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INHALTSVERZEICHNIS
Editorial
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DOWN TOWN Bangkok
Nightlife und Shopping
Paris
Ein literarischer Spaziergang
12
12
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DISCOVERY Was ist schรถn?
Rubensfrauen oder Magermodels?
24
CULTURE CLUB Janosch
Oh, wie schรถn ist Panama!
LaChapelle
Orgien von Farben und Fleisch
Von Mensch zu Tier
30
36
Durch Kleines Grosses bewirken
40
Kunstwelten
42
News ...
St. Moritz Award 2011 Nussknacker on Ice Where champions meet talents
18
36
44 46 48
Business Lieber teurer
Der Status, die Arbeit und das Geld
Good Business Kein Widerspruch
50
50
56
SWEET & SOUR Gesundes Essen
Richtig Essen macht schรถn(er)
60
News
64
Food Design ... ... macht Appetit
66
FACE TO FACE Xenia Tchoumitcheva Ganz schรถn schlau
72
72 6
INHALTSVERZEICHNIS
84
Architecture Museumsbauten
Hort der schönen Künste
Coop Himmelb(l)au
Architektur mit Phantasie
80 84
DESIGN
Designklassiker
88
News Design
92
Trends der ...
104
100
Zeitlos, schön und praktisch
... Uhrenindustrie
94
News Uhren & Schmuck
97
Art of Fashion Manolo Blahnik
106
Auf hohen Sohlen
100
TECHNOLOGY
118
Lamborghini
112 122
Leicht und luftig
Ferrari
Made in Italy
Porsche
104 106
Strassenrenner
108
Techniktrends
110
The Grand Tour - Teil 1
Oh là là – eine autoverrückte Familie
112
PHENOMENON Wenn der Tod ...
... uns lachend scheidet
Länderschönheiten
Andere Länder, andere Sitten
118 122
Legends of Crime Jack the Ripper
136
Herbst des Schreckens
126
126
YESTERDAY Bob Marley
Lieder der Freiheit
Rock Hudson Pillow Talk
7
132 136
INHALTSVERZEICHNIS
146 DREAMLANDS Südsee
Das Paradies auf Erden
140
Morgenland
Eine Gedankenreise in den Zauber des Orients
146
Naturparadiese
Vom Great Barrier Reef bis zum Garten Eden Afrikas
148
Suite Class - Eine Klasse für sich Nonstop von Zürich nach Singapur
148
158
Beauty Anti Aging
Wohin geht die Reise?
160
Neue Beauty-Waffen ... ... für Gesicht und Körper
166
Hot-Spots Lieblingsprodukt der Redaktion Best Beauty New Look Frühjahr 2011
168 170 172
160
Health & Sport Fechten
Der elegante Sport in Weiss
174
Schönheit und Sport Sport und Schönheit
178
SHORTCUTS
Von Misswahlen bis Sissi Von Quallen bis Aura lesen
70 116
KOLUMNEN Guido Tognoni
Schööön und kaffeebraun
28
34
Hört bei der Gier nach Geld der Glaube auf?
54
Wilhelm J. Grusdat
169 78
Von der Kunst, Kunst zu sammeln
34
Rolf Hess Nubya
Die Kehrseite der Schönheit
Luisa Rossi
Die vielen Gesichter der Schönheit
28
54
103 8
Vera Dillier
Schönheit
78 103 169
JULES AUDEMARS EXTRA-FLACH
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LEISTUNG
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EDITORIAL
D
Geschätzte Leserinnen, Geschätzte Leser
er Frühling steht vor der Tür! Weg mit den Wintersachen und raus mit den leichteren Stoffen. Doch oh weh, da sitzt noch jede Menge Winterspeck auf den Hüften. So kann man unmöglich zu den nächsten Frühlingsveranstaltungen gehen. Warum eigentlich nicht? Weil ein paar grössere Rundungen als unschön gelten? Und wer bestimmt, was schön ist? Schönheit ist ein sehr abstrakter Begriff, der jedoch stark mit allen Aspekten des menschlichen Daseins verbunden ist. Mit der Bedeutung dieses Wortes beschäftigt sich hauptsächlich die philosophische Disziplin der Ästhetik. Nach Kant basieren ästhetische Urteile auf privaten, subjektiven Empfindungen des Gefallens oder der Abneigung, der Lust oder Unlust. Insofern könnte man meinen, schön sei einfach das, was uns persönlich angenehm ist. Der Philosoph stellt jedoch einen Unterschied fest: Über das Angenehme lässt sich nicht streiten, denn jeder empfindet etwas anderes als angenehm und wird dies auch zugeben. Ästhetische Urteile dagegen sind zwar subjektiven Ursprungs, sie haben jedoch Anspruch auf Allgemeingültigkeit – wer über die Schönheit eines Gegenstandes urteilt, behauptet zugleich, ein Urteil zu fällen, dem auch andere zustimmen müssten. Schönheit hat daher den Anspruch subjektiver Allgemeinheit. Anders als über das Angenehme lässt sich über Schönheit und Geschmack also durchaus sinnvoll streiten, da jedes Geschmacksurteil sich anmasst, über die Empfindungen anderer mit zu urteilen. Doch Schönheit bezieht sich nicht nur auf die äussere Erscheinung. «Wahre Schönheit kommt von innen», wer kennt ihn nicht, diesen Ausspruch? Ja, Schönheit beginnt mit klarem, schönem Denken, denn das Denken beeinflusst unser Sprechen und Handeln. Zudem beeinflussen unsere Gedanken auch unseren Körper. Doch seien wir mal ganz ehrlich: Auf was achten wir zuerst? Wirklich auf den Charakter? Erfreuen Sie sich mit uns an Bangkok und Paris und denken Sie immer daran: Manche Schönheiten liegen gut verborgen, man muss ganz genau hinschauen, um sie zu entdecken. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern einen wunderschönen Frühling und einen Lesegenuss der ganz besonderen Art. Begeben Sie sich mit uns auf eine vergnügliche und spannende Reise rund um das Thema Schönheit.
Francesco J. Ciringione Verleger
11
Yvonne Beck
Chefredaktorin
DOWN TOWN
Bangkok Nightlife and Shopping Viele Reisende nutzen Bangkok nur als Stop-Over, um auf eine der vielen thailändischen Inseln zu gelangen. Schade, denn Bangkok und Umgebung ist sicherlich einen etwas längeren Aufenthalt wert.
«Wenn man immer tut, was einem gefällt, dann ist schon mal mindestens einer zufrieden.» Thailändisches Sprichwort
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DOWN TOWN
I
von Yvonne Beck
n Bangkok bekommen Sie früher oder später das Gefühl, in einer riesigen Einkaufsrausch-Stadt gelandet zu sein, denn die Stadt bietet für jedes Portemonnaie etwas: Luxus-Shopping-Malls mit Gucci, Prada und Co. auf der einen Seite und Nachtmärkte mit Thai-Kitsch und Fakes auf der anderen Seite.
In China kauft man Tee oder Seide, in Italien Wein oder Schuhe, aus Indien bringen viele Urlauber Silberschmuck mit, doch was shoppt man in Bangkok? Textilien sind überall in der Stadt zu finden, allerdings fangen die Schwierigkeiten bereits mit der Konfektionsgrösse an; wer sehr gross ist oder eine grössere Kleidergrösse benötigt, wird es schwer haben, in Kaufhäusern Markenkleidung zu finden, denn Thailänder sind bedeutend zierlicher als die meisten Europäer.
Shopping-Paradies Die besten Shopping-Tempel liegen im sogenannten BermudaDreieck der Stadt an der Skytrain-Station «Siam». Hier befinden sich die meisten Shopping Malls Thailands auf einem Fleck. Allen voran die Siam Paragon, die neuste und schillernste Mall der Stadt. Jede Luxusmarke der Welt hat versucht, hier einen Laden zu ergattern, und auch wenn die Preise nicht viel niedriger als in heimischen Gefilden liegen, lohnt sich ein Besuch allein schon wegen des Food Courts im Basement der Mall.
Wirklich preiswerter sind Markenartikel jedoch sowieso nicht, wer denkt, ein Riesen-Schnäppchen gemacht zu haben, ist meist auf eine Kopie hereingefallen. Im Kopienherstellen scheinen Thailänder wahre Meister zu sein, wie viele asiatische Länder. Sicherlich ist es eine Versuchung, eine der Tausenden Markenkopien zu ergattern. Vorsicht sei jedoch bei elektronischen Geräten aller Art geboten. Oft funktionieren diese nach wenigen Tagen nicht mehr und Uhren gehen schon bald vor oder nach. Interessanter hingegen erscheinen Antiquitäten, Möbel und thailändisches Design, diese sind in einigen Shops im River City Shopping Center – direkt am Sheraton Hotel – zu erstehen.
Er gehört zu einem der besten in ganz Bangkok. In unmittelbarer Nähe liegt das MBK, ein riesengrosses über sieben Stockwerke ausgedehntes Einkaufszentrum. In jede Etage passt die Innenstadt einer kleineren Schweizer Stadt. Im Gegensatz zur Paragon lassen sich hier noch einige Schnäppchen machen, dafür ist die Atmosphäre aber auch weniger glamourös und man muss sich durch eine Menge asiatischen Kitsch kämpfen. Am Siam Square hingegen geht es eher trendiger zu, der riesige Open-Air-Shopping-Komplex wird allerdings vor allem von Jüngeren bevorzugt.
Zudem gibt es im Siam Paragon und im Central World Plaza sehr schöne Geschäfte mit Thai-Möbeln und Accessoires. Wer sich für die thailändische Küche begeistert und diese nicht nur isst, sondern auch gerne selber zubereitet, wird seine wahre Freude haben. Nirgendwo gibt es so günstig Messer oder Woks zu kaufen wie in den Kaufhäusern Thailands. Für umgerechnet drei Franken bekommen Sie schon hervorragende Messer und der passende Wok ist auch nicht viel teurer. Passend dazu gibt es wunderschöne Stäbchen und schöne asiatische Löffel in weissem Porzellan.
13
DOWN TOWN
Auf den Märkten Bangkoks ist Handeln angesagt.
Strassen- und Floating-Markets So gigantisch die Shopping Malls auch wirken, es sind vielmehr die Märkte unter freiem Himmel, die spannende Einkäufe und Momente versprechen, denn hier lassen sich wirklich originelle Mitbringsel finden und es lässt sich gut feilschen. Patpong ist zwar das Synonym für Go-go-Bars und die Rotlichtmeile in Bangkok schlechthin. Allerdings wird hier allabendlich ein riesiger Nachtmarkt aufgebaut, auf dem von Ledertaschen über Uhren bis hin zu Jeans alles angeboten wird, was ein gefälschtes Markenlogo wert ist. Wer also immer schon mal im Rotlichtviertel einkaufen wollte, ist hier genau richtig. Interessanter hingegen ist sicherlich der Chatuchak Weekend Market: Dieser Markt ist jedoch nur am Wochenende geöffnet. Die Hallen und Stände sind so weitläufig, dass man sich leicht im Gewusel verläuft. Er wird als einer der grössten und bekanntesten Märkte weltweit und als die Mutter aller Märkte bezeichnet. Man braucht Stunden, um ihn zu erforschen. Mehr als 15.000 Stände warten mit Waren aller Art auf. Hier wird von Hühnern und Schlangen bis zu alten Ventilatoren und Lampen so gut wie alles verkauft. Es dauert eine Weile, bis man sich zurechtfindet, doch nach einer Weile erkennt man, dass der Chatuchak nach Abteilungen organisiert ist: Kunsthandwerk, Bekleidung, Pflanzen und vieles mehr. Es macht aber auch einfach Spass, sich durch die verwinkelten Gänge treiben zu lassen und hier und da ein wenig zu feilschen. Eine Attraktion ganz anderer Art sind die Floating Markets oder besser: schwimmenden Märkte. Einer der bekanntesten, der Damnoen Saduak Market, liegt zirka 100 Kilometer ausserhalb von Bangkok. Der eigentliche Markt befindet sich auf dem Wasser, von dem aus zumeist Frauen ihre Waren feilbieten. Die Waren – und natürlich auch das Geld – werden zumeist mit Hilfe von Stangen und kleinen Körben an Land gereicht. An jeder Strassenecke Bangkoks gibt es mobile Garküchen.
Thailand ist bekannt für seine Floating Markets.
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DOWN TOWN
Im Frühling, wenn beispielsweise Lychee-Zeit ist, werden diese auf vielen der Boote angeboten. Aber auch Bananen, Mangos in verschiedenen Farben und Formen, Papayas, die Drachenfrucht und mindestens ein Dutzend weitere exotische Früchte kann man auf dem Rundgang entdecken. Besonders schön anzusehen sind die traditionellen Hüte der Frauen, welche einem alten Lampenschirm ähneln. Dazwischen erreicht die Besucher immer wieder der Duft einer der vielen schwimmenden Garküchen. Auf engstem Raum werden hier kleine Speisen im Wok zubereitet und an die Gäste verteilt – ganz gleich, ob diese vom Anleger oder von der Wasserseite kommen. Wer einen nicht allzu empfindlichen Magen hat, sollte auf jeden Fall etwas aus den Garküchen probieren: Der Geschmack ist einfach einzigartig, und selbst ein gutes thailändisches Restaurant in der Schweiz schafft es nicht, so einen Geschmack zu zaubern. Einzig mit der Schärfe sei ein wenig Vorsicht geboten, in Thailand hat man eine andere Schärfemesslatte.
«Bestellen Sie tôm yam kUng, grünen Curry und gebratenen Reis. Wenn es besonders scharf sein soll yam wún sEn.» Nathamon Jaidet Köchin im Poj Spa Kar
milch, Zitronengras, Limettensaft, Galgant und Chili. Anders als in Indien können die meisten Menschen diese problemlos vertragen, es sei denn der Magen ist allzu sensibel. Die Thaiküche ist in ihrer Vielfalt einfach grenzenlos. Es gibt cremige Curries, garniert mit Kokosnuss, wundervolle Seafood-Gerichte und viele verschiedene Arten frischen Gemüses. Chili und Kräuter werden reichlich verwendet, um den Speisen Würze und Feuer zu verleihen. Eines der beliebtesten Gerichte ist «Phad Thai». Es besteht in erster Linie aus Nudeln, vermischt mit einer Vielzahl von Zutaten, die einen schmackhaften heissen Snack ergeben. Thais geben gerne noch getrocknete Shrimps und Zwiebeln dazu und essen es dann zusammen mit speziellen anderen kleinen Gerichten. Leicht und schnell zu kochen, ist es doch schmackhaft und macht satt. Es ist das ideale Gericht für Leute, die es eilig haben. Zudem kostet es weniger als zwei Franken. Auch der Som Tam, der wohlbekannte Papaya-Salat aus grünen Papayas mit Chili, getrockneten Shrimps, Fischsauce, Zitronensaft, Tomaten, grünen Bohnen und Palmzucker, ist im ganzen Land beliebt und wird in Bangkok an jeder Strassenecke verkauft. In Bangkok gibt es Tausende Restaurants, und fast jeder Thai hat seine Favoriten.
Kulinarischer Hochgenuss In Bangkok kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes von einer Strassenecke an die nächste schlemmen. Überall werden kleine Köstlichkeiten angeboten, voll von Aromen wie frischem Koriander, Kokos-
Doch es gibt einige Gegenden in der Stadt, die es wirklich wert sind, ihre Gastronomie zu erkunden. Für Seafood-Liebhaber empfiehlt sich ein Besuch in der Bang-khuntien-Chaitalay-Road, das Thaphrachan-Gebiet ist spezialisiert auf Süssspeisen, und Phraeng Nara ist eine weitere Gegend, in der die Besucher viele schmackhafte Köstlichkeiten probieren können. Zu den beliebtesten gehören Phad Thai, Huhn mit Reis, Yentafo, eisgekühlter Sirup, Thai-Crèpes und Nudeln mit würzigen Fleischbällchen. Der Distrikt Samranrat ist ebenfalls ein guter Ort, wo man Roti, delikaten Thai-Kaffee, Phad Thai sowie Schweinefüsschen mit Reis geniessen kann. Auch die Phra Athit Road, ganz in der Nähe der bekannten Kao San, beherbergt eine Vielzahl kleiner Restaurants mit zum Teil einmaligen Gerichten. Thais geniessen hier Reis in Eiswasser, eine perfekte Behandlungsmethode in dieser heissen Jahreszeit. Dies sind nur einige der Gegenden der «Stadt der Engel», die auf diejenigen warten, die sich auf ein kulinarisches Abenteuer einlassen wollen.
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DOWN TOWN
Rooftop-Bar im im Lebua State Tower.
Die Vertigo-Dachterrasse im Banvan Tree.
One Night in Bangkok Bangkok ohne Nachtleben wäre wohl nicht das Bangkok, wie es weltbekannt ist. Nach Einbruch der Dunkelheit bietet Bangkok tausende Möglichkeiten, sich zu amüsieren. Natürlich denken viele nur an «das eine», wenn man über Bangkoks Nightlife spricht. Und zugegeben, dafür ist die Stadt bekannt, berühmt, berüchtigt! Lange Zeit hatte das Nachtleben Bangkoks einen eher anrüchigen Ruf als Sündenmetropole mit Hunderten Massagesalons, die mehr versprechen als eine einfache Massage. Doch auch wer nicht auf das schnelle Sexabenteuer aus ist, kann sich in Thailands Hauptstadt prächtig amüsieren. Abseits der Go-go-Bars bei Patpong rüstet die Metropole mit Skybars und Dachterassen auf, die einem schier den Atem verschlagen.
bietet ein einmaliges Ambiente unter freiem Himmel und eine grandiose Aussicht auf Bangkok. Eingelassen wird man aber nur mit geschlossenem Schuhwerk und langen Hosen für Herren, und auch für die Damen sind Flip Flops tabu. Ebenfalls zum «Top of the World» gehört die Vertigo-Dachterrasse im Banvan Tree. Einer der besten Plätze für einen Cocktail zum Sundowner. Von 18.00 bis 19.30 Uhr ist hier die beste Zeit und der beste Ort, um den Sonnenuntergang und die Dämmerung Bangkoks zu geniessen. Wer nicht schwindelfrei ist, aber trotzdem die frühen Abendstunden auf ganz besondere Art begrüssen möchte, dem sei eine der vielen Dinner-Cruises auf dem königlichen Fluss empfohlen. Am River City Pier starten jeden Abend unzählige Schiffe, auf denen man bei einem echten Thai-Dinner die Tempel und Skyline entlang des Chao Phraya geniessen kann.
Eine der schönsten Bars der Stadt befindet sich im Lebua State Tower: Die Open-Air-Bar «Sirocco» auf dem Dach des Lebua Hotels lässt einem einfach den Atem stocken. Die Bar
Mit dem Tuk Tuk durch Bangkok Das sogenannte Tuk Tuk ist besonders typisch für das Stadtbild in Bangkok. Tuk Tuks sind die kleinen motorisierten Dreiradgefährte, die als Taxis dienen. Der Name entstand in Anlehnung an das tuckernde Geräusch des Zweitaktmotors. Das TukTuk ist kein ungefährliches Vehikel, denn in dem motorisierten Dreirad gibt es keine Anschnallgurte und auch wenig Knautschzonen. Der grösste Sicherheitsfaktor ist jedoch der Fahrer. Erwischt man einen jungen wilden, der sich sein Geld schnell verdienen will, kann man schon mal eine sehr rasante Fahrt mit Abkürzungen und Durchdrängeln zwischen noch so schmalen Lücken erleben. Häufig wird zunächst ein utopischer Preis genannt. Ist man jedoch mehrere Tage in Bangkok, hat man den Preis, der üblich ist, recht fix raus. Dazu gehört es jedoch auch, mehrere TukTuks abzuweisen.
fort zu rasen an. Ausserdem nutzen die Fahrer oft kleine Abkürzungen jenseits der Hauptstrassen, die für andere Autos zu klein sind. So bekommt man einen abenteuerlichen Einblick in die kleinen «Sois» – die Nebenstrassen in Bangkok. Tuk Tuk fahren ist ein kleines Abenteuer, Taxi fahren ist jedoch bedeutend komfortabler und meistens sogar preiswerter.
Tuk Tuks können bis zu 100 Stundenkilometer erreichen, was jedoch im engen Verkehr Bangkoks fast nie möglich ist. Sollte doch mal eine freie Strecke kommen, dann fangen die Fahrer auch so-
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DISCOVERY
Rubensfrauen oder Magermodels Was ist schön?
Athletische Figuren in der Antike, grazile, rundliche Formen in der Renaissance oder Leibesfülle im Barock. Was wir schön finden, ist immer auch ein Zeichen der Zeit, in der wir leben.
