PRESTIGE Switzerland Volume 56 Auszug

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AUTUMN 2020

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VOLUME 56






Adventures to share. Seclusion to cherish.



Performance Charged


DER ERSTE MASERATI GHIBLI HYBRID. Entdecken Sie mehr unter maserati.ch

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Maserati Ghibli Hybrid: Leistung kW (PS): 243 (330) – Hubraum (cm3): 1998 – Zylinder: 4 – Maximales Drehmoment (Nm) / bei Drehzahl (U/min): 450 / 4.000 Kraftstoffverbrauch kombiniert (l/100 km): 9,6 - CO2-Emissionen kombiniert (g/km)*: 216 - Effizienzklasse: G. Provisorische Werte, Homologation noch nicht abgeschlossen. *CO2 ist das für die Erderwärmung hauptverantwortliche Treibhausgas; Die mittlere CO2-Emission aller (markenübergreifend) angebotenen Fahrzeugtypen in der Schweiz beträgt 174 g/km.


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erscheint vierteljährlich MEMBER OF THE BOARD TIBOR MUELLER BORIS JAEGGI rundschauMEDIEN AG St. Jakob-Strasse 84 CH-4132 Muttenz  T +41 (0)61 335 60 80 F +41 (0)61 335 60 88 info@rundschaumedien.ch rundschaumedien.ch A PART OF PRESTIGE MEDIA GROUP SA EDITOR-IN-CHIEF SWENJA WILLMS s.willms@rundschaumedien.ch DEPUTY EDITOR-IN-CHIEF NIKE SCHRÖDER n.schroeder@rundschaumedien.ch

IM PRES SUM

SALES ELIAS THALER e.thaler@rundschaumedien.ch PATRICK FREY p.frey@rundschaumedien.ch MICHELE ZITO m.zito@rundschaumedien.ch ALAIN WILLI a.willi@rundschaumedien.ch URS HUEBSCHER u.huebscher@rundschaumedien.ch HEAD OF PRODUCTION & ART DIRECTION EMMA R. SCHAUB e.schaub@rundschaumedien.ch GRAPHIC DESIGN MELANIE MORET m.moret@rundschaumedien.ch PRODUCT PUBLIC RELATION SWENJA WILLMS s.willms@rundschaumedien.ch EDITORS CEMIL BAYSAL FRANK BODIN FRÉDÉRIC BRUN GISBERT L. BRUNNER VERA DILLIER WILMA FASOLA PATRICK FREY LONE K. HALVORSEN THOMAS HAUER SIMONE HOFFMANN URS HUEBSCHER BEAT KRAUSHAAR BEAT KRENGER NINA MERLI TIBOR MÜLLER VIVIEN RATHJEN ANTONIA CLARA SEMMLER KEVIN SCHNEEBELI MARC SONNTAG BEATRICE SCHÖNHAUS SPIRIG ANNA KAROLINA STOCK HELENA UGRENOVIC COSIMO VIOLATI HELEN WALDBURGER ANDY ZAUGG

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CORRECTOR ANDREAS PROBST COVER PHOTOGRAPHER Patrizio Di Renzo www.patriziodirenzo.com MODEL Manuela Frey STYLING Patrick Häusermann STYLING ASSISTENT Aleksandra Wisniewska MAKE-UP & HAIR Jehan Radwand PRODUCTION & ASSISTANCE www.thefotostudio.ch All rights reserved PHOTOGRAPHS Image databases, H. Moser, Audemars Piguet, Breitling, Oris, Parmigiani, Patek Philippe, Porsche Design, Richard Mille, Tag Heuer, Zenith, Rolex, Vacheron Constantin, Hermès ADMIN, COORDINATION &  SUBSCRIPTIONS SERPIL DURSUN s.dursun@rundschaumedien.ch PRICE  Issue CHF 10.–/€ 9.50 Year ­C HF 39.–/€ 35.– IT SUPPORT DEJAN DJOKIC deki@rundschaumedien.ch WEB SERVICES websiteria GmbH info@websiteria.ch is a registered trademark. (IGE 596.147) ISSN 1662-1255


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ART & 32 CULTURE

22 KUNST IM AUSNAHMEZUSTAND Wie die Corona-Krise den Kunstmarkt ausbremst 32 DER MEISTER DER VERHÜLLUNGEN Christo 36 YOU, ME & THE ART Helen Waldburger und Elliot Jack Stew 39 KOLUMNE Vivien Rathjen 40 POPKULTUR AUF HÖCHSTEM NIVEAU «Pop Lamborghini» in der «Cité de l’Automobile» 46 BLÜTEZEIT EINER KUNSTNATION Neue Kunstlokalitäten der Schweiz

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54 EINE KÜNSTLERISCHE SYNTHESE 3Kay

60 ZWISCHEN DEN MEEREN Oh wie schön ist Panama

TR AVEL 12

68 EIN KARIBISCHES JUWEL Eden Roc Cap Cana 72 PALÄSTE DES WISSENS Die schönsten Bibliotheken der Welt 80 REVITALISIERUNG DER EXTRAKLASSE «Borgo Miranda» 84 DIE STADT DER KONTRASTE Brillantes Budapest 90 NATUR, KULTUR, KULINARIK The Legian Bali



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WAT CHES 110 &

92 ZEITSCHREIBENDE KOMPLIKATIONEN Chronographen im Fokus 102 KALEIDOSKOPISCHE SCHÖNHEITEN Die Premier-Kaleidoscope-Modelle von Harry Winston 104 EIN QUERDENKER AUF ERFOLGSKURS Marc Ferrero im Interview 109 WUSSTEN SIE …? Kurioses Faktenwissen

JEW EL­LERY

MO 124 TION

110 DIE PRACHT DER FEDER Schmuckwelt «Aurora» wird erweitert

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114 GESCHÄRFTE SPEERSPITZE Porsche Macan Turbo 118 DER RENNSPORTLER IM SMOKING Maserati 3500 GT 122 MIT DER SEELE EINES SPORTWAGENS Der Aston Martin DBX 124 VERY BRITISH Unterwegs im Rolls-Royce Dawn Silver Bullet 130 DAS MASS DER DINGE Der neue Mercedes-AMG GT

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PRESTIGE

134 FAS

134 FASHION EDITORIAL Patrizio di Renzo 144 HUT AB Extravagante Hutmode von Christian Dior

HION

150 FASHION EDITORIAL When color meets culture 160 EIN MOSAIK DER EXKLUSIVITÄT Au Bon Marché Paris

BEAUTY&  WELLBEING LIVING

164 DIE ALCHEMIE DER SINNE Haute Parfumerie 170 KOLUMNE Antonia Clara Semmler

172 MOMENTE DER SELBSTBESINNUNG The Alpina Gstaad

176 ERSTE LIGA Das Home-Training erlangt sein Designer-Siegel

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178 FÜNF HÄUSER FÜR DIE KUNST Chara Schreyer, Gary Hutton und die Liebe zu Kunst und Architektur 186 ERWECKE DAS KIND IN DIR Raw Edges 192 WOHNEN NACH PLAN B Ein Luxusbunker für Krisenzeiten 198 NATURNAH Möbel und Accessoires aus Holz

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AUS DEM HERZEN DER SCHWEIZER ALPEN Im wunderschönen Simmental ist das Schreinerhandwerk noch ein traditionelles Handwerk. Der Stolz auf unsere Arbeit zeigt sich in jeder von uns individuell angefertigten Küche. Die raue Landschaft, die majestätischen Berge und die unberührte Natur inspirieren dabei unsere Arbeit. Ob Penthouse-Besitzer oder Chalet-Liebhaber, sie alle teilen die Leidenschaft mit uns, die uns dazu motiviert, die exklusiven Küchenträume unserer Kunden wahr werden zu lassen. Die Zbären Küchen werden dabei mit hochwertigsten Materialien in feinster Handarbeit und mit hochmodernen Maschinen gefertigt. Von der kleinen Manufaktur im Herzen der Schweizer Alpen liefern wir die massgefertigten Küchen in die ganze Welt.

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200

CULI NA RIUM

200 DIE PERLE VON HELSINKI Restaurant «Savoy» 208 GEMISCHTES DOPPEL Yannick Alléno und Benoît Gouez 214 GENUSS WIRD ZUM ERLEBNIS Weinregion Langenlois 218 KOLUMNE Andy Zaugg

222 HAUTE CULTURE Warum wir uns Luxus leisten sollten

208

FINAN TRENDS CE PHILIPP PLEIN

58 ART & CULTURE 82 TRAVEL 113 JEWELLERY 129 MOTION 149 FASHION WOMEN 158 FASHION MEN 171 BEAUTY 191 LIVING 212 CULINARIUM 220 FINANCE

226 PRIVATE-EQUITY-ANLAGEN Chancen und Risiken 229 KOLUMNE Kevin Schneebeli 230 FINANZIELL ABGESICHERT Wohlstand selbst in die Hand nehmen

8 IMPRESSUM 21 EDITORIAL 232 VORSCHAU

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BIG BANG SANG BLEU II

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Gehäuse aus Titan. Manufakturwerk UNICO mit Chronographfunktion. Limitierte Auflage von 200 Exemplaren.


ORTE DER ZUFLUCHT

Manche Situationen lassen sich nicht vorhersehen, sind geprägt von Komplexität und Unberechenbarkeit und stürzen uns in Unsicherheiten und Beklemmung. Es sind unkalkulierbare Momente, Geschehnisse oder auch blinde Flecken, die den Verlauf einer Handlung mitbestimmen und für deren Ende ausschlaggebend sind. Nicht alle Folgen einer Handlung lassen sich vorhersehen, und doch ist die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dass in Zeiten einer weltumspannenden Pandemie die Denk- und Sehgewohnheiten besonders gefordert sind, repräsentieren die Geschichten in unserer Herbstausgabe. So erfinden sich rund um den Globus Museen und Galerien neu, um den Kunstmarkt aufrechtzuerhalten. Denn jede noch so ausweglos scheinende Situation birgt Chancen und lässt neue Orte entstehen, die Zuflucht gewähren. Dort, wo man sie am wenigsten vermuten würde. Wie eine Mohnblüte, die auf kargem Fels wächst. Zu diesen zählt die Erweiterung des historischen Gebäudes von Audemars Piguet im Vallée de Joux, das heute als eine der Wiegen der komplizierten Schweizer Uhrmacherkunst bekannt ist. Das Musée Atelier Audemars Piguet ist ein Ort der Begegnungen, an dem das Handwerk gelebt wird. In den prunkvollsten Bibliotheken der Welt verschanzen wir uns zusammen mit dem Fotografen Massimo Listri, der die schönsten Paläste des Wissens besucht und mit der Kamera festgehalten hat. Fotografische Wegweiser in eine neue, aufregende Welt liefert uns zudem Fotograf und Creative Director Patrizio Di Renzo, der auch das Cover unserer Herbstausgabe schmücken durfte. Aufbruchstimmung wird greifbar. Und in der Ukraine stossen wir auf Festungen der Exklusivität. Tief unter der Erde erschuf hier das Studio «Sergey Makhno Architects» ein Konzept für ein sicheres und gemütliches Zuhause in Krisenzeiten – eine Reflexion über die Fortsetzung des menschlichen Lebens unter allen Umständen.

EDI TO RIAL

Swenja Willms Editor in Chief

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ART ART & & CULCULTURE TURE PRESTIGE

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ART & CULTURE

KUNST IM AUSNAHMEZUSTAND

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Die Corona-Krise hat die Kunstwelt ausgebremst. Ob Frieze London oder Art Basel: Kunstmessen und Biennalen sind abgesagt, Galerien und Museen wurden vorübergehend oder sogar für immer geschlossen. Vieles liegt noch in der Schwebe, doch eines ist sicher: Der Kunstmarkt muss sich neu erfinden. Autor_Beat Krenger

Leuchtende Farben bedecken den Boden, breiten sich wie die Tentakel eines Tintenfischs aus, erobern die hohen Wände. Und sie verlassen sogar das Gebäude, gelangen durch offene Tore in die Aussenwelt. Dies ist Kunst, die aus dem Rahmen fällt. Kunst, die keine Grenzen kennt und keine Beschränkungen mehr akzeptiert. Gemälde oder Installation? Kategorisierungen sind unmöglich. Das Werk «It Wasn’t Us», das in Zeiten einer weltumspannenden Pandemie die Denk- und Sehgewohnheiten besonders fordert, stammt von der in Berlin lebenden Künstlerin Katharina Grosse und ist noch bis Januar 2021 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart zu erleben. Selbstverständlich gelten auch hier strikte Kontaktbeschränkungen, die seit dem Frühjahr für jede Ausstellung zur Pflicht gehören. Das monumentale Werk von Katharina Grosse zeigt, dass Kunst auch im Jahr von Corona beeindrucken kann. Gerade weil in der Weitläufigkeit der Präsentation, die sich hier und dort sogar bis ins Freie zieht, die erforderlichen Abstandsregeln mühelos eingehalten werden können. Doch auf eine Ansammlung Zigtausender von Kunstexponaten, vereint und eingebettet im Rahmen einer Messehalle, dicht an dicht ausgestellt, wird man dieses Jahr verzichten müssen. Diese Zeiten sind vorerst vorbei.

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©Jens-Ziehe

ART & CULTURE

Grenzenlos: «It Wasn’t Us» von Katharina Grosse im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart.

MUTPROBE FÜR DEN KULTURSEKTOR Die Pandemie und ihre Folgen – das ist auch ein einmaliges Experiment. Die Wirtschaft leidet, die weltweite, oft atemlose Vernetzung des Kunstmarkts wirkt plötzlich verletzlich. Dabei wächst die Sorge, wie lange die Regierungen die finanziellen und sozialen Folgen abfedern können – und ob nicht spätestens die zweite Infektionswelle zu noch mehr Konkursen in der Branche führen wird. Gerade Kunstschaffende und ihre Galerien fragen sich: Wie bekommen wir das möglichst schnell wieder in Gang? Vereint suchen sie nach Auswegen aus der Corona-Schockstarre. Und das Staunen ist gross über die Kraft der Menschen, die trotz den vielen Hürden, welche die Notlage mit sich bringt, neue Wege einschlagen. Es ist nicht leicht, in unübersichtlichen Zeiten den Überblick zu behalten. Werden nur die grossen Galerien mit ausreichend finanziellen Rücklagen die Krise überleben? Haben die Kunstschaffenden aus dem erzwungenen Stillstand gar einen kreativen Nutzen gezogen? Und wann werden sie, wenn überhaupt, wieder im Langstreckenflugzeug die Kunstmetropolen dieser Welt ansteuern können? Was wird in zwei Monaten sein? Was in einem Jahr?

