PRESTIGE Mallorca I Ibiza Volume 33 Auszug

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VOLUME 33 l WINTER 2014/15

MALLORCA |  IBIZA

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INHALT TITELGESCHICHTE LA SERENISSIMA Venedig

38 26

TRAVEL 36

WUSSTEN SIE SCHON…? Saunagondel, Hotelschuh & die Wüste Nevadas

38 AMAZONAS Peru 44 DIE RIESENBÄUME KALIFORNIENS Sequoia National Park 48

GESCHICHTEN AUS DEM MÄRCHENSCHLOSS Château Gütsch

52

URLAUB AUF RIESENSEEROSENBLÄTTERN Die Zukunft der Kreuzfahrtindustrie

54

TRAVEL BOOKS Von Tibet bis Alaska

56

DIE BRITISCHE METROPOLE East London calling

62

ROALD AMUNDSEN Sieger im Wettlauf zum Südpol

64

64 150 JAHRE WINTERTOURISMUS Von Pionieren und Innovationen 68 INSIDEREI Salzburg und Umgebung

CULTURE 78

JULIETTE BINOCHE Die schöne Wandelbare

84 KUNST & ESSEN Brot, Absinth & Tomatensuppe 88 MUSEUMSPERLEN Schweizer Orte der Kunst 91

NIKI DE SAINT PHALLE Kunst als Lebensprinzip

92

IM DICKICHT DER GROSSSTADT Rudy Burckhardt

94

ZU BESUCH BEI ONKEL TAA k. u. k. Museum in Bad Egart

96

EIN BUCH DER SUPERLATIVE Birds of America

101 SHINES LIKE A DIAMOND Scarlett Johansson

16 | PRESTIGE

JACQUES COUSTEAU Der Anwalt der Meere

72

EINZIGARTIGE UNTERKÜNFTE Vom Gefängnis in den Leuchtturm

74

SONNE, STRAND UND KALKSTEINFELSEN Thailands Süden

96

98 CRIMINALS Der Kaufhauserpresser

102 WINTER’S DIARY Icehotel, Schlittschuhbahn, Weihnachtsmarkt

70

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INHALT WATCHES & JEWELLERY 104 UHREN IM WANDEL Tradition trifft auf Innovation 122 124

NACHWUCHS DER JUWELENBRANCHE Eddie Borgo DER TEUERSTE SCHATZ DER WELT Die britischen Kronjuwelen

126 WUSSTEN SIE SCHON…? Gold & wertvolle Münzen

132

128 NACHTUHREN Die Gebrüder Campani 132 DER ZAUBER EINES GEKRÖNTEN HAUPTES Das Diadem 136 ERÖFFNUNG IN ST. MORITZ «Serlas Unique Jewellery»

168

DRIVE STYLE

138

138 DER LETZTE SILBERPFEIL Der Rennwagen Typ 650 144 PIRELLI KALENDER 2015 Stefan Meisel 150 AUTO MEETS MODE Haute Voiture 152 FORMEL-1-TYCOON Bernie Ecclestone 154 DER HEIMLICHE FILMSTAR Autos in der Filmgeschichte 157 WUSSTEN SIE SCHON…? Velo-Hotel & Umweltauto 158 PALÄSTE DER MEERE Die grössten Motorjachten der Welt 162 GESPROCHENES AUTOMOBIL Aphorismen und Zitate 164 ERSTER SUV OHNE KOMPROMISSE Volvo XC90 168 ITALIENISCHES AUTODESIGN MIT TRADITION Pininfarina S.p.A. 172 GOODWOOD REVIVAL Downton Abbey trifft Motorsport

18 | PRESTIGE

172

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INHALT

200

FASHION 182 PAUL POIRET Le Magnifique 190 DIE IKONEN DER VERGANGENHEIT Supermodels