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DISCOVERY Um 1613 malte der Künstler Peter Paul Rubens seine «Venus vor dem Spiegel» und dokumentiert damit auch das Schönheitsideal dieser Zeit.
A von Sabine Schritt
n der pummeligen Venus von Willendorf hätten Schönheitschirurgen von heute viel zu tun. Entspricht die steinerne Frauenfigur aus dem Jahr 25.000 vor Christus doch so gar nicht unserem Schönheitsempfinden. Mit ihrem extrem dicken Bauch, ihren grossen hängenden Brüsten und kurzen Beinen. «Es ist ein bisschen fragwürdig, mit unserem Begriff von Schönheit auf die historische Entwicklung zu schauen», sagt der Soziologe Professor Otto Penz. «Die Figur der Venus von Willendorf ist ja eher ein Symbol der Fruchtbarkeit. So kann man davon ausgehen, dass zu ihrer Zeit der Begriff Schönheit mit dem der Fruchtbarkeit gleichzusetzen war.» Der Schönheitsbegriff ist dynamisch, er hat sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert. Nicht nur verschiedene Kulturkreise, auch die unterschiedlichen historischen Epochen haben ihre ganz eigenen Schönheitsideale. Penz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Wandel der Schönheit im Laufe der Zeit und weiss: «Es fliessen immer soziale und geschichtliche Entwicklungen in den jeweiligen Schönheitsbegriff mit ein.» Das antike Griechenland beispielsweise war eine sehr kriegerische Gesellschaft. Es kam also auf körperliche Kraft an. Es wundere daher nicht, so Penz, dass der Fokus der Schönheit erstens auf den Männern lag und zweitens kraftvolle und athletische Körper als schön galten. Es blüht bereits der Handel mit allem, was den Körper verschönte. Aus dem Griechischen stammt auch das Wort Kosmetik. Abgeleitet von kosmeo, was übersetzt ordnen oder schmücken bedeutet. Die Römer übernehmen die Schönheitsideale der Griechen. Doch schon viel früher, im Alten Ägypten, tobte ein wahrer Schönheitskult. Wandmalereien aus dieser Zeit zeigen fast ausnahmslos junge Frauen mit grossen Augen, vollen Lippen und ultraschlanker Taille. Beide Geschlechter schminken sich mit pflanzlichen oder mineralischen Zutaten.
«Schönheit – Eines der seltenen Wunder, die unsere Zweifel an Gott verstummen lassen.» Jean Anouilh (1910-1987), frz. Dramatiker
Rubens aus dem 17. Jahrhundert sind weltberühmt. Wie die «Venus vor dem Spiegel» und «Die drei Grazien» zeigen alle Werke, dass Leibesfülle, ein dicker Busen und breite Hüften durchaus als schön galten. Zeigt sich in der Kunst vor allem nackte Haut, gilt es, sich im Leben stets korrekt zu kleiden.
Im Christentum tritt die Körperlichkeit in den Hintergrund. Von innerer Schönheit ist die Rede. Trotzdem wird parallel zu dieser Weltanschauung im Mittelalter körperliche Schönheit geradezu vergöttert. Schlanke, mädchenhafte Frauen mit weisser Haut, fülliger Taille, schmalem Becken und kleinen festen Brüsten verkörpern das Idealbild. Bei Frauen wie bei Männern sind lange, hellblonde lockige Haare ein wichtiges Schönheitsmerkmal. Der Mann soll schmale Schultern und ein schmales Becken haben.
Die Frauen quetschen sich ab Mitte des 17. Jahrhunderts in enge Korsetts und polstern ihren Hintern, um die Männer mit Wespentaille und Sanduhrfigur zu beeindrucken. Die Haare werden stets hochgesteckt und mit Schleifen geschmückt. Aber auch die Männer legen Wert auf ihr Aussehen, hüllen sich in feine, seidene Stoffe. Die Haut wird weiss gepudert, die Wangen zinnoberrot betont. Nur bleiche Haut ist gesellschaftsfähig. Sie grenzt die Oberschicht von den sonnengebräunten Arbeitern ab. Im Rokoko tragen Mann und Frau stets weisse Perücken, die zusätzlich mit Mehl bestäubt werden.
Weisser Puder und dicke Hintern In der Renaissance wird wieder Wert auf Körperlichkeit gelegt. Haare spielen auch im 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle, lockig und goldblond müssen sie sein. Immer wieder haben Dichter und Maler das jeweilige Bild von Schönheit dokumentiert. Die korpulenten Frauen auf den Gemälden des Barock-Malers Paul Peter
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DISCOVERY
«Alles, was man mit Liebe betrachtet, ist schön.» Christian Morgenstern (1871-1914), dt. Lyriker
positive Attribute in der Tat am Körper scheinbar wie von selbst abzulesen», erklärt Penz. Das führe dazu, dass den Schönen auch immer ein guter Charakter zugeschrieben werde. «Es gibt aber auch negative Attribute, zum Beispiel blond gleich dumm oder dass schönen Männern immer noch nachgesagt wird, sie seien schwul.» Was die Menschen als schön empfinden, sei im höchsten Masse kulturell geprägt. «Schönheit», sagt Penz, «ist auch immer ein Abbild der jeweiligen Gesellschaft.» Und dazu brauche man gar nicht so weit in die Geschichte zurückzuschauen, sondern nur mal die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Ende des 20. Jahrhunderts vergleichen. Vornehme Blässe signalisiert noch Ende des 19. Jahrhunderts, dass die Frau es nicht nötig hat zu arbeiten. Auch der medizinische Mainstream ging in die Richtung, dass die Frau sich möglichst vor körperlichen Anstrengungen hüten sollte, weil dies der Fruchtbarkeit schaden könnte. «Das markiert einen ganz deutlichen Unterschied zum Ende des 20. Jahrhunderts, als sich in Medizin und Gesellschaft die Meinung durchgesetzt hat, dass es auch für die Frau nichts Gesünderes gibt, als Sport zu treiben», erklärt Penz. Und so wird auch die gebräunte Haut zu einem wichtigen Schönheitsattribut. Diese symbolisiert jetzt: Ich habe Freizeit und Geld, um meine Zeit am Strand oder beim Sport zu verbringen. «Wenn die Frau nicht die Möglichkeit gehabt hätte, Sport zu treiben, hätte auch kein sportlicher Frauenkörper als vorbildhaft gelten können», so Penz. Das zeige ganz klar, dass kulturelle Voraussetzungen geschaffen sein müssen, damit eine bestimmte Körperlichkeit als attraktiv gelten könne.
In Zeiten des Barock gingen Mann und Frau stets mit weiss gepuderter Perücke und feinen Kleidern. Die Frauen betonten ihre Taille und steckten den gepolsterten Hintern heraus.
Nur Jung kann schön sein
Mit dem Beginn des bürgerlichen 19. Jahrhunderts geht Mann nicht mehr in bunten Seidenröcken sondern im grauen Anzug, der neue Inbegriff an Seriosität. Von nun an bestimmt Arbeit das Leben. Die Frau bleibt ihrer Wespentaille treu. Sie trägt lange Reifröcke und hat fortan nur eine Aufgabe: schön sein. Obwohl ja Schönheit sehr subjektiv ist und bekanntlich im Auge des Betrachters liegt, treibt sie seit Jahrzehnten die Wissenschaftler um. Forscher meinen, dass es einige Dinge geben muss, die wohl alle Schönen gemein haben. Mal ist es die Durchschnittlichkeit eines Gesichtes, die die Attraktivität bestimmt, mal sind es Symmetrie und Proportionen. Das richtige Brust-Taille-Hüfte-Verhältnis soll ein Schönheitsmerkmal sein. 90-60-90 als Mass aller Dinge. Doch das letzte Wort haben nicht die Attraktivitätsforscher. «Die längste Zeit in der Geschichte hat die gesellschaftliche Elite darüber bestimmt, was schön ist und was man sich unter Schönheit vorzustellen hat», sagt Penz. In einer Sklaven- und Feudalgesellschaft ging es den Bauern und Leibeigenen nicht um Schönheit. Bei Hofe dagegen sehr.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die knabenhafte Gestalt in. Die Frauen legten das Korsett ab, die Sanduhrfigur kam aus der Mode. Kurze Haare, blasser Teint, schwarz umrandete Augen markierten das schöne Frauengesicht in den 1920er Jahren. In den 1950er Jahren verzauberten die kurvigen Ideale der Nachkriegs-Aufschwungszeit wie Marilyn Monroe oder Brigitte Bardot. «Dies war aber auch die einzige Epoche im 20. Jahrhundert, in der kurvige und etwas fülligere Frauen als vorbildhaft und erotisch galten», so Penz. Ein fülliger Körper veranschaulichte Wohlstand. In dieser Zeit erscheinen auch die ersten Sex-Magazine für Männer. Die Vollweib-Frauen halten sich nicht lange am Schönheitszenit. Der grösste Wandel im Zeichen der Schönheit bahnt sich an: die Jugendbewegung. Schönheitsideale werden immer dünner und immer jünger. Das Magermodel Twiggy ist eine Ikone dieser Zeit. Vorbild für tausende junger Frauen, die dem Schlankheits- und Schönheitswahn nacheifern. «So eine radikale Jugendlichkeit des Schönheitsideals hat es in der Geschichte vorher noch nie gegeben», sagt Penz.
Schöne sind gesund, charakterstark, selbstbewusst und erfolgreich. So ist die gängige Assoziation. «Inwieweit der Mensch diszipliniert ist, ob er Sport treibt, sich gesund ernährt, sind als
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DISCOVERY
Brigitte Bardot war das kurvige Schönheitsvorbild der 1950erJahre, kurz bevor der knabenhafte jugendliche Typ zum Inbegriff von Schönheit wurde.
seiner eigenen Attraktivität tun zu müssen, so Penz. «Im Prinzip setzt sich hier die Entwicklung der letzten 30, 40 Jahre fort.» Aber Penz beobachtet auch einige Gegenbewegungen. Modemagazine beispielsweise, die nicht mehr mit Magermodels arbeiten wollen, und Werbeagenturen, die die Schönheit des Alters entdecken. «Dass sich langsam die Meinung verbreitet, dass man auch im Alter schön sein kann, ist sicher dadurch bestimmt, dass unsere Gesellschaft massiv altert», so Penz. Der Soziologe versucht, Schönheit als eine Handlungsressource zu begreifen, und hat in seinem neuen Buch «Schönheit als Praxis» untersucht, für wen Schönheit wirklich von Bedeutung ist. In zahlreichen Interviews hat er herausgefunden, dass diejenigen, die in Berufen der Mittelschicht arbeiten, welche Attraktivität erfordern, einem besonderen Schönheitszwang ausgesetzt sind und grosse Anstrengungen unternehmen, um attraktiv auszusehen. «Das sind auch die Menschen, die den Schönheitsidealen am meisten nacheifern.» In den Berufsgruppen der höheren Klassen trete das Schönheitsideal hinter fachlichem Wissen deutlich zurück. «Attraktivität basiert dort auf anderen Kompetenzen. Es ist wichtiger, seriös zu wirken als wirklich schön zu sein.» Der enorme Aufschwung der Jugendbewegung machte Jugendlichkeit zur unabdingbaren Voraussetzung für Schönheit. Die Sechziger haben die Einstellung der Gesellschaft zu Nacktheit, Sexualität und Mode revolutioniert.
«Die Schönheit der Dinge lebt in der Seele dessen, der sie betrachtet.» David Hume, (1711-1776) Schottischer Philosoph
In den Achtziger Jahren nähern sich die Frauen dem Hosenanzug, sie tragen hochgeschlossene Blusen und betonen und polstern sich die Schulterpartie, um sich dem männlichen Erscheinungsbild anzugleichen. Soll heissen: Die Frauen entdecken die Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs für sich und setzen mit ihrer Emanzipationsbewegung bei den Männern damit ein ganz neues Schönheitsbewusstsein frei. Jetzt zählen nicht mehr nur deren Einkommen und Position. Die Frauen verdienen nun ihr eigenes Geld, und die Männer müssen sich mehr Mühe geben mit ihrer Schönheit, um bei den Frauen zu punkten. Und die erobern langsam die Führungsetagen in Wirtschaft und Politik.
Otto Penz ist Adjunct Associate Professor am Department of Sociology, University of Calgary, und Lehrbeauftragter für Soziologie an der Wirtschaftsuniversität Wien und der Universität Wien. Er forscht seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Schönheit. In seinem ersten Buch «Metamorphosen der Schönheit» untersucht er die gesellschaftlichen Prozesse, die vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart zu unterschiedlichen Vorstellungen von schönen Körpern geführt haben. In seinem neuen Buch: «Schönheit als Praxis» thematisiert er das tägliche Bemühen um das eigene Aussehen und verknüpft es mit der Frage der sozialen Macht.
Männer müssen aufholen Immer mehr Menschen legen Hand an ihre Schönheit, sie arbeiten täglich daran, möglichst perfekt auszusehen. Die Schönheitsindustrie etabliert sich bereits in den 1960er Jahren und wächst parallel zum Jugendwahn. «Das Schönheitsbestreben dehnt sich langsam auf alles aus, was am Körper möglich ist», so Penz. Grosse Wachstumsraten zeigten sich vor allem im Bereich der Männerkosmetik. Die Veränderung der Geschlechterrollen hatte ein neues Schönheitsdenken und -handeln zur Folge, das sich bis heute stets gesteigert hat.
Otto Penz: «Schönheit als Praxis. Über klassen- und geschlechterspezifische Körperlichkeit.» Campus Verlag, 2010, 205 Seiten
«Dass es den Menschen so wichtig ist, schön sein zu müssen, ist einerseits auf den Druck der Schönheitsindustrie und der Werbung zurückzuführen», sagt Penz. Andererseits spielten auch die visuellen Medien, insbesondere das Fernsehen, eine wichtige Rolle im Diskurs der Schönheit. «Es ist fast unmöglich, sich der Ausbreitung von Schönheitsidealen und den allgegenwärtigen Schönheitsvorbildern zu entziehen.» Was den Wunsch zur Folge habe, etwas an
Otto Penz: «Metamorphosen der Schönheit. Zur Kulturgeschichte moderner Körperlichkeit.» Verlag Turia + Kant, 2001, 254 Seiten (derzeit vergriffen)
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CULTURE CLUB
LaChapelle
Orgien von Farben und Fleisch «Ich habe keine Lust mehr, meine Bilder zu erklären. Es ist genug, ich habe das lange und oft gemacht.» LaChapelle findet, wenn er mehr über ein Bild sagen muss, als das Bild selbst erzählt, ist es Zeit, einen Zyklus zu beenden.
«Ich bin wie eine gute Hure und konzentriere mich auf dieses eine Ding, das ich an meinem Klienten mag» LaChapelle
Kanye West, «Protest»
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W
von Lone Halvorsen, Bilder: Taschen Verlag
oran erkennt man einen guten Fotografen? An einem eigenen Stil und einem unverwechselbaren Look, den man sofort erkennt? Nach diesen Kriterien ist LaChapelle zweifelsohne ein sehr guter Fotograf. Und nicht ohne Grund ist er einer der bekanntesten Fotografen unserer Zeit, denn die Bigotterie einer rauschhaften Popkultur der Jahrtausendwende wird man noch in hundert Jahren ablesen können. Morbide Schönheit trifft auf puren Voyeurismus. Vom ersten Bild an war LaChapelle ein fotografischer Extremist. Aber nicht einer, der alle Regler nur auf laut und grell stellt, sondern einer, der laut und grell und zugleich so durchdacht komponiert, dass seine Bilder immer einen mal ironischen, mal kritischen Subtext haben.
Von Connecticut nach New York Dass er Künstler werden wollte, wusste LaChapelle von Anfang an, und seine künstlerische Ader wurde durch seine Mutter geweckt. «Die ist selbst eine Künstlerseele, sie hatte bloss nie
Paris Hilton, «Hi Bitch, Bye Bitch»
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die Gelegenheit, ihr Talent zu verwirklichen», sagt LaChapelle über seine Mutter Helga, die aus Litauen stammt. «Die hat immer künstlerische Dinge getan, und sei es nur, dass sie zu Weihnachten Rentierspuren durch das ganze Haus gelegt hat.» Durch sie kam er zur Fotografie. «Wir sind oft an Wochenenden in bessere Wohngegenden gefahren, in denen wir es uns nicht leisten konnten zu wohnen. Meine Mutter putzte mich dann heraus und fotografierte uns vor einem Auto oder einem Haus. Und dann grinsten wir, als lebten wir wirklich da.»
grelle Bildsprache ist Popkultur in Reinform. Nährte sich aus ihr und nährte sie. Pop- und Hollywoodstars der ersten Garde erlagen LaChapelles verführerischer, übernatürlicher Ästhetik. So wunderbar hübsch anzuschauen, rückte er sie in abgründiges Licht. Persiflierte sie, unterminierte ihren Glanz. «Wichtig ist mir, dass ich meine Kunden nie verletze oder blossstelle. In dem Moment, in dem ich abdrücke, liebe ich sie. Meine Kamera ist keine Waffe», äussert er sich dazu. «Make them look pretty», hat Andy Warhol immer gesagt. Die Stars, die sich irgendwie auf der Seite des Besonderen wähnen und grosse Posen schätzen – Michael Jackson, Naomi Campell, Tom Jones, Madonna, Mariah Carey und David Beckham liessen ihn selbst zum Star aufsteigen. Und als die Welt Pamela Anderson eigentlich nicht mehr sehen wollte, erfand LaChapelle sie fotografisch neu. Als die Sängerin Courtney Love ganz unten war und nur noch als Drogenwrack gehandelt wurde, erschuf LaChapelle auch sie in seinem Lieblingsfoto «La Pietà» neu.
Nach einer Kindheit, in der er als Einzelgänger, sensibel und schwul von den Mitschülern gehänselt wurde, entschloss er sich für den Wegzug aus Connecticut und zog nach New York. Im legendären Club Studio 54 lernte er eines Tages Andy Warhol kennen. Er riet LaChapelle, als der noch die Tische abwischte, lieber Model als Fotograf zu werden. Aber wenn er unbedingt darauf bestehe, dann solle er dafür sorgen, dass seine Bilder wenigstens gut aussähen. Diesen Rat hat LaChapelle bis heute befolgt.
Heute sieht LaChapelle die Zukunft seiner Bilder eher in Galerien. Und von Popstars als Models wolle er auch mehr Abstand halten. «Ich bin der Mode- und Star-Fotografie entwachsen – schon allein deshalb, weil man mich dort nicht machen lässt, was ich will. Also muss ich mir andere Inhalte und Orte dafür suchen, und die einzigen Orte sind für mich heute Galerien und Museen. Ich will nicht mehr mit Popstars arbeiten, die mich mit ihren Ideen foltern. Also: Scheiss auf sie! Auf Wiedersehen! Interessiert mich nicht mehr.» Manche Kritiker werfen LaChapelle vor, er kritisiere, was
Popkultur in Reinform Fotografierte LaChapelle am Anfang zumeist nur in SchwarzWeiss, begann er in den Neunziger Jahren seine Bildsprache radikal umzukehren. Er fotografierte nicht mehr, er schuf Bildwelten surrealen Ausmasses. Amanda LePore, eine Transsexuelle, wurde seine Muse. Mit grellen und bunten Farben zeigte er Menschen wie Objekte in einem fremden Weltbild. Seine scharfgezeichnete,
Björk, «Visible Virtues»
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ihn gross gemacht hat, ein gesellschaftliches Phänomen, dessen Teil er ist und aktiv selbst mitgestaltet. Stimmt! Nur vorhalten kann man ihm dies kaum. Schliesslich ist genau das der Kern seines Schaffens.
Aktfotografie Als Aktfotografie bezeichnet man ein fotografisches Genre der künstlerischen Fotografie, dessen Thema die Darstellung des nackten oder teilweise nackten menschlichen Körpers ist. Die Bestimmung des ästhetischen Wertes einer Aktfotografie und die Abgrenzung der Aktfotografie von der erotischen Fotografie sind intersubjektiv nur schwer zu leisten, darüber hinaus gibt es zahlreiche Überschneidungen mit der Pornografie; Aktfotografie und erotische Fotografie stehen immer im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit, Ästhetik, Kitsch, Provokation und dem Verstoss gegen «die guten Sitten» oder die Sexualmoral.
