Faubourg Saint-Honoré halb leer. Ihr Rekord: 80 Paar Stilettos in zwei Stunden. Und das bei Preisen ab 600 Franken aufwärts – pro Paar versteht sich. Selbst in der Hip-Hop-Szene ist der Franzose in aller Munde. Und zu verdanken hat er das Cardi B. Die Entertainerin rappte 2017 in den ersten Zeilen ihrer Debutsingle «Bodak Yellow»: «These ­expensive, these is red bottoms, these is bloody shoes» und weiter: «Hit the store, I can get ’em both, I don’t wanna choose». Kurz nach dem Release wurde das Lied ein Hit und kletterte bis an die Spitze der amerikanischen Billboard Charts. Cardi B, geboren in der Bronx, hat als ehemalige Stripperin Erfahrung mit den hohen Hacken. Ihre ersten Louboutin-Stilettos bekam sie zu ihrem 19. Geburtstag geschenkt: von einem ihrer Verehrer, der regelmässig den Club besuchte, in dem sie lasziv an der Stange tanzte. Mittlerweile besitzt der Superstar weit über 100 Paar Schuhe von Christian Louboutin. Kollin Carter, Stylist von Cardi B, verriet dem «Billboard Magazine»: «Dort, wo Cardi B aufgewachsen ist, wollen viele junge Frauen mit den exklusiven Schuhen ein Zeichen setzen. In der Bronx vermittelt ein Paar von Louboutin wie kein anderes Statussymbol die Botschaft: ‹Ich habe es geschafft!›» Indem Cardi B über ihre Lieblingsschuhe rappte und sie zu vielen Events ausführte, kurbelte sie die Verkäufe des Labels enorm an. Laut einem Report von den Branchenkennern Business of Fashion und Suchanfragen auf der Fashion-Plattform Lyst explodierten die Suchanfragen nach dem Luxus-Schuhlabel um 217 Prozent mit dem Release von «Bodak Yellow». Christian Louboutin freute sich natürlich über die prominente Gratis-Werbung. Auch weil es ihm stets wichtig war, dass alle Frauen seine Schuhe lieben. Und dass gerade eine ehemalige Stripperin zur lautesten Botschafterin seiner Schuhe wurde, bringt den Maestro zum Schmunzeln. «So schliesst sich wieder der Kreis, da meine ersten Kreationen ja auch von Showgirls getragen wurden», erklärte Louboutin kürzlich im amerikanischen Fernsehen. Die Anerkennung, die Christian Louboutin heute auf der ganzen Welt geniesst, ist auch das Resultat seiner Hartnäckigkeit. Bis heute besitzt er, was äusserst selten ist, die volle kreative und

BIS IN DEN TOD VERBUNDEN Für Aufsehen sorgte letztes Jahr ein Foto in der «New York Post» zum Begräbnis der verstorbenen Aretha Franklin mit der Bildlegende: «Going in style, dressed in peace: Fire-red Louboutins, gold-plated coffin, three costume changes». Der letzte Wille der Souldiva war es, mit ihren feuerroten Lieblingsschuhen von dieser Welt zu gehen. Selbst zur eigenen Abdankung wollte die exzentrische Sängerin auf der Höhe des Glamours sein, den sie zu Lebzeiten kultiviert hatte. Deshalb mussten ihre heiss geliebten Louboutins mit in den goldenen Sarg, der im Greater Grace Temple in Detroit für Familie und Bewunderer aufgebahrt wurde. Frauen mit Ecken und Kanten haben Louboutin seit jeher fasziniert. Den Grundstein seiner Karriere legte er mit den «Love Pumps»: ein Paar schwarze Schuhe aus Wildleder, auf die das Wort «Love» kunstvoll gestickt war. Erst, wenn das Paar nebeneinandersteht, ist das Wort lesbar. Die Geschichte dahinter ist rührend und traurig zugleich. 1992 ging ein Foto von Lady Di um die Welt, das sie und Prinz Charles bei einem Indienbesuch vor dem Taj Mahal zeigte. Der Blick der Prinzessin ging in sich gekehrt und abwesend zu Boden. Der Schuhdesigner wollte mit seinen «Love Pumps» der damals notorisch unglücklichen Prinzessin ein wenig Trost spenden. Die Pumps wurden zum Verkaufsschlager – und Louboutins Karriere kam ins Rollen. So sehr, dass die heutige Chefredakteurin der US-amerikanischen «Vogue», Anna Wintour, damals seine Pariser Boutique besuchte, um die innovativen Schuhdesigns und Louboutin persönlich kennenzulernen. Wie der Maestro einst der Presse verraten hat, lief bei dem Besuch so einiges schief: Die schon damals als «Ice Queen» bekannte Wintour bezeichnete er in seiner Aufregung als «Ice Cream» – bis sie ihn pikiert über das Missverständnis aufklärte.

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© Marc Domage

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ART & CULTURE

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© José Castellar

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stellten Louboutin-Stilettos ins Schwärmen gerät. «Hello Lover – von Dir habe ich immer schon geträumt», schmachtet sie dem Objekt der Begierde zu. Ob im Film, in Musikvideos oder auf dem Laufsteg: Das Phänomen der roten Sohlen ist eine universelle Erfolgsgeschichte. Was auch Louboutins revolutionärer «Nude»-Serie zu verdanken ist. Als einer der ersten überhaupt hat der Designer bereits vor vielen Jahren seine Pumps in neun verschiedenen Hauttönen produzieren lassen, damit Frauen jeder Hautfarbe ihre Beine dank dem passenden Nude-Effekt um ein Vielfaches länger schummeln können. In weiser Voraussicht, dass andere Schuhmarken auf die Idee kommen würden, Louboutins Markenzeichen für ihre Zwecke zu nutzen, liess der Designer schon vor vielen Jahren die roten Schuhsolen patentieren. Mit dem knallroten Pantone-Ton 181663TP darf in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg kein anderes Unternehmen die Schuhsohlen verschönern. Anfang 2019 gewann das Unternehmen einen Fall gegen die Dosenbach-Tochter Van Haren, die seit 2012 Schuhe mit roter Sohle zu Billigpreisen anbietet. In der

finanzielle Kontrolle über sein Schuhimperium, das er vor 29 Jahren gegründet hat. Aktuell gibt es 160 Boutiquen auf der ganzen Welt, und sein Vermögen wird auf 85 Millionen Dollar geschätzt. Bis heute hat Christian Louboutin noch nie eine Werbeanzeige für seine Schuhe in einem Magazin geschaltet – eine absolute Seltenheit im Modegeschäft. Doch der Designer weiss genau, dass er selbst der beste Botschafter seiner Designs ist. Deshalb bereist er auch unermüdlich die ganze Welt, um an einem Tag ein Geschäft in Peking zu eröffnen und am folgenden die Arbeit seines Ateliers im Königreich Bhutan zu begutachten, wo selbst die junge Königin ein bekennender Fan seiner Schuhe ist. Nebenbei entwirft Christian Louboutin auch Handtaschen und hat kürzlich erfolgreich eine eigene Kosmetiklinie lanciert. SEX AND THE LOUBOUTIN Unvergessen ist die Szene aus der Serie «Sex and the City», in der Sarah Jessica Parker als Hauptprotagonistin Carrie Bradshaw auf der 5th Avenue in New York vor einem Schaufenster mit ausge-

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ART & CULTURE

und Spikes sowie aufwendige Stickereien und viel Strass, der wie kleine Diamanten am Fuss leuchtet. Louboutin mag glanzvolle Auftritte ebenso wie die Langlebigkeit seiner Entwürfe: «Heute betrachte ich meine Schuhe eher wie ein Juwelier seinen gefertigten Schmuck», sagt er. «Gemacht für die Ewigkeit». Als Verneigung der besonderen Art ist auch der allerletzte Schuh der finalen Haute-Couture-Modeschau des damals bereits todkranken Yves Saint Laurent zu sehen. Der YSL-Abschiedsschuh wurde, was selbst die meisten Modekenner nicht wissen, von Christian Louboutin designt. Das helle Licht strahlt auf das filigrane Kunstwerk und weckt in ihm ein kleines Feuer, das keinen kaltlässt. Und auch wer weder kunstaffin noch modekundig ist, wird sich an dieser Inszenierung erfreuen können. Ein Labyrinth öffnet sich, die einzelnen Vitrinen und Videoprojektionen in der weitläufigen Architektur der Schau haben ihre jeweils innere Logik, jede eine neue Bezauberung. Zehn Räume wurden dafür extra ausgestattet. Auf der Zeitreise durch die Ausstellung findet man sich in einer Nachbildung von Louboutins erstem Atelier wieder, das er zum Beginn seiner Karriere in einer kleinen Wohnung im 9. Arrondissement eingerichtet hatte. Erste Mood Boards, Zeichnungen und Entwürfe von Designern, die er damals vergötterte sind zu sehen. Azzedine Alaïa war einer von ihnen. Zum krönenden Abschluss taucht man in die mysteriöse Filmwelt von Regisseur David Lynch ein, der den Fetisch um den Schuh auf die Spitze treibt. Christian Louboutin ist ein Meister darin, Verbündete zu finden und neue Wege gemeinsam zu gehen, um etwas zu schaffen, das Bestand hat. Nicht nur ein Gimmick für eine Saison. Das Wunderbare an Louboutins Entwürfen ist, dass sie nicht altern. Den Pigalle-Pumps hat er bereits vor 15 Jahren entworfen. Und seine Schuhe lassen sich jahrelang tragen, sie kommen nicht aus der Mode. Wo sie exzentrisch sind, nehmen sie den Charakter einer gewissen Eleganz an. Und darin sind sie dann den eigens für die Pariser Ausstellung gefertigten Skulpturen, gedrehten Filmen, gemalten Bildern und Fotografien verwandt, in denen ihre Geschichte bewahrt bleibt – und die zugleich in die Zukunft weisen.

Schweiz gab es jedoch einen Dämpfer: Das Bundesgericht stellte fest, dass auch andere Hersteller wie etwa Yves Saint Laurent hochhackige Schuhe mit farbiger Sohle verkaufen und sich diese daher nicht schützen liessen. Was oft vergessen wird, ist der Fakt, dass Louboutin nicht nur Mörderstilettos verkauft, sondern auch Sneaker, Schnürschuhe für Herren und flache Stiefel. Dem Unterschied zwischen hohen und flachen Schuhen habe er selbst nie gross Beachtung geschenkt, verriet er einst an einer Shop-Eröffnung. Und er räumt auch mit einem Vorurteil auf: «Ich habe schon immer auch flache Schuhe gemacht. Aber viele Menschen sind von hohen Absätzen fasziniert, weil diese als besonders sexy gelten. Wenn Sie mich fragen, ob flache Schuhe auch sexy sein können, lautet meine Antwort ganz klar: ja. Denken Sie nur an Brigitte Bardot. Sie war der Inbegriff der Sinnlichkeit. Und sie trug meistens Ballerinas. Weiblichkeit ist also nicht untrennbar mit der Höhe der Absätze verbunden. Das sage ich, obwohl ich persönlich High Heels sehr liebe.» DER EWIGE NOMADE Louboutin ist gerne und oft unterwegs. Sein Lebensmittelpunkt ist nach wie vor sein eigenes Apartment in Paris, doch er besitzt auch ein Landhaus in der Bretagne, ein Schloss in der Vendée-Region Frankreichs, ein Stadtpalais in Lissabon, ein Strandhäuschen in Melides, Portugal, und ein Landhaus in der Nähe von Luxor (samt Hausboot auf dem Nil). Eine Villa in Los Angeles rundet das imposante Immobilien-Portfolio ab. Dazu reist er gerne und oft nach Asien und Südamerika, stets auf der Suche nach neuen Ideen. Seine Inspiration ist das pralle Leben – keine Fotos oder Bücher. Persönliche Erlebnisse und Eindrücke sind ihm viel lieber. Der Franzose gilt als Meister darin, starke Muster, Materialien, Details oder Farben zu einer neuen Einheit zusammenzufügen, die zeigt, dass der kreative Prozess zum fertigen Schuh durchaus Spass machen kann. Kein anderer mischt verschiedene Stile so wie Christian Louboutin: Neben der Kunst bedient er sich der Musik oder gesellschaftlicher ebenso wie ethnischer Themen. Stets dabei: seine ausgeprägte Vorliebe für Farben, Spitze, Nieten

L’Exhibition[niste] Palais de la Porte Dorée bis 26. Juli 2020

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EDITOR’S CHOICE SCHILLERNDE FIGUREN DER MUSIKWELT

Die Fotografin Lynn Goldsmith gewährt intime Einblicke ins Leben der unvergleichlichen Patti Smith – und verewigt eine goldene Ära des Rock ’n’ Roll. Neben Hunderten von bislang unveröffentlichten Fotos, die sich von dem bis dahin herrschenden Bild von Patti Smith – eher nüchterne Schwarzweissaufnahmen – unterscheiden, enthält diese signierte Ausgabe eine Einleitung, Lyrics, Gedichte und Texte von Smith, die einen Wendepunkt in ihrem Leben reflektieren. Der Band dokumentiert eine entscheidende Phase in Patti Smiths Karriere und feiert zwei Ausnahmekünstlerinnen, deren kreative Partnerschaft bis heute anhält.

Lynn Goldsmith: Before Easter After. Lynn Goldsmith. Patti Smith TASCHEN

EIN RÜCKBLICK

Teils Designhandbuch, teils Manifest – die erste Karriere-Retro­ spektive von Fabien Baron, den «Vanity Fair» als den gefragtesten Kreativkopf der Welt bezeichnet, ist ein immersives Bild von mehr als 30 Jahren preisgekrönter Arbeit als Art Director. Die Ausgabe beinhaltet Beispiele aus dem gesamten Sortiment seiner Arbeit – einschliesslich Typografie, Verpackung, Produkt-, Möbelund Innendesign –, kommuniziert mit ästhetischer Logik, Klarheit und Stil. Ergänzt wird die Publikation mit Texten des Autors Adam Gopnik und einem Vorwort vom weltberühmten Supermodel Kate Moss.

Fabien Baron: Works 1983 – 2019 Phaidon

PLATZ FÜR KREATIVE UND KÖNIGE

Die neue Lifestyle-Publikation «St. Moritz Chic» nimmt ihre Leser mit zu jenen Orten in St. Moritz, die bereits Stars wie Coco Chanel und Alfred Hitchcock verzauberten. Erlesene und bisher unveröffentlichte Aufnahmen von glamourösen Partys im Badrutt’s Palace Hotel, den legendären Events wie dem Festival da Jazz, dem Snow Polo World Cup und dem British Classic Car Meeting St. Moritz finden ebenfalls ihren Platz in «St. Moritz Chic». Und selbstverständlich dürfen in einem St.-Moritz-Bildband der Wintersport und die Faszination der Berge nicht fehlen. Mit Unterstützung der Kunsthistorikerin Dora Lardelli, des Kosmopoliten Giorgio Pace und zahlreicher Gäste entstand ein 268-seitiges Werk. Während die Buchästhetik eher minimalistisch gehalten ist, präsentieren sich die Fotografien überwiegend bunt und lebendig.

St. Moritz Tourismus: «St. Moritz Chic» Assouline

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ATHI-PATRA RUGA

UNIQUE ART – METAMORPHOSEN

ART & CULTURE

© Emma Ledoyen

«One medium is not enough for me. Reality is not enough for me.» – Athi-Patra Ruga –

Wie aus einem Traum faszinieren und verwirren die Arbeiten von Athi-Patra Ruga. Der afrikanische Künstler erkundet die Gesellschaft, Kunst, Handwerk und Popkultur. Sinnlich und utopisch reflektiert sein Werk eine narrative Welt mit hybriden Charakteren frei von Stereotypen. Der Künstler präsentiert im Zuge der neuen Edition der «Dior Lady Art #4» seine Interpretation der zeitlosen Ikone. Die «Lady Dior» ist eine Ode an die multiple Natur der Weiblichkeit, ein Manifest der perfekten Harmonie, passend für jede Persönlichkeit. Das Projekt «Dior Lady Art» stiess von Beginn an auf grosse Euphorie, und so führt Dior die Idee der kreativen Neu-Gestaltung fort und lud wieder weltweit Künstler ein, die berühmte Ikone zu rekonstruieren. Auch diesmal hatten die Künstler wieder absolut freie Hand und konnten ganz ohne Vorgaben eine Interpretation der Kulttasche erschaffen. Für die neue Kollektion der «Dior Lady Art #4» entwarf Athi-Patra Ruga eine «Lady Dior» mit seinem Porträt. Ein Gesicht aus Blumen, Kristallen und Perlen auf schwarzem Leder. Die Stickereien und Perlenreliefs präsentieren einmal mehr die technische Exzellenz und die Savoir-faire-Leistung des Hauses. Eine blaue Miniatur-Lady-Dior erinnert an das 1949 kreierte Junon-Kleid, eine Haute-Couture-Ikone. Rüschen und Volants, gestickt aus bunten Perlen und Pailletten, glänzen wie Schätze. Die limitierte Kollektion steht seit Januar bis zum Ausverkauf zur Verfügung.

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EINE HERZENSANGELEGENHEIT

SIE ARBEITET IN PARTNERSCHAFT MIT DER NATUR, VERGRÄBT IHRE WERKE UNTER DER ERDE, VERSENKT SIE IM FLUSS, SETZT SIE WIND UND STÜRMEN AUS. CHRISTINA OITICICA, MALERIN UND EHEFRAU DES BESTSELLER-AUTORS PAULO COELHO, VERTRAUT AUF MUTTER ERDE UND MÖCHTE DEN BETRACHTERN IHRER WERKE EIN STÜCK IHRER VERBINDUNG ZUR NATUR ZURÜCKGEBEN. BEI EINEM EXKLUSIVEN BESUCH IN OITICICAS ATELIER IN GENF SPRICHT DIE GEBÜRTIGE BRASILIANERIN ÜBER IHRE KUNST, SPIRITUALITÄT UND HEIMAT. Autorin_Swenja Willms Bilder_Diyala Kayiran

Eines ihrer Herzstücke: Christina Oiticica vor ihrem Kunstwerk zusammen mit der Gründerin der «Gallery Elle», Atossa Meier.

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PRESTIGE: Christina Oiticica, Ihre Kunstform ist bekannt als sogenannte «Eco-Art». Was kann man sich unter diesem Begriff vorstellen? CHRISTINA OITICICA: Schon immer war ich interessiert an der Femininität. Als ich damit begann, meine Werke unter der Erde zu vergraben, bestand die Hauptidee darin, eine Verbindung zur Mutter Erde herzustellen. So entstanden meine Arbeiten und der Kontakt zur Natur. Den Begriff «Eco-Art» würde ich persönlich nicht verwenden. Meine Arbeit dreht sich um mich als Künstlerin, als Frau, die in Verbindung steht mit der Natur.

Hotelzimmer und hatte keinen Platz, um zu malen. Da ich ohnehin fasziniert war von der Natur und den wechselnden Jahreszeiten in der Region der Pyrenäen, die ich ja von meinem Heimatort Rio de Janeiro nicht kenne, verbrachte ich viel Zeit draussen. Also entschied ich mich dazu, meine Arbeiten für die Ausstellung in der Natur fertigzustellen. Und dabei bemerkte ich, wie ich eine Verbindung zu ihr aufbaute – dadurch, dass ein Blatt auf mein Gemälde fiel oder ein Insekt darüberkrabbelte. Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Arbeit mit der Natur? Die grösste Herausforderung ist die Natur selbst, weil wir keine Kontrolle darüber haben. Ich arbeitete einst im Amazonasgebiet, als ein riesiger Monsun über die Region hereinbrach und meine Arbeit, die ich im Fluss versenkt hatte, aufgrund der Überschwemmungen wegspülte. Ein kleiner Junge aus einem benachbarten Dorf fand schliesslich meine Bilder und brachte sie mir zurück. Eine weitere Herausforderung ist, dass ich die Resultate meiner Arbeit nie im Voraus planen kann – die Natur beeinflusst diese. Ich leiste meinen Beitrag durch die Malerei, aber die Natur vollendet das Werk schlussendlich.

Was war der Grundgedanke hinter dem Konzept, Ihre Kunst in Zusammenarbeit mit der Natur entstehen zu lassen? Unsere Gesellschaft hat viel zu viele neue Technologien entwickelt, und wir haben den Kontakt zur Natur und zur Spiritualität verloren. Das möchte ich mit meiner Arbeit zum Ausdruck bringen. Ich glaube, weil wir den Kontakt zur Erde verloren haben, respektieren wir diese auch nicht mehr und erkennen ihren Wert nicht mehr. Der Ursprung dieses Konzeptes liegt bei einer Ihrer vielen Reisen. War dies ein besonderer Augenblick in Ihrer Karriere als Künstlerin? Ja, 2002 lebte ich in den Pyrenäen im Südwesten Frankreichs und hatte gleichzeitig eine Ausstellung in Paris, wofür ich noch einige Werke fertigstellen musste. Ich wohnte in einem winzigen

Eine Arbeit, die auch viel Geduld erfordert … Eine meiner grössten Stärken. Heutzutage reise ich aber nicht mehr so viel umher und verbringe nicht mehr so viel Zeit in der Natur, wie ich es mir wünschte.

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«UNSERE GESELLSCHAFT HAT VIEL ZU VIELE NEUE TECHNOLOGIEN ENTWICKELT, UND WIR HABEN DEN KONTAKT ZUR NATUR UND ZUR SPIRITUALITÄT VERLOREN.»

Die neusten Werke Oiticicas werden ab dem 22. Mai in der «Gallery Elle» in Zürich präsentiert.

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Diesen Mai präsentieren Sie in der «Gallery Elle» in Zürich Ihre neusten mit Salz präparierten Werke, die über ein Jahr in Salzlagunen lagerten. Woher stammt die Inspiration dieser Arbeit? Ich habe mich für Salz entschieden, weil ich ein neues Experiment machen wollte. Ich bin ein wandernder Künstler, ein Pilgerkünstler, ich arbeite gerne mit verschiedenen Techniken. Da das Salz der Erde das Licht der Welt ist, sind wir Menschen das Salz der Erde. Wir sind geboren, um zu scheinen und unser Licht zu verbreiten, um gesehen zu werden. Nachdem ich bereits mit Erde gearbeitet hatte, welche die grosse Mutter und pure Weiblichkeit verkörpert, hielt ich es für interessant, ein neues natürliches Material zu verwenden, um meine Arbeit zu vollenden. Und ich fand heraus, dass Salzkristalle nicht nur von unendlicher Schönheit sind, sondern auch eine sehr starke spirituelle Bedeutung haben. Salz verleiht dem Essen Anmut, würzt es und lässt es besser schmecken. Salz steht im übertragenen Sinne für Anmut und Lebendigkeit.

Die Bücher Ihres Ehemannes Paulo Coelho regen den Menschen dazu an, seinen eigenen Weg zu suchen. Auch Sie arbeiten mit Symbolismus und Spiritualität. Kommt diese Verbindung von ungefähr? Paulo und ich sind nun seit 40 Jahren verheiratet, und wir haben eine starke Verbindung zueinander. Folglich ist es für uns natürlich, dass wir einander beeinflussen. Am Anfang brachte jeder von uns seinen Teil Spiritualität in die Beziehung mit ein. Wir sind durch denselben Grundgedanken verbunden, aber dennoch haben wir unterschiedliche Vorstellungen von Spiritualität. Spiritualität ist etwas schwer Greifbares. Wie schaffen Sie es, diese in Ihrer Kunst zu verbildlichen? Für mich ist Spiritualität eine Verbindung zu meinem Glauben. Ich verbildliche in meiner Kunst meine Emotionen, die ich aufgreife in der Natur, in der Liebe oder der Magie. Es ist aber auch eine Herausforderung für mich, eine plötzlich auftauchende Emotion festzuhalten. Jedes meiner Bilder hat eine Seele, und um so etwas aufzugreifen, muss man es selbst im Herzen spüren.

Die Verbindung zwischen Mensch und Natur ist auch ein Konzept der «Gallery Elle». Die Galerie von Atossa Meier ist aussergewöhnlich und befindet sich in einer alten Villa in Zürich umgeben von einem idyllischen Garten. So bleibt der Zauber der Natur bestehen, geheim und versteckt. Kunst ist etwas sehr Persönliches – entweder wird man von den Stücken berührt oder eben nicht. Atossa Meier möchte als Galeristin von den Stücken berührt werden, damit sie dieses Gefühl weitervermitteln kann. Wir Menschen haben das Gefühl, wir könnten alles kontrollieren im Leben, sogar die Kunst, doch dem ist schlicht nicht so. Schlussendlich ist es die Natur, die die Kraft hat und unser Leben und schlussendlich die Kunst bestimmt.

Welchen Einfluss hat Ihre Heimat Brasilien noch auf Ihre Kunst? Ich lebe nun schon seit 20 Jahren ausserhalb von Brasilien. Ich habe aber immer noch eine starke Verbindung zu meinen Wurzeln, beispielsweise durch die vielen Farben in meiner Arbeit. Ausserdem ist Brasilien ein sehr spirituelles Land, in dem viele unterschiedliche Religionen koexistieren und Glaube tief verankert ist in der Gesellschaft. Das spiegelt sich auch in meinen Bildern wider. Hat sich Ihre Kunst, seit Sie in der Schweiz leben, verändert? Stilistisch hat es sicherlich den einen oder anderen Wandel gegeben. Aber die Botschaft dahinter ist immer noch dieselbe. WWW.CHRISTINAOITICICA.COM.BR WWW.GALLERYELLE.COM

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WO

OSTERN

ZUHAUSE IST

spruengli.ch/shop

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Confiserie Sprüngli Schweizer Chocoladentradition seit 1836


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Kampf um Notre Dame

Ein Blick hinter die Kulissen der wichtigsten Baustelle Europas Autorin_Simone Hoffmann Bilder_Simone Hoffmann

ES IST WIE DER VOLLZUG EINES RITUALS, DEN BAUPLATZ DER KATHEDRALE ZU BETRETEN. IN DEN UMKLEIDEKABINEN DES CONTAINERLAGERS, DAS IM EHEMALIGEN PARK HINTER DER KATHEDRALE AUFGESTELLT IST, LEGT MAN SEINE ALLTAGSKLEIDUNG AB UND ZIEHT STATTDESSEN WEGWERFBARE SCHUTZKLEIDUNG AN. AUSGESTATTET MIT BAUSTELLENSTIEFELN, SCHUTZANZUG UND HELM GEHT ES DURCH DIE SCHLEUSE, UND DANN STEHT MAN PLÖTZLICH GANZ NAH DIREKT VOR IHR: NOTRE DAME HAT TROTZ DES FEUERS NICHTS VON IHRER MAJESTÄTISCHEN SCHÖNHEIT EINGEBÜSST. ES IST DAS EINTAUCHEN IN EINE ANDERE WELT, ABGESCHOTTET VOM REST DER LAUTEN HAUPTSTADT. EIN FASZINIERENDES, VERSTÖRENDES UNIVERSUM. WENN DER WIND SO STARK WEHT, DASS DIE BAUARBEITER NICHT ARBEITEN KÖNNEN, HÖRT MAN NUR DIE MELODIE, DIE DURCH SEIN BRAUSEN IN DEN ROHREN DER GERÜSTE ENTSTEHT. 40


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In der Zerstörung gibt es auch Wunder: Die berühmten Glasfenster aus dem 13. Jahrhundert sind alle unversehrt. Die West-Rosette befindet sich direkt über dem Hauptportal.

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EIN

tiefe Wunde in ihm hinterlassen. Seit dem 15. April schläft er kaum noch. Die Ursachen des Brandes sind noch ungeklärt, aber das Geschehen lastet schwer auf ihm: «Natürlich hab ich kein Streichholz angezündet, aber das Feuer ist während meinen Renovierungs­ arbeiten ausgebrochen. Ich fühle mich selbstverständlich verantwortlich. Aber eins ist klar: Mein Platz ist hier. Für mich ist es etwas wie Schicksal, göttliche Fügung, wenn man so will. Es ist meine Aufgabe, Notre Dame wieder aufzurichten.»

Ein bübisches Lächeln im Gesicht, verschmitzte blaue Augen und reichlich Humor. Philippe Villeneuve gehört zu der angenehmen Sorte Menschen, die mit Begeisterung über das sprechen können, was sie bewegt. Und was ihn bewegt, ist die Kathedrale. «Seine» Kathedrale, wie er betont. Villeneuve ist der Chefarchitekt von Notre Dame. Er ist einer der 39 «Architectes en Chef des Monuments historiques», die in Frankreich dem Kulturministerium unterstehen und für Restaurierung und Instandhaltung der vielen denkmalgeschützten Monumente des Landes zuständig sind. Jedem Chefarchitekten werden vom Kulturministerium unterschiedliche Landkreise zugeteilt, in denen sie sich um die staatlichen Denkmäler kümmern. 2013 übernahm Philippe Villeneuve die Pariser Kathedrale. Im Juni 2019 treffe ich ihn das erste Mal im Containerlager hinter der Kathedrale. Dort befindet sich jetzt sein Büro, in seine eigene Architekturagentur in einer Pariser Vorstadt geht er kaum noch. «Bevor ich nach Notre Dame kam, habe ich gerne im Schatten gearbeitet, ich habe nicht das Licht gesucht. Karriere, darum geht es für mich nicht. Und als ich nach Notre Dame kam, dachte ich: Ach, ich werde kaum Zeit haben, gross etwas zu machen!», erklärt Villeneuve. Der hölzerne Spitzturm aus dem 19. Jahrhundert benötigte dringend eine Restauration. Über 10 Jahre sollten sich die Arbeiten erstrecken. Villeneuve liess ein imposantes Gerüst rund um den Spitzturm bauen, die Statuen der zwölf Apostel und vier Evangelisten wurden in einer spektakulären Hubschrauberaktion entfernt. Das war 4 Tage vor dem 15. April 2019, dem Tag, der Villeneuves Leben für immer verändert hat. Als das Feuer kurz vor 19 Uhr entdeckt wird, befindet sich der Architekt beinahe 500 Kilometer von der Kathedrale entfernt in La Rochelle, wo Villeneuve das Rathaus restaurierte. Sofort steigt er in den ersten Zug nach Paris, vier lange Stunden des Bangens und Hoffens ohne Ladegerät für sein Telefon. «Als ich ankam und den absoluten Horror entdeckte, konnte ich nicht fassen, was da grade geschieht. Es ist auch heute noch unfassbar für mich. Ich sage immer, am 15. April bin ich gestorben, und ein anderer hat meinen Platz eingenommen. In dem Moment habe ich meine Liebe, meine tiefe persönliche Verbindung zur Kathedrale beiseitegelegt und nur noch komplett rational reagiert, um sofort die wichtigsten Schritte zur Rettung zu leiten. Genauso, wie es ein Chefarchitekt tun muss.» Einen Tag nach dem Drama hat der Chefarchitekt den Hahn, der auf dem Spitzturm thronte, in den Trümmern des Feuers gefunden. «Ich war mit meiner Diagnose der Situation beschäftigt, aber der Hahn ging mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich hatte ihn schon am Vortag auf dem Dach entdeckt, aber einfach keine Zeit gehabt, ihn zu holen. Das habe ich dann am Abend getan.» Ein symbolischer Moment der Hoffnung. Der gerettete Hahn von Notre Dame ist jetzt unter einer Glashaube im Museum für Architektur, der Cité de l’Architecture, ausgestellt. Gemeinsam mit Villeneuve betrachte ich die verbogene Kupferstatue. «Es tut immer noch weh. Hier ist nicht sein richtiger Platz, er gehört nicht hierher …», murmelt er sichtlich bewegt. Unter der jovialen Schale des Architekten verbirgt sich ein wunder Kern. Der Brand von Notre Dame hat Villeneuve nicht nur brutal aus dem Schatten ins mediale Licht gezerrt. Er hat eine

DIE NOTRE-DAME-FAMILIE Der Umgangston auf der Baustelle erstaunt. Er ist geprägt von einer grossen Offenheit und ehrlicher Herzlichkeit. Momentan arbeiten 80 Menschen aus 39 unterschiedlichen Unternehmen auf dem Bau. Das Feuer hat sie alle zu einer grossen Familie zusammengeschweisst. «Es ist sonst nicht üblich, dass sich alle auf einem Bau duzen, aber seit dem 15. April ist es für uns selbstverständlich. Wir teilen nicht nur das Ziel, Notre Dame zu retten, sondern wir haben alle etwas verloren», erklärt Villeneuve. Ein bisschen wirken sie tatsächlich wie Überlebende einer Katastrophe. Verwundet und doch voller Mut. Eine Familie, die zusammensteht, komme, was da wolle. Mittags treffen sich Architekten und Unternehmen im Restaurant «A l’Ombre de Notre Dame», direkt gegenüber der Kathedrale. Hier steht Mado, die 72-jährige Wirtin, noch persönlich am Herd und empfängt «ihre» Jungs mit Umarmung. Seit 50 Jahren führen Mado und ihr Mann Jérôme das Restaurant. Eigentlich wollten sie sich zur Ruhe setzen, aber dann kam der Brand. Wie alle Laden- und Restaurantbetreiber gleich neben der Kathedrale leidet das Geschäft immens unter den Brandfolgen: Touristen machen sich rar. «Gott sei Dank gibt es die Architekten, die immer kommen. Sonst wäre es trist», meint Mado mit einem Seufzer. Bei Bœuf Bourguignon und Weisswein diskutieren Architekten und Unternehmen weiter die Probleme, die es auf der Baustelle zu lösen gilt. «Wir ziehen alle am gleichen Strang, es gibt auf unserer Baustelle keine Hierarchieprobleme oder irgendwelche Streite zwischen Unternehmen. Das ist etwas, was ich sonst noch auf keinem Bau erlebt habe», gibt Philippe Villeneuve zu. ZANKAPFEL Aber genau diesen Zusammenhalt braucht es auch, denn der Druck, der auf dem Bauteam lastet, ist immens: Die Augen der ganzen Welt sind noch immer auf die Kathedrale gerichtet. Aber gut ein Jahr nach dem Brand ist Notre Dame noch nicht sicher. Die ersten Monate der Stabilisierungsarbeiten laufen fast reibungslos. Dann kommen die ersten Probleme: Beim Brand schmolzen 400 Tonnen Blei, die den Spitzturm und das Dach bedeckten, sie verwandelten sich durch die hohen Temperaturen zu Bleistaub, der sich überall abgesetzt hat. Für die Bauarbeiter ist der Bleistaub gefährlich, falls er in die Atemwege oder über den Mund in den Verdauungsapparat gelangt.

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Philippe Villeneuve wird emotional: «Bisher hat das Gerüst gehalten, aber unsere Sensoren messen Bewegungen, fast täglich gibt es deswegen einen Alarm. Sie müssen eins verstehen: Notre Dame ist noch lange nicht gerettet. Durch das Gerüst kann es noch zum Einsturz von bestimmten Partien kommen. Die Gefahr war noch nie so gross wie jetzt!»

Die Baustelle wird im Juli vorübergehend vom Präfekten von Paris geschlossen, drakonische Sicherheitsmassnahmen werden eingeführt: Nur noch über eine Sicherheitsschleuse darf die Baustelle betreten werden, Schutzkleidung, bei gewissen Arbeiten müssen Atemmasken angelegt werden, mit denen man zum Teil nur zweieinhalb Stunden am Stück arbeiten kann. Vor Verlassen der Baustelle geht’s zur Dekontamination obligatorisch unter die Dusche. Ein Prozedere, das die Arbeit auf der Baustelle für alle zum Hürdenlauf macht. «Ja, der Bleistaub hat alles verlangsamt. Aber kein Bauarbeiter hat sich mit Blei vergiftet, weder vor noch nach dem Brand. Unsere Blutwerte werden ständig wegen des Bleis überprüft, niemand auf der Baustelle hat einen besorgniserregenden Bleispiegel. Das Problem existiert, aber die Hysterie um das Blei geht zu weit. Wir haben in der Kathedrale Tests durchgeführt und ein Protokoll entwickelt, um Bleistaub loszuwerden», erklärt Villeneuve. Notre Dame ist Frankreichs wichtigstes spirituelles Symbol und wird seit Monaten zum Schauplatz eines chaotischen Hin und Her der Behörden. Die bürokratische Überwachung der Bauarbeiten mag juristisch einwandfrei sein, die Rettungsarbeiten der Kathedrale werden dadurch jedoch erschwert. Seit Monaten geht es darum, das Gerüst, das für die ursprüngliche Renovierung des Spitzturms gebaut wurde, Stück für Stück abzubauen. Wie ein Damoklesschwert hängt es teilweise in der Leere direkt über den Dachgewölben des Kirchenschiffs. Aber der Abbau wird auch durch administrative Hindernisse und die winterliche Witterung von Woche zu Woche verzögert.

PROJEKT HOFFNUNG Die Sonne geht bereits unter, als wir auf eine der Dachterrassen der Kathedrale steigen. Ein beeindruckender Blick auf Paris, das sich vor unseren Augen ausbreitet. Notre Dame ist das Zentrum der Stadt, von hier aus werden alle Distanzen in Frankreich bemessen. Der sonst so gesprächige Villeneuve wird still. Was ihm durch den Kopf geht, will ich wissen. «Es tut immer noch weh, zu sehen, wie verletzt sie ist», gibt der Chefarchitekt zu, «Notre Dame ist mehr als nur eine Kathedrale. Sie ist ein Land, ein Symbol für Frankreich. Sie vereint uns, über die Grenzen der Religion hinaus, weil sie etwas Unvergängliches darstellt. Deshalb kann ich die Brandbilder immer noch nicht anschauen, weil es eigentlich unvorstellbar ist, dass etwas, was die Ewigkeit darstellt, doch vergänglich sein kann. Wir alle warten nur auf eins: den Moment des Wiederaufbaus, um sie endlich wieder strahlen zu sehen.» Die Sonne versinkt, und wir machen uns an den Abstieg. Notre Dame ist tatsächlich mehr als eine Kathedrale. Sie ist auch das Herz all derer, die sie lieben und unermüdlich für sie kämpfen.

Momentan ist noch unklar, wie die Kathedrale wieder aufgebaut werden soll. Kurz nach dem Brand entfachte eine leidenschaftliche Debatte um originalgetreuen oder zeitgenössischen Wiederauf bau.

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STUDIO MARANT

«La Matriochka ne s’emboîte pas» – eine Serie russischer Puppen, kreiert durch unterschiedliche Künstlerinnen im Rahmen des Misaotra-Projekts. Es soll den Beruf des Ausstellungskurators veranschaulichen und ist Gegenstand einer Kofferausstellung.

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RAPHAËL DENIS

Spektakel und Konsum sind zwei unvermeidliche Themen, die der Künstler Raphaël Denis mit Spott und Ironie verkörpert. Zu sehen sind seine Werke bei der 22. Ausgabe der «Art Paris 2020».

ART & CULTURE by

© The Xanti Schawinsky Estate

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KUNSTHAUS ZÜRICH

«Schall und Rauch – die wilden Zwanziger». Das Kunsthaus zeigt die Stilheterogenität jener Auf bruchsjahre in Malerei, Plastik, Zeichnung, Fotografie, Film und Collage. Zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, die sich explizit mit der Formensprache und den Inhalten der 1920er-Jahre befassen, schlagen eine Brücke in die Gegenwart.

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PATRICIA URQUIOLA

Jeder der «Overlay Baskets» der Mailänder Designerin Patricia Urquiola besteht aus nur vier sorgfältig zusammengesetzten Lagen aus glattem, aber strapazierfähigem Louis-VuittonLeder. Mit harmonischen Farben und kontrastierenden Kanten sind die Körbe, die in drei Grössen erhältlich sind, alle individuell handgefertigt.

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TR AV TR AVELEL


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MR. BOUALAO UND DIE GEISTER DES

ME KO NG Autor_Thomas Hauer

AUF DER RUND 4500 KILOMETER LANGEN REISE VOM TIBETISCHEN HOCHLAND HINAB ZU SEINEM ­MÜNDUNGSDELTA AM SÜDCHINESISCHEN MEER DURCHFLIESST DER MEKONG SECHS LÄNDER. DABEI WÄCHST ER VOM UNSCHEINBAREN RINNSAL ZU EINEM DER MÄCHTIGSTEN STRÖME DER ERDE. ENTLANG EINES DER SPEKTAKULÄRSTEN FLUSSABSCHNITTE ZWISCHEN GOLDENEM DREIECK UND DER LAOTISCHEN HAUPTSTADT VIENTIANE HAT SICH IN DEN LETZTEN 20 JAHREN EINE BESCHEIDENE KREUZFAHRTINDUSTRIE ENTWICKELT. DURCH SIE WURDE DIESE NOCH BIS VOR WENIGEN JAHREN WEITGEHEND UNERSCHLOSSENE REGION AUCH FÜR DEN MAINSTREAM-TOURISMUS ZUGÄNGLICH.

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Katarakte gebildet haben. Durch diese Nadelöhre drängt der Fluss mit solcher Gewalt, dass selbst die 2017 komplett überholte «Mekong Pearl», die normalerweise auch mit schwierigen Bedingungen gut zurechtkommt, unter Volllast flussabwärts fahren muss. Nur so können die Ruder genügend Druck aufbauen, um das Schiff in der schmalen Fahrrinne zu halten. Ein Unterfangen, das Kapitän Boualao und Navigator Mr. Vansee, die es zusammen auf rund 70 Jahre Berufserfahrung bringen, all ihr Können abverlangt. Nautische Geräte wie Echolot oder gar verlässliche Karten sucht man auf der Kommandobrücke dagegen vergeblich. Doch keine Sorge: Lotse und Kapitän kennen jeden Felsen, jede Untiefe und jede Sandbank entlang der Route wie ihre Westentasche. Weiter flussabwärts wird das anfangs noch breite Mekong-­ T­al dann immer enger, und die mit dichten Teakwäldern und sattgrünem Bambus bewachsenen Bergflanken zu beiden Seiten des Ufers, an denen einfache Bambushütten wie Schwalbennester kleben, ragen fast senkrecht in den Himmel. Nur hier und da stechen durch Brandrodung urbar gemachte Felder an den Hängen wie Narben aus dem tropischen Dickicht hervor. Die knapp 30 Passagiere, die in grosszügigen Teakholz-Kabinen untergebracht sind, gönnen sich derweil ein eisgekühltes Beerlao auf dem Achterdeck, entspannen im winzigen SchiffsSpa oder geniessen von bequemen Liegestühlen aus die im Zeitlupentempo vorbeiziehende Leinwand. Auf der dösen gegen Mittag auf breiten Sandbänken Wasserbüffel träge in der Sonne, während einsame Fischer in schmalen Langbooten die im Fluss ausgebrachten Netze kontrollieren und zahllose Kinder aus den ufernahen Dörfern nach der Schule Abkühlung im Wasser suchen. Dann werden die Passagiere von einem dezenten Gong zum Lunch gebeten. Chefkoch Mr. Ning und sein Team zaubern dreimal am Tag in ihrer winzigen Kombüse köstliche Buffets und À-la-carte-Menüs. Meist einfache, aber wohlschmeckende lokale Spezialitäten. Zum Beispiel das laotische Nationalgericht Laab, ein herzhafter

Schottete sich die 1975 gegründete Demokratische Volksrepublik Laos, bis heute ein sozialistischer Einparteienstaat unter Führung der revolutionären Volkspartei LRVP, doch noch bis Mitte der 80er Jahre hermetisch von der Aussenwelt ab; gab es in dem Land, das zu mehr als 60 Prozent aus Gebirge und undurchdringlichem Dschungel besteht, bis auf wenige Überlandstrecken in der Mekong-Ebene weder befestigte Strassen noch ein Eisenbahnnetz. Doch parallel zur wirtschaftlichen Öffnung des grossen Bruders Vietnam lüftete sich auch in Laos Stück für Stück der politische Bambusvorhang. Heute sind es vor allem die Chinesen, die mit prestigeträchtigen Grossprojekten wie einer gerade im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeitsbahntrasse die Entwicklung des Landes mit grossem Tempo forcieren. Tatsächlich war Laos aufgrund seiner geopolitischen Lage als küstenloser Pufferstaat und französische Kolonie bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1954 über Jahrhunderte hinweg nicht nur Spielball im Ringen europäischer Grossmächte um einen Logenplatz im lukrativen Chinahandel, sondern auch des hegemonialen Strebens seiner mächtigen Nachbarn. Ab Mitte der 60er Jahre wurde es ausserdem zum Schauplatz eines grausamen Stellvertreterkrieges im Schatten des Vietnamkonflikts. Doch am Ende gewann auch in Laos der bewaffnete Widerstand militärisch die Oberhand, angeführt vom legendären «roten Prinzen» Souphanouvong. Doch das ist Geschichte. Unsere rund 800 Kilometer lange Reise flussabwärts beginnt an der thailändisch-laotischen Grenze, die wir bei Huay Xai passieren. Jetzt, am Ende der Regenzeit, müsste der Pegel des Mekong hier eigentlich rund drei Meter höher stehen, aber auch in diesem Winkel der Erde macht sich der Klimawandel bemerkbar, denn der lebensspendende Monsun wird immer unberechenbarer. So ragen an zahlreichen Stellen rasiermesserscharfe Felsklingen aus dem von fruchtbarem Sediment rotbraun gefärbten Wasser, zwischen denen sich gurgelnde Strudel und reissende

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Spektakuläre Urwaldkulisse entlang des Mekong.