Frieze London, Art Basel, Biennale Venedig, Art Hongkong, Art Paris: Wegen der Covid-19-Pandemie wurden überall auf der Welt die wichtigsten Kunstevents abgesagt – mit unabsehbaren Folgen. Mit Spannung wird vor allem die ohnehin angeschlagene Schweizer Messegesellschaft MCH, die hinter der Art Basel steht, von Kunstkennern beobachtet. Dort ist jetzt der Sohn des umstrittenen Medienmoguls Rupert Murdoch als Investor eingestiegen. Die Muttergesellschaft der Art Basel ist in Schwierigkeiten geraten, und den MCH-Aktionären war die Rettung durch James Murdoch lieber als eine Pleite der Kunstmesse. Immerhin hat Murdoch junior bereits erste Erfahrungen in der Kultur- und Eventbranche gesammelt. Die Art Basel ist mit zuletzt 95’000 Besuchern und bis zu 300 Galerien Magnet und Motor der Basler Kunstmessewoche und hat in ihrer 50-jährigen Geschichte illustre Parallelmessen ans Rheinknie gelockt. Doch jenseits dieser exklusiven Sphäre erzeugt nun die Krise Risse und Brüche, die in eine Zäsur münden könnten. Galerien etwa machen zwischen 35 und 50 Prozent ihrer Jahresumsätze auf Kunstmessen. Dieses Segment jedoch ist jetzt auf Eis gelegt, und es ist offen, ob sich das in naher Zukunft ändern wird.

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ART & CULTURE

Überlebenswichtiges rückt nun ins Zentrum. Wie macht man Kunst, wenn selbst der Austausch mit Gleichgesinnten fehlt? Wie verkauft man seine Werke, ohne mit interessierten Sammlern direkt in Kontakt treten zu können? Eine gemeinsame Plattform wie die Art Basel etwa reisst ein riesiges Loch in den Kunstkalender. Die endgültige Absage der bereits vom Frühjahr in den September verschobenen Leitmesse samt der parallel stattfindenden Design Miami Basel unterstreicht diese Lähmung, die keineswegs nur Basel betrifft. Der ganze Kunstmarkt ist im Ausnahmezustand. Ausweichmanöver ins Digitale werden in Windeseile initiiert, Galerien und Künstler nutzen die verbindenden Qualitäten der Kunst und richten alle Energien auf einen Neustart. Es sind turbulente Zeiten. Einzig das Fragezeichen hinter den klassischen Messeformaten bleibt eine Konstante. Besonders kleinere Galerien haben es jetzt besonders schwer, ein internationales Publikum zu finden. Wie viele von ihnen die derzeitige Krise überleben, hängt auch davon ab, wie solidarisch sich ihr Umfeld zeigt. Viele können es sich nicht leisten, auf ihren Websites innerhalb weniger Wochen «Online Viewing Rooms» einzurichten, um ihre Ausstellungen digital zu zeigen. Immerhin gibt es vielerorts unter lokal vernetzten Galerien einen neu erstarkten Sinn für gegenseitigen Support, von der Zoom-Gruppe für Informationen und gute Ratschläge bis zur Planung koordinierter Wiedereröffnungen von Ausstellungen. Der US-Kunsthändler David Zwirner ging noch einem Schritt weiter: Der gebürtige Kölner, der vor 27 Jahren seine erste Galerie in New York eröffnete, ist heute – mit drei New Yorker Adressen und Niederlassungen in London, Paris und Hongkong – einer der weltweit mächtigsten Galeristen. Nach dem Lockdown

im Frühjahr stellte er kleineren Galerien, die für ein innovatives Programm stehen, kostenlos einen Platz auf der Website seiner Galerie zur Verfügung. «Das Projekt entstand ganz organisch. Zwischen der Idee und dem Launch verging nur eine Woche», erklärt Elena Soboleva, die Direktorin für Online Sales bei Zwirner. «Als Galerien und Museen in New York schliessen mussten, traf sich eine Gruppe von jungen Mitarbeitern der Galerie, um zu überlegen, was wir tun können, um die Art Community zu unterstützen.» Daraus entstand «Platform: New York». Eine aus der Not geborene Erfolgsgeschichte. In den ersten drei Tagen zählte die Website über 20’000 Besucher. Trotz diesem Akt der Solidarität wird das Jahr 2020 als Annus horribilis in die Annalen des Kunsthandels eingehen. Laut Umfrage unter 168 Galerien der amerikanischen Galeristenvereinigung rechnen die Mitglieder fürs zweite Quartal mit einer Umsatzeinbusse von 73 Prozent. Als Folge des harten Lockdowns lancierte auch die Art Basel als Reaktion darauf neue digitale Plattformen wie Online-Ausstellungsräume oder tat sich mit bereits bestehenden KunstmarktWebsites zusammen. Sogar die Preise der Kunstwerke wurden veröffentlicht, was die von vielen schon lange geforderte Transparenz in den Markt brachte. Und das in einer Branche, die noch wenige Monate zuvor Werkpreise nur auf Anfrage mitgeteilt hatte. Das alles seien wichtige Indizien, dass die Krise den Kunstmarkt nachhaltig verändern wird, schreibt Marc Spiegler, Direktor der Art Basel, im Magazin des «Tages-Anzeigers». Die Galeristen würden das während des Lockdowns Gelernte für die Zukunft ausbauen, auch ihre Investitionen in die Digitalisierung könnten sich längerfristig auszahlen. «Es war erstaunlich zu sehen, wie rasch die Kunstwelt innovativ wurde», analysiert Spiegler. Bereits am ersten Tag der «Art Basel Online Viewing Rooms» loggten sich Tausende Besucher in den Online-Zuschauerraum ein. Neben vielen Verbesserungen wurde eine Funktion hinzugefügt, die es Galerien ermöglicht, jedes Kunstwerk von einem Video begleiten zu lassen. Einige haben Nahaufnahmen ihrer Werke hochgeladen, während andere Clips von Künstlern drehten, die über ihre Werke sprechen. Darüber hinaus veranstalteten einige Galerien parallel zur Ausstellung digitale Events – virtuelle Empfänge bis hin zu Studioführungen. Viele boten Zoom-Rundgänge durch ihre Räume an, sodass sie direkt mit Gruppen von Sammlern sprechen konnten, was sich als besonders effektiv für den Verkauf von Werken erwies.

Lockdown-Lichter: «Night #22» von Michael Wolf, Bruce Silverstein Gallery New York.

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«Hold Still» von Hayv Kahraman, Jack Shainman Gallery New York.

KREATIVE WEGE FINDEN Wie wird die Zukunft der Kunstwelt aussehen? «Galerien, Museen und Messen werden nach und nach wieder im alten Glanz erstrahlen», prophezeit Marc Spiegler. «Menschen, die Kunst lieben, werden einen immensen Nachholbedarf haben nach Kunst, die sich physisch betrachten lässt und nicht nur digital.» 2019 lief es für viele Museen noch richtig gut. Unfassbare 9,6 Millionen Menschen aus aller Welt kamen etwa in den Louvre, so viele wie nie zuvor. Das Pariser Museum setzte seine Erfolgswelle Anfang dieses Jahres fort mit einem Besucherrekord von 1,1 Millionen Menschen allein für die Leonardo-da-Vinci-Ausstellung. Und auch der Madrider Prado verzeichnete im Jubiläumsjahr 2019 einen Besucherrekord. Dass selbst Blockbuster-Ausstellungen trotz Corona-Krise funktionieren, beweist im kanadischen Toronto erstmals eine Drivein-Ausstellung mit Werken des niederländischen Malers Vincent van Gogh. Die Bilder werden an grosse Wandflächen projiziert, zehn Autos passen gleichzeitig in die Ausstellungshalle. Während der Projektion der Kunstwerke, die von Musik begleitet wird, bleiben die Motoren der Autos ausgeschaltet. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit den Schöpfern von «Van Gogh, Sternennacht», einer beliebten Schau, die letztes Jahr im Pariser L’Atelier des Lumières präsentiert wurde. Überaus passend zum derzeit propagierten Social Distancing: Das Leben des niederländischen Malergenies war geprägt von seiner Unfähigkeit, enge soziale Bindungen einzugehen. Die befahrbare Van-Gogh-Ausstellung ist stets ausverkauft und wurde bis Ende September verlängert. Kreative Wege ging auch die Bremer Kunsthalle während des Corona-Lockdowns, um die hauseigene Sammlung an Werken öffentlich zu feiern: Um die tristen Monate ohne Besucher zu überbrücken, rief das Museum dazu auf, Gemälde und Skulpturen nachzustellen. «Die Resonanz war überwältigend!», verkündeten die Initiatoren zum Ende der Aktion. Auf den Bildern in den sozialen Medien waren Menschen zu sehen, die sich wie vor hundert Jahren kleideten und Posen nachstellten. In den Händen hielten sie Aktenordner statt Papyrusrollen oder Stoffkatzen, die dem Original bis auf das Fellmuster glichen. Als Vorlage dienten unter anderem Werke von Albrecht Dürer, Caspar David Friedrich, Claude Monet, Paula Modersohn-Becker, Waldemar Otto und Pipilotti Rist. Nun sind mehrere Monate vergangen, und einige Museen fokussieren sich unter Einhaltung der Covid-19-Sicherheitskonzepte wieder auf ihre geplanten Ausstellungen. «Wir haben uns gefragt, was den Kunstmegastar Andy Warhol gerade jetzt aktuell macht?»,

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ART & CULTURE

des modernen Kunsttouristen, weil nicht einmal ein Bruchteil der 450 pro Tag erlaubten Besucher kommt. Der internationale Kunsttourismus ist momentan ausgebremst. Es scheint, als erfülle sich unverhofft die Forderung des Aktivisten und Künstlers Gustav Metzger, der schon vor Jahren den Slogan «Reduce Art Flights» propagierte, weil er die um die Welt jettende Kunstszene mit ihrem hohen Kerosinverbrauch als Klimasünder entlarvte. Frances Morris von der Tate Modern in London offenbart auf Anfrage, dass die Museen auf all das schon längst vorbereitet seien. Schon vor dem Ausbruch von Corona war abzusehen, so die Direktorin des wohl einflussreichsten Museums für zeitge-

sagt Yilmaz Dziewior, Direktor des Museums Ludwig. Dabei sei offenkundig geworden, dass Warhol «als Sohn von Immigranten, als schwuler Mann und in seinem Verhältnis zur Subkultur» heute grosse Relevanz habe. Am 10. Oktober eröffnet die Blockbuster-Ausstellung wie geplant im Museum Ludwig in Köln – natürlich abstandsregelkonform, mit Hygienekonzept und im Wissen, dass viel weniger internationale Besucher als sonst üblich anreisen werden. Auch Eike Schmidt, Direktor der weltberühmten Uffizien in Florenz, setzt vorläufig auf lokale Kulturfans. Im Gespräch schwärmt er davon, dass die Galerien in seinem Haus jetzt so weitläufig und leer sind wie in Lord Byrons Zeiten, dem Urahnen

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nössische Kunst, dass ihre Zielgruppe nicht nur Ausstellungsprogramm und Sammlung kritisch hinterfragt, sondern auch die Anstrengungen, die das Haus in Bezug auf Klimaschutz unternimmt. «Unsere Gebäude verbrauchen 26’000 Tonnen CO2 im Jahr», rechnet Frances Morris vor, «260’000 Tonnen werden dagegen von unseren anreisenden Besuchern verursacht.» Auch deshalb wolle sich die Tate Modern künftig vermehrt nur noch auf die Menschen aus Greater London ausrichten – wo ja bereits ein Millionenpublikum wohnt. Die Vernunft gebietet also zu planen, was man ohnehin zu tun gezwungen ist: lokaler zu werden. Jahrhundertelang waren Kunst und ihr Besitz eine Demonstration von Macht, denn der Zugang zu den Werken war in der Regel stark eingeschränkt. Zu sehen waren Kunstwerke oft nur in sakralen Räumen oder den Palästen der Herrschenden. Ihre Enthüllung war ein Ritual, das sich vom Alltag so stark wie möglich abheben sollte, um die Macht zu zelebrieren, die mit der Herrschaft über die Bilder im erlauchten Kreis einherging. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Kunst ist heute allgegenwärtig. Sie ist, besonders im Fall von Bildern, digital reproduzierbar und dadurch praktisch überall und für jeden verfügbar geworden. Dieses Privileg sollte genutzt werden, gerade jetzt. Auch in Museen oder bei Kulturveranstaltungen, die im Freien stattfinden, wo die Ansteckungsgefahr laut Experten äus­ serst gering ist, wie die Erfahrungen der Sommermonate zeigten. Gerade in Museen ist es selbst in geschlossenen Räumen kein Problem, Besucher einzeln oder in kleinen Gruppen mit ausreichend Abstand durch eine Ausstellung zu lotsen, ohne dass der Kunstgenuss darunter leidet. Deshalb werden die innovativsten Galerien der Kulturstadt Basel zusammen mit dem ansässigen Kunstmuseum und der Fondation Beyeler vom 17. bis 20. September 2020 eine Premiere feiern. Die ersten Kunsttage Basel sollen Besucherinnen und Besucher durch rund 40 Galerien und Museen führen können, eine Art «Galerien- und Art-Hopping». So können sich die Kunstliebhaber problemlos verteilen, um das Ansteckungsrisiko möglichst klein zu halten.

«Veduta (Vuillard)», von Whitney Bedford, Vielmetter Los Angeles.

Natürlich könnten auch Ausstellungsstücke gekauft werden, sagt Carlo Knoell, Galerist und einer der Initiatoren der Kunsttage Basel: «Das Verkaufen steht aber sicher nicht im Fokus, sondern viel mehr geht es darum, Kunst in Basel erlebbar zu machen.» Auch Daniel Kurjakovic, Kurator Programme am Kunstmuseum Basel, betont, dass mit den Kunsttagen Basel keine kommerziellen Ziele verfolgt würden. «Wir fühlen uns alle verantwortlich für die Kulturstadt Basel, und deshalb machen auch so viele verschiedene Akteure mit und stecken viel Herzblut in das Projekt.» Die endgültig abgesagte Liste Air Fair lanciert zudem vom 2. bis 15. September die Online-Plattform Liste Showtime. Diese neue Initiative wird zur Bühne für 72 internationale Galerien, auf der sie einen Künstler aus ihrem Programm umfassend vorstellen und Werke zum Verkauf anbieten. Das ergänzende Posterprojekt «Rewriting Our Imaginations» wird sowohl online als auch im öffentlichen Raum von Basel zu sehen sein. 2020 wird dennoch als düsteres Krisenjahr in Erinnerung bleiben, in dem die Kunstszene unfreiwillig lernen musste, ihr Selbstverständnis zu hinterfragen und sich neu zu definieren. Viele Künstlerinnen und Künstler nutzten die freie Zeit während des Lockdowns aus und verschanzten sich in ihren Ateliers. Der kreative und intellektuelle Output, der daraus entstand, wird uns noch viele Jahre begleiten, faszinieren und berühren. Die künstlerische Verarbeitung des Erlebten wirkt wie ein Mahnmal für eine Zeit, die keiner von uns jemals vergessen wird. Kunst nach Corona sorgsam zu unterstützen, ist auch ein Zeichen von Solidarität und von demokratischem Bewusstsein. Kunst ist, und das sollte man nie vergessen, ein Privileg, das man nicht leichtfertig aufgeben darf. Jetzt erst recht nicht.