236

193 LINDA EVANGELISTA Das Model der Rekorde

BEAUTY

194 WUSSTEN SIE SCHON…? Topverdiener & Dessous-Verbot 198 DIE BARBIE Mädchentraum & Fashion-Ikone

226 ÜBER DEN GLOBUS SPA(-ZIERT) Exotische Wellness-Highlights

200 DIE KRAWATTE Und ewig schmückt der Knoten …

232 FRÉDÉRIC MALLE Kurator der Düfte

204 DIE ENTHÜLLUNG Prestige presents Federico Cabrera

236 BART … ABER HERZLICH Don’t shave it!

217 WILLY BOGNER Welterfolge in jeder Disziplin

240 SIX SENSES Von Alpaka bis zum Duft der Riviera

218 FASHION-KLASSIKER Der Smoking

242 BEAUTY FOOD Schönheit geht durch den Magen

220 NEUES AUS DER MODEWELT Von Kuschellook bis Masshemd

245 UDO WALZ Der Friseur der Stars

222 FASZINATION SCHUHE Funktion & Tick

246 NEUES AUS DER BEAUTYWELT Faltenfrei & französisch

189

242

LIVING

248 20 | PRESTIGE

248 JAIME HAYÓN Jaime im Wunderland

266 WEGWEISEND Das Aktivhaus B10

256 MEHR FARBE IM LEBEN Samsung Galaxy Tab S

268 REVOLUTIONÄRER KLANG Avantgarde Acoustic

258 GERRIT THOMAS RIETVELD Mehr als ein Designer

270 DESIGN-KLASSIKER Freischwinger MR10

260 NEUES AUS DER DESIGNWELT Von Karim Rashid bis zur Birdie

274 QUALITÄTSLABEL «SWISS MADE» Schweizer Design erobert die Welt

262 PHILIP JOHNSON Querdenker und Stararchitekt

277 NEUES AUS DER DESIGNWELT II String, Elica & Spun

265 ANTONI GAUDÍ Das Wunderkind des Modernismo



294

INHALT CULINARIUM

278 MONSIEUR TANG LÄCHELT Ein kulinarischer Spaziergang durch Paris 283 FLORIANE EZNACK Chef de Cave 284 FINE DINING IM BIG APPLE Trüffel 286 PURER GENUSS Der beste Bartender der Schweiz

278

FINANCE

288 NEUES AUS DER GOURMETWELT Whiskey & Zigarren 290 DER TRADIDIONSREICHE WHISKEY Jack Daniel’s

298 SWISS ASSET MANAGEMENT Spezialisierung ist der Trend

291 WUSSTEN SIE SCHON…? Elefanten-Kaffee & Cocktail de luxe

308 RUHIGE ZEITEN SIND VORBEI Die Perfomance von Schweizer Privatbanken

292 NEUES AUS DER GOURMETWELT II Lass die Korken knallen!

312 FALSCHE STRATEGIEN Die folgenschwersten Anlegerfehler – Teil 2

294 EIN KURZES GESPRÄCH ÜBER WEIN James Suckling

316 WERTEWANDEL BERÜCKSICHTIGEN Individualisten führen und motivieren

297 HORST LICHTER Kann Butter Sünde sein?

284

KOLUMNEN 86 188 304 305 306 314

WILHELM J. GRUSDAT – Mittag ist dann, wenn die Sonne am höchsten steht. TAMARA WERNLI – Verschont uns mit Reizwäsche! ARIANE DEHN – Gute Aussichten für internationale Immobilienaktien RETO RINGGER – Wie sieht der Fussabdruck meines Vermögens aus? EVI GIANNAKOPOULOS – Wann kommt das grosse Umdenken? WALTER BOLLIER – Auf der Suche nach Rendite

NEWS 97 EIN HAUCH VON VINTAGE 131 SCHMÜCKENDE MUST-HAVES 143 GENTLEMAN LIKE 167 TICKENDE PREZIOSEN 189 GOLDSCHATZ 195 «DIAMONDS ARE A GIRL’S BEST FRIEND»

22 | PRESTIGE

196 203 216 221

KIDS WORLD BORN TO BE WILD WAS MANN BEGHERT DIESER WINTER STEHT IN FLAMMEN

231 GOLD IS THE NEW BLACK 233 MEN’S CARE 234 SCHÖN DURCH DEN WINTER 254 FESTLICHE TISCHDEKORATION 272 HOME IS WHERE YOUR HEART IS 320 VORSCHAU & IMPRESSUM


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GESCHÄTZTE LESERINNEN LESER

W

ir begrüssen Sie zur Lektüre unserer Winterausgabe. Spazieren Sie mit uns durch die Welt der Fashion­ brands, dröhnender Motoren, kulinarischer Köstlichkeiten und alter Raritäten. Tauchen Sie ein in die winterliche Melancholie der Lagunenstadt Venedig und begeben Sie sich mit uns auf die Spuren des venezianischen Karnevals und der Tradition der Masken. Eine weitere Reise führte uns nach Paris, der Topdestination für Feinschmecker. Die französische Metropole lockt nicht nur mit zahllosen Märkten und einigen der schönsten Delikatessen­ geschäften der Welt, sondern auch mehr als 10’000 Cafés, Brasseries und Bistros. Ganz zu schweigen von den legendären Gourmettempeln der Stadt. So glänzen in der Seine-Metropole aktuell gleich über neun Restaurants drei Michelin-Sterne. Wir haben aus dieser Flut vier ganz besondere Tipps für Sie herausgepickt. In letzter Zeit wurde viel über die Befreiung vom Krawattenzwang diskutiert. Wo, wie und wer ist heute noch verpflichtet, Krawatte zu tragen? Anlass genug für uns, sich genauer mit der Geschichte dieses Herren-Accessoires auseinanderzusetzen, zumal es eng mit der Schweizer Textilgeschichte verbunden ist. «Etwas, worüber nicht gesprochen wird», konstatierte schon Oscar Wilde, «das ist in unserer Zeit gar nicht geschehen.» In diesem Sinne bemüht sich die Industrie beständig um Inno­ vationen, welche für Gesprächsstoff sorgen und potenzielle Kunden zum Besitzen wollen animieren. Wie sehr diese Aussage auch die ehrwürdige Uhrenindustrie bestimmt, zeigt unser Autor Ihnen anhand der neusten Zeitmesser.