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Laotischer Reisbauer.

Ein junger Mönch wäscht seine Almosenschale.

Fleisch- oder Fischsalat mit Minze und Koriander. Auch wenn sich Mr. Ning mit Rücksicht auf europäische Gaumen in Sachen Schärfe zurückhält, reicht die Chilidosis manches Gerichts doch aus, um einem Tränen in die Augen zu treiben. So entspannt die Passagiere das Bordleben geniessen, so konzentriert geht es gleichzeitig auf der Brücke zu. Der Mekong verzeiht keine Fehler. Doch Kapitän Boualao, der nie ein Patent erworben hat, weil man schnödem Papier in Laos ohnehin nicht viel Bedeutung beimisst, verlässt sich nicht alleine auf seine Erfahrung. Fast noch wichtiger ist es, die Flussgeister gnädig zu stimmen. Denn auch wenn sich die Tiefland-Laoten entlang des Mekong zum Buddhismus bekennen, glauben sie nicht weniger inbrünstig an Geisterwesen aller Art. Seien es nun verstorbene Ahnen, die besänftigt werden müssen, oder Naturgeister, die in den Untiefen des Flusses oder der angrenzenden Wälder leben. Und so führen Kapitän Boualao und Mr. Vansee an besonders heiligen Stellen entlang des Ufers kleine Opferrituale durch. Dann wandert mal eine Handvoll Reis, mal eine Banane über Bord. Schliesslich muss auch so ein Flussgeist regelmässig essen. Klar. Ab und zu gibt es auch mal ein Gläschen hochprozentigen Reisschnaps, den die Geisterwesen offenbar ebenfalls zu schätzen wissen. Für Bares – in Südostasien normalerweise gängigste Währung, um sich gutes Karma zu sichern – sind sie dagegen weniger empfänglich. Die Schiffseigner selbst vertrauen übrigens lieber auf eine gut dotierte Police beim laotischen Ableger der Allianzversicherung. Da auf dem Mekong nur auf Sicht gefahren werden kann, muss der Kapitän spätestens, wenn die Sonne untergeht, vor Anker gehen. Dann wird das Schiff mit armdicken Tauen an stählernen

Haltestangen festgemacht, die von der Besatzung in Windeseile in das weiche Sediment getrieben werden. Befindet sich der Liegeplatz in der Nähe einer Siedlung, ist das ausserdem eine gute Gelegenheit, das Laos jenseits der Hochglanzbroschüren zu erleben. Zum Beispiel beim Besuch des Dorfes Ban Huay Phalam, das auf keiner Landkarte der Welt verzeichnet ist. Doch zunächst gilt es, im Gänsemarsch die steile Uferböschung zu erklimmen, in die die Mannschaft schnell ein paar Behelfsstufen gegraben hat. In den zum Schutz vor Schlangen und Skorpionen auf Stelzen errichteten Bambushütten leben Menschen aus der Volksgruppe der Khamu, die ihren bescheidenen Lebensunterhalt mit dem Anbau von Trockenreis verdienen oder sich als Lohnarbeiter auf chinesischen Plantagen im Hinterland verdingen. Nach anfänglicher Skepsis werden die Besucher schon bald von Kindern umringt, die die reichlich marode wirkende staatliche Dorfgrundschule besuchen. Schliesslich kommt es nicht oft vor, dass Fremde hier auftauchen – schon gar nicht 30 bleichgesichtige Farangs auf einmal. Auf etwa halber Wegstrecke flussabwärts erreicht die «Mekong Pearl», nachdem sie die Tham-Thing-Höhlen bei Pak Ou mit ihren mehr als 6000 Buddha-Statuen passiert hat, dann die alte laotische Königsstadt Luang Prabang, die seit 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt und Luxustouristen wie Backpacker gleichermassen in ihren Bann zieht. Luang Prabang ist nicht nur spirituelles Zentrum des Landes, wo vergoldete Stupas und Pagoden von mehr als 30 Klöstern um die Wette funkeln, sondern lockt Besucher auch mit Dutzenden von Hotels und Guesthouses, Restaurants und Massageshops. Nach vier Tagen

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jenseits der Zivilisation schon fast ein Kulturschock. Auch wenn es hier ausserhalb der Saison vergleichsweise gemächlich zugeht. Während des 48-stündigen Aufenthalts steht klassisches Sight­ seeing auf dem Programm, darunter eine Stippvisite im ehemaligen Königspalast, auf dem geschäftigen Nachtmarkt oder im ältesten Tempel der Stadt, dem Wat Xieng Thong. Und auch ein Abstecher zu den spektakulären Sinterterrassen der Kuang-Si-Wasserfälle gehört natürlich dazu. Nachtleben hat die Stadt dagegen kaum zu bieten. Noch vor Mitternacht werden die Bürgersteige hochgeklappt. Aus gutem Grund, denn in Luang Prabang heisst es früh aufstehen: Gegen 5.30 Uhr findet allmorgendlich der Almosengang der Mönche aus den umliegenden Klöstern statt. Mittlerweile eine von Laos’ bekanntesten Touristenattraktionen – zum Unmut vieler Mönche allerdings. Die letzte Etappe bis nach Vientiane vergeht dann fast wie im Flug. Vorher durchquert die «Mekong Pearl» aber noch einmal eine der ursprünglichsten Landschaften entlang des gesamten Flusslaufes, deren magische Aura regelrecht in Trance versetzt, sodass sich Stunden und Tage, ja die Zeit, selbst aufzulösen beginnen. Spätestens beim Beach-BBQ unter sternenklarem Himmel auf einer Sandbank im Nirgendwo, bei dem der Reisschnaps in Strömen fliesst und zu dem auch die Bewohner des nahegelegenen Dorfes kommen, ist dann auch der letzte Farang mit dem Herzen ganz in Laos angekommen. Wäre da nicht der niedrige Wasserstand, der bei Pak Lay schliesslich selbst die «Mekong Pearl» beinahe schachmatt setzt, denn mittlerweile ist der Pegelstand auf rund anderthalb Meter abgesackt. Zum Glück haben die Chinesen flussaufwärts die Fluttore ihrer gewaltigen Dämme geöffnet, sodass es das Schiff auf der anrollenden Welle gerade noch bis nach Vientiane schafft. Trotzdem muss Schiffsjunge Laan regelmässig mit einer langen Bambusstange prüfen, wie viel Wasser die «Mekong Pearl» noch unterm Kiel hat. Vor grösseren Stromschnellen ist das Chefsache, und der Kapitän fährt mit einem Fischerboot voraus, um sich die Situation persönlich anzuschauen, muss das Schiff kurz vor dem Ziel doch noch den gefürchteten Keng-Chan-Katarakt passieren, die grössten Untiefen der gesamten Strecke. Der kurze Besuch der Kapitale mit ihrem prachtvollen Siegestor, das an den glanzvollen Sieg über die Franzosen erinnert, ist dann nur noch eine Fussnote dieser beeindruckenden Reise tief in die Seele dieses vergessenen Landstrichs.

Lernidee Erlebnisreisen offeriert zwischen September und Februar diverse Mekong-Arrangements auf zwei modernen Flusskreuzfahrtschiffen. Eine 15-tägige Reise, inklusive elf Tage Kreuzfahrt zwischen Goldenem Dreieck und Vientiane, gibt es inklusive Flug mit Thai Airways, Ausf lugspaket und Vollpension ab circa 3480 Euro pro Person.

WWW.LERNIDEE.DE

Der Wat-Xieng-Tempel in Luang Prabang.

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FÜR DIE GANZE FAMILIE

Autor_Urs Huebscher Bilder_Lily Beach Resort & Spa

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GOOD VIBRATIONS

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DIE WELLEN DES SCHIMMERNDEN OZEANS BRECHEN SANFT AM STRAND. DIE SORGEN DES ALLTAGS VERSCHWINDEN WIE DIE SPUREN IM SCHNEEWEISSEN SAND. DIE INSEL HUVAHENDHOO AUF DEN MALEDIVEN BEHERBERGT EIN LUXURIÖSES PARADIES, DAS SEINE BESUCHER IN EINE SINNLICHE WELT DES WOHLBEFINDENS ENTFÜHRT. DAS FÜNF-STERNE-LILY-BEACH-RESORT & SPA IST DIE SEELE DER INSEL. ALS ERSTES RESORT DIESER KATEGORIE AUF DEN MALEDIVEN BIETET ES DAS PREMIUM-ALL-INCLUSIVE-KONZEPT «PLATINUM PLAN» UND OFFERIERT SEINEN GÄSTEN EINE WELT AUS LUXUS ZU ERSCHWINGLICHEN PREISEN.

VOM

Vom internationalen Flughafen Malé geht es per Wasserflugzeug in etwa 25 Minuten zur 80 Kilometer entfernten Insel Huvahendhoo im südöstlichen Ari-Atoll. Sie ist circa 600 Meter lang und 110 Meter breit. Die architektonische Mischung aus elegantem, modernem Stil und traditionellen maledivischen Elementen erzeugt das perfekte tropische Insel-Ambiente. Die Kombination aus Holz und Stein fügt sich harmonisch in die bunte Landschaft der Insel und die unvergleichliche Schönheit des türkisfarbenen Wassers. Die insgesamt 125 Villen, die auf der ganzen Insel verteilt sind, begeistern auch den anspruchsvollsten Urlauber. Die 69 BeachVillen (darunter sechs Family-Beach-Villen), 36 Deluxe Water Villas, 16 Lagoon-Villen und vier Sunset-Water-Suiten besitzen einen unverwechselbaren Charakter; jede Unterkunft ist ein privates Paradies.

offeriert seinen Besuchern Behandlungen, die weit über ein gewöhnliches Spa-Erlebnis hinausgehen. Über dem Wasser errichtet, besteht der «Tamara Spa» aus sieben Spa-Pavillons. Kombiniert werden traditionelle Gesundheits- und Schönheitsanwendungen aus Asien mit hoch entwickelten, modernen Spa-Techniken. Zur Angebotspalette gehören verschiedenste Massagen, Body Scrubs und Wraps, Gesichts-, Hand- und Fusspflege, Kräuterdampfbehandlungen sowie Aromatherapie. PREMIUM-ALL-INCLUSIVE-KONZEPT Bereits zum dritten Mal in Folge ist das Resort Gewinner des «World Travel Award» als «Maldives’ Leading All inclusive Resort». Das Lily Beach war das erste Fünf-Sterne-Resort auf den Malediven, das ein hochwertiges All-inclusive-Konzept namens «Platinum Plan» lancierte. Mit dem «Platinum Plan», der weit mehr als das herkömmliche Paket aus Cocktails und kulinarischen Köstlichkeiten beinhaltet, bietet es Luxusurlaub auf All-inclusive-Basis. Dazu gehört auch der Genuss des edlen Champagners von Taittinger. Ebenfalls enthalten sind beispielsweise zwei Ausflüge, die aus einem umfangreichen Angebot ausgewählt werden können. Dieses umfasst neben Sunset Fishing auch einen Schnorchelausflug inklusive Ausrüstung oder den Besuch einer Einheimischen-Insel. Schon vor Antritt der Reise sind 95 Prozent aller Ausgaben abgedeckt. Inbegriffen sind neben Verpflegung und einer grossen Auswahl an Getränken unter anderem ein Airport Meet & Assist bei der Ankunft und Abreise, kostenloser Internetzugang, zahlreiche Sportangebote sowie eine kostenlose Minibar. Alle Villen sind ausschliesslich mit dem Premium-all-inclusive-Konzept «Platinum Plan» buchbar.

MALEDIVEN TIERISCH SCHÖN Ob beim Schwimmen mit Schildkröten, während des Beobachtens von Delphinen oder beim Schnorcheln mit Mantarochen und Walhaien: Die Malediven sind für Liebhaber von Meerestieren ein wahrer Traum. Das Lily Beach Resort & Spa ist mit einem aktiven Hausriff gesegnet, das viele Fischarten beherbergt und eines der schönsten des Süd-Ari-Atolls ist. Die Lily Beach Prodivers bieten eine Fülle an Möglichkeiten, die mehr als 40 aussergewöhnlich schönen Tauchorte in der Nähe der Insel Huvahendhoo zu erleben. Neben täglichen Tauch- und Schnorchelausflügen werden PADIzertifizierte Theorie- und Praxiskurse für Anfänger und Fortgeschrittene angeboten. Die neuen Scooter ermöglichen das Tauchen mit Antrieb durch einen Elektromotor. Die schillernde Unterwasserwelt sowie die faszinierende Schönheit des Indischen Ozeans bieten erstaunliche Einblicke in die Tierwelt der Malediven und sorgen für atemberaubende Momente.

TURTLES KID’S CLUB Damit auch die jüngsten Gäste ihren Urlaub in vollen Zügen geniessen können, hält der «Turtles Kid’s Club» für Kinder zwischen drei und zwölf Jahren eine bunte Palette an Kinderclub-Aktivitäten bereit. Ein kreatives und erfahrenes Team von Profis betreut die Kinder sowohl drinnen als auch im Freien.

ENTSPANNUNG IM TAMARA SPA Der betörende Duft von exotischen Aromen liegt in der Luft, eine sanfte Meeresbrise weht durch die hellen Zimmer. Die Glasböden gewähren einzigartige Einblicke in die faszinierende Unterwasserwelt des Indischen Ozeans. Durch das meditative Rauschen des Indischen Ozeans begleitet, begeben sich Körper und Seele auf einen ganzheitlichen Weg der absoluten Entspannung. Der «Tamara Spa»

WWW.LILYBEACHMALDIVES.COM

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Autorin_Helena Ugrenovic

CARTAGENA MI AMOR!

DIE PERLE DER KARIBIK

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SIE IST EINE MISCHUNG AUS WOLKEN­ KRATZIGER «MIAMI VICE»-FEVER-SEÑORITA SOWIE JAHRHUNDERTEALTER FARBE­N­ FROHER UND BLUMENGESCHMÜCKTER KOLONIALSTIL-ALTSTADT-LADY. 200  J AHRE DAUERTE ES, BIS DIE MAUERN NACH EINEM ANGRIFF DES LEGENDÄREN PIRATEN SIR FRANCIS DRAKE GEBAUT WAREN, DA SIE ALS REGELRECHTER HOTSPOT FÜR DIE RÄUBER DER MEERE GALT. SIE IST ROMANTIKERIN UND RASSIGE VERFÜHRERIN ZUGLEICH, EIN SCHLECKERMÄULCHEN, UND SIE STROTZT VOR GESCHICHTE. CARTAGENA DE INDIAS. KOLUMBIENS UNSCHLAGBARE QUEEN. Als Pedro de Heredia Cartagena de Indias im Jahr 1533 an der karibischen Küste Kolumbiens gründet, ist sie eine der ersten spanischen Kolonien Südamerikas und, wie es sich herausstellen sollte, eine äusserst anziehende. Neben Santo Domingo entwickelt sich die Namensvetterin der Stadt auf der Iberischen Halbinsel zu einem der bedeutendsten Überseehäfen der spanischen Krone, deren Flotte Cartagena zwei Mal im Jahr anläuft und mit Waren überhäuft. Im Gegenzug füllen kiloweise Gold und Edelsteine die zum Bersten gestopften wuchtigen Bäuche der Frachtschiffe, um die kostbaren Ladungen nach Spanien zu überführen. Der blühende Handel ist für Piraten ein wahres Eldorado, aus dem sie unersättlich schöpfen und Cartagena so zu einem Daueropfer von Überfällen und Plünderungen machen. Nach einem besonders zerstörerischen Angriff durch den berühmt-berüchtigten englischen Freibeuter Sir Francis Drake beschliesst die Stadt, sich mittels einer 13 Kilometer langen Mauer, der Festung San Felipe sowie zwei weiteren Forts zu schützen. Doch zu wertvoll die Beute, zu gierig die Piraten, zu immens der Reichtum der Stadt, um weiteren Übergriffen der Seeräuber zu trotzen. 200 Jahre später sichern 29 Forts Cartagena, und die Stadt triumphiert 1740 im Englisch-Spanischen Krieg, als sie die Angriffe von 186 Schiffen mit insgesamt 18’000 Mann erfolgreich abwehrt. Es lebe die Königin und mit ihr das Paradebeispiel spanischer Verteidigungsarchitektur!

unter dem Glockenturm über die Plaza de los Coches bis hin zum Portal de los Dulces ist eine Reise zurück in die Vergangenheit, die durch ein Labyrinth aus Kopfsteinpflastergassen, von Bougainvilleen überwucherten Balkonen und massiv gebauten Kirchen führt. Hier, im Schatten der Bögen, stehen sie, die bunt gekleideten, dunkelhäutigen Fruchtverkäuferinnen, die «Palanqueras», mit ihren wuchtigen Körben, die sie spielerisch auf dem Kopf balancieren und in denen tropisches Obst wie ein dreidimensionales Gemälde angeordnet ist. Kleine Stände, zu einem lebhaften Minimarkt zusammengewürfelt, bieten eine Vielzahl von Souvenirs an, allen voran Panama-Hüte und andere Kopfbedeckungen, um der sengenden kolumbianisch-karibischen Hitze zu trotzen. Schmuck, Lottoscheine, Zigarren, kaltes Wasser, eisgekühltes Bier in Dosen liegen alle paar Meter und inmitten der typischen Geräuschkulisse aus klappernden Pferdehufen sowie «Amiga! Amiga! Amiga! Cerveza! Water! Cigar, good Cigar! Common bonita! Cheap! Cheap!»-Rufen zum Verkauf bereit. Es ist auch der Schauplatz einer der Schlüsselszenen in der Liebesgeschichte von Fermina Daza und Florentino Ariza, die der preisgekrönte kolumbianische Schriftsteller Gabriel Marcia Marquez in seinem Roman «Liebe in der Zeit der Cholera» erzählt. Später, in der Verfilmung von 2007, wird diese Stelle als «Portal de los

LOVE THEME Geschützt durch ihren Schutzwall bewahrt sich die Altstadt ­Cartagenas, mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe, ihre jahrhundertealte bezaubernde Schönheit. Ein Spaziergang durch die Mauer

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Schutzmauer oder der Forts auf feindliche Schiffe zu feuern, sind es motorisierte Polizisten und Militär, die allgegenwärtig sind und mit ihren leuchtend grünen Helmen an Ninja Turtles erinnern.

Escribandos», Arkade der Gelehrten, bezeichnet. Hier schreibt der Protagonist Hunderte Briefe an seine Geliebte, und es ist der Ort, an dem sein langes Warten beginnt. Ein Warten, das 51 Jahre, neun Monate und vier Tage dauern soll.

BIENVENIDO A MIAMI! In bizarrem Kontrast zur malerisch verspielten Altstadt ergiesst sich das Viertel Bocagrande auf einer Landzunge über das Meer. Majestätisch erheben sich die Wolkenkratzer mit ihren verspiegelten, glänzenden Fassaden, auf denen die Sonnenstrahlen tanzen, in den stahlblauen, wolkenlosen Himmel. Es ist Cartagenas Edelviertel, auf höchstem First-World-Standard erschaffen und eine der reichsten Gegenden Kolumbiens. Hier stehen die populärsten Hotels der Stadt, finden sich McDonald’s, Bubba Gump Shrimp Company, Crepes & Waffles, Subway, hier herrscht einzigartiges Grossstadtflair, das nicht nur durch den Blick auf die Kuppeln der Kathedrale fast schon surreal wirkt. Wohl nirgends auf der Welt trennen nur wenige Zentimeter die Gischt der anspülenden Wellen von der von Autos und hupenden Taxis verstopften Strasse, die sich entlang des Ufers schlängelt. Nachts, wenn die Dunkelheit sich wie ein samtener Mantel über die Stadt legt und die Altstadt in warme, orangegoldene Töne getaucht ist, erhebt sich Bocagrande wie ein glitzerndes Miniatur-Miami in die Nacht.

DAS ANDERE KOLUMBIEN Sie sind nicht vergessen, die Tage der sich gegenseitig bekämpfenden Drogenkartelle, angeführt von einem der mächtigsten Drogenbarone der Welt, Pablo Escobar, und die immer noch herrschenden Konflikte zwischen der Regierung und paramilitärischen Rebellen, die rund fünfzig blutige Jahre gedauert haben. Am 22. Juni 2016 vereinbart die kolumbianische Regierung mit der grössten Guerilla, der FARC-EP, einen endgültigen Waffenstillstand, der im September 2019 zwar aufgelöst wird, jedoch ist die Lage im Land erheblich verbessert, und es zieht immer mehr Touristen, Backpacker und auch Alleinreisende in das wunderschöne und vielseitige Land. Cartagena ist die touristische Hochburg Kolumbiens und auch die bestbewachte sowie sicherste Stadt des Staates. Ungeachtet dessen, was rund um sie herum geschieht – mögliche Konflikte schwelen, verebben und kochen wieder hoch –, hat sich an der Verteidigungsstrategie Cartagenas nichts geändert, und die Stadt bewahrt ihre koloniale Schönheit. Doch statt Kanonen aus den Stellungen der

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Tipps Im Dienst Ihrer Majestät Er ist Freibeuter, Entdecker, später Vizeadmiral und der erste englische Weltumsegler. Sir Francis Drake, Sohn einer Bauernfamilie, der als Kind und mit seinen Brüdern selbst für sein Auskommen sorgen muss, verschlägt es mit 13 Jahren zur See. Zuerst als Schiffsjunge, dann als Matrose, schliesslich Steuermann und 1566 als Offizier bei James Lovell. Spanien hat ein Embargo verhängt, über das Ihre Majestät Königin Elisabeth nicht nur not amused, sondern erbost ist. Also stellt sie, gänzlich not ladylike, den englischen Schiffsverbänden sogenannte «Kaperbriefe» aus, die es erlauben, spanische Schiffe zu entern und deren Warenbestand, auch zugunsten der englischen Staatskasse, zu übernehmen. Lizzy ist Drahtzieherin und eigentliche Piratin im königlichen Schafspelz, Drake derjenige, der nach seiner ersten Erfahrung auf dem Schiff von Lovell und einer Kaper-Attacke Blut leckt und 1570 für seine erste Kaperfahrt in die Karibik in See sticht. In den Strassen von Cartagena Sie sind nicht nur das Parkett, über das Touristen und Einheimische flanieren und Kutschen Runden drehen. Sie erzählen Geschichten. Im Gegensatz zu den tragischen Geschichten anderer Strassen spielt das Ereignis in der «Calle del Santísimo» auf ein Happy End an. Der Legende nach wohnten in dieser Strasse die Familien Fernández und Villarreal. Eines Tages klopfte die Liebe an ihre Türen, und auch das Unglück stand kurz bevor. Jerónimo Villarreal verliebte sich in Constanza Fernández, eine Situation, die beiden Familien missfiel, sodass sich die Lage dermassen zuspitzte, dass die Familien beschlossen, sich mit ihren Schwertern zu bekämpfen. Hier, genau an diesem Platz, sollte die Schlacht beginnen und Blut fliessen. Plötzlich erklang das Glöckchen eines Ministranten, der den Priester aus dem Tempel «Santo Toribio» auf dem Weg zu einem schwerkranken Patienten begleitete. Erschrocken darüber, der Heilige Vater könnte dieses unheilige Spektakel miterleben, schlossen sie sich der Gruppe an. Nach der Predigt fühlten sich sowohl die Familie Fernández als auch die Familie Villarreal wie neu geboren, und sämtlicher Hass war wie weggeblasen. Sie nahmen sich an den Händen und schlossen Frieden. Seit diesem glücklichen Ereignis wurde die damalige «Calle Teatro de la Refriega» in «El Santísimo», der Heilige, umbenannt.

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AÌ QUE CEVICHE! Mit anderen Favoriten wie Hongkong, Marrakesch, Buenos Aires, Durban, Rio de Janeiro und Ho Chi Minh zählt Cartagena zu einem aufregenden gastronomischen «Sesam, öffne dich!» und als die kulinarische Hauptstadt Kolumbiens schlechthin. Zwischen den bunten Häusern der Altstadt verbergen sich zahlreiche innovative, romantische und auf höchstem Niveau angesiedelte Restaurants, nicht wenige mit einem «Traveller’s Choice» von Tripadvisor und begeisterten Gästen ausgezeichnet. Die Küche der Welt ist hier zu Hause, doch unabhängig davon, ob Italian-Arena, Sushi-Tempel, Französisches-Versailles oder Fusion-Innovation, findet sich ein Gericht in mindestens einer Version auf jeder Speisekarte – Ceviche, denn Cartagenas «Corazon» brennt und ist verrückt nach den mit Zitrus-Saft, Öl, Knoblauch, Tomaten und Gewürzen marinierten und fein gehackten Meeresfrüchten. Und egal, welche Restaurantempfehlung man sich einholt, endet jeder Ratschlag mit dem gleichen Satz: «Ihr müsst unbedingt die Ceviche probieren! Das sind Boten des Himmels!»

klänge, an jeder Strassenecke finden sich Geschichte und Kunst, und wieder erinnert es mit den eindrucksvollen Graffiti an den Häuserwänden an Miami und seinen Wynwood Art District. Street Art als Ausdrucksform erzählt Geschichten über Alltagssituationen und Probleme wie unterschiedliche Moralvorstellungen, Rassentrennung, Gentrifizierung und zunehmenden Tourismus, der einerseits Geld in die Kassen spült, die Einheimischen jedoch teilweise überfordert. Im Dezember 2013 beteiligten sich elf Künstler aus Cartagena de Indias, 24 Kolumbianer und drei internationale Künstler am ersten Internationalen Festival für Urban Art. LEGUAN, LÖWE ODER MEERJUNGFRAU? Zu Beginn fallen sie nicht auf, beim Flanieren durch die Gassen flüchtet man sich in den Schutz der Schatten, die die mit üppigen Blumen behangenen Balkone werfen. Sie passen ins Bild, in die lebende Requisite Cartagenas; man denkt, sie seien ein designtechnisches Detail einer kreativen Bevölkerung. Doch die «Aldabas», die Türklopfer der massiven Holztüren, dienen nicht nur zur Verzierung. Sie dienten in der Vergangenheit dazu, den Status einer Familie zu kommunizieren, sie auszuzeichnen sowie die soziale Klasse aufzuzeigen und die Macht der Familie darzustellen. Je grösser die Aldaba, je reicher die Familie. Die Form der Aldaba gab Auskunft über die Herkunft der Familie. So symbolisiert der Leguan, den die Mehrheit der Bevölkerung mehr als nur gerne an der Türe hätte, königliche Verwandtschaft und bedeutete, entweder ein Verwandter oder ein Nachkomme der königlichen Familie in Spanien mit den damit verbundenen Privilegien zu sein. Der Löwe stellt kein gefährliches Dem-Löwen-zum-Frass­­ vorwerfen-Unheil dar, sondern verweist auf militärische Kommandeure. Der König des Dschungels, das Symbol für Führung und Stärke, bewachte die Türen von Militärkommandohäusern und Familien, die mit der Armee im alten Cartagena in Verbindung standen. Es ist eines der zahlreichsten Aldaba-Motive in der ummauerten Altstadt. Meerjungfrau, Seepferdchen oder Piranha zierten die Türen eines Händlers, der seine lokale Ware auf dem Seeweg erwarb und verkaufte.

GETSEMANÍ «ZONA ROSA» Es als wunderschön zu bezeichnen, wäre schlichtweg untertrieben und fast schon eine Beleidigung. Zu magisch und zu einzigartig ist diese weitere Schmuckschatulle in Cartagenas Garten Eden. Nur wenige Minuten von der historischen Altstadt entfernt war es einst das Rotlichtmilieu und der Treffpunkt zwielichtiger Zeitgenossen in dunklen Gassen. Heute ist Getsemaní ein trendiges Hippster- und Künstlerviertel sowie Schmelztiegel aller möglichen Nationalitäten, wo sich Europäer, Amerikaner, Kolumbianer, Australier, Venezolaner und Italiener vermischen, wo sich sämtliche sozialen Hierarchien in diesem Epizentrum der Lebenslustigkeit vereinen. Ein Ort und zugleich das Herz Getsemanís ist die Plaza Trinidad, mit seinen Strassenverkäufern und Strassenmusikanten der wohl lebhafteste Platz Cartagenas, sei es bei Tag oder bei Nacht, um die aussergewöhnliche Atmosphäre einzuatmen, Arepa de Huevos zu essen oder einfach nur Menschen zu beobachten. Gediegene Restaurants, trendige Bars und Diskotheken reihen sich eng aneinandergedrückt in den mit bunten Wimpeln überdachten Strassen. Von überall her wehen Salsa- und Cumbia-

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ROSENKRANZINSELN 28 kleine Inseln bilden den Archipel «Nuestra Señora del Rosario», kurz «Islas del Rosario» genannt. 40 Kilometer südwestlich von Cartagena glitzern sie wie Spiegeleier im Karibischen Meer. Einst waren sie von Ureinwohnern bewohnt, die hauptsächlich vom Fischfang lebten, als die Konquistadoren die Region erreichten. Die Inseln, die zum Natur- und Nationalpark Corales del Rosario y San Bernardino gehören, gelten heute mit ihrem glasklaren Wasser, den schneeweissen Stränden und den vielfältigen Korallenriffen als beliebtes Ausflugsziel und Tauchgebiet. Die Tagestouren zu den Islas del Rosario bieten eine perfekte Auszeit zur quirligen Lebendigkeit der unter der sengenden Hitze ächzenden Stadt. Je weiter sich die Schnellboote und Katamarane vom Festland und vorbei an Mangrovenwäldern entfernen, desto eindrücklicher erscheint Cartagena mit den modernen schillernden Wolkenkratzern und der Altstadt, über der die Vergangenheit wie ein unsichtbarer Schleier schwebt und allgegenwärtig ist.

WENN DAS MEER LEUCHTET Es scheint, als wäre der Himmel mit all seinen Sternen direkt ins Wasser gefallen, als hätte sich die Aurora borealis ins Meer ergossen, das jetzt irisierend silberblau leuchtet und mit jeder Bewegung die Sterne und Aurora wie Laserstrahlen aufblitzen lässt. Es ist ein Naturspektakel der besonderen Art, das an zahlreichen Stränden der Welt zu beobachten ist, und ein weiteres Highlight Cartagenas. Auf der Halbinsel Barú und an der Bucht von Playa Blanca, die wie die Islas del Rosario per Schnellboot zu erreichen ist, verwandelt sich das karibische Schneeweiss-Strand-Feeling in eine zauberhafte und unwirklich anmutende Welt wie aus einer anderen Galaxie. Das Phänomen, das Schnappatmung erzeugt, nennt sich Biolumineszenz, erzeugt von winzigen Einzellern, sogenannten Meeresleuchttierchen oder Leuchtalgen. Chemische Prozesse führen dazu, dass die Organismen bei Bewegungen, sei das durch Wellen, Schwimmen, Surfen oder Plantschen, ruckartig Licht aussenden und bei den Mutigen, die sich nachts ins Wasser wagen, eine Art «Avatar – Aufbruch nach Pandora»-Stimmung herrscht. Cartagena de Indias ist eine Liebesromanze, die von bittersüssen Abschiedstränen, ausgelassenen Nächten, leidenschaftlichen Küssen und einem Meer voller Sehnsucht erzählt und diese fühlen lässt.

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© Helena Ugrenovic

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TRENDS by

RIMOWA

RIMOWA hat sich mit dem Luxusmodehaus Dior für eine unvergessliche, einzigartige Kollektion zusammengeschlossen, die das Beste der beiden Marken zelebriert. Der aus feinstem Aluminium gefertigte «Dior and RIMOWA»-Kabinenkoffer in BlauFarbverlauf zeichnet sich durch das sinnbildliche Dior-Oblique-Design aus.

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BANG & OLUFSEN

Die Contrast-Kollektion von Bang & Olufsen wurde in Zusammenarbeit mit dem dänischen Designstudio Norm Architects entwickelt. Teil dieser Kollektion ist der kabellose Over-Ear-Kopf hörer «Beoplay H9 3rd gen» mit Touch-Interface und Voice Assistant.

TR AV EL SMYTHSON

C CHANEL

Mit dem Wakesurf brett von Chanel wird dem Extremsport ein Hauch High Fashion verliehen. Zusammen­ gesetzt aus Karbonfaser, PVC und Ethylenvinylacetat. Nicht fehlen darf das ineinander­g reifende C-Logo auf der Oberseite des Surf bretts.

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Das Währungsetui «Panama» mit Reissverschluss ist ein Markenzeichen der Smythson-Reisekollektion und vereint auf perfekte Weise Funktionalität, Verspieltheit, Zeitlosigkeit und Modernität. Das Modell verfügt über moderne Farbakzente an den äusseren Reissverschlussdetails und vier Fächer für verschiedene Währungen, Quittungen und Zugfahrkarten.

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WATCHES & JEWELLERY

AUS DEM HERZEN DER SCHWEIZER ALPEN Im wunderschönen Simmental ist das Schreinerhandwerk noch ein traditionelles Handwerk. Der Stolz auf unsere Arbeit zeigt sich in jeder von uns individuell angefertigten Küche. Die raue Landschaft, die majestätischen Berge und die unberührte Natur inspirieren dabei unsere Arbeit. Ob Penthouse-Besitzer oder Chalet-Liebhaber, sie alle teilen die Leidenschaft mit uns, die uns dazu motiviert, die exklusiven Küchenträume unserer Kunden wahr werden zu lassen. Die Zbären Küchen werden dabei mit hochwertigsten Materialien in feinster Handarbeit und mit hochmodernen Maschinen gefertigt. Von der kleinen Manufaktur im Herzen der Schweizer Alpen liefern wir die massgefertigten Küchen in die ganze Welt.

Besuchen Sie einen unserer Showrooms in Bern und Saanenmöser www.zbaeren.ch | design@zbaeren.ch | +41 (0)33 744 33 77 69


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ITALIENISCHE GESCHICHTE IN STEIN

UND MÖRTEL

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AM RANDE DER KLIPPEN VON SORRENT IN SÜDITALIEN LIEGT DAS EINZIGARTIGE GRAND HOTEL EXCELSIOR VITTORIA, DAS SICH SEIT JEHER MIT EINEM SUPERLATIV NACH DEM ANDEREN ÜBERTRIFFT. DIE SCHÖNHEIT DER REGION SPIEGELT SICH IN DEN ÜPPIGEN GÄRTEN MIT MEDITERRANEN PFLANZEN SOWIE ZITRUS- UND OLIVENHAINEN WIDER. MIT DEM FAHRSTUHL GELANGEN GÄSTE IM HANDUMDREHEN VOM HAFEN INS HOTEL. Autor_Urs Huebscher Bilder_Grand Hotel Excelsior Vittoria

Alle waren sie da: Sophia Loren, Kaiserin Sissi, Marilyn Monroe, Richard Wagner, Princess Margaret, Luciano Pavarotti – im Grand Hotel Excelsior Vittoria in Sorrent. Zu Ehren all dieser prominenten Gäste designte das Luxushotel an der Amalfiküste sechs One-of-a-kind-Suiten. Wer Gast einer dieser Suiten ist, wird in frühere Zeiten entführt und kann dieselben Privilegien geniessen wie einst ihre Namensgeber. Seit 1834 befindet sich das 5-Sterne-Luxus-Hotel im Besitz der Familie Fiorentino. Das Nobelhotel mit 84 Zimmern und Suiten, im historischen Stil prunkvoll eingerichtet, beherbergte bereits Richard Wagner und Oscar Wilde, die die gleiche atemberaubende Aussicht auf die Bucht von Neapel und den Vesuv genossen wie Gäste, die heute ihre Ferien hier verbringen. Das Hotel verfügt zudem über drei Bars und drei Restaurants, Terrazza Bosquet Restaurant (Michelin-Stern), L’Orangerie Poolside Bar und Restaurant und Vittoria Restaurant. Ausserhalb des Grand Hotels spiegelt sich die Schönheit der Region in den üppigen Gärten mit mediterranen Pflanzen sowie Zitrus- und Olivenhainen wider. Der Legende nach liegen Überreste der Villa des römischen Kaisers Augustus unter dem Hotel. Die Vergangenheit lebt darüber hinaus in Details wie den Säulen aus dem 18. Jahrhundert, den Deckenfresken und den Antiquitäten auf, die überall im Hotel zu finden sind. Eine zwei Hektar grosse blühende Parklandschaft, umgeben von intensiv duftenden Zitrushainen, vermittelt italienisches Dolce Vita. Das direkte Hotelumfeld lockt mit vielen Ausflugsmöglichkeiten, beispielsweise einem Besuch der berühmten italienischen Städte Pompeji und Neapel oder Ausflügen nach Capri und Ischia, welche bequem per Fähre zu erreichen sind. Ein glücklicher Zufall verbindet den italienischen Sänger Lucia Dalla und das Grand Hotel Excelsior Vittoria bis heute. Weil seine Yacht einen Motorschaden hatte, ist Lucio Dalla in Sorrent gestrandet. Auf der Suche nach einer Unterkunft führte ihn sein Weg in das Luxushotel. Er bezog das einzige noch freie Zimmer – die Caruso-Suite. Weil die Reparatur seiner Yacht mehr Zeit in Anspruch nahm als erwartet, fragte er nach ein paar Tagen doch einmal, wie viel die prachtvolle Suite denn kosten würde. Nach der Antwort hatte er augenzwinkernd eine Antwort parat, die sich für alle Beteiligten auszahlen sollte: Entweder er müsse seinen Aufenthalt abarbeiten oder er komponiere ein Lied über diesen einzigartigen Ort. Es entstand eines der erfolgreichsten Lieder aller Zeiten, Dallas Meisterwerk «Caruso». Die elegante Dalla-Suite wurde nach dem berühmten Songwriter benannt, der 2012 verstarb. Die Terrasse mit Blick auf das Meer und die geräumigen Zimmer verbindet ein modernes Design mit einem Hauch von Nostalgie.

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Betritt man die opulenten und stilvollen Räumlichkeiten der historisch eingerichteten One-of-a-kind-Suite, so wird man verzaubert sein von der opulenten Einrichtung, den kostbaren Antiquitäten und handbemalten Bodenfliesen. In den sechs One-of-a-kindSuiten wird Geschichte lebendig. Sie ziehen ihre Gäste mit ihrer prunkvollen Ausstattung und den an ihre ehemaligen Bewohner erinnernden Requisiten in ihren Bann. Als Opernfan sollten man nicht darauf verzichten, in der Pavarotti-Suite in Aufnahmen der Tenorgesänge des unübertroffenen Musikers zu schwelgen, während man den Blick, genau wie einst der grosse Meister, über die fantastische Landschaft schweifen lässt. Der Rückzug aus dem Alltag beginnt bereits bei Abholung mit der hoteleigenen Limousine am Flughafen und der entspannten Fahrt zum Grand Hotel Excelsior Vittoria. Im Luxushotel in Sorrent wartet bei Ankunft in der Suite schon eine gekühlte Flasche Ca‘ del Bosco auf die Gäste, und auch das tägliche Frühstücksbuffet mit seiner grossen kulinarischen Auswahl ist im «Suite Retreat» inbegriffen. WWW.EXVITT.IT

Eine zwei Hektar grosse blühende Parklandschaft, umgeben von intensiv duftenden Zitrushainen, vermittelt italienisches Dolce Vita. 72


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ANDALUSISCHE Träume

Autor_Urs Huebscher Bilder_Golf & Spa Resort Finca Cortesín

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Die einzigartige Innenarchitektur der Finca ­Cortesín in Kombination mit hervorragendem ­Service, ausgezeichnetem Essen, einem ausse­rgewöhnlichen Spa, Weltklasse-Golfplätzen und der traumhaften Lage machen das Luxushotel zum Inbegriff für extravagantes und gleichzeitig entspanntes mediterranes Lebensgefühl.

Inmitten grüner Hügel im Süden Spaniens unweit von Málaga erhebt sich das erstklassige Golf & Spa Resort Finca Cortesín. Das vom deutschen General Manager René Zimmer geleitete 215 Hektar grosse Areal kombiniert eine atemberaubende Aussicht auf das Mittelmeer und traditionelle andalusische Architektur mit erlesenen Antiquitäten sowie alten Steinböden aus Kirchen und Klöstern. Diese verzaubern die in Weiss getünchte Finca Cortesín in einen Ort, an dem sich das ursprüngliche, traditionelle Andalusien und alle Annehmlichkeiten eines modernen, hellen und grossräumigen Luxushotels begegnen. Eine Vielfalt an Restaurants verwöhnen die Gäste unter der Leitung des deutschen Küchenchefs Lutz Bösing, der den Gast durch exzellenten Service und eine erlesene Küche verwöhnt. «El Jardín de Lutz» und «Kabuki Raw» bilden die Hauptrestaurants des Luxusresorts. Im vergangenen Jahr platzierte sich das Resort auf Rang eins in der Kategorie Top 20 Hotels in Europa / Spanien und Portugal des bekannten Condé Nast Traveler Readers’ Choice Award. Eine der renommiertesten Auszeichnungen für hervorragende Leistungen in der Reisebranche, die allgemein als Anerkennung für «die Besten der Besten in der Reiseindustrie» gilt. Die Finca Cortesín verbindet klassische mediterrane Lebensart mit den Vorzügen der modernen Zeit. Dies spiegelt sich in der erlesenen Küche, dem exzellenten Service und dem unverwechselbaren Spa, welches die Atmosphäre der Ruhe und Sinnlichkeit unterstützt, wider. Mediterranes Lebensgefühl auf höchstem Niveau.

René Zimmer, General Manager der Finca Cortesin, über die Auszeichnung: «Ich freue mich sehr, dass unsere leidenschaftlichen und engagierten Mitarbeiter für ihre kontinuierlich harte Arbeit ausgezeichnet worden sind. Es ist toll zu sehen, dass unsere Gäste auch zehn Jahre nach der Eröffnung immer noch genauso von dem Resort fasziniert sind wie wir und es zu den ‹Besten der Besten› im ganzen Land und auch darüber hinaus gekürt haben. Ich bin davon überzeugt, dass die Finca Cortesín die Königin unter den europäischen Urlaubsresorts ist. Wir werden auch in Zukunft für unsere Gäste hervorragende Leistungen in den Bereichen Service, Gastronomie, Fitness und Wellness erbringen.»