Klar, das ist alles Pornografie! David LaChapelle ist im Laufe der Jahre müde geworden, die immer gleichen Fragen zu beantworten. Als eine Journalistin ihn fragte, ob das, was er mache, Pornografie sei, antwortet er «Klar, das ist alles Pornografie.» Befragt nach dem Recht des Künstlers, in seinem politischen Urteil danebenzuliegen, wenn es denn der Kunst dient, verteidigt sich LaChapelle vehement. Er fragt zurück: «Können Sie sicher sein, wenn Sie heute neben einem Präsidenten fotografiert werden, dass er sich in zehn Jahren nicht als Massenmörder entpuppt?» Kleine Unterschiede gibt es für David LaChapelle selbst in der Postmoderne noch, doch er ist es leid, sich immer für den eigenen Marktwert entschuldigen zu müssen. Er sagt, er ist müde, und wenn er irgendwann etwas Neues machen wird, dann wird es nichts mehr mit Popkultur zu tun haben. Bereuen tut er allerdings nichts, was er gemacht hat «Nicht ein einziges Foto, selbst wenn mir heute manche nicht mehr gefallen, sind sie doch jedes für sich Zeugnisse meines Blickes auf die Welt zum Zeitpunkt ihres Entstehens. Persönlich gäbe es ein paar Dinge zu bereuen; ich war nicht immer ganz nett zu Menschen. Aber ganz ehrlich: Im Vergleich zu manchen Stars bin ich wirklich harmlos.»
Ob es sich bei einem Bild um Kunst oder Kitsch handelt, liegt immer im Auge des Betrachters. Im Gegensatz zur Pornografie verfolgt die Aktfotografie nicht das Ziel, den Betrachter zu erregen. Das schliesst natürlich nicht aus, dass sie dennoch in dieser Absicht konsumiert wird.
Angelina Jolie, «Lusty Spring»
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Lieber teurer
Der Status, die Arbeit und das Geld Manchmal empfiehlt es sich, einen Klassiker zu lesen, um die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen besser verstehen zu können. Im Juli 1857 war die Geburtsstunde von Thorstein Veblen in Cato, Wisconsin/USA. Er entwickelte sich zu einem der einflussreichsten Soziologen Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in den USA. Seine «Theorie der feinen Leute» schrieb Wissenschaftsgeschichte. Und auch heute kann uns sein Standartwerk weiterbringen.
W von Georg Lutz
arum soll dieser Soziologe und Ökonom des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts aus der historischen Mottenkiste geholt werden? Beginnen wir mit der einfachen akademischen Antwort. Der nach ihm benannte Veblen-Effekt stürzte ganze Generationen von Ökonomen in Schwierigkeiten. Sie waren und sind auf den Grenznutzen bei der Analyse von ökonomischen Tätigkeiten fixiert. Veblen machte seine Kollegen darauf aufmerksam, dass es Waren gibt, die nicht gekauft werden, obwohl sie teuer, sondern nur weil sie teuer sind. Das stellt auch heute noch die Lehrmeinung auf den Kopf.
nur ein Beispiel. Sie profitieren von seinen Erkenntnissen über die Bedeutung der Luxusproduktion in der kapitalistischen Gesellschaft. Die Überzeugungskraft von Veblen gründet nicht auf trockener Theorie oder Statistiken und Zahlen, sondern überzeugt durch anschauliche Argumentationsfiguren und praktische Beispiele.
Das Korsett und die Reputation Da es sich hier nicht um einen Beitrag für ein Wissenschaftsmagazin handelt, springen wir doch mitten in ein Beispiel des neunzehnten Jahrhunderts – das Damenkorsett. Das Korsett sollte den schon damals zwanghaften Schönheitsvorschriften bei jeder einzelnen Frau Geltung verschaffen. Der Reiz, der hier erzeugt wird, hat aber einen Preis: Er wird durch eine Selbstverstümmelung ausgelöst. Wer ein Korsett richtig trägt, kommt öfters in Atemnot. Was heute die Magermodels, das Botox-
Als er seine «The Theorie of the Leisure Class» 1899 veröffentlichte, öffnete er auch vielen europäischen Wissenschaftlern die Augen. Die deutschen Soziologen Werner Sombart und Max Weber sind
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Aufspritzen oder die dritte Brustvergrösserung ist, war damals die Wespentaille. Veblen argumentiert nun aber nicht moralisch, es geht ihm auch nicht um Schönheitsideale. Er seziert mit dem Messer der Gesellschaftskritik. Es geht um Botschaften. Wer sich so lange und ausdauernd mit solchen einschränkenden Dingen wie mit einem Korsett beschäftigt, muss nicht arbeiten. «Von der ökonomischen Theorie her betrachtet, kommt das Korsett einem Instrument der Verstümmelung gleich, das dazu dient, die Vitalität der Trägerin zu vermindern und sie dauernd und sichtbar arbeitsunfähig zu machen. Nun trifft es zwar zu, dass das Korsett die persönliche Anziehungskraft beeinträchtigt, doch wird dieser Nachteil durch einen Prestigegewinn ausgeglichen, der aus der grösseren Kostspieligkeit und der sichtbar erhöhten Gebrechlichkeit stammt (168).» Die edlen Damen mit den grossen Hüten, den langen unpraktischen Röcken und dem einschnürenden Korsett waren die wandelnden Botschafterinnen der «feinen Leute». Und wer waren die Ehemänner? Veblen publizierte seine Studie im Zeichen eines ökonomischen Aufschwungs in den USA. Nach der Gründerkrise der Siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts in den USA etablierten sich Finanz- und Wirtschaftsmagnaten, deren Namen, wie zum Beispiel Rockefeller, noch heute nachklingen. Sie nutzten neue Transportmittel wie die Eisenbahn, neue Technologien bei der Ölförderung und erste Fliessbänder, wie in den Schlachthöfen von Chicago, um die Produktivität und damit ihre Gewinne gewaltig zu steigern. In diesem Zeitraum entstanden auch anspruchsvolle Edelmagazine wie «Vogue» oder «Vanity Fair». Der Begriff Prestige begann gesellschaftliche Gestalt anzunehmen, und Veblen gab ihm seine wissenschaftliche Grundlage. Gleichzeitig war aber der typische amerikanische Traum, vom Tellerwäscher zum Millionär, für viele nicht erreichbar. Die Schere der Einkommensentwicklung blieb einige Jahrzehnte in das zwanzigste Jahrhundert hinein weit geöffnet. Mit einem Korsett sich verstümmeln, um dann mehr Reputation zu empfangen.
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Zeitsprung in den Kontrast der Mittelstandsgesellschaft Das änderte sich erst mit dem New Deal in den USA der Dreissiger Jahre und dem Wirtschaftswunder im Europa der Fünfziger und Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts. In den USA und Westeuropa arbeitete keiner mehr nur, um überleben zu können. Jeder Facharbeiter hatte Gebrauchsgegenstände und auch Statussymbole, die er noch ein paar Jahre zuvor als Luxus der Reichen gekennzeichnet hatte: Kühlschrank, ein erstes Auto, Fernseher, Reisen und vielleicht sogar ein kleines Eigenheim. Die Schere der Einkommensentwicklung schloss sich. Die Gesellschaft glich einer Zwiebel. Es gab wenige Arme und wenige ganz Reiche und dazwischen der dicke Bauch des sogenannten Mittelstands. Einige konservative Soziologen wie Helmut Schelsky kritisierten diese Entwicklungen als «Nivellierte Mittelstandsgesellschaft». Die Jugendbewegung von 1968 kritisierte das Wirtschaftswunder der Fünfziger und Sechziger Jahre von der anderen politischen Seite als «Konsumterror» und berief sich auf theoretische Werke der Frankfurter Schule wie Herbert Marcuse («Der eindimensionale Mensch»). Veblens Theorie der feinen Leute schien völlig überholt. Die flanierenden Damen mit Korsett und grossen Hüten und die Herren in Frack, Zylinder und dicker Zigarre waren von den Strassen verschwunden. Man sah sie nur noch in einigen Randbezirken des europäischen Hochadels.
Die Wiederkehr der alten Situation Heute gibt es wieder eine «Leisure Class», eine Klasse «feiner Leute», die nicht darauf angewiesen sind zu arbeiten. Die Thesen von Veblen sind wieder aktuell. Die Gesellschaft gleicht nicht mehr einer Zwiebel, sondern nähert sich dem Bild einer Sanduhr. Oben sind die Geldvermögensbesitzer, die in den letzten Jahrzehnten trotz einiger Börsencrashs viel Geld in der globalen Weltwirtschaft verdienen konnten. Dagegen musste die Mitte bluten. In den USA hat eine Durchschnittsfamilie seit dreissig Jahren nicht mehr im Geldbeutel. Die Häuser konnten nur auf Pump gekauft und gehalten werden. Und jetzt muss sie eine Wirtschaftskrise verarbeiten. Im gleichen Zeitraum erleben wir eine Zunahme von Jachten und Villen, bei denen Rockefeller vor Neid erblassen würde. Der Wettbewerb um Pracht, Prunk und Glanz, wie ihn Veblen beschrieben hat, erlebt immer wieder neue Höhepunkte. Dagegen muss die Mittelschicht auch in Europa die Steuerlast der Bankencrashs und anderer finanzieller Belastungen tragen. Der Bauch der Zwiebel ist ganz dünn geworden. Im unteren Bauch befinden sich die abgehängten Zeitgenossen. Für sie interessieren sich nur Sozialpolitiker. Man braucht
Wer viel Zeit für Schönheit und Wellness hat, braucht weniger zu arbeiten.
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sie nicht mehr im ersten Arbeitsmarkt, und einen zweiten Arbeitsmarkt zu organisieren, leisten sich nur noch wenige Staaten in Europa. Wir sind wieder in der «Normalität» des neunzehnten Jahrhunderts angekommen.
len Dorf, gibt es auch hier wieder die Botschaft: Leute, ich habe es nicht nötig, ich nehme mir sogar die Freiheit, meinen Körper zu straffen, man kann nach dem vierten Gesichtslifting auch sagen zu verstümmeln. Und da sind wir wieder beim Korsett.
Das ist keine moralische Anklage, sondern mit Theoretikern wie Veblen eine sachliche Feststellung, die man im Alltag und auch mit Statistiken belegen kann.
Schillernde Pracht und Machtentfaltung Was verdeutlicht uns Veblen? Die Vorstellungswelt, Wirtschaft und Gesellschaft würden rein rational und logisch funktionieren, gehört in das theoretische Lehrbuch von Betriebswirtschaftlern. Diese suggerieren uns, die Welt würde vom reinen Nutzwert und individuellem Gewinnstreben regiert. Da gehen sie aber einem rationalen Mythos auf den Leim. Sie haben weder die letzten ökonomischen Krisenzyklen vorausgesehen, noch neue Schlussfolgerungen gezogen. Es geht nicht nur an der Wall Street in erster Linie um schillernde Pracht und Machtentfaltung, man kann auch schnöde von archaischer und männlicher Angeberei sprechen. Wer nur auf oberflächliche Statistiken schaut, wird die Welt nicht zu fassen bekommen – das erkannte Veblen. Vieles, was edel, kostbar und begehrenswert ist, ist auf den ersten Blick schlicht überflüssig. Auf den zweiten Blick sieht das ganz anders aus. Es gibt historische Situationen, bei denen man sehr viel Geld für Überflüssiges ausgeben kann, um damit noch mehr Reputation, Status und Macht zu bekommen. In solchen Zeiten leben wir. Alle Zitate stammen aus der deutschsprachigen Ausgabe im Fischer Verlag (Wissenschaft).
Die fehlende gesellschaftliche Verantwortung Das Problem dabei sind nicht teure Jachten oder prächtige Villen. Die «Leisure Class» kann ihr Geld betriebswirtschaftlich nutzen oder auch nicht nutzen. Sie hat aber gesellschaftliche Macht, dabei denkt sie aber nur in Kategorien des Shareholder Value und vergisst die Stakeholder, sprich ihre gesellschaftliche Verantwortung. Auch diesen kritischen Punkt hat Veblen gut zusammengefasst.
«Diese Klasse hat bestenfalls ein finanzielles oder geschäftliches Interesse an ökonomischen Fragen, doch gleichzeitig liegt die Regelung gesellschaftlicher Angelegenheiten in ihren Händen.» (202). Status gewinnt
Thorstein Bunde Veblen
Es gibt auch heute Unternehmen, die sich mit vielem ökonomisch sinnlosem Beiwerk schmücken und eher in die Kategorie des Frühstückdirektors fallen. Dieser Chef beeindruckt vormittags durch einige Vorzimmerdamen und nachmittags mit dem ruhigen Spiel auf dem Golfplatz. Er hat es eigentlich nicht nötig zu arbeiten. Offiziell wird er das heute nie zugeben, aber die Botschaften sind deutlich. Auch die vielen Beratungsunternehmen und Consultants wie McKinsey oder Roland Berger haben daran wenig geändert. Und das bestätigt die These von Veblen. Es gibt schon sehr lange die Auseinandersetzung zwischen Nutzen und Prestigeüberlegungen. Das überdauert auch unterschiedliche gesellschaftliche Modelle, ja ist fast eine anthropologische Konstante.
© www.wikipedia.org
wird am 30. Juli 1857 in Cato, Wisconsin, als sechstes von zwölf Kindern geboren. Seine Eltern kamen aus Norwegen. Von 1874 bis 1880 besucht er das evangelische Carlton College. Veblen wuchs in einer abgeschotteten puristischen Parallelgesellschaft auf. Aber genau diese Kontrastsituation schärfte seinen gesellschaftlichen Blick. Trotz hervorragender Zeugnisse und Empfehlungen von verschiedenen Universitäten kommt er mit dem Mainstream der akademischen Welten nicht klar und bleibt dort Aussenseiter. Von 1895 bis 1905 ist er geschäftsführender Herausgeber des neu gegründeten «Journal of Political Economy». 1898 erscheint sein programmatischer Artikel «Why Is Economics Not An Evolutionary Science?» und 1899 sein bekanntestes Werk «The Theory of the Leisure Class» (Die Theorie der feinen Leute). Zwischen 1918 und 1926 unterrichtet er als einer der Gründerväter an der New School for Social Research (New York). Zwischen 1918 und 1919 fällt die Periode seiner grössten öffentlichen Wirksamkeit als Herausgeber des New Yorker radikalen Literaturmagazins «The Dial».
Vom Korsett zum Lifting Kommen wir nochmals zur Kombination von Schönheitsideal und Arbeitsverständnis. Auf den ersten Blick haben die lästigen Korsetts mit den Fit-for-Fun-Idealen heutiger Generationen wenig zu tun. Sollen wir durch Fitness nicht wieder beweglicher und damit auch arbeitsfähiger werden? Das trifft vielleicht auf Normalsterbliche zu, die nach dem Ideal der protestantischen Zwängler, in der Schweiz spricht man dann gerne von der Ideologie des Calvinismus, funktionieren müssen und wollen. Für die heutige «Leisure Class» ist Fitness nur ein Baustein ihres Lebensentwurfs. In Kombination von regelmässigen Schönheitsoperationen, Botox-Kuren, Wellnesswochenenden in Fünf-SterneHotels, dem Leben auf edelsten Kreuzfahrtschiffen und im globa-
Am 3. August 1929 stirbt Veblen in Menlo Park, Kalifornien, einsam in einer Holzhütte, in der er seit 1927 lebte.
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Richtig essen macht
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Eines vorweg: Nein, Schönheit kann man nicht essen. Doch unsere Lebensmittel sind reich an wertvollen Inhaltsstoffen, die unsere Haut auf natürliche Weise erstrahlen lassen.
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von Sabine Schritt
ralle, rosige und strahlende Haut ist ein wichtiges Schönheitsmerkmal. Unser empfindlichstes Organ reagiert auf Ernährungssünden sofort, wird schrumpelig, rau und mit der Zeit faltig. Mit dem richtigen Speiseplan können wir unser Aussehen entscheidend verbessern. Vitamine A, C, E, Biotin, das Provitamin Beta-Carotin und die Mineralstoffe Selen und Eisen, Zink, Magnesium sowie Omega-3-Fettsäuren sind die wichtigsten Bausteine für eine Schönheit, die von innen kommt. Doch das erste Gebot ist: trinken, trinken und nochmals trinken. Unsere Hautzellen sind durstig, und nur wenn sie stets ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt werden, kann unsere Haut glatt und prall aussehen. Neben Feuchtigkeitscremes von aussen braucht die Haut vor allem Feuchtigkeit von innen. Anderthalb bis zwei Liter natriumarmes, aber magnesiumreiches Mineralwasser, natürliches Wasser, Tee oder Saftschorle sollten wir pro Tag trinken, sonst wird unsere Haut schlaff und schuppig.
«Ein Apfel am Tag und der Arzt bleibt, wo er mag.» englisches Sprichwort
Vitamin E ist ebenfalls ein Radikalfänger, aber auch ein echter Jungbrunnen für die Haut. Es spendet Feuchtigkeit, stärkt das Bindegewebe und beugt den gefürchteten Altersflecken vor. Das fettlösliche Vitamin E versteckt sich in Körnern und Nüssen, daher sind Vollkornprodukte und kaltgepresste Öle reich an Vitamin E. Gute Vitamin-E-Lieferanten sind auch Milch- und Milchprodukte. Vitamin E braucht Vitamin C, um seine Wirkung voll zu entfalten. Das Antioxidans Selen schützt die Haut vor Entzündungen und ist vor allem in Paranüssen, Fleisch und Fisch, aber auch in Vollkornprodukten enthalten.
Die Radikalfänger Ein aufgeschnittener Apfel wird, wenn er mit Sauerstoff in Berührung kommt, schnell braun. Ein paar Spritzer Zitronensaft, der reich an Vitamin C ist, verhindern diese Reaktion. So wie der aufgeschnittene Apfel ist unser Organismus täglich freien Radikalen ausgesetzt, die uns ganz schön alt aussehen lassen können. Vor allem durch UV-Strahlung entstehen die aggressiven Sauerstoffmoleküle, welche die Zellstruktur angreifen. Mit Nahrungsmitteln, die viel Antioxidantien enthalten, können wir unsere Zellen, insbesondere jene unserer Haut, vor Zerstörung schützen. Vitamin C ist das stärkste Antioxidans, es regt zudem die Kollagenbildung in der Haut an und hält sie elastisch. Viel Vitamin C steckt in Obst und Gemüse wie Orangen, Blaubeeren Ananas, Bananen, Zitronen, Paprika, Brokkoli oder Blumenkohl. Wahre Vitamin-CBomben sind Erdbeeren. Schon eine Handvoll pro Tag deckt den Tagesbedarf eines Erwachsenen.
Schönheitsgeheimnis Tomate Die Tomate ist eine wahre Wundertüte in Sachen Schönheit. Sie enthält Vitamin C, E und Beta-Carotin in hohen Mengen. Ihr Pflanzenfarbstoff Lycopin ist die schärfste Waffe im Kampf gegen schädliche Substanzen wie Nikotin, Umweltgifte und UV-Strahlung. Er kurbelt den körpereigenen Lichtschutz an und wirkt auf Dauer wie ein kleiner Sonnenschutz von innen.
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«Manche Leute glauben, sie essen gesund, weil sie am Drive-In-Schalter den Motor abstellen.» Mike Krüger, Komiker
Eine wichtige Rolle bei den Antioxidantien spielen auch die sekundären Pflanzenstoffe. Je kräftiger und dunkler die Farbe, desto mehr wertvolle Schönmacher sind in Obst und Gemüse enthalten. Zu den Spitzenreitern gehören Pflaumen, Himbeeren, rote Weintrauben, Erdbeeren, rote Beete und Spinat. Karotten enthalten sehr viel Beta-Carotin, welches mit Hilfe von Öl in Vitamin A umgewandelt wird. Es regt die Teilung der Zellen an und repariert die Haut, wenn sie mal zu viel Sonne abbekommen hat. Paprika und Brokkoli enthalten ebenfalls viel Beta-Carotin. Vitamin A ist das Schönheitsvitamin schlechthin, es hält die Haut glatt und geschmeidig und wirkt schon fast wie ein Mini-Lifting. Auch kann es kleinen Fältchen vorbeugen. Vitamin A ist vor allem in Eigelb und Fisch enthalten. B-Vitamine sorgen für schöne Haut und Haare und kurbeln die Fettverbrennung der Körperzellen an. Dunkle und rote Obstsorten bringen eine Extraportion B6. Vitamin B6 ist an der Blutbildung beteiligt. Reis entschlackt, denn er enthält kein Fett, dafür aber jede Menge Vitamine und Mineralstoffe. In dem weissen Korn stecken vor allem B-Vitamine wie B1 und B6. Vitamin B1 stärkt die Nerven und ist wichtig für einen gesunden Stoffwechsel. Zudem punktet Reis mit Biotin für gesunde Haare und Nägel. Biotin stärkt Haut, Haare und Nägel und findet sich unter anderem in Mandeln oder Mandelöl. Mineralstoffe und Spurenelemente sorgen für einen funktionierenden Stoffwechsel und begünstigen das Ausscheiden von Schlacken und Giftstoffen. Der Mineralstoff Zink in Fleisch, Getreide, Nüssen und Milch unterstützt Heilungsprozesse der Haut. Eisen transportiert den Sauerstoff in die Zellen. Eisenhaltig sind Tomaten, Erbsen und rote Beete. Vitamin C fördert die Aufnahme von Eisen im Körper. Magnesium entspannt die Muskeln und ist an der Energieversorgung beteiligt. Es steckt in Kopfsalat, Bananen, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten.
