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ART BASEL 2021 Ein Kunstmarkt im Umbruch

ART & CUL TURE ART CUL TURE &

EIN KUNSTMARKT IM

BLUM&POE Zhu Jinshi, Disagree. Demolition Five Hundred Houses 2, 2020 Autor_Wilhelm J. UMGrusdat

NACHDEM DIE WICHTIGSTE KONTINENTALE KUNSTMESSE, DIE ART BASEL, PANDEMIEBEDINGT LETZTES JAHR AUSFALLEN MUSSTE, FREUEN SICH SAMMLER, GALERISTEN UND KUNSTHÄNDLER IM SEPTEMBER WIEDER AUF PERSÖNLICHE BEGEGNUNGEN UND HOFFEN AUF GUTE GESCHÄFTE. ES STELLT SICH ALLERDINGS DIE FRAGE, OB DAS KATASTROPHENJAHR 2020 DEN KUNSTMARKT NACHHALTIG VERÄNDERT HAT. DIE GALERISTEN WILHELM J. GRUSDAT VON DER GALERIE TERMINUS UND VICTOR GISLER VON DER GALERIE «MAI 36» SPRECHEN ÜBER DIE ZUKUNFT DES KUNSTHANDELS UND DIE BEDEUTUNG VON ONLINE-AUSSTELLUNGEN UND KRYPTOWÄHRUNG.

Victor Gisler führt erfolgreich die Galerie «Mai 36».

WILHELM J. GRUSDAT: Herr Gisler, Sie sind mitten in den Vorbereitungen für die Art Basel. Schön, dass wir trotzdem miteinander sprechen können. Messen gehören ja zum Kerngeschäft einer Galerie. Die Pandemie hat einige Verwirrung in den gewohnten Messekalender gebracht. Denken Sie, dass die Art Basel dieses Jahr stattfinden wird?

VICTOR GISLER: Sie findet statt. Aber durch ihre Verschiebung in den September musste ich meinen Messekalender von September bis Dezember noch einmal strategisch überdenken. Ich habe mich aufgrund der Enge der Termine für bestimmte Messestandorte entschieden – in diesem Fall für Basel, Paris und Miami.

Seit wann sind Sie auf der Art Basel?

Wir hatten 1989 unseren ersten Stand. Aufgrund der Pandemie fiel sie ja letztes Jahr aus, sonst hätten wir 2020 unsere 32ste Art Basel bespielt.

Eine Frage zwischendurch: Wie kommen Sie eigentlich auf «Mai 36»?

Das hat drei Gründe: Wenn Sie «Mai 36» hören, wissen Sie, dass das eine Firma ist–wir sind eine Aktiengesellschaft. Meinen Namen fand ich nicht so interessant. Ausserdem ist das «Gis» von Gisler international schwierig auszusprechen. Wenn Sie «Mai 36» nehmen, haben Sie ein Spiel zwischen einer Zahl und einem Wort. Das Programm der Galerie hat sehr stark mit der Kombination zwischen Text und Bild zu tun, wie sie etwa an John Baldessari, einem unserer Kern-Künstler, sehen. Und der dritte Punkt ist, dass die erste Adresse der Galerie die Maihofstrasse 36 in Luzern war.

Das ist wirklich hochinteressant. Ich habe immer darüber nachgedacht, wie Sie auf den Namen gekommen sind. Mit Blick auf die Pandemie: Wie ging es Ihnen letztes Jahr? Hatten Sie Umsatzeinbrüche?

Für mich war 2020 ein katastrophales Jahr. Die Galerie ist in Zürich stationiert und bespielt von dort durch Messeteilnahmen einen weltweiten Markt. Ausserdem ist es eine Programmgalerie, das heisst, ich baue Künstler auf, nehme sie auf Messen mit und suche für sie neue Märkte. Wenn sie das nicht mehr machen können, dann fällt mal das ganze Physische weg. Also muss man digital werden. Das Digitale nutzten wir schon vorher und mussten dies nun erweitern. Mit der Hilfe meiner erwachsenen Kinder haben wir einige virtuelle Pavillons gebaut und haben an verschiedenen virtuellen Kunstmessen teilgenommen. Ehrlich gesagt, stehen Aufwand und Ertrag aber noch nicht im Verhältnis.