ELEGANZ UND DESIGN

67 Suiten und drei Villen mit einer Grösse von 50 bis 180 Quadratmetern bestechen durch Eleganz, Design, Grossräumigkeit und Komfort. Die Suiten sind unterteilt in Junior-, Executive-, Poolund die Cortesín-Suiten. Jeder Raum ist mit edlen Stoffen, hohen Decken und hochwertigem, massgefertigtem Mobiliar ausgestattet. Der italienische Marmorboden und die grossen Himmelbetten im Finca-Stil laden zum Träumen ein. Für eine grösstmögliche Privatsphäre sind die Suiten je nach Kategorie mit eigenem Balkon, Pool, Garten oder eigener Terrasse ausgestattet. Ein Terrassenund Gartenbereich sowie ein privater Swimming Pool runden die Ausstattung der Villen ab.

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PRIVATER BEACH CLUB

und ein Unisex-Bereich, jeweils mit Sauna, Türkischem Bad und Relax-­Bereich. Einmalig in Spanien können sich die Gäste hier in einem japanischen Bad bei 10 Grad Celsius oder in eine Schneekabine bei minus 12 Grad Celsius abhärten und ein Wellness-­ Erlebnis der anderen Art geniessen. 2015 wurde der Spa-Bereich um ein Thai-Spa auf 280 Quadratmetern mit vier Behandlungsräumen für Thai-Anwendungen nach jahrtausendealten Traditionen erweitert.

Ein weiteres Highlight ist der private Beach Club, der sich circa einen Kilometer vom Hotel entfernt über beeindruckende 6000 Quadratmeter an der «Bahía de Cesares» erstreckt. Der Weg kann bequem mit dem Shuttlebus – exklusiv für die Gäste der Finca Cortesín – zurückgelegt werden. Eingerahmt von üppig bewachsenem Garten und Boden aus Teak kann sich der Gast auf balinesischen Himmelbetten oder komfortablen Sonnenliegen erholen oder im 35 Meter langen Infinity Pool schwimmen. Für ein kulinarisches Erlebnis sorgt ein mediterranes Restaurant direkt am Strand, das Fisch und Meeresfrüchte sowie Reisgerichte serviert. In der Abenddämmerung ist der Beach Club der perfekte Ort, um mit erfrischenden Cocktails den Sonnenuntergang zu beobachten.

GOLFPARADIES

Das ergänzende Highlight der Finca Cortesín erstreckt sich auf sieben Kilometern Länge. Eingebettet in die mediterrane Landschaft befindet sich ein 18-Loch-Golfplatz, der bereits zu einem von Spaniens besten Golfplätzen ausgezeichnet wurde. Der renommierte Golfplatz-Architekt Cabell Robinson hat eine perfekte Balance zwischen vielfältiger Flora, typischem mediterranen Wald und wunderbar gepflegtem Bermudagras geschaffen. Bei einer gebuchten Golfpartie sind ein Caddy-Master, eine Buggy-Bar für eisgekühlte Getränke und der Zutritt zum exklusiven Golfclubhouse natürlich inkludiert. Der Golfplatz gehört zu einem der längsten in Europa, daher ist jeder Golfcart mit einem GPS ausgestattet. Reisende, die neben ausgiebigem Sonnenbaden oder Golf auch gerne anderen sportlichen Leidenschaften nachgehen möchten, können sich auf zwei Tennis- sowie zwei Paddle-Tennis-­ Plätzen auspowern.

WELLNESS UND SPA

Der Spa der Finca Cortesín bietet auf 2200 Quadratmetern eine Luxusoase für Körper und Geist. Körper- und Gesichtsanwendungen, Massagen, Thermalbäder (inklusive Sauna und Türkischem Bad mit Aromatherapie und Relaxzone), ein 25 Meter langer beheizter Indoor-Swimmingpool sowie ein Fitness Center sorgen für ein Rundum-Wohlfühlprogramm. Alle sieben Behandlungsräume sind mit Fussbodenheizung und beheizten Massageliegen ausgestattet. Gäste können sich auf optimal geschulte Therapeuten verlassen, die mit den neuesten Schönheits- und Verjüngungstherapien vertraut sind. Die Thermalbäder sind in drei abgegrenzte Bereiche eingeteilt: einer für Frauen, einer für Männer

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SCHLICHT, EINFACH

UND TROTZDEM MANCHMAL KOMPLIZIERT Autor_Gisbert L. Brunner

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DER SLOGAN «ALLES ZU SEINER ZEIT» TRIFFT AUCH AUF ARMBANDUHREN ZU. IM LEBEN KULTIVIERTER ZEITGENOSSINNEN UND -GENOSSEN GIBT ES IMMER WIEDER GELEGENHEITEN, BEI DENEN SPORTLICHE OPULENZ FEHL AM PLATZ UND SCHLICHTE ELEGANZ ANGESAGT IST. PRESTIGE PRÄSENTIERT ARMBANDUHREN, DIE TROTZ IHRER GESTALTERISCHEN ZURÜCKHALTUNG JEDE MENGE BIETEN.

GEHEN

Gehen Frau oder Mann von Welt in Jogginganzug oder Jeans zum Opernball? Schwer vorstellbar, denn schon am Eingang würde höflich, aber bestimmt auf die Kleiderordnung hingewiesen. Aufs Handgelenk blickt bei dieser Gelegenheit niemand. Ob dort ebenfalls gänzlich Unpassendes die Stunden, Minuten und Sekunden indiziert, interessiert schlichtweg nicht. Dabei sollten regelmässige Ball-, Opern- oder Theatergänger, die etwas auf sich und ihr Erscheinungsbild halten, auch ihrer Uhr das nötige Mass an Aufmerksamkeit widmen. Mit einem markanten SportChronographen oder einer opulenten Taucheruhr begehen sie zwar keinen Fauxpas, aber irgendwo liegen sie doch kräftig daneben. Mehr als Zeiger für die Zeit und vielleicht noch eine Datumsanzeige braucht es in festlichem Rahmen nämlich nicht. Mit Luxusaskese hat Reduktion dieser Art nichts zu tun. Und der Makel des Billigen haftet ihr auch nicht an. «Wirklichen Reichtum», so der slowenische Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Žižek, «erkennt man daran, dass er nicht mehr in das Schema arm / reich fällt, sondern dieses Schema in einer souveränen Geste transzendiert.» Elegantschlichte Armbanduhren zu Frack, Smoking oder dem langen Kleid beziehen ihren Charme aus gekonnter Beschränkung aufs Wesentliche. Ihre Gestalter huldigten der weisen Erkenntnis des Fliegers und Schriftstellers Antoine de Saint-Exupéry, wonach Vollkommenheit nicht dadurch entsteht, wenn sich nichts mehr hinzufügen lässt, sondern dann, wenn man nichts mehr wegnehmen kann. Sind die Schlichten dann auch noch ultraflach ausgeführt, wird es ganz schön kompliziert. Derartige Uhrwerke fordern die Manufakturen in besonderer Weise heraus, weil mit abnehmenden Dimensionen auch die Fertigungstoleranzen geringer werden. Zum Beispiel müssen Uhrmacher die Lagersteine wegen des geringen Höhenspiels der darin rotierenden Zapfen extrem sorgfältig einpressen. Ferner verlangen Uhrwerke dieser Art bei Feinbearbeitung, Montage und Regulierung nach zeitraubender Handarbeit. Und die hat logischerweise ihren Preis. Mit Blick auf die Geschlechter passt schlichte Eleganz auch perfekt an weibliche Handgelenke. Selbst 40 Millimeter Durchmesser machen dort heutzutage eine gute Figur. Es lebe die chronometrische Gleichberechtigung.

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SCHLANKES AUS SACHSEN Weniger bei einer Luxus-Armbanduhr geht fast nicht. Die 39 Millimeter grosse «Saxonia Thin» von A. Lange & Söhne besitzt lediglich Zeiger für Stunden und Minuten. Deren Länge passt zu den Proportionen des blauen Zifferblatts mit schlanken Strichindexen. Das Fehlen eines Sekundenzeigers sorgt für Entspannung im hektischen Alltag. Sorge, dass das 2,9 Millimeter flache Manufaktur-Handaufzugskaliber L093.1 seinen Dienst versagt, muss Frau beim hohen Qualitätsanspruch der sächsischen Nobelmanufaktur nicht haben. SCHLICHT, EINFACH, CLASSIMA Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo Frau sich ihre erste LuxusArmbanduhr Schweizer Provenienz leisten möchte. Im Portfolio des Richemont-Konzerns heisst die Einsteigermarke Baume & Mercier. Dort erinnert «Classima» an die Schlichtheit der 1940er Jahre. Den Gehäusedurchmesser eines neuen femininen Modells deutet der Modellname «Classima 27 mm» bereits an. Im Stahlgehäuse mit Sichtboden findet sich das Automatikkaliber 2671 von Eta. Sein Federhaus speichert Kraft für 38 Stunden. Zur Wahl stehen Zifferblätter ohne oder mit Diamanten. UHR IM ZEICHEN DER LIEBE Zusammen mit der chinesischen Schauspielerin Li Bingbing hat Carl F. Bucherer ein tickendes Zeichen der Liebe geschaffen. Es ist rund, misst 35,5 Millimeter und beherbergt das Eta-basierte Automatikkaliber CFB 1971 mit kleinem Sekundenzeiger bei «6» sowie Fensterdatum. Damit Frau von Welt aus dem Vollen schöpfen kann, gibt es die neue «Manero AutoDate Love» in vielen verschiedenen Ausführungen. Gemeint sind Zifferblattfarbe, Material und Ausstattung des Gehäuses sowie das Armband aus Leder oder Metall. In allen Fällen besitzt die bis drei bar wasserdichte Schale Saphirgläser auf der Vorder- und Rückseite. EIN LOB DER FASSFORM Monsieur Louis, daran besteht nicht der geringste Zweifel, war ein begnadeter Designer. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts leistete der Mann mit Nachnamen Cartier entscheidende Beiträge zur Emanzipation der Armbanduhr von der runden Taschenuhr-Gestalt. In diesem Sinne gestaltete er 1904 die legendäre «Santos». 1906 folgte die nicht minder berühmte «Tonneau». Ihr langgestrecktes Gehäuse schmiegt sich förmlich ans Handgelenk. Als Reminiszenz an einen anerkannten Meister seines Fachs hat Cartier die «Tonneau» gründlich überarbeitet. Das Rotgoldgehäuse in den Dimensionen 23 x 46,3 Millimeter umfängt ein 2,9 Millimeter flaches Form-Handaufzugswerk vom Kaliber 1917 MC. Dessen Gangautonomie beträgt 38 Stunden. FREUND FÜRS WEIBLICHE HANDGELENK Die Kalender zeigten das Jahr 2015, als Chanel die neue Linie «Boy-Friend» auf die Bühne der luxuriösen Zeitmesskunst schickte. Obwohl das gestreckte achteckige Gehäuse zweifellos maskuline Gestaltungselemente aufweist, wendet sich diese Armbanduhr einzig und allein an Frauen. Neu in der Kollektion ist die in drei verschiedenen Grössen erhältliche «Boy-Friend Tweed». Bei diesem Stahlmodell mit schwarzem Zifferblatt durchbricht das von Tweed-Stoff inspirierte Armband die Grenzen zwischen den Geschlechtern. Die beiden Zeiger und den Ring des Fensterdatums bewegt ein präzises Quarzwerk fort.

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FLACHES AUS DEM VALLÉE DE JOUX Wahrhaft minimalistisch haben die Designer von Jaeger-LeCoultre im Vallée de Joux ihre «Master Ultra Thin Small Seconds» gestaltet. Summa summarum baut das Gehäuse mit 40 Millimeter Durchmesser gerade einmal 7,58 Millimeter hoch. Einen entscheidenden Beitrag zum extraflachen Auftritt am Handgelenk leistet das aus 223 Teilen selbst gefertigte und durch den Saphirglasboden beobachtbare Automatikkaliber 896 / 1. Nur 3,98 Millimeter beträgt die Höhe des tickenden Mikrokosmos mit kleiner Sekunde bei «6». Ohne Energienachschub läuft das Manufakturwerk rund 43 Stunden am Stück. Bis zu fünf bar Wasserdruck reicht die Wasserdichte der rotgoldenen Schale.

FAIRNESS GROSSGESCHRIEBEN Das Gehäuse der auf 250 Exemplare limitierten L.U. Chopard «XPS Twist» besteht aus ethisch gewonnenem Weissgold. Die Gesamthöhe beträgt nur 7,2 Millimeter. Ihre Manufaktur-Automatik vom Kaliber L.U.C 96.26-L, zur Schau gestellt hinter einem Sichtboden, hat den offiziellen Schweizer Chronometercheck der Prüfbehörde COSC bestanden. Demzufolge muss sich die tägliche Gangabweichung im engen Delta zwischen minus 4 und plus 6 Sekunden bewegen. Die ganze Armbanduhr genügt den extrem strengen Kriterien der Qualité Fleurier. Bis drei bar reicht die Wasserdichte der betont zurückhaltend gestalteten Schale. FLACH UND SCHLICHT MIT «TANKUHR» Kontinuierlich erweitert Frédérique Constant das Spektrum seiner Uhrwerke aus eigener Manufaktur. Solche gibt es seit 2004. Am Anfang mit manuellem, seit 2006 auch mit automatischem Aufzug. Das neu entwickelte Rotorkaliber FC-723 beseelt die «Slimline Power Reserve Manufacture». Wie der Name andeutet, besitzt das Œuvre eine Gangreserveanzeige. Der zugehörige Zeiger bewegt sich vor einem blauen Zifferblatt. Nach Vollaufzug stehen rund 50 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Neben den Stunden und Minuten lässt sich auch das Datum in analoger Form ablesen. Die mit vier Hertz oszillierende Unruh lässt sich durch den Sichtboden des 40 Millimeter grossen, bis drei bar wasserdichten Stahlgehäuses beobachten.

TICKENDE PRODUKTFORM Anfang der 1960er Jahre machte sich Max Bill daran, «das Nützliche, das auf schöne Art Bescheidene» zu schaffen. Zu seinem Œuvre gehörten auch Zifferblätter für Armbanduhren. 1962 brachte Junghans die Zeitmesser in den Handel. Als echter Glücksgriff erwies sich das Comeback im Jahr 1997. Ganz neu am Markt ist die an Damen adressierte «Max Bill Automatic» mit nur 24 Millimeter Durchmesser. Das schwarz PVD-beschichtete Edelstahlgehäuse schützt ein Automatikwerk vom Kaliber Eta 2824-2 bis zu drei bar Wasserdruck. LA BOHÈME FÜR DAMEN Expressis verbis an Damen wendet sich Montblanc mit «Bohème». Bei den Zifferblättern, welche traditionsgemäss stark zum Gesamteindruck beitragen, verwendet die Traditionsmarke viel Zeit auf Details. Ausdrucksstarke Stundenziffern mit eigener Typographie, sorgfältig ausgewählte Zeiger, Guilloche-Muster und acht Diamant-Indexe sind nur einige Beispiele. Weil es im Geschäftsleben regelmässig aufs Datum ankommt, haben sich die Designer bei der «Bohème Date Automatic» etwas Besonderes einfallen lassen. Ein spitzovales Fenster bei «6» dient besserer Ablesbarkeit. Das Uhrwerk im 34 Millimeter grossen Stahlgehäuse mit Diamantlünette ist ein Eta 2824-A2.

REMINISZENZ ANS JAHR 1966 Lediglich 3,36 Millimeter misst das Automatikkaliber GP3300 von Girard-Perregaux in der Höhe. Die Uhrmacher fügen den Mikrokosmos aus 185 Komponenten zusammen. Nachdem der Rotor seine Arbeit erledigt und die Zugfeder voll gespannt hat, stehen 46 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Beim Modell «GP 1966 38 mm» umfängt die Schweizer Traditionsmanufaktur dieses Manufakturwerk mit einem 38 Millimeter messenden Roségoldgehäuse. Das zeitlose Œuvre, dessen Wasserdichte bis drei bar reicht, trägt am Handgelenk nur 8,62 Millimeter auf.

ERINNERUNGEN ANS BAUHAUS Nomos steht seit 1992 für klares, unverfälschtes Design und Glashütter Uhrmacherkunst. Inzwischen entstehen sämtliche Uhrwerke unter dem eigenen Dach. In der stählernen «Tangente 33 Duo» mit 32,8 Millimeter kleinem Stahlgehäuse findet sich das sorgfältig feinbearbeitete Kaliber Alpha 2. Zum Spannen der Zugfeder verlangt es den Besitzerinnen tägliche Kontaktaufnahme ab. Bis drei bar Druck reicht die Wasserdichte des ans Bauhaus erinnernden Zeitmessers.

ZEIT-GALOPP Beim Design der «Galop d’Hermès» liess sich Ini Archibong von Kandaren, Steigbügeln und Harnischen, also Objekten rund ums Pferd, inspirieren. Dementsprechend präsentiert sich auch das Äussere dieser Damenarmbanduhr. Ecken und Kanten gibt es bei diesem Zeitmesser nicht. Den Auftritt kennzeichnet organische Schlichtheit. Man könnte auch von einem Kieselstein sprechen, den die kontinuierlich fliessende Zeit glatt geschliffen hat. 40,8 x 26 Millimeter misst das aussergewöhnliche, aus Edelstahl gefertigte Gehäuse mit Zeigerstellkrone bei «6». Ein gleichermassen komfortables wie präzises Quarzwerk erspart Frau das Aufziehen.

TONDA HEISST RUND Beim Betrachten der «Tonda Métropolitaine» wird jedem spontan klar, dass sich Parmigiani Fleurier sehr intensiv mit dem auseinandergesetzt hat, was die Herzen der Damen begehren. Ihr 33,1 Millimeter grosses Roségoldgehäuse hält ein handgefertigtes Hermès-Lederband am Unterarm. Der Pariser Feintäschner hat sich an der Werkemanufaktur Vaucher beteiligt. In deren Ateliers entsteht auch das flache Automatikkaliber PF310 mit zwei Federhäusern, 50 Stunden Gangautonomie, exzentrischem Sekundenzeiger und Fensterdatum. Beste Freunde sind jene 72 Diamanten von insgesammt 0,52 Karat, die das bis drei bar wasserdichte Gehäuse zieren.

ALLER GUTEN DINGE SIND DREI Die Erfolgsgeschichte der eleganten «Portofino»-Linie von IWC begann 1984 mit der Referenz 5251. Aus dem Produkt-Portfolio der Schaffhauser Manufaktur ist sie seitdem nicht mehr wegzudenken. Schlicht, elegant und zurückhaltend präsentiert sich die «Portofino Automatic» in Edelstahl. Ihr Gehäuse mit 40 Millimeter Durchmesser, welches Wasserdruck bis zu drei bar widersteht, umfängt ein Automatikwerk, das IWC 35110 getauft hat. Dahinter verbirgt sich ein flaches Eta 2892-A2 mit beidseitig aufziehendem Kugellagerrotor und 42 Stunden Gangautonomie.

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FÜR ALLE 24 STUNDEN DES TAGES Seit nunmehr 20 Jahren wendet sich Patek Philippe mit der Linie Twenty-4 ausdrücklich an beruflich erfolgreiche Frauen, die sich ihre persönliche Armbanduhr selbst kaufen wollen. Ein wertvolles Geschenk vom Partner schliesst das natürlich nicht aus. Neben der rechteckigen Ausführung mit Quarzwerk gibt es mittlerweile auch eine runde Begleiterin für alle 24 Stunden des Tages. Bei der Referenz 7300 zeichnet das aus 217 Teilen assemblierte Manufakturkaliber 324 SC mit Rotoraufzug für die Anzeige von Zeit und Datum verantwortlich. Das Gehäuse mit 36 Millimetern Durchmesser gibt es in Stahl oder Gold. Viel Spielraum bietet die Genfer Familienmanufaktur auch bei der Ausstattung mit Edelsteinen. FLACHE HOCHEBENE Von Peru bis Chile erstreckt sich die als «Altiplano» bestens ­bekannte Hochebene. Mit durchschnittlich 3500 Metern über dem Meeresspiegel zählt sie zu den höchsten menschlichen Siedlungsgebieten. Piaget hat diese Region zur Namenspatin für ultraflache Armbanduhren erkoren. Strahlendes Blau zeichnet das Zifferblatt der 36 Millimeter messenden Version mit Weissgoldgehäuse und 2,51 Karat Diamanten im Baguetteschliff aus. Durch einige Kronendrehungen muss Frau das eigener Manufaktur entstammende Kaliber 430P nach spätestens 43 Stunden mit frischer Energie versorgen. Folglich handelt es sich beim 2,1 Millimeter flachen, aus 131 Komponenten assemblierten Innenleben um ein Handaufzugswerk. BENVENUTO LÄSST GRÜSSEN Im Hause Rolex steht «Cellini» für zurückhaltende Eleganz. Die aktuelle Kollektion prägen runde Gold-Armbanduhren. Zu den sichtbaren Merkmalen der weissgoldenen «Cellini Date» gehören eine 39-Millimeter-Schale mit aussen fein geriffeltem Glasrand sowie die Datumsanzeige bei «3». Insgesamt vier Zeiger drehen vor einem guillochierten Zifferblatt vom Typ «Rayons flammés de la gloire». Natürlich ist die Krone mit dem bis fünf bar wasserdichten Gehäuse verschraubt. Vor dem Einbau muss die Manufakturautomatik 3165 zur Chronometer-Prüfstelle COSC. MEHR SEIN ALS SCHEIN Vacheron Constantin verwöhnt Damen, denen innere Werte mehr bedeuten als pompöse Äusserlichkeiten, mit der ausgesprochen dezenten «Patrimony Automatik». Diese Weissgold-Armbanduhr, Durchmesser 36 Millimeter, und das in ihr mit vier Hertz tickende Automatikkaliber 2450 Q6 erfüllen ohne Wenn und Aber die strengen Kriterien des Genfer Siegels. Sie betreffen konstruktive und handwerkliche Aspekte des Uhrwerks und die Ganggenauigkeit des fertigen Zeitmessers. Mehr als eine Minute falschgehen darf er innerhalb von sieben Tagen nicht. Von selbst mag sich verstehen, dass der Gehäuseboden ein Sichtfenster besitzt.

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KRISTALL

© Studio Mierswa-Kluska

FUNKELT IMMER VOR 125 JAHREN, IM JAHRE 1895, GRÜNDETE DANIEL SWAROVSKI SEIN UNTERNEHMEN IM ÖSTERREICHISCHEN WATTENS. DER WELTWEIT GRÖSSTE KRISTALLHERSTELLER FEIERT DIESES BEDEUTENDE JUBILÄUM MIT EINER SONDERKOLLEKTION UND ERLAUBT EINEN BLICK ZURÜCK ZU DEN ANFÄNGEN DES PRESTIGEUNTERNEHMENS. Autorin_Swenja Willms

Der ikonische Schwan symbolisiert seit den 1980er Jahren die Eleganz und Willenskraft von Swarovski.

ken aus. 1883 begegnete Daniel Swarovski Eduard Weis und dessen Kindern Franz und Marie. Beide sollten künftig eine grundlegende Rolle in seinem Leben spielen: Marie wurde 1887 seine Frau, Franz sein Geschäftspartner. Zusammen gründeten sie zunächst den kleinen Schmuckbetrieb «Eduard Weis & Co.», der 1886 bereits 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte und an Armand Kosmann in Paris lieferte. Auch Kosmann war eine wichtige Schlüsselfigur, denn er sollte später zum Finanzier der Firmengründung in Wattens avancieren.

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Zeit der industriellen Revolution auf ihrem Höhepunkt. Arbeitsmethoden wurden effektiver und zusehends professionalisiert, aus alten Handwerksberufen entstanden ganze Industriezweige. Eines dieser Traditionshandwerke war das Schleifen von Kristall, für das vor allem Böhmen, seinerzeit Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie, bekannt war. Hochwertiges Glas wurde mit grosser Fingerfertigkeit, allerdings noch mit einfachen Methoden von Hand geschliffen, wobei oft die ganze Familie mithalf. Was zunächst eher in Lustern oder Kerzenleuchtern verwendet wurde, trat in kleiner Brillantform als «unechter Schmuck» – also leistbarer Schmuck oder Modeschmuck – einen Siegeszug durch die grossen Modezentren an, sodass in Böhmen, vor allem in der Gegend um Gablonz, immer mehr Manufakturen entstanden. Eine Entwicklung, von der auch eine gewisse Familie Swarovski aus Georgenthal zu profitieren wusste. Am 24. Oktober 1862 wurde Daniel Swarovski als erstes von vier Kindern in eine traditionsreiche Familie von Glasschleifern geboren. Als junger Mann absolvierte er eine Lehre als Gürtler und erlernte das Handwerk des Kristallschleifens im Betrieb seiner Eltern. Vater Franz Anton Swarovski stand dem heimischen Betrieb, in welchem kleine, handgeschliffene Steine aus Glas und Schmuck zur Verzierung von Broschen, Kämmen oder Hutnadeln gefertigt wurden, vor. Schon früh zeichnete sich Daniel Swarovski durch Geschicklichkeit, insbesondere aber durch seinen Forscherdrang und seine Experimentierfreude mit modernen Techni-

ERFINDUNG DER ELEKTRISCHEN SCHLEIFMASCHINE In der Schmuck- und Modeindustrie bahnte sich eine Revolution an, als Daniel Swarovski zusammen mit Franz Weis in Prag ein Patent für eine «Maschine zum Schleifen von Kristall in Perfektion» anmeldete. Diese war in der Lage, Schmucksteine mit bis dahin unerreichter Präzision zu schleifen. Der Bedarf an Schmucksteinen war in den Jahren zuvor stetig gestiegen und konnte von den bisherigen Produzenten, die die Herstellung neben ihrer eigentlichen Arbeit betrieben, kaum noch bedient werden. Insofern waren die Exporteure begeistert, Produzenten zu finden, die in der Lage waren, grosse Mengen zuverlässig herzustellen und zu liefern. Mit dieser Erfindung begann eine neue Ära der Kristallfertigung. Während Fertigungsprozesse mechanisiert wurden, entstanden zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten, die nicht an Besitz und Boden

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© Robin Broadbent

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Das italienische Schwester-und-Bruder-Duo Coppola e Toppo entwarf 1970 diese prächtige Halskette für Valentino mit drei runden Anhängern mit facettierten Swarovski-Kristallen und vergoldeten Metallperlen.

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© Roger Viollet / Rex

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1907 war der Engländer Charles Frederick Worth, Pionier der Haute Couture, einer der ersten Kunden von Swarovski. Er schmückte seine massgeschneiderten Kreationen mit funkelnden Sternbildern aus Swarovski-Kristallen.

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gebunden waren. Diesem Zeitgeist entsprechend entschlossen sich Daniel Swarovski, sein Partner Franz Weis sowie der Pariser Investor Armand Kosmann, sich in Wattens niederzulassen, um ein Unternehmen zu gründen, das unter dem Namen «Swarovski» Berühmtheit erlangen sollte. Dort angekommen wurde die Produktion rasch aufgenommen, und schon bald versandte man die ersten Schmucksteine nach Paris. Die Kristalle, die man fortan als «Pierres Taillées du Tyrol» kannte, waren wegen ihrer einzigartigen Brillanz, Qualität und Präzision sehr gefragt. DIE GOLDENE ÄRA Es war das Jahrzehnt der «Roaring Twenties» oder «Goldenen Zwanziger», das die Gesellschaft in Bewegung brachte. Die Schrecken des Krieges wurden hinter sich gelassen, und die Menschen in Mitteleuropa hatten wieder Sinn für das Schöne, das leichte Leben, das ausgelassene Tanzen und Feiern. Damit einher ging ein ungeahnter Boom in Wirtschaft und Gesellschaft, der sich nicht zuletzt in der damaligen Mode manifestierte: schillernde Charleston-Kleider, kurze Bubiköpfe, Wasserwellen und glamouröser Modeschmuck als Zeichen von Laissez-faire. Die Anfänge der heute legendären Haute Couture schlugen sich im reissenden Absatz der nachhaltigen, synthetisch kreierten Kristalle der Firma Swarovski nieder. Dank seiner hocheffizienten Schleiftechniken konnte das Unternehmen diese Entwicklung nicht nur problemlos bedienen, sondern auch mit neuen Produkten überraschen und in Märkte wie den amerikanischen expandieren. Es war eine unbeschwerte Zeit für Wattens. Coco Chanel machte Perlen, Elsa Schiaparelli die «Bijouterie» zum Kult – zu beiden Designerinnen pflegte das Unternehmen eine enge Bindung. In diesem bewegten Jahrzehnt findet sich der Grundstein der bis heute bestehenden Verknüpfung von Swarovski und der glanzvollen Welt der Mode. Design­grössen wie Christian Dior oder Pierre Balmain verwandelten Swarovski-Kristall in funkelnde Kreationen und wurden zu engen Partnern in Sachen Gestaltung und Entwicklung. Mit der Traumfabrik Hollywood kam ein weiterer Erfolgsfaktor hinzu: Stars wie Marylin Monroe oder Audrey Hepburn glänzten in kristallbesetzten Kostümen.

Bei der Swarovski Jubiläumskollektion handelt es sich um Neuauflagen der klassischen Stücke in der Farbe Blau.

sich nun die Frage, wie man dem Unternehmen noch mehr Profil verleihen und es in das neue Jahrhundert führen könnte. Als Antwort schritt man nicht nur in Richtung Innovationen für die Modeindustrie immer weiter voran, sondern brachte auch eigene Produktlinien von Lifestyle-Accessoires auf den Markt: Schmuck, Home decor, Lichtdesign, Beauty und Zubehör. In engster Zusammenarbeit mit den grössten DesignerInnen der Welt lancierte man Haute-Couture-Accessoires. Kristall von Swarovski war von nun an der Inbegriff von Schönheit gepaart mit Hightech, Luxus unterstrichen durch Individualität sowie Erneuerung vereinigt mit Moderne. Zurück in der Gegenwart feiert Swarovski dieses Jahr sein 125-jähriges Bestehen mit einer Sonderkollektion. Die Jubiläumskollektion mit Neuinterpretationen kultiger Schmuckstücke, Accessoires und Kristallkreationen in einzigartigen Blautönen von Swarovski zelebriert die einmalige DNA der Marke und ist seit Januar 2020 in den Swarovski Stores, bei ausgewählten Fachhändlern sowie online erhältlich.

DIE MARKE ENTSTEHT Die 1960er waren eine Zeit des Umbruchs: In diesen Jahren trat Swarovski erstmals als Marke auf den Markt. Da nach wie vor Mode die Prestigebranche des Unternehmens war, schaltete man in den grössten französischen Modemagazinen Anzeigen und brachte den bereits bekannten Begriff «Pierres Taillées du Tyrol» –  Synonym für beste Kristallqualität – mit dem Namen «Swarovski» – als einheitliche Wortmarke ausgeschrieben – in Verbindung. Der Gedanke dahinter war der folgende: Bei einem Händler oder einer Händlerin wussten Kunden oder Kundinnen oft nicht, welche Art von Kristall sie kauften. Nun war es ihnen möglich, gezielt nach dem qualitativ hochwertigen Kristall aus Tirol zu verlangen. ZEIT FÜR DESIGN Ein Jahrhundert war vergangen, seit Daniel Swarovski mit seinen Partnern das Unternehmen Swarovski gegründet hatte – inzwischen war es zu einem internationalen Konzern angewachsen, der noch immer fest in kompetenter Familienhand lag. In den 1990er Jahren stellte

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Uhr-Zeiten des Wandels Autor_Gisbert L. Brunner

ZUM WESEN DER ZEIT GEHÖRT WANDEL SEIT MENSCHENGEDENKEN. 2020 ÄNDERT SICH DIE MESSELANDSCHAFT VOR ALLEM HINSICHTLICH DER TERMINE ENDE APRIL UND ANFANG MAI. GLEICHWOHL PRÄSENTIEREN EINIGE MARKEN UND MANUFAKTUREN SCHON JETZT INTERESSANTE NEUHEITEN.

Bis 2019 fanden der Genfer Uhrensalon SIHH Mitte Januar und das Pendant Baselworld traditionsgemäss Ende März statt. Die Ankündigung der Swatch Group, dem Messeereignis am Rhein ab 2019 fernbleiben zu wollen, brachte Bewegung in die Szene. Für 2020 kündigten unter anderen auch Breitling und Seiko ihren Exodus an. Summa summarum vermeldete die Baselworld während der vergangenen zehn Jahre den Verlust von rund 1500 Ausstellern. Im laufenden Jahr werden nur noch rund 600 Marken ihre Produkte zeigen. Wandel ist jedoch auch an der Rhône angesagt. Nicht mehr mit von der Partie sein werden 2020 Audemars Piguet und Richard Mille. Der Aufwand, internationale Kunden und Pressevertreter innerhalb weniger Monate zwei Mal in die Schweiz reisen zu lassen, führte zu einer terminlichen Neuorientierung. Vom 26. bis 29. April geht der in Watches & Wonders umgetaufte SIHH über die Bühne. Die Publikumsmesse Baselworld 2020 beginnt vier Tage später am 30. April. Sie endet am 5. Mai. So lange mochte der französische Luxusmulti LVMH mit seinen Marken Bulgari, Hublot, TAG Heuer und Zenith nicht warten. Obwohl das Quartett neben Rolex, Patek Philippe, Chopard und Tudor zu den Stars der bevorstehenden Baselworld gehören wird, lud es Mitte Januar erstmals zur Dubai Watch Week. Ob dieses Event künftig die Teilnahme an der Baselworld ersetzt, ist gegenwärtig noch offen. Weil es keinen Gruppenzwang geben soll, entscheidet jede Marke autonom über ihre diesbezüglichen Aktivitäten. Angesichts der späten Messetermine im Jahr 2020 agieren viele Uhrenmarken mit der Vorstellung echter Neuheiten vorerst verhalten. Es bleibt also spannend. Beim römischen Nobeljuwelier Bulgari reichen die Wurzeln der Uhrenlinie «Serpenti» bis in die späten 1930er Jahre zurück. Besonders signifikant: das Gehäuse in Gestalt eines Schlangen­ kopfs und ein flexibles Armband, welches sich mehrfach ums Handgelenk windet. Speziell letztgenanntes Gestaltungsmerkmal zieht einerseits zwar die Blicke magisch auf sich, vermag andererseits aber nicht alle Frauen zu überzeugen. Ein Grund für die reservierte Haltung ist darin zu sehen, dass die klassische «Serpenti»

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niker den Auftrag, eines der erfolgreichsten Hublot-Kaliber, das aus 223 Teilen bestehende HUB 1201, formgerecht umzugestalten. Herausgekommen ist das HUB 1233. Nichts geändert hat sich am signifikanten Look, der an Metallbaukästen von Märklin, Meccano oder Trix erinnert. Gelochte und verschraubte Stangen sind also auch dem neuen Form-Handaufzugswerk mit beachtlichen zehn Tagen Gangautonomie zu eigen. Für ein Exemplar benötigen die Uhrmacher nun 228 Komponenten. Die durchbrochene Werksstruktur und ein Verzicht auf das übliche Zifferblatt gestatten links einen Blick auf den mit drei Hertz schwingenden Gangregler. Unmittelbar darüber dreht ein kleiner Sekundenzeiger. Rechts, bei «3» findet sich eine ungewöhnlich gestaltete Gangreserveanzeige, die zudem auch noch eine Zahnstange unterhalb der «12» bewegt. Nach dem Umdrehen des satinierten, 45 Millimeter grossen und 14,45 Millimeter hoch bauenden Titangehäuses zeigen sich zwei Federhäuser mit Einblick. Der Tradition folgend besteht das Armband aus schwarzem Kautschuk. Wasser hält die Schale bis zu fünf bar Druck vom Manufaktur-Uhrwerk fern. Carrera heisst auf gut Deutsch nichts anderes als Wettrennen. Auto-Liebhaber denken bei diesem faszinierenden Wort spontan an den legendären Porsche 911. In der Uhrenwelt präsentierte Heuer 1963 seinen ersten «Carrera»-Chronographen. Den klangvollen, auf die berühmt-berüchtigte Rallye «Carrera Panamericana» zurückgehenden Namen hatte Jack W. Heuer während der 12 Stunden von Sebring aufgeschnappt. Ausgesprochen vom einschlägig erfahrenen Rennfahrer Pedro Rodriguez. Beim entsprechend getauften Armbandstopper hatte der agile Firmenchef die schräge innere Fläche des metallenen Plexiglas-Armierungsrings erstmals mit der Sekundenskala für den Chronographenzeiger bedrucken lassen. So vergrösserte sich das Zifferblatt um beinahe zwei Millimeter. Etwas tiefer gesetzte Felder für Permanentsekunde und Totalisatoren bescherten eindrucksvolle Dreidimensionalität. In

perfekt zum Ausgehen, aber eher weniger für den Alltagsgebrauch taugt. Nicht zuletzt deshalb hat Bulgari die «Serpenti Seduttori» aus der Taufe gehoben. Durch das Festhalten an der markanten Gehäuseform bleibt der hohe Wiedererkennungswert erhalten. Die Befestigung am Handgelenk erfolgt jedoch mithilfe eines klassischen Glieder- oder Lederbands. Der erfolgreichen Superlative-Philosophie folgend, haben die Uhrmacher für diese Armbanduhr das Handaufzugskaliber BVL 150 entwickelt. Es misst 22 x 18 Millimeter und baut gerade einmal 3,65 Millimeter hoch. Durch seine Form nutzt es den Innenraum der 34 Millimeter breiten und bis drei bar wasserdichten Roségoldschale optimal aus. Die Besonderheit der mit drei Hertz tickenden Mikromechanik besteht in einem Minutentourbillon. Selbiges dreht in einem kreisrunden Ausschnitt des vollständig mit runden BrillantschliffDiamanten ausgefassten Zifferblatts, vor dem zwei Zeiger die Stunden und Minuten darstellen. Perfekten Durchblick gestattet die Verwendung von Saphirglas zur Lagerung des filigranen Drehgangs, in dem die Unruh mit drei Hertz oszilliert. Nach manuellem Vollaufzug läuft das gegenwärtig kleinste Uhrwerk mit Tourbillon rund 40 Stunden am Stück. Den Komfort des Armbands aus ­Alligatorleder erhöht eine massivgoldene Faltschliesse. Zweifellos wird die neue «Spirit of Big Bang Meca-10» bei vielen das Kind im Manne wecken. Und das ist von Hublot auch voll beabsichtigt. In der 1980 gegründeten Manufaktur feiert das Erfolgsmodell «Big Bang» 2020 seinen 15. Geburtstag. In dieser Armbanduhr lebt das von Jean-Claude Biver schon 2005 postulierte Fusionsprinzip. Genau das geschieht auch bei der Evolutionsstufe «Spirit of Big Bang». Trotz des tonneauförmigen Gehäuses ist deren Provenienz unübersehbar. Natürlich könnte Hublot die markanten Schalen mit existenten runden Uhrwerken füllen. Das jedoch würde einmal die Proportionen stören und andererseits den verfügbaren Platz unzureichend nutzen. Daher erhielten die Tech-

SERPENTI SEDUTTORI

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tralen Stoppzeiger gestattet die äussere Tachymeterskala das Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen Kilometer hinweg. Die beiden Totalisatoren reichen bis 30 Minuten und 12 Stunden. Anstelle der heute nicht mehr zulässigen Tritium-­ ­Leuchtmasse kommt jetzt allerdings solche aus Super-LumiNova zum Einsatz. Weiterer Tribut an die Vergangenheit ist ein massiver Schraubboden. Somit blüht die Manufaktur-Automatik 400 im Verborgenen. Die Hommage an vergangene Zeiten perfektioniert das stählerne, einst von den Gay Frères produzierte Gliederband im Leiter-Stil. Will heissen: Die Reihe der mittleren Bandglieder ist nicht geschlossen. Armbanduhren mit Chronographen gibt es beinahe unendlich viele. Die Steigerungsform normaler Zeitmesser mit integrierter Stoppfunktion sind solche mit zusätzlichem Schlepp- oder Einholzeiger. Den Chronograph-Rattrapante zeichnen zwei konzentrisch in der Mitte des Zifferblatts drehende Sekunden-­Stoppzeiger aus. Einer davon wird, wie der Name erkennen lässt, permanent vom eigentlichen Chronographenzeiger «mitgeschleppt». Zum Erfassen von Zwischenzeiten lässt er sich unabhängig anhalten und nach dem Ablesen wieder synchronisieren. Zudem lassen sich die Resultate zweier Wettkämpfer vergleichen, indem man erst den Schlepp- und danach den Chronographenzeiger stoppt. Dieses Leistungsspektrum gehört zu den Merkmalen des Manufakturkalibers B03 von Breitling. Es basiert auf dem bekannten B01 mit Rotoraufzug, 70 Stunden Gangautonomie, vier Hertz Unruhfrequenz, Schaltradsteuerung und Vertikalkupplung. Unter dem Zifferblatt montieren die Uhrmacher den patentierten Rattrapante-Mechanismus mit zweitem Schaltrad und Zange. Das einzigartige Doppelzeigerrad trägt einen O-Ring aus Nitrilkautschuk (NBR), dessen Reibungskoeffizient die übliche Verzahnung obsolet macht. Ein Isolator bewirkt die energiesparende Trennung des angehaltenen Schleppzeigers vom weiterlaufenden

der 36 Millimeter grossen «Carrera 12» glänzte ein Handaufzugswerk vom Kaliber Valjoux 72. An diesen Klassiker erinnert 2020 die neue TAG Heuer «Carrera 160 Years Silver Limited Edition». Ausserdem erweist sie der bewegten Firmengeschichte ihre Reve­ renz. Mit Blick auf das Jahr der Firmengründung gibt es insgesamt 1860 Exemplare. Die heutige Werkekompetenz unterstreicht das hauseigene Schaltradkaliber Heuer 02 mit Selbstaufzug durch einen Kugellagerrotor. Als einzige Bauteile des Stoppmechanismus sind das Schaltrad zur Steuerung der Funktionen und die Chronographenbrücke mit der Grundplatine verschraubt. Alle anderen Komponenten werden lediglich zusammengesteckt oder eingehängt. Die Verbindung zwischen dem mit vier Hertz tickenden Uhrwerk und dem Stopper stellt eine ruckfrei agierende Friktionskupplung her. Zenith und «El Primero» sind so etwas wie Synonyme. Bei der 1855 im hoch gelegenen Le Locle gegründeten Manufaktur stand das Jahr 1969 im Zeichen des weltweit ersten Automatikchronographen mit Kugellagerrotor, Schaltradsteuerung, klassischer Horizontalkupplung und, als echtes Alleinstellungsmerkmal, fünf Hertz Unruhfrequenz für präzise Zehntelsekunden-Stoppungen. Der Name «El Primero», auf gut Deutsch «der Erste», kam vor 51 Jahren also nicht von ungefähr. Die Quarzrevolution in den 1970er Jahren bescherte diesem Uhrwerk eine unfreiwillige Ruhepause. Vor gut 30 Jahren startete die Produktion erneut. Seitdem ist das auf seine Weise legendäre Uhrwerk fester Bestandteil des Zenith-Portfolios. Ans Jahr 1969 und den ersten Auftritt erinnert die «El Primero A384 Revival». A384 meint dabei jene Referenzbezeichnung, welche Zenith seinerzeit verwendete. Zur Gewährleistung eines authentischen Comebacks entstand eine detailgetreue Kopie des Damaligen. In diesem Sinne misst die stählerne Schale moderate 37 Millimeter. Geblieben ist auch das Zifferblatt im sogenannten Pandalook. Zusammen mit dem zen-