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ART & CULTURE

DIE PANDEMIE UND IHRE FOLGEN – DAS IST AUCH EIN EINMALIGES EXPERIMENT.

«Stillleben Wolken» von Titus Schade, Eigen + Art Leipzig.

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TR AV EL

TR AVEL

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TRAVEL

ZWISCHEN Autorin_Helena Ugrenovic

DEN MEEREN

EINE SATTGRÜNE FLORA, EINE REICHHALTIGE FAUNA, KARIBISCHE STIMMUNG AUF DER EINEN, PAZIFISCHER WELLENGANG AUF DER ANDEREN SEITE, TEILWEISE UNBERÜHRTE NATUR, BUNTE PFEILGIFTFRÖSCHE, SCHLÄFRIGE FAULTIERE, EINE 82 KILOMETER LANGE WASSERSTRASSE UND PANAMA CITY, EXZENTRISCH, TEILWEISE DEKADENT, PULSIEREND, ANMUTIG, DIE KOSMOPOLITISCHSTE STADT MITTEL­AMERIKAS UND EIN MIX AUS MIAMI UND DEN GESCHICHTENERZÄHLERN AUS DER KOLONIALZEIT. OH WIE SCHÖN IST PANAMA.

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TRAVEL

Republik Grosskolumbien an. Simón Bolívar, auch «El Libertador», der Befreier, genannt, ein venezolanischer militärischer und politischer Führer, der die heutigen Länder Venezuela, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru und Panama in die Unabhängigkeit vom spanischen Imperium führt, kann seinen Traum von einem geeinten Südamerika jedoch nicht verwirklichen. Wegen der besonderen Rolle Panamas als Handelsweg zwischen den Ozeanen ist die Verbindung zu Kolumbien nie sehr fest. Denn trotz der Unabhängigkeit vom Königreich Spanien herrschen regionale und politische Unruhen, Rivalitäten, innenpolitische Machtkämpfe –  die neuen Republiken versinken im Chaos. Auch in Panama toben Aufstände, und 1840 löst sich Panama von Kolumbien, jedoch ohne komplette Alleinbestimmung. Als die kolumbianische Regierung der Société Civile Internationale du Canal Interocéanique 1878 eine Konzession zum Kanalbau, die sogenannte Wyse-Konzession, erteilt und nach einem Jahr unter der Leitung von Ferdinand de Lesseps, dem Erbauer des Suezkanals, das Unternehmen bankrott ist und den Bau einstellt, nehmen die USA, die ein Transitrecht in Panama geniessen, mit der Regierung in Bogotá Kontakt auf, um den Weiterbau des geplanten Atlantik-Pazifik-Kanals zu forcieren. Doch die Verhandlungen scheitern an den bürgerkriegsähnlichen Zuständen in Kolumbien. Auf das Bestreben und die Initiative der USA hin wird das heutige Panama 1903 von Kolumbien abgespalten und als selbständige Republik proklamiert.

ES

Es ist ein schmaler Grat, der 60 Kilometer breite Isthmus von Panama, die Landenge, die im Norden das Karibische Meer und im Süden den Pazifischen Ozean berührt. Lange vor der europäischen Kolonialisierung ist Panama weitgehend von Chibchan-, Chocoan- und Cueva-Völkern besiedelt, die hauptsächlich von der Jagd, dem Sammeln von essbaren Pflanzen und Früchten und dem Anbau von Mais, Kakao und Hackfrüchten leben. Völlig ahnungslos ist die in kleinen Hütten aus Palmblättern lebende indigene Bevölkerung über all die Schätze und Reichtümer Südamerikas, die Freibeuter, Piraten und gierige Europäer wie das Licht die Motten anlocken. ONCE UPON A TIME 300 Jahre lang ist Panama Teil des spanischen Reiches, und keine andere Region erweist sich als strategisch und wirtschaftlich wichtiger – alle Schätze und all das Gold des von Kolumbus erzählten «Sesam, öffne dich!», die in Südamerika zu finden sind, wurden nach Europa verschifft. Als die spanischen Kolonien 1821 ihre Unabhängigkeit vom Mutterland erklären, schliesst sich Panama der

PANAMA CITY Sie ist sowohl pulsierende Metropole als auch Tor zu tropischen Fluchtmöglichkeiten. Inmitten satten Dschungels glitzert die Skyline von Panama City erhaben über dem Wasser. Sonnenstrahlen tanzen auf den Glasfassaden der Wolkenkratzer, die sich

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PANAMAISCHE BALBOA Obwohl er zu den damaligen Konquistadoren gehört, die unter der spanischen Krone das Land eingenommen und kolonialisiert haben, gedenkt man seiner noch heute. Die Währung Panamas, der Balboa, ist nach Vasco Núñez de Balboa benannt. Zahlreiche Strassen, öffentliche Plätze und Parks in den Staaten des amerikanischen Westens sind nach ihm benannt, und auch Firmen und Produkte tragen heute noch den Namen Balboa. ARCHIPIÉLAGO DE BOCAS DEL TORO Die karibische Inselkette ist Panamas Ferienort Nummer eins und eine Oase der puren Entspannung. Mit Cruiser Bikes zum Strand fahren, beim Abendessen in einer strohgedeckten Hütte am Strand faulenzen, surfen oder schnorcheln, in einer bescheidenen Rucksackunterkunft wohnen oder in einer der atemberaubenden Dschungel-Lodges und Luxusresorts auf den Ausseninseln logieren. Es ist der perfekte Ort, um fernab vom Rest der Welt eben diesem Rest der Welt «hasta la vista» zuzuf lüstern und die Auszeit zu geniessen.

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scharf vom klaren, blauen Himmel abheben und jeden Besucher, der von einer Katamaran-Tour nach Panama City zurückkehrt, in Schnappatmung versetzen. Es ist eine faszinierend merkwürdige Kulisse, und sie verleitet zu unermüdlichen Klicks auf dem Fotoapparat oder Smartphone, zu kontrovers ist das Bild aus hypermodernen Bauten, die in die Sonne ragen, und den alten Holzbooten, die davor im Wasser dümpeln, während die Fischer ihren Fang aus den Kuttern an Land wuchten. Panama City ist die einzige Hauptstadt der Welt, in deren Stadtmitte ein tropischer Regenwald zu finden ist. Gleichzeitig liegt sie an einem der spektakulärsten und grössten Bauwerke der Geschichte, dem Panamakanal, durch den die Stadt nicht nur reich, sondern auch bedeutend wurde. Es ist eine Stadt der Kontraste, wo sich Moderne mit Kolonialstil vermischt, wo bunt besprayte Touristenbusse, die «diablos rojos», neben schnittigen Sportwagen an der Ampel hupen, wo indigene Völker Handwerkskunst auf den Strassen verkaufen, während im Casco Viejo, der Altstadt, Hipster und schicke Fashionistas in Stilettos graziös über die Pflastersteine in die angesagten Restaurants und Clubs tänzeln. Panama City verkörpert die Mentalität des ganzen Landes. Panama ist ein Herzlich-willkommen-Staat und eine regionale Drehscheibe für Handel und Einwanderung. Der daraus resultierende kulturelle Cocktail-Mix führt zu einer erfrischenden «anything goes»-, Alles-ist-möglich-Haltung, die um einiges dynamischer und flüssiger ist als in den Nachbarländern. Und wo die heimische Bevölkerung den Touristen nicht mit zurückhaltendem Misstrauen, sondern mit herzlicher Freundlichkeit begegnet und jeder Taxifahrer nebst Ratschlägen, unbedingt Schutzfaktor 50 bei einer Bootsfahrt aufzutragen, allerlei Geschichtliches freudig erzählt. CASCO VIEJO Der bezaubernde Stadtteil liegt am südwestlichen Rand von Panama City und ist der zweite Standort von Panama City. Der erste war Panama Viejo. Bis zu Beginn des 20sten Jahrhunderts ist er das Stadtzentrum und wird 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Seit den 1990er Jahren wurden am Casco Viejo Restaurierungsprojekte durchgeführt, und diese zahlen sich aus. Heutzutage hat das Viertel eine romantische, fast kunstvolle Ausstrahlung, die es zu einem angenehmen Ort zum Bummeln und Erkunden macht. Der architektonische Stil von Casco Viejo vermischt französische, spanische und neoklassizistische Einflüsse in den hohen Häusern, die die Kopfsteinpflasterstrassen säumen. Zwischen den Häusern wirken die Kirchen und Museen wie zufällig hingestreut. Neue Geschäfte, Designerläden, schicke Restaurants, hippe Bars und Boutique-Hotels betten sich zwischen die historischen Gebäude. Diese Mischung aus Boutique und Bohème, ein pulsierendes Nachtleben, das sich speziell an der Plaza Bolívar abspielt, Live-Musik, Open-Air-Restaurants und zahlreiche Cafés, die nicht nur den besten Kaffee servieren, sondern wo von jedem Sitzplatz aus wunderbare Fotomotive zu knipsen sind, machen Panama City zu einem der schicksten Reiseziele, die jegliche Reisende, vom Rucksacktouristen über Jazzliebhaber bis zu Yuppies, anziehen. Ein historischer Magnet ist die Plaza de La Independencia im Zentrum von Casco Viejo, an der Panama 1903 seine Unabhängigkeit von Kolumbien erklärte. Die Catedral de Nuestra Señora de La Asuncíon stammt aus dem Jahr 1688 und beherbergt die Gebeine des Heiligen Aurelio, die in einem Reliquiar hinter einem Gemälde an der Vorderseite der Kirche versteckt sind. Die Plaza

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USD zu Buche, je nach Grösse des Frachters. Das Prinzip ist simpel: Ein Schiff fährt in die Schleuse ein, später schliesst sich die Schleuse, und die Gewölbe sind offen, um die Kammer mit Wasser zu füllen. Acht Minuten dauert es, um die Kammer zu füllen und das Schiff hochzuheben. In dieser Zeit steigt das Schiff auf den Wasserstand der nächsten Schleuse und kann sicher hindurchfahren. In circa acht bis zehn Stunden gelangt man von einem Ozean zum nächsten.

Bolivar ist mit vielen Restaurants und Cafés besonders nachts ein angenehmer Ort zum Entspannen. Die Plaza Francia ist indes einer der besten Plätze im Casco Viejo für Spaziergänge mit einem Spazierweg, der an den Ozean grenzt und einen überwältigenden Ausblick auf die Innenstadt Panamas bietet. Gewöhnlich verkaufen dort zahlreiche Kunsthandwerker und Schmuckdesigner unter schattigen Bäumen und Sonnenschirmen ihre Ware. DIE LÄNGSTE WASSERSTRASSE DER WELT Unabhängig davon, ob man nichts über das Land weiss oder nie geplant hat, Panama zu besuchen, ist der Panamakanal ein weltberühmter Begriff. Vereinfacht gesagt ist er die Abkürzung zwischen dem Pazifik und dem Atlantischen Ozean und eine der besten von Menschenhand geschaffenen Industrieleistungen des 20. Jahrhunderts, das Ergebnis technischer Brillanz und eine der bedeutendsten Errungenschaften der modernen Geschichte. Nachdem die Franzosen das Projekt nicht mehr weiterführen konnten, übernahmen die Vereinigten Staaten die Fertigstellung, und so konnte der Panamakanal 1914 eröffnet werden. Jahrelang bleibt der Bau für die Panamaer ein heikles Thema, nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass Tausende von ihnen zusammen mit ausländischen Arbeitern während der Bauarbeiten starben. Der Kanal wird bis 1999 von den USA verwaltet und erst dann vollständig an Panama übergeben. Der Panamakanal funktioniert dank des Systems von drei Schleusen. Das Prinzip ist für jedes Schiff, das in den Kanal einfährt, sehr ähnlich, wobei die Durchfahrt durch den Kanal sehr teuer ist – nicht selten schlägt eine Durchfahrt mit fast einer Million

EIN BISSCHEN ROBINSON CRUSOE Die karibischen Trauminseln San Blas liegen drei Autostunden von Panama City entfernt. Guna Yala, wie die Inseln auch heissen, könnten das Versteck von Robinson Crusoe gewesen sein. Pulvriger, schneeweiser Sand, in den schaumige Wellenspitzen türkisklaren Wassers leise versickern, das Meer angenehm warm und Kokospalmen, die willkommenen Schatten spenden. In Panama, so sagt man, hat jeder Tag eine Insel, sogar ein paar mehr, denn die San-BlasInseln sind eine Inselgruppe im Archipel von San Blas mit 378 Inseln. Die Mehrheit der Inseln ist unbewohnt, lediglich auf den grösseren Inseln finden sich Ureinwohner wie die Guna. Fernab des Massentourismus macht gerade dieser Umstand diesen Ort so anziehend. Beschützt durch die Ureinwohner, die die Kontrolle über das Land haben, sind die San-Blas-Inseln einzigartig, wenn man auf der Suche nach unberührter Natur und Kultur ist. Sie spiegeln den krassen Gegensatz dieses aussergewöhnlichen Landes, das generell noch nicht sehr stark von Touristen überlaufen ist und auf jeder Bucket-Liste stehen müsste.