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Yvonne Beck Chefredaktorin

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Venedig, die Königin der Adria, ist eine einzigartige Stadt mit einer einzigartigen Geschichte. Gondeln statt Autos, Kanäle statt Strassen, prachtvolle historische Bauten und Kunstschätze. Über alldem liegt eine romantische Patina mit einem Hauch Melancholie. Yvonne Beck


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Die versinkende Stadt Überflutete Plätze und Gassen sind in Venedig nichts Aussergewöhnliches. Schuld daran ist zum einen der Anstieg des Meeresspiegels. Zum anderen jedoch das Fundament der Inseln. Der Boden, auf dem Venedig erbaut wurde, gibt unter dem gewaltigen Gewicht der Bauwerke nach. So besteht die grosse Gefahr, dass Venedig langsam, aber sicher ver­ sinken wird. Einige Millimeter im Jahr sinkt der Boden unter der Stadt in die Lagune – in den vergangenen 100 Jahren insgesamt um 23 Zentimeter. Fieberhaft arbeitet man an Rettungsmassnahmen. Bisher ohne Erfolg. Zwar sinken bebaute Bereiche nur noch um ein bis zwei Milli­ meter pro Jahr ab, doch bisher schaffte man es nicht, den Vorgang ganz zu stoppen. Das sinkende Venedig und das steigende Meer vertragen sich nicht gut – eine gefährliche Konstellation, bei der nur zu hoffen bleibt, dass die Wellen der Adria nicht am Ende Oberwasser be­ kommen und Venedig zu einem zweiten Atlantis wird. Der Lido di Venezia ist eine von drei lang­ gezogenen Sandbänken, ohne deren Schutz Venedig längst in den Fluten der Adria versunken wäre. Der Lido ist zwölf Kilometer lang und verfügt über ausgedehnte Strände. Ein erholsamer Kontrast zum besonders in den Sommer­ monaten recht überfüllten Venedig.

Facts & Zahlen

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Der historische Stadtkern von Venedig wurde auf 150 nahe beieinanderliegenden Inseln gebaut. Das Stadtgebiet umfasst ungefähr acht Quadratkilo­meter. Es gibt rund 150 Kanäle, circa 3000 Strassen und Gässchen sowie über 400 Brücken. Durch eine drei Kilometer lange Brücke ist die Altstadt Venedigs mit dem Festland ver­b unden. Auf den 222 Bögen der Brücke verlaufen eine vierspurige Auto­ bahn sowie eine vierspurige Eisenbahn­ linie. Von den etwa 270’000 Einwohnern leben rund 200’000 auf dem Festland.


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enedig ist wie ein riesiges Gemälde, in dem man spazieren gehen kann. Beim Anblick der Palazzi, Kirchen und Häuser verschlägt es einem schnell die Sprache. Die Zeugen seiner fabelhaften Vergangenheit – Strassen, Gassen, Brücken, Plätze und Höfe – werden nie aufhören, Menschen aus aller Welt zu bezaubern. Ein ganz besonderes Flair verströmt die Lagunenstadt jedoch nicht in den beliebten Sommermonaten, sondern in der eher tristen Winterzeit.

Die melancholische Stadt und der Karneval Wenn der Nebel die Kanäle entlangzieht und nur das regelmässige Schlagen der Wellen gegen die Pfähle und die verankerten Boote zu hören ist, die Touristenströme versiegt sind und nur das Kreischen vereinzelter Möwen die Luft durchschneidet, wird Venedig zum Inbegriff der Melancholie. Grau und kalt sind die Tage im Winter, aber genau das ist es, was den ganz besonderen Charme ausmacht. Nebel, Stille und «Aqua Alta» zeigen ein Venedig, das noch nicht viele für sich entdeckt haben. Und genau zu dieser Zeit bricht alljährlich in den Gassen der Stadt der Karneval aus. Karneval wird zwar in vielen Ländern und Städten weltweit gefeiert, der Karneval Venedigs ist jedoch einzigartig aufgrund des ganz besonderen Charakters der Lagunenstadt. In Venedig gibt es keine lärmenden, bunten Umzüge. Niemand wirft Kamelle oder spielt laute Guggenmusik. Der venezianische Karneval ist ein ruhiges, mystisches, fast vornehmes Fest wie aus einer anderen Welt. Die meisten Venezianer schneidern und basteln ihre an historischen Vorbildern orientierten Kostüme auch heute noch selbst. Diese besonderen Kostüme, die traditionellen Masken und die einzigartige Kulisse der historischen Palazzi verwandeln Venedig in eine irreale Märchenwelt. Arlecchino, Pulcinella, Patalone und andere Gestalten der klassischen Commedia dell’Arte tanzen auf der Piazza neben prachtvoll gewandeten Herrschaften des Rokoko.

