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ABSTRAKTE KUNST MIT BOTSCHAFT Milana Schoeller im Interview
ABSTRAKTE KUNST
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Die Inspiration für Farbkombinationen holt sich Milana Schoeller oft aus der Natur rund um ihr Zuhause in Schweden. (drowning sun, Öl auf Leinwand, 75cmx70cm, 2021)
DIE DEUTSCHE KÜNSTLERIN MILANA SCHOELLER THEMATISIERT IN IHREN BILDERN UMWELT- UND GESELLSCHAFTSTHEMEN. WIE ES DAZU GEKOMMEN IST UND WESHALB SIE MIT IHREN WERKEN DIE MENSCHEN BERÜHREN MÖCHTE, ERZÄHLT SIE IM INTERVIEW MIT PRESTIGE.
Autorin_Corina Rainer Bilder_Milana Schoeller
BOTSCHAFT Ein Bild aus der neuen Serie «drowning sun». Milana Schoeller arbeitet mit Spachteln, um ihren Werken eine Dreidimensionalität zu verleihen. (drowning sun, Öl auf Leinwand, 55cmx39cm, 2021)
Die Künstlerin in ihrem lichtdurchfluteten Atelier in Stockholm. Hier malt sie fast jeden Tag.
PRESTIGE: Frau Schoeller, wie kommen Ihre Werke zustande?
MILANA SCHOELLER: Das passiert auf natürliche Art und Weise. Malen ist ein Teil von mir, und wenn ich nicht malen kann, bin ich nicht ich selbst. Ich werde sogar nervös. Deshalb bin ich sehr erfüllt und glücklich, dass ich mich täglich vor die Leinwand setzen kann.
Woher kommt diese Liebe zur Malerei?
Es liegt bei mir auch ein wenig in der Familie: Bereits meine Ururgrossmutter hat Aquarelle gemalt. Sie war damals natürlich in erster Linie Hausfrau und konnte dies nicht wirklich ausleben, aber ihre Arbeiten waren wunderbar. Auch meine Grossmutter malte, und wann immer ich bei ihr zu Besuch war, haben wir zusammen gemalt. Sie hat mich gelehrt und mir sehr früh besondere Pinsel aus Japan geschenkt. Zudem hat sie mir wichtige Dinge über Perspektive und Tiefenwirkung beigebracht, meistens malten wir Landschaftsbilder. So habe ich diese tiefe Verbundenheit zur Malerei seit meiner Kindheit.
Sie haben einen Master-Abschluss in Sustainable Development. Direkt nach dem Studium haben Sie sich dazu entschieden, Künstlerin zu werden. Wie haben Sie den Einstieg in die Kunstwelt geschafft?
Kunst war schon immer die Art, wie ich mich ausgedrückt habe. Gemalt habe ich wie gesagt schon immer, ich habe meine Bilder einfach nicht gezeigt. Als ich dann mit meinem Studium fertig war, habe ich mir bewusst Zeit genommen für die Malerei. Ich wollte herausfinden, ob ich das nur für mich mache oder auch für andere. Es war beängstigend, so viel von mir preiszugeben, und ich war vor meiner ersten Ausstellung sehr aufgeregt. Am ersten Abend habe ich dann aber toll verkauft. Und damit kam ein Stein ins Rollen und alles nahm seinen Lauf. Auch glaube ich, dass ich im richtigen Moment am richtigen Ort mit der richtigen Person in Kontakt kam. Zum Beispiel hatte ich viel Glück, die Kunsthistorikerin Dr.Sonja Lechner kennenzulernen, die an mich und meine Kunst glaubte und meine Mentorin wurde.
Sie haben in einem der wichtigsten Kunstmuseen Europas, der Pinothek der Moderne in München, ausgestellt. Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?
Das war einer der besondersten Momente in meinem Leben. Ich dachte mir: «Wow, jetzt kann die Zeit stehen bleiben.» Aber es ist für mich immer speziell, wenn meine Kunst ausgestellt wird, egal wo. Denn während der Zeit im Atelier bin ich sehr zurückgezogen, da gibt es nur mich und die Kunst. An die Öffentlichkeit zu gehen, ist für mich als introvertierte Person immer sehr nervenaufreibend. Doch die Kunstwerke sind dafür gemacht, dass andere sie sehen. Und die Reaktionen sind es immer wert.
Welche Reaktionen bekommen Sie denn auf Ihre Kunstwerke?
Bis jetzt waren sie positiv, was natürlich der Seele enorm guttut. Oft passiert es, dass die Menschen in meinen abstrakten Malereien Dinge sehen, die ich selbst nicht gesehen habe. Das ist ja das Schöne an der abstrakten Kunst, dass der Betrachtende so viel Freiraum hat. Jeder kann eine neue Perspektive einnehmen. Aus den Gesprächen und Sichtweisen von anderen ergeben sich immer interessante Gespräche, was für mich bereichernd ist.
Gibt es auch Momente, in denen Ihnen Ihre Arbeit schwerfällt?
Ja, die gibt es. Seit Sommer 2020 arbeite ich an einer neuen Serie. Am Anfang war der Prozess schwierig. Ich war jeden Tag im Studio, trotzdem fühlten sich die Ergebnisse einfach nie richtig an. Bevor ich anfange zu malen, stelle ich mir das Bild innerlich vor. Bis ich irgendwann denke: So sollte es gehen. Aber es funktioniert nicht immer. Das Prinzip bei mir ist eigentlich immer «trial and error». Es kann auch sehr frustrierend sein, wenn ich tage- oder wochenlang arbeite und nicht zufrieden bin. Dieser Prozess muss stattfinden. Irgendwann kommen alle einzelnen Themen, Farben und Formen zusammen. Und plötzlich komme ich da an, wo ich sein wollte.
Können Sie bereits etwas über Ihre neue Serie sagen?
Die Serie heisst «drowning sun». Es ist noch offen, wie viele Werke sie einschliesst. Momentan sind es fünf oder sechs. Es sind Werke mit Öl auf Leinwand. Auch bei dieser Arbeit geht es um das Thema Nachhaltigkeit und die Dringlichkeit, welche auch aktuell sehr deutlich wird. Normalerweise schreibe ich auch längere Texte über meine Bilder, diesmal war es nur ein kurzes Gedicht: «Helios is falling, Past the spaces that lie between, The moments we stumbled past, Hindsight you foe, why did you not tell me, Tell me that Helios is falling, Falling past us all.» Diese Serie ist dieses Gedicht. Es fasst genau zusammen, worum es geht, in einer schlichten und prägnanten Art. Ich finde, man kann Werke auch «übererklären». In dieser Serie bin ich auf den Punkt gekommen.
Kann Kunst die Welt retten?
Wenn ein Mensch einen Bezug zu einem Kunstwerk findet, dann kann es ihn sehr tief berühren. Und so habe ich schon oft gehofft, dass jemand eines meiner Kunstwerke anschaut und dass dadurch die Botschaft hinter dem Werk tief in sein Herz geht. Und wer weiss? Vielleicht ändert dieser Mensch ja dann dadurch etwas an seinem Verhalten, und sein Verhalten verändert das Verhalten anderer. Und so entsteht ein wirkungsvoller Ketteneffekt.