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WAT CHES & JEW ELLERY

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ZEITSCHREIBENDE KOMPLIKATIONEN

Autor_Gisbert L. Brunner

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Ganz ohne Zweifel gehören Chronographen zu den beliebtesten Zusatzfunktionen mechanischer Uhren. Manche bezeichnen sie als Anachronismus, denn die Möglichkeit, Zeitintervalle zu stoppen, gehört inzwischen zur Standardausstattung jedes besseren Smartphones. Gleichwohl besitzt die Armbanduhr mit Chronograph weiterhin einen ganz besonderen Reiz. Das liegt einmal an der starken Optik. Zum anderen ist die überlieferte Stoppfunktion faszinierender Ausdruck uhrmacherischer Kompetenz. Für zuverlässige Funktion müssen zahl­reiche Komponenten nicht nur auf engem Raum zusammen­ finden, sondern auch einwandfrei kooperieren. Und das ist auch im 21. Jahrhundert eine echte Herausforderung. Noch komplizierter wird es, wenn sich zum Chronographen weitere Funktionen wie Kalenderwerk oder Tourbillon gesellen. Gar nicht wenigen Uhrenliebhabern kommt das gerade recht, denn sie machen das Besondere zum Mass ihrer hohen Ansprüche. 95


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ZEITSCHREIBENDE NOSTALGIE PUR Für das Uhrenjahr 2020 blickten die Designer von Audemars Piguet tief in die Archive. 1943 geschossene Fotos inspirierten zur Kreation der nostalgiebetonten Referenz 26595SR.OO.A032VE.01. Gestalterisch hält sich die auf 500 Exemplare limitierte «[Re]master01» mit Stahl- / Rotgold-Schale beinahe sklavisch an das Vorbild. Ausdruck uhrmacherischer Moderne sind der Saphirglas-Sichtboden und das Automatikkaliber 4409 aus eigener Manufaktur. Der massivgoldene Rotor des 32 Millimeter grossen und 6,8 Millimeter hoch bauenden Uhrwerks spannt die Zugfeder in beiden Drehrichtungen. Die dort gespeicherte Energie reicht für circa 70 Stunden Gangautonomie. Winzige Keramikkugeln im Rotorlager mindern den Verschleiss. Als Steuerelement des Chronographen dient selbstverständlich ein überliefertes, aber ungewöhnlich ausgeformtes Schaltrad. Die Verbindung zwischen Stopper und tickendem Motor stellt per Knopfdruck eine vertikale Reibungskupplung her. Zum Duschen und Schwimmen eignet sich diese Armbanduhr wegen der nur bis zu zwei bar Druck reichenden Wasserdichte nicht. ZORRO UND JAMES BOND LASSEN GRÜSSEN Nostalgiebetonten Retrolook schreibt Breitling beim «Top Time Limited Edition»-Chronographen gross. Diese speziell an eine jüngere Zielgruppe adressierte Uhrenlinie geht zurück auf die frühen 1960er Jahre. Im James-Bond-Streifen «Feuerball» erlangte eine Version mit integriertem Geigerzähler 1965 einige Berühmtheit. Der aussergewöhnliche Auftritt dieses Stoppers resultiert primär aus dem Zifferblatt im sogenannten «Zorro»-Look. Schon damals war die aufgedruckte Dezimalskala als Alternative zu Tachy- oder Pulsometer erhältlich. Im massiven Gehäuseboden der insgesamt 2000 Edelstahl-Exemplare mit 41 Millimeter Durchmesser findet sich die Gravur «One of 2000». Um die Zeit kümmert sich das chronometerzertifizierte Automatikkaliber Breitling B23. Als Basis dient das bewährte Eta 7753 mit einseitig wirkendem Kugellagerrotor, vier Hertz Unruhfrequenz und 30-Minuten-Totalisator bei «3». Nach Vollaufzug stehen etwa 48 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. STREAMLINE DESIGN Mit dem «Streamliner Flyback Chronograph Automatic» betritt H. Moser & Cie. in doppelter Hinsicht Neuland. Zum einen lanciert die Marke ihre erste neuzeitliche Armbanduhr mit Stoppfunktion. Ausserdem besitzt dieser Edelstahl-Chronograph mit integriertem Gliederband eine betont sportliche Note. Für die Entwicklung des Automatikkalibers HMC 902 zeichnet die Genfer Agenhor verantwortlich. Die Schwungmasse des aus 434 Komponenten bestehenden Œuvres rotiert unter dem Zifferblatt. Neben traditionellen Elementen wie die Schaltradsteuerung setzen die Konstrukteure auf durchaus revolutionäre Neuerungen, darunter die Kupplung namens «AgenClutch». Bei ihr drücken zwei Räder mit rauer Oberfläche gegeneinander. Der Zählzeiger bewegt sich dank Schneckensteuerung in akkuraten Sprüngen vorwärts. Schliesslich erfolgt die Nullstellung mit Hilfe von Nocken und Spiralfedern. Mit von der Partie ist schliesslich auch eine Flyback-Funktion zum Neustart des Chronographen ohne Zwischenstopp. BRONZEZEIT IN HÖLSTEIN Seit 1904 ist Oris in Hölstein nahe Basel zu Hause. Daher widmet das Familienunternehmen seinem Heimatort die «Hölstein Edition 2020». Und zwar in Gestalt eines «Divers Sixty-Five»-

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Korrekturen geschehen mit Hilfe versenkter Drücker. Dabei assistieren links und rechts neben dem Datumszeiger positionierte Indikationen für Tag / Nacht und den Schaltjahreszyklus. Erst nach 122 Jahren und 45 Tagen weicht die präzise Mondphasenanzeige 24 Stunden von der astronomischen Norm ab.

Chronographen, bei dem Gehäuse und Gliederband einer SwissMade-Armbanduhr erstmals aus Bronze bestehen. Stahl braucht es zur Herstellung der Verbindungsstifte zwischen den einzelnen Gliedern sowie der Faltschliesse. Am massiven Schraubboden zeigt sich der beliebte Oris-Bär. Passend zu einer Taucheruhr ist die Bronzelünette nur in einer Richtung drehbar. Die Wasserdichte dieses Zeitmessers mit Bronze-Schraubkrone und -Drückern reicht bis zu zehn bar Druck. Für die Zeit ist das von Sellita zugelieferte Kaliber 771 mit beidseitig wirkendem Rotoraufzug, circa 48 Stunden Gangautonomie, vier Hertz Unruhfrequenz, Fensterdatum und 30-Minuten-Totalisator bei «3» zuständig. Von dieser limitierten Edition wird es insgesamt 250 Exemplare geben.

QUAL DER WAHL Wer sich einen neuen Porsche zulegt, kann sein Auto im Rahmen des angebotenen Spektrums selbst gestalten. Den gleichen Konfigurator offeriert Porsche Design nun auch im Rahmen des «custombuilt Timepieces»-Programms. In jedem Fall basiert das darin enthaltene Titan-Gehäuse auf dem «Chronotimer Series 1». Erhältlich ist es beschichtet oder puristisch grau. Im Inneren tickt das exklusive Chronographenkaliber 01.100 mit automatischem Aufzug. Den durchbrochenen Rotor in Porsche-Felgen-Design können die Kunden aus sechs verschiedenen Exemplaren wählen. Analog zur Felgenflanke beim Fahrzeug lässt sich auch die Rotorflanke passend zum Auto lackieren. Auch beim Zifferblatt stehen alle 27 verfügbaren Wagenfarben für eingelegte farbige Ringe mit Minuterie im Stil des Fahrzeug-Tachometers zur Wahl. Davor drehen entweder klassisch schwarze Essence- oder sportlich mattweisse, mit roter Spitze versehene Performance-Zeiger. Bis zu 300 Wahlmöglichkeiten bietet Porsche Design beim entweder in Fahrzeugleder, genäht mit entsprechendem Garn, oder Titan ausgeführten Armband. Schliesslich bietet auch das Etui noch Möglichkeiten der Individualisierung.

SYNTHESE AUS SPORTLICHKEIT UND ELEGANZ Bislang ist Parmigiani Fleurier eher für elegante als sportliche Armbanduhren bekannt. Mit dem neuen «Tondagraph GT» beginnt im abgeschiedenen Val de Travers eine neue Ära. Die stählerne Synthese aus Sportlichkeit und Eleganz misst 42 Millimeter. Auf das Leuchtzifferblatt und die Zeiger blickt man durch ein ARunicSaphirglas mit Antireflex-Beschichtung. Der Sichtboden zeigt das 30 Millimeter grosse Manufakturkaliber PF 315 mit RotorSelbstaufzug, zwei Federhäusern und 48 Stunden Gangautonomie. Seine Vorderseite trägt ein komplexes Modul mit Achtelsekunden-Chronograph, 30-Minuten- und 12-Stunden-Totalisator sowie einem hilfreichen Jahreskalender. Wie der Name bereits andeutet, sind manuelle Korrekturen nur jeweils Ende Februar erforderlich. Beim Einstellen hilft eine digitale Monatsanzeige. Die komplette Zeit-Mechanik namens PF043 besteht aus 443 Teilen. Von der Ausführung mit stählernem Gliederband gibt es 200 Exemplare.

KOMPLIZIERTES MIT DURCHBLICK Typisch auf der ganzen Linie ist der «RM 11-05 Automatic Flyback Chronograph GMT» von Richard Mille. Die durchbrochene Konstruktion des auf 140 Exemplare limitierten Zeitmessers gestattet tiefe Einblicke. Seine graue diamantharte Lünette besteht aus Cermet, einem hoch belastbaren Keramik-Metall-Mix. Sie sitzt auf einem Gehäusemittelteil aus «Thin Ply Technology»-Karbon. Grade-5-Titan dient zur Herstellung des Gehäusebodens, durch dessen Saphirfenster sich das exklusive Automatikkaliber RMAC3 zeigt. Die Platine, Brücken und Kloben des von Vaucher in Fleurier gefertigten Basiswerks bestehen aus Titan. Nur bei Richard Mille gibt es den skelettierten Kugellagerrotor mit beweglichen Schwing­ armen aus 18-karätigem Weissgold. Die veränderliche Masseträgheit passt sich der Dynamik des Trägers dieser Armbanduhr an. Zwei

COMEBACK DES GELBEN GOLDES Um Gelbgold ist es in der Uhrenszene zwischenzeitlich etwas ruhiger geworden. Mit der Referenz 5270J-001 beschert Patek Philippe dem glänzenden Material ein Comeback. Im 41 Millimeter grossen Sichtboden-Gehäuse bewahrt und stoppt das hauseigene Chronographenkaliber CH 29-535 PS Q das kostbarste Gut der Menschen. In dieser Referenz debütierte 2011 eine vollkommen neue KalenderKadratur. Sie besitzt digitale Anzeigen für Wochentag und Monat sowie ein Zeigerdatum bei «6». Ein rotierender Nocken steuert die unterschiedlichen Monatslängen in Normal- wie Schaltjahren.

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Federhäuser speichern Kraft für 50 Stunden ununterbrochenen Lauf. Das vorderseitig montierte Schaltwerk verfügt über einen Flyback-Chronographen mit 60-Minuten-Totalisator. Hinzu gesellen sich ein Jahreskalender sowie ein zusätzlicher, per Drücker bei «9» verstellbarer 24-Stunden-Zeiger. ZUKUNFT EINER ZEIT-IKONE 1963 machte die von Jack W. Heuer und seinem Team kreierte «Carrera» wegen ihres klaren Designs von sich reden. Im Laufe der Jahrzehnte entwickelte sich der Chronograph dieses Namens zu einer echten Uhr-Ikone. Verständlich, dass sie bei der Manufaktur regelmässig im Fokus steht und zur Entwicklung zeitgemässer Evolutionsstufen anregt. Die neueste mit Namen «Carrera 44 mm Calibre Heuer 02» hätte eigentlich während der Baselworld ihren Einstand geben sollen. Ihr bis zehn bar wasserdichtes Stahlgehäuse mit Keramiklünette erinnert ganz klar an die Vergangenheit. Uhrmacherische Gegenwart verkörpert einmal das hauseigene Automatikkaliber Heuer 02 mit Rotor-Selbstaufzug, 80 Stunden Gangautonomie, Fensterdatum bei «6» und Schaltrad-Chronograph. Zum anderen lässt auch das stählerne Gliederband den Weg in eine lange Zukunft erkennen. VERPACKT IN ROTGOLD Aus 292 selbstverständlich sorgfältig finissierten Komponenten assemblieren die Uhrmacher von Vacheron Constantin das Manufakturkaliber 3200 im rotgoldenen «Traditionnelle Tourbillon Chronograph». Die Sichtboden-Schale misst 42,5 Millimeter, baut 11,7 Millimeter hoch und widersteht Wasser bis zu drei bar Druck. Der Antrieb des Drehgangs erfolgt nicht wie üblich vom Kleinboden-, sondern vom Sekundenrad des Uhrwerks. Damit sich das Tourbillon dennoch im Uhrzeigersinn dreht, braucht es ein kleines Zwischenrad. Einen Mix aus Tradition und Moderne verkörpert der Chronographenmechanismus. Das Überlieferte repräsentieren ein Drücker für drei Funktionen, Schaltradsteuerung sowie eine horizontale Räderkupplung. Ausdruck zukunftsweisenden Handelns sind unter anderem koaxial übereinander angeordnete Kupplungsräder. Dieser konstruktive Kunstgriff minimiert zum einen den unliebsamen Startsprung des Chronographenzeigers. Andererseits reduziert sich die mechanische Beanspruchung dieser Baugruppe. PURPUR IM DOPPELTAKT Nicht zuletzt wegen ihrer markanten Optik erfreut sich die «Defy» im Hause Zenith besonderer Beliebtheit. Neu in dieser Uhrenlinie ist die «Defy 21 Ultraviolet». Ihr Manufaktur-Automatikkaliber El Primero 9004 agiert bi-frequent. Die mit fünf Hertz oszillierende Unruh dient zum Bewahren der Uhrzeit mit Time-Lab-geprüfter Genauigkeit. Und zwar bei voll gespanntem Federhaus 50 Stunden lang. Fünfzig Hertz beträgt die Frequenz des kleineren, aber deutlich schnelleren Pendants. Durch dieses Tempo lassen sich 50 Minuten lang Zeitintervalle auf die Hundertstelsekunde genau stoppen. Der zugehörige Totalisator reicht bis 30 Minuten. Zur Sicherheit informiert eine Gangreserveanzeige bei «12» über den aktuellen Energievorrat. Das zweischichtige Ensemble mit innovativer Silizium-Hemmung besteht aus 293 Bauteilen. Eine PVDBeschichtung bewirkt das violette Finish des durchbrochen gestalteten Mikrokosmos. Schutz bis zu zehn bar Wasserdruck bietet ein facettiertes Sichtbodengehäuse mit 44 Millimeter Durchmesser.

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MOTION

GESCHĂ„RFTE SPEERSPITZE Der Macan Turbo ist das Flaggschiff der Ăźberarbeiteten Macan-Modellgeneration. Er wurde in allen Bereichen inklusive Ausstattung verbessert und ist nun auch technisch State of the Art. 115


PRESTIGE Autor_Patrick Frey Bilder_Porsche

Dass der neue Macan Turbo innerhalb der Baureihe die Spitzenstellung einnimmt, demonstriert der elegant gezeichnete, kompakte Sport-SUV durch seine exklusive Front mit drei grossen Lufteinlässen, hochgesetzter Bugleuchte und LED-Hauptscheinwerfern. In der Seitenansicht unterscheidet sich das Topmodell von seinen Geschwistern durch 20 Zoll grosse Macan-Turbo-Räder, SportDesign-Seitenschweller und Sport-Design-Aussenspiegel in Exterieurfarbe. Turbo-typisch ist zudem der speziell entwickelte feststehende Dachspoiler im Doppelflügeldesign. Auch die Sportabgasanlage verfügt mit ihren silbernen Doppelendrohren über ein eigenständiges Design. 18-WEGE-SPORTSITZE UND SURROUND-SOUND-SYSTEM AB WERK Als Aushängeschild der Modellreihe bietet der neue Macan Turbo eine Ausstattung, die es in sich hat: Adaptive Sportsitze mit Glattlederbezug und elektrischer 18-Wege-Verstellung zählen zur Serienausstattung. Passende Akzente setzen der Dachhimmel in Alcantara und das Interieurpaket aus gebürstetem Aluminium. Mit seinem 10,9-Zoll-Full-HD-Touchscreen ist das Porsche Communication Management (PCM) jetzt serienmässig voll vernetzt und an ein 665 Watt starkes Bose-Surround-Sound-System mit 14 Lautsprechern gekoppelt. Natürlich beinhaltet es OnlineNavigation mit Echtzeit-Verkehrsinformationen und eine intelligente Sprachbedienung. Ebenfalls serienmässig an Bord: Porsche Connect Plus inklusive LTE-Telefonmodul, WLAN-Hotspot sowie zahlreichen Porsche-Connect-Diensten. Optional für alle MacanModelle sind jetzt Smartphone-Ablage mit induktiver Ladefunktion, eine beheizbare Frontscheibe, ein Ionisator zur Verbesserung der Luftqualität im Innenraum und der neue Stauassistent inklusive Abstandsregeltempostat, der bis 60 km / h nicht nur autonom beschleunigt und bremst, sondern auch beim Lenken hilft.