NAVITIMER B03 CHRONOGRAPH RATTRAPANTE 45

EL PRIMERO A384 REVIVAL

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Sekundenzeiger. Doch damit nicht genug. Durch die speziell verzahnten Umfänge greift das Doppel während des kompletten Bewegungsablaufs fest ineinander. Dass Zahnräder nicht zwangsläufig rund sein müssen, hatte die Manufaktur erstmals 2010 beim rasch ausverkauften Modell «Roue Carrée» bewiesen. Das rotierende Schauspiel mit einem quadratischen Zahnrad war der Schweizer Fachhochschule in Le Locle und Michel Vermot als Leiter der Entwicklungsabteilung für Uhrwerke bei Maurice Lacroix zu verdanken. Auf den gleichen Konstruktionsprinzipien basiert auch die durchaus verblüffende Damenarmbanduhr. Mit von der Partie bei den «umarmten Herzen» ist ein retrogrades Zeigerdatum bei «5». Bedingt durch die Punkt-Indexierung gestaltet sich dessen Ablesbarkeit jedoch nicht ganz leicht. Im Sichtboden-Stahlgehäuse mit 40 Millimeter Durchmesser findet sich das Automatikkaliber ML 258. Dabei handelt es sich um das bewährte Sellita SW200, welches auf seiner Vorderseite ein exklusives Modul trägt. Die Wasserdichte reicht bis zu zehn bar Druck. Nach vierjähriger Pause findet 2020 wieder eine «Vendée Globe» statt. Diese Regatta gehört zu den härtesten überhaupt. Als offizieller Zeitnehmer und Sponsor engagiert sich erstmals Ulysse Nardin. Mit Blick auf das seglerische Ausnahmeereignis präsentiert die Schweizer Traditionsmanufaktur drei hoch belastbare Taucher-Armbanduhren. Jedes der mit fünfjähriger Garantie ausgestatteten «Diver X»-Modelle ist auf nur 30 Exemplare limitiert. Dem abgelegensten Ort der Erde widmet sich die 44 Millimeter grosse «Nemo Point». Geographisch befindet sich der erst 1992 entdeckte Punkt mit den Koordinaten S48°52.6’ und W123°23.6’ zwischen Chile und Neuseeland. Das nächste Land in Gestalt der Inseln Ducie, Motu Nui und Maher ist jeweils genau 2688 Kilometer entfernt. Logischerweise werden spätestens jetzt Erinnerungen an Captain Nemo, die Figur aus dem Roman «20’000 Meilen unter dem Meer» von Jules Verne, wach. Wegen der unendlichen Weiten des Meeres rund um den Nemo Point und des Beinamens «Pazifischer Pol der Unzugänglichkeit» spielt die Farbe Blau bei dieser Armbanduhr eine wichtige Rolle. Die bis 300 Meter wasserdichte Schraubkronenschale mit einseitig rastender Drehlünette und massivem Boden besteht aus Titan. UN-118 nennt sich das im Gehäuseinneren verbaute Manufakturkaliber mit Kugellagerrotor-Selbstaufzug, einem Federhaus, 60 Stunden Gangautonomie, Gangreserveanzeige bei «12» und Fensterdatum. Als Silizium-Pionier verwendet Ulysse Nardin diesen amagnetischen Werkstoff

Chronographenmechanismus. Dieses komplexe Uhrwerk beseelt nun auch eine Top-Version der absoluten Breitling-Ikone. Der neue «Navitimer B03 Chronograph Rattrapante 45» besitzt ein 45 Millimeter grosses Rotgoldgehäuse, ein stratosgraues Zifferblatt und die modelltypische Rechenscheibe. Uhren mit Goldgehäuse gehören bei Oris nicht zum Standardprogramm. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. In diesem besonderen Fall dient die «Carysfort Reef Limited Edition» aber auch einem guten Zweck. Wie der Modellname zu verstehen gibt, geht es um das Carysfort-Riff in Kalifornien und die dortigen Korallen. Um deren Erhalt kümmert sich die «Coral Restoration Foundation» als eine der weltweit führenden Stiftungen auf diesem Gebiet. Seit 2014 kooperiert Oris mit der gemeinnützigen Organisation. Im Fall dieses tickenden Goldstücks unterstützt die Schweizer Traditionsmanufaktur das Engagement durch insgesamt drei Exemplare der auf insgesamt 50 Stück limitierten Edition. Um einen höchstmöglichen Betrag erzielen zu können, gelangen die Nummern 02 / 50, 03 / 50 und 04 / 50 im Rahmen mehrerer Veranstaltungen zur Versteigerung. Alle Termine finden im Frühjahr 2020 statt. Der Rest steht logischerweise zum freien Verkauf. Fürs Geld gibt es eine Taucher-Armbanduhr mit blauem Zifferblatt. Ihre gelbgoldene Schale mit massivgoldener Schraubkrone widersteht dem Druck des nassen Elements bis zu 30 bar. Folglich können die stolzen Besitzerinnen und Besitzer rein theoretisch bis zu 300 Meter in die Tiefen der Ozeane hinabtauchen. Die unter Wasser besonders wertvolle Zeit bewahrt ein zuverlässiges Automatikwerk vom Kaliber Oris 798. Als Basis dient ein Sellita SW 330-1 mit 42 Stunden Gangautonomie. Neben den üblichen Zeigern für Stunden, Minuten und Sekunden rotiert im Zentrum noch ein vierter. Er bewegt sich während eines Tages um 360 Grad und lässt sich unabhängig vom Minutenzeiger in Stundenschritten verstellen. Der Boden des 43,5 Millimeter grossen Gehäuses trägt eine Plakette. Neben der Limitierungsnummer zeigt sie das gefährdete Carysfort-Riff, zu dessen Erhalt diese Armbanduhr einen Beitrag leistet. Maurice Lacroix zeigte erste Neuheiten schon Mitte Februar im Rahmen der Fachmesse Inhorgenta. In München wandte sich die Marke einmal mehr ans weibliche Geschlecht. Die «Masterpiece Embrace» dürfte freilich auch Männer in ihren Bann ziehen. Vor dem blauen Aventurin-Zifferblatt drehen gleich zwei Herzen sozusagen im Minutentakt. Das bei «9» ersetzt dabei den üblichen

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CARYSFORT REEF LIMITED EDITION

NEMO POINT

MASTERPIECE EMBRACE

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Alles-oder-nichts-Sicherung. Die Qualität der Konstruktion und handwerklichen Ausführung sowie die hohe Ganggenauigkeit stellt das anspruchsvolle Genfer Siegel unter Beweis. Philosophisch angehauchter Zeitmessung verschrieb sich MeisterSinger seit der Gründung im Jahr 2001. Will heis­sen: Die vorgestellten Armbanduhren besitzen keinen Minuten-, sondern nur einen Stundenzeiger. Gleichwohl lässt sich die Zeit dank spezieller Indexierung auf fünf Minuten genau ablesen. Zu den Neuheiten des Jahres 2020 gehört die «Astroscope» mit noch nie dagewesener Indikation der sieben Wochentage. Bekanntlich folgt diese Zeitspanne keinem astronomischen Rhythmus. Vielmehr basiert sie unter anderem auf der babylonischen Mythologie. Dort war, wie bei anderen Völkern auch, die Zahl 7 besonders heilig. Sie verknüpfte sich nämlich mit den Himmelskörpern Sonne, Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn. Ihre Namen sind von römischen Göttern abgeleitet. Dagegen basiert die Benennung der Wochentage auf der nordischen Mythologie. Aber auch dort spielten die Himmelskörper eine entscheidende Rolle. Beredte Beispiele sind Montag und Mond sowie Sonntag und Sonne. Darüber hinaus stellt das «Astroscope» mit den Planeten Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn die Wochentage dar. Allerdings nicht in der tradierten Weise, sondern scheinbar unlogisch pendelnd. Gleichwohl folgt das hier angewandte System einer vorgegebenen astronomischen Konstellation. Selbige spiegelt die mit mehreren Punkten bedruckte Scheibe wider, welche sich unter dem Zifferblatt im Laufe einer Woche um 360 Bogengrade dreht. Als Antrieb dient das zuverlässige Automatik-Basiskaliber Sellita SW220. Bei «6» besitzt die 40 Millimeter grosse und bis fünf bar wasserdichte Edelstahl-Armbanduhr auch noch ein Datumsfenster.

für Anker, Ankerrad und Unruhspirale. Eine nano-kristalline Diamantschicht zeichnet die Hemmungsteile vom Typ «DiamonSil» zusätzlich aus. Somit besitzen sie beinahe die Eigenschaften des härtesten aller Werkstoffe. Mit Fug und Recht kann Roger Dubuis als Pionier der durchbrochen konstruierten Uhrwerke gelten. Beim Blick in die Archive zeigt sich, dass die Kompetenz des traditionellen Skelettierens zurückreicht bis ins Jahr 2005. Drei Jahre später präsentierte die Manufaktur das erste Kaliber, dessen transparente Struktur am Reissbrett entstand. Ein Jahr später folgte das, was Uhrenliebhaber als «Excalibur Spider» kennen. Neben der eindrucksvollen Spinnennetz-Bauweise gehören beim Genfer Mitglied des Richemont-Konzerns auch Tourbillons zum guten Ton. Apropos Ton: Klangvoller Auftritt gehört zu den Merkmalen der neuen «Excalibur Spider Unique Series, Referenz RDDBEX0862.» In der gezeigten Farbkombination wird es diese Armbanduhr mit 47 Millimeter grossem Karbon-Aussengehäuse nur ein einziges Mal geben. Alternativen sind nicht ausgeschlossen. Den Schutz des aus 558 Teilen «komponierten» Manufakturkalibers RD107 mit «fliegendem» Tourbillon, gleich zwei Mikrorotoren, 72 Stunden Gangautonomie und bis zu fünf bar Wasserdruck gewährleistet ein zusätzlicher Titan-Container. Beide Werkstoffe unterstreichen die vorzügliche Akustik des ebenfalls integrierten Repetitionsschlagwerks. Nach Betätigung des Drückers im linken Gehäuserand tut es die aktuelle Zeit minutengenau kund. Zunächst die Anzahl der Stunden, danach bis zu drei Viertelstunden und schliesslich auch noch jene der zusätzlich verstrichenen Minuten. Eine spezielle Materiallegierung lässt die von Hämmern angeschlagenen Tonfedern besonders lautstark in Erscheinung treten. Fehlerhaftes Schlagen unterbindet eine

EXCALIBUR SPIDER

ASTROSCOPE

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NEW VANTAGE ROADSTER

Eine umwerfende Silhouette. Luxuriöse Eleganz in Handarbeit. Perfektion bis ins kleines Detail. Atemberaubende Sportlichkeit. Der Aston Martin Vantage Roadster ist die Verkörperung von Leidenschaft und Perfomance in einem Cabrio, das absolute Höchstleistung mit britischem Understatement verbindet. Der 4,0-Liter-Biturbo-V8-Motor mit 510 PS Leistung und 685 Newton meter Drehmoment schafft es in 3,8 Sekunden von 0 auf 100km / h und lässt damit die offene Gran-Turismo-Kultur wieder aufl eben. Angaben zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen sowie Effizienzklasse werden zur Markteinführung mitgeteilt.

Emil Frey AG, Aston Martin Zürich, 8152 Opfikon | 044 496 80 80 | zurich.astonmartindealers.com 99


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TRENDS

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HARRY WINSTON

Das Winston Cluster ist eines der begehrtesten und kultigsten Schmuck­d esigns und die ultimative Verkörperung von zeitlosem Glamour und unüber­t reff lichem Stil. Diese exquisiten Ohrringe bestehen aus sechs Diamanten im Tropfenschliff und vier Diamanten im Marquiseschliff mit einem Gesamtgewicht von circa 4,59 Karat. Die Diamanten sind in Platin gefasst.

AL CORO

Weissgoldene Ohrringe aus der «Serenata-Kollektion» mit 1,12 Karat Brillanten. Die Kollektion lebt von in sich verschmelzenden Diamantreihen, die einprägsame Schmuckstücke mit unvergleichlichem Funkeln erschaffen.

BUCCELLATI

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Im Zentrum dieses «Lapillo-Armbands» steht der mit gelbgoldenen Akzenten umgebene Turmalin. Das Armband um den Edelstein ist mit Rigato-Gravuren und Ornato-Akzenten versehen.

by

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PIAGET

Die «Treasures Collection» verkörpert Piagets Versprechen ewiger Eleganz. Die weissgoldene Halskette ist besetzt mit Diamanten im Brillantsowie Marquiseschliff und einem Smaragd im Stufenschliff.

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BEDÜRFNISSE GEKONNT INSZENIERT BE at HOME entdeckt Ihre ganz eige­ ne Linie und setzt diese gekonnt als individuelle Einrichtungswelt um. Im Wohnbereich wie im Geschäftsumfeld. So entstehen mit viel Leidenschaft und hohem professionellem Engage­ ment einzigartige Stimmungen mit persönlicher Atmosphäre. Oder kurz: «HAUTE COUTURE IM EINRICHTEN.» Möchten Sie mehr über uns erfah­ ren? Besuchen Sie uns im Web unter be-at-home.ch oder lernen Sie uns persönlich kennen: +41 44 253 22 00.


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BIG BANG INTEGRAL

EINE ABSOLUTE PRODUKTNEUHEIT: DIE ERSTE BIG BANG MIT INTEGRIERTEM ARMBAND! 15 JAHRE NACH IHRER LANCIERUNG VERFÜGT DIE BIG BANG ÜBER IHR ERSTES INTEGRIERTES METALLARMBAND, BEI DEM DAS ERSTE GLIED MIT DEM GEHÄUSE FEST VERBUNDEN IST. DAS BEDINGT EIN NEU GESTALTETES GEHÄUSE – MIT DEN FÜR HUBLOT UNVERKENNBAREN MERKMALEN: EINZIGARTIG UND ANDERS. EIN AUSSERGEWÖHNLICHES KUNSTWERK MIT EINER VERSCHMELZENDEN ARCHITEKTUR; EINE FUSION VON TECHNOLOGIE UND STIL FÜR DAS HANDGELENK. EINE UHR, WELCHE DIE QUINTESSENZ VON HUBLOT VERKÖRPERT, MIT IKONISCHER SCHWARZER KERAMIK, KING GOLD ODER TITAN. DREI MODELLE, DARUNTER EINE AUF 500 EXEMPLARE LIMITIERTE ALL-BLACK-VERSION, DIE DEM 2006 EINGEFÜHRTEN KONZEPT DER «UNSICHTBAREN SICHTBARKEIT» GEWIDMET IST.

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Autorin_Swenja Willms Bilder_Hublot

15 Jahre Big Bang und eine Premiere. Ein vollständig integriertes Armband und ein überarbeitetes Gehäuse für einen neuen Kundenkreis. Die Big Bang Integral mit ihrer «monoblockartigen» Architektur katapultiert die Modellreihe in ein neues Universum.

15 JAHRE BIG BANG Die 2005 auf der Baselworld erstmalig vorgestellte Big Bang, eine Fusion von Stahl, Keramik und Kautschuk, führte die Kunst der Fusion und das ikonische Design ein – ein riesengrosser Erfolg für Hublot. 2020, zu ihrem 15-jährigen Jubiläum, zeigt sich die Big Bang erstmals mit einem massgefertigten integrierten Armband, das perfekt auf sie zugeschnitten ist. So gut, dass man den Eindruck gewinnt, die Big Bang Integral habe es schon immer so gegeben: eine visuelle Harmonie dank perfekter Proportionen. Ein einzigartiges Armband, das keinem anderen gleicht. Der ausdrucksstarke, unverkennbare Look, der zweifellos umgehend mit der Big Bang in Verbindung gebracht wird. Drei Glieder, eines in der Mitte und zwei daneben – bis hier ist alles wie üblich. Aber dann greift der scharfkantige Stil die Merkmale des Gehäuses auf: Die Kanten erinnern nicht nur an das Design der Drücker, sondern auch an das Mittelstück mit seinen Cutouts. Die polierten und satinierten Oberflächen sowie die Kanten und Abschrägungen der Glieder erzeugen die gleiche Wirkung von Tiefe und Kontrast zwischen Gehäuse und Lünette. Natürlich geht mit dem neu integrierten Armband auch ein neu gestaltetes Gehäuse einher. Während Zifferblatt und Lünette wie bei dem bisherigen 42-Millimeter-Modell der Big Bang gestaltet sind – mit Ausnahme der Indizes anstelle der arabischen Ziffern –, greifen die Drücker die Merkmale des Originalmodells von 2005 auf. Diese Drücker sind es, die den Stil des Armbandes inspiriert haben, mit ihrem Wechselspiel von Kanten und Abschrägungen und den abwechselnd polierten und satinierten Oberflächen, die die Uhr vom Gehäuse bis hin zum Armband durchziehen. Die Big Bang Integral behält ihre ikonische «Sandwich»-Konstruktion bei, diesmal jedoch ohne Einsatz von Verbundkunstharz. Die Uhr ist vollständig aus dem gleichen Material gefertigt: Titan, King Gold oder Keramik. Ausnahmen bilden nur die «Oreilles» aus schwarzem Verbundkunstharz und die mit Kautschuk überzogene Krone. Diese Kollektion ist in drei Materialien erhältlich, welche untrennbar mit der Geschichte von Hublot verbunden sind. So zeichnet sie sich durch die Leichtigkeit von Titan, die Beständigkeit und Kratzfestigkeit von Keramik (500 Exemplare) und King Gold aus, eine einzigartige Legierung aus Gold, Kupfer und Platin, die zu einem intensiv roten 18-Karat-Gold wird und exklusiv nur bei Hublot verwendet wird.

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MO TION MOT ION 104


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NEW BENTLEY CONTINENTAL GTC PRESTIGE

BRITISH OPEN AIR FEELING

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Autor_Patrick Frey Bilder_Bentley Motors Ltd.


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GIBT ES EIN EDLERES UND STILVOLLERES ­CABRIOLET ALS DEN NEUEN BENTLEY GT CONVERTIBLE? MITNICHTEN. DIE DRITTE GENERATION DES G ­ TC BIETET WIEDER EIN TECHNISCH GEHOBENES FRISCHLUFTVERGNÜGEN DER FEINEN ­E­NGLISCHEN ART. INDEED! Schon das geschlossene Coupé verzückte bei seiner Premiere an der IAA 2017 Publikum, Fachpresse und Kunden gleichermassen, legte es doch die Messlatte im Segment der Luxus-Gran-Turismo ein gutes Stück höher. Rechtzeitig zum 100. Geburtstag der Marke folgte in diesem Jahr die Markteinführung der offenen Version – des Bentley GT Convertible (oder kurz GTC). Das elegante Karosserie-Design schmeichelt dem Auge – das Profil des Cabriolets ist länger und niedriger als das des Vorgängermodells. Und in nur 19 Sekunden öffnet und schliesst sich das Dach, selbst bei vollem Tempo innerorts (also bis 50 km / h). Für das Verdeck stehen sieben unterschiedliche Farben zur Wahl, darunter erstmals auch ein authentisches Tweed-Material – how fabulous! Doch besonders wird ein Bentley durch sein exquisit handgefertigtes Interieur. Material- und Lifestyle-Optionen stehen in praktisch unbegrenzter Auswahl zur Verfügung. Die Standardpalette allein umfasst 17 Lackfarben, weitere 70 Farbtöne erweitern das Spektrum. Zudem gibt es 15 luxuriöse Teppichvarianten, acht verschiedene handverarbeitete Holzfurniere (mit weiteren vier Optionen für Kombinationen untereinander) und 15 Lederoptionen

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für die Innenraumverkleidung. Mit an Bord sind natürlich auch die bereits aus dem Coupé bekannte, voll digitale und fahrerorientierte Instrumententafel sowie das einzigartige Bentley Rotating Display, das wahlweise einen grosszügigen 12,3-Touchscreen, eine reine Furnierfläche oder drei edle Analoginstrumente anzeigt. Ein Bentley wäre kein Bentley, hätte er nicht ausreichend Dampf unter der Haube. Die 635 PS des 6,0-Liter-W12-TSI-Motors (mit Zylinderabschaltung) werden über ein Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe an den neuen Allradantrieb übertragen. Dank seinem maximalen Drehmoment von 900 Nm erreicht der GT Convertible 100 km / h nach 3,8 Sekunden und hört mit der Beschleunigung erst bei 333 km / h auf. Ein weiteres technisches Highlight ist die 48-Volt-Architektur, die eine blitzschnelle Wankstabilisierung für eine konkurrenzlose Fahrzeugkontrolle ermöglicht. Die Dämpferregelung verändert in Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Untergrund die Luftmenge in der Luftfederung und balanciert so optimal zwischen Komfort und Handling. Drei wählbare Fahrmodi ändern die Einstellungen von Aufhängung, Motor, Getriebe und anderen Fahrwerksystemen. Zudem kann der Fahrer individuelle Dynamikeinstellungen festlegen. Überarbeitet wurde auch die nahtlos in die beheizten Komfortsitze integrierte Nackenheizung, die sowohl wärmer als auch leiser geworden ist. Kombiniert mit dem beheizten Lenkrad, der Sitzheizung und den neuen beheizten Armlehnen sorgen diese Komfortfunktionen für ein luxuriöses Open-Air-Vergnügen zu jeder Jahreszeit – ab 267’100 Franken auch in der Schweiz.


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Autodesign im Wandel der Zeit AUF DEM WEG IN DIE ZUKUNFT WIRD DIE FORMGEBUNG DES AUTOS IMMER REIZVOLLER. UND WENN DIE AUTODESIGNER EINEN BLICK IN IHRE GLASKUGEL WERFEN, UM DAS AUTODESIGN DER ZUKUNFT ZU SICHTEN, WERDEN SIE EINDEUTIG MEHR ALS NUR EIN LENKRAD, EINE MOTORHAUBE UND EINEN AUSPUFF AM HECK ERBLICKEN.

Autorin_Lone K. Halvorsen Bilder_BMW

Fahrzeugdesign war schon immer ein evolutionärer Prozess, und kaum eine Erfindung hat die letzten 130 Jahre mehr geprägt als das Auto. Das Auto hat nicht nur eine technische Geschichte geschrieben, sondern mit seiner Form und Ausstattung auch Designgeschichte. Was in der Anfangszeit Ähnlichkeiten mit einer Pferdekutsche hatte, bestimmt gegenwärtig auch den emotionalen Faktor beim Kauf, denn hier zählen nicht nur die inneren Werte. Und war früher das Schönheitsideal eines Autos eckig und kantig, gilt heute die geschwungene Formsprache als das Mass aller Dinge. DESIGN BEWEGT Beim BMW Design Talk 2019 in Zürich trafen sich die vier renommierten Persönlichkeiten Christopher Weil (Head of BMW Exterior Design), Alfredo Häberli (bedeutender Schweizer Designer), Paul de Courtois (CEA der BMW Group Switzerland) und Heiko Nieder (Chef The Restaurant im Hotel The Dolder Grand), um sich gemeinsam die Frage zu stellen, wie Design und moderner Luxus auf kontroverse Art und Weise interpretiert werden können. Hat das Design eines Autos Parallelitäten mit der Gestaltung eines Gerichtes oder gar mit dem Entwurf eines Möbelstücks? Die Ähnlichkeiten liegen für Paul de Courtois auf der Hand: «Es geht um das beste Produkt, Handwerkskunst und einmalige Erlebnisse.» Ob für einen kurzen vergänglichen Moment in der Haute Cuisine oder eine unvergängliche Autoikone: Tatsache ist: Design begleitet uns in jeglichem Lebensbereich, sei es das Auto, welches uns von A nach B fährt, der formvollendete Teller in der Spitzengastronomie oder ein exzellenter Stuhl. Heiko Nieder trifft es auf den Punkt: «Es geht immer um den guten Geschmack.» PRESTIGE sprach mit dem Autodesigner Christopher Weil über seine grosse Leidenschaft für Autos. PRESTIGE: Herr Weil, als Head of Exterior Design bei BMW sind Sie massgeblich für den Erfolg der Marke BMW verantwortlich. Wie geht man an ein solches Projekt heran? CHRISTOPHER WEIL: mit viel Enthusiasmus! Die Verantwortung ist enorm, aber auch die Freude darüber, die Zukunft von BMW massgeblich mitzugestalten. Automobildesign ist meine grosse Leidenschaft. Wie würden Sie die BMW-Designsprache kurz erläutern? Ein BMW wird über wenige, präzise gesetzte Linien und gespannte, muskulöse, sehr emotionale Flächen definiert. Die Designsprache wirkt immer sehr dynamisch, aber auch ausgesprochen elegant. Dies gilt auch in Zukunft, auch wenn wir die Formsprache deutlich weiterentwickeln. Die ikonischen Merkmale werden wir beibehalten und immer wieder aus Neue zukunftsweisend interpretieren. Von der ersten Skizze bis zum Serienstart – wie viele Jahre dauert dieser Designprozess? Der Designprozess dauert in der Regel intensive vier Jahre von der ersten Skizze bis zum fertigen Serienfahrzeug. Im Laufe des Designprozesses feilen wir bei jeder Stufe am Entwurf und verschieben immer wieder die Grenzen des Machbaren. Ich bin der Überzeugung, dass ein BMW eine so grosse Faszination auf den Fahrer ausübt, da dieser spürt, dass alles bis ins letzte Detail durchdacht ist.

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In sieben Schritten zum Auto von morgen.

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Trends, respektive Designs, verändern sich im Laufe der Zeit. Wie können Sie als Designer vorausahnen, was in der Welt der Automobile von morgen zeitgemäss sein wird? Wir beobachten Zukunftstrends und -technologien intensiv. Da wir immer drei bis vier Jahre in der Zukunft arbeiten, können wir die Trends antizipieren. Wir arbeiten daran, auch zukünftig Massstäbe im Automobildesign zu setzen und dabei die charakteristische Designsprache fortzuführen und mit den neuesten Technologien zu vereinen. Woher holen Sie Ihre Inspirationen? Die Inspiration kommt immer aus Ungesehenem, Neuem, das einem im Leben begegnet. Ich schöpfe Inspirationen aus meinem Erlebten, das können neue Situationen oder Herausforderungen sein. Wenn mich etwas nachhaltig beeindruckt und nicht mehr loslässt, wandle ich diesen Input in kreative Ideen um. Design ist ja bekanntlich auch eine Geschmackssache. Wie können Sie das erwünschte BMW-Design, Branchentrends und Ihre eigenen Vorstellungen in Einklang bringen? Ich habe eine starke Vorstellung davon, wo das BMW-Design in Zukunft hin soll. In diese Vision fliessen permanent Trends mit ein und verbinden sich mit den charakteristischen Stilelementen der BMW-Designsprache. Meine Handschrift und meine Expertise als Designer spielen sicherlich eine Rolle, der Fokus liegt dabei jedoch immer auf BMW. Empfinden Sie nicht, dass heutzutage auf der Strasse eine gewisse Monotonie herrscht? Diese Aussage höre ich oft, allerdings möchte ich dieser nur bedingt zustimmen. Es gab nie eine grössere Konzeptvielfalt auf der Strasse, von Limousinen über SUVs, Vans, Sportwagen, Purpose-built-Elektrofahrzeugen mit neuen Proportionen und vielem mehr. Leider trauen sich nur bestimmte Kunden an neue Konzepte wie zum Beispiel den BMW i3. Die Vielfalt ist gross, könnte aber grösser sein, wären die Kunden mutiger. Es ist eine unserer wichtigsten Aufgaben als Exterieur Designer, die Kunden zu ermutigen, neue Schritte zu gehen. Auf dem Weg in die Zukunft: Was werden die grössten Herausforderungen sein? Das autonome Fahren bringt für das Design, insbesondere aufgrund der Sensorik, viele Herausforderungen. Und natürlich das Thema Aerodynamik. Die Zukunft bleibt sehr spannend.

Christopher Weil, Head of BMW Exterior Design.

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Das Design jedes neuen BMW-Modells bleibt bis zum Serienstart geheim.

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DER LETZTE SEINER ART Autorin_Swenja Willms Bilder_Hortons Books Limited

Ãœber den EB110 gab es bislang keine umfassende Historie in Buchform. Bis jetzt.

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15. September 1991 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird – am 110. Geburtstag Ettore Bugattis. Zur Präsentation in Paris kommen vor rund 30 Jahren fast 2000 geladene Gäste, drei EB110 fahren über die Champs-Élysées. Allein der Name des Modells EB110 ist bereits eine Verbeugung vor Bugatti-Gründer Ettore Bugatti. EB steht für Ettore Bugatti, 110 für seinen 110. Geburtstag.

Supersportwagen, Rekordhalter, Ikone. Der Bugatti EB110 hat viele Beinamen. Bisher fehlte ein Buch, welches der Bedeutung des Bugatti der 1990er-Jahre gerecht wird. Bis jetzt: Gleich drei ausgewiesene Bugatti-Experten haben sich in den vergangenen sieben Jahren dem Coupé gewidmet und eine umfassende Biographie verfasst. Mit «Die letzten Bugatti Rennwagen» ist eine gewaltige Niederschrift mit vielen neuen Fotos und Infos entstanden. Zu Wort kommen Protagonisten und Experten aus der Glanzzeit des EB110, darunter Zeitzeugen wie der Renningenieur Dieter Gass, Testfahrer Loris Bicocchi und Rennfahrer Derek Hill. Das Buch enthält bisher unveröffentlichte Dokumente sowie neue Erkenntnisse über die Saga von Bugatti Automobili S.p.A. Bugatti selbst verneigte sich erst im Sommer mit der Präsentation des Bugatti Centodieci, italienisch für 110, einer Neuinterpretation des EB110, vor dem legendären EB110.

ÜBER 300 SEITEN GEBALLTES WISSEN

Auf über 300 Seiten finden sich akribisch recherchierte Daten und Infos sowie über 350 Fotos aus den Werksarchiven und Zeitdokumenten. So hatten die Autoren Zugang zu historischen Bildern, technischen Zeichnungen, Datenblättern und Rennprotokolldaten. Die ermöglichen es, die Konstruktions- und Entwicklungsgeschichte der beiden letzten Werksrennfahrzeuge von Bugatti nachzuvollziehen. Im Fokus des auf Englisch geschriebenen Buches stehen deshalb diese beiden EB110-Fahrzeuge, die gleichzeitig die letzten offiziellen Bugatti-Rennwagen sind. Diese Entwicklung der Rennversionen ist eine Geschichte innerhalb der EB110-Geschichte. Bisher wurden die Bugatti-EB110-Rennwagen nur unzureichend beschrieben. Und das, obwohl der EB110 Anfang der 1990er-Jahre eine technologische Revolution darstellt. Ein Fahrzeug, dessen Entwicklung von Leidenschaft und Kompetenz geprägt ist. Mit dem EB110 und den beiden Rennwagen verfolgte Bugatti die Vision, die Marke wieder in den Zenit der Autoentwicklung zu heben – und im Motorsport aktiv zu sein.

PARIS ALS PASSENDER ORT FÜR DIE PRÄSENTATION

Die Autoren und Bugatti-Experten Johann Petit und Pascal van Mele stellten das Buch gemeinsam mit dem Editor und Bugatti-Historiker Julius Kruta auf der Retromobile Motorshow in Paris vor. Ein passender Ort. Die Veranstaltung ist eine der bedeutendsten Oldtimer-Messen der Welt. Mit 620 Ausstellern auf 72’000 Quadratmetern im Zentrum von Paris zieht die Messe jährlich mehr als 130’000 Besucher an. Paris ist auch der Ort, an dem der EB110 am

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DER EB110 IST SEINER ZEIT VORAUS

Zeit. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 351 km / h. Mit dem EB110 stellt Bugatti vier Weltrekorde auf: schnellste Beschleunigung, schnellster Seriensportwagen, schnellster Sportwagen mit Gas betrieben und schnellstes Serienauto auf Eis. Auch nach fast 30 Jahren zählt der EB110 zu den schnellsten Autos der Welt. Bis 1995 entstehen rund 96 EB110 GT und 32 EB110 Super Sport, insgesamt etwa 128 Fahrzeuge, davon zwei offizielle Werksrennwagen mit 670 PS. Die starten unter anderem beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans, in Suzuka und in der amerikanischen IMSA-Serie, zum Beispiel beim 24-Stunden-Rennen in Daytona. Es sind die letzten Autos, die die Fabrik verlassen.

Erstmals bei einem Serienauto besteht das Monocoque aus Carbon. Für die Karosserie kommen Aluminium, Carbon und aramidfaserverstärkter Kunststoff zum Einsatz, die Räder werden aus Magnesium gegossen, jede Schraube besteht aus Titan. Als Antrieb für den Supersportwagen dient ein 3,5-Liter-V12-Mittelmotor mit vier Turboladern. Zwei Nockenwellen pro Zylinderbank und fünf Ventile pro Brennraum, insgesamt 60 Ventile, sorgen für einen schnellen Gaswechsel. Je nach Modell leistet das Triebwerk zwischen 560 und 610 PS, die Kraft wird permanent über alle vier Räder übertragen. Von null auf 100 km / h sprintet der EB110 in bis zu 3,26 Sekunden und ist damit das schnellste Serienauto seiner

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THE LAST BUGATTI RACING CARS Von dem aussergewöhnlichen und sehr hochwertig produzierten Buch für Bugatti-Enthusiasten und Sammler entstehen insgesamt 110 Exemplare der «IMSA-Edition» in silbernem Einband, 110 Exemplare der «Le-Mans-Edition» in blauem Einband sowie 35 Exemplare der «Publishers Edition» in Leder. Die ­«Publisher Edition» ist von wichtigen Protagonisten der Campogalliano Saga unterschrieben. Hortons Books Limited

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Der Meister der geschwungenen Kanten Der Design-Provokateur Luigi Colani führte unerbittlich einen Feldzug gegen die geraden Linien im Design. Im Alter von 91 Jahren verstarb er Ende letzten Jahres, aber seine organische Formensprache wird unvergänglich bleiben. Autorin_Lone K. Halvorsen Bilder_ Archiv Dr. Albrecht Bangert

erweitert – wenngleich er dieses nach zwei Jahren gegen Vorlesungen über Aerodynamik und Ultraleichtbau an der Pariser Sorbonne eintauschte. Nach einer kurzen Zeit beim Flugzeugbauer Douglas in den Vereinigten Staaten begann Luigi Colani, für den französischen Automobilhersteller Simca Kunststoffkarosserien zu gestalten. Doch Colani kehrte Paris wieder mal den Rücken und ging nochmals in die Lehre, um das Automobilhandwerk bei der angesehenen Karosseriebaufirma Erdmann & Rossi in Berlin zu erlernen. Kunststoff spielte von Beginn an eine dominierende Rolle bei Colanis Gestaltungen und wurde stetig weiterentwickelt – bis er in den 60er Jahren dieses Design auf seinen Colani GT übertrug. Der Kleinsportwagen, der als Bausatz auf VW-Basis entstand, wurde zu einer Stilikone dieses Jahrzehnts. Die Faszination des Autos begründete Colani mit folgenden Worten: «Das Automobil interessiert mich, weil es eine konstruktionsphilosophische Zusammenballung von hochspezialisierten Einzelheiten zu einer schlagkräftigen Gemeinsamkeit ist.»

Colani gehörte nicht nur zu den bekanntesten Designern unserer Zeit, sondern auch zu den umstrittensten. Auch wenn er ein Mann mit vielen Ecken und Kanten war, als Designer bevorzugte er ausschliesslich runde Formen. Er betonte immer, seine Welt sei rund, denn er verabscheute die Gradlinigkeit, rechte Winkel und eckige Kanten. Ob unbeliebt oder beliebt, der Visionär war jedenfalls seiner Zeit meist voraus. BLECHERNER VOGEL OHNE STIL Geboren wurde Colani 1928 in Berlin als Sohn einer polnischen Souffleuse und eines Schweizer Filmarchitekten. Seine Eltern legten grossen Wert auf seine kreative Entwicklung, und bereits in jungen Jahren lernte er den Umgang mit unterschiedlichen Materialien. Nach dem Motto «wer keine Spielzeuge bekommt, muss diese selbst entwerfen» wurde er mit einer besonderen Kreativität erzogen. Der Plan der Eltern ging auf, denn bereits mit vier Jahren konnte der kleine Lutz, wie er damals hiess, löten und bastelte Autos, Flugzeuge und Schiffe mit vollem Enthusiasmus. In unmittelbarer Nähe zum Flughafen Johannistal-Adlershof wuchs er auf – die Freude an Flugzeugen wurde daher bereits in jungen Jahren entzündet. Wobei die Begeisterung nicht ausschliesslich eine positive war, denn die «blechernen Vögel» erschütterten Colani förmlich. Die im Kinderzimmer erworbenen Talente wurden durch ein Studium an der Berliner Kunstakademie

EXTRAVAGANTE FORMEN, ABER KEINE PRODUKTION In gewissen Abständen rührte Luigi Colani die Automobilbranche auf, aber der grosse Durchbruch blieb ihm im Pkw- und Lkw-Design verwehrt. Ein Colani-Auto-Entwurf vom weissen Blatt Papier wurde nie realisiert. Die Gründe lagen zum Teil in den zu exzentrischen Entwürfen, die sich mit einer Serienfertigung nicht

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Kochen wie ein Astronaut in Colanis berühmter Kugelküche für Poggenpohl 1968/1971.

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Alles von Colani war grenzüberschreitend, wie sein Volkswagenumbau zum aerodynamischen Roadster. Die Marketingidee dahinter: ein Fertigbausatz aus Kunststoff in Eigenproduktion.

«ICH BIN EIN ERFOLGREICHES SCHWEIN UND HABE RIESIGE CHANCEN GEHABT.» Luigi Colani

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vereinbaren liessen. Manch einer würde auch die persönliche Natur Colanis dem nicht erreichten Automobilerfolg zuschreiben. Colani war äusserst überzeugt von seinen Ideen und reagierte sehr sensibel und harsch auf jegliche Kritik. «Ich bin der Dienendste der Dienenden bei jedem Produkt, das ich entwerfe. So muss auch das Auto stets auf die Erfordernisse und Bewegungsabläufe des Menschen abgestimmt sein, selbst wenn dies bedeutet, dass es hier und da ein paar Ausbuchtungen mehr als bisher haben muss.» Colani sah es als moralische Verpflichtung, dem Menschen zu dienen. Im Hinblick auf die aktuellen Automobildebatten klingen Colanis Worte aus den 1970ern prophetisch. Bezogen auf einen Kleinwagen mit Elektromotor sagte er: «Es ist doch hirnverbrannter Blödsinn, für Menschen, die beim Fahren einen Viertel Quadratmeter Platz benötigen, Autos von sechs mal zwei Meter zu bauen.» DIE DASEINSBERECHTIGUNG VON RUNDEN FORMEN «Nimm einen Stein und wirf ihn ins Wasser, der Stein ist rund, die Flugbahn ist rund, die Kreise im Wasser sind rund, unsere Welt ist rund und bewegt sich mit Milliarden von anderen runden Himmelskörpern in Harmonie auf runden Bahnen. Selbst bis in die arterhaltende Erotik erregen uns runde Formen. Warum soll ich, ein denkender Mensch, es denen nachmachen, die unsere Welt eckig sehen? Ich setze den Kampf von Galileo Galilei fort, auch meine Welt ist rund.» Die gerade Linie hatte für Colani philosophisch gesehen gar keine Daseinsberechtigung. Obschon die Liebe zu den runden Formen nicht nur ästhetisch begründet war. Stets betonte er, dass aerodynamische Formen beim Auto- oder Flugzeugbau den Verbrauch reduzieren würden – und bewies das auch. Luigi Colani war jedoch ein Mensch mit vielen Ideen, und daher war es ihm auch wichtig, sein Arbeitsgebiet zu erweitern. Am Ende sollte er auch mehr Geld mit seinen kommerziellen Produkten als mit Autos verdienen. Ob Computer, Möbel, Haushaltswaren oder ein Fernseher – nahezu alle Gegenstände hatte er neu überdacht und optimiert. Letztlich war ihm auch nichts zu banal. Durch jegliche Produktwelten und Länder, aber stets mit der Natur als Vorbild, damit Form und Inhalt miteinander harmonieren konnten. Sein Prinzip der organischen Sprache, das Biodesign, war für Colani die sogenannte «Humanisierung der Nahtstelle Mensch-Maschine». Diese erregte eine grosse Aufmerksamkeit, auch wenn dies möglicherweise unterstützt wurde durch die brillante Selbstvermarktung Colanis.

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ANERKENNUNG IN ASIEN Mit dem kommerziellen Erfolg und dem Aufstieg als Medienstar eröffnete Colani 1972 im westfälischen Wasserschloss Harkotten seine Designfactory. Hier begann eine intensive und erfolgreiche Periode. Besonders der Ferne Osten wurde auf die Entwürfe Colanis aufmerksam. Da seine Arbeiten dort grossen Anklang fanden, gab Colani sein Atelier 1981 auf und konzentrierte sich auf den asiatischen Markt und arbeitete für Canon, Sony und Mazda. Mit der Canon T90 feierte er einen seiner grössten Erfolge. Er prägte durch das Design die Marke und deren Entwicklung entscheidend mit. Nebst der Kamera erntete Colani viel Anerkennung für die zusammenlegbaren Leichtkopfhörer von Sony aus dem Jahre 1984, welche gar in die permanente Sammlung des MoMA aufgenommen wurden. In Japan lebte Luigi Colani fünf Jahre, denn dieses Land sollte ein wichtiger Standort für seine Karriere bleiben. Hier stiess er auf Verständnis und Bewunderung, in Europa hingegen blieben seine Arbeiten umstritten, und Colani fühlte sich oft missverstanden. Sein Design, welches von Utopie geprägt war, blieb natürlich ortsunabhängig. DAS SCHEITERN LIEGT AUF DER ANDEREN SEITE Wie bei so manchen Designern kommt bei Colani zu den zweifellos beeindruckenden Werken auch ein eigenwilliger Charakter hinzu. Als geborener Selbstdarsteller polarisierte er das Publikum und die Fachwelt. Wofür er bei den einen gehasst wurde, war er für die anderen ein Genie. Auch wenn er es ungern zugab, kränkte Colani die Ablehnung, die er vor allem wegen seiner überheblichen Art erntete. «Das Scheitern liegt auf der anderen Seite», antwortete er störrisch. Tatsache ist, dass er mit seinen progressiven Ideen – vor allem in Zeiten der zunehmenden Energieproblematik –  meilenweit voraus war. Die Anzahl seiner Entwürfe – produziert oder nicht – ist schier unermesslich, und sein Einfallsreichtum war grenzenlos. Am Ende seiner Lebenszeit behauptete er, noch Ideen für die nächsten 500 Jahre zu haben.

Als Popstar des Designs agierte Colani am liebsten selbst wie hier in der Performance für sein Allzweckmöbel «Zocker» für Burkhard Lübke, 1972. Mit extravaganten Kunstoffmöbeln wollte er den Anschluss der deutschen Möbelindustrie zu Italien schaffen.

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Der Fotograf und Mixed-MediaKünstler Vik Muniz ist dafür bekannt, alltägliche Materialien für komplizierte und vielschichtige Nachbildungen kanonischer Kunstwerke umzuwandeln. Im Zuge der «Artist Colaboration» mit «The Skateroom» entwarf der Künstler eine achtteilige Serie an Skateboard-Decks.

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Die Manschettenknöpfe sind mit dem Koenigsegg-Schild aus Hartemaille auf goldfarbenem Metall versehen. Der Lifestyle der Koenigsegg Automotive AB wird dank diesem Accessoire zum alltäglichen Begleiter.

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Coat and leather skirt: Dawid Tomaszewski Hat: Gucci Tulle top: Dawid Tomaszewski Shoes: Wandler

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COME, FLY WITH ME

Gedacht als Anlaufstelle für die Crew-Mitglieder nach langen Transatlantikflügen, eröffnete die Pan American World Airways 1966 ihre legendäre Luxus-Lounge in Berlin. Schnell wurde die Lounge zu einem geheimen Hotspot im zentralen Westen der geteilten Stadt. Rauschende Partys, Galas und Empfänge – wer Rang und Namen hatte, traf sich hier. Während an der Bar der Bourbon floss, verhandelten die Big Player aus Politik und Gesellschaft zurückgezogen in diskreter Atmosphäre über die Fragen ihrer Zeit. Erst mit dem Aus der Airline und dem Fall der Mauer in Berlin fiel die Lounge in einen langen Dornröschenschlaf. Mit der Neubelebung der Berliner City West und durch die Besitzerin Natascha Bonnermann wurden die Räumlichkeiten der Pan Am Lounge mit viel Liebe zum Detail und dem Bewusstsein für die historische Bedeutung dieser Location wiederbelebt.