f­eiern. Erst 1980 erweckten Künstler und Theaterschauspieler den vergessenen Karneval aus seinem zweihundert Jahre dauernden Schlaf. Masken haben in Venedig seit der Wiederent­ deckung des Karnevals in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts Hochkonjunktur. Nur wenige Händler konzentrieren sich dabei auf histo­ rische Vorbilder, die eher schlicht ausfielen. Die weissen oder schwarzen Larven, die auch die Schauspieler der Commedia dell’Arte trugen, sind eher un­spektakuläre Gebilde, die nur Augen und Nase verdecken und das Gesicht kantig prononcieren. Historisch verbürgt sind zudem die weissen Schnabelmasken, die der Pestarzt bei seinen Krankenbesuchen trug. In den Schnabel füllte er desinfizierende Kräuter, von denen man annahm, sie könnten den Schwarzen Tod abhalten. Heute fallen viele der Masken bedeutend schriller aus als zu Zeiten der historischen Maskeraden. Sie sind jedoch ein beliebtes Mitbringsel für Zuhause.

Sein Ursprung liegt, wie bei allen Karnevalsfesten Italiens, in den römischen Saturnalien – grossen Maskenfesten, die zur Jahreswende gefeiert wurden. Der offizielle Beginn war der Stephanstag, der 26. Dezember, den Schluss markierte wie überall der Aschermittwoch. Im 14. Jahrhundert war es jedoch verboten, sich zu maskieren, da die Herrschenden fürchteten, dass sich hinter der Anonymität der Vermummung ein Verrat besser inszenieren liesse. Das Verbot, das in der Folgezeit häufig wiederholt wurde, stiess jedoch in breiten Kreisen auf taube Ohren. In der Zeit der österreichischen Okkupation im 19. Jahrhundert geriet das venezianische Fest in Vergessenheit – zu dieser Zeit gab es für die Venezianer auch wenig zu

«Es ist von Grund aus abzuschaffen der Missbrauch der Masken, welcher sich in dieser unserer Stadt zum skandalösen Beispiel aller eingenistet hat und allzu häufig üble Folgen nach sich zieht. Es wird daher beschlossen, dass öffentlich anzukündigen ist, dass künftighin niemand (…) es wagen soll, sich in der Stadt mit Maske zu zeigen, mit Ausnahme jener Tage des Karnevals.»

– Rat der Zehn, Venedig, 13. August 1608 – The Luxury Way of Life | 29


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Murano – die gläsernen Inseln

Wie wird das farbige Glas in Murano gefertigt? Farbiges Glas wird durch Zugabe ausgewählter chemischer Verbindungen zur Kieselsäure vor oder während des Schmelzens erreicht. Dies erfordert unglaubliche Genauigkeit, wenn es zum Proportionieren und zum Timing kommt. Viele dieser besonderen Farbtöne sind noch immer ein Geheimnis, das gut von einigen Betrieben gehütet und nicht mit anderen geteilt wird, nicht einmal mit Murano! Marineblau wird kreiert, indem man Kupfer und Kobalt zusammenfügt, während Rubinrot nach Gold verlangt. Das ist der Grund, warum rubinrote und rote Kronleuchter immer ein wenig teurer sind als dieselben Modelle in einer anderen Farbe. Grosse, bunte Kron­ leuchter, besonders die im Rezzonico-Stil, erfor­ dern eine grosse Anzahl an Farben, die jeweils separat gemischt und geschmolzen werden. Da jeder Ofen nur mit einer Farbe auf einmal arbeiten kann, können in einer grossen vetreria (Glas­ fabrik) viele Öfen zur gleichen Zeit für einen Kron­ leuchter arbeiten. In einer kleinen, mit nur einem Ofen, braucht man also sehr viel Zeit, um einen Kronleuchter herzustellen.