BRUCH

Das war auch meine Erfahrung. Zwar ist es erstaunlich, was man technisch heute alles machen kann. Doch das Manövrieren durch virtuelle Räume ist schwierig und braucht viel Konzentration. Hinzu kommt, dass der Bildschirm am Handy auch noch relativ klein ist.

Ja, schon. Ich denke aber, dass das Digitale nicht mehr wegzudenken ist. Vor der Pandemie hatten wir ja nur die Möglichkeit, etwas über Plattformen wie Artsy oder Artnet anzubieten. Man hat gar nicht darüber nachgedacht, eine eigene Geschichte aufzubauen. Mit der Pandemie ist man sofort losgezogen und hat überlegt: Wie können wir die Leute online erreichen? Grossgalerien wie Zwirner haben sogar eigene Plattformen gebaut – da gibt’s alles. Ich als kleines Unternehmen habe versucht, mich etwas abzusetzen, indem ich diese virtuellen Räume gebaut habe. Nun habe ich eine dritte Galerie, die 24 Stunden geöffnet ist und sich einfach vervielfältigen lässt. Aber der Verkaufsanteil darüber ist noch klein. Ich rede jetzt mal von 25Prozent im besten Fall. Was sehr gut funktioniert hat, ist die Idee der «Trouvailles». Dafür bin ich durchs Lager gegangen, habe eine Arbeit ausgesucht und dazu eine Geschichte geschrieben, die wir dann auf Instagram gepostet und mit einem Newsletter verschickt haben. Sofort wurden acht von zehn Werken verkauft. Sie müssen aber aufpassen: Das können Sie nur bis zu einem bestimmten Preisniveau machen, sagen wir mal bis dreissigtausend.

Was zeigen Sie dieses Jahr auf der Messe?

Wir werden bei der Art Basel, Unlimited Sector wieder eine grosse Arbeit der kanadischen Künstlergruppe General Idea zeigen, die ja mittlerweile Kunstgeschichte geschrieben hat. Und dann werde ich aus den pandemiebedingt ausgefallenen Ausstellungen die besten Ideen aussuchen und daraus meine Räume auf der Messe bauen. Leider konnten die Künstler dieses Jahr nicht explizit für die Art Basel arbeiten.

JOHN BALDESSARI Raised Eyebrows / Furrowed Foreheads: Person (with Guitar), 2009 acrylic paint, three dimensional archival print, laminated with lexan and mounted on sintra framed 213.4x98cm (84x38 5/8 in.) with certificate

MAGNUS PLESSEN Untitled (Fig. 16), 2020 oil and charcoal on canvas image 138 x 116 cm (54 3/8x45 5/8 in.)

Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf das Geschäft auf der Art Basel?

Die Art Basel wird dieses Jahr ein kontinentales Schwergewicht haben. Ein paar asiatische und amerikanische Sammler werden bestimmt kommen, wenn es möglich ist, ohne Quarantäne in die Schweiz zu fliegen. Die Erwartungen sind allerdings zweigeteilt: Die wirklichen Kunstliebhaber werden mit unglaublicher Begeisterung durch die Messe gehen und kaufen. Aber es wird auch viele Leute geben – vor allem, wenn sie ein gewisses Alter und eine gewissen Bequemlichkeit haben –, die dieses Jahr mal aussetzen. Zumal das «Leutetreffen» auch schwieriger geworden ist. Da müssen sie schon komplett geimpft sein. Insofern erwarte ich die «Frenzyness» im ganz hohen Preisbereich dieses Jahr nicht. Unter den gegebenen Umständen werden Leute, die sonst für 24Stunden mit dem Privatjet nach Basel kamen, ihre anderen Möglichkeiten nutzen, um Kunst zu kaufen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung im Galeriegeschäft allgemein? Welche Rolle spielen die Auktionshäuser? Und wie sieht die Bedeutung der kleinen Galerien aus?