Autorinnen_Swenja Willms und Snesha Bloom Bilder_Suzana Holtgrave

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Sie verliebte sich instinktiv: Natascha Bonnermann entdeckte durch einen Zufall die damals unbelebte Pan Am Lounge und liess durch die Wiedereröffnung den Geist der 60er Jahre auferstehen.

PRESTIGE: Frau Bonnermann, die Pan Am Lounge wurde 1966 für Crew-Mitglieder der Airline entworfen. Wie entstand aus einer Unterkunft ein Hotspot für Glamour und Partys? NATASCHA BONNERMANN: 1966, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, hatte Pan Am ihr Headquarter im neugebauten Europa-Center in West-Berlin. Die Airline musste sich Gedanken darüber machen, wo das Crew-Personal während eines Stopovers in Berlin unterkommt. Die Pan American Airways sicherte sich dank ihren guten Kontakten ein Gebäude an der Budapester Strasse 43 – die Überreste einer einstigen High-Society-­ Adresse, das Hotel Eden. Im 10. Stock des «Eden»-Hochhauses entstand ein Penthouse – die legendäre Pan Am Lounge. Die Partys der Pan Am Airline wurden eine Legende. Nicht nur die Partys der Airline sind berüchtigt, auch die Geschichte der Airline selbst und deren Einfluss auf Berlin. Einer der wohl bekanntesten Einsätze der Airline ist die berühmte Berliner Luftbrücke 1948. Die Pan Am assistierte damals der US-Luftwaffe und verhinderte schliesslich die Übernahme der ehemaligen Hauptstadt durch die Sowjetunion. In 90 Sekunden landeten riesige Maschinen im Tempelhof mit Kleidung, Lebensmitteln und Kraftstoffen, entluden die Ware und erhoben sich wieder in die Lüfte.

grosse Reparaturzahlungen tätigen, und gleichzeitig litt das Vertrauen in das Unternehmen extrem. Mit der Wiedervereinigung in Berlin musste Pan Am die Destination aus ihrem Streckennetz verbannen, da Lufthansa nun für Deutschland agierte. Mit dem Todesstoss erfüllte sich zugleich die Mission von Pan Am: die Anbindung Berlins an die freie Welt. Nach dem Aus der Airline im Jahr 1991 gerät die Lounge in Vergessenheit. Weshalb haben Sie sich dazu entschlossen, diese Räumlichkeiten neu aufleben zu lassen? Ich habe die Pan Am Lounge 2005 durch einen eigenartigen Zufall entdeckt. Ich war damals Schauspielerin, war viel für Dreh­ arbeiten unterwegs und landete in dieser Lounge und wusste, dass ich hier bleiben will. Ausserdem habe ich im Laufe der letzten Jahre so viele tolle Begegnungen gehabt mit Stewardessen und Piloten der Pan Am Airline, die mich so bewegt und beeindruckt haben mit ihrem Wagemut, Glamour und ihrer Tatkraft, dass ich dieses Erbe am Strahlen und Funkeln erhalten möchte. Mit dieser Lounge möchte ich den Servicegedanken einer First Class einer Boeing 747 Mitte der 60er widerspiegeln. Der Geist der Airline ist also bis heute noch spürbar? Das Partyblut unserer Gäste steckt auch heute noch in den Knochen. Mir liegt es sehr am Herzen, die Pan Am Lounge genau so zu bewahren, wie ich sie damals vorfand. Jeder kennt wahrscheinlich die Situation, dass man einen Lieblingslippenstift hat und eines Tages die Textur, die Formulierung oder die Farbe verändert wird, weil der Hersteller dachte, man müsste moderner werden. Doch das tue ich hier nicht. Ich behalte alle Details liebevoll weiter bei, selbst wenn sie heute eher spröde und ungelenk erscheinen, weil sie Teil des gesamten Erscheinungsbildes sind. Du kommst hier in einer Zeitkapsel an, und diese möchtest du bewahren.

Die Airline galt in den 50er Jahren als unumstrittene Nummer eins am Himmel. Was waren die Gründe für ihren Untergang? Grob gesagt waren es drei Gründe: Pan Am verfolgte immer nur eine Vision, die aber nicht immer umgesetzt werden konnte. Beispielsweise baute Pan Am ein Streckennetz in Amerika auf, welches so eigentlich niemand brauchte und grosse Verluste generierte. Nach dem ersten Terrorattentat im Flugverkehr, dem Anschlag auf ein Flugzeug der Pan Am Airways, musste die Airline

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Pants and jacket: Hermes Body: Vetements Shoes: Prada Earring: Mango

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Top: Marcel Ostertag Trousers: Talbot Runhof Shoes: Balenciaga Glasses: Andy Wolf Rings: Xenia Bous

PHOTOGRAPHY:

SUZANA HOLTGRAVE FROM CALL LIST AGENCY ZURICH

MODEL:

SOPHIA FRIESEN FROM HER MANAGEMENT

STYLING:

ADELAIDA CUE BÄR FROM NINA KLEIN AGENCY

STYLING ASSISTANT: LAURA CAUFAPÉ

HAIR & MAKE-UP:

KATJA MAASSEN FROM LIGANORD AGENCY USING DIOR MAKE-UP

PRODUCTION:

SNESHA BLOOM FROM CALL LIST AGENCY ZURICH

LOCATION:

PAN AM LOUNGE BERLIN

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Jacket: Pallas Paris Top: Ganni Pants: Marcel Ostertag Shoes: Arket Hat: Spatz-Hut-design Passau Rings: Susan Bosslau Lab

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FASHION Dress: Richard Quinn Tights: Tom Ford Earring: Uterque Rings: Thomas Sabo Shoes: Wandler


PRESTIGE LINKS Pants: Talbot Runhof Silk blouse: Balmain Belt: Marina Hoermanseder Earrings: Mango Shoes: The Attico RECHTS Jacket: Talbot Runhof Silk blouse: Balmain Belt: Marina Hoermanseder Earrings: Mango

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Coat and leather skirt: Dawid Tomaszewski Hat: Gucci Tulle top: Dawid Tomaszewski Shoes: Wandler

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FASHION Trenchcoat: Christian Dior Earrings, Necklace and Bag: Christian Dior Tulle top: Dawid Tomaszewski Skirt: Talbot Runhof Shoes: Bottega Venetta

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Dora Kallmus

© Fotostudio Setzer-Tschiedel

Autorin_Beatrice Schönhaus Spirig

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KULTFOTOGRAFIE – NEU ENTDECKT

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Sie muss eine faszinierende Persönlichkeit gewesen sein, die Fotografin Dora Philippine Kallmus, die ab 1907 unter dem Pseudonym Madame d’Ora künstlerisch tätig war. Geboren am 20. März 1881 in Wien, wusste sie ganz früh, was sie wollte, und das ziemlich genau! Aber der Reihe nach …

Dora Kallmus entstammte einer gebildeten jüdischen Familie, die ursprünglich aus Prag kam. Der Vater war ein angesehener Hof- und Gerichts-Advokat in Wien, ihre Mutter mit dem exotischen Namen Malvine Sonnenberg kam ursprünglich aus Kroatien. Sie starb bereits mit 39 Jahren. So wurden Dora und ihre Schwester Anna Malvine von der Oma väterlicherseits erzogen. Dora wollte unbedingt Fotografin werden. Was zu der damaligen Zeit mehr als unüblich und sehr kompliziert war, noch dazu für eine Frau. Auf einer Reise an die Côte d’Azur kaufte sie ihre erste eigene Kamera, eine Kodak-Box-­ Kamera, in welche man damals noch Rollfilme einlegte. Dora hatte dann wenig später die seltene Chance, im Atelier des Fotografen Hans Makart junior echte Fotostudio-Luft zu schnuppern. Zudem schaffte sie es, sich als erste Frau überhaupt für die Theoriekurse an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt einzuschreiben – die dazugehörigen Praxisseminare enthielt man ihr jedoch trotzdem vor. Dann nahm sie entschieden Fotografie- und Retusche-Unterricht bei Nicola Perscheid in Berlin, um die praktische Seite des Berufes zu erlernen. Was ihr blendend gelang. Bereits 1907 eröffnete Dora unter dem Künstlernamen Madame d’Ora ein eigenes Fotostudio im ersten Wiener Bezirk, einer vornehmen Adresse, zusammen mit Arthur Benda. Arthur Benda war zuerst der Leiter des Studios, dann ab 1922 Teilhaber. Dora Kallmus interessierte sich für Menschen, deren Mimik und Ausstrahlung. Besonders spannend fand sie die damals sehr aktive Wiener Künstler- und Intellektuellenszene. Dazu gehörten grosse Namen wie Alma Mahler-Werfel, die Frau von Gustav Mahler. Eine Komponistin, die vorher mit dem Architekten Walter Gropius und dem Dichter Franz Werfel verheiratet war. Was man nicht so wusste: Sie war auch die Geliebte von Maler Oskar Kokoschka und führte sogenannte künstlerische Salons in New York, Los Angeles und Wien, wohin sie jeweils Prominente einlud. Eine Femme fatale, wie es zu dieser Zeit üblich war. Dora portraitierte auch die in Wien bekannte Familie Rothschild. Ebenfalls fasziniert war sie vom Kult-Schriftsteller Arthur Schnitzler; sie fotografierte Gustav Klimt, Pablo Casals und Anita Berber. Berber war Tänzerin und Schauspielerin, die vor allem durch ihren exzessiven Lebensstil auffiel: Sie trank viel, lebte ausschweifend. Dora Kallmus ging indessen weiter ihren Weg, erhielt 1916 die grosse und einmalige Chance, Bilder der Krönung von Karl I., dem König von Ungarn, und von der ganzen Kaiser-Familie anzufertigen. Ein Riesenglück. Und ihr Durchbruch. Dank dieses Erfolgsschubs konnte Dora ab 1917 auch in die Modefotografie einsteigen und Fotostrecken für die legendäre Modeabteilung der Wiener Werkstätte produzieren. Diese Fotos können noch heute in namhaften Museen bewundert werden. 1927 zog Madame d’Ora nach Paris und betrieb in der Stadt der Liebe ein eigenes Fotoatelier. Mutig für die damalige Zeit. Doch sie konnte ihren guten Ruf als Gesellschaftsund Künstlerfotografin beachtlich ausbauen und wurde so zur Hauptfotografin von grossen Namen wie Josephine Baker, der Malerin Tamara de Lempicka, Marlene Dietrich oder Coco Chanel. Fashion-Zeitschriften wie «Vogue», «Madame» und «L’Officiel de la Couture» buchten sie regelmässig, genauso wie die grossen Modehäuser Jean Patou, Lanvin, Chanel, Balenciaga und Rochas.

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LINKS Schauspielerin und Tänzerin Elsie Altmann-Loos. Fotografiert von Dora Kallmus 1922 im Fotostudio Setzer-Tschiedel in Wien.


© Christian Brandstätter Verlag GmbH & Co KG

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Ein Portrait der aussergewöhnlichen Fotopionierin selbst.

MADAME D’ORA Unter dem Patronat von Ronald S. Lauder, einem Philanthropen aus der Familie des Beauty-Imperiums Estée Lauder, werden mehr als 100 Bilder der Künstlerin gezeigt. Das Buch wurde liebevoll zusammengestellt von Autorin Monika Faber zum Anlass einer grossen Retrospektive in einer der bekanntesten New Yorker Galerien, der Neuen Galerie.

MACHEN SIE MICH SCHÖN, MADAME D’ORA! Dora Kallmus – Fotografin in Wien und Paris. 1907 bis 1957. Dora Kallmus’ Portraits erzählen eindrucksvoll von den schillernden Höhen und grausamen Tiefen des 20. Jahrhunderts – von verrückten Avantgarde-Künstlern bis hin zu ausgemergelten Flüchtlingen und Überlebenden des Holocaust.

Prestel Verlag 262 Seiten ISBN 978-3-7913-5970-0

Brandstätter Verlag 348 Seiten, circa 250 Abbildungen ISBN 978-3-7106-0221-4

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© Christian Brandstätter Verlag GmbH & Co KG

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LINKS Hüte der französischen Designerin Madame Agnès, abgelichtet von Madame d’Ora im Jahr 1938 im Fotoinstitut Bonartes in Wien.

© Christian Brandstätter Verlag GmbH & Co KG

© Fotoinstitut Bonartes

Dann kam der Zweite Weltkrieg. Und mit ihm das abrupte Ende der Gesellschafts-Fotografin. Dora Kallmus musste beim Einmarsch der deutschen Truppen 1940 ihr Atelier in Paris Hals über Kopf verlassen, hielt sich als Flüchtling in einem Kloster im Süden Frankreichs auf. Später auch auf einem Bauernhof in der Gegend des Flusses Ardèche. Ihre Schwester Anna, mit der sie damals in Paris lebte, deportierte man in ein KZ, vermutlich nach Chelmno in Polen. Sie wurde, wie viele Verwandten Doras, dort ermordet. Madame d’Ora kehrte erst 1946 nach Österreich zurück, erschüttert. Sie fotografierte jetzt ganz andere Sujets: das zerstörte Wien, desolate Flüchtlingslager, machte Bilder von alten Menschen und Kindern. Dann fand sie innerlich ein Stück weit zur Gesellschafts-Fotografie zurück und portraitierte den englischen Schriftsteller Somerset Maugham, den Musiker und Dirigenten Yehudi Menuhin und den Maler Marc Chagall. Dann erschütterte ein schweres Schicksal die Fotografin: Nach einem Autounfall verlor Madame d’Ora ihr komplettes Gedächtnis. Ihre letzten Jahre verbrachte sie in der Obhut einer Freundin ihrer ermordeten Schwester Anna in Frohnleiten in der Steiermark. Im Jahr 1963 starb sie dort und wurde auf dem örtlichen Friedhof begraben. Jahre später, 2019, wurde sie auf Initiative des Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, exhumiert. Heute liegt sie in einem Ehrengrab auf dem Jüdischen Friedhof Graz. Madame d’Ora schuf im Ganzen etwa 90’000 Aufnahmen, von denen heute ein grosser Teil in der Österreichischen Nationalbibliothek liegt. Andere in der Albertina in Wien sowie dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

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TRENDS MEN by

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WALES BONNER

Die Frühjahrskollektion von Grace Wales Bonner orientiert sich an den 40er und 50er Jahren der kubanischen Kultur. Im Vordergrund steht die von Polyester dominierte Garderobe der Balletttänzer und Militär-Offiziere.

GUCCI

Dank des zusätzlichen Tragegriffs an der Seite lässt sich dieses Accessoire sowohl als Reisetasche als auch als Rucksack tragen. Das speziell behandelte Leder in leichter Used-Optik sorgt für gelungenes Vintage-Flair im Stil der 70er.

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BALENCIAGA

Eleganz und Streetwear verschmelzen in der Resort-Kollektion 2020 von Demna Gvasalia. Die ockerfarbene Karohose mit elastischer Taille und weit geschnittener Silhouette kann sowohl casual als auch chic kombiniert werden.


PRESTIGE LINKS Jacket and shirt: Acne Studio Earring: Charlotte Chesnais RECHTS Top, sweater and skirt: Miu Miu Earrings: Goossens

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PHOTOGRAPHER: DIYALA KAYIRAN

HAIR- AND MAKE-UP ARTIST: NOELIA DE JESUS

STYLIST:

JUSTINE BLEICHER

MODEL:

IVANA DOMINKOVIC

AGENCY:

OPTION MODEL AGENCY

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PRESTIGE Trenchcoat: Stella McCartney Shoes: Amina Muaddi Rings: Dodo

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LINKS Top, sweater and skirt: Miu Miu Earrings: Goossens RECHTS Shirt and jacket: Paul Smith Earring: Zara

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LINKS Coat: Dries Van Noten Trousers: Margaux Selle Shoes: Amina Muaddi RECHTS Dress: The Frankie Shop Earrings and ring: Goossens

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TYLER ELLIS

Die LJ ist eine semi-strukturierte Handtasche mit einer dreieckigen Frontklappe und dem kundenspezifischen Spear-Lock-Verschluss.

LOUIS VUITTON

Louis Vuitton greift in seiner Spring-Summer-2020-Kollektion den Faden seiner eigenen Geschichte auf und bringt zwei auf kommende Jahrhunderte zusammen: der traumhafte Beginn des 20. Jahrhunderts und des 21. Jahrhunderts.

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JIMMY CHOO

Mahesa 100 aus Cuoio-Kalbsleder ist der Inbegriff von Eleganz. Der schlanke und geschnittene, leicht eckige Fuss verleiht diesem Stiefel ein modernes GefĂźhl.

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BE BEAUTY & AUTY WELL BE WELL ING BEING PRESTIGE

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KULTOBJEKT LIPPENSTIFT im Wandel der Zeit Autorin_Anna Karolina Stock

VOR LANGER ZEIT FING AN, WAS BIS HEUTE WÄHRT: DIE ERFOLGSGESCHICHTE DES LIPPENSTIFTS. DABEI BLICKT DAS RITUAL DES SCHMINKENS AUF EINE BEMERKENSWERT WECHSELHAFTE GESCHICHTE ZURÜCK. ALS SYMBOL DER VERFÜHRUNG, FILMREQUISITE ODER POLITISCHES STATEMENT – ROTE LIPPEN WAREN NIE NUR ZUM KÜSSEN DA.

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BEAUTY &WELLBEING

1920

Ob zurückhaltend natürlich oder feuerrot, glänzend oder matt – der Lippenstift war nie nur ein Beauty-Utensil, sondern ein Stimmungsbarometer und der Ausdruck eines Lebensgefühls, das epochenabhängig sehr unterschiedlich ausfallen konnte. Mit einer Ära veränderten sich auch die Form- und Farbtrends der Lippen. Das war schon in den letzten hundert Jahren so und wird auch in Zukunft so sein. Diese Ansicht vertritt zumindest Lidewij Edelkoort, eine der weltweit renommiertesten Trendforscherinnen für Mode und Design, die im Laufe der Zeit selbst zur Stilikone wurde. Die Niederländerin reist um die Welt, pendelt zwischen ihren drei Büros in Paris, New York und Tokio, immer auf der Suche nach gut verkäuflichen Informationen darüber, wie wir in Zukunft wohnen, uns kleiden, welche Farben und Materialien wir bevorzugen. Kurz gesagt: was wir kaufen wollen. Mit ihren Vorhersagen gibt Li Edelkoort, so wird ihr Name meistens abgekürzt, zwei Jahre im Voraus millionenschwere Einblicke in das Seelenleben stilprägender Frauen und damit in die verborgenen Launen und Wünsche künftiger Kundinnen. «Welche Lippenform gerade angesagt ist, hängt stark von der Rolle der Frau in der jeweiligen Epoche ab. Im Barock schminkte man sich einen herzförmigen Mund in zurückhaltenden Farben, um Frische und Jungfräulichkeit zu verkörpern», erklärt Edelkoort. In den 1920er und 1930er Jahren waren Frauen tatsächlich emanzipierter und unabhängiger als später in den 1950ern und 1960ern. Eine Marlene Dietrich oder eine Greta Garbo brauchten keine verführerischen, sinnlichen Lippen, um charakterstark und souverän zu wirken. «Fest steht, dass es tatsächlich alle zehn Jahre mehr oder weniger auffällige Lippenstift-Trends gibt. Mal schmaler, mal akzentuierter, mit richtigen Kanten, dann wieder etwas grosszügiger.»

EMANZIPATION, PROHIBITION, REBELLION Charleston, Kurzhaarfrisuren, Freizügigkeit machten den Stil der Goldenen Zwanziger aus. Zum künstlich gewellten Bubikopf und dem korsettfreien Kleid schminkte sich die Frau von Welt einen verführerischen, herzförmigen Mund in mattem Dunkelrot. Der Look war eine Mischung aus kokett und leicht verrucht und ein Symbol der Emanzipation. Besonders die sogenannten «Flapper Girls», jene jungen Frauen, die nachts ausgingen, Kette rauchten, schwarzgebrannten Whisky tranken, verhalfen der Lippenfarbe zu wachsender Popularität. Unterstützt wurden sie dabei vom Schwarz-Weiss-Film, der den Kussmund aufgrund des erforderlichen Kontrastes in seiner gewagtesten Form präsentierte – nämlich in Farben von Schwarz bis Granatrot. Bis heute sind die Bühnen- und Filmstars von einst für ihre charakteristisch geschminkten Lippen bekannt: etwa Clara Bow für ihren Amorbogen oder Mae Murray für ihren Bienenstich-Mund – ein Schmink­ trick von Max Factor, der eigens für den Film entwickelt wurde. Da die üblichen Pomaden durch die heissen Studiolampen zerflossen, wurde der Mund komplett überschminkt und dann ein kleiner herzförmiger Kussmund darauf platziert. Dieses runde Puppenmündchen war aus den 1920er Jahren nicht wegzudenken.

1930

EINE ZEIT DER DEPRESSION UND ANDROGYNITÄT In den 1930er Jahren wich der verspielte Charleston-Look einer neuen Strenge mit klaren, geraden Formen. Die Lippenmode wurde natürlicher und nüchterner. Statt den Mund zu überzeichnen,

1870

DIE ERFINDUNG DES ERSTEN LIPPENSTIFTS DER NEUZEIT Da sie als unsittlich und vulgär galten, tauchten tiefrote Lippen im Laufe der Kulturgeschichte meist nur an Lebedamen, eigenwilligen Königinnen wie etwa Elisabeth I. von England und später auch an Schauspielerinnen auf. Selbst als Guerlain im Jahr 1870 mit «Ne m’oubliez pas» («Vergesst mich nicht») den ersten Lippenstift und die erste Hülse in der Geschichte des modernen Make-ups entwarf, konnte sich niemand so richtig dafür begeistern. Und das, obwohl der pinkfarbene Wachsstift in einem innovativen Gehäuse mit Schiebemechanismus daherkam und – als Gipfel der Raffinesse – sogar nachfüllbar war. Auch als 13 Jahre später auf der Weltausstellung in Amsterdam ein in Seidenpapier gewickelter Stift aus gefärbtem Rizinusöl, Hirschtalg und Bienenwachs (mit dem klangvollen Namen «Stylo d’Amour» – «Liebesstift») präsentiert wurde, erlangte das als «Saucisse» (dt. Würstchen) verschmähte Ding alles andere als Weltruhm. Die französische Schauspielerin Sarah Bernhardt, eine Diva des späten 19. Jahrhunderts, erkannte jedoch das Potenzial der Pariser Kreation und verschaffte ihr zunehmende Popularität, als sie sich öffentlich den kirschroten Kussmund nachzog. Mithilfe der wachsenden Filmindustrie und der nach Selbstbestimmung schreienden Suffragetten-Bewegung, die 1912 mit signalroten Lippen durch New York zog, dauerte es nicht mehr lange, bis es den Schönmacher in emaillierten Hülsen auch in Kaufhäusern zu kaufen gab und das Lippenrot salonfähig wurde.

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typisch für die Wirtschaftswunderjahre. Darüber hinaus fanden auffällige Farbnuancen wie Orange und Koralle erstmalig Anklang. Typische Ikonen dieser Zeit waren Betty Page mit ihrem rot geschminkten Mund und Marilyn Monroe mit ihren betont weiblichen Kurven. Obwohl ihnen Üppigkeit und passive Weiblichkeit in Film und Fernsehen klar vorgelebt wurden, plagte die Frauen der 1950er ein innerer Zwiespalt: Einerseits kämpften sie für ihre im Krieg errungene Unabhängigkeit und gegen die klassische Frauenrolle, andererseits sehnten sie sich nach Sicherheit, einem trauten Heim und klar definierten Aufgaben. Es überrascht also nicht, dass sich in dieser Epoche auch ein Kontrastprogramm zur Sexbombe etablierte: der knabenhaft-grazile Frauentyp à la Audrey Hepburn. Diese sehr gegensätzliche Identifikationsfigur eines scheuen, koketten «Rehs» trug eher Koralle oder ein zartes Rotbraun auf den Lippen und schminkte den Mund, wenn überhaupt, nur zurückhaltend.

zog man lediglich den Amorbogen nach. Neben seidig glänzenden Braun- und Rottönen waren auch kräftige Pinknuancen und Fuchsia modern. Ab 1932 war in den Kosmetikregalen der Kaufhäuser auch der Lipgloss zu finden. Sieben Jahre später erschien der erste «Revlon Super Lustrous»-Lippenstift, ein kräftiger Rotton mit dem Namen «Fire & Ice», der bis in die vierziger Jahre ein Bestseller war – und auch heute noch gerne getragen wird. Mehr als 30 Millionen Exemplare wurden davon bereits verkauft und machen den Revlon-Klassiker zu einem der erfolgreichsten Lippenstifte aller Zeiten. Gleichzeitig waren die Dreissiger eine Zeit der Entbehrung und Sparsamkeit, in der man sich erstmals auf den starken Willen und die Individualität von Frauen besann. Schauspielerinnen wie Greta Garbo und Marlene Dietrich, die ihr Schicksal selbst bestimmen wollten, gehören zu den Stilikonen jener Zeit. Weite Marlene-Hosen und Blazer unterstrichen die androgyne Tendenz in der Mode. Doch in all ihrer Herbheit und Kühnheit sollten Frauen in den 1930ern trotzdem bildschön sein. Hiess man nicht gerade Marlene oder Greta, wurde mit dramatischen Lidstrichen und exakt gezupften, schmalen Augenbrauen nachgeholfen, dazu ein porzellanhafter, edler Teint.

1940

DER ZWEITE WELTKRIEG UND NEUES SELBSTBEWUSSTSEIN Während des Zweiten Weltkriegs sehnte man sich nach den schönen Dingen des Lebens. Egal, ob Parfüm, Strumpfhosen oder Lippenstifte, Luxusgüter waren Mangelware und nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Wer Lippenstift besass, nutzte ihn für besondere Anlässe. Während seine Hülsen im Krieg noch als Patronen genutzt wurden, avancierte das kosmetische Accessoire nach 1945 immer mehr zum täglichen Gebrauchsgegenstand. In der Nachkriegszeit wurden die Lippen tendenziell wieder grösser und weiblicher geschminkt, angesagt war ein kräftiges Zinnoberrot. Das Lippenrot zielte aber weniger auf Verführung ab, sondern wurde für viele Frauen zum Instrument persönlicher Moral, das Leid kaschierte und Stärke signalisierte. Es unterstrich den mutigen Look einer selbstbewussten Frau, die zu Hause den harten Kriegsalltag bewältigte, nachdem ihr Mann auf dem Schlachtfeld gefallen war. Auch auf den Kinoleinwänden waren in den 1940er Jahren zahlreiche Hollywood-Grössen mit eigenwilligem Charakter und knalligen Kussmündern zu sehen: starke Charaktere wie Rita Hayworth, Bette Davis, Hedy Lamarr, Vivien Leigh und Katharine Hepburn. Sie alle spiegelten das neue Gefühl für die eigene Stärke wider und verkörperten die Frau von Welt, der es nachzueifern galt.

1950

NACHKRIEGSZEIT UND WIRTSCHAFTSAUFSCHWUNG Nach dem Wiederaufbau folgte das Wirtschaftswunder der 1950er Jahre. Man möchte den Krieg endlich hinter sich lassen, ein neues Kapitel aufschlagen. Üppig und verführerisch, statt zurückhaltend war die Devise jener Epoche. Sogar die Lippenstifthüllen wurden mit Edelsteinen besetzt, und die Lippen zeigten sich mit voluminösem Glanzeffekt. Ein über die natürliche Lippenlinie gezeichneter Mund in leuchtendem Rot oder kräftigem Pink war

«Fire & Ice» von Revlon zählt zu den erfolgreichsten Lippenstiften aller Zeiten.

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© Lawrence Schiller /Courtesy TASCHEN and Steven Kasher Gallery

Marilyn Monroe verkörperte die Ära der 50er Jahre mit verführerisch roten Lippen.

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© Richard Corman

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BEAUTY &WELLBEING

1960

LINKS Punk wurde zur Anti-Schönheits-Bewegung der 1980er. Allen voran: Madonna.

DIE ZEIT DER EXTREME UND KONTRASTE Woodstock, Flower Power, sexuelle Revolution und die Entdeckung des Weltalls – die Sechziger waren turbulent und voller Umbrüche. Man liess sich nicht mehr alles gefallen, stellte vieles infrage – so auch die bis dahin bestehenden Schönheitsideale. Während Stilikone Brigitte Bardot mit ihren voluminösen Haaren und dramatischen Augen noch für Sexappeal und Weiblichkeit stand, verkehrte Twiggy dieses Frauenbild ins komplette Gegenteil. Ihr magersüchtig-jugendlicher Chic setzte einen klaren Gegenpol zum bis dahin gefragten Bild der Frau als Sexsymbol. Als Zeichen der Ablehnung von pauschalisierter Schönheit, Wohlstand und Konsum wählten die Frauen der 1960er eher blasse und unauffällige Lippenstiftfarben wie perlmuttschimmerndes Beige, Babyrosa oder Silber. Da der rebellische Hippie-Look hauptsächlich von stark betonten Augen lebte, wurde oft nur ein Hauch Make-up-Grundierung in Beige, hellem Braun oder Rosé auf den Mund aufgetragen, um ein möglichst reduziertes Bild zu erzeugen. Ein zart schimmernder Gloss sorgte für einen vollen, weichen Schmollmund.

RECHTS «Rouge Pur Couture N° 19» von Yves Saint Laurent – die Trendfarbe in den 1980er Jahren.

1970

DIE SCHILLERNDE DISCO-ZEIT Die 1970er Jahre waren bunt, schillernd und ein bisschen verrückt: «Saturday Night Fever», «Studio 54», die Bhagwan-Kommune und farbige Soul-Diven wie Gloria Gaynor und Diana Ross bestimmten das Jahrzehnt. Zum Disco-Look aus Glitzerkostümen, Schlaghosen und Plateausohlen passte ein klar konturierter, glänzender Mund. Frauen studierten, verzichteten auf den Trauschein, waren alleinerziehend und brachen mit Konventionen. Dementsprechend selbstbewusst war auch die Lippenstiftfarbe der siebziger Jahre: burgunderrot, glitzernd und auffällig. Aber auch Rotbraun, Orange und Purpur waren wieder populär. Mithilfe von Lipgloss schillerten die Lippen in allen erdenklichen Farben, bevorzugt in warmen Rottönen. Die ersten Lippenstifthülsen aus Kunststoff kamen auf den Markt – preiswert und bunt für die breiten Massen.

1980

VON «DALLAS» BIS MADONNA In den 1980er Jahren war der Hippie-Look endgültig passé. Die Stars und Sternchen aus den amerikanischen TV-Serien «Dallas» und «Denver» bestimmten die Beauty-Trends der Achtziger: ein extrem starkes und künstliches Make-up, das an die Farbigkeit der fünfziger Jahre erinnert. Statt Eyeliner wurde jedoch reichlich Lidschatten aufgetragen, dazu knallroter oder pinker Lippenstift. «Rouge Pur Couture N° 19» von Yves Saint Laurent, ein intensives Fuchsia-Pink, war binnen 14 Tagen weltweit ausverkauft und gehört bis heute zu den Bestsellern der Marke. Als Gegenbewegung dazu symbolisierte der aufstrebende Punk-Look den Anfang einer neuen, aufregenden Zeit. Frauen wollten keinesfalls attraktiv oder süss sein und als Sexobjekt gesehen werden, sondern provozieren. Punk wurde zur Anti-Schönheits-­ Bewegung der 1980er – mit dabei die Extravaganz von Boy George und die Mode von Vivienne Westwood und Malcolm MacLaren. Sowohl Frauen als auch Männer trugen lange Mähnen – vorne

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2020

kurz, hinten lang, auch bekannt als «Vokuhila». Dem Punk-Look entsprechend wurden die Lippenfarben eher dunkel gewählt, sogar Schwarz mit Metallic-Effekt war en vogue. Pop-Idole wie Madonna oder Annie Lennox repräsentierten die emanzipierte Frau, die sich mit androgyner Schönheit gängigen Beauty-Idealen widersetzt und zum Vorbild für viele Frauen wird.

UND WAS BRINGT DIE ZUKUNFT? Seit der Jahrtausendwende vollzieht die Mode im Beauty- und Fashion­bereich einen immer schnelleren Wechsel. Trends ändern sich im Halbjahrestakt, und auch die Lippenmode ist vielfältiger geworden: Erlaubt ist, was gefällt. Mit dem wachsenden Bedürfnis nach Individualisierung entscheidet jede Frau selbst, was ihr steht und wie sie sich schminkt. Gleichzeitig wissen wir, dass sich die Trends im Laufe der Geschichte immer wieder wiederholen. «Bezogen auf den Lippenstift werden sanfte Nude-Töne wie Beige, Rosé oder Apricot, sowohl matt als auch glänzend, weiterhin den Wunsch nach Entschleunigung und Nachhaltigkeit symbolisieren», verrät Li Edelkoort. Entscheidend ist nicht die dramatische Wirkung, sondern dass die Form der Lippen ihrer natürlichen Linie treu bleibt und die Lippenfarbe möglichst optimal an den individuellen Teint angepasst ist. «In den 2020er Jahren werden definitiv auch wieder dünnere Lippen Trend sein. Eventuell könnten sich auch Lippen in einem perfekten Rot durchsetzen, die die Gewichtung und Proportionen zwischen den Augen, den Lippen und der Silhouette harmonisch ausbalancieren – klares Signal einer Ära der Postrezession und des gesellschaftlichen Neuaufbaus.»

1990

TECHNO UND DIE ZEIT DES INDIVIDUALISMUS Mobiltelefone, Internet, Spass- und Konsumgesellschaft, Techno und die Fitness-Welle bestimmten die 1990er Jahre, ein Jahrzehnt des Kommerzes. Man verabschiedete sich vom Modediktat, suchte neue Freiheiten und mehr Individualität. Letztere wurde in den verschiedensten Bereichen ausgelebt: Tattoos, Piercings, Drogen und elektronische Musik. Nach den modischen Extremen der 1980er brachte das Jahrzehnt ein deutlich natürlicheres Make-up und eine neue Schlichtheit mit sich. Dezente Farben und ein natürlich ausgemalter, sauber konturierter Mund bestimmten den individuellen Look der Neunziger. Neben Nude-Tönen wie in den Sechzigern und dem Revival von rotbraunen Lippen in unterschiedlichsten Nuancen lagen dunkle Lipliner, mit denen die Lippen sauber konturiert und schattiert wurden, im Trend. Nicht selten wurden die Lippenränder deutlich dunkler nachgezogen als der Rest des Mundes.

2000

DAS NEUE MILLENNIUM UND DIE SUCHE NACH HARMONIE «Cocooning» heisst das Schlagwort für die Jahrtausendwende, die mit Besorgnis und Unsicherheit einherging. Man besann sich wieder auf traditionelle Werte wie Familie und Freunde, schenkte inneren Werten mehr Beachtung. In den 2000ern herrschte ein Wunsch nach Harmonie vor, der auch vor der Mode keinen Halt machte: Sie wurde einfacher, reduzierter und sportlicher. Auch Lippenform und -farbe folgten dieser natürlichen Linie. Pastellige, zart schimmernde Töne wie Beige, Rosa und Apricot, sogenannte «non-colours», unterstrichen die Natürlichkeit der Trägerin und symbolisierten den Trend nach Rückbesinnung und der Suche nach Zukunftsorientierung. Wer sich den Mund dennoch in kräftigem Rot schminkte, hatte wohl die Absicht aufzufallen.

Marilyn & Me von Lawrence Schiller 210 Seiten TASCHEN ISBN 9783836536240

2010

VOLLE LIPPEN UM JEDEN PREIS Volle Lippen waren in den 2010ern so gefragt wie nie zuvor. Kaum jemand hat von Natur aus einen Mund wie Angelina Jolie, verfolgt wurde dieses Ideal aber trotzdem. Bei mangelnder Fülle halfen Stars und Sternchen also einfach nach: Es wurde gespritzt, geschröpft, gebürstet und mit Permanent-Make-up gemogelt. Beim normalen Verbraucher hingegen spielte dieser Trend schon in den 2010ern eine eher unbedeutende Rolle – nicht zuletzt, weil professionelle Schönheitseingriffe durchaus kostspielig sind. Zudem spricht man nicht umsonst von «Schlauchbootlippen», die an eine unschöne Schwellung nach einem Bienenstich erinnern.

Madonna NYC 83 von Richard Corman 96 Seiten 80 Abbildungen Damiani Editore ISBN: 9788862082884NF

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© Jehona Abrashi

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BO(M)BASTISCHE

HAARABENTEUER

Katrin Roth arbeitet als selbständige Journalistin, Texterin und Moderatorin. Seit 2017 führt sie ihren eigenen

Autorin_Katrin Roth

Blog und testet sich dafür durch die Tuben, Töpfchen sowie Treatments der Kosmetikindustrie.

«Jö», fand Tante Stine, als sie mich mit dem neuen Kurzhaarschnitt sah. Worauf ich, in der Hoffnung auf noch mehr «Jö», mir ganz spontan die Nagelschere meiner Eltern schnappte – und gute 24 Stunden später beim Début als Kindergärtnerin mit selbst gestutzten Stirnfransen zumindest optisch ziemlich aus dem Rahmen fiel … Das war vor mittlerweile über vier Jahrzehnten und der Auftakt einer zum Teil im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubenden Suche nach der perfekten Frisur. Nicht, dass auf dem Kopf insgesamt Dramatisches passiert wäre, aber die eine oder andere Frisen-Krise blieb natürlich trotzdem nicht aus. Eine davon passierte 2009 während meines Besuches in einem extrem angesagten Salon, wo sich der Star-Figaro aus Frankreich schlicht weigerte, mir den gewünschten Pixie zu verpassen. Und stattdessen irgendwelche Stufen in meine Haare schnitt, sodass ich anschliessend wie ein zerzaustes Küken aussah. Seine Begründung: «Du hast ein Problem-Gesicht, das man verdecken sollte.» Leicht traumatisiert nach diesem zu allem Elend erst noch

ziemlich teuren Drama hatte sich für mich das Thema mit den kurzen Haaren erledigt. Stattdessen liess ich die Haare auf Schulterlänge wachsen, um mir bereits wenig später im Rahmen einer spontanen «Ich brauche eine Veränderung!»-Aktion einen Bob schneiden zu lassen. «Der Bob ist eine Kurzhaarfrisur, die in der klassischen Form etwa kinnlang geschnitten wird. Er gehörte zeitweilig zu den beliebtesten Frisuren und ist für jeden Haartyp geeignet», heisst es auf Wikipedia über jene Frisur, auf die ich gemäss Fotoalbum eigentlich schon mein ganzes Leben immer wieder zurückkomme. Vermutlich, weil dieser Schnitt tatsächlich so gut wie allen steht. Vor allem aber kommt der Bob dank unterschiedlichen Varianten nie aus der Mode. In diesem Jahr, so habe ich gelesen, tragen echte Trendsetter die Kultfrisur als Jarred Edge Bob mit feinen Stufen. Ein sehr guter Grund für mich, um bald einen Termin beim Coiffeur zu machen. WWW.SONRISA.CH

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BEAUTY &WELLBEING

BALD IST ES WIEDER FRÜHLING. DIE ZEIT, WO MAN SICH ALS FRAU WIEDER MEHR ZEIGT, SPASS AN LUFTIGEN KLEIDCHEN UND ENGEN TOPS KRIEGT, DEN GROBSTRICK UND DIE OVERSIZE-MÄNTEL IN DEN SCHRANK HÄNGT. DA KOMMEN DIE ERSTEN GEDANKEN ZUR EIGENEN PERFEKTION DER FIGUR WIEDER AUF: IST ALLES GUT DEFINIERT, GLAMOURÖS GENUG, MUSS ICH NOCH MASSNAHMEN ERGREIFEN, DAMIT ICH MEINE LIEBLINGSMODE STILVOLL TRAGEN KANN? UND SPÄTER DEN SWIMSUIT ODER DAS BIKINI? WIR ZEIGEN ANSÄTZE AUF UND MÖCHTEN SIE ZU EINEM NEUEN KÖRPERGEFÜHL INSPIRIEREN. IHREM GANZ PERSÖNLICHEN.

Unsere Schönheitsideale verändern sich wie alles um uns herum. Immer schneller, immer dynamischer. Heraklit, der griechische Philosoph, formulierte es so: «Die einzige Konstante im Universum ist die Veränderung.» Was man als schön empfindet, bestimmen Kultur und Gesellschaft. Im Orient gilt eine Frau als schön, wenn sie kurvig und gut genährt ist. Bei uns in der westlichen Welt eher, wenn ihr Körper schlank, optimal durchtrainiert und elegant ist. Doch das war nicht immer so, das Schönheitsideal hat sich auch bei uns ständig gewandelt. In den 1950er Jahren, nach dem Krieg mit vielen Entbehrungen und knappen Nahrungsmittel-Rationen, sehnte man sich nach üppigen Formen: Man sprach vom Kurvenwunder, vom weiblichen Körper mit grossem Busen, Wespentaille und ausladenden Hüften. Diese Hüften symbolisierten Fruchtbarkeit und Zukunft. Dem folgte auch die Mode: Es mussten mehr Material, mehr Fülle und mehr Opulenz her. Ein perfektes Beispiel dafür ist Christian Dior, der mit seinem «New Look» das Gefühl der Zeit perfekt einfing! Seine Kreationen wirkten luxuriös, opulent – und sehr weiblich. Aus heutiger Sicht allerdings auch etwas unpraktisch, wenig alltagstauglich, aber toll für den grossen Auftritt. Mit einer Note Theatralik. Die Role Models, also die Idole jener Zeit, waren Frauen wie Marilyn Monroe und Jane Mansfield. Mit sexy Sanduhrfiguren und einer schmalen Körpermitte, der sogenannten Wespentaille. Nach viel Sport und Bewegung sahen sie nicht aus, sie wollten eher zu- als abnehmen. Meine Mutter, die sehr schönheits- und modebewusst war zu jener Zeit, erzählte mir von der vielen Ovomaltine, die sie damals futterte, um mit ihrem gertenschlanken Körper zu mehr Gewicht zu gelangen – die ganze Familie schmunzelte über diese Aussage. «Dünne Mädchen sind keine glamourösen Models», meinte der Volksmund damals. Dann, in den Sixties, änderte sich alles wieder. Vorbilder wie das spindeldürre Model Twiggy, alias Lesley Lawson, kamen auf, sie war vermutlich das allererste It-Girl. Dünn und jungenhaft, mit grossen naiven Kulleraugen, verkörperte sie das Idealbild einer ganzen Generation. Genauso wie ihre Modelkollegin Jean Shrimpton, der man aufgrund ihrer dünnen Silhouette den Spitznamen «The Shrimp», also die Garnele, verpasste. Zu dieser Zeit schuf die englische Modemacherin Mary Quant den ersten Minirock – kurz, knackig, sexy. Und solche Mädels passten da natürlich perfekt rein. In den darauffolgenden 70ies kam sie zum Zug, die erotische Action-Heldin. Grosse TV-Serien wie «Charlie’s Angels» zeigten ein Frauenbild, das ganz anders war: durchtrainiert, dominant, willensstark. Farrah Fawcetts Bild im roten Badeanzug hing in vielen Kinderzimmern – in meinem natürlich auch. Ihre physische Ausstrahlung und ihre wilde Frisur faszinierten, verkörperten etwas, dem man nacheiferte. Die 80er Jahre waren dann wieder ganz anders: ein Jahrzehnt der Superlative. Die Schulterpolster konnten nicht ausladend genug, die Kleider nicht voluminös genug sein. Das Gleiche traf aufs Make-up zu – mehr war auch mehr. Das Wort «Konsumwahn» wurde geprägt, die ersten Supermodels wurden definiert, deren Namen uns heute noch was sagen: Cindy Crawford, Linda Evangelista, Naomi Campbell und Christy Turlington sowie die Deutsche Claudia Schiffer. Sie wurde später zur geliebten Muse von Karl Lagerfeld.