Die kleine Inselgruppe nordöstlich der Altstadt Venedigs gilt weltweit als ­Synonym für erlesene Glaskunst. Schon im 13. Jahrhundert hatten die Venezianer ihre Glasindustrie wegen der von den Schmelzöfen ausgehenden ­Feuergefahr von der Altstadt nach Murano verlegt. Zudem glaubte man, das Know-how der Glasbläser so besser vor der Konkurrenz geheim halten zu können. Dank der Glasindustrie genoss Murano bald einen grossen Reichtum. Zu seiner Blüte zählte der kleine Archipel 30’000 Einwohner und war von dem mächtigen Nachbarn San Marco politisch fast unabhängig. Muranoglas war also eine sehr begehrte Ware und ein grosser kommerzieller Erfolg, ­sodass die Glasbläser die berühmtesten Einwohner der Stadt wurden. Sie durften Schwerter tragen und waren sogar immun gegen die Strafverfolgung von Venedig. Ihre Töchter durften in die blaublütigen venezianischen Familien einheiraten. Dafür zahlten sie aber einen hohen Preis. Die Stadt wollte das Geheimnis dieses extrem profitablen Handels für sich behalten und verbot den Meisterglasbläsern unter Androhung der Todesstrafe, die kleine Stadt jemals zu verlassen. Es gibt Gerüchte, dass Attentäter vom Staat angestellt wurden, um die zu verfolgen, die es wagten zu entkommen. Murano hatte für viele Jahrhunderte das Monopol auf Qualitätsglas, entwickelte und verfeinerte viele Technologien, das Glas herzustellen. Einige architektonische Glanzstücke dieser Zeit – allen voran die Kirche Santa Maria e Donato mit ihrer frühromanischen Ziegel­ fassade und den herrlichen venetobyzantinischen Mosaiken zeugen noch vom einstigen Glanz. In der Renaissance entwickelten sich die kunstvollen Glasprodukte des farb­ losen venezianischen Cristallo zur Haupteinnahmequelle der Bevölkerung. Erhalten sind nur noch wenige Stücke, die Vielzahl der Formen und Dekore erschliesst sich vor allem aus den Darstellungen auf Stillleben. Trotz aller Versuche der Republik Venedig, die Technik der Glasherstellung und Glasveredelung geheim zu halten, gelang es Ende des 16. sowie im 17. Jahrhundert einigen Glasbläsern, in die Länder nördlich der Alpen zu emigrieren und dort Glashütten zu gründen. Entscheidend waren vor allem die Abwerbeversuche von Ludwig XIV., der sich so seinen Traum vom Spiegelsaal erfüllen konnte. Als Glas à la façon de Venise lebte der venezianische Stil in Deutschland, in den Niederlanden und in Flandern weiter. Die venezianische Vormachtstellung in der Glasherstellung wurde jedoch erst im 18. Jahrhundert durch den Erfolg barocken Schnittglases gebrochen; diese vornehmlich in Böhmen und Schlesien beheimatete Technik beherrschten die Venezianer nicht. Viele Produzenten kämpfen heute gegen die gewaltige Billigkonkurrenz aus Übersee. Doch sie halten eisern an den ehrwürdigen Traditionen ihres Metiers fest. Einige Jahre wurde es recht ruhig um die Objekte der Glasbläser, doch zurzeit ist ein echtes Revival zu verzeichnen. Neue wie alte Stücke sind gefragt wie seit Langem nicht mehr. Besonders Glasarbeiten der 1930er- bis 1990er-Jahre aus den Glasfabriken von Venini, Seguso Vetri d’Arte, Cenedese, Salviati und Barovier & Toso sowie Unikate von Alfredo Barbini und Lino Tagliapietra gehören zu den Highlights. Zu den kostbarsten Sammlerstücken zählen etwa die Primavera-Gläser von 1929/30. Die Kunstfertigkeit der Glasmeister und das technologische Wissen der alteingesessenen Betriebe sind also noch heute der Schatz Muranos. Interessierte sollten das Glasmuseum, das man 1861 im Palazzo Giustinian, der einstigen Residenz der Bischöfe von Torcello, eingerichtet hat, besuchen. Es präsentiert wertvolle archäolo­

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gische Stücke, in erster Linie aber natürlich gläserne Kunstwerke der Neuzeit wie grandiose Lüster, Vasen, Pokale, Trinkgläser und vieles mehr. In Fabrik­ ateliers kann man Glasbläsern über die Schulter schauen und darüber staunen, wie aus einem Klumpen Glas ein zierliches und zerbrechliches Objekt höchster Anmut gezaubert wird. Wer sich für den Kauf von Muranoglas interessiert, sollte auf das Zertifikat Vetro Artistico di Murano, das nur von registrierten Handwerkern aus Murano verliehen werden kann, achten. Es hat die Form eines kleinen Aufklebers, der auf dem Produkt aufgeklebt ist und nicht entfernt (daher auch nicht übertragen) werden kann, ohne zu zerreissen. Er ist ein eindeutiger Beweis für die Herkunft des erworbenen Stückes.