Wertvolle Fette Gegen trockene und raue Haut wirken die wertvollen Fette von Fischen wie eine Ölkur von innen. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren Omega 3 werden im Stoffwechsel in wichtige Reglerstoffe umgebaut und können unter anderem Entzündungsvorgänge im Körper stoppen. Zudem sorgen diese Fettsäuren für einen stabilen Feuchtigkeitshaushalt der Haut und lassen sie jung und frisch aussehen. Fette Meeresfische wie Makrele, Lachs, Hering und Thunfisch liefern die wertvollen Fettsäuren. Auch Pflanzenöle enthalten Omega 3, vor allem Weizenkeim-, Maiskeim-, Sonnenblumen- oder Sojaöl.
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Wunderfrüchtchen Avocado Avocados haben einen Fettgehalt von etwa 30 Prozent, es handelt sich jedoch vorwiegend um die wertvollen ungesättigten Fettsäuren. Daneben ist die Avocado nicht nur reich an Vitaminen der B-Gruppe, sondern auch an Folsäure, Kalium, Magnesium, Eisen und Kupfer und enthält viel Vitamin E.
Ein Glas Gras? Weizengrassaft enthält eine Fülle an Vitaminen, ebenso Beta-Carotin und zahlreiche stoffwechselfördernde Enzyme. Zu 70 Prozent besteht Weizengrassaft aus dem Pflanzenfarbstoff Chlorophyll. Das natürliche Blattgrün verbessert den Sauerstoffgehalt im Gewebe und im Blut und wirkt reinigend und wundheilend.
Vegetarier haben weniger Falten Wer seine Speisen mit Petersilie, Basilikum, Salbei, Oregano oder Thymian würzt, tut seiner Haut Gutes. Denn die ätherischen Öle frischer Kräuter wirken entzündungshemmend und klärend. Kaum Fett und Kohlenhydrate, dafür eine Fülle von Vitalstoffen: Salat sorgt für reine Haut und ist auch noch gut für die Figur. Die Ananas enthält Enzymen, die einen positiven Effekt auf die Verdauung von Eiweiss und Fett haben. Das Enzym Bromelain stärkt das Bindegewebe und soll Cellulite mindern. Ausserdem ist die exotische Frucht reich an Vitamin C und E und enthält neben Biotin auch B-Vitamine sowie zahlreiche Mineralstoffe.
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Wer regelmässig Obst und Gemüse isst, bekommt weniger Falten und sieht jünger aus. Das hat eine Untersuchungsreihe mit 450 Teilnehmern an der Berliner Charité im Jahr 2006 ergeben. Menschen, die viel Gemüse essen, haben mehr Antioxidantien im Organismus, die schädliche Sauerstoffmoleküle auffangen, als jene die wenig Obst und Gemüse essen.
FACE TO FACE
Xenia
Ganz schรถn schlau Tchoumitcheva 72
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Bei der Miss Schweiz Wahl 2006 wurde sie zwar nur Zweite. Doch dank Köpfchen und Business-Knowhow ist Xenia Tchoumitcheva heute viel mehr als ein Model. Die Tessinerin hat ihr Wirtschaftsstudium abgeschlossen und vermarktet sich höchst erfolgreich selber – als Model, Schauspielerin, Moderatorin und neuerdings auch als DJane.
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Text und Fotos: Dominique Zahnd, London
illerkörper, sündiger Schmollmund, Bambiblick: Xenia Tchoumitcheva ist ein fleischgewordener Männertraum. Titel sammelt sie wie andere Bonuspunkte im Supermarkt: So wurde sie schon zur «erotischsten Miss», der «begehrtesten Singlefrau» oder dem «besten Bikinibody der Schweiz» gewählt. Ihr ansprechendes Äusseres brachte ihr auch etliche Werbekampagnen ein. Audi? Burger King? Visilab? Die Tessinerin liess sich ihr Lächeln schon von so manchem Grossunternehmen vergolden.
Auf derselben Schule wie Al Pacino Xenias Karriere läuft auf Hochtouren. Kein Wunder, ist man auch im Ausland auf sie aufmerksam geworden. Amerikas renommierteste Modelagentur Elite klopfte bei der hübschen Schweizerin an und nahm sie auch gleich unter Vertrag. Damit tritt Xenia Tchoumitcheva in die Fussstapfen von Topmodels wie Naomi Campbell, Gisele Bündchen und Cindy Crawford. Doch dem nicht genug: Nachdem die schöne Blondine bereits Schauspielerfahrung in diversen Musikvideos gesammelt hatte, schrieb sie sich auch gleich für einen Intensivkurs an der ehrwürdigen New York Film Academy ein. «Dort wird man nur dank guter Referenzen aufgenommen», sagt die Tessinerin. Hollywood-Superstars wie Al Pacino, Leonardo DiCaprio oder Jodie Foster haben an der New York Film Academy auch schon die Schulbank gedrückt. Bis zu zwölf Stunden Unterricht am Tag sind hier keine Seltenheit. Doch Gastlehrer wie Glenn Close oder Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman machen einen Besuch an der Elite-Schule unbezahlbar. «Ich habe dabei viel über mich gelernt. Der Unterricht fühlte sich ein bisschen wie eine Psychotherapie an», sagt Xenia beim exklusiven Fotoshooting mit dem «Prestige»-Magazin und lacht.
«Ich bin ein geborener Leader, neue Sachen anzupacken ist meine Droge»
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FACE TO FACE
Kinofilm mit Eva Longoria gedreht
«Der Schauspielunterricht fühlte sich wie eine Psychotherapie an»
Und siehe da: Die junge Schweizerin hat bereits mit den Hollywoodstars Eva Longoria («Desperate Housewives») und Christian Slater («Robin Hood») gedreht. In der mit fünf Millionen budgetierten Latinokomödie «Without Men» geht es um eine Gruppe von Frauen, die plötzlich alleine dastehen, nachdem ihre Männer in den Krieg gezogen sind. Der Streifen basiert auf einem Bestseller von James Canon, Regisseurin ist die gebürtige Argentinierin Gabriela Tagliavini («Hannah Montana», «Desperate Housewives»). «Ich spiele eine der frustrierten, zurückgelassenen Frauen. Die Rolle ist zwar nur klein, aber das Ganze hat riesig viel Spass gemacht», schwärmt Xenia Tchoumitcheva. Dieses Jahr soll der Film in den US-Kinos anlaufen. Natürlich war Xenia in den USA auch auf vielen Parties. Und hat dabei den ganzen Hollywood-Adel persönlich kennen gelernt – darunter Stars wie Justin Timberlake, Cameron Diaz, Fergie, Woody Allen oder Leonardo DiCaprio. Der «Titanic»-Star spendierte ihr
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sogar einen Drink und gab ihr ein paar Schauspieltipps. «In dieser Welt kennt jeder jeden. Aber ganz ehrlich: Viel Geld und Ruhm machen noch keinen guten Menschen aus. Mir persönlich ist diese Scheinwelt ein bisschen zu oberflächlich», gibt sie zu.
Xenia – der Brand – braucht längst keine Werbung mehr. Sie ist als Marke zum Selbstläufer geworden und managt sich mittlerweile im Alleingang. «Meinen Manager habe ich gefeuert, jetzt läuft es viel besser», sagt sie. Täglich kommen neue Aufträge rein – für Fotoshootings, Moderationen oder Jobs hinter dem Plattenteller. «Ich habe mir zeigen lassen, wie man richtig mit Vinylplatten auflegt. Jetzt habe ich es im Griff und werde bereits jedes Wochenende als DJ gebucht», freut sie sich.
Wirtschaftspraktikum bei Londoner Firmen Nur schön zu sein, hat ihr noch nie gereicht. Sie will eben auch intellektuell gefordert werden. Darum hat Xenia erfolgreich ihren Bachelor-Abschluss in Ökonomie gemacht (inklusive Dissertation über BPs Ölkatastrophe) und in London in Finanzanalysen und Hedge-Funds reingeschnuppert. Erst absolvierte die Tessinerin ein Wirtschaftspraktikum bei Merrill Lynch, dann bei der AssetManagement-Firma Duet Group. Dort erstellte sie Analysen, die ihren Kollegen als Grundlage für deren Arbeit dienten. Xenias Boss bei der Duet Group schwärmt: «Ihr Einsatz, ihre Lernbereitschaft und rasche Auffassungsgabe überraschten mich. Auch ihr Ehrgeiz ist bewundernswert.»
Spricht man die Schöne mit dem Angelina-Jolie-Schmollmund auf ihre Zukunftspläne an, wird sie ernst. «Ich bin ein geborener Leader, neue Sachen anzupacken, ist meine Droge», sagt sie. «Was ich aber wirklich will, ist später mal selber ein Unternehmen leiten. Darum suche ich im Moment eine Firma, bei der ich mich von unten nach ganz oben arbeiten kann. Ich brauche diese Praxis.»
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FACE TO FACE
Sie hätte gerne eine Schulter zum Anlehnen Bei so vielen Engagements fragt man sich: Schläft die Tessinerin mit den russischen Wurzeln eigentlich nie? Denn zu den weiteren Jobs der Powerlady gehören unter anderem auch eine TV-Show (After5.tv), Moderationen für Fashion-TV, regelmässige Kolumnen für das US-Luxusmagazin «Haute Living» und das Magazin «Schweizer Monatshefte» sowie die Betreuung eines eigenen Blogs (queenxenia.blogspot.com).
«Ich suche eine Firma, bei der ich mich von unten nach ganz oben arbeiten kann»
Allüren? Hat die Frau von Welt trotzdem keine. Xenia Tchoumitcheva weiss einfach, was sie will. Und wie steht es mit Männern – was für einen will sie da? Die Schöne gesteht, schon lange Single zu sein. Einen Mann zu finden, sei schwierig. «Denn sind sie zu jung, dann sind sie meistens sehr eifersüchtig», sagt das Model und fügt hinzu: «Und sind die Männer älter, wollen sie mich gleich zur Mutter machen. Aber dafür bin ich noch zu jung.» Doch so eine Schulter zum Anlehnen hätte sie schon gerne. Unter einer Bedingung: Ihr Partner muss sie auch intellektuell stimulieren. Xenias Kulleraugen blitzen und sie sagt: «Er darf nicht dumm sein. Denn das sexuelle Verlangen geht irgendwann weg – und was bleibt dann?»
Making-of-Video
Offizielle Webseite von Xenia: www.xeniaonline.com
www.dominiquezahnd.com
Topmodel Xenia Tchoumitcheva ist eine der meist fotografierten Frauen der Schweiz. Doch bevor einem die schöne Tessinerin von einer Plakatwand oder dem Cover eines Magazins entgegen lächelt, muss sie erst mal ins Fotostudio. Wie dort mit einem Star gearbeitet wird, zeigt unser Blick hinter die Kulissen. Das exklusive Making-of-Video zum «Prestige»-Fotoshooting gibt’s auf
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ARCHITECTURE
Museumsbauten Hort der schönen Künste
«Sie erwarten von mir, dass ich Ihnen sage, dass ich Ihnen definiere: Was ist Kunst? Wenn ich es wüsste, würde ich es für mich behalten.» Pablo Picasso
Die Glaspyramiden des Louvre.
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ARCHITECTURE
Guggenheim Museum Bilbao.
A von Lone Halvorsen
ls im Jahre 1779 das Fridericianum in Kassel errichtet wurde, entstand weltweit der erste Museumsbau, der einzig und allein der Präsentation von Kunst- und Kulturschätzen diente. Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts hielt die moderne Architektur auch in die Museumswelt Einzug. Man könnte sogar behaupten, einige Museen ziehen nicht nur enthusiastische Besucher an, aufgrund der Schätze im Inneren, sondern auch wegen ihrer beeindruckenden Architektur.
Museum an sich, als auch die Kunst geniessen, die dort präsentiert wird. Ein Platz, an dem Menschen zusammenkommen – und es gibt keinen Widerspruch zwischen dem Zusammenkommen von Menschen und dem gemeinsamen Teilhaben und Miterleben von Kunst.» Als Basisattraktion fungieren sicherlich zunächst die Sammlungen und die Dauerausstellungen der Museen, darüber hinaus sorgt eine spektakuläre Architektur für ein breites öffentliches Interesse, welches in jeglicher Hinsicht einem Museum zugute kommen kann.
Die perfekte Hülle für Kunst
Guggenheim Museum Bilbao
Angesichts der vielen modernen Projekte ist fast ein ArchitekturStreit in Bezug auf das Verhältnis von Inhalt und Form entbrannt. Gewinnen die Zeugen der Vergangenheit an den Aufsehen erregenden Museumsbauten oder verschwindet die Bedeutung der ausgestellten Objekte?
Wie eine Naturgewalt wuchern die titanverkleideten Elemente, die an knospende Zweige und den Boden aufbrechende Wurzeln erinnern. Das Gebäude stellt eine grossformatige Skulptur dar, die organische, fliessende Formen mit kühlen Materialien wie TitanZink und Glas verbindet.
Heutzutage ist ein Museum ein Ort der sozialen Interaktionen, und auch berühmte Architekten wie Richard Meier berücksichtigen dies beim Bau wie beispielsweise vom MOCBA in Barcelona. «Ein Museum ist nicht nur ein kulturelles Center, sondern auch ein sozialer Treffpunkt. Die Menschen sollen sowohl das
Die kühle und ursprüngliche Glätte dieser Materialien wird jedoch durch Strukturen gebrochen und gekerbt, wodurch die Oberflächen der einzelnen Elemente an die feinen Fasern eines Blätterwerks erinnern. Das Guggenheim Museum in Bilbao ist ein besonders imposantes architektonisches Stück Kunst.
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ARCHITECTURE
Fondation Beyeler – ein Haus für die Kunst.
Die geniale Idee O. Gehrys, eine hoch entwickelte Simulationssoftware der französischen Luftfahrtgesellschaft zu benutzen, machte es möglich, die Utopie in die Realität zu überführen. Neben der atemberaubenden Aussenansicht gibt es im Inneren eine der umfangreichsten Sammlungen moderner Kunst des 20. Jahrhunderts. So gibt es weniger Malereien und Skulpturen, dafür aber Installationen oder Videokunst, wie zum Beispiel den mehrere Meter hohen Hund aus Blumen von Jeff Koons oder die Nebelinstallation von Fujiko Nakaya.
Lebens im Exil widerspiegeln. Die Hauptachse der «void», Schächte im Inneren, schlägt eine Schneise durch die verschiedenen Abteilungen; sie verdeutlichen die Leere, das nicht mehr Sichtbare der jüdischen Geschichte.
Die Glaspyramiden des Louvre Ein Gebäude, das ständig verändert und erweitert wurde – von Königresidenz bis zum verwahrlosten Bau. Etliche Baustile durchlebte der Louvre, darunter die Gotik, den Renaissancestil, das Barock und den Klassizismus. Napoleon I. und Napoleon III. veranlassten mehrere Bautätigkeiten, und erst 1793 wurde der Louvre in ein öffentliches Museum umgewandelt, welches zahllose Kunstschätze von Königen und Adligen übernahm.
Architektonisches Denkmal der jüdischen Geschichte Deutschlands Als Architektur-Highlight zählt auch das im September 2001 eröffnete Jüdische Museum Berlin von Daniel Libeskind – eines der bedeutendsten Beispiele zeitgenössischer Architektur in Berlin. Die einzigartige architektonische Gestaltung des Museums in der Lindenstrasse mit seinem schroffen, fast fensterlos wirkenden Äusseren in Form eines geborstenen Davidsterns wurde hochgelobt und ist einer der am meisten besuchten Anziehungspunkte Berlins. Die abschüssigen, schrägen Gänge, schwarzwandigen Hohlräume und unregelmässigen Fenster entwarf Libeskind, um den Besucher zu verwirren. Wohnorte bekannter Juden wurden zu einer Matrix verknüpft, welche die Struktur des Gebäudes bildet.
Jahrtausendealte Kunststücke aus der europäischen Geschichte sowie antike Sammlungen von den Griechen und Römern zählen zu den Kunstschätzen, und mit über 300.000 Exponaten gehört der Louvre zu einem der grossartigsten Kunstmuseen. Ein Gemälde sticht besonders hervor – die Mona Lisa. 1989 wurde die berühmte gläserne Pyramide als Eingang des grössten Museums der Welt eröffnet. Und der neue Louvre zählt zu den wenigen Beispielen, wo es einem Architekten der Moderne gelang, auf Augenhöhe mit einem Baudenkmal von Rang ein zeitgenössisches Element hinzuzufügen, das nicht nur als kurzfristige Sensation funktioniert. In ihrer zeitlosen Klassizität ist Peis Pyramide eine grossartige Symbiose mit dem ehemaligen Königsschloss eingegangen.
Im Inneren befindet sich neben den Ausstellungsräumen der fensterlose Holocaustturm. Draussen ist der Garten des Exils angelegt, in dem Pfeiler auf der abschüssigen Ebene errichtet sind, welche die Isolation und Orientierungslosigkeit des
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ARCHITECTURE
Architektonisches Denkmal der jüdischen Geschichte Deutschlands.
Fondation Beyeler – ein Haus für die Kunst «Ein Museumsbau sollte die Qualität der Sammlung zu deuten versuchen und ihre Beziehung zur Aussenwelt definieren. Dies entspricht einer aktiven, nicht aber aggressiven Rolle.» Mit diesen Worten umschrieb Renzo Piano den Auftrag des Museumsbaus der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. Mit dem Bau hat er eine Architektur geschaffen, die in ihrer zurückhaltenden Eleganz der Kunst dient, ohne dass sie sich selbst versteckt. Die Sammlung umfasst rund zweihundert Bilder und Skulpturen. Der Schwerpunkt der Sammlung liegt in der klassischen Moderne sowie in der zeitgenössischen Kunst. Zusätzlich beinhaltet die Sammlung eine bedeutende Abteilung von Stammeskunst aus Afrika und Ozeanien. Dem Ehepaar Beyeler ging es stets darum, «erprobte Werke» zu sammeln. Zu dieser Erprobung gehört ein privates Umfeld, das eine Betrachtung über längere Zeit und unter verschiedensten Bedingungen erlaubt. Ein 127 Meter lang gezogenes Gebäude nimmt die gesamte Breite des schmalen Grundstückes ein, beide Stirnseiten sind verglast und geben den Blick in den Park frei. Das verglaste Dach versorgt das Museum mit Tageslicht. Gegen die Strasse hin schliesst der Bau mit einer fensterlosen Mauer ab, die das Gebäude schützt. Renzo sprach im Zusammenhang mit dieser Mauer selbst von einer Art «Rückgrat», aus der die ganze Architektur hervorgeht. Vielleicht eine der schönsten Präsentationen der Welt von einer privaten Sammlung.
Museumsquartier Wien Das Museumsquartier Wien (MQ) gehört zu den zehn grössten Kulturarealen der Welt. Am Rand der Altstadt, in den ehemaligen kaiserlichen Hofstallungen, vereint es auf einer Fläche von 60.000 Quadratmeter verschiedenste Kunstsparten, Restaurants, Cafés und Shops in einer postmodernistischen Kombination von barocken Gebäuden mit moderner Architektur.
Und so pilgern immer mehr Architektur-Fans zu den Horten der schönen Künste, begutachten die Häuser und Gebäude, ohne jemals die Schätze im Inneren zu sehen.
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Design
Klassiker Wer kennt ihn nicht, den zeitlos schönen, praktischen und bequemen Stahlrohrsessel von Marcel Breuer. Diese so genannten «Modernen Möbelklassiker» entstanden zwar am Anfang des 20. Jahrhunderts, sind aber zeitlos elegant und gelten heute noch als modern.
Barcelona Bauhaus Stuhl
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DESIGN
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von Lone Halvorsen
m Lauf der Geschichte des Designs gab es die unterschiedlichsten Vorstellungen von dem, was Design sei, welche Aufgaben es erfüllen sollte, welche Bereiche es umfasse und was seine wichtigsten Schwerpunkte seien. Lange Zeit war das Wort Design gleichbedeutend mit Formvereinfachung, und Formvereinfachung wurde mit besserer Benutzbarkeit, höherer Qualität und gerechterem Preis gleichgesetzt.