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Als hätte man sich dann aber etwas «überessen», wirkten die Bilder aus den 90ern eher mager. Die Kindfrau tauchte auf, der «Heroin Chic» verstörte unsere Eltern, wirkten die Role Models doch eher ungesund und dekadent. Die Engländerin Kate Moss war die markanteste Figur zu jener Zeit. Und dann erfolgte der grosse Paradigmen-Wechsel. Nach sehr langer Zeit, fast 70 Jahre später, schaffte es ein Körperteil glamourös, wieder in den Fokus zu rücken. In den 2010ern machten die erogenen Zonen respektive Rückseiten von Pippa Middleton, Jennifer Lopez und allen voran Kim Kardashian von sich reden. Die superrunden und klar definierten Popos dieser Ladies stellten alles andere in den Schatten. Erlangen konnte man so eine knackige Hinterseite zum einen durch die brandneuen Techniken der ästhetischen Medizin, die mit neuen Hebetechniken, Liftings und Implantaten die Rückseiten der Mädels (und Jungs) anhoben und ihnen mehr Sex-Appeal verliehen, zum andern verhalfen gezielte Fitnessübungen und etwas Ausdauer ebenso zu einem befriedigenden Resultat. Und heute? 2020 wird etwas von allem sein. Je nach Community, jeweiligem Lebensalter und Schönheitsideal sucht man sich die Komponenten aus. Und je nachdem, was man gerne trägt – enge Boyfriend-Jeans oder fliessende Kleider –, arbeitet man an sich. Wie auch immer das Ideal sein mag: Wichtig ist die regelmässige Pflege. Das beginnt bei einer Sportart, die einem Spass macht. Das kann Yoga, Pilates, Studio-Training oder Running sein. Je nach Zeit und Lust. Abwechslungsreiches Training und unterschiedliche Disziplinen versprechen jedoch den grössten Erfolg. Trockenbürsten-Massagen im Winter entfernen abgestorbene Hautschüppchen und machen die Haut wieder babyzart. Gut investiert ist das Geld in eine hochwertige Bodylotion. Besonders motivierend ist es, wenn einem der Duft gefällt – das verschafft einen tollen, sofortigen Frischekick. Besuche bei Manicure und Pédicure vermitteln ein zusätzliches Gefühl von Gepflegtsein. Ernährungscoaches bieten nützliches Wissen für diejenigen an, die sich bei der Wahl ihrer Esswaren unsicher sind. Einfach, weil es am Ende darum geht, sich selbst zu mögen, die Mode zu tragen, die man liebt, und sich einfach rundum gut zu fühlen. Das verschafft echte Präsenz und Ausstrahlung – das, was Frauen wirklich wollen!

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IM WALDHAUS FLIMS

IM

Autorin_Swenja Willms Bilder_WALDHAUS FLIMS Alpine Grand Hotel & Spa

EINTAUCHEN, abschalten, Ein Ort zum AUFATMEN Wohlfühlen und Entspannen,

Im Herzen der weitläufigen Parklandschaft steht der Waldhaus Spa, Seite an Seite mit dem waldnahen Naturschwimmteich und einem grosszügigen Aussenerlebnisbad. Ein Ort zum Abschalten und Aufatmen auf über 3000 Quadratmetern. Ob draussen, im Innenpool, in der Saunalandschaft oder an der beliebten Poolbar. Das umfangreiche Wellness-Angebot erzeugt im Waldhaus Spa die richtige Stimmung für Entspannung, Regeneration, Genuss und Vitalität. Ausgezeichnet mit dem «European Health & Spa Award». EIN GESUNDER GEIST FÜHLT SICH WOHL IN SEINEM KÖRPER Auf 1100 Metern über Meer zeigt sich nicht nur die Natur von ihrer schönsten Seite. Wo Bergkristalle funkeln und Alpenkräuter duften, hat sich das Waldhaus Flims zu raffinierten Behandlungen inspirieren lassen. Behandlungen, die die Essenz der heimischen Natur in sich tragen. Und die so nur im Waldhaus Flims zu finden sind. Das Resort arbeitet ausschliesslich mit hochwertigen Kosmetiklinien wie St Barth und Kerstin Florian zusammen. Diese bieten eine breite Palette an Beauty- und Wohlfühlbehandlungen an. Die Königsklasse der Waldhaus-Spa-Behandlung sind die exklusiven Signature Treatments, welche explizit auf Basis jahrelanger Erfahrungen von den hauseigenen qualifizierten Therapeuten extra für die speziellen Bedürfnisse der Gäste entwickelt wurden. Diese verstehen sich auch auf medizinischer Basis. So können bestimmte Körperpartien gezielt behandelt werden. Zum Beispiel mit den beiden Behandlungen «La Siala» und «Waldhaus Flims Signature Massage», die exklusiv für den Waldhaus Spa entwickelt wurden. Sie kombinieren gekonnt das Wissen von Wellness und Medizin und wirken so nachhaltig entspannend. Wertvolle Zeit zu zweit bieten die speziell für Paare konzipierten Behandlungsangebote – Seite an Seite entspannen, abschalten und Kraft tanken. In der privaten SpaSuite verschmilzt der Komfort einer gemütlichen Wohnung mit den Annehmlichkeiten eines luxuriösen Spas. Hier erwartet Besucher ein privates Wohlfühlprogramm nach persönlichen Wünschen auf einer Fläche von über 100 Quadratmetern: ein Himmelbett, separate Sauna mit Alpenkräuteraufguss, Jacuzzi-Pool, zwei Massageliegen für Behandlungen und Ruhebereich mit Erfrischungsbar.

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ein Refugium für Körper, Geist und Seele. Tauchen Sie ein in den mehrfach ausgezeichneten Waldhaus Spa, in eine Welt der Ruhe und des Wohlgefühls. Die fliessenden Übergänge von Stein zu Wasser, von Glas zu Luft erzeugen eine Atmosphäre, die dazu einlädt, sich treiben zu lassen.


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LIV LI VINGING 170


LIVING

ZWISCHEN

Autorin_Corina Rainer Bilder_Jan Kath Design GmbH

TREND UND TRADITION 171

JAN KATH BRICHT MIT SEINEN MODERNEN ORIENTTEPPICHEN TRADITIONELLE SEHGEWOHNHEITEN, DENN ER KOMBINIERT KLASSISCHE MUSTER MIT ZEITGENÖSSISCHEN DESIGNS. FRÜHER WURDE DER 48-JÄHRIGE FÜR SEINE EIGENWILLIGKEIT BELÄCHELT. HEUTE ZÄHLT DER BOCHUMER ZU DEN INTERNATIONALEN GRÖSSEN UND SETZT REGELMÄSSIG TRENDS IN DER SZENE.


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IN

«In klinisch durchgestylten Wohnungen mit hochglanzpolierten Betonböden fühlt sich niemand wirklich wohl», findet Jan Kath. «Unsere Teppiche sind Inseln zum Wohlfühlen. Sie wirken im coolen Interieur heilsam, ohne den Style zu zerstören.» Er gilt als Pionier auf dem Teppichmarkt und war einer der Ersten, der sich getraut hat, das traditionelle Handwerk mit modernen Designs zu kombinieren. Mittlerweile werden seine Kreationen regelmässig mit Design Awards ausgezeichnet und in Museen ausgestellt. Dabei wollte der Unternehmer ursprünglich gar nichts mit Teppichen zu tun haben.

VON DER BESTIMMUNG EINGEHOLT

Jan Kath ist in die dritte Generation einer Teppichhändler-Familie geboren. Aus diesem Grund besucht er schon als kleiner Junge mit seinem Vater Manufakturen im Iran und in Nepal. Während diesen Reisen entwickelt er schon früh ein Verständnis für Farbkombinationen und Proportionen – eigentlich die perfekte Vorbereitung für eine spätere Übernahme des elterlichen Geschäfts. Doch als dies in seiner Jugend zum Thema wird, findet Jan Kath die Idee alles andere als verlockend. Lieber trampt der damals 20-Jährige als Backpacker durch Asien. Schliesslich landet er nach mehreren Monaten mit dem letzten Geld in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Dort trifft er wie durch Zufall einen Bekannten seines Vaters, der nach einem Qualitätskontrolleur für seine Teppichproduktion sucht. Da Jan Kath noch keine Lust hat, nach Hause zu fliegen, nimmt er den Job erstmal an. Ohne zu ahnen, dass er mit dem Business einmal international durchstarten wird.

Marke «Jan Kath Design». Sie erschaffen unkonventionelle Kombinationen: Perserteppiche mit zerkratzten Strukturen, wilden Formen und Schriftzügen wie aus der Graffiti-Spraydose. Die Designs sorgen für Aufruhr in der Szene. Besonders, dass Jan Kath seine Werke in verlassenen Industriehallen im Ruhrgebiet inszeniert, stösst auf Unverständnis. Doch er verlässt sich da auf seine Intuition und das Motto seiner Marke: «Ihr könnt cool sein, ohne kalte Füsse zu haben!»

VON DEN FABRIKHALLEN IN DIE KÖNIGSHÄUSER

UNKONVENTIONELLE IDEEN SORGEN FÜR AUFMERKSAMKEIT

Auch wenn sein Stil anfangs auf Kritik stösst, finden die «JK»-Teppiche langsam ihren Weg in zahlreiche Königshäuser in Europa und im arabischen Raum. Auch Luxushotelketten und Stars wie Bruce Willis oder Anthony Kiedis, der Sänger der Red Hot Chili Peppers, werden auf ihn aufmerksam. Kath erhält immer speziellere Anfragen: So lässt er zum Beispiel 2011 für den Senatsaal in Bremen einen 160 Quadratmeter grossen Teppich aus 19 Millionen Knoten knüpfen. Um den tonnenschweren Teppich in den ersten Stock des Gebäudes zu tragen, sind zwei Ruderteams nötig. Im selben Jahr bestellen auch Fürst Albert II. und Charlène von Monaco bei ihm einen 103 Meter langen roten Teppich für ihre Hochzeit. Inzwischen gibt es eigene Jan Kath Stores in der ganzen Welt: Paris, Vancouver, New York, Berlin, Tokio und Sydney. Doch der grösste Showroom und die Kreativzentrale befinden sich noch immer im Ruhrgebiet. Hier, in einer ehemaligen Fabrikhalle, zwischen Stahlträgern und alten Lastkränen, empfängt er seine Kunden am liebsten.

Tatsächlich übernimmt Jan Kath nach kurzer Zeit das Geschäft und kehrt zurück in seine Heimat. Doch weil in Deutschland Orientteppiche zu diesem Zeitpunkt als überholt gelten, will er erstmal ihr verstaubtes Image aufwerten. Mit seinem Freund Dimo Feldmann arbeitet er nächtelang an eigenen Designs. Jan Kath als viel gereister Weltenbummler und Dimo Feldmann als DJ entwickeln zusammen eine unverkennbare Handschrift für die

JEDES DESIGN ERZÄHLT EINE GESCHICHTE

Die Kollektionen aus dem Hause Kath sind abwechslungsreich und decken die unterschiedlichsten Wünsche ab. Aber eines haben sie alle gemeinsam: «Jeder unserer Teppiche erzählt eine Geschichte», erklärt Kath. Wie zum Beispiel die Modelle der Linie «Spectrum». Die ungewohnten Farbwelten und sphärischen

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LIVING

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MUT ZUR IMPERFEKTION

Doch Jan Kath spielt in seinen Designs auch gerne mit Imperfektionen. Wie beispielsweise in seiner neusten Kollektion «East»: «Für mich hat das Fehlerhafte eine eigene Magie. Auch wenn unsere Teppiche detailliert geplant werden und die Knüpferinnen und Knüpfer zu den Besten der Welt gehören, können sich Fehler einschleichen. Doch gerade diese Makel – wie auch die Unregelmässigkeiten in der von Hand gesponnenen Wolle – sind es, die meinen Teppichen eine besondere Emotionalität geben.» Als Inspiration diente unter anderem die japanische Kunstform «Kintsugi». Mit dieser speziellen Technik werden zerbrochene Keramikgefässe neu verklebt. Dabei werden sie mit einer Kittmasse neu zusammengefügt, und die Bruchlinien werden mit Gold und Platin verschönert. Dass die Makel bewusst hervorgehoben werden, fasziniert Jan Kath, und er setzt dies mit «Lücken» im Design um, die mit hell leuchtender Seide aufgefüllt werden.

FAIRTRADE IST SELBSTVERSTÄNDLICH

Auch wenn Jan Kath für unkonventionelle Designs bekannt ist, in Sachen Qualität bleibt er «kompromisslos konservativ». Faire Arbeitsbedingungen sind für ihn unabdinglich: «Es ist eine moralische Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen stimmen. Wir richten Kindergärten ein, damit der Nachwuchs unserer Mitarbeiter nicht zwischen den Knüpfstühlen spielt. Das bringt die nötige Konzentration und Ruhe in die Produktion. Denn viele unserer Designs sind äusserst kompliziert zu knüpfen.» Ausserdem will er das Handwerk attraktiv halten, damit der Unternehmer auch in Zukunft auf motivierte Fachkräfte zurückgreifen kann. Bei seinen Materialien achtet er auf Fairtrade und hohe ökologische Standards. Zu dem Grundmaterial der in Asien gefertigten Kollektionen gehören chinesische Seide, Garn aus Brennnesselfasern und tibetische Hochlandwolle. Die Hirten bringen die Wolle mit Yaks von den Bergen in die Basisstation, wo sie im Fluss gewaschen und gekämmt und von Hand versponnen wird. Für die Färbung werden ökologisch getestete Spezialfarben aus der Schweiz verwendet.

JAHRHUNDERTEALTE METHODEN DES TEPPICHKNÜPFENS

Momentan decken mehr als 2500 Mitarbeitende in Nepal, Indien, Thailand und Marokko die Produktionsanfragen ab. Meistens sitzen die Knüpferinnen und Knüpfer in Teams von drei bis vier Personen nebeneinander an einem Knüpfstuhl. Sie arbeiten während drei bis vier Monaten, denn über eine Million Knoten stecken in etwa sieben Quadratmeter Teppich. Dabei müssen sie immer synchron arbeiten: Linie für Linie. Wenn eine Knotenreihe beendet ist, werden die Knoten mit dem «Schussfaden» fixiert und anschliessend mit dem Kammhammer angeschlagen. Erst dann kann mit der nächsten begonnen werden. Je komplexer das Design, desto detaillierter ist die Knüpfvorlage und je mehr Farben, desto mehr Wollknäuel liegen hinter den Knüpfern. Das Handwerk geht auf eine jahrhundertealte Tradition zurück, und in jeder Produktionsstätte wird eine unterschiedliche Knüpfmethode verwendet. Jede bringt die Designs und Materialien auf unterschiedliche Art und Weise zur Geltung: In Nepal wird beispielsweise die traditionell tibetische Knüpftechnik

Muster offenbaren Sagen und Märchen, die in düsteren Mooren und Tannenwäldern spielen. Aus diesem Grund tragen einige dieser Modelle auch Namen wie «Levico» (ein kleiner, wenig bekannter See in Italien). Oder die Kollektion «Yantra»: Sie widmet sich der Geschichte des Quadrats. Es eignet sich aufgrund seiner Ebenmässigkeit besonders gut als Grundlage für ein Design. Bereits Platon nannte die Form «vollendet schön». Zudem ist das Quadrat die Grundform vieler Meditationsbilder im Hinduismus und Tantrismus sowie Grundriss von zahlreichen Tempeln, Altären, Klöstern und Städten.

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verwendet. «In Marokko verwenden wir etwa den nomadischen Berberknoten, der rustikal und archaisch wirkt», so Jan Kath. «Ich liebe diese unterschiedlichen Ausdrucksformen, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, sie zu erhalten.»

Schluss wird jeder Teppich mühevoll von Hand getrimmt, bevor er schliesslich verpackt und verschickt wird. Dieser Produktionsablauf braucht Geduld: Von Anfang bis Ende dauert es ungefähr ein halbes Jahr, bis ein Teppich fertiggestellt ist.

DIE TECHNIKEN BLEIBEN EIN GEHEIMNIS

REBELL UND TRADITIONALIST ZUGLEICH

Die verschiedenen Knüpftechniken sind jedoch nicht das einzige Erfolgsgeheimnis. Auch die speziell für Jan Kath entwickelten Techniken sind entscheidend. Durch die speziellen Verfahren sind seine Teppiche nur schwer zu kopieren, und das schützt seine Marke vor billigen Reproduktionen. In der Kollektion «Erased Heritage» wird der Teppichflor beispielsweise so abgebrannt, dass ein spezieller «used» Look entsteht. Die unterschiedliche Hitzebeständigkeit der verwendeten Materialien macht dies möglich. Dadurch sieht der Teppich so aus, als wären bereits tausende Füsse darübergegangen. Doch alles Weitere ist Betriebsgeheimnis. Auch der Prozess des Waschens kann den Look des Teppichs massgeblich beeindrucken: Entweder fördert er die Brillanz der Farben oder lässt sie zurückhaltend erscheinen. Zum

Auch wenn seine Designs rebellisch sind, als Geschäftsmann bleibt Jan Kath ein Traditionalist. So führt er sein Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder David Kath und seiner Mutter Ruth Kath. Im Familienbetrieb ist auch noch immer sein Jugendfreund Dimo Feldmann. Noch immer tüfteln sie zusammen nächtelang in Bochum an Entwürfen. Und noch immer findet Jan Kath seine Inspirationen auf der ganzen Welt – sei es ein Blick aus dem Flugzeugfenster auf die Wolken über dem Himalaya oder eine folkloristische Tischdecke in einer russischen Bar in New York. Irgendwie schafft er es, in seinen Kreationen alt und neu, fremd und heimisch, perfekt und imperfekt zu vereinen. Jan Kath ist ein Meister der Kontraste. Und es scheint, als wäre es genau das, was seine Teppiche so beliebt macht.

Die verwendete tibetanische Hochlandwolle besitzt eine heterogene Struktur, dies ist gewollt.

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CLASSIC BLUE

DAS RENOMMIERTE FARBINSTITUT PANTONE ZEIGT SICH DIESES JAHR ZEITLOS, BESTÄNDIG UND ELEGANT –  S O WIE DIE GEKÜRTE TRENDFARBE 2020 «CLASSIC BLUE».

DEKORATIV Die Kollektion «Tandrillah» ist das Ergebnis aus der Vorstellungskraft der französisch-brasilianischen Architektin Elizabeth de Portzamparc und der Expertise von Lalique. «Tandrillah» ist die Kristallisation eines neuen Abenteuers in der «Crystal Architecture»-­ Reihe, die seit 2014 Original-Entwürfe der grössten kreativen Kräfte der Architektur versammelt. «Tandrillah» ist das Ergebnis langjähriger Experimente von Elizabeth de Portzamparc in den Bereichen Architektur, Design und Städtebau und greift auch auf die Trendfarbe 2020 zurück.

KÖNIGLICH Wer seinen Raum vollständig in der Trendfarbe einkleiden möchte, der greift zur Tapete: Antike Symbole, Vintage-Patente und -Zeichnungen, berühmte mathematische Formeln oder ikonische Fotografie – ­es darf sich bunt ausgelebt werden. Pure Eleganz verkörpert «La Volière», eine Tapete von Mindthegap mit grossformatigen Papageien und Laubillustration, die das Aussehen eines königlichen grossen Vogelkäfigs wiedergibt. PORTUGIESISCHES FLAIR Handbemalte Fliesen haben im Laufe der Jahrhunderte einen privilegierten Platz in der Architektur erlangt. Um die portugiesischen handbemalten Fliesen zu ehren, hat Boca do Lobo das Heritage Sideboard im klassischen Blau geschaffen. Im Inneren gibt es eine Tür und vier Schubladen, die vollständig mit Blattgold ausgekleidet sind, und es enthält ausserdem zwei Regale aus Bronzeglas.

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Auf Luxus gebettet

Autorin_Swenja Willms Bilder_Vispring Luxury Beds – London 1901

AUF DER IMM COLOGNE VOM 13. BIS 19. J ANUAR STELLTE VISPRING DAS NEUE LIMITED-EDITION-BETT CAROLINE VOR, WELCHES DERZEIT EXKLUSIV AUF DEM EUROPÄISCHEN MARKT ERHÄLTLICH IST. DAS LIMITIERTE BETTBÜNDEL MIT MATRATZE, DIWAN, KOPFTEIL UND BEINEN VEREINT DIE TRADITION UND DEN KOMFORT EINES VISPRING-BETTES MIT MODERNEM DESIGN. Vispring, die britische Luxusbettmarke, hat ein brandneues, limitiertes Bettbündel namens Caroline auf den Markt gebracht, das eine Matratze, einen Diwan, ein Kopfteil und Beine umfasst. Die exklusiven Beine in italienischem Mattanthrazit erwecken den Eindruck eines schwimmenden Bettes. Das Bett ist in Grossbritannien handgefertigt und besteht aus natürlichen Materialien wie seidigem Bambus, flauschigem Alpaka und TENCEL™ – einer superweichen Faser, die aus dem Fruchtfleisch von nachhaltig gewachsenen Bäumen hergestellt wird. Hochwertiges belgisches Ticking und handgetufteter Filz sorgen für luxuriösen Komfort. Wie alle Vispring-Matratzen verfügt Caroline über handgenähte Kalikotaschenfedern und die vier Spannmöglichkeiten weich, mittel, fest und extra fest. Ein flacher Diwan und ein zeitgemässes italienisches Metallbein verleihen Caroline ein schwebendes Aussehen und ein elegantes, flaches Profil, während das Bett mit einem brandneuen Kopfteil mit weichen, abnehmbaren Kissen versehen ist, die mit geschmeidigen Lederriemen am Bett befestigt sind. MEISTER IHRES HANDWERKS Vispring wurde 1901 gegründet und ist die ultimative Adresse für massgeschneiderte Luxusbetten und -matratzen. Das Unternehmen schätzt Exzellenz und Handwerkskunst und vereint das Beste aus britischem Design und Materialien, um das perfekte Schlaferlebnis zu schaffen. Bereits in den Gründerjahren führte Vispring als Erster Federn mit individueller Tasche in Matratzen ein. Heute steht Vispring an der Spitze des Luxus, da die massgeschneiderten Betten technisches Know-how mit den besten natürlichen Zutaten kombinieren. Vispring bekennt sich zu seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt. Aus diesem Grund wird jedes natürliche Material nachhaltig beschafft, und die Matratzen sind vollständig biologisch abbaubar. Alle Hölzer stammen aus verantwortungsbewusst bewirtschafteten Wäldern, die vom Forest Stewardship Council zertifiziert wurden.

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WELTHAUPTSTADT

Als Europäische Kulturhauptstadt hat die französische Stadt Lille bereits 2004 überzeugt. Nun steht bei der Metropole der nordfranzösischen Region Hauts-de-France Design im Mittelpunkt.

DES DESIGNS

Nach den grossen Städten Turin, Seoul, Helsinki, Kapstadt, Taipeh und Mexico City wurde nun zum ersten Mal eine französische Stadt für ihre vielen innovativen Initiativen im Designbereich von der World Design Organization (WDO) zur Welthauptstadt des Designs 2020 gekürt. Lille präsentiert ein Festprogramm, das ganz im Zeichen der Innovation steht und voller Überraschungen steckt. KULTURELLES ERBE Die Stadt Lille bildet das Zentrum des Gemeindeverbandes «Métropole Européenne de Lille», kurz «Lille Métropole», zu dem auch alle angrenzenden Gemeinden gehören, liegt an der Grenze zu Belgien und ist nur eine Stunde von Paris entfernt. Mit einem schönen Mix aus französischer Lebensart und flämischer Tradition lockt die Schönheit im Norden von Frankreich immer mehr Touristen an. Das Auto kann man hier getrost stehen lassen, denn in Lille flaniert, radelt oder nutzt man die öffentlichen Verkehrsmittel. Völlig zu Unrecht wurde diese Gegend etwas stiefmütterlich behandelt, denn die Stadt ist eine Schatzkammer architektonischer Sehenswürdigkeiten, die an die spanische, österreichische und flämische Vergangenheit erinnern. Durch die damalige Ernennung zur Kulturhauptstadt 2004 wurde die Altstadt liebevoll restauriert, und das Flanieren durch die hübschen Gassen ist zugleich eine kulturelle und gastronomische Entdeckungstour. IM ZEICHEN DES DESIGNS Der Grossraum Lille präsentiert sich als Metropolregion und setzte sich im Auswahlverfahren zur Welthauptstadt des Designs gegen die internationalen Konkurrenten mit einem originellen Vorschlag durch. Mit innovativen Projekten und frischen Ideen werden nun die Hauptstadt der Region Hauts-de-France und die 90 dazugehörigen Gemeinden, die zusammen Lille Métropole bilden, für ihre wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und ökologischen Initiativen belohnt. Die Region macht Design zum Wandel in allen Bereichen des Lebens und präsentiert Gestaltungsideen, welche die sozialen, urbanen und kulturellen Entwicklungen vorantreiben sollen. Zugleich werden mit Best-Practice-Beispielen der Öffentlichkeit neue Modelle vorgestellt. Koordiniert werden die Projekte von der «République du Design», welche ein breit gefächertes Konsortium von Interessengruppen vereint. Die Mission lautet,

Autorin_Lone K. Halvorsen

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Das Motto lautet: die Gehirnzellen zum Glühen bringen und so viele Ideen wie möglich zum Thema Design und dessen Bedeutung für die Zukunft und das Wohlbefinden aller zu sammeln.

MIT IHRER STRATEGISCHEN LAGE IM HERZEN EUROPAS IST LILLE EINE METROPOLE VON KULTURELLER UND KREATIVER RELEVANZ FÜR DIE GESAMTE REGION UND DARÜBER HINAUS. 182


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Best-Practice aus aller Welt nutzen, um unsere Region zur besten zu machen, die sie sein kann? Lille wird daher keine Resultate, sondern einen «work in progress» zeigen. Design wird in Lille zum Inkubator einer Stadtentwicklung, die nachhaltig ist, den Menschen und seine natürliche Umwelt respektiert und eine Zukunft schafft, die lebenswert ist.

in Städten mit deren Bürgern, Künstlern, Start-ups und Forschern Ideen zu wecken, denen der Übergang vom Konzept zum Projekt gelingt, die getestet und als Modelle verwendet werden können. Das Programm wird mit Gesprächen, Podiumsdiskussionen, Workshops, Events und Führungen über das Jahr verteilt umrahmt. Damien Castelain, der Präsident der «Métropole Européenne de Lille», formuliert es wie folgt: «Design ist ein Beschleuniger für den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Wandel, und das war in Lille dringend erforderlich. Ich wusste auch, dass die ‹Métropole Européenne de Lille› mit ihrer Vielfalt, ihrem kulturellen Reichtum und Unternehmertum, der Einbeziehung öffentlicher und privater Akteure und Bürger ideale Bedingungen für Experimente bieten könnte.»

DESIGN IS CAPITAL Als Welthauptstadt des Designs präsentiert Lille Métropole ein reichhaltiges und kreatives Programm, das auf vier Jahreszeiten aufgeteilt wird. Als grosses innovatives Experimentierprojekt wurden über 600 Ideen und Projekte – von klein bis gross – angemeldet und tragen den Titel POC (Proof of Concept). Bereits Ende 2019 begann es mit dem Winter-Programm «Bewusstsein» und dem World-Design-Street-Art-Festival. Die Fragen «was ist Design, wozu dient Design und warum ist Design für uns alle relevant?» wurden thematisiert mit dem Ziel, das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit weiter zu schärfen. Hierzu finden unter anderem Workshops zum Thema «Designer für Anfänger» für Bürger und Schüler statt. Mit der offiziellen Eröffnung der Maisons POC in Lille am 29. April 2020 steht der Frühling im Zeichen der «Offenbarung». Dazu werden zahlreiche Interpretationen zu den Themen Wohnen, Wirtschaft, die kollaborative Stadt, Pflege und öffentliches Handeln vorgestellt. Die dritte Saison, der Sommer, ist die Zeit der «Erfüllung» und wird sich auf Begegnungen und Austausch konzentrieren. Mit unterhaltsamen und partizipativen Veranstaltungen werden die Einwohner von Lille Métropole an zwei wichtigen Orten zusammengeführt: am Grand Boulevard und am Fluss Deûle – vom Bergbaugebiet bis zur Schelde. Ausserdem werden von der Schule für angewandte Kunst und Textilien Roubaix Sommer-Camps organisiert mit dem Ziel, Designer, Architekten und Studenten weltweit zusammenzubringen. Zudem werden die Studierenden anhand von Fallstudien die Herausforderungen an der Transformation von Lille Métropole vorstellen. Der Herbst hingegen ist die Zeit der Vollendung und der «Leistung» – und zugleich auch die letzte Jahreszeit. Mit mehreren Veranstaltungen wird die Welthauptstadt des Designs sich nun in der finalen Zeit auf die globale Bühne begeben. Mit der «Design Week» und zu guter Letzt den «POC Awards», wo die besten Leistungen von allen Projekten und Mitwirkenden an der «Lille Métropole 2020» ausgezeichnet werden, geht die Zeit als Welthauptstadt des Designs zu Ende. Für Lille Métropole wird zweifellos Design in der Zukunft ein bedeutender Bestandteil bleiben.

DIE ZENTRALEN FRAGEN Die World Design Organization (WDO) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die zur Förderung des Berufs des Industriedesigners gegründet wurde. Die Organisation setzt sich für Innovationen ein, die durch Industriedesign eine bessere Welt schaffen sollen, indem sie mit den über 170 Mitgliederorganisationen auf der ganzen Welt internationale Programme durchführt. Die Entscheidung der WDO-Juroren fiel auf Lille, nachdem sie sich vor Ort ein Bild der Region machten. Der Industriedesigner Prof. Mugendi M’Rithaa fügt hinzu: «Mit ihrer strategischen Lage im Herzen Europas ist Lille eine Metropole von intellektueller, kultureller, sozioökonomischer und kreativer Relevanz für die gesamte Region und darüber hinaus. In ihrer Bewerbung verweist die Stadt Lille auf ihre kreative Tradition und ihr vielseitiges Erbe, gleichzeitig stellt sie die Rolle von benutzerzentriertem Design als treibende Kraft für nachhaltige Veränderungen auf lokaler und regionaler Ebene eindrucksvoll in den Vordergrund. Die Metropole Lille ist somit durch ihre Vielfalt, ihren kulturellen Reichtum und ihren Unternehmergeist sowie die Einbeziehung öffentlicher und privater Akteure wie auch Bürger ideal positioniert.» Die ehemalige Industriestadt versucht, den notwendigen Strukturwandel mit dem weitreichenden Projekt «Eldorado: The Greatest Design Experiment» voranzutreiben. Mit diesem Projekt, bei dem Design in den Mittelpunkt ihres wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Wandels rückt und zum treibenden Faktor für eine Erneuerung der Stadt wird, soll die Kreativindustrie gestärkt werden. Während der zweijährigen Amtszeit als «World Design Capital» wird die Metropole die folgenden drei Fragen stellen: Was ist Design? Wie hat Design unsere Gesellschaft und unsere Region verändert? Wie können wir die Erfahrung von

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Naturklang im Wohnpark Ausserdorf.

DER WEG ZUM PERFEKTEN EIGENHEIM

Autorin_Swenja Willms Bilder_QUARTETT Immobilien GmbH

DIE EIGENEN VIER WÄNDE SIND HÄUFIG AN VIELE WÜNSCHE UND ANFORDERUNGEN DER KÄUFERSCHAFT GEKNÜPFT. DAS IDEALE EIGENHEIM AUF DEM MARKT ZU FINDEN, ERFORDERT GEDULD UND KOMPROMISS­BEREITSCHAFT, DENN DAS WUNSCHOBJEKT ALS SOLCHES EXISTIERT OFTMALS NUR IM KOPF. ELISABETHA GOJANI, GESCHÄFTSLEITERIN DER QUARTETT IMMOBILIEN GMBH, ERKLÄRT, WIE DIE SUCHE NACH DEM PERFEKTEN EIGENHEIM TROTZDEM GELINGT.

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Lage wohnen wollen, wo nicht viele Liegenschaften veräussert werden, dann wird die Suche automatisch etwas in die Länge gezogen. Oder wenn ich Extrawünsche habe, die nicht jede Liegenschaft mit sich bringt, wird es auch nicht einfacher. Entweder man entscheidet sich für eine Immobilie, die im Angebot ist, oder übt sich in Geduld.

PRESTIGE: Frau Gojani, die eigenen vier Wände gelten in der Regel als langjährige solide Investition. Bestätigen Sie diese These auch heute noch? ELISABETHA GOJANI: Von meiner Seite aus gelten Immobilien nach wie vor als eine der besten Anlagen, sei es für private Anleger, Unternehmen oder Investoren. Für jede Sparte kann der Kauf einer Immobilie interessant sein. Auslöser hierfür ist sicherlich die Stabilität, die wir hier in der Schweiz immer noch geniessen dürfen. Natürlich sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren stetig angestiegen, was für Käufer im ersten Moment weniger attraktiv erscheint, mit den heutigen Finanzierungslösungen jedoch kann man über den Preis hinwegsehen. Immobilien sind die besten Anlagegeschäfte.

Eine gewisse Kompromissbereitschaft wird also vorausgesetzt? Häufig existiert in den Köpfen der Käufer bereits das Wunschobjekt. Dieses als solches, gibt es aber nicht. Klar gibt es Objekte, die sehr viele Kriterien erfüllen, aber ein Objekt, das alles erfüllt, was ich mir wünsche, gibt es nicht. Selbst wenn ich als Bauherrin von Grund auf neu bauen will, muss ich mich anpassen und einschränken. Wo steht mein Grundstück, welche Ausnützungsziffer habe ich, in welcher Zone befindet sich die Parzelle, und was wird mir nach Bauordnung der zuständigen Gemeinde gestattet? Der Erwerb oder Bau ist vergleichbar mit einer Partnerschaft oder einem Job. Es gibt Kleinigkeiten, die vielleicht nicht perfekt sind, die man aber gerne in Kauf nimmt, weil alles andere stimmt. Und wenn 80 Prozent stimmen, dann sollte man unbedingt zuschlagen!

Was sollte beim Kauf eines Eigenheimes beachtet werden, um nicht in die Schuldenfalle zu tappen? Grundsätzlich ist der Kauf einer Immobilie heutzutage relativ sicher. Die Finanzierung wird jeweils vor dem Kauf von der Bank beziehungsweise von einer Versicherung geprüft. Diese haben in den letzten sieben Jahren den Faden etwas strenger gezogen. Früher wurden Hypotheken etwas freizügiger vergeben. Mittlerweile wurden die Massnahmen jedoch wesentlich schärfer, und Finanzierungen werden tiefgründiger bewertet. Dabei werden Eigenmittel und die Tragbarkeit der Käuferschaft im Verhältnis zur Immobilie gerechnet. In der Norm sollten 33 Prozent für die Tragbarkeit vorausgesetzt werden können. Bei Rendite-Liegenschaften wird neben dem Kapital auch die Liegenschaft an sich genauer unter die Lupe genommen. Ein wichtiger Faktor ist und bleibt die Lage, in der das Objekt steht, also in welcher Region oder Gemeinde und an welchem Standort. So kann der Markt exakt analysiert werden. Für diese Art von Immobilie muss der Käufer wissen, zu welchen Preisen er die Wohnungen vermieten kann. Dies setzt Wissen über den aktuellen Markt voraus. Folglich müssen ähnliche Wohnungen im Marktsegment verglichen werden, in der gleichen Grösse, Erscheinung und mit vergleichbarem Ausbaustandard. Wenn der Marktpreis vom eigenen Objekt abweicht, ist Vorsicht geboten. Hier drohen Leerstände aus zwei Gründen: Es hat zu viele Wohnungen, oder keiner ist bereit, den gewünschten Mietpreis zu zahlen, da es vergleichsweise ähnliche Angebote zu einem günstigeren Preis gibt.

WWW.QUARTETT-IMMOBILIEN.CH Elisabetha Gojani weiss um die Einzigartigkeit jeder Immobilie.

Neubau, gebrauchte Immobilie oder Altbau: Welche Immobilien eignen sich? Wenn man eine Liegenschaft als Investition erwerben möchte, also um diese weiterzuvermieten, um Einnahmen zu generieren, würde ich auf jeden Fall den Neubau empfehlen. Der Neubau punktet mit einer fünfjährigen Garantie der Handwerkerarbeiten. Neubauten sind selbstverständlich teurer als ältere Liegenschaften, aber dafür muss ich mich in den nächsten Jahren nicht um die Instandhaltung des Hauses kümmern. Wie lange dauert die Suche nach dem perfekten Eigenheim? Wichtig beim Kauf einer Immobilie ist der Zeitpunkt. Und wie fest man dazu entschlossen ist, Besitzer zu werden. Wenn man sich auf die Suche nach geeigneten Immobilien begibt, kann man innert sechs Monaten fündig werden. Der Markt ist gross, und es hat viele Liegenschaften, die sich gut präsentieren. Sicherlich sind die Angebote für viele interessant. Wenn jedoch nach etwas Spezifischem gesucht wird oder die Käufer an einer besonderen

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FEUERSTEIN ESSENTIALS Feuerstein-Produkte duften nicht nur wunderbar, sondern verschönern die Räume auch als elegante Accessoires. Raumduft in drei Duftnoten in Apothekerf lasche mit handgedrechseltem Holzzapfen und dunklen Kapillarstäbchen. 1000 ml im Violettglas.

F K KFF

Stuhl «GAIA CASUAL» mit Armlehnen sowie weich gepolstertem und gegurtetem Sitz. 4-Fuss-RundrohrGestell und komfortable türkisfarbene Rückenelemente.

POLS POTTEN

HOUTIQUE

Die Spring-Summer-Kollektion 2020 von pols potten erstrahlt in tiefgründigen Farbtönen. Dieser Krug in Form eines Fisches wird von Hand gefertigt und besteht aus recyceltem Glas.

Der von der italienischen Designerin Elena Salmistraro entworfene Bonnet-Spiegel verbindet Vergangenheit und Gegenwart, um durch Reflexionen eine neue aufregende Zukunft zu schaffen.

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TRENDS


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Das Design von artisan Special Edition lehnt sich an die geschichtsträchtige Handwerkskunst der Keramik an. Modern interpretiert verleihen sie der Fliese eine neue Dimension. Das Badmöbel artisan ist eine Special Edition, mitentworfen von pura bagno by Grüter und produziert in der talsee Manufaktur in Hochdorf.

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CU LINA RI UM CULI NA RIUM

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© Jennifer Endom – 7132 Hotel, Vals

CULINARIUM

INTERNATIONALES RENOMMEE GENIESST VALS NICHT NUR WEGEN SEINER MINERALQUELLEN ODER DANK DES ARCHAISCHEN, AUS MEHR ALS 60’000 QUARZIT-PLATTEN ERRICHTETEN THERMENBAUS NACH PLÄNEN DES SCHWEIZER STARARCHITEKTEN PETER ZUMTHOR. MIT DEM 7132 HOTEL UND DEM ANGESCHLOSSENEN HOUSE OF ARCHITECTS, DAS DESIGNLIEBHABER AUS DER GANZEN WELT ANZIEHT, VERFÜGT DAS TAUSEND-SEELEN-DORF AM ENDE DES LUMNEZIA-TALES AUCH ÜBER EINEN DER EXKLUSIVSTEN BEHERBERGUNGSBETRIEBE DER GESAMTEN EIDGENOSSENSCHAFT. KULINARISCHES AUSHÄNGESCHILD DES HAUSES IST DAS STYLISHE, MIT ZWEI MICHELIN-STERNEN UND 18 GAULT-MILLAU-PUNKTEN GEADELTE RESTAURANT 7132 SILVER UNTER ÄGIDE VON AUSNAHMETALENT MITJA BIRLO – DEM WAHRSCHEINLICH UNBEKANNTESTEN SPITZENKOCH DER SCHWEIZ.

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© Global Image Creation – 7132 Hotel, Vals

DER AROMENMAGIER


© Global Image Creation – 7132 Hotel, Vals

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CULINARIUM Autor_Thomas Hauer

GANZE

Der exklusive Fuhrpark des 7132 Hotels inklusive privatem Helikopter lässt keine Wünsche offen.