STÄRKER, SCHNELLER, AGILER Die 440 PS (324 kW) des neuen 2,9-Liter-Sechszylinder-Biturbomotors sind eine klare Ansage. Ganze zehn Prozent wurde die Leistung gegenüber der des Vorgängermodells erhöht – bei zugleich 20 Prozent weniger Hubraum! Die beiden Abgasturbolader sind neu innen im Zylinder-V angeordnet. Dieses sogenannte CentralTurbo-Layout mit den kurzen Abgaswegen zwischen den Brennräumen und den Turboladern erlaubt ein besonders spontanes Ansprechverhalten. Ab 1800 / min steht das maximale Drehmoment von 550 Nm durchgehend bis 5600 / min zur Verfügung. Die sich äusserst linear aufbauende Leistung erreicht ihren Peak zwischen 5700 und 6600 / min. Der Sprint aus dem Stand auf 100  km  /  h gelingt (mit optionalem Sport-Chrono-Paket) in 4,3 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 270 km / h (plus vier km / h). Für die Kraftübertragung sorgen ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe und Allradantrieb. Den NEFZ-Verbrauch gibt Porsche mit 9,8 l / 100 km an. OPTIMIERTES FAHRWERK MIT NEUER, SAUBERER BREMSE Leistungsfähige und standfeste Bremsen sind Teil der Porsche-DNA. Die für den Macan Turbo serienmässige Porsche Surface Coated Brake (PSCB) ist Teil des optimierten Fahrwerks. Die Porscheexklusive Hochleistungsbremse mit einer Wolframcarbidschicht auf den Bremsscheiben bietet ein schnelleres Ansprechen, einen geringeren Verschleiss und bis zu 90 Prozent weniger BremsstaubEntwicklung im Vergleich zu einer konventionellen Graugussbremse. Charakteristisch sind die hochglänzenden Bremsscheiben und die weiss lackierten Bremssättel. Die Preise des Porsche Macan Turbo starten bei 121’300 Franken. Schweizer Kunden profitieren mit dem attraktiven Porsche Swiss Package ohne Aufpreis von einer Garantieverlängerung sowie diversen Ausstattungsoptionen.

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FASHI ON

FASH ION 134


Rose plissĂŠ top: Anastasia Bull White crop top: Zara Skirt: Gucci from Trois Pommes Glasses: Gucci from Koch Optik

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DELIVERANCE

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PHOTOGRAPHY:

PATRIZIO DI RENZO

MODEL:

MANUELA FREY FROM OPTION MODEL AGENCY

STYLING :

PATRICK HÄUSERMANN

STYLING ASSISTANT:

ALEKSANDRA WISNIEWSKA

MAKE-UP AND HAIR: JEHAN RADWAND

PRODUCTION AND ASSISTANCE : THE FOTOSTUDIO

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FASHION

LINKS Dress: Albino Teodoro from Salvatore Schito Top: Serena Gili Overknee boots: Amorphose RECHTS Satin dress: Mara Danz Trenchcoat: Mara Danz Handbag: Essential Antwerp Tights: Falke Shoes: Anastasia Bull

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PRESTIGE Caftan: MOURJJAN Jewellery: Vanto by Veronica Antonucci Catsuit: Alaia from Grieder Shoes: Givenchy from Secondhand Marta Zürich

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FASHION


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FASHION LINKS Dress: Alexandre Vauthier from Trois Pommes Skirt: Sacai from from Trois Pommes Handbag: Essential Antwerp Corsage: Anastasia Bull RECHTS Top: Balenciaga Trousers: NO21 from Salvatore Schito Glasses: Balenciaga from Koch Optik Handbag: Anastasia Bull

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LINKS Top: Amorphose Skirt: Amorphose Belt: Amorphose Glasses: Gucci from Koch Optik RECHTS Bomber jacket: Balenciaga from Trois Pommes Dress: Seraina Büchi Top: Zara Earrings: Essential Antwerp Shoes: Essential Antwerp

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FASHION


BE &BEAUTY WELL AUTY BE ING WELL BEING PRESTIGE

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BEAUTY &WELLBEING

HAUTE PARFUMERIE:

ALCHEMIE DER SINNE

Autorin_Nina Merli

EXKLUSIV, INDIVIDUELL UND SINNLICH –  DAS INTERESSE NACH LUXURIÖSEN DÜFTEN IST GROSS. UND SO WAGEN SICH WELTWEIT IMMER MEHR PARFUMEURE AN DAS ABENTEUER EINER EIGENEN, EINZIGARTIGEN UND ANSPRUCHSVOLLEN DUFTKREATION. AUCH IN DER SCHWEIZ.

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© Odur

Der letzte und wildeste Duft von ODUR: Eine starke erdig-holzige Note, vereint mit intensiven Kräutern, erinnert an die feuchte Berglandschaft nach einem heftigen Sommergewitter.

Stellen Sie sich einen heissen Sommertag in den Bergen vor. Die Felsen sind von der Sonne erhitzt, man hört die Bienen summen. Doch plötzlich ziehen am Himmel dunkle Wolken auf, ein Gewitter braut sich zusammen und entlädt sich wenige Minuten später mit prasselndem Regen. Der Geruch von feuchter Walderde und nassen Kräutern liegt in der Luft – man kann das Berggewitter förmlich riechen. «Diese Bilder hatten wir im Kopf, als wir ‹Terra›, unseren letzten Duft, kreiert haben», sagt Claudio Zier. Der Ex-Werber, Mitte fünfzig, hat sich vor genau sechs Jahren gemeinsam mit seinem Jugendfreund Patrick Stebler einen Traum erfüllt und mit «ODUR» ein eigenes Parfum-Label ins Leben gerufen. Seither haben sie vier Nischendüfte kreiert: «Pinus», «Ervas», «Calma» und «Terra». Vier Düfte, die alle die DNA des Bündnerlandes in sich tragen. KLASSE STATT MASSE Nischendüfte sind Parfums, die in kleineren Stückzahlen produziert und nur an ausgesuchten Standorten erhältlich sind. Sie bestechen durch ihre wertvollen und oft auch sehr eigenwilligen Inhaltsstoffe, die so gar nichts mit den Düften der grossen Parfumerieketten zu tun haben. Darum sind sie auch nicht jedermanns Sache. Doch in Zeiten der Globalisierung, so scheint es, sehnen sich immer mehr Menschen nach Individualität – und so hat der Markt für Nischen-

parfums, ganz nach dem Motto «Klasse statt Masse», in den letzten Jahren mächtig zugelegt. Parfumeure, die ihren eigenen Weg gehen, sind gefragter denn je. Als ein Pionier der Branche gilt der Franzose Serge Lutens. 1992 kreierte er mit «Féminité du bois» seinen ersten Unisex-Duft und revolutionierte damit die Parfumbranche: Ein Parfum, das zu 60 Prozent aus holzigen Noten besteht – das gab es noch nie. Die Fachwelt war verblüfft, irritiert und fasziniert zugleich. Seither sind fast dreissig Jahre vergangen, und in der Nische wird es langsam eng: Luxusmarken wie Hermès (mit «Hermessence»), Prada (mit «Parco Palladiano») oder Chanel (mit «Les Exclusifs») sind ebenfalls auf den Geschmack von eigenwilligen Duftlinien gekommen, und mit dem Kauf des ehemaligen Nischenlabels «Le Labo» durch Estée Lauder sehen eingefleischte Fans die Exklusivität der Nischendüfte in Gefahr. Trotz dieser Entwicklungen haben sich die Macher von ODUR nicht davon abhalten lassen, in diesen hart umkämpften Markt einzusteigen. EIN PARFUM ZUM FÜNFZIGSTEN Zu gross war die Verlockung, etwas Eigenes, Gewagtes zu kreieren – und die Lust, mit 50 «noch etwas zu reissen». Seit Patrick Stebler vor einigen Jahren die gleichnamige Drogerie und Parfumerie seines Vaters in Chur übernommen hatte, begleitete ihn sein Freund Claudio Zier jedes Jahr an die «Pitti Fragranze», eine Messe für

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SCHWEIZER PARFUMEURE Andy Tauer Im Gegensatz zu den meisten Parfumeuren hat Andy Tauer keine entsprechende Schule besucht oder eine spezifische Ausbildung absolviert. Der Autodidakt stellt all seine Düfte in Kleinproduktion unter Verwendung hochwertigster Zutaten von Hand in der Schweiz her. Der Duftpapst Luca Turin stolperte über Tauers zweiten Duft «L’Air du Désert Marocain» und verewigte ihn in der Parfum-Bibel «Perfumes: The A-Z Guide» mit einer lobenden Rezension und der maximalen Fünf-Sterne-Auszeichnung. Andreas Wilhelm Man nennt ihn auch den Punk-Parfumeur. Denn Wilhelm kennt keine Kompromisse. Nach der Chemielaboranten-Lehre folgten verschiedene Jobs als IndustrieParfumeur bei grossen Schweizer Duftentwicklern. Doch das war ihm alles zu mainstream, zu kommerziell. Darum richtete er sich in einer Zürcher Garage ein Duftlabor ein und tüftelte an seinen eigenen Kreationen. Nebst seiner Tätigkeit für Seluz, einen der grössten türkischen Duftentwickler, hat Wilhelm vor einigen Jahren seinen eigenen Brand «Perfume.Sucks» lanciert. Giovanni Sammarco Eigentlich hätte Sammarco ja Rechtsanwalt werden sollen. Als er seiner Freundin das falsche Parfum schenkte und darauf die Beziehung scheiterte, entschied sich Sammarco, sich parallel zum Parfumeur ausbilden zu lassen. 2013 zog der gebürtige Italiener in die Schweiz und gründete in Herisau seine eigene Firma. Nebst Kreationen für das Bündner Label «ODUR» und andere Kunden vertreibt er unter der Eigenmarke «Sammarco» bereits sieben Duftkreationen. Vero Kern Erst im Rentenalter lancierte die inzwischen verstorbene «Nase von Zürich» ihr Nischen-Label «Vero Profumo». Um ihrer wahren Leidenschaft nachzugehen, liess sich Vero Kern ihre Pensionskasse auszahlen, um fortan im Soussol ihrer Wohnung Parfums zu kreieren. Insgesamt hat Vero Kern sechs verschiedene Düfte lanciert und weltweit vertrieben.

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TAUER


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Die Landschaften Graubündens als Inspirationsquelle für Schweizer Parfumeure.

Artistik- und Nischendüfte in Florenz, um ihn in Sortimentsund Marketingfragen zu beraten – und weil ihn die Welt der Düfte schon seit seiner Kindheit fasziniert. «Meine Grosseltern hatten ein Coiffeurgeschäft, und ich kann mich noch sehr gut an all die intensiven Düfte der Shampoos, Haarsprays und Haarwasser erinnern.» Während der «Pitti Fragranze» kommt die Crème de la Crème der Parfumeure zusammen, man könnte die Messe auch als eine Art Zusammenkunft moderner Alchemisten bezeichnen. Während drei Tagen treffen hier jeweils die wichtigsten Akteure der Branche aufeinander: Die besten «Nasen», wie Parfumeure auch genannt werden, Lieferanten seltener Inhaltsstoffe, Händler und Markeninhaber. Und mittendrin Patrick Stebler und Claudio Zier. Am Abend finden Gespräche mit Duft-Grössen wie etwa Mark Buxton oder dem Rebellen Gesa Schön in den Bars der Innenstadt von Florenz statt. Diese inspirierenden Momente und die Tatsache, dass der 50. Geburtstag ansteht, bringen Stebler und Zier auf die Idee, selber einen Duft zu kreieren: «Statt eines sehr teuren Sportwagens oder eines Motorrads gab es zu unserem 50. ein eigenes Parfum», so Stebler. DAS BÜNDNERLAND ALS GERUCHSKULISSE Für beide war klar, dass sie – trotz internationaler Kontakte – mit einem in der Schweiz lebenden Parfumeur arbeiten wollten. Denn, auch das stand von Anfang an fest, ihre Bündner Wurzeln sollten

ein fester Bestandteil ihrer Duftlinie werden. «ODUR» heisst Duft auf Romanisch, und so ist die Bündner Identität als gemeinsamer Nenner in all ihren Düften präsent. Gemeinsam mit dem in St. Gallen heimischen Parfumeur Giovanni Sammarco arbeiteten sie zwei Jahre lang, bis sie «Pinus» und «Ervas» lancieren konnten. Dieses Jahr – und etliche Duftproben später – kamen mit «Terra» und «Calma» zwei weitere Düfte dazu. Während Coco Chanel für den Klassiker N°5 «den Duft eines nordischen Morgens am See» im Sinn hatte, wurde Sammarco beauftragt, die Bündner Bergkulisse, saftige Arvenwälder, verschnei­te Winterlandschaften oder die Frische des Caumasees olfaktorisch zu interpretieren. Düfte können ganz unglaubliche Geschichten erzählen. Und sie können Erinnerungen auslösen – sogar mehr als alle anderen Sinne. Allein durch die flüchtige Wahrnehmung eines Duftes kann eine breite Palette scheinbar längst vergessener Erinnerungen mit ganzer Wucht ausgelöst werden. Wissenschafter bezeichnen dieses Phänomen als «Proust-Effekt», benannt nach dem französischen Autor Marcel Proust, der in seinem Roman «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit» beschreibt, wie ein Mann ein Stück Madeleine in seinen Tee tunkt und darauf von einer Fülle an Kindheitserinnerungen eingeholt wird. Gerüche rufen die stärksten und emotionalsten Erinnerungen hervor, und wahrscheinlich sind wir Menschen auch darum schon seit Menschengedenken von Düften fasziniert.

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BEAUTY &WELLBEING

GESCHICHTE DES PARFUMS Ägypter gelten als die wahren Erfinder des Parfums: Schon 3000 v. Chr. war es bei ihnen üblich, parfümierte Öle und Salben mit duftenden Pf lanzenextrakten zu verwenden und Duftstoffe bei Räucherritualen zu verbrennen. Räucherrituale waren auch bei den antiken Römern beliebt – so leitet sich der Begriff «Parfum» vom lateinischen «per fumum» ab. Durch die Kreuzzüge im Mittelalter entdeckte das christliche Abendland die duftenden Rohstoffe und Mixturen des Orients. Zwar kannte man in unseren

Eines der berühmtesten Parfums der Welt: Coco Chanels «N°5».