«Nur Arbeit, die das Produkt des inneren Zwangs ist, kann geistige Bedeutung haben.» Walter Gropius
Was ist Design? Im heutigen Sinn ist Design fast immer Industriedesign: Entwurfsarbeit für die Serienproduktion, unterschieden vom Schaffen der Künstler oder Kunsthandwerker, die ihre Werke eigenhändig herstellen – als Einzelstück oder in kleinen Auflagen. Es gibt immer verschiedene Ansätze im Design. Zum Beispiel Möbel: Sie sind nicht ausschliesslich aufgrund der gestalterischen Entwicklung teurer als herkömmliche. Entscheidender sind hier hochwertige Materialien und handwerkliche Verarbeitung sowie die Stückzahl. Design kann man durchaus auch preiswert gestalten, wenn Verarbeitungsabläufe und Herstellungsverfahren optimiert und bei der Entwicklung mitbedacht werden. Gutes Design ist immer ein Qualitätsfaktor, und somit beeinflusst es auch den Preis. Investitionen in das Design sind auch Investitionen in die Qualität. Die Frage ist nur, welchen Qualitätsanspruch man an sich selbst stellt.
für eine kleine Masse von Menschen interessant. Dem Design wurde damals kein hoher Stellenwert zugeschrieben. Die reine Praktikabilität stand im Vordergrund. Das ist heute anders. Moderne Möbelklassiker erleben vor allem im Sitzmöbelbereich momentan einen deutlichen Aufschwung. Denn: Möbelklassiker sind zeitlos und besonders jetzt wieder in, auch wenn sie nie richtig out waren.
Bauhaus – Visionen des neuen Wohnens Das Ende des Ersten Weltkrieges hatte zu einem radikalen Wandel im Bewusstsein des Menschen geführt, was sich entscheidend auch auf Design, Architektur und Kunst auswirkte. Walter Gropius gründete 1919 das Bauhaus mit der Absicht, die Kluft zwischen sozialem Idealismus und wirtschaftlicher Entwicklung zu überbrücken und eine angemessene Reaktion auf die sich entwickelnde technologische Kultur zu ermöglichen. Ziel des modernen Designs, das vom Bauhaus gefördert und gelehrt wurde, war die Herstellung von Produkten, die intellektuelle, praktische, kommerzielle und ästhetische Belange miteinander verbanden. Leben und Wohnen sollten neuen Gesetzmässigkeiten entsprechen, so dass sich dadurch Denken und Handeln verändern würden. Das Bauhaus ist in diesem Sinne eine Antwort auf die Realität der industriellen Zivilisation. Verbunden mit Bauhaus Möbeln war es die Idee des «Neuen Wohnens». Nach Gropius sollten Möbel vier Eigenschaften aufweisen: ihre Funktion praktisch erfüllen, dazu haltbar, billig und schön sein.
Kunstgeschichtliche Epochen kamen historisch nicht nur in der Malerei oder in Bauwerken zum Ausdruck, sondern auch in der Innenausstattung – im Möbeldesign. Möbelklassiker lassen sich in zahlreiche Stilrichtungen einteilen, aber wenn wir über «Designstücke» sprechen, fallen uns spontan zwei Epochen ein – Art déco und Bauhausstil. Als diese entstanden, waren sie eher
Tube Chair von Joe Colombo.
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DESIGN
«Die vortrefflichsten Dinge verlieren durch unzweckmäSSige Planung ihren Wert.»
Begeisterung rief allerdings Le Corbusier damals mit seinen schlichten Möbeln nicht hervor. Er strebte – wie seine Kollegen am Bauhaus – mit der Reduzierung auf das Wesentliche eine Versöhnung von Kunst und Technik an: Ihre Möbel sollten in Serie einfach hergestellt werden können und moderne Ästhetik für jedermann erschwinglich machen. Aber die Zeitgenossen wollten eher den «Biedermeier» im Wohnraum haben als die kalten Stahlmöbel. Daher kam es nie zu einen Massenproduktion, und die heutigen Klassiker wurden in geringer Stückzahl produziert.
Le Corbusier
Viele Jahre später grub eine italienische Firma die Entwürfe wieder aus und sicherte sich ein Jahr vor Le Corbusiers Tod 1964 die weltweit gültige Exklusiv-Lizenz für dessen Möbel. Andere Firmen folgten dem Beispiel und erwarben die Rechte an den schönen Produkten der Wegweiser des modernen Designs, und so kam es zur Renaissance der «Möbel-Klassiker».
Lockheed Lounge von Marc Newson.
Der erste Stuhl Die früheste Darstellung einer Sitzenden stammt aus der Steinzeit. Es ist eine weibliche Gottheit beim Gebären. Zwei Grosskatzen stützen sie links und rechts und haben die Schweife über ihre Schulter gelegt. Die imposante Göttin war Vorbild für die Throne der Könige: Die Schweife der Katzen wurden zur Rückenlehne, ihre Köpfe zu Armlehnen, ihre Füsse zu Thronbeinen – und der göttliche Schoss zur Sitzfläche. Der erste Stuhl war also ein Thron. Von ihrem prunkvollen Stuhl aus regierten die Herrscher ihre Völker, die nun sesshaft wurden. Auch als Sesshafte sassen
die gewöhnlichen Menschen nicht auf Stühlen. Das war den Herrschenden vorbehalten. Nach und nach ahmte die vornehmere Gesellschaft das Thronen nach. Zwar war es nicht besonders bequem, aber es schickte sich. Bis der Stuhl auch für ärmere Leute eine Selbstverständlichkeit wurde, verging noch einige Zeit. Nicht überall auf der Welt wurde der Stuhl ein unentbehrliches Möbel. In Japan zum Beispiel oder in arabischen Ländern lässt man sich immer noch gerne auf dem Boden nieder.
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DESIGN
Art déco versus Bauhaus Ganz im Gegensatz zu dieser fast asketischen Ideologie stand die in Frankreich vorherrschende Richtung des Art déco. In Weiterführung des Jugendstils mit seinen ornamentalen Formen zeichnen sich hier wieder spielerische Gestaltungselemente ab. Um den repräsentativen, luxuriösen Charakter der Inneneinrichtung zu unterstreichen, verwenden Designer wie Emile-Jacques Ruhlmann edelste Materialien wie beispielsweise Ebenholz und Amboina, Pergament und Elfenbein. Ähnlich wie Ruhlmanns Kreationen sind auch die exzentrischen Möbel von Eugène Printz, welche nur für eine kleine Schicht von Vermögenden
erschwinglich sind – die sich mit diesen Statussymbolen allerdings gerne schmückt. Genau genommen entstand die Bezeichnung Art déco erst viel später als der Stil selbst, nämlich mit der Ausstellung «Les Années 25» im Pariser Museum für dekorative Kunst 1966. Diese Ausstellung wiederum berief sich auf die «Exposition Internationale des Art Décoratifs et Industriels Modernes» von 1925. Während der Bauhausstil die sozialen Vorstellungen in sein Entwerfen und Bauen miteinbezog, war das Art déco ein reiner Luxus-Stil. Ein Klassiker unter den Art-déco-Möbeln ist der Leder-Clubsessel, welcher seinen Namen den Herren- und Yachtclubs verdankt, wo er in den Dreissiger Jahren hauptsächlich zu finden war. Bis in die heutige Zeit hinein hat sich dieses edle Möbelstück halten können. Moderne Clubsessel sind in ihrer Form und Gestaltung noch heute den ursprünglichen Modellen nachempfunden. Jedoch wurde Art déco mehr und mehr vom Modernismus mit seinen funktionalen Formen ohne Dekor verdrängt.
«Form folgt Funktion – das ist oft missverstanden worden. Form und Funktion sollten Eins sein, verbunden in einer spirituellen Einheit.» Frank Lloyd Wright
LC4 Liege von Le Corbuiser.
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ART OF FASHION
Auf hohen
Sohlen Spätestens seit «Sex and the City» weiss es auch der letzte Mann: Exklusive Schuhläden üben eine magische Anziehungskraft auf Frauen aus.
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Ein handsignierter Schuh des Meisters ist noch mehr wert.
E von Yvonne Beck
in Spanier ist der ungekürte König der Schuhmode, denn seit Bianca Jagger Ende der Siebziger Jahre in einer seiner ersten Stiletto-Kreationen ins «Studio 54» einmarschierte, heisst es, Manolo Blahnik habe den Sex am Fuss salonfähig gemacht.Der Schuhdesigner Manolo Blahnik machte die wohl beeindruckendste Karriere seiner Zunft. Obwohl er weder Design noch das Schumacherhandwerk erlernt hat, ist dem Grossteil aller Frauen sein Name ein Begriff – zum einen aufgrund des einmaligen Designs seiner Kreationen, zum anderen wegen ihres einmaligen Preises. Massgeblich an der Steigerung seiner Popularität in den letzten Jahren war sicherlich die amerikanische TV-Serie «Sex and the City» beteiligt. Als im Jahr 2000 die TVSerie «Sex and the City» startete machte Carrie Bradshaw die «Manolos» zum Inbegriff der Luxusschuhe. Manolo Blahnik wuchs als Sohn einer spanischen Mutter und eines tschechischen Vaters auf der elterlichen Bananenplantage auf den Kanarischen Inseln auf, wo es, wie er selbst einmal sagte, nur «Bananen, das Meer und die Familie gab». In Genf studierte er später Literatur und Kunst, obwohl seine Eltern ihn gerne als Juristen gesehen hätten.
«Blahniks Schuhe sind besser als Sex.» Madonna
Im Jahr 1965 zog der junge Spanier nach Paris um, wo er Kunst studierte und in einem Modegeschäft arbeitete. Sein Karriereplan war es jedoch, Bühnenbildausstatter zu werden – seine Ideen drückte er in Zeichnungen von Bühnendesigns aus. Sechs Jahre
später besuchte Manolo Blahnik New York und erhielt durch seine Freundin Paloma Picasso, die er aus Paris kannte, die Gelegenheit, seine Zeichnungen Diana Vreeland, der damaligen Chefin der amerikanischen Vogue, zu zeigen. Diese bezeichnete seine Zeichnungen als «amüsant» und empfahl ihm, da ihr besonders Blahniks Darstellung von Schuhen auffiel, doch Schuhe zu entwerfen. Ein Rat dem Blahnik schlauerweise folgte und so begann er in London für eine Modeboutique Männerschuhe zu designen.
Der Frauen liebstes Kind Seine Inspiration fand er in alten Filmen. Gleichzeitig besuchte Blahnik Schuhfabriken, wo er mit den Schneidern, Technikern und Maschinenarbeitern über den Produktionsprozess sprach. Bereits kurze Zeit später stellte Blahnik fest, dass Männerschuhe seiner Kreativität nicht genügend Freiraum gaben und er wandte sich dem Design von Frauenschuhen zu. Während die allgemeine Schuhmode der Siebziger Jahre von klobigen Plateauschuhen dominiert war, verhalf Blahnik dem schlanken Stiletto zu einer Renaissance und machte ihn zukünftig zu einem Klassiker. Anfang 1970 wurden immer mehr Menschen auf die fabelhaften Entwürfe Blahniks aufmerksam und immer mehr Moderedakteure und Schauspielerinnen rissen sich um seine Schuhkreationen. Als Blahnik Ende der Siebziger Jahre eine Kollektion für «Bloomingdales» entwarf, begann sein kometenhafter Aufstieg auch in den USA. Kurze Zeit später eröffnete er seine erste Boutique auf der Madison Avenue in New York. Im Laufe seiner Karriere arbeitete der Schuhpapst mit berühmten Modedesignern zusammen; unter anderem mit Calvin Klein, Isaac Mizrahi, John Galliano und Oscar de la Renta. Es häuften sich die Modepreise und -auszeichnungen. Im Jahr 2007 verlieh die englische Queen Elizabeth II. ihm gar den Ehrentitel «Honory Commander of the British Empire», um Blahniks
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«Ich werde immer trübsinnig, wenn ich eine schöne Frau sehe, die Plateaus trägt.» Manolo Blahnik
ikonischen Status in der Modewelt zu würdigen. Seinem unverkennbaren Markenzeichen der Kreationen; hohe Absätze, ausgefallenes Design und ein exklusiver Mix verschiedener Materialien, ist er dabei stets treu geblieben. Auch heute noch, trotz seiner internationalen Berühmtheit, arbeitet Manolo Blahnik wie ein Haute Couturier der alten Schule ohne Assistenten, sprich jede seiner Schuhkreationen entsteht durch seine Hand – in seinem Londoner Büro oder seinem Haus in der englischen Stadt Bath, in welchem er zusammen mit rund 10.000 Paar seiner Schuhe wohnt. Blahnik zeichnet zuerst eine Skizze und entwirft dann von Hand ein Modell, das erst dann zur Produktion freigegeben wird, wenn er endgültig zufrieden mit dem neuen Schuh ist. Er selbst sieht seine Arbeiten daher auch nicht als Design, sondern stilisiert seine sinnlichen Entwürfe wie Kunstwerke. Und so wundert es nicht, dass den Künsten Manolo Blahniks auch Stars wie Madonna, Sarah Jessica Parker und auch die «Desperate Housewives» verfallen sind. Kurz: Wer etwas auf sich hält, schreitet auf Manolo Blahnik-Sohlen durch das glamouröse Leben.
Filme machen Designerstars Innerhalb von nur zehn Jahren erkämpfte sich das Schuhlabel Jimmy Choo, das der gleichnamige Designer 1996 zusammen mit der damaligen Vogue-Ressortchefin Tamara Mellon gründete, einen internationalen Namen von Rang. Besonders die Erwähnung in Serien wie «Sex and the City» oder im Film «Der Teufel trägt Prada» pushten die Marke. Der vornehme Look des Londoner Designers mit malaysischen Wurzeln überzeugte die Damenwelt durch eine unverwechselbare Stilsicherheit.
Brautschuhmode Der 65-jährIge Gründer und Chefdesigner Stuart Weitzman gilt als Produktionsweltmeister. Seit Gründung der gleichnamigen Firma, 1986, kreiert der Amerikaner jährlich 800 Schuhversionen. Vom Sneaker bis zum Stiletto kontrolliert er persönlich die Produktionsabläufe in seinen spanischen Werken mit 1.600 Mitarbeitern und ist – stets auf der Suche nach neuen Absatzmärkten. Weitzman gilt als äusserst experimentierfreudig: Er verarbeitet Materialien wie Vinyl, Kork, Chrom, Brokat oder Bambus, produziert in zehn Grössen zwischen 34 und 44 und – fast einmalig – in vier Weiten. Er protzt gern mit Luxusmaterialien wie 24-karätigem Gold, Diamanten, Rubinen und besetzte ein exklusives Paar mit den ehemaligen Schmuckstücken Marilyn Monroes oder Rity Hayworth und gilt zudem auf der Suche nach neuen Absatzmärkten als Erfinder des Brautschuhmodemarktes.
Im Film «Sex in the City II» wunderten sich die Fans nicht schlecht, dass Sarah Jessica Parker alias Carrie Bradshaw Louboutins an den Füssen trägt. Neben Mister Big und einem Glas Cosmopolitan gehörten schliesslich die Manolos zu ihren wichtigsten Markenzeichen. Vielleicht liegt es daran, dass Manolo Blahnik sich negativ über die Serie geäussert haben soll und das, obwohl ihm die Serie einen riesigen Umsatz bescherte. Christian Louboutin wird es freuen. Das besondere Kennzeichen seiner meist mit einem sehr hohen Absatz ausgestatteten Schuhe ist übrigens eine rote Sohle. Durch diese Sohle sind die Schuhe sehr einfach als Louboutins zu erkennen.
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KOLUMNE
Die vielen Gesichter der Schönheit von Luisa Rossi
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ls ehemaliges Fotomodel drehte sich mein Leben um mein Äusseres. Heute, als Stylistin, bewege ich mich in einem Umfeld, in dem es um die äussere Hülle geht. Aber egal ob als Model oder als Styling-Beraterin bei EliteWahlen, bei Miss/Mister-Handicap-Wahlen, in Beratungen oder in Seminaren – eines habe ich dabei gelernt: Schönheit hat unzählige Gesichter. Und nichts und niemand wird als wirklich «schön» empfunden, solange die Schönheit nicht «echt» ist und von innen kommt.
Natur für das genetische Geschenk bedanken. Die Haut gilt ebenfalls als wichtiges Schönheitsmerkmal. Ist sie rein, glatt und nicht zu blass wird sie als attraktiv empfunden. Wer sich also regelmässig pflegt, schafft schon mal eine ideale Basis. Nun können wir uns in Sachen Styling beraten lassen, die Brille gegen Linsen tauschen, lässige Outfits zulegen und uns mit Make-up behelfen. Sich öfters mal sportlich zu betätigen, kann definitiv nicht falsch sein. Genügend Schlaf und eine Portion Entspannung sind weitere Zutaten, die die Schönheit fördern. Wem das alles nicht reicht, landet bald schon beim Bleaching, beim Fettabsaugen und bei der plastischen Chirurgie. Es gibt Schönheitsdefizite, bei denen ein operativer. Eingriff durchaus angebracht sein kann.
Aber was genau macht «Schönheit» aus? Eine sehr schwierige Frage, die ich trotz meiner Tätigkeit nicht beantworten kann. Schönheit ist sicher bis zu einem gewissen Grad von wechselnden Idealen abhängig. Gerade im Bereich des Körpers und der Mode ist das so. Je nach Erdteil und Kultur werden andere Körper- und Gesichtsmerkmale als wichtig und schön wahrgenommen. Evolutionsbiologen zeigen auf, wie eng die natürliche Schönheit mit der sexuellen Auslese zusammenhängt, bei der Attraktivität DIE entscheidende Rolle spielt. Auch Tieren müssen wir Ästhetik zubilligen. Es gibt Forschungen, die aufzeigen, dass hinsichtlich der Schönheit von Gesichtern ein goldener Schnitt existiert. Dessen Proportionen entsprechen dem durchschnittlichen Gesicht, welches zudem, ähnlich wie Symmetrie, Gesundheit signalisiert.
All das sind mögliche Mittel und Wege. Und dennoch bin ich der Meinung, sie alleine nützen nichts, wenn sich der Mensch in seiner Haut nicht wohl fühlt und nicht glücklich mit sich selbst ist. Zum Glück spielen viele Faktoren eine Rolle, ob man jemanden als attraktiv empfindet oder nicht. Es gibt ja auch die sogenannte «Schönheit auf den zweiten Blick» oder gar die «innere Schönheit». Man kann also die Frage «Was ist Schönheit?», Gott sei Dank, nicht mit einer knallharten wissenschaftlichen Definition beantworten. Für mich ist wirkliche Schönheit spürbar. Ja, denn ein wunderschönes Lächeln, ein liebes Kompliment, eine nette Geste lassen uns erstrahlen. Ein ehrliches Dankeschön für mein Styling oder eine zufriedene Ausstrahlung meiner Kunden, das sind für mich nur einige der unzähligen Momente voller Schönheit. Sie hat für mich also nicht nur mit der Mode zu tun, sondern vor allem mit dem Menschen.
Und wenn wir schon bei der Gesundheit sind – sie ist in diesem Zusammenhang äusserst spannend. Früher bedeutete Gesundheit: schlicht die Abwesenheit von Krankheit. Heute ist Gesundheit eine aktive Form von Fitness und Wellness. Und der Wandel geht immer weiter: Beauty, Body, Mind und Soul verschmelzen immer mehr. Stimmt nicht? Dann schauen Sie sich mal eines der bekannten Fitness-Magazine an. In diesen Titeln geht es schon lange nicht mehr um den rein sportlichen Aspekt. Vielmehr wird das Zusammenspiel von einem gestählten Körper, einer passenden Fitness gepaart mit Wohlbefinden, ausgewogener Ernährung und smarten Entspannungstechniken zelebriert.
Natürlich hat auch die Natur unglaubliche Schönheiten für uns parat. Sei es eine atemberaubende Bergsicht, einen unvergleichlichen Sonnenuntergang am Meer oder eine märchenhaft verschneite Winterlandschaft beim Joggen. Oftmals so schön und einzigartig, dass es mir den Atem verschlägt. Aber auch die Kunst oder die Musik haben unglaubliche Schätze der Schönheit zu bieten, und in diese tauche ich sehr gerne ein. Aber egal, wie wir Schönheit definieren. Es ist und bleibt ein steter Wandel. Und zum Glück sind die Geschmäcke völlig unterschiedlich.
Wie können wir denn unsere Schönheit beeinflussen? Werden wir von unserer Umwelt einfach so als attraktiv beurteilt, dann sollten wir uns unbedingt bei unseren Eltern oder bei Mutter
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TECHNOLOGY
luftig
Leicht und Gerade rechtzeitig zur CabrioSaison bringt Lamborghini den Gallardo Performante. PRESTIGE durfte den jßngsten Kampfstier aus Sant’Agata Bolognese Probefahren und herausfinden, was ihn vom Gallardo Spyder unterscheidet.