Ganze zwölf Minuten dauert ein Taxiflug mit dem hoteleigenen Eurocopter EC 130 vom Helipad in Göschenen über den Oberalppass nach Vals normalerweise. Aber weil das Wetter gut ist, dreht unser Pilot noch eine Panoramarunde über Flims, Laax und die Rheinschlucht, bevor er schliesslich punktgenau auf einem kleinen Wiesenkarree im Valser Ortsteil Lugnez aufsetzt, wo der Hotelshuttle uns bereits erwartet. So ein privater Helikoptertransfer – für Gäste der Penthouse-Suiten von und zu jedem internationalen Airport oder Helilandeplatz innerhalb der Schweiz bereits im Übernachtungspreis inkludiert – ist nur eines der zahllosen Extras, die das «7132» von anderen Häusern in der 5-Sterne-Superior-Liga abheben. Klar, dass da auch das gastronomische Angebot passen muss. Dabei waren die Umstände, unter denen Küchenchef Mitja Birlo seinen Posten im Mai 2018 antreten musste, alles andere als glücklich. Birlos damaliger Chef Sven Wassmer, unter dessen Ägide der gebürtige Bielefelder schon drei Jahre als dessen Nummer zwei gearbeitet hatte, verliess nach einem Zerwürfnis mit Hoteleigentümer Remo Stoffel quasi über Nacht seinen Posten in Richtung «Quellenhof», und der Souschef wurde fast ebenso schnell aus der zweiten Reihe an die Poleposition der Küche des damals bereits hochdekorierten «Silver» katapultiert. Doch das ist Schnee von gestern. Längst hat Birlo Kritikern wie Gästen bewiesen, dass er in jeder Hinsicht ein würdiger Nachfolger Wassmers mit ganz eigener Handschrift ist. An der Seite Birlos und seiner insgesamt siebenköpfigen Küchenbrigade steht mit dem gerade mal 26 Jahre jungen Dominic Lackner ein nicht minder talentierter, hochsympathischer Restaurantleiter und Sommelier, der die Kreationen Birlos kongenial zu begleiten weiss. Dazu steht ihm ein imposanter Weinkeller zur Verfügung, in dem aktuell Preziosen im Gegenwert von rund zwei Millionen Franken lagern. Dank seiner parallel absolvierten Kochausbildung läuft Lackner aber auch bei der zunehmend in Mode kommenden alkoholfreien Menübegleitung zur Hochform auf. Ja manche der «Elixiere», die er wie ein neuzeitlicher Alchemist aus Früchten, Gemüsen, Kräutern und Gewürzen in der «Silver»-Küche zusammenbraut, schlagen in Sachen Speisen-Getränke-Harmonie sogar die Trouvaillen aus der Weinschatzkammer. Ein besonderes Augenmerk in Sachen Wein gilt im «Silver» übrigens seit jeher lokalen Tropfen aus der Bündner Herrschaft, darunter auch fast Vergessenes wie die hochspannenden Weine aus der autochthonen Rebsorte Completer, sowie edelsten BordeauxGewächsen – nicht zuletzt, weil die ein Steckenpferd von Eigentümer Stoffel sind. So

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bringt es die Karte am Ende auf rund 750 Positionen mit einer in Teilen bemerkenswerten Jahrgangstiefe. Und auch Liebhaber von Schaumweinen kommen im «Silver» auf ihre Kosten – tatsächlich gehört das «Silver» zu den grössten Abnehmern von Roederer Cristal in der ganzen Schweiz, der hier nicht kisten-, sondern gleich palettenweise bestellt wird. Aber Lackner baut auch gerne Champagner von kleinen, allenfalls Champagner-­ Connaisseuren bekannten Erzeugern in seine Weinbegleitung ein, die sich neben den grossen Namen nicht nur qualitativ behaupten können, sondern auch mit einem hervorragenden Preis-Genuss-Verhältnis punkten. Doch zurück in die Küche. Die Küchenphilosophie Mitja Birlos, dessen Vater bei einer Versicherungsgesellschaft arbeitet und dessen Mutter studierte Modedesignerin ist, was vielleicht erklärt, warum unbändige Kreativität und technische Perfektion auf seinen Tellern scheinbar fast spielerisch Hand in Hand gehen, lässt sich verkürzt so zusammenfassen: das Beste, was die Region kulinarisch zu bieten hat, wo es Sinn macht verfeinert mit internationalen Luxusprodukten. Denn Regionalität ist für den Küchenchef des «Silver» kein Fetisch. Im Gegenteil. Sinn müssen die Teller ergeben. So finden sich Pommernenten, die die Familie Tönz auf ihrem nahegelegenen Hof exklusiv für das «Silver» züchtet, Bergsaibling und Huhn aus dem Val Lumnezia oder Valser Rustico und Ricotta ebenso selbstverständlich in den Kreationen Birlos wieder wie bretonischer Hummer, Kaviar, Trüffeln oder High Grade Kobe-Beef aus Japan. Als Nächstes steht ein Projekt mit einem Züchter an, der für das «Silver» die seltenen Turopolje-Schweine, die ursprünglich aus Kroatien stammen, grossziehen wird. Vom Frühjahr bis in den Spätherbst bricht die Brigade ausserdem mindestens zweimal die Woche mit Körben und Rucksäcken bewaffnet in die nähere Umgebung auf, um im Wald und auf den Fluren frische Kräuter, Pilze, Wildgemüse oder Beeren zu sammeln, die das Küchenteam anschliessend in das Zehn-Gänge-Menü einbaut, in dem Birlo, je nach Saison und Warenverfügbarkeit, immer wieder einzelne Gänge austauscht und das sich auf diese Weise quasi konstant weiterentwickelt. Zur Einstimmung auf den Abend schickt die Küche aber erst einmal fünf kleine Amuse-Bouche voraus. Doch keine Angst, die Portionen sind perfekt proportioniert, sodass man sich selbst nach diversen Desserts und Mignardises noch rundum wohl fühlt. Wie aber sieht nun ein typischer Gang mit der Handschrift Birlos aus? Nun, bleiben wir doch gleich beim offiziellen Menü-Auftakt: Chawanmushi, ein in der Textur ein wenig an Seidentofu erinnernder japanischer Eierstich, der sich sehr gut aromatisieren lässt, gepaart mit herzhaftem Valser Topinambur und Kaviari Kristal Kaviar. Eine spannungsgeladene Kombination aus der erdigen Süsse der Jerusalem-Artischocke mit der salzig-jodigen Note des frischen – das heisst unpasteurisierten – Kaviars und der streichel­ zarten Cremigkeit des Chawanmushi, die beides aromatisch zusammenbindet. Wow. Der Gaumenschmeichler wird perfekt ergänzt von einem slowenischen Orange-Wein aus der autochthonen Pinella-Rebe. Auch optisch ist dieser Menü-Auftakt ein absoluter Hochgenuss. Das gilt auch für den saftigen Zander aus dem Lago Maggiore, begleitet von Pistazien und würzigen Salzzitronen im zweiten Durchgang. Dazu reicht Dominic Lackner entweder einen 2009er Lagen-Riesling Smaragd «Vom Stein» des Nicolaihofs in der Wachau, Österreichs ältestem Weingut, der bereits deutliche Petrolnoten zeigt, oder als alkoholfreie Alternative einen kräuterigen Drink auf Basis von gerösteten Pistazien, Gurke und Estragon. Deutlich internationaler wird es dann mit bretonischem Hummer, Shiso und Minzöl. Während Shiso, dessen komplexes Aroma an eine Mischung aus Zitrone, Koriander und Anis erinnert, aktuell ja fast schon inflationär in der Sterneküche verwendet wird, ist es bei diesem Gang vor allem die Kombination des saftigen Hummers, der in einer kräftigen Bisque serviert wird, mit dem intensiven Minzöl, der dem Gang Tiefe verleiht und einen überraschenden Geschmacksakkord bietet, den wir so bisher nicht kannten. Chapeau! Der dazu offerierte 2008er Puligny-Montrachet 1er Cru «Les Combettes» von Kultwinzer Jacques Prieur ist schlicht atemberaubend. Ebenfalls hervorragend gefallen hat uns eine Gemüseterrine, aufgebaut aus unzähligen hauchfeinen, knackigen Gemüsestreifen, verfeinert mit Périgord-Trüffel und Joghurt, begleitet von einem wahren Champagner-Schatz: dem «Fidèle» Extra Brut Blanc de Noirs des kleinen Produzenten Vouette et Sobrée, der in einer Art Solera-System – wie man es normalerweise vom Sherry kennt – produziert wird. Nach einem weiteren Zwischengang – ein geniales Rindstatar mit Safran und Meerrettich – begegnen wir schliesslich der eingangs erwähnten Pommernente.

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© Jennifer Endom – 7132 Hotel, Vals

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RECHTS Ein «schwarzes» Zimmer nach einem Entwurf von Peter Zumthor im House of Architects.


CULINARIUM

© Global Image Creation – 7132 Hotel, Vals

DAS BESTE, WAS DIE REGION KULINARISCH ZU BIETEN HAT, WO ES SINN MACHT VERFEINERT MIT INTERNATIONALEN LUXUSPRODUKTEN

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WWW.7132SILVER.COM

© Global Image Creation – 7132 Hotel, Vals

Der neu gestaltete Eingangsbereich des 7132 Hotels nach Plänen des Amerikaners Thom Mayne.

Hier als sous-vide gegarte Brust mit Kürbis und Salbei. Traditionell werden die Hauptgänge im «Silver» stets von einem grossen Bordeaux-Wein begleitet. So auch hier dank eines 2005er 2ème Grand Cru Classé aus Saint-Julien vom grossartigen Château Léoville-Barton, der sich momentan auf einem ersten Höhepunkt präsentiert. In Sachen Dessert ist die Küchenleistung ebenfalls über jeden Zweifel erhaben. Besonders gut gefällt uns ein Sorbet auf Basis von Quitte, «Bündner Calvados» vom Weingut von Tscharner und etwas Wermut Antica Formula, das direkt am Tisch mit Hilfe von flüssigem Stickstoff aufgeschlagen wird. Nicht nur eine tolle Show, sondern auch ein Gaumenkitzel der ganz besonderen Art: Durch das sekundenschnelle Gefrieren der Zutaten im minus 176 Grad kalten Stickstoff haben die Eiskristalle praktisch keine Zeit zu wachsen und bleiben so winzig klein, dass sich das Sorbet auf der Zunge wie gefrorene Seide anfühlt. Ein kulinarischer Gänsehautmoment und gutes Beispiel dafür, wie der Einsatz von Technik zur Intensivierung des Genusserlebnisses beitragen kann und eben nicht nur als blosse Spielerei um eines billigen Showeffektes willen daherkommt. Die beiden weiteren Desserts – eine süss-salzige Komposition aus Valser Ricotta, Dörraprikosen und Sternanis sowie eine samtige Topinambur-Creme mit Birne und weissem Albatrüffel, die quasi den Kreis zum Menü-Auftakt schliesst – bilden schliesslich das Finale eines grossartigen Abends. Wir sind uns sicher: Von Mitja Birlo und Dominic Lackner werden wir noch eine Menge hören!

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MAGISCHE VERBINDUNGEN

Autor_Andy Zaugg Bild_José R. Martinez

Die perfekte Komposition geht jedem Gourmet unter die Haut. Es gibt Weine, die ein Gericht erstrahlen lassen. Es gibt Gerichte, die einen Wein erstrahlen lassen, und es gibt «magische» Paarungen, eine endlose Eskalation, bei der sich Aromen gegenseitig beflügeln: Ich denke da an einen roten Burgunder, der fast vor Frucht platzt und seine Aromen auf das Essen überträgt, als würden sie von einer Zutat stammen. Es ist schwierig, die Kombination von Eglifilet und Chasselas, Entenbrust und Burgunder oder Steak und einem Cabernet Sauvignon zu übertreffen. Fleisch hat einen hohen Fettgehalt. Wein hat es nicht. Deshalb passt ein Steak so gut zu einem Cabernet-Wein. Das Protein und Fett lösen die trockenen Tannine des Weins, sodass sich die Beeren- und Röstaromen voll entfalten können. Die Säure ist sowohl beim Essen als auch beim Wein wichtig. Damit der Wein nicht langweilig wirkt, muss die Säure des Weines mindestens der Säure des Gerichts entsprechen. Salz kann den Geschmack eines holzigen Chardonnays verändern, den fruchtigen Geschmack eines Rotweins verdunkeln und Weinen mit hohem Alkoholgehalt einen bitteren Geschmack verleihen. Beim Dessert muss der Wein süsser sein als das Gericht. Wird ein bitterer Wein mit einem bitteren Gericht kombiniert, verstärkt das den Effekt und wird schnell unangenehm. Als Liebhaber der Weine aus der Genferseeregion habe ich vor acht Jahren die Route Gourmande in Solothurn ins Leben gerufen, wo befreundete Köche und Winzer aus Yvorne jeweils eine Mariage präsentieren. In Yvorne gedeihen Chasselas, die zu den besten der Schweiz zählen. Das besondere Mikroklima, der Boden und die hervorragende Arbeit am Rebberg und im Keller verleihen den Weinen eine besondere Komplexität. Die Auswahl für die Route Gourmande ist für mich jeweils ein ganz spezieller Moment. Wie ein Künstler, der innere Bilder sieht, wählen wir die passenden Weine aus. Was im Kopf kombiniert wurde, wird getestet. Das Gehirn eines Gourmets speichert Aromen, Kombinationen und Variationen. Man hat ein Leben am Tisch verbracht – Offenbarungen und Tragödien durchlebt. Vertrauen Sie Ihrem Gaumen; es kommt gut!

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© David Hubacher

WOMEN IN BUSINESS

Autorin_Wilma Fasola

ZUR 27. AUSGABE DES GOURMET FESTIVALS IN ST. MORITZ WAREN AUSSCHLIESSLICH WEIBLICHE SPITZENKÖCHE ALS GAST-KREATEURINNEN EINGELADEN. DER ERFOLG DIESER «DISKRIMINIERUNG» GAB DEN VERANTWORTLICHEN RECHT UND DIE HEIMISCHEN HERDSPEZIALISTEN TEILTEN GERNE IHRE MESSER MIT DEN ZEHN ZAUBERKÜNSTLERINNEN.

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CULINARIUM

Politisch korrekt? Das muss jeder für sich allein entscheiden. Geschmacktechnisch hat es auf jeden Fall überzeugt. Bereits seit 1994 lädt das Engadin die internationale Kochelite für neun Tage nach St. Moritz ein, um gemeinsam mit den hier fest stationierten Köchinnen und Köchen die Einwohner und Gäste des Luxus-­ Örtchens zu begeistern. Fine-Dining war in diesem Jahr das Auswahlkriterium. Man hat dafür die mit Abstand besten Handwerkerinnen der Welt eingeladen, von denen jede für sich das Wort Exzellenz in kulinarische Form zu verpacken weiss. Frauen mit Ideen. Köchinnen, die zaubern können. Damen mit Stil.

MAMA WEISS, WIE ES GEHT

Die Asiatin Lanshu Chen gründete im Jahr 2008 mit dem Restaurant «Le Moût» so etwas wie das legendäre Heiligtum der Haute Cuisine in Taiwan. Und das nur, um genau zehn Jahre später – auf dem Gipfel des Erfolgs – das Ding wieder zu schliessen. Heute führt sie am gleichen Wirkungsort ein neues Projekt, und das nicht weniger erfolgreich. Ihre Kochkünste bekam sie übrigens schon als kleines Mädchen mit auf den Weg. So hat sie zwar in den grossen Küchen der Welt offiziell ihr Handwerk gelernt, die wirkliche Intensität der taiwanischen Küche aber zeigten ihr ihre Oma und ihre Mama. Ähnlich erging es der mittlerweile mit zwei Sternen ausgezeichneten Emma Bengtsson. Die gebürtige Schwedin ist Herrin im New Yorker Restaurant «Aquavit» und zeigte ihr Können in St. Moritz im «Grand Hotel des Bains Kempinski». Auch sie hat sich das Meiste bei ihrer Oma abgeschaut und schafft es bis heute, mit traditionellen Techniken wie Räuchern, Pökeln und Fermentieren zu überzeugen. Traditionen gilt es zu bewahren, so ihr Motto. Was sich übrigens auch auf die weiteren acht kochenden Expertinnen übertragen lässt. So war auch die TV-Köchin Judy Joo geladen. Und die lässt sich bis heute von den Düften, Aromen und Geschmäckern ihrer Kindheit inspirieren. Aufgewachsen in einer koreanisch-­ amerikanischen Familienkonstellation hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester schon früh in der heimischen Küche helfen müssen.

GAUMENFREUDEN FÜR JEDEN VOR ORT

Das Konzept des St. Moritz Gourmet Festivals ist dabei so einfach wie genial. Einmal im Jahr machen die heimischen Köchinnen und Köche ein wenig Platz in ihren Wirkungsstätten. Dann gesellt sich über gut eine Woche ein internationaler Kollege dazu, der mit seiner ganz eigenen Art den Laden ein wenig aufmischt. Wobei das absolut positiv gemeint ist. Denn die Inspirationen der «Externen» sind für die «Internen» ausnahmslos bereichernd. Zudem lockt es auch die Einheimischen wieder in die Restaurants von St. Moritz, die im wahrsten Sinne des Wortes in manchem Fall gesättigt vom lokalen Kochadel waren. Dass das Festival zudem zeitgleich mit dem White Turf stattfindet, dem legendären Polo-­ Turnier auf dem zugefrorenen St. Moritzer See, sorgt für weitere Attraktivität. Für jeden im oder vor Ort. Initiatoren des Events waren übrigens vor vielen Jahren die Hoteliers in St. Moritz. Und bis heute sind sie Antreiber und Ausführer, an der Spitze stehen dabei die beiden Direktoren der Ho-

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tels «Saratz» und «Kulm», Martin Scherer und Heinz E. Hunkeler. Sie sind es, die gemeinsam mit den Partnerbetrieben jedes Jahr aufs Neue den Konsens für ein Thema finden. In diesem Jahr eben «die besten Köchinnen der Welt an einem Ort zu vereinen». Wer dabei angefragt, eingeladen wird, auch das entspringt den Köpfen der findigen Hoteliers und ihren Teams. So treibt es Köche, Direktoren und Angestellte ja gerne in die Welt hinaus, wenn sie mal Urlaub haben. Andere pflegen aus Freundschaftsgründen diverse Beziehungen zu Kochmeistern anderer Länder. Und so kommen jedes Jahr spannende, aussergewöhnliche und nicht zwingend mit Sternen ausgezeichnete Experten in den Küchen von St. Moritz zusammen.

POLITISCHE STATEMENTS KÖNNEN AUCH GUT SCHMECKEN

Besonders beeindruckt hat bei ihrem kurzen Aufenthalt auch Bel Coelho, die im «Kronenhof» in Pontresina ihr Können zeigte. Die Brasilianerin ist Aktivistin, politisch wie kulinarisch. Und sie schwimmt gegen den Strom. So hat ihr Restaurant eben nur eine bis maximal zwei Wochen im Monat geöffnet, und serviert werden ausschliesslich Verkostungsmenüs. Bestehend aus saisonalen brasilianischen Zutaten. Denn sie ist eine leidenschaftliche und wie gesagt sehr präsente Verfechterin einer nachhaltigen und fairen Lebensmittelwirtschaft. Den Rest der ihr zur Verfügung stehenden Zeit widmet sie ihren Kindern und ihrem Land. Sie reist, immer auf der Suche nach neuen regionalen Produzenten, die die perfekten Zutaten für ihre Kochtöpfe liefern. Ebenfalls regional verbunden und heiss im Einsatz ist Asma Khan. Promovierte Juristin, aber mittlerweile eine der Starköchinnen in London. Ihr kulinarischer Stil ist wie bei allen zehn Gastköchinnen geprägt von Kindheitserinnerungen. Die in ihrem Fall in Kalkutta beheimatet sind. Und Asma Khan beschäftigt nur Frauen, die eines auf gar keinen Fall gelernt haben dürfen: Köchin. Bei ihr kochen Frauen, die ihr Know-how daheim erworben, von ihren Vorfahrinnen adaptiert haben. Rezepte werden auch nicht aufgeschrieben, sie werden vorgelebt und aus dem Bauch heraus gekocht. Und sie zeigte bereits bei der Auftaktveranstaltung, was die Gäste im «Kulm Hotel» in den kommenden Tagen erleben werden dürfen.

EIN VERDAMMT POSITIVER NACHGESCHMACK

Dank des Anders-Seins der Protagonistinnen, dank der Offenheit der Kochelite in St. Moritz war das 27. Gourmet Festival daher wirklich etwas ganz Besonderes. Und die Herren und Frauen am Herd im Engadiner Vorzeige-Skiort werden die zehn Zauberkünstlerinnen sicher nicht vergessen. Ebenso wie die, die gekostet haben. Und wer weiss, vielleicht findet das eine oder andere Gericht der zehn weiblichen Ausnahmeerscheinungen ja seinen Weg auf die heimischen Karten – neu interpretiert, aber nicht weniger speziell.


© Kulm Hotel

Jenny Hunkeler steht mit ihrem Mann Heinz an der Spitze des «Kulm Hotel» und ist daher in die Planung des Gourmet Festivals fest einbezogen. Sie ist in Genf aufgewachsen und hat nach dem Studium unter anderem in New York gearbeitet. Gemeinsam mit ihrem Mann wurde sie 2016 von der «SonntagsZeitung» mit dem Titel «Hotelier des Jahres» ausgezeichnet. PRESTIGE: Jenny Hunkeler, was zeichnet Sie als gute Gastgeberin aus? JENNY HUNKELER: Ich liebe meinen Beruf und bin mit Leidenschaft dabei. Alles sollte perfekt sein, damit die Gäste glücklich sind, sowohl hier im Haus wie auch Gäste bei uns daheim. Was bedeutet für Sie das «Kulm Hotel»? Es ist ein beeindruckendes Haus mit einer ebensolchen Geschichte. Das erste 5-Sterne-Haus in St. Moritz, das den Wintersport hier verankert hat. Wir leben diesen innovativen Charakter des Gründers weiter und wachsen jedes Jahr. Auch diese steigende Komplexität macht das «Kulm» zu einem Ausnahmehaus. Welche Herausforderung ist mit drei Kindern die grösste in Ihrem Leben? Jedem gerecht zu werden – die beste Balance zu finden zwischen Familie und Arbeit. Und mich dabei zudem nicht selbst zu vergessen. Welches ist das kulinarische Highlight beim Gourmet Festival für Sie? Dass in diesem Jahr ausschliesslich Köchinnen geladen sind. Oft stehen im kulinarischen Bereich die Herren an der Front. Das ist diesmal auf den Kopf gestellt. Vollenden Sie den Satz: Privat kocht Jenny Hunkeler … … auch (lacht). In der Zwischensaison koche ich zuhause oft. Schon deshalb, weil ich mich selbst immer an meine Mutter erinnere, die stets für uns das Essen bereitete. Das sollen meine Kinder ebenfalls erleben dürfen.

© David Hubacher

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© Kulm Hotel

Tim Raue ist TV-Koch, Initiator und Inhaber verschiedener Gastbetriebe, unter anderen des Restaurants «Tim Raue», in dem er sich bereits zwei Michelin-Sterne erkocht hat. In St. Moritz kreiert er im «K by Tim Raue». Das Pop-up-Restaurant befindet sich im 5-Sterne-Luxushotel «Kulm», in dem in diesem Jahr Asma Khan auftischte. PRESTIGE: Tim Raue, warum sind Sie Koch geworden? TIM RAUE: Es war mit meinem damaligen Schulabschluss der aus meiner Sicht einzige kreative Beruf, den ich ausüben konnte. Was bedeutet für Sie das Gourmet Festival in St. Moritz? Es ist eine Veranstaltung, die immer wieder kulinarisch spannende thematische Aufhänger findet und die jeweils besten und interessantesten Kollegen einlädt. Zudem ist die Möglichkeit einzigartig, auf dieser komprimierten Fläche bei so vielen grandiosen Köchen innerhalb von 14 Tagen essen zu können. Wofür lieben Sie das Engadin? Für die Klarheit, Souveränität und Schönheit der Natur, gepaart mit kulinarisch interessierten Gästen und Einheimischen. Welchen Lebensmitteln können Sie so gar nichts abgewinnen? Nieren, deren Geschmack und Textur brauche ich nicht. Was kochen Sie zuhause am liebsten? Gar nichts. Ich bin der Meinung, dass Restaurants dazu da sind, um sie zu besuchen, deswegen gehe ich immer auswärts essen. Vollenden Sie Satz: Tim Raue ist ein guter Koch, weil … … das mittlerweile so viele schreiben, dass er es sogar selbst glaubt! Auf jeden Fall habe ich viel Spass daran, Aromenwelten zu kreieren, die den Gästen Freude machen sollen.


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Im «Cristal 2012» verbinden sich auf subtile Art und Weise Kraft und Finesse sowie Ausdrucksstärke und Frische der Kalkböden. Verwöhnt hat diesen f leischigen Wein mit viel Kraft am Gaumen das Licht seiner weissen Böden. Zu seiner seltenen Intensität wiederum hat er durch die vollkommene Reife der Trauben seines Jahrgangs gefunden.

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Dieser schwarze Tee aus der «Haute Couture Tea Collection» wird sorgfältig mit süssen Noten von Karamell und Rose gemischt, um eine Tasse für die Ewigkeit zu schaffen. Ein Geschmack, der die Schönheit eines f lüchtigen Moments perfekt zum Ausdruck bringt.

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24-teiliges Besteckset für sechs Personen aus 24 Karat vergoldetem Metall in einer eleganten Truhe. Zeitgenössisches Besteck mit luxuriösem Finish.

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LADURÉE

«Macaron Gourmand» mit Ananas, Mango und MaracujaKompott. Schlagsahne mit Kakaobohnen vollendet den Biscuit der Pariser Teestube.

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CUL INA RIUM


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MEER IM

MUND

Autor_Bernd Hauser Bilder_Roman Pawlowski

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CHAMPAGNER UND AUSTERN, DIESE KOMBINATION IST EIN INBEGRIFF FÜR LUXUS. FAST ALLE DER EDLEN SCHALENTIERE KOMMEN MITTLERWEILE AUS ZUCHTBETRIEBEN. EINE AUSNAHME IST DER DÄNISCHE LIMFJORD. DORT WIRD DIE EUROPÄISCHE AUSTER NOCH GEFISCHT. AUFGRUND DES KALTEN WASSERS GILT DIE WILD LEBENDE LIMFJORD-AUSTER ALS BESTE DER WELT. DOCH LANGSAM MACHT SICH AUCH IN DÄNEMARK DIE PAZIFISCHE AUSTER BREIT UND BEDROHT DAS EINHEIMISCHE ÖKOSYSTEM. AUF DER INSEL FANØ GIBT ES EINE GEGENSTRATEGIE: SAMMELN UND ESSEN.

Die Mittagssonne steht tief, und die Augenfarbe von Niels Nielsen wetteifert mit der kalten Bläue des Limfjords. Seit er 20 ist, arbeitet der Hüne auf Schiffen, er fing mit dem eigenen Kutter Kabeljau, verlegte als Schlepperkapitän vor Brasilien Stromkabel. «Aber kleine Kinder vertragen sich nicht mit dem Seemannsleben», sagt Niels Nielsen, und sein Lachen überdröhnt den Diesel. Also kehrte der 45-Jährige zur Familie an den heimischen Limfjord zurück, ein 1500 Quadratkilometer grosser Sund im Norden Dänemarks, und wurde Skipper der «Egon P», einem kleinen, feuerroten Forschungsboot. «Dann wollen wir den Schatz mal heben», sagt Nielsen. Das Fanggeschirr taucht aus den Fluten auf, der Inhalt ergiesst sich schwarz und schwer aufs Heck: Tausende Miesmuscheln, dazwischen aufgepumpte Seesterne, sie leben offenbar prächtig von den Schalentieren. Plattfische sind keine ins Netz gegangen, denn «die Seehunde und Kormorane holen sich alle», sagt Nielsen. Zwischen den Muscheln zieht der Skipper die wahren Goldstücke hervor, hart und handtellergross: drei Dutzend Prachtexemplare der Limfjord-Auster, die exklusivste Speise der nordischen Küche. Schon ein einziges Exemplar kann in Kopenhagener Restaurants acht Euro kosten. 94 Prozent der weltweit verzehrten Weichtiere sind Pazifische Austern aus Aquakulturen, die Europäische Auster macht nur einen winzigen Anteil von 0,2 Prozent aus. Und der Limfjord ist eine besondere Ausnahme: Hier wird die Europäische Auster nicht gezüchtet. Die Fischer fördern weiterhin nur wild lebende Exemplare vom Grund des seichten Sundes. Einst fischte man auch vor Sylt und anderen Nordseeinseln nach ihnen, genauer: Man überfischte sie. Deshalb sind sie im deutschen Wattenmeer schon lange verschwunden. Am Limfjord jedoch passen Niels Nielsen und seine Kollegen vom Schalentierzentrum an Dänemarks Technischer Universität (DTU) auf den einzigartigen und sensiblen Bestand auf: «Aufgrund unserer Probefischzüge werden die Quoten festgelegt.» Im Jahre 2018 etwa wurden nur rund 300 Tonnen des Schatzes gehoben, etwa zehn Prozent der insgesamt angenommenen Menge. Bislang wird nur eine von hundert Limfjord-Exemplaren in Dänemark verspeist. Der Grossteil wird nach Galicien, nach Madrid und Barcelona geflogen, wo die Restaurants schon ungeduldig darauf warten. Zwar haben die Küsten in Dänemark eine Länge von 7400 Kilometern, aber statt Schalentieren ist gebratener Schweinebauch eines der Nationalgerichte. Denn die Dänen

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waren immer viel mehr ein Volk der Händler als der Gourmets. Dies ändert sich langsam durch die «neue nordische Küche». Der Trend, von Spitzenchefs wie René Redzepi aus dem Kopenhagener Restaurant «Noma» begründet, erreicht die Küchen im hintersten Land: Überall setzen sie auf regionale und saisonale Zutaten und deren Wieder- oder Neuentdeckung, etwa Tang von den flachen Küsten oder Sanddorn aus den Dünen – eine Rückbesinnung darauf, was die einheimische Natur zu bieten hat. Weiter nördlich als im Limfjord kann die Europäische Auster die Winter kaum überleben. Die niedrige Wassertemperatur sei auch der Grund, warum sie laut René Redzepi die beste der Welt sei: je kälter das Wasser, desto langsamer das Wachstum und intensiver der Geschmack. Wir sind gespannt: Niels Nielsen legt eine Auster in ein gefaltetes Küchentuch. Das schützt ihn, falls er mit dem Messer abrutscht, er wäre nicht der Erste, der sich beim Öffnen verletzt. Geübt sticht er am Scharnier zwischen die Schalen, durchtrennt den starken Schliessmuskel, entfernt die Oberschale – und das Weichtier liegt in seinem Perlmutt-Bett appetitlich vor uns. Etwas Limettensaft darüber geträufelt, dann schlürfen wir es roh. Eine Auster macht in ihrem Leben nichts anderes, als an einem Ort zu hocken, Wasser durch ihre Kiemen zu pumpen und Kleinstlebewesen herauszufiltern. Man kann auch sagen: Sie macht nichts anderes, als den Geschmack der See zu konzentrieren. Die Limfjord-Exemplare fühlen sich auf der Zunge überraschend fleischig an. Sie schmecken sanft salzig, eine Ahnung nussig und vor allem: frisch. Jedes Exemplar ein Mundvoll Meer. Neulinge kostet es ein wenig Überwindung, das Tier aus seiner Unterschale zu lösen und quasi mit noch schlagendem Herzen zu goutieren, auch wenn man weiss, dass das gehirnlose Weichtier dabei nichts fühlt. Für Erwin Lauterbach, Chef im Kopenhagener Restaurant «Lumskebugten», ist es wie bei anderen raffinierten Genüssen auch: Erfahrung erzeugt Erlebnistiefe. «Die erste Auster schmeckt nicht. Sie erfordert Gewöhnung», findet Lauterbach. Dabei müsse sie gar nicht die Hauptrolle spielen. Sie entfalte ihr Kraft auch versteckt, beispielsweise, wenn man in ein Ochsentatar wenige Austern hineinhackt: «Man wundert sich dann über den speziellen Salzgeschmack. So kommt etwas fantastisch Unerwartetes, eine Leichtigkeit in ein Rezept.» Ein Alltagsgericht können Sahnekartoffeln mit zwei, drei Weichtieren als Beilage sein: «Es darf gerne einfach und festlich gleichzeitig sein – so sind Austern.» Klaus Louring dagegen geniesst die Austern am liebsten auf Art der Steinzeitmenschen. Doch bevor wir diese Zubereitung ausprobieren können, müssen wir auf der Insel Fanø im dänischen

Wattenmeer selbst zu Jägern und Sammlern werden. Louring, 56, war in seiner Jugend Seemann, fuhr auf Containerschiffen zwischen Europa und Asien, als Küstenführer auf Fanø weiht er nun Schulklassen und Touristen in die Geheimnisse des Wattenmeers ein. Bei Ebbe führt er seine Zuhörer zu den jungen Bänken der Pazifischen Auster. Seit den neunziger Jahren beobachten die Wattwanderer, wie sich die besonders robuste invasive Art an der dänischen Küste ausbreitet. Sie ist länglich, hat besonders feste Schalen mit scharfen Kanten. Die freilebenden Weichtiere dürften Nachkommen zahlreicher Zuchtbetriebe rund um die Nordsee sein: Eier und Samen befruchten sich im Wasser, die Larven werden mit der Strömung weit getragen. Wo sich die Austern festsetzen, kann niemand kontrollieren. «Und im Wattenmeer hat die Pazifische Auster nur einen Feind», erklärt Louring, als wir die ersten Exemplare im Schlick finden: «den Homo sapiens mit einem guten Appetit.» Noch ist nicht genau erforscht, was die invasive Art für die Ökologie im Wattenmeer bedeutet. Aber es scheint, dass sie einheimische Arten wie die Miesmuscheln auskonkurrieren kann. «Man beobachtet mancherorts, dass die Muschelbestände und die einzelnen Exemplare kleiner werden», sagt Louring. Das könnte damit zusammenhängen, dass Austern wie Muscheln auf die gleiche Nahrung angewiesen sind, die ihnen mit den Gezeiten vor die Kiemen gespült wird. «Eine Auster filtert zwölf Liter Wasser pro Stunde nach Kleinstlebewesen ab», räsoniert Louring. Eine Miesmuschel dagegen nur maximal sechs Liter. Gäbe es aber keine Muscheln mehr oder deutlich weniger, kämen die Millionen Zugvögel in Bedrängnis, die im Watt Station machen und sich für den Weiterflug stärken: Muscheln können sie knacken, Austern nicht. «Je mehr wir sammeln, desto besser», ermuntert uns Louring. Wir gehen fast zwei Kilometer weit ins Watt hinaus, an Hunderten «Spaghetti-Fabriken» vorbei, wie Louring die Häufchen der Wattwürmer im Schlick nennt. Die meisten Gäste tragen Gummistiefel, aber einige Besucher sind auch barfuss, sie müssen aufpassen, wo sie ihre Schritte setzen. Denn plötzlich liegen die ersten Exemplare halb bedeckt und scharfkantig im Schlick, geduldig auf neue Nahrung wartend, die mit der Flut heranrollen wird. Rechtsanwalt Snorre Kehler hat Töchterchen Viktoria an der Hand, der Eimer in der anderen Hand füllt sich schnell mit den Meeresfrüchten, viele von ihnen sind so gross wie eine Männerfaust. «Wir wollen sie in unserem Ferienhaus auf mediterrane Art zubereiten», sagt Kehlers Frau Natasha, eine IT-Konsulentin: «Einfach im Backofen mit ein wenig Parmesan, Petersilie und Knoblauch gratinieren. So schmecken sie uns am besten.»


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«IM WATTENMEER HAT DIE PAZIFISCHE AUSTER NUR EINEN FEIND, DEN HOMO SAPIENS MIT EINEM GUTEN APPETIT.»


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Einige Exemplare werden aber auch am Strand probiert, dort hat der Wattführer ein Lagerfeuer entzündet. «In der Steinzeit gab es nur Messer aus Feuerstein. Damit kriegst du keine Auster auf», sagt Louring und legt einige Exemplare auf die Glut. Nach einigen Minuten auf dem Feuer kocht die Flüssigkeit in der Auster, dehnt sich aus, und die Schalen ploppen auf. «Gedämpft in der eigenen Schale wird die Konsistenz des Fleisches fester», sagt Louring. «Es erinnert dann an Miesmuscheln.» Es ist ein Genuss, wie ihn die Menschen von Ertebølle am Limfjord schon vor 7400 Jahren kannten. Das bezeugt ein riesiger Haufen aus Austernschalen, den Archäologen entlang der einstigen Küstenlinie ausgruben. Er ist 140 Meter lang, 20 Meter breit und zwei Meter hoch: Über den Zeitraum von 1500 Jahren sammelten und knackten Steinzeitmenschen die Meeresfrüchte am Strand über ihren Feuern. Zwischen den Schalen finden sich Fischknochen und Tonscherben mit Überresten angebrannter Bouillabaisse. Auch Reste menschlicher Skelette fanden die Archäologen in dem Haufen. Durch die Untersuchung der Knochen weiss man, dass die Menschen damals gesünder waren als später, als sie Bauern wurden und von Getreide und Viehwirtschaft lebten.

Wie viele Limfjord-Austern es in Zukunft in Dänemark geben wird, hängt auch von deren bemerkenswertem Geschlechtsleben ab. Ein Stubenhocker, der sich in härtestem Calciumcarbonat verpanzert, muss kreativ sein, wenn er sich vermehren will: Austern können ihr Geschlecht wechseln. Die meiste Zeit sind die LimfjordAustern männlich. Nur in schönen Sommern, wenn die Wassertemperatur längere Zeit über 18 Grad steigt und viel Plankton im Wasser ist, werden die Austern weiblich und produzieren Eier. In Dänemark waren die vergangenen beiden Sommer aus­ sergewöhnlich warm. Teils betrug die Wassertemperatur an der Limfjord-Oberfläche schon im Mai erstaunliche 23 Grad. Drei Jahre brauchen die Limfjord-Austern, bis sie auf 100 Gramm Verzehrgrösse herangewachsen sind: Es sieht so aus, als ob die Liebhaber der besten Auster der Welt guten Zeiten entgegenblicken.


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LANG LEBE

DIE KÖNIGIN!

LANGE ZEIT WAR SIE DER ULTIMATIVE SUPERSTAR, DIE UNSCHLAGBARE QUEEN, DIE ALLESKÖNNERIN, RETTERIN IN DER NOT, DIE MIT DER SAMTIGEN HAUT. DIE RASSIGE SCHARFE, DIE DEN ATEM RAUBT, DEM GEIST GLEICHZEITIG WIEDER LEBEN EINHAUCHT. BIS SIE ÜBER DAS PARKETT SCHWEBT UND, SCHWUPS, EURE ALTGEDIENTE MAJESTÄT VOM THRON SCHUBST. DENN SIE, DIE NEUE, HAT ES FAUSTDICK HINTER DEN OHREN, KANN – OH, LÀ, LÀ – UM LÄNGEN MEHR UND SCHLÄGT EIN WIE EIN KOMET. IHRE KÖNIGLICHE HOHEIT KURKUMA. Autorin_Helena Ugrenovic


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den Namen Gelber Ingwer, Safranwurz oder auch Gilbwurz. Im Gegensatz zu Safran ist Kurkuma jedoch trotz ihrer Popularität und vielseitiger Wirkung ein vergleichsweise preisgünstiges Gewürz.

Seit 4000 Jahren ist sie in der ayurvedischen Medizin fest verwurzelt und seit dem Mittelalter auch in Nordafrika und Europa gebräuchlich. 50 Arten umfasst die Gattung Curcuma oder Gelbwurz, wie sie bei uns genannt wird, in ihrer Heimat Indien und Südostasien. Wie Ingwer ist sie eine schilfähnliche und mehrjährige Pflanze mit einem knollenartigen Wurzelstock und fingerartigen Verzweigungen. Sie ist bei Weitem keine Einfache, im Gegenteil, Madame pflegt ihre Allüren und ist sehr anspruchsvoll. Vor allem der Boden, auf dem sie sich niederlässt, muss Königsklasse aufweisen. Hinsichtlich Temperatur und Feuchtigkeit grenzt es fast schon an Dekadenz, so masslos viel beansprucht sie davon – ganz, wie es sich für eine Hoheit gebührt. Denn sie, die tropische Gebirgspflanze, ist eine Heilige. Eine All-in-one-Heilige.

HEILENDE HEILIGE

In der Heilkunst der Ayurveda zählt sie zu den «heissen» Gewürzen, denen eine reinigende und energiespendende Wirkung zugesprochen wird. Forschungen der modernen Medizin schreiben ihr aufgrund ihrer antioxidativen und entzündungshemmenden Wirkungen spezielle Heilkräfte zu und setzen sie an die Spitze der Top-Super-Food-Stars. Die Wunderwurzel wirkt nicht nur anregend auf die Magensaftproduktion, sondern soll Hautkrankheiten wie Schuppenflechte lindern und sich speziell bei Erkältungen, Bronchitis und Lungenentzündungen als wahres Kraftpaket entpuppen, das nur so vor Vitaminen strotzt und das Immunsystem stärkt. Es ist ihr Innenleben, das Curcumin, das für die gelbe Färbung verantwortlich ist, dem die heilende Wirkung zugesprochen wird und das mit seinem schmerzlindernden und entzündungshemmenden Stoff ähnliche Ergebnisse wie Aspirin oder Ibuprofen erzielen soll. Mit dem Unterschied, dass es als natürliches Mittel keinerlei Nebenwirkungen erzeugt. Durch regelmässigen Verzehr der Wunderknolle kann Curcumin die Produktion von Serotonin und Dopamin im Gehirn anregen und soll auch das Herz-Kreislauf-System unterstützen.

SONNE AUF DEM TISCH

Wird in Laos, Thailand, Vietnam und Kambodscha oft der frische Wurzelstock der Superknolle verwendet, steht sie in Indien und Myanmar als getrocknetes Pulver hoch im Kurs. In fast allen Linsen-, Fisch-, Huhn-, Gemüse- oder Currygerichten ist Kurkuma enthalten. Die beiden Rivalinnen Kurkuma und Ingwer sehen sich täuschend ähnlich, jedoch ist die Königin nach dem Schälen intensiv gelb, und sie unterscheiden sich auch im Geschmack. Während Ingwer mit intensiver Schärfe dominiert, schenkt Kurkuma den Speisen einen würzigen, leicht bitteren, harzigen Geschmack. Interessant an einem Tête-à-Tête mit Ihrer Majestät ist der Umstand, dass jeder den Geschmack von Kurkuma ein bisschen anders beschreibt. Ähnlich wie bei einer Whisky-Degustation, wo dem edlen Tropfen teilweise mehr Torf, mehr Vanille oder mehr Kirsche attestiert wird. Obwohl man sie am liebsten sofort mit Haut und Haar vernaschen möchte, empfiehlt es sich, sie in winzigen Mengen zu konsumieren, denn sie entfaltet ihre Köstlichkeit im wahrsten Sinn des Wortes mit: Weniger ist mehr. Um jedoch ihr volles Aroma zu entfalten, muss man ihr ein bisschen einheizen und sie einige Minuten in heissem Öl erwärmen. Mit ihrem leuchtend gelben Pulver ist sie der absolute Liebling zum Färben von Reis, Saucen, Puddings, Couscous, Paella, Pfannkuchen, Butter, Gebäck oder Likör und trägt daher auch

WIRKUNG

Genauso, wie die Majestät der Wurzeln innerlich angewandt eine positive Wirkung auf die Gesundheit ausübt, wirkt sie auch äusserlich wohltuend auf unsere Haut. Das in der Kurkuma enthaltene Curcumin ist als Radikalenfänger ein wirksames Anti-Aging-Mittel auf natürlicher Basis. Die Kurkuma-Maske wirkt entspannend und versorgt die Haut mit Feuchtigkeit, was kleine Fältchen glättet und das Gesicht deutlich erfrischt. Durch die entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung eignet sich die Maske gut für Gesichtsunreinheiten. Achtung – Kurkuma wird als Färbemittel benützt, Gesicht mehrmals mit lauwarmem Wasser reinigen.

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INDISCHES CHANA-MASALA: KICHERERBSEN-CURRY MIT KURKUMA Zutaten für drei Portionen: Ein gehäufter Teelöffel Kurkuma-Pulver Zwei Esslöffel Kokosfett Ein Teelöffel Koriandersamen Ein Teelöffel Kreuzkümmelsamen Ein Teelöffel Senfsamen Eine rote Zwiebel Zwei Knoblauchzehen Ein daumengrosses Stück Ingwer Ein Teelöffel Currypulver in gewünschter Schärfe Ein Teelöffel Garam Masala (indische Gewürzmischung) Zwei mittelgrosse Tomaten Eine Limette Eine Dose Kokosmilch (400 Gramm) Eine Dose Kichererbsen (420 Gramm Abtropfgewicht) Salz und Pfeffer je nach Gusto Kokosfett auf mittlerer Stufe in einem Topf erhitzen und die Samen (Koriander, Kreuzkümmel und Senf) darin rösten, bis sie duften. Zwiebel, Knoblauch und Ingwer fein hacken und gemeinsam mit den gerösteten Samen zwei bis drei Minuten anschwitzen. Während­ dessen die Tomaten in mundgerechte Stücke schneiden und zusammen mit Kurkuma, Currypulver und Garam Masala hinzufügen. Limette auspressen, die Hälfte der Schale abreiben und anschliessend den Saft und die Schale zusammen mit der Kokosmilch und den abgetropften Kichererbsen in den Topf geben. Das Ganze mit Salz und Pfeffer abschmecken und etwa 25 Minuten sanft köcheln lassen. Dazu passt Basmatireis oder indisches Naan-Brot. Husten ade! Das Kurkuma-Honig-Wunder-Antibiotikum Ein Esslöffel Kurkuma mit 100 Gramm Honig mischen, bis eine homogene Paste entsteht. Die Paste in ein sauberes (am besten vorher auskochen) Glas füllen und luftdicht verschliessen. Empfehlung zur Einnahme: Am 1. Tag jede Stunde einen halben Teelöffel Mischung einnehmen. Die Paste dabei ein paar Sekunden auf der Zunge zergehen lassen, bevor sie geschluckt wird. Am 2. Tag alle zwei Stunden einen halben Teelöffel einnehmen. Ab dem 3. Tag die Dosierung auf drei Mal täglich reduzieren. Honig hat desinfizierende, Kurkuma antioxidative, antimikrobielle sowie entzündungshemmende Eigenschaften. BEAUTY QUEEN: KURKUMA-SCHÖNHEITSMASKE Zutaten: Zwei Esslöffel Kurkuma-Pulver Zwei Esslöffel Joghurt Zwei Esslöffel Honig Alle Zutaten miteinander vermischen. Anschliessend die Maske auf Gesicht, Hals und Dekolleté auftragen und circa 20 Minuten einwirken lassen. Mit lauwarmem Wasser abwaschen.