Das Galeriegeschäft befindet sich komplett im Umbruch und erlebt eine ähnliche Umwälzung wie im Retail Market. Da ist einmal die bereits erwähnte Digitalisierung. Eines dürfen Sie nicht vergessen: Derjenige, der über die Daten verfügt, wer was kauft, ist der Chef. Und wenn Sie das zusammentun mit den technischen Möglichkeiten eines Algorithmus, eröffnen sich Ihnen gigantische Möglichkeiten. Da haben die Auktionshäuser die Nase vorne. Die sind nicht nur seit Jahren enorm gewachsen, sondern auch gut durch die Krise gekommen, weil sie 20 bis 30Prozent ihrer Stände sofort abgebaut und stattdessen digitale Auktionen hochgezogen haben. Die sehen genau, wo die Kaufinteressen liegen. Ähnliches gilt für die Grossgalerien wie Zwirner mit seiner Plattform. Aber für die anderen wird die Situation nicht einfacher,

PETER KILCHMANN Leiko Ikemura, Chica&Pink, 2019

© Courtesy the artist and Galerie Peter Kilchmann, Zurich Fotografer: Jörg von Bruchhausen

© Courtesy the artist and Andréhn-Schiptjenko ART & CULTURE

ANDRÉHN-SCHIPTJENKO Annika Elisabeth von Hausswolff, The Hole is a Noun #5, 2020

schon weil die Kosten bleiben. Eine Möglichkeit sehe ich in der Zusammenarbeit von ähnlich strukturierten Galerien, die ihre Künstler weltweit stützen.

Sind Kryptowährung und NFT eigentlich Themen für Sie? Haben Sie da schon etwas in der Richtung gemacht?

Wir haben angefangen, bei unseren Künstlern nachzufragen. Mit Raúl Cordero haben wir bereits einen Künstler, der schon seit vier, fünf Jahren bei den NFTs dabei ist. Matt Mullican kann auch problemlos ein NFT entwickeln, und eigentlich wären einige von Thomas Ruffs jüngeren Werkreihen ebenso als NFT möglich. Noch lässt er seine digitalen Arbeiten ausdrucken. Ich kann mir also vorstellen, NFTs künftig anzubieten und Kryptowährungen anzunehmen, wenn ich Kunden habe, die damit bezahlen wollen.

Und jetzt die zwingend logische Frage hierzu: Es gibt ja in den letzten Jahren eine Verschärfung der Geldwäschegesetze. Die Schweiz ist da sogar ein Vorreiter. Merken Sie das?

Bis jetzt eigentlich kaum. Es gibt Fälle, von denen man die Finger lässt, wenn sie faul riechen. Und die Idee, dass jemand mit einem Koffer voller Geld kommt, ist sowieso obsolet. Ich bin mit dem, was ich tue, nicht so prädestiniert für die Geldwäsche. Aber es wäre völlig falsch, das zu verneinen. Ich merke, dass die Compliance stärker geworden ist. Allerdings gibt es Bestrebungen, die Compliance politisch zu untermauern. Das wäre von Nachteil für viele kleine Galerien, die dann mit der Administration gar nicht mehr durchkommen. Ich hoffe jetzt mal, dass das vom Gesetzgeber pragmatisch gelöst wird.

Victor Gisler gründete 1987 seine Galerie «Mai 36». Inzwischen befindet sie sich im Zentrum von Zürich in der Nähe des Kunsthauses und gehört zu den Top-Ten-Galerien in der Schweiz. Gisler war zwölf Jahre lang Mitglied des ART-Basel-Komitees.

Wilhelm J. Grusdat eröffnete die Galerie Terminus 1997 im Herzen von München, die dort seither zu den führenden Adressen guter Kunst gehört. Er zählt zu den Top1000-Kunsthändlern Deutschlands und vertritt zahlreiche Künstler auf internationalen Messen.

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