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von Stephan Gubler, Fotos: Markus Zitt
ine Einladung in die Emilia Romagna bedeutet nicht nur Lamborghini fahren. Da kommen gleich ganz viele Emotionen hoch. Klar dominiert die Vorfreude auf den Ritt mit dem 570 PS starken Stier. Aber auch die anderen Sinne werden in dieser Gegend einfach betört. Allen voran die Geruchs- und Geschmacksnerven. Ein kräftiger Caffè zum Frühstück, Prosciuto di Parma und Parmigiano Reggiano zum Mittag und Pasta oder Pizza zum Nachtessen. Ja, es scheint, als hätte man genau an diesem Ort das Geniessen erfunden. Und dazu gehören eben auch die schönsten und extremsten Sportwagen auf diesem Planeten. Der Zufall will es, dass in unserem Stammkaffee die Brioche mit Crema ausverkauft sind. Der Barista empfiehlt mir deshalb ein Brioche con Crema leggera. Ist ja super, passt zum bevorstehenden Test mit dem Lamborghini Gallardo LP 570-4 Spyder Performante. Denn bei diesem Supersportler handelt es sich um nichts anderes als um einen Superleggera ohne Dach. Im Vergleich zum «normalen» Gallardo Spyder wiegt der Leichtbau-Lambo 65 Kilogramm weniger. Das ist nicht wirklich viel weniger. Viel mehr ins Gewicht fallen die optischen Leckerbissen, die der Performante zu bieten hat. Carbon wohin das Auge sieht! Seitenschweller, Diffusor, Rückspiegel und der riesige Heckflügel sind aus Kohlenstofffaser. Letzterer ist eine knapp 9.000 Franken teure Option und für Ästheten eine Faust aufs Auge, denn er passt überhaupt nicht zur keilförmigen Linienführung des Spyders. Aber das soll Geschmackssache bleiben. Wir freuen uns zuerst einmal über einen wolkenlosen Himmel und die ersten Kilometer auf den emilianischen Strassen. Auch dieser Gallardo ist einfach ein Wohlfühl-Auto. Reinsetzen, losfahren, und alles passt. Die Geräuschkulisse zaubert von Anfang an ein Lachen ins Gesicht. Der 10-Zylinder-Sound aus der Auspuffanlage dringt dank der Absenz eines Daches ungefiltert und ungehemmt zu den Insassen. Cabrio fahren ist mit diesem Auto wirklich noch sinnlicher. Wird das Stoffverdeck übers Haupt hinweg in den geschlossenen Zustand gebracht, kommt für eine Weile ein beklemmendes Gefühl auf. Jetzt erst wird klar, wie viel Freiheit das Fahren mit geöffnetem Dach vermittelt. Das ist eigentlich wie Motorrad fahren; einfach mit vier angetriebenen Rädern. Das Hochdrehen tönt wie bei einem reinrassigen Rennmotor. Ist ja auch kein Wunder, denn dasselbe Aggregat verrichtet in der schnellsten Markenpokal-Serie, der Lamborghini SuperTrofeo, seine Dienste. Das halbautomatische e.gear-Getriebe haut bei Volllast die Gänge rein, dass einem die Zahnräder leidtun. Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit sind in Sphären, die auf den Strassen nicht ansatzweise erreicht werden. Der Performante ist einfach ein Fahrzeug für Geniesser. Er kann viel mehr, als man braucht, er sieht aus wie ein echter Exote und er ist so perfekt verarbeitet wie ein Audi.
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lachend
Wenn der Tod uns scheidet
Kulisse, wie sie auf den Strassen von Mexico während den «Dia de los Muertos» anzutreffen ist.
«Was zum Teufel soll das? Wer bist Du?» «Multipliziere Jahrtausende mit Egonen und potenziere sie mit der Unendlichkeit, so lange gibt es mich schon, aber erst seit Kurzem haben Deine Belange mein Interesse geweckt. Nenn es meinetwegen Langeweile. ... Du bist der Richtige.» «Wer bist Du eigentlich?» «Ja, wer bin ich?» «Der Tod? Du bist der Tod?» «Ja. Der Tod. Der bin ich.» «Nein, der Tod trägt keinen Anzug.» Selten verabschieden sich Menschen mit einem Feuerwerk und niemals laufen sie Schulter an Schulter mit Brad Pitt wie im Blockbuster «Rendezvous mit Joe Black» über die Brücke in die Ewigkeit, während im Hintergrund eine Party steigt; immer aber hinterlässt ihr Abschied ein Tal der Tränen. Und oftmals die Frage: «War es das wirklich?»
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PHENOMENON Totenköpfe sind sehr beliebte Reliquien während den «Dia de los Muertos».
A
von Helena Ugrenovic
lles, was wir uns im Laufe unseres Lebens aufgebaut und erschaffen, alle materiellen Werte, die wir angesammelt und erspart, alles, was wir jemals gesehen, gelesen und gelernt, alles, was wir in dieser eigentlich kurzen Zeit unseres Daseins erlebt haben und was bis zu diesem Moment aus uns geworden ist, verpufft und zerplatzt wie eine Seifenblase, ist nicht mehr wichtig und bedeutungslos, übertreten wir die Schwelle in ein uns unbekanntes Reich. In unserem irdischen Leben treffen wir Entscheidungen, ändern und verändern, korrigieren Fehler und wagen einen Neubeginn. Alles ist nichts und nichts ist alles, alles ist relativ und nichts ist garantiert. Alles kann und nichts muss. Ausser der Tatsache, eines Tages das weltliche Leben verlassen und das Diesseits mit dem Jenseits eintauschen zu müssen. Für immer und endgültig.
Freund oder Feind? Obwohl der Tod etwas Alltägliches und Natürliches ist und wir uns diesem mit der Stunde unserer Geburt immer mehr nähern, wird er vor allem in westlichen Ländern als bedrohlich, beängstigend und unheimlich empfunden. Der ständige Begleiter eines Menschen schwebt wie ein dunkles Damoklesschwert über dessen Kopf, und mit keinem Geld dieser Welt kann sich jemand davon freikaufen. Er kann weder überlistet noch ausgetrickst und schon gar nicht aufgehoben werden. Ist der Tod tatsächlich die Endstation, oder öffnet sich damit die Schranke zum eigentlichen Mysterium? In Europa hat sich die Haltung gegenüber Sterben, Tod und Jenseits gegen Ende des 20. Jahrhunderts so radikal geändert wie Jahrhunderte davor nicht. Besonders seit dem Zweiten Weltkrieg wird der Tod zunehmend tabuisiert, Trauer wird zurückgehalten und der Tod verdrängt. Im Mittelalter, während der Aufklärung und Romantik oder der Barockzeit, gehörte Sterben zum Alltag, segnete man im Beisein der Gemeinschaft das Zeitliche, bereitete man sich ein Leben lang auf das «gute Sterben» vor, dominiert von der Kirche und der von ihr geschürten Angst vor dem Fegefeuer, die in die Köpfe der Menschen gepflanzt worden war. Heute ist der Tod weniger vertraut. Während Sterben und Tod fast schon mit einem Schweigegelübte erstickt werden, weil niemand den Teufel an die Wand malen und von diesem «geholt» werden möchte, erleben die Themen Leben nach dem Tod, Wiedergeburt und Jenseitskontakte einen regelrechten Hype.
Reisebericht aus dem Jenseits «Ein strahlendes und pulsierendes Licht, das Klang und Schwingungen besass, umhüllte mich. Ein unbeschreibliches Gefühl von Freude und Liebe durchflutete mich und ich fühlte mich geborgen und verstanden. Es war eine Vollkommenheit, die man im irdischen Leben nicht kennt. Ich sah vertraute Gestalten, die nicht vergleichbar waren mit wirklichen Menschen. Ich fühlte, dass ich wieder zu Hause war und dazugehörte. Ich konnte in verschiedenen Gedankengängen gleichzeitig denken, und jeder Gedankengang war gestochen scharf, ohne den anderen zu stören. Das Rätsel des Universums erschien mir so unglaublich glasklar, und plötzlich verstand ich alles.
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«Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen.»
Erlebnisse eine Einbildung unseres Geistes? In unserem Gehirn schützt uns ein «Programm» vor den unangenehmen Seiten des Sterbens. Während des Sterbeprozesses produziert das Gehirn eine ganze Reihe von Illusionen, die uns beruhigen, und Endorphine, die uns auf einer Welle der Glückseligkeit schweben lassen und wir frei von Ängsten und Schmerzen das Sterben nicht als endlose Qual empfinden.
Albert Schweitzer
Als ich wieder ins irdische Leben zurückgeholt wurde, fühlte ich mich grauenhaft, platt und dumpf, mein Körper war unsagbar schwer und mir wurde bewusst, wie beschränkt und eingeengt wir in unserem Körper, in unserer Denkweise und unserer Gefühlswelt sind. Es war scheusslich und es war, als hätte mich jemand in einen viel zu kleinen Käfig gesperrt. Und es war nicht mehr vergleichbar mit der Harmonie und Geborgenheit des Jenseits.» Menschen mit Nahtoderfahrungen berichten von nie gekannten Emotionen, Eindrücken, Wesen, Farben, Klängen und vom tiefen Glücksgefühl, das sie in der anderen Welt festhält und sie diese nicht mehr verlassen wollten.
Hör mal, wer da spricht Doch wenn alles nur Illusion und ein genialer Mechanismus unseres Gehirns ist, wenn mit dem Tod alles endet und wie eine Kerzenflamme erlischt, wie erklären wir das Phänomen der Jenseitskontakte? Pascal Voggenhuber ist das jüngste und bekannteste Psychic Medium der Schweiz und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Schon seit seiner Kindheit verfügt er über die Sensibilität, verstorbene Menschen zu sehen und als ihr Sprachrohr den Kontakt zu Angehörigen herzustellen. Wie sehr der Wunsch nach einer Kontaktaufnahme mit dem Jenseits ist, zeigt Pascal Voggenhubers Terminkalender, der bis ins Jahr 2014 restlos ausgebucht ist. – «Es gibt keine Welt der Verstorbenen, sondern es ist ein Zustand ohne Raum und Zeit. Es ist auch kein Ort, sondern vielmehr ein Eindruck und ein Gefühl.
Erwartet uns tatsächlich eine märchenhafte Wunderwelt, und ist der Tod in Wahrheit unser Freund, oder erliegen wir einem chemischen Prozess unseres Gehirns, und sind die ausserordentlichen
Der Fröhliche Friedhof in Săpânta.
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PHENOMENON
Interessant ist, dass die Wissenschaft ein Leben nach dem Tod oft zu negieren versucht, jedoch diese Theorie gleichzeitig bestätigt – der Mensch ist Energie, und physikalisch gesehen ist Energie weder auflösbar noch zerstörbar. Also existieren wir auch dann weiter, wenn wir schon gestorben sind.» Doch wie zeigen sich Verstorbene, und kann man diese jederzeit kontaktieren? «Je nachdem, wie kommunikativ ein Mensch in seinem Leben war, ist es einfacher oder schwieriger, den Kontakt zu ihm aufzunehmen. Kommunizierte jemand während seines Lebens schon sehr gerne, wird er sich auch aus dem Jenseits mitteilen wollen. Die Verstorbenen zeigen sich so, dass derjenige, der den Kontakt herstellen möchte, ihn oder sie auch erkennt. Eine Grossmutter wird ihrem Enkelkind so erscheinen, wie dieses es gekannt hat, und nicht als sie selber noch ein junges Mädchen war.
Das Schicksalsrad Obwohl die Hindus sagen, es gäbe einen Gott, der einer in allem ist, verehren sie viele Götter. Doch nach dem einen Gott sehnen sie sich und mit ihm wollen sie vereint sein. Jedoch glauben sie, dass sie zuerst viele Male wiedergeboren werden müssen, und sind überzeugt, früher schon einmal ein anderes Leben geführt zu haben. Je nachdem, wie dieses Leben von Gut und Böse geprägt war, werden sie nach ihrem Tod wieder ein Mensch oder ein Tier, arm oder reich. Die Hindus glauben, dass ihre Seele so lange wandert, bis sie gut genug ist, um endlich bei Gott zu sein. Dann ist sie erlöst. In jedem hinduistischen Haus wird am 8. Tag jeden Monats mit einem Trankopfer der Verstorbenen gedacht.
In der Filmwelt ist es sehr verbreitet, dass Verstorbene sich nur so lange unter den Lebenden aufhalten, bis sie eine Aufgabe endlich erledigt haben, danach friedlich ins Licht schreiten und für immer gehen. Das ist nicht so. Eine Mutter zum Beispiel sorgt sich ihr Leben lang um ihr Kind. Was meinen Sie – endet dieser Zustand einfach so, wenn diese Mutter gestorben ist? Sie wird auch dann und auf völlig verschiedene Arten den Kontakt zu ihrem Kind suchen und dieses begleiten. Sie sind immer unter uns.»
Der Fröhliche Friedhof (rumänisch: Cimitirul Vesel) ist ein besonders gestalteter Friedhof in der Gemeinde Săpânta im nördlichen Rumänien. Die Gestaltung erfolgte über Jahrzehnte durch den örtlichen Künstler Stan Ioan Pătras (1908–1977). Er hat die traditionellen hölzernen Grabstelen mit handgemalten Bildern der Verstorbenen und mit Versen zu deren Leben verziert. Oft sind es lustige Anekdoten, Liebesgeständnisse oder «Moralapostel», wie das Grab eines Mannes, der mit einer Schnapsflasche zu sehen ist: «Zuika ist das reinste Gift, durch sie Schmerz und Leid dich trifft. Auch mir hat sie gebracht, den Tod in einer finstren Nacht. Wer der Zuika huldigt stets, dem genau wie mir ergeht's, denn ich war ihr zugetan, mit ihr im Mund der Tod mich nahm.»
Dia de los Muertos Día de los Muertos, der Tag der Toten, ist einer der wichtigsten mexikanischen Feiertage, an dem in Mexico traditionell der Verstorbenen gedacht wird. Für westliche Kulturen wirkt der Umgang der Mexikaner mit dem Tod befremdlich, da der Tod dort nicht tabuisiert wird. Der Tod wird als etwas betrachtet, vor dem man sich nicht fürchten muss, sondern dem man jederzeit mit Ironie begegnen kann. Der Día de los Muertos ist kein Trauertag, sondern ein farbenprächtiges Volksfest zu Ehren der Toten.
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Herbst des Schreckens Jack the Ripper
«25. September 1888, Lieber Boss...ich höre immer wieder, dass die Polizei mich geschnappt haben soll, aber noch ist es nicht soweit. Es hat mich amüsiert, wie Sie so clever dreinschauten und behaupteten, auf der richtigen Fährte zu sein... Ich bin hinter Huren her und ich werde nicht aufhören, sie aufzuschlitzen, bis man mich schnappt. Meine letzte Tat war ein Meisterwerk...Mein Messer ist so wundervoll scharf. Ich würde am liebsten sofort wieder an die Arbeit gehen, wenn sich eine Gelegenheit böte. Viel Glück. Hochachtungsvoll, Jack the Ripper.» Ausschnitt aus einem der angeblichen Briefe von Jack the Ripper «Dear Boss».
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von Helena Ugrenovic
ie Stadt an der Themse muss mit ihrer wechselvollen Geschichte einige Rückschläge hinnehmen. Als im 16. Jahrhundert die Gründung der ersten grossen Handelskompanie erfolgt und mit der Royal Exchange den wirtschaftlichen Aufstieg vorantreiben kann, wird die Stadt 1664 und 1665 von der Grossen Pest heimgesucht, bei der über 70.000 Menschen sterben. Nur ein Jahr später verwüstet der Grosse Brand von London weiteTeile der Stadt und setzt ungefähr 13.000 Häuser und 98 Kirchen in Schutt und Asche. Im 19. Jahrhundert explodiert die Bevölkerungszahl. Am 13. Februar 1888 ist die «Financial Times» erstmals in London erhältlich. Im gleichen Jahr im August entsteht in Südfrankreich eines der berühmtesten Gemälde aller Zeiten, während im Londoner East End eine Schreckensserie beginnt. «Zwölf Sonnenblumen in einer Vase» sind Teil einer ganzen Folge, die Vincent van Gogh, ein eigenbrötlerischer Künstler, gemalt hat. In Arles hatte er die blauen Töne und heiteren Farben des Südens finden wollen, die er perfekt auf Leinwand projiziert. Die leuchtenden «Zwölf Sonnenblumen» stehen in ihrer Bedeutung im krassen Gegensatz zu ihrem Meister mit der zerrissenen Seele und verglichen mit Londons Elendsviertel East End wirken sie mit ihrem strahlend unbekümmerten und fröhlichen Aussehen fast schon hämisch.
Cover einer Zeitung, die dem Mörder den Namen «Leather Apron» gegeben hatte.
Im Dunkel der Nacht Gewalt ist in den düsteren, engen und verwinkelten Gassen im östlichen Londoner Stadtteil Whitechapel alltäglich, jedoch ereignen sich nur selten Tötungsdelikte. Bis zwischen dem 6. August und dem 9. November 1888 eine grausame Mordserie die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt und Whitechapel einen gruseligen Berühmtheitsgrad erlangt. Sechs Prostituierte werden nicht nur auf bestialische Weise umgebracht, sondern von
Die Strasse in Whitechapel, in der die beiden Prostituierten Catherine Eddowes und Elisabeth Gustafsdotter in der Nacht von Sonntag, den 30. September 1888, innerhalb einer Stunde ermordet wurden und als «Doppelter Fall» gelten.
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Aus der Hölle Catherine Eddowes
Mr. Lusk, Mein Herr Ich schicke Ihnen die halbe Niere die ich aus einer Frau genommen und für Sie konserviert habe. Das andere Stück habe ich gebraten und gegessen und es schmeckte hervorragend. Wenn Sie sich noch ein bisschen gedulden, schicke ich Ihnen noch das blutige Messer, mit dem ich sie herausgeschnitten habe. gezeichnet Fangen sie mich wenn sie können Mister Lusk
ihrem Mörder regelrecht verstümmelt. Man findet sie mit aufgeschlitzter Kehle, herausgerissener Gebärmutter, ohne Eierstöcke und fehlender Niere. London ist zu dieser Zeit mit vier Millionen Einwohnern die grösste Stadt der Welt, doch leben etwa 450.000 Menschen unter erbärmlichsten und hygienisch katastrophalsten Bedingungen in den verdreckten Elendsvierteln. Die Menschen in East End sind so bettelarm, dass Prostitution oft die einzig mögliche Erwerbsquelle für Frauen ist. Die meist obdachlosen Frauen sind schwach und unterernährt, denn die wenigen Pence, die sie mit dem Verkauf ihres Körpers verdienen, investieren sie in billigen Gin, der sie wenigstens für kurze Zeit benebelt und ihre aussichtslose Zukunft ein bisschen betäubt. In schmutzigen, zerrissenen Kleidern hausen sie auf der Strasse, und wenn doch ein paar Münzen übrig bleiben, teilen sie sich mit weiteren Prostituierten ein Strohlager in einem der schäbigen Logierhäuser. Sie sind die perfekte Beute für das Phantom der Nacht, denn die Stunde des Serienmörders schlägt nach Mitternacht, vorwiegend an oder nahe an einem Wochenende und an einem abgelegenen Ort.
Catch me if you can
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Die Bestie von London schickt einige der Organe seiner Opfer an die ermittelnde Polizeidienststelle. Doch diese tappt im Dunkeln. Die einheitliche Tatausführung lässt auf einen einzigen Täter schliessen, der über chirurgische Kenntnisse verfügen muss, da die Verstümmelungen fachmännisch ausgeführt werden, doch Jack the Ripper, wie er sich erstmalig in einem
Totenschein von Mary Kelly
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Ruf Lanz
Liebe Sekretärin: Es ist ganz einfach, den Chef dazu zu bringen, sich beim Pinkeln zu setzen.
LEGENDS OF CRIME
«Ich bin froh, dass wir bombardiert worden sind. Jetzt können wir den Leuten im Londoner East End in die Augen sehen.»
Brief nennt, kann nicht gefasst werden. Der Polizei wird auch Jahre später von Hobby-Detektiven und Autoren Unfähigkeit vorgeworfen. Doch damals gibt es weder Blutgruppenbestimmungen, noch Speichelproben, Genanalysen oder Vergleiche von Fingerabdrücken, mit deren Hilfe die Nadel im Heuhaufen hätte gefunden werden können.