Marmoriertes Papier und Spitzen Ein weiterer sehr alter Zweig der venezianischen Handwerkskunst ist die Papierherstellung. Noch heute gibt es eine Reihe von kleinen Manufakturen, in denen Papier geschöpft und mit einer speziellen Technik, die man von den Türken übernahm, marmoriert wird. In der ganzen Stadt kann man Buchbindern über die Schulter schauen, wie sie mit dem Papier alle möglichen Produkte überziehen. Einen weiteren grossen Exportschlager bildet die venezianische Spitze. In der Vergangenheit wurde sie vor allem von Fischersfrauen aus Burano gefertigt, während ihre Männer auf See waren. Beim Kauf dieser Spitzen ist inzwischen jedoch Vorsicht geboten, die meisten Läden bieten Billigimporte aus Fernost an. Venezianische Spitzen sind sehr aufwendig in der Herstellung. Sie werden nicht wie anderenorts geklöppelt, sondern mit Nadel und Faden gestickt. Originale sind heute daher kaum erschwinglich, doch mit etwas Glück kann man sie noch für viel Geld erstehen. Trotzdem ist Burano immer einen Ausflug wert, denn auf der kleinen Insel kann man noch die unverfälschte Idylle einer alten Fischersiedlung erleben, deren Häuser in leuchtenden Farben gestrichen sind.

Das berühmteste Kaffeehaus an der Piazza

Alle waren sie hier. Dichter, Bonvivants und Snobs. Wer Venedig besuchte, schaute im «Florian» vorbei und schrieb unter den Arka­ den Briefe, Tagebuch oder las wie Proust die letzten Druckfahnen seines Werkes. Balzac charakterisierte das Café als «eine Börse, ein Theaterfoyer, ein Lesesaal, ein Club, ein Beichtstuhl». Nirgendwo sonst kann man besser nichts tun als an einem Tisch unter den Arkaden, genüsslich einen Kaffee trinken und der Atmosphäre der Piazza verfallen.

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«Alles was mich umgibt, ist würdig, ein grosses respektables Werk versammelter Menschenkraft, ein herrliches Monument, nicht eines Gebieters, sondern eines Volks. Und wenn auch ihre Lagunen sich nach und nach ausfüllen, böse Dünste über dem Sumpfe schweben, ihr Handel geschwächt, ihre Macht gesunken ist, so wird die ganze Anlage der Republik und ihr Wesen nicht einen Augenblick dem Beobachter weniger ehrwürdig sein.» – Goethe, 1786 –

«Wie ein Stück Zucker im Tee, so schnell schmilzt Venedig dahin.» «Hundert tiefe Einsamkeiten bilden zusammen die Stadt Venedig – dies ihr Zauber. Ein Bild für die Menschen der Zukunft.» – Friedrich Nietzsche –

– John Ruskin –


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Venedigs ältestes Verkehrsmittel Die venezianische Gondel ist 10,15 Meter lang und 1,40 Meter breit, wobei die rechte Hälfte um 24 Zentimeter schmäler ist als die linke. Dank dieser Asymmetrie lässt sich das Gefährt auf den engen Kanälen leichter bewegen. Traditionell wird eine Gondel aus acht verschiedenen Hölzern gebaut: Tanne, Eiche, Fichte, Nussbaum, Linde, Lärche, Kirschbaum und Ulme. Die Spitze des Gefährts ziert ein 20 Kilo schweres Eisen, welches, wie bei Kimme und Korn eines Gewehrs, das Anpeilen eines Zieles erleichtert. Die einheitlich schwarze Farbe geht auf ein Luxusgesetz aus dem 16. Jahrhundert zurück. Gegenüber Motorbooten hat die Gondel immer Vorfahrt. Der Gondoliere bleibt seinem Beruf ein Leben lang treu. Er braucht eine starke Muskulatur – mindestens 700 Kilogramm bewegt er über das Wasser – und eine kräftige Stimme. Vor jeder unübersichtlichen Kurve stösst er ein Rufsignal zur Warnung aus. In der Blütezeit Venedigs zählte man fast 10’000 Gondeln in Venedig, heute sind es kaum noch 400. Wann die erste Gondel durch Venedig gerudert wurde, ist nicht genau bekannt. Bei der Wahl des ersten Dogen 697 wurde sie erstmals erwähnt, dann erst wieder in einer Urkunde des Jahres 1094.