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HEIMATKOST IN WEITER FERNE Autor_Heiko Laschitzki Bilder_Sühring

DIE MIT ZWEI MICHELIN-STERNEN AUSGEZEICHNETEN ZWILLINGSBRÜDER MATHIAS UND THOMAS SÜHRING BILDEN EIN EXOTISCHES UND ZUGLEICH HEIMATLICHES GESPANN. IM RESTAURANT «SÜHRING» IM HERZEN VON BANGKOK WERDEN DIE BESTEN GERICHTE DER MODERNEN DEUTSCHEN KÜCHE PRÄSENTIERT, DIE VON KINDHEITSERINNERUNGEN, FAMILIENREZEPTEN UND JAHRELANGER REISEERFAHRUNG INSPIRIERT SIND UND DIE ESSENZ TRADITIONELLER GERICHTE MIT ZEITGENÖSSISCHEN MITTELEUROPÄISCHEN EINFLÜSSEN VERBINDEN. ALLES AUF DEM NIVEAU DER HAUTE CUISINE.

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Die Zwillinge Thomas und Mathias Sühring bieten deutsche Küche in Thailands Hauptstadt an.

PRESTIGE: Mathias und Thomas Sühring, Sie sind seit 2008 in Bangkok und führen seit 2013 Ihr eigenes Restaurant. Wie kam es dazu? MATHIAS SÜHRING: Wir sind in Berlin aufgewachsen und haben uns damals entschlossen, Köche zu werden, was zu der Zeit noch kein angesagter Job war, denn es gab noch nicht viele Kochshows im Fernsehen. Wir haben uns dann nach der Ausbildung durchgearbeitet in die Michelin-Schiene und haben bei sehr guten Köchen in Deutschland und im Ausland gearbeitet. Ich habe in Holland gearbeitet, und Thomas war in Italien bei Heinz Beck. THOMAS SÜHRING: Heinz Beck hatte damals ein Promotions-Kochen im «Lebua Hotel» in Bangkok, und wir haben dort einen Abend zusammen gekocht. Als wir dann wieder in Rom waren, rief mich das Management des Hotels an und fragte, ob ich der neue Küchenchef werden möchte. Da ich mir unsicher war, habe ich geantwortet, dass ich das nur mit meinem Bruder zusammen machen würde, und war sicher, dass das Management ablehnen würde. Aber kurz danach bekamen wir die Zusage und sind so in Bangkok gelandet. Am Anfang dachten wir natürlich, das wäre nur für ein oder zwei Jahre, aber nachdem wir uns an das Leben hier und die Mentalität gewöhnt hatten, wurde es immer länger. Wie kam es dann dazu, dass Sie Ihr eigenes Restaurant eröffnet haben? MATHIAS SÜHRING: Im Hotel ist man auch als Küchenchef ein Angestellter. Man hat zwar in der Küche das Sagen, aber keinen Einfluss darauf, wie die Speisen präsentiert werden, in welchem Ambiente und welcher Atmosphäre serviert wird. Nach sechs oder sieben Jahren hatten wir das Gefühl, dass wir hier das Maximale erreicht hatten, was wir erreichen konnten, und so kam die Idee, ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Mittlerweile kannten wir auch Lieferanten, Weinhändler und viele Gourmets der Stadt, sodass der Schritt nicht so schwer war. Und die Idee, deutsche Küche zu servieren? THOMAS SÜHRING: Die war nicht direkt da, die wurde uns eher von Freunden und Stammgästen ans Herz gelegt. Wir wollten ursprünglich eher eine breiter gestreute Küche anbieten mit europäischen Einflüssen – französisch, italienisch und deutsch –, halt etwas, das jeden anspricht, zumal die deutsche Küche ja auch nicht gerade als Gourmetküche international bekannt ist. Aber wir sind halt zwei Berliner in Bangkok, und so wuchs die Idee dann doch, uns auf deutsche Küche zu fokussieren. Und irgendwie hat uns das auch angespornt, dass selbst in Deutschland in der gehobenen Gastronomie wenig deutsch gekocht wird und wir auch in der Ausbildung mehr mit französischer Küche beschäftigt waren als mit der eigenen.


CULINARIUM

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MATHIAS SÜHRING: Wir haben erst mal nachgeforscht und experimentiert und haben uns intensiv mit der Geschichte vieler Gerichte auseinandergesetzt. In Asien hat man oft das Bild von der Schweinshaxe mit Sauerkraut auf dem Oktoberfest im Kopf, wenn man an deutsche Küche denkt, und da wollten wir etwas gegensetzen. THOMAS SÜHRING: Zudem war es für uns auch super spannend festzustellen, dass wir zu vielen Gerichten, die wir aus unserer Kindheit kennen, eine emotionale Bindung haben, die gerade im Ausland einen noch mehr motiviert, diese Speisen auch auf einem Spitzenlevel zu kochen und zu präsentieren. Welches Publikum ist zu Gast im «Sühring»? THOMAS SÜHRING: Als wir eröffnet haben, hatten wir keinerlei Werbung oder Promotion gemacht. Wir hatten das Glück, dass uns viele Leute kannten, in den sozialen Medien Werbung machten oder Bekannten und Freunden Bescheid gegeben hatten. Und so waren wir von Anfang an gut besucht. Zu Beginn bestand unser Publikum fast zu 100 Prozent aus einheimischen Thais. Deutsche Küche hat ja nicht so einen Bekanntheitsgrad, und das war vielleicht am Anfang noch etwas ungewohnt oder besser gesagt unbekannt für viele. Der Gedanke, am Abend «deutsch» essen zu gehen, löst da nicht so direkte Emotionen aus, als wenn man italienisch essen geht. MATHIAS SÜHRING: Aber ich glaube, das war auch für uns ein zusätzlicher Ansporn. Ein gutes deutsches Brot mit Kräuterbutter oder ein Hamburger Labskaus so zu kreieren, dass es asiatischen Gourmets in Erinnerung bleibt und deutsche Küche mit einer neuen Emotion auszeichnet. Generell sind Asiaten sehr neugierig auf Deutschland. THOMAS SÜHRING: Wir hatten aber auch schon deutsche Gäste, die nach dem Essen zu uns kamen und sagten, dass sie selbst in Deutschland noch nicht so gut deutsch gegessen hätten. Gibt es Gerichte auf Ihrer Karte, die besonders beliebt sind? MATHIAS SÜHRING: Es gibt immer Gerichte, die besser laufen als andere. Wir hatten zum Beispiel einmal ein Berliner Eisbein auf der Karte, das ja im Unterschied zur bayrischen Haxe nicht knusprig gegrillt ist. Das hat bei einigen Gästen für etwas Verwirrung gesorgt, da man eher die süddeutsche Version des «Pork Knuckle» gewohnt ist und dann überrascht war, wenn es keine Kruste gab. Das haben wir dann wieder geändert. Ansonsten gibt es ein paar Klassiker, wie den Labskaus, die wir durchgehend auf der Karte haben, und viele Gerichte, die saisonal wechseln. Wir bemühen uns auch immer wieder, neue Gerichte zu kreieren. Dazu servieren wir auch deutsche Weine von der Mosel und vom Rhein, die hier immer beliebter werden. Auch Ihre Location ist aussergewöhnlich … MATHIAS SÜHRING: Das Haus ist ja ursprünglich ein grosses Wohnhaus, und so gibt es keinen grossen Speisesaal, sondern verschiedene Orte, an denen gegessen wird. Wir haben hier einen Dining Room, dann den Wintergarten, den kleinen Living Room und die Bar an der Küche, an der man uns auch beim Kochen zusehen kann. Alles zusammen haben wir circa 60 Plätze.

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CULINARIUM

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KINDER, KRISENGEFAHR? KOSTEN, PRESTIGE

SIE SIND DAS WERTVOLLSTE, DAS WIR HABEN. UNSERE KINDER. SIE SIND ABER AUCH EIN KOSTSPIELIGES VERGNÜGEN. RUND EINE MILLION FRANKEN FALLEN AN, UM SIE VOM SÄUGLING ZUM 20-JÄHRIGEN JUNGEN ERWACHSENEN GROSSZUZIEHEN. DAS BRINGT DEN EINEN ODER ANDEREN ZU FALL.

Autorin_Wilma Fasola

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für oder gegen Kinder. Je gebildeter die Frau, desto eher ist sie kinderlos. Daher findet hier derzeit eine Verschiebung statt, wie sich anhand der Diskussionen um einen Vaterschaftsurlaub, wie er in vielen Ländern mittlerweile Alltag ist, zeigt. EIN KIND KOSTET MEHR ALS EINE MILLION In der Studie schreibt das Bundesamt, dass eine Frau beim ersten Kind auf rund 1000 Franken weniger Einkommen im Monat kommt. Eine doch eher konservativ geschätzte Einbusse. Aber allein dann kommen wir auf 240’000 Franken in den ersten zwanzig Lebensjahren des Sprösslings. Wobei wir also schon bei Kosten von 440’000 Franken sind. Richtig ins Gewicht fallen jedoch final noch einmal die indirekten Aufwände für die Familien- sowie Hausarbeit. 86 Stunden widmet sich Frau pro Woche dieser stressigen und oft unbefriedigenden Aufgabe. Macht summa summarum 2800 Franken pro Monat. Das ergibt auf die 20 Jahre hochgerechnet die stolze Summe von 672’000 Franken. So kommen wir also auf 1,12 Millionen Franken in 20 Jahren. Welche normale Familie kann das stemmen, ohne Einbussen in Kauf zu nehmen und sich dem Risiko auszusetzen, unter die Armutsgrenze zu rutschen? VIELE LEBEN VON DER HAND IN DEN MUND Sébastien Mercier ist Geschäftsleiter der Schuldenberatung Schweiz. Mit seinem Team unterstützt er private Haushalte, die sich komplett überschuldet haben. «Es gibt Haushalte, die sich durch die Geburt oder Adoption eines Kindes überschuldet haben», erklärt er, «sehr oft ist die Geburt oder Adoption jedoch nicht die einzige Überschuldungsursache, in einem von zehn Fällen ist sie jedoch ausschlaggebend für die finanzielle Krise.»

Wer das erste Kind bekommt, ist meistens sehr grosszügig beim Geldausgeben. Ein Kinderwagen für weit mehr als 1000 Franken ist keine Seltenheit. Eine Wickelkommode plus Bettchen und Schrank schlagen ebenfalls schnell mit einigen hundert Franken zu Buche. Dann kommen noch die unfassbar vielen niedlichen Kinderkleider dazu, von denen Frau gar nicht genug bekommen kann. TrippTrapp-Stuhl mit Säuglingsaufsatz, die gute Babytrage von Rookie und der Maxi-Cosi fürs Auto machen noch einmal 800 Franken. Aber man macht es ja gern, überschwänglich gern. Unterstützt von einer enorm hohen Dosis an Hormonen. Und einer noch grösseren Portion Naivität. Denn nur die wenigsten angehenden Eltern machen sich darüber Gedanken, welche massiven Auswirkungen die Geburt des Kindes auf ihre finanzielle Situation hat. DIE VERDIENSTEINBUSSE TRIFFT NOCH IMMER MEISTENS DIE FRAU Eine Studie des Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2009 beziffert die monatlichen Ausgaben für ein Kind auf 800 Franken. Allein das macht auf 20 Jahre berechnet die stolze Summe von 190’000 Franken. Damit sind jedoch nur die direkten Kosten, also Ausgaben für den Konsum, bedacht. Dazu kommen noch indirekte Kosten. Das sind unter anderem die durch die Kinder bedingten Einkommenseinbussen und die unbezahlte Familien- sowie Hausarbeit. Hier trifft es hauptsächlich immer noch die Frau. In der Regel ist sie es, die ihr berufliches Pensum einschränkt oder zunächst teilweise oder auch länger komplett auf null runterfährt. Dass sich die Mutter komplett den Kindern widmet, ist jedoch ein Auslaufmodell. Die Gründe dafür lassen sich schnell auf zwei Verben herunterbrechen: wollen und müssen. Das Bild von der Frau am Herd ist jedoch für viele Frauen nicht mehr stimmig. Frauen gehen gerne zur Arbeit, sie lieben die Selbstverwirklichung. Mit zunehmendem akademischen Grad steigt die Zahl überproportional an. Gleiches gilt übrigens auch mit Blick auf die Entscheidung

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Dabei ist es meistens nicht so, dass das Kind einfach zu viel kostet. «Es ist stets viel komplexer», so Mercier. «Die Überschuldung muss generell als Prozess gesehen werden. Viele Menschen leben ‹en flux tendu› und geben das monatliche Einkommen direkt wieder aus.» Kommt es in diesem Fall zu einem schweren Einschnitt in den normalen Alltag – Scheidung, Unfall, Krankheit, Verlust des Arbeitsplatzes –, nimmt die Abwärtsspirale Fahrt auf. Einhergehend mit dem Unmut aller Beteiligten. EIN FAMILIENBUDGET ALS RISIKOKILLER Dem lässt sich in seinen Augen mit einer strukturierten Budgetplanung entgegenwirken. «Definieren Sie ein Budget und halten Sie sich daran», sagt Mercier. «Spielen Sie nicht mit Konsumkrediten. Bilden Sie, wenn immer es möglich ist, Rücklagen. Erkundigen Sie sich nach sozialen Leistungen.» Ein ausgeglichenes Budget ist in seinen Augen das A und O. Und damit geht auch Andrea Schmid-Fischer d’accord. Sie ist Präsidentin beim Dachverband Budgetberatung Schweiz und mahnt vor allem zu einem kritischen Konsum. «Wir sind andauernd Einflüssen ausgesetzt. Tausende Fachpersonen beschäftigen sich mit der Frage, wie sie uns dazu bringen können, Geld auszugeben. Sie versuchen, uns gezielt zu steuern, Geld einzusetzen», sagt sie. «Darum ist es wichtig, ein realistisches Budget zu erstellen und sich daran zu halten. Das ist sicher nicht einfach, aber die konstante Kontrolle von Ein- und Ausgängen ist sehr hilfreich.» In ihrem beruflichen Alltag hat die auch für die Frauenzentrale Luzern aktive Budgetberaterin Schmid-Fischer regelmässig mit Fragen rund um das familiäre finanzielle Umfeld zu tun. «Sicher kosten Kinder Geld, der grösste Kostenfaktor ist jedoch wirklich die Einkommenseinbusse zugunsten der Kinderbetreuung», erklärt sie. «Gerade bei Konkubinatsbeziehungen, in de-

nen die Eltern zusammenleben, aber nicht verheiratet sind, gibt es dabei eine noch grössere Verschiebung zuungunsten des betreuenden Elternteils.» AM BESTEN RECHNET MAN NUR FÜR SICH Bei den direkten Kosten für ein Kind stimmt die Budget-Expertin der Studie zu. Sie liegen basierend auf ihren Erfahrungen bei rund 300 Franken für ein Kleinkind und 860 Franken für Jugendliche in Ausbildung. «Werden zudem noch anteilsmässig Wohnkosten und Bildungskosten berücksichtigt, können die Beträge schnell höher ausfallen», sagt Schmid-Fischer. «Ein grosser Posten ist auf jeden Fall die Kinderbetreuung, hier gibt es grosse Unterschiede je nach Betreuungsmodell und in Bezug auf staatliche Beihilfen.» Mit Blick auf Kleidung, Lebensmittel und Spielzeug ist es wichtig, diese mit dem vorhandenen und eben klar definierten Haushaltsetat abzustimmen. Gleiches gilt für Hobbies, sowohl die der Kinder wie auch der Eltern. «Die einen managen den Etat via App, wie eben die unseres Verbandes», erklärt die Expertin. «Andere nutzen eine ExcelTabelle, heben die Budgetbeträge wöchentlich ab oder verteilen Barbeträge auf Kuverts.» Im Grunde spielt der Weg keine Rolle. Die Einhaltung ist das Wichtigste und ist der idealste Weg, damit ein Kind nicht zur «Kostenfalle» wird. Die Falle ist nämlich nicht, dass man Eltern geworden ist. Die Falle ist, dass man den bewussten Konsum aufgrund überschäumender Hormone und später sicher auch durch den Leistungsdruck der Gesellschaft verloren hat. Doch es muss nicht Markenkleidung sein, nicht das neuste Smartphone, und der teure Familienurlaub ist auch kein Zwang – beim Thema Finanzen muss jede Familie nicht nur individuell, sondern offen und ehrlich planen. Offen untereinander, ehrlich mit Blick auf die eigene finanzielle Situation.

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EINE CHANCE FÜR EIN OFFENES ARBEITSKLIMA

LOHNTRANSPARENZ:

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Autorin_Dr. Alexandra Arnold

Der Druck hin zu mehr Lohntransparenz ist auch in der Schweiz zu spüren. Dank der Digitalisierung können sich Beschäftigte heutzutage auf Online-Plattformen ohne grösseren Aufwand über die marktüblichen Löhne informieren. Allerdings hilft das nur bedingt, um einzuschätzen, ob man innerhalb des eigenen Unternehmens fair entlohnt wird. Aus diesem Grund fordern immer mehr Beschäftigte, allen voran die jüngere Generation, dass offener über das Thema Lohn kommuniziert wird. Trotz dem gesteigerten Bedürfnis nach mehr Transparenz stehen immer noch viele Unternehmen der Lohntransparenz skeptisch gegenüber. Sie fürchten sich vor Neid und Missgunst unter den Beschäftigten, ausufernden Lohndiskussionen oder dem reduzierten Spielraum bei der Lohnfestsetzung. Nachfolgend sechs Argumente, wieso es sich für Unternehmen trotzdem lohnen kann, offen über den Lohn zu sprechen, um längerfristig ein offenes und produktives Arbeitsklima zu schaffen: Machen Unternehmen die Löhne transparent, sei das, indem sie die Lohnbänder, Ziellöhne oder gar individuelle Löhne offenlegen, zwingt es Unternehmen, ihr Lohnsystem einfach und nachvollziehbar zu gestalten. So können die Mitarbeitenden besser nachvollziehen, wie die Löhne festgelegt werden, und verstehen auch besser die Absichten hinter dem Lohnsystem. Im Falle von Lohntransparenz bietet man den Mitarbeitenden zudem bessere Möglichkeiten, den eigenen Lohn voranzutreiben, da sie besser einschätzen können, wo sie im Vergleich mit anderen stehen und was noch drin liegen würde. Dies führt wiederum zu höherer Lohnzufriedenheit bei den Beschäftigten. Legen die Unternehmen die Löhne freiwillig offen, hat dies eine positive Signalwirkung. Denn wer den Informationsvorsprung gegenüber den Mitarbeitenden aufgibt, signalisiert den Mitarbeitenden, dass man nichts zu verbergen hat und sich aktiv für faire Löhne einsetzt. Dies führt zu höherem Vertrauen in das Unternehmen und einem positiven Arbeitsklima. Mehr Lohntransparenz reduziert die Gefahr, gewisse Gruppen wie Frauen, Ausländer / innen oder Temporärbeschäftigte in Bezug auf den Lohn ungewollt zu diskriminieren. Denn umso klarer definiert wird, wie viel das Unternehmen für die jeweiligen Funktionen bezahlt, beziehungsweise unter welchen Umständen der Lohn erhöht wird, desto weniger unbewusste Verzerrungen können sich bei der Lohnfestlegung einschleichen. Weiter verhindert eine offene Kommunikation in Bezug auf den Lohn, dass Gerüchte und unrealistische Lohnerwartungen entstehen. Denn rund ein Drittel der Beschäftigten in der Schweiz fragt Arbeitskolleginnen und -kollegen nach deren Lohn. Das Problem liegt darin, dass nicht immer präzise Angaben gemacht werden, wenn man danach gefragt wird, und je nach Situation auf- beziehungsweise abgerundet wird. Somit kann man mit einer transparenten Lohnkommunikation verhindern, dass falsche Informationen im Umlauf sind. Schlussendlich fördert eine transparente Lohnkommunikation in Stelleninseraten einen effizienten Rekrutierungsprozess. Interessenten können sich schon vorab damit auseinandersetzen, ob die gebotene Lohnsumme ihren Erwartungen entspricht, und die Unternehmen eliminieren langwierige Lohnverhandlungen, welche zudem zusätzliches Diskriminierungspotential bergen.

DR. ALEXANDRA ARNOLD IST OBERASSISTENTIN AM CENTER FÜR HUMAN RESOURCE MANAGEMENT (CEHRM) AN DER UNIVERSITÄT LUZERN UND MITGRÜNDERIN VON HR CONSCIENCE, EINEM BERATUNGSUNTERNEHMEN, DAS AUF WISSENSCHAFTLICH FUNDIERTE UND EVIDENZBASIERTE BERATUNG SPEZIALISIERT IST.

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HOFFNUNG AUF

EIN SCHÖNES UND GUTES LEBEN

Autor_Andreas Krafft

Ein schönes und gutes Leben, wer wünscht sich das nicht? Wenn wir genau hinschauen, dann können wir erkennen, dass die Träume vergangener Zeiten zu einem Grossteil bereits verwirklicht worden sind. Uns geht es heute grundsätzlich besser als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Wir werden im Durchschnitt immer älter, leiden keinen Hunger und sind besser ausgebildet als je zuvor. 226


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der Welt wird oft als schwierig und ungewiss betrachtet. Es besteht ein Unbehagen darüber, in welche Richtung die Welt zurzeit hinsteuert. Viele Menschen befürchten für die Zukunft eine Verschlechterung der aktuellen globalen Probleme, scheinen das Vertrauen in eine sinnvolle globale Zukunft verloren zu haben und glauben auch nicht mehr an einen unbegrenzten Fortschritt, der die Probleme der Welt lösen könnte. Die kommenden Jahrzehnte werden in der Regel als ein Zeitalter voller Krisen und Probleme anstatt von Frieden und Prosperität gesehen. Am problematischsten werden die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, die Verschlechterung der mentalen Gesundheit der Bevölkerung sowie die wachsende Kriminalität und Gewalt gesehen. In manchen Regionen wird zudem die zukünftige Beschäftigungssituation besonders kritisch beurteilt. Der fehlende Glaube an einen gesellschaftlichen Fortschritt, d.h. an eine bessere Welt, hat in vielen Menschen eine pessimistische Haltung der globalen Zukunft gegenüber entstehen lassen. Der Zukunftspessimismus ist eine Folge der steigenden Unsicherheit. Je komplexer und unüberschaubarer sich die Welt präsentiert, desto mehr kommt ein Gefühl der Ohnmacht zum Ausdruck, weil viele Menschen den Eindruck haben, nichts dagegen unternehmen zu können. Diese Erfahrungen können negative Gefühle der Angst und der Hilflosigkeit auslösen. Auch der zunehmende Druck und Wettbewerb bringen Unzufriedenheit und Unbehagen mit sich. In einer anscheinend unkontrollierbar gewordenen Welt ist es nahezu unmöglich, etwas zu verändern. Zynismus, Konformismus und Totalitarismus (z.B. in Form von Nationalismus) sind Phänomene, wie sie heute an manchen Stellen vor allem unter Jugendlichen bereits beobachtet werden können. Trotz all dem ist ein Grossteil der Bevölkerung hoffnungsvoll in Bezug auf ihr eigenes Leben.

Die politischen und wirtschaftlichen Systeme sind bei uns in der Schweiz und in Europa stabil. Sicherlich gibt es auch Probleme und Gefahren, die die Massenmedien besonders hervorheben, aber die meisten Menschen haben mehr als genug zum Leben: Wir verfügen über ausreichende finanzielle und materielle Mittel, wir geniessen eine vergleichsweise hohe Sicherheit und fühlen uns frei. Die allermeisten von uns haben viel mehr Möglichkeiten und Optionen als die Generation unserer Eltern und Grosseltern. Dieser Wohlstand scheint aber nicht immer zu einem glücklicheren oder sorgenlosen Leben geführt zu haben. Es ist immer noch ein grundsätzliches Anliegen vieler Menschen, zu wissen, wie sie nach der Befriedigung ihrer Bedürfnisse nach materiellen Dingen ein gutes und erfülltes Leben führen können. Besonders in der individualistischen Gesellschaft scheinen Menschen eine Sehnsucht nach Gemeinschaft und Geborgenheit zu haben. Das Wirtschaftssystem hat zwar mehr Wohlstand geschaffen, aber nicht immer mehr Wohlbefinden und Glück zur Folge gehabt. Qualitäten eines guten Lebens sind diejenigen, die das Leben bereichern, die das Leben lebenswerter machen und den Menschen und die Gesellschaft stärken. Vor diesem Hintergrund ist auch die Frage nach der Qualität und den Inhalten unserer Hoffnungen im Leben zu stellen. Trotz unseres materiellen Wohlstands berichten die Medien nahezu täglich vor allem über Krisen und Katastrophen, sei es in der Wirtschaft, in der Politik oder in Zusammenhang mit gesellschaftlichen oder ökologischen Notständen. Wir beschäftigen uns anscheinend mehr mit Problemen als mit Möglichkeiten, mehr mit Risiken als mit Chancen, mehr mit Krankheit als mit Gesundheit, mehr damit, was im Leben und in der Welt alles schlecht läuft als mit den positiven Entwicklungen. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2009 in der Schweiz das Hoffnungsbarometer als eine breit angelegte öffentliche Umfrage zu den Hoffnungen der Menschen ins Leben gerufen, an der jährlich um die 4000 Personen teilnehmen. Wir wollten den Blickwinkel wechseln und erfahren, ob und wie die Menschen Hoffnung erfahren, welche Grundannahmen, Einstellungen und Weltbilder dahinter stehen, welche persönlichen Hoffnungen daraus hervorgehen, was Menschen tun, um hoffnungsvoll zu bleiben und um ihre Hoffnungen zu erfüllen, welche Personen in ihrem Leben ihnen Hoffnung vermitteln und was sie erleben, wenn sie sich im Leben einmal hoffnungslos fühlen. Darüber hinaus ist es das Ziel des Hoffnungsbarometers, Hinweise zu geben, was Menschen evtl. tun können, um sich persönlich weiterzuentwickeln, um herausfordernde oder schwierige Situationen zu überwinden und vielleicht sogar über sich selbst hinauswachsen zu können.

PERSÖNLICHE HOFFNUNGEN DER MENSCHEN Was sind nun die grossen persönlichen Hoffnungen der Menschen? Die Ergebnisse des Hoffnungsbarometers zeigen über die letzten zehn Jahre ein konstantes und eindeutiges Bild: An erster Stelle stehen die persönliche Gesundheit, eine glückliche Ehe, Familie oder Partnerschaft sowie ein harmonisches Leben. Dem folgen die Hoffnungen auf mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, auf gute und vertrauensvolle Beziehungen mit anderen Menschen sowie auf eine sinnvolle und zufriedenstellende Aufgabe im Leben. Bedeutend weniger wichtig sind die Hoffnungen auf mehr Geld, auf mehr Sex und romantische Beziehungen sowie auf persönlichen Erfolg und berufliche Karriere. Schauen wir uns diese Hoffnungen im Einzelnen an. Für eine Mehrheit der Menschen ist die Gesundheit, sowohl die körperliche als auch die mentale, eines der höchsten Güter im Leben. Hoffnung hat eine lebenserhaltende Funktion und trägt zum Wohlbefinden auch bei schweren gesundheitlichen Belastungen bei. Eine Krankheit ist für jeden Menschen eine Prüfung, von der man nicht weiss, wie sie das eigene Leben verändern wird. Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass mit der Hoffnung eine mentale Willenskraft verbunden ist, die positive körperliche Auswirkungen hervorruft und von entscheidender Bedeutung für den Heilungsprozess ist. Auch in Zeiten zunehmender Ehetrennungen und Scheidungen steht die Hoffnung auf eine stabile und glückliche Familie, Ehe oder Partnerschaft an oberster Stelle. Die meisten von uns haben die tiefe Sehnsucht nach einer unzertrennlichen Bindung

OPTIMISMUS TROTZ PESSIMISMUS Ein wesentliches Fazit des Hoffnungsbarometers besteht aus der Erkenntnis, dass die meisten Menschen sowohl optimistisch als auch pessimistisch in die Zukunft schauen. Während wir für unser eigenes Leben hoffnungsvoll und optimistisch sind, ist unsere Einstellung in Bezug auf die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen grösstenteils von Pessimismus gekennzeichnet. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Bilder der Zukunft in den Köpfen der Menschen nahezu diametral von ihren Idealen und Hoffnungen abweichen. Die meisten Menschen haben ein Gefühl dafür, was auf dieser Welt alles nicht richtig läuft. Viele sind über die Umwelt, die Wirtschaft und die politische Radikalisierung besorgt. Die Lage

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zu unseren geliebten Menschen und wünschen sich, dass diese ewig dauern mag. Hoffnung ist in diesem Zusammenhang eng mit Liebe, Treue, Fürsorge und gegenseitiger Unterstützung verbunden. Nach persönlicher Gesundheit und einer glücklichen Familie oder Partnerschaft ist ein harmonisches Leben die drittwichtigste Hoffnung der Menschen. Harmonie im Leben wird als innerer Friede sowie als Einheit mit anderen Menschen und der Umwelt als Ganzes empfunden. Man ist sozusagen mit sich und der Welt im Reinen. Damit ist nicht gemeint, Probleme und Konflikte sollten unter den Teppich gekehrt werden. Aber gerade vor dem Hintergrund täglicher Sorgen, Spannungen und Konflikte, des erlebten Stresses, wünschen wir uns ein harmonisches Miteinander und eine gesunde Balance zwischen dem privaten Leben, dem Job, den Hobbies und vielem mehr. Dazu gehört auch die Hoffnung auf gute und vertrauensvolle Beziehungen zu anderen Menschen, sei es am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder allgemein im Alltag. Genauso stark wie die Hoffnung auf ein harmonisches Leben und auf gute menschliche Beziehungen besteht die Hoffnung auf persönliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Viele Menschen fühlen sich durch die vielfältigen Aktivitäten und Verantwortlichkeiten, als würde ihr Leben fremdbestimmt sein. Oftmals funktioniert man im Alltag nur und reagiert ständig auf Erwartungen anderer. Wir Menschen haben aber ein tieferes Bedürfnis nach Autonomie und Kompetenz. Wir wollen grundsätzlich die Wahl haben, um selber entscheiden zu können, ob wir etwas tun oder nicht.

Zu den prominentesten Hoffnungen der Menschen gehört zudem der Wunsch nach einer sinnvollen und erfüllenden Aufgabe, bei der die eigenen Fähigkeiten eingesetzt werden können und man einen Beitrag zu einem wertvollen Zweck leisten kann. Eine sinnvolle Aufgabe ist für die meisten Menschen bedeutend wichtiger als ein sicherer Arbeitsplatz oder Erfolg und Karriere. Zu den weniger wichtigen Hoffnungen gehören das Verlangen nach mehr Freizeit und am Ende der Liste der Wunsch nach mehr Geld sowie Sex und romantischen Beziehungen. Geld und materielle Güter werden bis zu einem gewissen Grad als Notwendigkeit und als Objekte der Begierde, aber nicht als Hoffnungsobjekt betrachtet. Sobald man das begehrte Gut besitzt, verliert es offensichtlich an Bedeutung. Sex wiederum gehört zu unseren körperlichen Trieben, wird aber kaum als eine bedeutende menschliche Hoffnung erlebt.

DAS SCHÖNE UND DAS GUTE LEBEN Schon immer in der Geschichte der Menschheit fragte sich der Mensch, ob es einen höheren Sinn gibt, und wenn ja, welchen Sinn unser Leben hat. Der Mensch suchte das Glück in schönen und angenehmen Erfahrungen. Somit rückten die uns wohlbekannten gewöhnlichen Motive des menschlichen Handelns in den Vordergrund: Lust- und Machtstreben. In der Tat fühlen wir uns wohl, wenn uns das Leben angenehme, lust- und genussvolle Momente bereithält. Daraus entstand aber der Glaube, dass die Gesell-

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schaft aus Individuen besteht, die ihren eigenen individuellen Nutzen maximieren möchten, und zwar ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen. Schon in der griechischen Antike erkannte man, dass manche Menschen zwar Macht und Reichtum besitzen konnten, gleichzeitig aber auch eine Menge an Laster hatten. Zu diesen Lastern gehören Phänomene und Verhaltensweisen wie Zügellosigkeit, Geiz, Prahlerei, Jähzorn, Streitsucht, Eifersucht und Neid. Das Glück, als das beste und höchste aller Ziele, bezieht sich aber nicht auf ein bestimmtes materielles Gut im Sinne von Reichtum, Prestige oder Leistung, sondern auf das gute Leben und gute Handeln an sich. Glück und Erfüllung sind aus dieser Perspektive kein blosses Gefühl, sondern vielmehr die Beschreibung einer Lebensweise, die dank charakterlicher Grösse und persönlicher Entwicklung in Verbindung mit den eigenen Fähigkeiten erlangt werden kann. Die Kultivierung und Entwicklung der persönlichen Stärken und Begabungen führen zum guten Leben als Grundlage für Wohlbefinden und Glück. Wir sollten die Potenziale in jedem von uns erkennen, realisieren und zur höchsten Erfüllung bringen sowie die universellen menschlichen Werte wie Mässigkeit, Grosszügigkeit, Hochherzigkeit, Sanftmut, Aufrichtigkeit, Freundlichkeit und Gerechtigkeit beherzigen. Indem wir gut handeln, wird es uns auch gut gehen. Das, was uns letztlich von den Tieren hervorhebt, ist das Streben nach menschlicher Exzellenz. HOFFEN FÜR UNS Häufig hoffen Menschen auf etwas, das sie haben wollen. Wenn wir uns so verhalten, als ginge es nur um uns selbst, dann würde das Wesentliche im Leben nahezu komplett seine Bedeutung verlieren. Je mehr sich die Hoffnung auf einen bestimmten Gegenstand bezieht, desto leichter kann diese auch zur Enttäuschung werden. Ganz anders ist es aber, wenn unser Leben und unser Schicksal innig mit dem Leben und Schicksal anderer Menschen verbunden sind. Im letztjährigen Hoffnungsbarometer wurden den Menschen zwei Zukunftsszenarien vorgelegt, die sie als mehr oder weniger wünschenswert bewerten konnten. Das erste Szenario skizziert eine (moderne) schnelllebige, international wettbewerbsfähige Gesellschaft mit Schwerpunkt auf dem Individuum, der Vermögensbildung und dem technologischen Fortschritt. Das zweite Szenario porträtiert eine (post-moderne) grünere, harmonischere Gesellschaft, in der der Schwerpunkt auf Zusammenarbeit, Gemeinschaft und Familie, einer gleichmässigeren Verteilung des Reichtums und einer grösseren wirtschaftlichen Selbstversorgung liegt. Mehr als 80 Prozent der Menschen befürworten das zweite (post-moderne) Szenario einer grüneren und solidarischen Gesellschaft. Dagegen lehnen circa zwei Drittel bis drei Viertel der Menschen das individualistische (moderne) Szenario ab.

Wenn das Leben uns immer wieder neue Prüfungen bereitstellt, die wir nicht alleine und schon gar nicht durch den Besitz an immer mehr materiellen Gütern meistern können, dann kann die Lösung nur noch eine Zuflucht in die Gemeinschaft sein. Hoffnung in ihrer besten Form ist nicht eine Hoffnung für mich, sondern eine Hoffnung auf ein Ergebnis, das uns vereint. Hoffnung auf Erfüllung, auf ein gutes Leben, ist grundsätzlich eine Hoffnung für uns, d.h. ein Hoffen für alle Mitglieder unserer Lebensgemeinschaft. Es setzt voraus, dass wir das Leben teilen. Durch Treue, Liebe, Echtheit, Respekt, Fürsorge und Aufrichtigkeit nicht nur zu sich selbst, sondern auch anderen Menschen gegenüber gelingt es dem Menschen, an das Gute zu glauben und etwas dafür zu unternehmen. Hoffnung ist das Gegenteil von Angst und Sorge sowie von Apathie und Niedergeschlagenheit, denn sie beflügelt den Glauben und das Vertrauen an die Erreichbarkeit einer besseren Zukunft. Dies ist vor allem im Rahmen einer menschlichen Gemeinschaft möglich, in der man sich auf die positiven Seiten des Lebens fokussiert, insbesondere auf die Hoffnung und die Zuversicht, dass es auch in schwierigen Zeiten trotz Problemen und Enttäuschungen möglich ist, ein besseres Leben zu führen, wenn man die entsprechende Haltung dazu einnimmt und sich gemeinsam dafür aktiv engagiert. WAS KANN DER EINZELNE TUN? Als Abschluss stellt sich nun die Frage: Was kann bzw. soll der Einzelne angesichts dieser Erkenntnisse tun? Zuallererst sollte jeder gut für sich sorgen, nicht nur im materiellen Sinne, sondern vor allem im Sinne der eigenen Gesundheit, Fitness und Freude. Dazu gehören eine gesunde Ernährung, das Loslassen krankmachender Gewohnheiten und die Achtsamkeit für die wirklich wichtigen und schönen Dinge im Leben. Dazu gehört vor allem der Kontakt zur Natur. Als Zweites sollte man Fürsorge und Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber zeigen. Eine sinnvolle und erfüllende Aufgabe erfährt man, wenn man sich für etwas Gutes engagiert. Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie das Leben selbst. Ich kenne Menschen, die ehrenamtlich in einem Altersheim mithelfen, oder die eine Schule in Afrika aufgebaut haben, oder die Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten einen Raum der Zuflucht bieten, oder die sich für die Integration von Flüchtlingen einsetzen. Harmonie im Leben beginnt mit dem inneren Frieden und der persönlichen Ausgeglichenheit, die sich dann auf harmonische Beziehungen auswirken. Autonomie und Selbstbestimmung gewinnt man, wenn man das Leben wieder in die eigenen Hände nimmt und die Prioritäten im Leben neu definiert und verwirklicht. Die Voraussetzung für ein schönes und gutes Leben ist vor allem der persönliche Wille: Wir müssen das Gute im Leben und somit das gute Leben überhaupt anstreben wollen. Ein gutes Leben kann nur insofern gut sein, als dass es für den Einzelnen und gleichzeitig für die anderen, für die Familie, für das weitere Umfeld und für die Welt als Ganzes gut ist.

DR.OEC.HSG ANDREAS KRAFFT IST AKADEMISCHER LEITER DES HOFFNUNGSBAROMETERS UND SEIT ÜBER ZEHN JAHREN ALS TRAINER UND BERATER VON FIRMEN UND FÜHRUNGSKRÄFTEN TÄTIG.

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RENDITE TROTZ

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Autor_Walter Edelmann

TIEFER ZINSEN TIEFE ZINSEN DÃœRFTEN ANLEGER AUCH 2020 VOR HERAUSFORDERUNGEN STELLEN. MIT DIVERSIFIKATION KANN ABER AUCH IN DIESEM ANLAGEUMFELD RENDITE GENERIERT WERDEN.

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FINANCE

Das Anlageumfeld 2020 dürfte weiter von weltweit tiefen Zinsen geprägt sein. Die Notenbanken werden ihre lockere Geldpolitik voraussichtlich fortführen und damit dazu beitragen, dass die Wirtschaft weiter leicht wächst. Zudem werden die derzeitigen Rezessionsängste wahrscheinlich nachlassen, denn für das erste Halbjahr 2020 ist mit einer Erholung des verarbeitenden Gewerbes zu rechnen. Dadurch sollte die Renditekurve wieder etwas steiler werden. Die Wachstumsaussichten bleiben aber weiterhin eher moderat. Insgesamt dürfte das weltweite Wachstum für 2020 bei verhaltenen 2,5 Prozent liegen. MIT DIVERSIFIKATION ERFOLGREICH INVESTIEREN Bei risikoarmen Vermögenswerten drohen Anlegern in diesem Umfeld sehr niedrige oder sogar negative Erträge. Selbst traditionelle Fixed-Income-Anleger riskieren wegen der Inflation reale Vermögensverluste. Erfolgversprechender ist ein diversifiziertes Portfolio. Im Rahmen einer Multi-Asset-Strategie können Anleger ihre Mittel auf mehrere Anlageklassen verteilen und so auf massvolle und diversifizierte Weise Risiken eingehen. So können sie das noch vorhandene Wertpotenzial in risikoarmen Märkten nutzen und gleichzeitig die erwarteten Erträge durch Anlagen in Aktien und weniger konventionelle Fixed-Income-Werte steigern. DIVERSIFIKATION MIT SCHWELLENLÄNDERANLEIHEN IST ATTRAKTIV Erstklassige Anleihen spielen trotz der tiefen Renditen bei der Risikodiversifikation nach wie vor eine wichtige Rolle. Anleger müssen jedoch eine breitere Palette an Renditequellen in Betracht ziehen, um positive Erträge zu erzielen. Interessant ist hier beispielsweise das Segment europäischer Covered Bonds, die sich durch ein hohes Rating auszeichnen. Für einen Schutz vor der negativen Auswirkung steigender Anleihenrenditen (Durationsrisiko) eignen sich auch Senior- und Mezzanine-Tranchen von Collateralized Loan Obligations zur Ergänzung des Portfolios. Zudem bieten auch Schwellenländeranleihen in Hartwährung attraktive Renditeaussichten. Schwellenländeranleihen in Lokalwährung können ebenfalls eine Option sein, müssen allerdings wegen des Währungsrisikos besonders sorgfältig beobachtet werden. AKTIEN BIETEN IM TIEFZINSUMFELD ATTRAKTIVE ANLAGECHANCEN Deutlich mehr Potenzial bieten Aktien und alternative Anlagen. Aktien zeichnen sich gegenüber Anleihen durch eine attraktive erwartete Durchschnittsrendite aus. Eher einkommensorientierte Anleger sollten sich auf Unternehmen mit stabilen Dividenden konzentrieren. Auf Sektorebene sollte die Informationstechnologie als eine der wenigen wachstumsstarken Sektoren bevorzugt werden, genauso wie der Finanzsektor. Innerhalb der alternativen Anlagen schaffen Immobilien eine weitere Portfoliodiversifizierung und steigern zusätzlich das Ertragspotenzial. Für Anleger, die bereit sind, Geld über einen längeren Zeitraum anzulegen, bietet zudem Private Equity eine attraktive Möglichkeit, ihre Renditen langfristig zu erhöhen.

WALTER EDELMANN IST CHIEF GLOBAL STRATEGIST BEI DER CREDIT SUISSE.

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PRESTIGE

VOR

KONTRASTPROGRAMM URLAUBSREISE INS ICH

In den 1970ern noch Aussteiger-Paradies, heute bekannt für Massentourismus und Full-MoonPartys: Koh Samui im Golf von Thailand. Im Kamalaya Resort hingegen weht ein ruhiger Wind. Wer hierher kommt, möchte zu sich finden und an sich arbeiten. Getreu dem Motto «Feel Life’s Potential» checken im «Kamalaya» mehrheitlich Gäste ein, die ihr Leben als Sackgasse empfinden, nicht weiterwissen, aber etwas verändern wollen.

SCHAU

ZU GAST 100 JAHRE VILLA RENÉ LALIQUE

DER SAMMLER JEAN-GABRIEL DE BUEIL

Der Geschäftsmann Jean-Gabriel de Bueil hat beschlossen, in Paris die traditionsreichsten Bistros zu retten und vor dem Massensterben zu bewahren. Vier Bistros befinden sich derzeit in seinem Besitz, in denen beispielsweise Serge Gainsbourg und weitere wichtige Schauspieler, Politiker oder Schriftsteller ihren Stammplatz hatten. Nostalgisches Flair des alten Paris wird durch französische Cuisine gewahrt.

Wir wandeln auf den Spuren von René Lalique, einem der bekanntesten französischen Kreativen seiner Zeit. Sein meisterhaftes Können stellte er durch fantasievolle Schöpfungen in den verschiedensten künstlerischen Disziplinen unter Beweis. 1920 liess er sich in Wingen-sur-Moder ein eindrucksvolles Patrizierhaus bauen, in welchem er bis zu seinem Tod 1945 lebte. Nachdem dieses Domizil lange leer stand, wurde der Villa nun durch einen Schweizer Unternehmer neues Leben eingehaucht.

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BADEN IM GLÜCK.



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