Queen Elizabeth, 04.08.1900 - 30.03.2002 Queen Mum (geb. Elizabeth Angela Marguerite)
Ein Täter kann nur unmittelbar auf frischer Tat ertappt werden, und nicht mal wenn er mit blutverschmierter Kleidung gefasst worden wäre, hätte man ihm etwas nachweisen können. Jack the Ripper entwischt den Ordnungshütern manchmal wenige Minuten, bevor diese am Tatort eintreffen. Die Metropolitan Police ist unterbesetzt und es fehlt an Personal, um die Menschen im East End überhaupt ernsthaft schützen zu können, geschweige denn, um Jack the Ripper zu fassen. Und letztendlich handelt es sich bei den Opfern «lediglich» um Prostituierte.
«Long Liz» Gustafsdotter, Catharina «Kate Conway» Eddowes, Mary Jane «Ginger» Kelly. Der Ursprung dieser Liste wurzelt aus den privaten Notizen von Sir Melville Macnaghten, dem Polizeipräsidenten des Metropolitan Police Service Criminal Investigation Department, der sie 1894 erstellt hatte und die erst 1959 aufgetaucht sind. Jedoch spiegeln auch diese nur seine eigenen Ansichten wider, die nicht unbedingt von den ermittelnden Beamten wie zum Beispiel Inspektor Frederick Abberline geteilt werden. Immer neuere Spekulationen entbrennen und entfachen eine Welle der Entrüstung im prüden England sowie eine Hetzjagd auf mögliche Täter. Handelt es sich um einen frauenhassenden, halbverrückten deutschen Maler? Oder den Leibarzt von Königin Viktoria, der in ihrem Auftrag die Morde ausgeführt haben soll, weil sie ihren
Die Jagd nach dem Aufschlitzer Die Anzahl und Namen der Opfer von Jack the Ripper sind stark umstritten und basieren auf Ansichten vieler Schriftsteller. Hingegen ist die Liste der «Anerkannten Fünf» die am weitesten verbreitete: Mary Ann «Polly» Nichols, Anny «Dark Annie» Chapman, Elisabeth
Eine Karte, auf der die Morde an Prostituierten in Whitechapel markiert sind.
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Enkel rächen wollte, der sich bei einer Prostituierten mit Syphilis infiziert hatte? Nichts kann bewiesen und keiner der 15 Hauptverdächtigen, die im Visier der Beamten stehen, angeklagt werden.
«Dear Boss» Das Jahrtausendphantom
Es war mir nicht nach Witzen zumute, lieber Boss, als ich Ihnen den Hinweis gab. Morgen schon werden Sie von «Saucy Jacky's» Arbeiten hören. Dieses Mal wird es ein Doppelereignis sein. Nummer Eins hat etwas geschrieben und ich konnte meine Arbeit nicht richtig beenden. Hatte nicht mal mehr Zeit, um die Ohren für die Polizei zu besorgen. Vielen Dank, dass Sie den letzten Brief zurückgehalten haben, bis ich wieder meiner Arbeit nachgehen konnte. Jack the Ripper
Jack the Ripper bleibt auch heute noch eines der grössten Geheimnisse der britischen Kriminalfälle, und vielleicht trägt gerade diese Ungewissheit dazu bei, dass sich zahlreiche und immer neuere Legenden um den Aufschlitzer ranken. Jack the Ripper ist nicht der erste und auch nicht der letzte Serienmörder, jedoch der erste überhaupt, um dessen Morde die Medien einen weltweiten Medienrummel entfachen und mit immer abenteuerlicheren Thesen und Mutmassungen die Auflagen ihrer Zeitungen erhöhen. Lange Zeit sind die Ärmsten der Armen im Londoner East End von der wohlhabenden Gesellschaft ignoriert worden, doch durch den Herbst des Schreckens wird die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Lebensbedingungen der Opfer und der Unterschicht gelenkt. Dadurch beginnt auch die bis dahin blinde Oberschicht zu handeln. Genau so plötzlich, wie sie begonnen hat, reisst die Mordserie im November plötzlich wieder ab. Täter unbekannt.
Die Briefe von Jack the Ripper Während der Mordserie 1888 erhielten die Polizei und Zeitungen Tausende von Briefen, die im Zusammenhang mit den RipperMorden standen. Einige davon von aufmerksamen Bürgern, die Ratschläge zur Ergreifung des Täters enthielten. Von den Hunderten von Bekennerbriefen, die angeblich von Jack the Ripper stammten, geht man nur von drei Stück aus, dass es sich um echte, vom Mörder geschriebene, Briefe handelt: Der Brief «Dear Boss», die Postkarte «Saucy Jack» und der Brief «From Hell II».
Das gefährliche Leben der Prostituierten Auch heute noch stehen britische Prostituierte gegenüber möglichen Verbrechen schutzlos da. Nach einer Serie von Morden an Huren sollen neue Regeln für mehr Schutz im Rotlichtgewerbe sorgen. Seit 2010 wird für bezahlten Sex mit einer «ausgebeuteten Person» eine Strafe verhängt. Dieser Paragraf soll den Kampf gegen den internationalen Menschenhandel unterstützen. Wer wissentlich Sex von einer «ausgebeuteten Person» kauft, riskiert eine Anklage wegen Vergewaltigung, und auch die Unwissenheit über die persönlichen Umstände der Prostituierten wird nicht als Entschuldigung akzeptiert.
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Bob Marley
YESTERDAY
Bob Marley war der erste Superstar aus der so genannten Dritten Welt. Er schaffte den Sprung aus den Slums Jamaikas auf die grössten Konzertbühnen Europas und Amerikas. Am 11. Mai jährt sich sein 30. Todestag.
Lieder
der Freiheit 132
YESTERDAY «One good thing about music, when it hits, you feel no pain.»
Es ist besser, kämpfend für die Freiheit zu sterben, als ein Gefangener, für den Rest deines Lebens zu sein.
Bob Marleys musikalisches Vermächtnis und seine Botschaft leben weiter.
Bob Marley
B von Jascha Köhler
ob Marley wurde 1945 in der kleinen Ortschaft Nine Miles geboren. Seine Mutter war eine 19-jährige Schwarze, sein Vater ein weisser Verwaltungsbeamter der britischen Besatzungsmacht, der sich von der Familie bald trennte. Bob interessierte sich schon früh für die Musik. Er liebte den amerikanischen Rhythm and Blues und eiferte Soulsängern wie Sam Cooke nach.
Von den Slums auf den Plattenteller Als die Mutter mit ihm und einem neuen Stiefvater 1957 vom Land in die Stadt zog und sie sich in Trenchtown, Kingstons schlimmstem Viertel, niederliessen, erschien Marley eine Karriere als Sänger der einzig mögliche Ausweg, um der allgemeinen Armut und Kriminalität zu entkommen. Sein damals bester Freund und späterer Band-Kollege Bunny Wailer sagte 1980 in einem Interview über die gemeinsame Jugend in Trenchtown: «Es war ein richtig hartes Pflaster. Bullen liessen sich nur dann blicken, wenn sie ihr Soll an Verhaftungen noch nicht erfüllt hatten. Es war fast unmöglich, mit einer Trenchtown-Adresse einen Job zu finden. Trotzdem konntest du dich irgendwie über Wasser halten, konntest Eisenabfälle verkaufen, in einer Molkerei alte Konserven einsammeln und das daraus gewonnene Blei verticken, konntest Pfandflaschen einlösen, die überall herumlagen.» Das war es jedoch nicht, wovon Marley träumte, und so arbeitete er zielstrebig daran, aus dem Viertel herauszukommen. Anfang der 60er sangen Marley, Wailer und ihr gemeinsamer Freund Peter Tosh bei Clement «Sir Coxson» Dodd, dem Betreiber des Studio One, vor. Erst der fünfte Song, den sie anstimmten, Marleys Motto: «You can fool some people sometimes, but you can't fool all the people all the time.»
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YESTERDAY
«Keiner nur wir selbst können unseren Verstand befreien.»
«Rastafari ist keine Religion, es ist eine Lebensart»
Lebe das Leben, dass du liebst und Liebe das Leben, dass du lebst. Bob Marley
Seine Konzerte waren eine Botschaft für den Frieden.
liess Dodd aufhorchen: «Simmer Down», welches bald bei Tanzveranstaltungen überall auf der Karibikinsel rauf- und runtergespielt und so zu einem ersten lokalen Hit für die «Wailers» wurde. Etwa 20 Singles entstanden in der Folgezeit, ehe die Zusammenarbeit mit Dodd 1966 endete.
Lange Zeit galt der raue jamaikanische Reggae im Ausland als unvermarktbar. Das von Perry produzierte «Soul Rebels»-Album war 1970 das erste, das auch in England verkauft wurde. Besonders bei Migranten aus der Karibik fand es Absatz, doch auch Mitglieder der weissen Arbeiterklasse fühlten sich von den politischen Texten angesprochen. Ein Fabrikarbeiter konnte sich leicht vorstellen, dass der besungene «Slave Driver» nicht zwangsläufig ein Plantagenbesitzer sein muss, sondern dachte bei diesem Appell gegen Ausbeutung und Unfreiheit vielleicht an den Chef seiner eigenen Firma. Zu diesem Zeitpunkt wurde Chris Blackwell, der Chef von Island Records, auf die Band und besonders ihren Frontmann Marley aufmerksam. Er stattete die Wailers mit einem Vorschuss aus, und so begann man mit den Arbeiten an «Catch A Fire».
Die Welt der Rastafarians Dieses Jahr stellte gleich in mehrerer Hinsicht einen Einschnitt dar, denn Bob heiratete im Februar Rita Anderson, und der äthiopische Kaiser Haile Selassie besuchte die erst vor kurzem in die Unabhängigkeit entlassene Insel, wodurch Marley und viele andere Jamaikaner zum ersten Mal mit der Gedankenwelt der Rastafarians in Kontakt kamen. Die Karriere der Wailers kam erst 1970 wieder so richtig in Fahrt, als sie ihre Zusammenarbeit mit dem Produzenten Lee «Scratch» Perry begannen. Bei ihm im Studio traf Marley die für Bass und Schlagzeug zuständigen Barrett-Brüder Aston «Family Man» und Carlton, die er, als man Perry im folgenden Jahr wieder verliess, abwarb und gleich für die «Wailers» unter Vertrag nahm. Sie sollten in den kommenden Jahren den Sound der Band enorm mitprägen.
Für die ungeschliffenen Originalaufnahmen sah Blackwell jedoch kaum Erfolgschancen. Um die Wailers einem internationalen weissen Publikum schmackhafter zu machen, engagierte er in London Session-Musiker, die die ursprünglichen Versionen der eingespielten Songs mit Keyboards- und Gitarren-Overdubs rockiger machten. Bass, Congas und Schlagzeug traten dafür im Mix in den Hintergrund.
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Musik für eine bessere Welt
Als er im Mai 1981 starb, bekam er auf Jamaika ein Staatsbegräbnis. Abertausende erwiesen dem heute noch bekanntesten Sohn der Karibikinsel die letzte Ehre. Inzwischen ist Bob Marley zu einer regelrechten wahren Kulturikone geworden. Viele sehen in ihm eine Art Guerilla-Kämpfer, dessen Waffen die Worte seiner Lieder waren. Er forderte die Herrschenden heraus, kämpfte für Gerechtigkeit und gegen Unterdrückung. Er war bereit, die Stimme für all jene zu erheben, die selbst keine eigene Stimme hatten.
Im April 1973 war «Catch A Fire» das erste Wailers-Album, das weltweit veröffentlicht wurde. Ausgiebige Tourneen durch England und die USA schlossen sich an, mit denen sich die Band eine stetig wachsende Zuhörerschaft erspielte. Nach dem zweiten Album für Island, «Burnin’», stiegen Bunny Wailer und Peter Tosh aus, um sich ihren eigenen Solokarrieren zu widmen. Nun waren die Wailers endgültig Marleys reine Begleitband und er der Star. Die BarrettBrüder wurden in der Folge musikalisch mehr eingebunden, zum ersten Mal auf dem 1974er Album «Natty Dread», der vielleicht besten Wailers-Platte, die auch eine erste Version des späteren Hits «No Woman, No Cry» enthielt.
Was bleibt, sind seine Lieder, die von der Schwere des Alltags berichten, zugleich aber auch Mut machen und von Erlösung und Befreiung handeln.
«Geld kann Leben nicht kaufen.»
Marley wollte mit seiner Musik die Welt verändern. Er wollte gegen Erniedrigung und Korruption vorgehen und die Ungerechtigkeit des Systems bekämpfen. Seine Hoffnung auf eine bessere Welt verlor er nie.
Bob Marley, auf dem Sterbebett, 11. Mai 1981 in Miami
Legendär wurde 1978 das «One Love Peace Concert», das vor 85.000 Jamaikanern stattfand. Ziel der Veranstaltung war es, ein Zeichen zu setzen gegen die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Land. Marley war es, der die Parteivorsitzenden der beiden völlig verfeindeten politischen Lager gemeinsam auf die Bühne brachte und zu einem symbolischen «hand shake» Händeschütteln überredete.
Island Records 1959 gründete Chris Blackwell die Plattenfirma Island Records, das erfolgreichste unabhängige Musik-Label aller Zeiten. In den ersten Jahren konzentrierte man sich darauf, Platten aus der Karibik nach England zu importieren. 1964 wurde Millie Smalls «My Boy Lollipop» zum ersten Hit. Ein Jahr später folgte die Spencer Davis Group mit «Keep On Running». In der Folge wurde Island vermehrt zur Heimat für britischen Folk-Rock: Fairport Convention, Cat Stevens, John Martyn oder auch Nick Drake veröffentlichten dort.
Zu diesem Zeitpunkt war bei Marley bereits Krebs diagnostiziert worden. Dieser war auf eine alte, unbehandelt gebliebene Verletzung am Zeh zurückzuführen. Man riet ihm zu einer Amputation, doch als Rasta glaubte Marley daran, dass der Körper unversehrt bleiben müsse. Entweder er würde den Krebs aus sich selbst heraus besiegen oder, wenn dies Gottes Wille wäre, die wuchernden Metastasen eben ihn. Obwohl von der Krankheit geschwächt, trieb Marley trotzdem seinen Traum voran, mit der Musik jeden Winkel der Erde zu erreichen. Er trat in Europa, Japan, Australien und Neuseeland auf und erfüllte sich 1980 einen letzten grossen Traum, als er mit den Wailers auf dem afrikanischen Kontinent spielte, unter anderem bei den Unabhängigkeitsfeiern in Zimbabwe.
Mit Jimmy Cliff und den Wailers hielt dann der Reggae Einzug. In den Siebziger und Achtziger Jahren veröffentlichten so unterschiedliche Künstler wie U2, Jethro Tull, Roxy Music, Marianne Faithfull, The B-52’s, Tom Waits und Grace Jones ihre Alben bei Island. 30 Jahre im Musikgeschäft seien genug, fand Blackwell 1989 und verkaufte seine Firma für 272 Millionen Pfund an PolyGram. Inzwischen vermietet er Luxusimmobilien auf Jamaika und produziert mit «Blackwell Black Gold» seinen eigenen Rum.
Auf Drängen Blackwells musste Marley den geplanten Albumtitel «Black Survival» in «Survival» abkürzen, um die weisse Käuferschaft nicht zu befremden. Das Cover zierten dennoch 49 Flaggen afrikanischer Staaten sowie der Plan eines Sklavenschiffs, der verdeutlichte, wie die Afrikaner auf der Überfahrt nach Amerika zusammengepfercht wurden.
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Paradies auf Erden Das
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D von Yvonne Beck
ie Inseln der Südsee gleichen winzigen Stecknadelköpfchen inmitten einer gewaltigen blauen Wassermasse, aber gerade das macht ihren Zauber aus, weit abgeschnitten vom Festland und für lange Zeit schier unerreichbar, konnten sie sich bis jetzt ihren eigenen Zauber erhalten. Und so heisst es: «Iaorana e Maeva» – «Herzlich willkommen im Garten Eden!» Ja, allein der Klang der Inselnamen Bora Bora, Tahiti, Mo’orea und Taha’a ist Balsam für die Ohren und lässt Fernweh aufkommen. Denn der Mythos der Südsee ist tief verwurzelt, durch Filme wie «Meuterei auf der Bounty» und den Südseebildern des französischen Malers Paul Gauguin.
Klares türkisfarbenes Wasser, weisse Sandstrände, hohe, sich im Wind wiegende Kokospalmen, Sonnenschein und tanzende Schönheiten – seit vor über zweihundertfünfzig Jahren «La Nouvelle Cythère» in den Weiten des fernen Pazifiks entdeckt wurde, hat das Paradies auf Erden einen Namen – die Südsee.
Bilder des Südseetraums
dsee
Im Jahre 1891, zwei Tage nach seinem 43. Geburtstag, erreichte Paul Gauguin die Südseeinsel Tahiti. Hinter ihm liegen Jahre voller finanzieller Sorgen und gesundheitlicher Probleme, eine gescheiterte Ehe und die Trennung von seinen fünf Kindern. Er hofft, in der Südsee das Paradies zu finden, in dem man ohne zu arbeiten ein glückliches, ursprüngliches Leben führt. «Die Tahitier», so meint er zu wissen, «die glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien, kennen vom Leben nichts als die Freuden. Für sie heisst leben, zu singen und zu lieben.».
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Doch gleich nach der Ankunft in Pape’ete, der Hauptstadt Tahitis, ist er schockiert, westliche Einflüsse haben die polynesische Kultur und die alten Traditionen vielfach verdrängt. Er mietet sich ein Haus an der Südküste und wohnt dort zusammen mit einer 13-jährigen tahitianischen Geliebten, die ihm häufig Modell steht. Gauguins Gesundheitszustand macht ihm zu schaffen, Herzbeschwerden, Syphilis und chronische Augenentzündungen nötigen ihn wiederholt, nach Frankreich zurückzukehren. Doch die Südsee lässt ihn nicht los und zieht ihn immer wieder in ihren Bann, er lässt sich schliesslich in Atuona, dem Hauptort der Insel Hiva Oa, nieder. Hier stirbt er am 8. Mai 1903. Sein Paradies, wie er es sich vorgestellt hat, hat er nie gefunden. Genauso wenig wie Charles Strickland, jener Geschäftsmann in «The Moon an Sixpence» von William Somerset Maugham, dem das Leben Gaugins als Romanvorlage diente. Noch heute vermitteln und prägen Gauguins Südseebilder unsere paradiesischen Vorstellungen Polynesiens. Schöne Menschen, in bunten Kleidern, die am Strand die Sonne geniessen. Nur wer genauer hinschaut, erkennt die melancholischen Züge der Frauen in seinen Bildern.
«Die glücklichen Bewohner eines unbeachteten Paradieses in Ozeanien kennen vom Leben nichts anderes als seine Süsse.» Paul Gauguin
Heute erinnert eine Dauerausstellung im Espace Culturel Paul Gauguin an den Maler, sie zeigt verschiedene Reproduktionen seiner Werke. Die dahinterstehende Maison du Jouir, das «Haus des Genusses», ist ein Nachbau seines zweistöckigen Wohnhauses. Das Original wurde auf Betreiben der Kirche nach Gauguins Tod niedergebrannt. Gleich im Eingangsbereich steht die realistische Wachsfigur des Künstlers. Sein Grabstein befindet sich oberhalb von Atuna auf dem Calvair-Friedhof. Nur wenige Schritte entfernt liegt die
letzte Ruhestätte des belgischen Chansonniers und Lyrikers Jacques Brel, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Madly Bamy ebenfalls hier lebte. Er verstarb 1978. Seine «Jojo», eine kleine Beechcraft Bonanza, mit der er häufig nach Tahiti flog, um Filme für sein Freiluftkino zu holen, ist zusammen mit einer kleinen Ausstellung im Hangar auf dem Gelände des Espace Culturel zu sehen. Die Fotos sowie die Musik Jacques Brels, die im Hintergrund gespielt wird, machen den Besuch zu einem besonderen Ereignis.
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Paradiesische Südsee: türkises Wasser, Traumstrände und Überwasserbungalows laden zum Träumen ein.
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Die Vielfältigkeit der Natur
neben der einzig anlaufbaren Passage Teavanui befindet sich die kleine Insel Tapu, die schon als Filmkulisse diente und auf der eine Zeit lang Paul-Émile Victor lebte. Auch für den Wassersport hat Bora Bora viel zu bieten. Ausflüge in der traditionellen Piroge oder im Katamaran und die Beobachtung von Mantarochen wie auch die Fütterung der Haie gehören heute zum Pflichtprogramm auf der Insel. Vermietet werden kleine Boote oder Jetskis sowie Hochseeyachten mit Skipper zur Beobachtung der Schwertfische im Ozean. Taucher aller Klassen finden hier Möglichkeiten, um ihre Neugier und Abenteuerlust zu befriedigen. Zu den bekanntesten Attraktionen der Tauchfans gehört die «Rochenstrasse», an der verschiedene Rochenarten vorkommen, darunter der in grossen Schwärmen schwimmende Leopardenrochen. Kein Wunder, dass in dieser kristallklaren Lagune das Glasbodenboot erfunden wurde.