Breitengraden bereits duftendes Lavendelwasser, durch die europäischen Seefahrer gelangten nun aber über Venedig neue Gewürze, Kräuter und Duftstoffe nach Europa – Alchemisten kreierten damit ätherische Öle, die man ab dem 15. Jahr­ hundert zum ersten Mal kaufen konnte. Die edlen Düfte waren zu Beginn allerdings nur dem Adel vorbehalten und wurden von Katharina von Medici durch ihre Heirat mit Heinrich II. sozusagen in den französischen Hof importiert. Denn Katharina brachte ihren eigenen Parfumeur aus Florenz mit, der eigens für die Adlige einen bergamottbasierten Duft kreierte. Diesen sprühte sie jeweils auf ihre Handschuhe und löste damit den ersten Parfum-Trend aus. 1580 gelangte schliesslich der Alchimist und Apotheker Francesco Tombarelli ins französische Grasse und gründete dort ein Laboratorium zur Herstellung von Düften. Seither gilt die Stadt als Weltmetropole des Parfums. So kam beispielsweise 1921 Coco Chanel hierher, um ein Parfum für ihr Modehaus zu lancieren – bis heute werden in Grasse durch die Familie Mul in fünfter Generation die Pf lanzen für das weltberühmte «N°5» angebaut. Eine breite Masse erreichten Parfums erst im 19. Jahrhundert, als sich die Duftwasser beim Bürgertum durchsetzten. Darunter die Duftkreationen des wohl berühmtesten Parfumeurs seiner Zeit: Pierre-François-Pascal Guerlain. Mit der Jahrhundertwende wurden erstmals auch synthetische Duftstoffe in der Parfumherstellung verwendet. François Coty vermischte erstmals natürliche und synthetische Substanzen und setzte damit den Grundstein für die moderne Parfumerie.

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Fünf Häuser für die

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andere, viel grössere und schillerndere Welt als die Apfelplantage, eine Welt voller Schönheit und Glamour, und sie riecht förmlich nach Schöpfung sowie Unendlichkeit. Diese Begegnung mit der Andersartigkeit verändert seine Perspektive nachhaltig. Auch heute noch treiben transformierende Erlebnisse den stillen Luxus seiner Möbelentwürfe an. Gary Huttons subversiv-schöne, moderne Arbeiten und seine 40-jährige Karriere leben an der Schnittstelle von Innenarchitektur und bildender Kunst. Sein erstes Projekt ist das Restaurant «Today’s on Union Square» in San Francisco. Es ist ein unglaublich innovatives Restaurant mit extravagantem Design und zieht das anspruchsvollste und schillerndste Publikum San Franciscos an. 1979 wird das Projekt im Magazin «Interior Design» veröffentlicht und lässt die Designwelt aufhorchen.

Autorin_Helena Ugrenovic Bilder_Matthew Millman Photography

DIE GUNST DER STUNDE Chara Schreyer wird in Münchberg, Deutschland, geboren, wohin ihr polnischstämmiger Vater Max Webb übersiedelte. Sechs Konzentrationslager, darunter Auschwitz, und ein Dutzend Arbeitslager hat er überlebt. In Münchberg gründet er zusammen mit Nathan Shapell, einem Mitüberlebenden und Bruder von Webbs erster Frau Sala, ein Textilgeschäft. 1952 ziehen die Familien nach Los Angeles, wo Max Webb, Nathan Shapell und dessen Bruder David eine der grössten Immobilienentwicklungsfirmen des Staats Kaliforniens gründen. Die Firma kauft unter anderem Land in der Porter Ranch auf und baut dort Tausende von Musterhäusern. Der Erfolg der Firma ermöglicht es Chara, das Sammeln von Kunst zu einer Berufung zu machen. Ihre Familiengeschichte indes durchdringt ihre Sammlung, denn Kunst erzählt Geschichte. So hat sie in ihrem Tiburon-Haus einen «Katastrophenschuppen» mit Glastür eingerichtet, um der Vergänglichkeit des Lebens zu gedenken. «Man braucht sieben Generationen, um ein Trauma aus dem Kopf zu bereinigen», erklärt sie in einem Interview: «Wenn man das Kind von Holocaust-Überlebenden ist, hat man das Gott sei Dank nicht wirklich erlebt, aber man hat es auf viele Arten gelebt. Ich habe einfach die Vorstellung, dass sich das Leben auf einen Schlag ändern kann. Ich fühle mich zu Dingen hingezogen, die dafür sprechen.»

ER IST AMERIKAS BERÜHMTESTER INNEN­ ARCHITEKT. SIE EINE DER WELTWEIT FÜHRENDEN KUNSTSAMMLERINNEN. WAS CHARA SCHREYER UND GARY HUTTON EINT, IST DIE LIEBE UND PASSION ZU KUNST UND DESIGN SOWIE EINE 40-JÄHRIGE ZUSAMMENARBEIT. FÜNF RESIDENZEN SIND ENTSTANDEN, DIE 600 KUNSTWERKE BEHERBERGEN, DARUNTER MEISTERWERKE VON MARCEL DUCHAMP, ANDY WARHOL, DONALD JUDD, LOUIS NELSON, DIANE ARBUS UND FRANK STELLA. IN IHREM BUCH «ART HOUSE» ENTFÜHREN SIE DEN LESER AUF EINE ATEMBERAUBENDE VISUELLE TOUR. DOCH ES IST NICHT NUR EIN ÄSTHETISCHES MEISTERWERK ÜBER IHRE ARBEIT UND LEIDENSCHAFT. ES IST DIE ERKUNDUNG EINES LEBENS, DAS DEM LEBEN MIT KUNST UND DER GESTALTUNG VON HÄUSERN GEWIDMET IST. Es ist einfach so passiert, wird Chara Schreyer in einem Interview erzählen und dass sie nicht vorhatte, Sammlerin zu werden. Aber ein ästhetischer Mensch sei sie immer schon gewesen. Als «es» dann einfach passiert und sie durch ihren Sinn für Ästhetik und das Gespür für Künstler und deren Werke in ihren 20er Jahren damit beginnt, Kunst zu sammeln, besitzt sie gemäss «ARTnews» heute eine der 10 grössten Privatsammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst weltweit. Ihre Sammlung hat die kanonische Vielfalt einer klug unterrichteten Kunstvermessungsklasse nach dem Zweiten Weltkrieg, und sie erwirbt bestimmte Kunstwerke noch bevor diese gefeiert und unerschwinglich teuer werden. Sie sammelt Künstler, die den Lauf der Geschichte verändern. Nicht im Traum würde sie ihre Kunstschätze einlagern. Dafür erwirbt sie Häuser, in denen sie ihre Sammlung richtig inszeniert. Tatsächlich erwirbt sie eines der Häuser deshalb, weil es die perfekte Wand für eine geliebte Judd-Skulptur hat, ein Stapel reflektierender Stahl- und Plexiglaskästen, der vollends lebendig wird, wenn natürliches Licht von beiden Seiten auf ihn trifft. Gary Hutton ist ein Sohn Kaliforniens und wächst auf der 30 Hektar grossen Apfelplantage seiner Grossmutter auf, eingebettet zwischen den Santa-Cruz-Bergen und der kalifornischen Küste. Seinen kreativen Schock und was man im Nachhinein als eine Sternengeburt beschreiben kann, ist der Moment, als er Kim Novak in seiner Umgebung sieht. Die blonde Schönheit hat sich in der Nähe einquartiert, während sie für Alfred Hitchcocks «Vertigo» vor der Kamera steht. Es ist diese Hollywood-Magie, eine

EINE SAMMLERIN MIT HERZ UND GESCHICHTE Sie fühlt sich zu Werken hingezogen, die sich auf Gewalt und Mord beziehen. Ein Kunstwerk muss rigoros, poetisch und historisch getrieben sein, und es muss den Dialog der Kunstgeschichte mit Pathos erweitern und Grenzen sprengen. Sie sammelt unbewusst, psychoanalytisch und Dinge aus ihrer eigenen geistigen sowie persönlichen Geschichte. Als sie mit dem Sammeln beginnt, ist die Kunstwelt noch nicht so glühend heiss, dermassen teuer, und sie ist noch nicht so marktorientiert. Ihr erstes Kunstwerk kauft sie 1975 vom venezolanischen Op-Art-Künstler Jesus Rafael Soto und danach zwei Gemälde von Georgia O’Keeffe. Aus Prinzip veräussert sie nichts und kauft Jahre später eine Videoinstallation von Nam June Paik zurück, die ihr erster Mann bei der Scheidung mitgenommen hatte. Leiht sie an Museen aus, hinterlässt sie ein ausgedrucktes Foto des abwesenden Kunstwerks an der Wand. Nichts ist eingelagert, und das macht sie einzigartig. Im Gegensatz zu beispielsweise Cliff und Mandy Einstein hat sie ihre Sammlung nie ausgeladen und neu begonnen; im Gegensatz zu den Brüdern Marcian und Eli Broad wird sie niemals ein Privatmuseum bauen, das ihr als Offsite-Speicher dient, und daher wird ihre Sammlung niemals mit den örtlichen Museen konkurrieren.

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Ihre Kunstwerke leben in ihren Häusern, an einem durchdachten und perfekten Platz. «Ich verbringe sehr viel Zeit mit Denken», erzählt die Sammlerin und Philanthropin, die in den Aufsichtsräten des San Francisco Museum of Modern Art, des Hammer Museum und des Los Angeles Museum of Contemporary Art sitzt, «ich liege im Bett und bewege sie alle in meinem Kopf herum, wodurch verschiedene Dialoge zwischen ihnen entstehen.» So entsteht eine enge, 40-jährige Zusammenarbeit mit dem Innenarchitekten Gary Hutton, um ideale Schauplätze und atemberaubende, elegant zurückhaltende Räume für ihre Sammlung zu schaffen. Sie entwerfen keine neuen Räume, um ein bestimmtes Werk unterzubringen, sondern betrachten jedes Haus als eigenes Kunstwerk. DER DEKAN DES WESTKÜSTEN-DESIGNS In den frühen 1970er Jahren studiert Gary Hutton bildende Kunst und Studiopraxis an der UC Davis, bekannt als Heimat der «Aggies» – Macher, Veränderer und Problemlöser –, die seit ihrer Eröffnung im Jahr 1908 bekannt ist für herausragende Akademiker, Nachhaltigkeit, die Wertschätzung des kalifornischen Lebensstils und die zu den führenden öffentlichen Universitäten der Vereinigten Staaten zählt. Unter der Leitung der dort lehrenden Künstler Wayne Thiebaud, Robert Arneson und Manuel Neri sowie mit deren Faible nach Materialität vertieft er seine Kenntnisse, und das wird zentral für seine Arbeiten und am sichtbarsten in seinen Möbeln sowie persönlichen Sammlungen. Als Nächstes erhält er einen Abschluss in Innenarchitektur am California College of the Arts und widmet sich seinem ersten Projekt, dem Restaurant «Today’s on Union Square», das gleichzeitig sein Durchbruch ist.

«DIE WISSENSCHAFT IST DER VERSTAND DER WELT, DIE KUNST IHRE SEELE.» Maksim Gorkij

Seine Möbelkollektionen erregen immer mehr Aufmerksamkeit und Beachtung. 1989 lanciert, überschreiten sie Grenzen, und auch Gary Huttons gestalterischer Anspruch verstärkt sich. Er ist ein wahrer Trendsetter, und sein charakteristischer Ciao-Stuhl wird von einigen der grössten Einzelhändler in Amerika kopiert. Er hält international Vorträge in Museen, Ausstellungsräumen und Design-Veranstaltungsorten. Er unterstützt sowohl die Kunst aktiv als auch die Designausbildung und andere soziale Anliegen, und so erstaunt es keineswegs, dass sein Büro voll von Auszeichnungen, Anerkennungen und Applaus ist. Er ist ein bescheidener und sympathischer Designer ohne Diva-ähnliche Starallüren, wie man es oft von einer Design-Koryphäe erwartet. Sein Bestreben, «es klein zu halten», ist oft von der Notwendigkeit angetrieben, an jedem der Schritte des Designprozesses beteiligt zu bleiben, während seine lang gehegte Liebe zur Kunst seiner Arbeit eine Ästhetik verleiht, die sich der Norm entzieht. Gleichgesinnte respektieren ihn genauso wie Kunden, und zu Recht zählt er zur Design-Elite der Bay Area. VOM MUSTERKNABEN ZUR DESIGN-KORYPHÄE Wie Chara Schreyer prägt auch ihn die Geschichte seines Lebens. Sein Vater ist Ingenieur und fährt Züge für die Eisenbahn, seine Mutter ist Hausfrau. Er wächst in einer ländlich konservativen Umgebung auf, erlebt eine traditionelle Erziehung auf dem Land und ist später sogar Ober-Cheerleader während seiner Zeit an der Watsonville High School. Der Klassiker schlechthin. Nach seinem Abschluss an der UC Davis erhält er von einer Werbeagentur den Auftrag, eine Skulptur für ihre Büros zu schaffen. Zum Leben reicht es nicht, und so arbeitet er in einem Bekleidungsgeschäft,

Art House: The collaboration of Chara Schreyer & Gary Hutton 244 Seiten Assouline ISBN 978 1 61428 536 6 www.assouline.com

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einer Buchhandlung und einem Einkaufszentrum, bevor er beschliesst, dass Inneneinrichtung etwas ist, das ihn sehr interessiert. Er schreibt sich am California College of the Arts ein und führt musterschülermässig eine Reihe von Projekten durch, bevor er sein eigenes Designbüro eröffnet. Nach seinem ersten Werk, dem Restaurant in San Francisco, verwandelt sich der Musterknabe in einen Designer, der die Aufmerksamkeit und den Respekt von Design-Grössen wie Orlando Diaz und Charlie Pfister erregt, die im Restaurant speisten. Es ist seine Wertschätzung für das Visuelle und Schöne, die er schon seit seiner Kindheit besitzt und die ihm mit acht Jahren bewusst wird. «Meine Mutter hatte keinen Schmuck, ausser ihrem Ehering. Woher wusste ich also von ausgefallenem Schmuck?», erzählt Gary Hutton in einem Interview: «Als ich acht Jahre alt war, ging ich nach Watsonville, um mir die Haare schneiden zu lassen. Und während ich in dem Friseurstuhl sitze, sehe ich plötzlich Kim Novak! Es war der berühmte Schuppen-von-den-Augen-fallenMoment. Ich dachte – wow! Glamour! Und plötzlich verstand ich es, hier ist noch etwas anderes, und ich will es wissen!»