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Venedig meets Austria & kuriose Speisen Von 1814 bis 1866 gehörte Venedig zu Österreich. Aus dieser Zeit sind einige Aus­ triazismen wie Strudel, Krapfen, Sprizz und Schei für Geld – eine Abkürzung von schellini – Schillinge geblieben. Dass Venedig im 19. Jahrhundert sehr arm war, zeigen mancherorts noch kuriose Speisekarten. In der Bacari-Weinstubn gibt es beispielsweise immer noch Armeleutegerichte wie Rumegal (Speiseröhre), Spienza (Milz) und Nerveti (Knorpel mit Zwiebeln).

Das Dreigestirn der venezianischen Kunst Tizian, Tintoretto und Veronese – ihre Namen machten die venezianische Kunst im 16. Jahrhundert weit über die Grenzen der Serenissima bekannt. Ihr Schaffen fiel in das Goldene Zeitalter der venezianischen Malerei, als ­Venedig seine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit erlebte.

Der Maler der Fürsten Tizian gilt als der führende Vertreter der venezianischen Malerei des 16. Jahrhunderts und einer der Hauptmeister der italienischen Hochrenaissance. Von seinen Zeitgenossen als «Die Sonne unter den Sternen» bezeichnet, war Tizian einer der vielseitigsten und mit insgesamt 646 Werken auch produktivsten italienischen Maler seiner Zeit. Er malte sowohl Portraits, Landschaften wie auch religiöse Themen. Kaiser Karl V. bestellte vom Krönungsjahr 1530 an nur noch bei Tizian Herrschaftsbildnisse. So buhlten Staat, Kirche und der Adel um die Gunst des Malerfürsten. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählen die «Venus von Urbino» und die «Madonna der Familie Pesaro». Er war der unerreichte Meister der Nuancierung in der Farbgebung und in der Darstellung des Lichts. Wegen der Strahlkraft seiner Bilder erhielt er Portraitaufträge von den Grossen der Welt. Und als Tizian im hohen Alter 1576 an der Pest starb, war er der wohl erfolgreichste Maler der venezianischen Geschichte.

Der grosse Färber Jacopo Tintoretto, der eigentlich Robusti hiess, wurde 1518 in Venedig als Sohn eines Seidenfärbers geboren, was ihm – zusammen mit seiner Kleinwüchsigkeit – unter seinen Zeitgenossen den Namen «kleiner Färber» (Tintoretto) einbrachte. Der junge Künstler soll bei Tizian in die Lehre gegangen sein, allerdings nur zehn Tage, da der Meister fürchtete, einen Rivalen zu fördern. Tintoretto orientierte sich vermehrt an Michelangelo und dem Freskostil Pordenones. Seine Farbkompositionen übernahm er hingegen von Tizian. Sein Maltempo versetzte Zeitgenossen immer wieder in grosses Staunen. Er brachte die Farben ohne Vorzeichen direkt auf die Leinwand. Zahlreiche Gemälde hat er für den Dogenpalast geschaffen. Sein kolossales «Paradies» ist mit 22 mal 7 Metern das grösste Tafelbild der Welt. Die Spuren seiner Tätigkeit findet man überall in Venedig.

Farbgebung mit grosser Tiefe Neben Tizian und Tintoretto ist Paolo Veronese der Dritte im Bunde der venezianischen Cinquecento-Malerei. Seine Altarblätter, Freskenzyklen und Portraits brachten ihm schnell Erfolg und Ruhm. ­Maler wie Cézanne und Delacroix sehen ihn als grosses Vorbild an und lassen sich zu Lobeshymnen wie «Er malt, wie wir sehen. Ohne

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Anstrengung. Tanzend. Er sprach in Farben … Das ist Malerei.» hinreissen. Veronese ist ein Vir­tu­ ose der illusionistischen Leichtigkeit. Den grössten Teil seines Lebens verbrachte er in Venedig. Dort schuf er viele Kunstwerke im Sinne der katho­ lischen Gegenreformation, darunter 1555 –56 die «Krönung der Esther», die für die rechtgläubige katholische Kirche steht, die Gläubige rettet und die ketzerischen Feinde vernichtet. Einzig mit ­einem seiner berühmtesten Werke, «Das Gastmahl im Hause Levi», welches ursprünglich den Titel «Das letzte Abendmahl» trug, kam Veronese mit der Kirche in Konflikt. Die zu freie Auffassung des Themas rief die Inquisition auf den Plan. Da Veronese jedoch keine künstlerischen Eingeständnisse eingehen wollte, benannte er das Werk kurzerhand um.