Gauguin fand in der Südsee vielleicht nicht das von ihm erträumte Paradies – Krankheiten und finanzielle Nöte zermürbten ihn, doch als Feriengast kann man es sicherlich finden. Kaum ein Fleckchen Erde kann mit einer derart faszinierenden Naturpracht aufwarten. Anders als die Malediven, die zwar auch traumhaft schöne Strände und eine faszinierende Unterwasserwelt besitzen, sind die Inseln Polynesiens von einer ungeheuren Vielfältigkeit. Grünes Hinterland mit Vulkanen, Ananas- und Vanilleplantagen, Wasserfälle und Kokosnusshaine wechseln sich ab und lassen jede Insel etwas ganz Besonderes sein. Hier kommen Naturfreaks ebenso auf ihre Kosten wie Taucher oder Relax-Feriengäste, denn die Natur zeigt sich in der Südsee von ihrer besten Seite. Zudem ist die Lebensfreude der Inselbewohner einfach ansteckend. Irgendwo wird immer Ukulele gespielt und getanzt.
Vom Bett aus Fische beobachten
Die bekannteste Insel ist sicherlich Bora Bora. Sie gilt als «Perle der Südsee» und als eine der schönsten Lagunen der Welt. Das Wasser ist glasklar, die Farbenpracht der Unterwasserfauna überwältigend. Besonders Honeymooner folgen gerne den Spuren des Weltumseglers Alain Gerbault oder des Forschungsreisenden Paul-Émile Victor, um hier unvergessliche Flitterwochen zu erleben. Die Silhouette der Vulkaninsel besteht aus drei Bergen, deren höchster der 727 Meter hohe Mount Otemanu ist. Gleich
Doch nicht nur das Glasbodenboot wurde hier erfunden, auch die ersten Überwasserbungalows haben hier ihren Geburtsort. Auf Pfählen in die Lagune gebaute Bungalows gehören mittlerweile zu fast allen Luxusunterkünften Französisch-Polynesiens. Sie bieten den Gästen ganz besondere Ein- und Ausblicke: Durch eine Glasscheibe im Boden kann man gleich vom Bett aus blaue Seesterne, bunte Tropenfische, Schildkröten oder gar Riffhaie
Die Unterwasserwelt Polynesiens leuchtet in allen Farben.
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DREAMLANDS
beobachten. Ganz bequem, ohne nass zu werden. Die smarte Idee hatten drei Jungs aus Kalifornien vor über fünfzig Jahren, mehr aus Spass oder weil ihr Bauland ein bisschen zu klein ausfiel, zimmerten sie sich einen «Overwater Bungalow» zusammen. Und wieder einige Zeit später sägten sie Löcher in die Fussböden ihres Bungalows und legten Glasplatten ein. «Das Beste an unserem Hotel ist das Loch im Boden» lautet der Werbespruch für ihr Hotel. Inzwischen fand diese Idee sehr viele Nachahmer, und jedes Hotel, das etwas auf sich hält, besitzt Überwasserbungalows mit Glasböden. Einmal in so einem Bungalow zu übernachten ist ein unvergessliches Erlebnis.
«Ihr werdet keinen Platz finden, wo das Menschenlos ein glückliches ist, ausser in Tahiti.» Denis Diderot
Wo auch immer man sich in der Südsee aufhält, man ist einfach überwältigt von der Schönheit der Natur. Sie ist fast ein bisschen zu schön, um wahr zu sein, doch bei der Heimkehr trägt man sicherlich ein kleines bisschen von diesem Paradies auf Erden in seinem Herzen. Und vielleicht gelingt es dem einen oder anderen, sich diese Stimmung mit in den Alltag hinüberzuretten.
Stinkende Zauberfrucht
Die Schönste entpuppt sich oft als Mann
Der Geschmack der reifen Noni-Frucht wird mit unangenehm, faulig, an ranzigen Käse erinnernd umschrieben. Was so schmeckt, muss gesund sein, dachten sich findige Geschäftsleute und brachten Noni-Produkte als Wundermittel gegen allerlei Krankheiten auf den Markt. Die Inselbewohner Polynesiens assen die blassgrünen Früchte des Noni-Laubbaumes nur in Notzeiten, als Medizin spielten sie eher eine unbedeutende Rolle. In einigen westlichen Industriestaaten werden der Noni-Frucht dagegen eine Vielzahl gesundheitsfördernder Eigenschaften nachgesagt. Glaubt man den Anbietern, so werden durch den Konsum von Noni-Produkten Diabetes, Arthritis und selbst Depressionen geheilt. Verantwortlich hierfür soll der Wirkstoff Xeronin sein, der jedoch weder in der medizinischen noch in der pharmazeutischen Fachwelt bekannt ist. Trotzdem entwickelt sich der Absatz auf dem Weltmarkt höchst erfreulich. Im Falle Französisch-Polynesiens rangiert der Export von Bestandteilen der Noni-Frucht mittlerweile an erster Stelle.
In polynesischen Gesellschaften gehören Transvestiten zur Kultur – zur traditionellen wie zur modernen. Bereits im Kindesalter werden manche Jungen zu Mädchen erzogen, ihnen werden alle Arbeiten aufgetragen, die als weiblich gelten. Dieses geschieht häufig vor allem aus praktischen Gründen, wenn ein Ehepaar überwiegend Söhne hat und der Mutter ein Mädchen als Haushaltshilfe und bei der Betreuung der jüngeren Kinder fehlt. Allmählich übernehmen die «fa’afafine», wie sie in Samoa genannt werden, ihre neue Rolle als Mädchen oder später als Frau. Sie verkörpern das dritte Geschlecht auf den polynesischen Inseln. Manche kehren während der Pubertät in die angeborene Rolle zurück, viele bleiben jedoch in ihrer anerzogenen, fühlen sich als Frau, kleiden sich wie eine Frau und leben mit einem Mann zusammen. Einige adoptieren sogar Kinder und geben eine liebevolle Mutter ab. Die meisten sind berufstätig, arbeiten häufig in der Tourismusbranche sowie als Tänzerinnen, Choreografinnen und Sängerinnen, andere verdienen als Lehrerinnen ihren Lebensunterhalt.
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BEAUTY
Best Beauty Über den Dächern der Sihlcity, im Süden Zürichs, bietet die aussergewöhnliche und luxuriöse Wellnessoase asiaspa allen Entspannungssuchenden Raum und Zeit für eine geistige und körperliche Erholung. Das breitgefächerte Angebot mit Massage, Sauna, Fitness und asiatischem Hamam bietet den Gästen immer die Möglichkeit Ihren Besuch individuell auf Ihre Bedürfnisse abzustimmen.
M von Julia Jantschgi
© Hannes Heinz; Architekturbüro: Bellevue Studio
it einem warmen freundlichen Lächeln und der Begrüssung, «Herzlich Willkommen – Schön dass Sie heute bei uns sind», werden die Gäste im asiaspa an der Rezeption empfangen. Nach einem langen und anstrengenden Arbeitstag wohl der schönste Empfang, den sich ein erschöpftes und von der Arbeit müdes Pärchen vorstellen kann. Schon den ganzen Tag, seit der Buchung ihrer Wohlfühlpackages auf der asiaspa Homepage während der Mittagspause, freuen sich die Beiden auf ihre wohlverdienten Stunden der Entspannung. Nach einer kurzen Einführung in die Gepflogenheiten im asiaspa erklärt die Rezeptionistin dem Pärchen die unterschiedlichen Abläufe ihrer Behandlungen. Das Chinara Package führt die Dame in den Massagebereich, wo eine Therapeutin bereits mit einer Tasse Ayurvedatee auf ihren Gast wartet. Bereits mit dem Anlegen des flauschigen Bademantels beginnt die Anspannung von der gestressten Businessfrau abzufallen. Das Chinara Package, ein dreiteiliges Verwöhn- und Pflegetreatment, wird nun sein Übriges tun, um die wohlverdiente Entspannung zu schenken. Während seine Frau sich in die wohltuenden Hände der Therapeutin begibt, bekommt ihr Begleiter die letzten wichtigen Informationen, damit auch er sich im neuen asiaspa Hamam bei seinen Behandlungen voll und ganz entspannen kann. Bereits der Weg zum Eingang des Hamams lässt ihn das breitgefächerte Angebot des asiaspa erkennen und die Entscheidung, anschliessend doch noch länger hier zu verweilen, ist schnell gefällt.
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BEAUTY
Das mystische grüne Licht, welches mittwochs durch die Eingangstüre des Hamam strahlt, lässt die Erwartung und Spannung steigen. Jeden Tag verzaubert das asiaspa Hamam seine Gäste mit einer anderen Nuance des Farbspektrums, kombiniert mit unterschiedlichen Düften und Behandlungen. Am heutigen Mittwochabend steht das Hamam ganz im Zeichen des asiatischen Bambuswaldes, mit grünen Lichteffekten und den entspannenden Düften nach Hölzern und Gräsern. Damit das Erlebnis voll und ganz ausgekostet werden kann, ist jeder Schritt vorab erklärt und angeleitet. Somit begibt sich auch er im Hamam, gleich wie seine Partnerin bei der Massage, ganz in die Obhut der Hamam Koordinatorin, welche durch das einzigartige Erlebnis führt. Im Dampfbad, der ersten Station des Hamamrundganges, beginnt auch bei ihm sich die Anspannung zu lösen. Die Wärme entspannt den Körper nach dem anstrengenden Tag und öffnet die Poren. Im Anschluss erhält er eine silberne Wasserschale und einen Rohseidenhandschuh für das reinigende Peeling im Lif/Kese Raum. Hier hat er sich heute für die Eigenanwendung entschieden um sich nach eigenem Ermessen in Ruhe mit pflegender Eukalyptusseife verwöhnen zu können. Nach dem Peeling wird er von der sich dezent im Hintergrund haltenden Koordinatorin zum Onsenbecken begleitet, wo sich Körper und Geist im 37 Grad warmen Wasser entspannen können. Um den Kreislauf im feuchtwarmen Klima des Hamam stets aufrecht zu halten, wird dem Gast immer wieder ein Glas erfrischendes Wasser oder ein auf das Tagesthema abgestimmter Tee angeboten. «Im Rasul kommen wir nun zum Höhepunkt der Körperpflege», erklärt die Koordinatorin mit einem freundlichen Lächeln. Die Vulkanaschepackung pflegt und reichert den Körper zusätzlich mit Mineralstoffen an. Mit der Anleitung zur Verwendung überreicht die Mitarbeiterin ihrem Gast die Schale mit der pflegenden Packung und schliesst behutsam die Türe des Rasul. Nach einer zehnminütigen Einwirkphase im Dampf spürt er plötzlich die ersten feinen Tropfen eines kühlenden Monsunregens auf der Haut und vergessen ist der Stress des Tages. Nach der anschliessenden zwanzigminütigen Massage steht für ihn fest, was ab nun in seiner Wochenplanung nicht mehr fehlen darf, es gibt ja noch sechs andere Tagesthemen im asiaspa Hamam zu erleben. Während sich ihr Partner im asiatisch inspirierten Hamam verwöhnen liess, geniesst die Geschäftsfrau die ungeteilte Aufmerksamkeit der Massagetherapeutin im Treatment. Von Kopf bis Fuss wird man hier mit einem reinigenden Peeling, einer entspannenden Massage und einer pflegenden Gesichtsbehandlung verwöhnt. Bei der Akupressurmassage entlang der Meridiane fällt auch von ihr der letzte Rest Anspannung ab und der Stress des Tages ist vergessen. Bei jedem Schritt erkundigt sich die Therapeutin freundlich und dezent nach den Vorlieben, um keinen Zweifel an der individuellen Betreuung der Gäste aufkommen zu lassen. Nach zweieinhalb Stunden Verwöhnprogramm treffen sich die Beiden zum Ausklang des Abends in der Lounge des asiaspa. Auf den ersten Blick sehen beide, dass es für sie wohl kaum einen besseren Ort zur Entspannung hätte geben können. Körper, Geist und Seele sind in neuer Balance und beide sind sich einig, dass der nächste Termin im asiaspa nicht lange auf sich warten lassen wird. www.asia-spa.com
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Fechten Der elegante Sport in Weiss M von Lone Halvorsen
Der Leitsatz des klassischen Fechtens lautet: «Treffen, ohne selbst getroffen zu werden». Höflichkeit, Ehre, Genauigkeit, Technik und Ästhetik – dazu bekennt sich der traditionelle Fechter. Es ist kein Leistungssport, sondern eine Kunst.
it dem Kreuzen der Klingen beginnt ein Drei-Stufen-Prozess: Informationsbeschaffung, Entscheidungsfindung und Handeln. Die Behauptung, dass Angriff die beste Verteidigung ist, würde ein erfahrener Fechter verneinen. Wer garantiert, dass zum Zeitpunkt des Angriffs nicht auch der Gegner im selben Moment angreift? Nur wer pariert, schützt sich vor einer Wunde. Somit liegt der Schwerpunkt des Fechtens nicht ausschliesslich im Setzen eines Treffers, sondern ebenso in der Abwehr.
Neue Kampfkünste und neue Waffen Das älteste Lehrbuch einer europäischen Kampfkunst wird auf Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts datiert und beschrieb den Umgang mit Schwert und Faustschild. Der Begriff des Fechtens umfasste zu dieser Zeit das ganze Repertoire des
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bewaffneten und unbewaffneten Kampfes. Gelehrt wurden somit nicht nur der Umgang mit dem Schwert, sondern auch die Handhabung von Spiessen und Hellebarden, Dolchen sowie auch das Ringen. Bemerkenswert ist, dass es einige Aufzeichnungen von Mönchen beim Waffentraining gibt. Kämpfende Mönche waren also kein Privileg des Shaolin-Klosters in China.
Gebräuchen der Zeit, als Krieger und Soldaten ein Rapier und oft auch einen Dolch als Bewaffnung mit sich trugen. Somit wurde es gang und gäbe auch in Zivil eine Waffe bei sich zu tragen, woraus häufiger Streitigkeiten mit der Waffe in der Hand ausgetragen wurden. Zu dieser Zeit entwickelte sich das Fechten als bürgerlicher «Breitensport» weiter – und zusätzlich zum Rapier gehörten das Reitschwert, der Dusack und die Stange zu den typischen Waffen dieser Zeit. Das Rapier wurde immer kürzer und entwickelte sich schliesslich, vorwiegend aufgrund modischer Einflüsse, zum Galanteriedegen, auch Hofdegen genannt. Mit dieser leichten neuen Waffe änderte sich auch immer mehr die Fechtweise: Während in früheren Zeiten darauf geachtet wurde, Abwehr und Gegenangriff in einer Bewegung zu führen, wurde nun die Parade-Riposte üblich.
Der römische Schriftsteller Vegetius berichtet, dass in der Antike Fechten systematisch gelehrt wurde, und diverse Quellen erwähnen, dass auch in den folgenden Jahrhunderten der Unterricht in verschiedenen Kampfkünsten geordnet durchgeführt wurde. Aufgrund neuer Kampfweisen mit dem Langen Schwert und dem Langen Messer verlor das Schild zunehmend an Bedeutung, und die Entwicklung des Rapiers im 16. Jahrhundert setzte sich vermehrt durch.
Frankreich übernahm die Führungsrolle der Fechtschulen in Europa, und im 18. Jahrhundert erreichte das Fechten am französischen Hof die nächste grosse Stufe mit der Entwicklung des «Degens» und später des «small sword», einer Waffe, leichter und biegsamer als das Rapier, dem heutigen Florett gar nicht unähnlich. Im modernen Sportfechten haben sich aus dieser Entwicklung drei Waffen erhalten: das Florett, der Degen und der Säbel.
Ursprünglich wurde es als ziviles Schwert entwickelt, das hauptsächlich zu Selbstverteidigungs- und Duellzwecken genutzt werden sollte. Die Klingen wurden schmäler und leichter, die Parierstange entwickelte sich von der einfachen Querstange zu einem Griffkorb, der die ganze Hand schützte. Es entsprach jedoch den
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«Touché» Das moderne Sportfechten mit den drei Waffengattungen Florett, Degen und Säbel ist in der Grundtechnik miteinander verknüpft, aber unterscheidet sich bei der Taktik. Die menschlichen Eigenschaften repräsentieren die geistige Stärke, die athletischen Qualitäten und die körperliche Kraft. Alle sind notwendig, weil ohne sie die Fechttechnik nicht vollständig zum Ausdruck kommen würde. Auf einer bis zu zwei Meter breiten und 14 Meter langen Bahn finden die Gefechte statt. Beim Florett zählen nur Treffer auf dem Oberkörper ohne Arme und Kopf. Beim Degen dagegen ist der gesamte Körper von Kopf bis Fuss Trefffläche. Beim Säbel umfasst die Trefffläche den Teil des Körpers oberhalb der Hüfte.
Hiebfechten – es wird nicht gestochen. Die Fechter stehen sich in einem festgelegtem Abstand gegenüber, der Abstand, ist die Mensur. Das Einzige, was sich bewegt, ist der Fechtarm, und die Kunst besteht darin, gleichzeitig einen Hieb auszuführen und dabei trotzdem gedeckt zu bleiben. Aufgrund vieler schwerer Verletzungen und Todesfälle wurde die Stossmensur verboten. Kurios war, dass die letzten Studenten, die an der Stossmensur festhielten, die Theologiestudenten waren, da das Stossfechten im Gegensatz zum Hiebfechten weniger sichtbare Narben hinterliess.
Der Kampfrichter eröffnet das Gefecht mit «Êtes vous prêts?» – «Sind Sie bereit?» – und nachdem die Kontrahenten dies bejaht haben, erfolgt das Kommando «allez». Traditionell sagt der klassische Fechter einen erhaltenen Treffer an – «touché» – was bedeutet «ich wurde berührt». Der Fechter erkundigt sich nicht bei seinem Gegner, ob er getroffen wurde. Selbst wenn der Gegner einen Treffer ansagt, der Angreifer aber meint, nicht wirklich getroffen zu haben, darf er den zugegebenen Treffer nicht für sich im Anspruch nehmen. «Pas de touché» – «nicht einen Hauch». Die bereits erwähnte Ehrlichkeit, Ritterlichkeit und Höflichkeit gibt ein Bild vom Charakter des Fechters wieder. Er ist sich selbst verantwortlich.
Moderner Fünfkampf Bereits seit 1912 gibt es einen Wettbewerb im modernen Fünfkampf bei Olympischen Spielen. Die Sportart wurde damals eingeführt, um den idealen Athleten zu finden. Denn hier zählt nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch die geistige, um eine Chance auf den Sieg haben zu können. Obwohl es die Sportart schon so lange gibt, ist sie bei den meisten weithin unbekannt. Der moderne Fünfkampf ist eine Kombination aus den Disziplinen Schiessen, Fechten, Schwimmen, Reiten und Laufen. Anfangs betrieben hauptsächlich Sportler aus dem Militär oder der Polizei modernen Fünfkampf – es wurden Fähigkeiten gefordert, die in diesen Berufsgruppen ebenfalls notwendig waren. So sollte man den perfekten Athleten finden.
Das akademische Fechten Auch Studenten beteiligten sich mit grossem Eifer am Fechtsport, obwohl die Professoren versuchten, dieser Ablenkung vom Studium Einhalt zu gebieten. Als dann die Studentenschaft ihr Recht erstritt, als Zeichen des Standes ständig eine Waffe zu tragen,
sah es jeder Student als seine Verpflichtung an, sich nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch im Fechten auszubilden. Da auf den Universitäten viele junge Männer auf engstem Raume «aufeinander sassen», kam es naturgemäss zu vielen Reibereien. Diese wurden mit Vorliebe mit der blanken Waffe in Form eines Duells ausgetragen. Duellverbote und die Drohung der öffentlichen Behörden halfen da nicht. Universitäten besassen ihre eigene Gerichtsbarkeit, hätten sie aber Strafen durchgesetzt, wäre es zu einer Massenabwanderung der Studenten gekommen. Und dies konnte sich keine Hochschule leisten. Dennoch waren die Regeln für solche Duelle keineswegs festgelegt. Erst im Laufe der Zeit entwickelte sich eine ritualisierte Methode, solche Duelle durchzuführen: die so genannte «Mensur». Das Mensurfechten ist reines
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