DAS KUNSTHAUS «Art House», herausgegeben von Assouline und geschrieben von Alisa Carroll, Chefredakteurin von «SFC&G», berichtet über die vierzigjährige Zusammenarbeit der führenden Kunstsammlerin Chara Schreyer mit Gary Hutton, aus der fünf Residenzen hervorgegangen sind, die sechshundert Kunstwerke beherbergen können. Alles beginnt mit dem Fotografen Matthew Millman, der die Sammlung von Huttons Klientin Chara Schreyer dokumentieren will. Sie nehmen Gespräche mit einem Buchagenten in New York auf, der einige Nachforschungen über die Partnerschaft von Schreyer und Hutton anstellt. Sein Feedback lautet: «Ein Buch mit Bildern aus der Kunstsammlung einer reichen Person, das niemand jemals kaufen wird. Die wahre Geschichte hier ist, dass Gary und Chara seit fast 40 Jahren zusammenarbeiten, und zwar in diesen fünf Häusern, die diese Sammlung beherbergen. Das ist die Geschichte.» So ist das Buch zu dem geworden, was es ist.

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GEORGE Werner / Vazquez Design Studio MOBIMEX.CH


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DIE PERLE

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VON HELSINKI EINGEBETTET WIE IN EINER KOSTBAREN MUSCHEL LIEGT DIE KULINARISCHE IKONE MITTEN IM HERZEN HELSINKIS. FANTASTISCH DER BLICK AUF DEN ESPLANADE-PARK. SCHILLERND DIE ILLUSTRE KLIENTEL AUS KÜNSTLERN, INTELLEKTUELLEN, GESCHÄFTSLEUTEN, FAMILIEN, TOURISTEN UND LIEBHABERN EXZELLENTER KÜCHE SOWIE WEINE. BEEINDRUCKEND UND ERFRISCHEND DER NEUE GLANZ, IN DEM DAS RESTAURANT SAVOY NACH EINEM REFRESH DER INNEN­ EINRICHTUNG DURCH DIE DESIGNERIN ILSE CRAWFORD ERSTRAHLT. Autorin_Helena Ugrenovic Bilder_Savoy Helsinki

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Sexspielchen, so die Gerüchteküche der britischen High Society, den König nicht nur um den Finger gewickelt, sondern zu Fall gebracht hat. Aus King Edward VIII, König von Grossbritannien, Irland und den anderen Dominions sowie Kaiser von Indien, wird mit seiner Abdankung der Duke of Windsor. Ein Herzog mit der Anrede «Seine Königliche Hoheit», verliebt und nun verheiratet, Hand in Hand mit seiner Herzogin, welcher jedoch diese Anrede untersagt ist und stattdessen immer noch die Bezeichnung Mätresse wie ein Schatten über den Juwelen und dem Liebesglück liegt, mit denen sie der ihr restlos verfallene Gatte in den kommenden Jahrzehnten überschwemmen wird.

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In Spanien tobt der Bürgerkrieg, angeheizt durch zahlreiche ausländische Mächte, die direkt oder indirekt mitmischen; Adolf Hitler probt mit mehreren kriegsverbrecherischen Luftangriffen seinen geplanten grossen Krieg; Josef Stalin treibt in der Sowjetunion den grossen Terror zum Höhepunkt und «enthauptet» in den kommenden Jahren die Rote Armee und jeden, der sich gegen das Regime stellt; als sich Soldaten der Kaiserlichen Japanischen Armee mit der Nationalrevolutionären Armee der Republik China an der Marco-Polo-Brücke ein Feuergefecht liefern, kippt das Zünglein an der Waage, und es ist der Auslöser für den Zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg; in der Dominikanischen Republik beginnt ein zweiwöchiges Massaker, bei dem mehr als 20’000 Menschen aus dem benachbarten Haiti getötet werden – können sie das Wort «Perejil», Petersilie, nicht richtig aussprechen, werden sie als «Fremde gleich Feinde» deklassiert; in den USA beginnt die zweite Amtszeit von Franklin D. Roosevelt und gipfelt wenige Monate später in der Quarantäne-Rede, in der Roosevelt fordert, die Staaten Deutschland, Italien und Japan, ohne sie explizit zu nennen, unter politische «Quarantäne» zu stellen. Es ist ein explosives Jahr, 1937, in dem sich die Ereignisse global überschlagen und das überschattet ist von Feuersalven sowie politischen Pulverfässern, die jeden Moment zu bersten drohen und dem bereits in Blut getränkten Planeten und seiner Bevölkerung noch mehr Wunden und Leid zufügen. Verglichen damit erscheint der Skandal, der den britischen Hof erschüttert, fast schon wie eine B-Movie-Seifenoper. Herz oder Krone. Doch nicht eine standesgemässe und blaublütige Von und Zu hat das Herz Edwards VIII. erobert, sondern eine amerikanische und bereits zwei Mal geschiedene Femme fatale. Wallis Simpson, ihres Zeichens Vamp und weiblicher, untreuer Luftibus, die mit ihren angeblich raffinierten

DIE VERBINDUNG ZWISCHEN MENSCH UND NATUR Wo die Nächte monatelang schier endlos sind und dicke Schneeschichten sich lautlos wie eine unendliche Decke über das Land legen, sehnt sich der Mensch nach Farbe und noch mehr nach Leben. Die ursprüngliche Idee der Garden-City-Bewegung geht auf den britischen Autor Sir Ebenezer Howard zurück, der 1898 mit seiner Publikation die Stadt von morgen beschreibt. Sie soll nicht unter Betonburgen, Tausenden Menschen und Fahrzeugen ächzen, sondern eine blühende Gartenstadt sein, mit einem Stadtdesign, die nicht nur über eine tadellose Planung und ausgezeichnete Annehmlichkeiten verfügt, sondern die natürliche Schönheit der Landschaft betont. Und sie soll den Spagat zwischen den Bewohnern der Stadt und der Natur ermöglichen. Der akademische Ansatz stammt jedoch aus Finnland, wo Gartenarbeit lange Zeit als wissenschaftliches Fach studiert und 1912 in den Lehrplan der Grundschule in Helsinki aufgenommen wird. Der Fokus liegt auf einem starken, praktischen Element, bei dem Kindern Gartenbeete zugeteilt werden, auf denen sie nach den neuesten Methoden sowohl nützliche als auch dekorative Pflanzen anbauen können. Gleichermassen begeistert von dieser Idee zeigen sich die berühmten finnischen Architekten Saarinen, Gesellius und Lindgren, die einige Lektionen in ihre Landschaftsentwürfe integrieren. Lindgrens utopischer Plan von 1915 sieht die Umhüllung von Munkkiniemi vor. Der im Osten liegende Stadtteil Helsinkis soll mit Gärten in den Innenhöfen von Wohnblöcken verschönert werden, und auch zwischen geräumigeren Reihenhäusern soll eine reichhaltige Flora gedeihen. Während der Kriegszwischenjahre wächst die Beschäftigung mit der Anlage von Grünflächen in Helsinki rapide. Eines der Projekte soll das Nonplusultra der Bepflanzung werden. EINE LEGENDE WIRD GEBOREN «Das Restaurant wird eine Überraschung sein für die Bewohner Helsinkis», schrieb Alvar Aalto 1937 im Magazin «Arkkitehti». Was das finnische Superstar-Architektenpaar Alvar und Aino Aalto erschafft, ist ein Knaller, eine aussergewöhnliche Kreation, das Paradebeispiel an Eleganz sowie Funktionalität schlechthin und der Wallfahrtsort für Aalto-Anhänger. 1937 eröffnet das Restaurant Savoy – es gilt heute als eines der ältesten und geschichtsträchtigsten Restaurants Helsinkis. Mitten in der finnischen Hauptstadt und in der achten Etage des Teollisuuspalatsi-Gebäudes, das an der Ecke Eteläesplanadi und Kasarmikatu in Helsinki liegt. Es ist ein Art-déco-Schmuckstück und mit einem Interieur ausgestattet, das reich an verschiedenen Holzarten, dekorativen Textilien, imposanten Glasvasen, typischen Aalto-Hängeleuchten und einer üppigen Bepflanzung ist. Alvar und Aino Aalto entwerfen für das «Savoy» eine spezielle Möbelserie, von welcher viele Objekte

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«FORMEN BERGEN EIN GEHEIMNIS, DAS SCHWER ZU BESCHREIBEN IST. ABER SIE MACHEN MENSCHEN FREUDE.» Alvar Aalto

auch heute noch en vogue sind und zu den Designklassikern zählen. Die 1936 kreierte Aalto-Vase, auch bekannt als Savoy-Vase, gilt als zeitlose Ikone finnischen Designs und ist eines der bekanntesten Glasobjekte der Welt. Es ist eine Ode an Finnland, und gleichzeitig spielt die gewellte Form der Vase auf «aalto», was übersetzt Welle bedeutet, an. Der asymmetrische Grundriss und die organische Linienführung der Vase repräsentieren die charakteristische Beschaffenheit der finnischen Landschaft mit ihren unzähligen Seen. Sieben Glasbläser benötigt es, um in einer Fertigungszeit von bis zu sechzehn Stunden eine einzige Vase herzustellen, wobei jede Aalto-Vase ein Unikat mit der Handschrift des jeweiligen Bläsers ist. Der stimmungsvolle Speisesaal ist an drei Seiten von Terrassen eingerahmt, die alle offen und üppig bepflanzt sind. Es ist ein Garten Eden über den Dächern von Helsinki. Die Aaltos lieben einladende und stimmungsvolle Möbel sowie hochwertige und natürliche Materialien. Auf den Terrassen vermitteln entspannte Rattan-Stühle und -Esstische ein mediterranes Ambiente und machen den Ort zu einem bezaubernden Flecken Erde inmitten einer märchenhaften und stilvollen Kulisse. Es ist ein Treffpunkt von Künstlern, Diplomaten, Helsinkis High Society, Schauspielern, der Creme de la Creme sowie Politikern und bringt Menschen zusammen – alles, was Rang und Namen hat, gibt sich die Klinke in die Hand. Staatspräsident Carl Gustaf Mannerheim (1867–1951), der im nahe gelegenen Kaivopuisto wohnt, geniesst oft das Mittag- oder Abendessen an seinem Ecktisch im «Savoy», der stets für ihn reserviert ist. Er ist ein Kosmopolit und Connaisseur, liebt gutes Essen sowie gute Weine und besteht darauf, dass die Butter immer hart sein soll und in einem Tontopf serviert werden muss. Er ist es

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Studioilse ist genau wie Aino und Alvar Aalto ein Vorreiter im De­ signansatz. Ilse Crawford setzt auf Langlebigkeit und Räume, die auf das wirkliche Leben konzipiert sind. Der Trend des «Savoy» soll erhalten bleiben, aufgefrischt mit viel Liebe zum Detail und seinem Ursprung, jedoch ohne das Rad neu zu erfinden. In Kooperation mit der finnischen Möbelmarke Artek, dem Helsinki City Museum sowie der Alvar Aalto Foundation knipst sie die Lichter im legendären «Savoy» neu an.

auch, der eine Spezialität und gleichzeitig sein Lieblingsessen auf die Speisekarte bringt, die heute noch zu den beliebtesten Menüs des Restaurants zählt. «Vorschmack» aus Lammfleisch, Rindfleisch, Fisch, mit gebratenen Kartoffeln, Roter Beete, Gurken und Crème fraîche ist ein mit Sardellen und Zwiebeln aromatisierter Fleischtopf, den er wahrscheinlich im Warschauer Offiziersklub kennengelernt hat. Mit «Marskin Ryyppy», «Marschalls Schnaps», einer Kombination aus Aquavit, Gin und Wermut, der sogenannten «Trotzburg» gegen die harten finnischen Winter, verewigt er einen weiteren Bestseller im «Savoy». EIN NEUES ALTES OUTFIT Fast 83 Jahre lang und trotz einiger Besitzerwechsel bleibt das Design des «Savoy» erhalten. Als 2019 neue Besitzer das Restaurant erwerben, versprechen diese, das von Alvar und Aino Aalto entworfene Restaurant wieder in seinem alten Glanz erstrahlen zu lassen, und engagieren dafür die weltberühmte britische Designerin, Wissenschaftlerin und Kreativchefin von «Studioilse», Ilse Crawford. «Wir wollen das Allerbeste», sagt Gastgeber Saku Tuominen, Aktionär und Mitbesitzer: «Ilse Crawford verfügt über ein tiefes Verständnis für das Vermächtnis der Aaltos und hat erkannt, um was es geht – nämlich, dass es eher darum geht, ein Aalto-Interieur zu erschaffen als ihr eigenes.»

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DER KAISERIN NEUE KLEIDER «Die Aaltos hielten es für wichtig, die Materialien in einer humaneren Richtung zu verfeinern», erklärt Ilse Crawford in einem Interview, «deshalb beinhaltete ein wichtiger Teil unserer Arbeiten im ‹Savoy›, den Fokus auf Einfachheit, Funktionalität und soziales Bewusstsein zu respektieren.» Die Arbeiten orientieren sich an der ursprünglichen Inneneinrichtung von Aalto aus dem Jahr 1937, bringen das Restaurant in seine ursprüngliche Form zurück und erfrischen zeitgemäss. Nach neun Monaten Planung beginnt die Restaurierung des «Savoy», was sich jedoch vom emotionalen Aspekt her zu Beginn eher beklemmend anfühlt, und gerade Artek, dessen Zeichenbüro damals mit Aalto die Inneneinrichtung entworfen hat, zögert anfangs, Restaurierungsprozesse vorzunehmen. «Es war für uns einschüchternd, in einen so ikonischen Raum einzugreifen», erzählt die Geschäftsführerin Marianne Goebl: «Produkte, die speziell für das Restaurant entwickelt wurden, werden auch heute noch von Artek hergestellt. Glücklicherweise ist das Projekt in unseren Firmenarchiven von Möbelzeichnungen bis hin zu Materialmustern gut dokumentiert.» Die mit tiefblauem Stoff gepolsterten Sitzgelegenheiten im Speisesaal werden gegen einen weichen grauen Stoff ausgetauscht, die Ecken der Esszimmerstühle und ihre Armlehnen werden mit braunem Leder umwickelt, was den neuen pilzfarbenen Teppichboden ergänzt, eine gepolsterte Banquette, die entlang der Peripherie des Hauses verläuft, wird mit einem kräftigen, schwarz-weiss gestreiften Stoff bezogen. Die Beleuchtung im Raum wird mit Arteks zylindrischen A201-Pendelleuchten, die in einer Linie über den Tischen hängen, optimiert, und für die Innenterrasse des «Savoy» erstellt Artek eine Sonderedition seines Modells Chair 611. Ein Stuhl, den Alvar Aalto 1929 für die Marke entwirft, bevor 20 Jahre später eine Version mit geflochtener Rückenlehne auf den Markt kommt. Es ist das «Savoy» von 1937, einfach entstaubt und mit viel Hingabe restauriert. «Wir wollen, dass das ‹Savoy› ein Weltklasse-Restaurant wird. Und wir wollen, dass es ein Schrein für die Aaltos ist», so Saku Tuominen.


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Die spektakuläre Entdeckung der Venus von Milo im Jahr 1820 sorgte für eine Offenbarung in der Welt der Kunst und der Archäologie. Zwei Jahrhunderte nach ihrer Ausgrabung überwältigt ihre Schönheit weiterhin. Montegrappa fängt diese herrliche Unvollkommenheit auf einem Schreibgerät ein, das aus Materialien in Museumsqualität gefertigt ist. Limitierte Edition aus 18-karätigem Gold.

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HAUTE CULTURE – WARUM WIR UNS LUXUS LEISTEN SOLLTEN Autor_Frank Bodin

Die digitale Transformation und der Klimawandel verändern unser Denken und Handeln. Der Luxus­ güterindustrie stellt sich dabei die Gretchen- beziehungsweise Greta-Thunberg-Frage: Sind die Bestrebungen der Gesellschaft noch vereinbar mit einem 800-PS-Verbrennungsmotor in der 30er-Zone? Um diese Transformation gesellschaftlicher Bedürfnisse zu erkennen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. 222


FINANCE

Vor zwanzig Jahren reichte Tradition noch als Referenz für eine Luxusmarke. Heute garantiert sie kaum ihren Wert in Zukunft. Über historische Referenzen hinaus müssen Luxusmarken nach neuen Wegen suchen, die den heutigen Erwartungen entsprechen. Das bedeutet nicht, dass Luxusmarken mit einer langjährigen Tradition nicht über ihren Status in der Vergangenheit kommunizieren können. Sie müssen sich aber überlegen, wie sie ihre Botschaft an einen modernen kulturellen Kontext anpassen. Beim modernen Storytelling ist das Erzählen der eigenen Markengeschichte nicht mehr ausreichend. Es geht heute darum, den Menschen mit Luxus Selbstausdruck zu ermöglichen.

Im Mittelalter diente Luxus der staatlichen und kirchlichen Repräsentation. Luxus war Machtdemonstration. Mit Parks und Pomp baute Louis der 14. sein absolutes Herrschertum aus. Dasselbe machte sich auch der Klerus zunutze. Das feudale Gehabe fand ein jähes Ende mit der Französischen Revolution; das Bürgertum kam zu Einfluss und Geld. Die Französische Revolution war auch eine Revolution des Luxus. «Le luxe» hielt Einzug ins Privatleben wohlhabender Bürger und wurde Teil der Gesellschaft. Neue Industrien entstanden zur Herstellung von Seidenstoffen, Goldbeschlägen, Tapisserien, Spitzen, Spiegel, Juwelen. Luxus kurbelte den wirtschaftlichen Fortschritt und den allgemeinen Wohlstand an. Das erkannte auch Montesquieu: «Ohne Luxus geht es nicht. Wenn die Reichen nicht reichlich ausgeben, werden die Armen Hungers sterben.» Ein Paradox: Luxus wurde zu einer wirtschaftlichen Notwendigkeit. Mit der Erfindung der Dampfmaschine erhielt die Luxus­ industrie zusätzliche Schubkraft. Im industriellen Zeitalter wurde «ohne Fleiss, kein Preis» zu einer Maxime. Luxus wurde zum Mittel, die eigene Tüchtigkeit und den damit einhergehenden Erfolg zu unterstreichen. Die Zeit der Fabrikantenvillen brach an. Die Zeit der Limousinen. Die Zeit der Delikatessen-Geschäfte. Luxus war nicht mehr nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein Ausdruck für den persönlichen Erfolg. Wer sehr fleissig war, konnte sich Dinge zu einem sehr teuren Preis leisten. Die digitale Revolution revolutioniert den Luxus erneut. Insbesondere traditionelle Luxusmarken, die ihre Wurzeln im industriellen Zeitalter haben, bekommen das zu spüren. Heute stehen nicht mehr Tugenden wie Tüchtigkeit und Erfolg, sondern solche wie Selbstverwirklichung im Zentrum. Wir leben in einer Epoche unter der Maxime «die Konstruktion des eigenen Glücks». Luxus ist heute ein Mittel, Individualität und Leidenschaften zum Ausdruck zu bringen und sich zumindest für gewisse Momente ein Stück Glück zu verschaffen.

DER NEUE LUXUS IST INDIVIDUELL Die Digitalisierung der Welt hat eine noch nie dagewesene Transparenz zur Folge. Die verwendeten Materialien eines Produktes, dessen Herkunft, die Arbeitsbedingungen, die Preise – alles wird transparent. Mehr noch: Auch der Mensch wird gläsern. Nicht nur das Navigationsgerät Ihres Autos weiss, wo man war, sondern auch die unzähligen Apps auf dem Smartphone wissen es. Daten sind das neue Öl im Wirtschaftsmotor. Daten analysieren nicht nur unser Verhalten, sondern können es sogar voraussagen. Der Mensch wird gläsern, transparent, quasi selbstauflösend. Privatsphäre war einmal. Clevere Programme wissen mein Programm, bevor ich es weiss. IT-Spezialisten sind die neuen Wahrsager, die unsere Bedürfnisse von unserem Verhalten ablesen. Permanent werden wir gescort, geklickt, geliked und geteilt. Ist das die neue Welt, wie wir sie wollen? Einige dieser durchaus nützlichen Funktionen sind unverzichtbar, aber in dieser Form wollen wir das alles irgendwie auch nicht. Und gerade deshalb ist Luxus derzeit gefragter denn je. Luxus ist immer aussergewöhnlich. Luxus lässt uns Menschen für einige Momente aussergewöhnlich erscheinen.

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LUXUSPRESTIGE

Das Bedürfnis, sich mit Luxus zum Ausdruck zu bringen, gibt es nicht nur in der realen Welt, es hat längst auch die virtuellen Welten erobert. Letztes Jahr ging Louis Vuitton als erste Luxusmarke eine Partnerschaft mit dem Online-Videospiel «League of Legends» ein. Louis Vuitton bot In-Game-Outfits an, im Genre «Skins» genannt. Das ist der Anfang einer neuen Mode. Und ich bin gespannt, wann die erste Roboter-Kollektion von Prada die Laufstege erobert. Wie individuell Luxus ist, zeigt sich spätestens dann, wenn ältere Semester eine völlig andere Vorstellung von Luxus haben als jüngere Generationen. Viele Millennials verbringen mehrere Stunden täglich im Netz, die meiste Zeit auf Social-MediaPlattformen wie Instagram und Youtube. Luxusmarken spielen für sie eine wichtige Rolle: Luxuriöse Kleidung, Accessoires und Kosmetik aus den oberen Preissegmenten spiegeln für diese Zielgruppe ein ganz bestimmtes Lebensgefühl wider. Der entscheidende Grund dafür findet sich in den sozialen Medien. Die Präsenz von Luxusmarken in der Aussendarstellung ist riesig: Markennamen werden nicht dezent versteckt, sondern exzessiv zur Schau gestellt. «Logomania» wird dieses Phänomen genannt. Rapper und Influ­ encer machen es vor und setzen Trends. Den Rapper Capital Bra mit «Nur noch Gucci und Rolex» mögen manche doof finden; seine 3,7 Millionen Instagram- und 1,8 Millionen Youtube-Follower finden das cool. Was sagt «Logomania» über diese junge Klientel aus? Qualität und Verarbeitung sind zwar nach wie vor relevant, doch eher untergeordnet gegenüber sozialer Anerkennung und Prestige. Teenager suchen eine eigene Identität; sie lösen sich von zuhause ab und suchen nach neuen Communities, die ihnen entsprechen. Luxus für Millennials ist Dazugehörigkeit. Und für manche um jeden Preis. Ein sonst eher unauffälliger Pullover wird mit der Aufschrift Gucci, Fendi oder Off-White zum absoluten «Must-have». Und das, weil die in der Masse von Menschen eher unauffällige Trägerin sich davon erhofft, selbst zum «Must-have» zu werden. Oder anders gesagt: «Der Pulli ist zwar sündhaft teuer, aber ich leiste ihn mir, um dazuzugehören.» Ausser Millennials muss das niemand verstehen. Der Mensch ist nun einmal unlogisch. Erfindungen, Kreativität sind zu Beginn auch immer unlogisch. Sonst käme ja jeder drauf. Hier offenbaren sich die Grenzen der Digitalisierung und der daraus

entspringenden Sehnsucht des Menschen nach dem Irrationalen: Daten entspringen einer Box – Kreativität hingegen ist Denken out of the box. Das ist die Schönheit des Luxus: Luxus ist unlogisch. Luxus macht keinen Sinn. Es macht vielleicht Sinn, ein Auto zu haben, das mich günstig, sicher und schnell von A nach B bringt. Aber eine Luxuskarosse mit 800 PS macht keinen Sinn. In Zeiten der Logik und Sinnhaftigkeit gibt mir gerade das Unlogische und Sinnlose ein Gefühl der Freiheit, das Gefühl, mit etwas Aussergewöhnlichem verbunden zu sein. Der Sinn des Luxus ist die Sinnlosigkeit. LUXUS IST NATÜRLICH Nebst dem digitalen Wandel prägt ein weiterer Wandel unsere Zeit: der Klimawandel. Für Tugendwächter war Luxus schon immer eine Sünde. Von der sprichwörtlich zwinglianischen Lebensart der Zürcher Reformation bis zum heutigen Ökoaktivismus gilt: Ein guter Mensch lebt aufs Notwendige reduziert. Wer sich der Üppigkeit, dem Prunk, der Verschwendung hingibt, ist dekadent und sündig. Der Greta-Effekt ist nicht nur ein Dilemma für Luxusmarken, sondern für unsere Gesellschaft. Fortschritt ist nur mit einem quantitativen und qualitativen Überschuss möglich. Würde sich die Welt nur aufs Überlebensnotwendigste beschränken, wären wir noch immer Savannen-Affen ohne Kultur, ohne Wohlstand. Luxus ist nicht nur ein Wirtschaftsphänomen, sondern auch ein Naturphänomen. Warum gibt es die Blütenpracht einer Rose, wenn die banale Blüte eines Weissklees für die Befruchtung ausreicht? Oder mit den Worten des Philosophen Ludwig Hasler: «Warum hat die Natur den männlichen Pfau mit einem ausschweifenden Radschlag ausgestattet, der überlebenstaktisch ein Witz ist? – Der radschlagende Luxus hat seinen Preis, doch er ist wunderschön, und die Weibchen sind hin und weg.» Apropos Luxus und Nachhaltigkeit: Die Weisen des Club of Rome haben bereits vor Jahren postuliert, dass soziale und wirtschaftliche Stabilität die Grundlagen sind, um nachhaltig etwas für die Umwelt zu tun. Mit asketischem Konsumverzicht legen wir nicht nur unsere Wirtschaft lahm, sondern auch Innovation und Fortschritt. Fortschritt ist nur mit einem Überschuss an Wissen möglich. Innovation entsteht nur durch Überfluss – genauso wie Kultur. Eine funktionierende Wirtschaft ist nur durch Überfluss möglich. Luxus ist kein Luxus, sondern ein evolutionäres Naturgesetz.

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FINANCE

NDUSTRIE

LUXUS IST KULTUR «Geld macht nicht glücklich. Falsch.» – Dies ist die Schlagzeile einer Anzeige für Rolls-Royce, als man noch Anzeigen für Rolls-Royce machte. Nun wissen alle, dass Geld und Luxus nicht zwingend Hand in Hand einhergehen. Man kann reich sein und gleichzeitig arm an Lebensfreude. Luxus kann pervertiert sein. Wenn ich mir einen Picasso an die Wand hänge, nur um damit auszudrücken, dass ich es mir leisten kann. Bei Teenagern ist ein derartiges Verhalten noch entschuldbar, wenn sie aus Geltungs- und Zusammengehörigkeitssucht Luxuslabel zur Schau tragen. Bei gestandenen Persönlichkeiten nicht. Ich zitiere nochmals Ludwig Hasler: «Dieser Kunst-Luxus funktioniert etwa so, wie wenn man sagt, wer gut Klavier spielt, hat Glück bei den Frauen. Das ist ein wahrer Satz, doch ‹Die Gunst der Frauen mag das Klavierspiel beflügeln, nur, sie steht nie am Anfang der Pianokunst. Jeder Tastenvirtuose beginnt aus Liebe zur Musik, nicht aus erotischem Kalkül.›» Luxus kann pervertiert sein. Luxus kann wunderbar sein. Wenn ich einen Picasso bei mir aufhänge, weil ich einfach muss. Weil ich besessen bin von der Schönheit des Bildes. Genau so beginnt jeder «wahre» Kunstsammler. Genau so beginnt jeder «wahre» Autofanatiker. Genau so beginnt jeder Modeliebhaber: Besessen vom Reiz des Besonderen, des Raren, des einmalig Schönen. Bereit, sich einer Sache hinzugeben, egal, was andere davon halten. Das ist ein Ausdruck von Genussfähigkeit. Und Kultur. Im alten Ägypten gipfelte dies in den Bau der Pyramiden. «Wahrer» Luxus ist eine Liebeserklärung: zu Dingen und Menschen, welche diese Dinge geschaffen haben. Welches Kleid, welchen Anzug, welche Uhr, welche Tasche, welchen Künstler, welches Auto? Wählerische Menschen befassen sich intensiv mit dem Produkt: Qualität, Fertigung, Raffinesse. Wählerische Menschen bezeugen Respekt vor der Arbeit, die sie erwerben. Sie haben die Fähigkeit zu geniessen. Luxus ist nicht Besitz, sondern eine Haltung und damit eine Form von Kultur, manchmal sogar von Hochkultur – «Haute Culture».

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PRESTIGE

VOR SCHAU

A MATCH MADE IN HEAVEN ZWEI KULTDESIGNER PRADA

An der Mailänder Fashionweek wurde es publik gemacht: Star-Designer Raf Simons arbeitet seit Frühjahr Seite an Seite mit Miuccia Prada.

Zwei Kultdesigner mit grossen Egos, die sich gemeinsam um eine Luxusmarke kümmern. Bereits im Herbst wird die erste gemeinsame Kollektion vorgestellt, die wir genauer unter die Lupe nehmen.

SAFETY FIRST SICHER AUF DER PISTE UNTERWEGS

Wintersport ist belebend und bringt uns dazu, in der Kälte mobil zu werden und die Natur zu geniessen. Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung verletzen sich jedoch allein auf Schweizer Pisten jedes Jahr rund 76ʼ000 Menschen. Der Promi-Orthopäde und begeisterte Skifahrer Simon Moyes, der sich über die Wintermonate am liebsten in seinem Chalet in Val-d’Isère aufhält, erzählt von seinen Erfahrungen im Bereich Skiunfälle und gibt Tipps, um solche zu verhindern.

GOLD EIN MYTHOS AUF DEM

Gold hat in der gesamten Geschichte der Menschheit eine unvergleichliche Symbolkraft entfaltet und ist für viele reiche Zeitgenossen immer noch die Währung, die überall in der Welt Bewunderung auslöst und Sicherheit garantiert. Wir begeben uns auf Streifzüge durch die Goldgeschichte und zeigen, wie sie mit dem Wirtschaftsleben verknüpft ist.

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