«Beim ersten Anblick Venedigs ist man bezaubert, und ich wüsste keine Stadt, wo es sich am ersten Tag besser sein liesse, als hier, sei es wegen der Neuheit des Schauspiels oder wegen der Vergnügen … Meine Augen sind sehr befriedigt von Venedig, mein Herz und mein Verstand sind es nicht. Ich kann eine Stadt nicht lieben, wo nichts verpflichtet, sich liebenswürdig und anständig zu geben.» – Montesqieu, 1728 –


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Venedig im Film Den Film «Tod in Venedig» drehte Luchino Visconti 1971 nach einer Novelle von Thomas Mann. Der Film und das Buch ranken sich um Gustav von Aschen­ bach, einen berühmten, etwa 50-jährigen Schriftsteller, der in der schwül-fiebrigen Atmosphäre der Lagunenstadt einen Zustand zunehmend aufgelöster innerer Ordnung und Disziplin erlebt und hier in Folge einer Choleraerkrankung sein Ende findet. Dank seiner historischen Kulisse und ganz eigenen geheimnisvollen Atmosphäre dient Venedig vielen Regisseuren als Kulisse. Weitere sehenswerte Filme, in denen Venedig eine nicht unerhebliche Rolle spielt, sind: «Wenn die Gondeln Trauer tragen», «Casanova», «Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin», Dan Browns «Inferno« und Donna-Leon-Verfilmungen.

Mit Brunetti durch die Lagunenstadt Ein Reiseführer der besonderen Art: Toni Sepeda hat zusammen­ getragen, wo Donna Leons Held Commissario Brunetti in Venedig Spuren hinterlassen hat. Auf zwölf Routen, die anhand der ersten sechzehn Donna-Leon-Romane alle sechs Stadt­ teile Venedigs, die sogenannten sestieri, vorstellen, führt «Mit Brunetti durch Venedig» zu Kirchen, calli, campi und caffès, berichtet vom venezianischen Wetter ebenso wie von regionalen Weinen. Im Gegensatz zu den meisten Venedig-Büchern ist dieses nicht streng geografisch nach den sestieri ausgerichtet, sondern folgt, als literarischer Reiseführer, Brunettis Spuren und verweilt an den Orten, die für ihn und seine Ermittlungen eine besondere Rolle spielen. So steht auf einem Spazier­ gang Brunettis Zuhause im Mittelpunkt, bei einem anderen die Questura. Die Stadttouren dauern zwischen ein und zwei Stunden und sind so aufeinander abgestimmt, dass man sie nach Belieben einzeln oder in Folge ablaufen kann.

«Mit Brunetti durch Venedig» Toni Sepeda Diogenes Verlag

Venedigs Meisterkomponist Die Stücke des 1678 geborenen Venezianers Antonio Vivaldi gehören zu den bekanntesten Werken der klassischen Musik. Lange Zeit war er als Dirigent, Violinist und Hauskomponist für ein venezianisches Mädchenwaisenhaus tätig, das «Conservatorio dell’Ospedale della Pietà». Neben­ bei komponierte Vivaldi Konzerte oder Opern und reiste in verschiedene Städte. Nach Vivaldis Tod im Jahre 1741 gerieten seine Arbeiten in Vergessenheit. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts entdeckte man seine grandiosen Werke aufs Neue. Das Gesamtwerk Vivaldis, das zufälliger­ weise durch einen Handschriftenfund im Jahre 1926 entdeckt wurde, umfasst über 500 Komposi­ tionen. Die bekannteste davon ist das Violinen­ konzert «Vier Jahreszeiten».

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Das Versprechen

Hundert Tage Tibet York Hovest National Geographic

Bei einer Begegnung mit dem Dalai Lama gab Fotograf York Hovest ihm das Versprechen, sein Land zu porträtieren und der Welt zu zeigen, wie es dort heute aussieht. 100 Tage lang war er in Tibet unterwegs – zu Fuss, auf dem Motorrad und mit dem Auto. Immer wieder wagte er sich in schwer zugängliches und ver­botenes Terrain, in das Besucher nur selten vordringen. Dieses Unterfangen gelang nur mit der tatkräftigen Hilfe der Tibeter, die ihn an ihrem Leben teilhaben liessen und ihm grosses Vertrauen entgegenbrachten. York Hovest begleitete sie zu geheimen Orten, gelangte bei minus 30 Grad in 6000 Meter Höhe an die Grenzen seiner physischen Belastbarkeit und die seiner Kamera­ ausrüstung. In eindrucksvollen Bildern fängt er nicht nur die erhabene Landschaft ein, sondern mit ergreifenden Porträts tibetischer Nomaden und Mönche auch die Seele dieses geheimnisvollen Landes.

Freiheit, Abenteuer, unberührte Natur «Alyeska» – grosses Land, so nennen die Aleuten ihre Heimat, und Alaska ist wahrlich ein grosses Land. Die Natur ist ebenso grandios wie vielfältig: Im arktischen Norden leben Eisbären und Moschusochsen in einer baumlosen, eiskalten Tundra, im zentralen Süden kalben majestätische Gletscher ins Meer, im Südwesten ragen riesige Vulkane in den Himmel und im milden Südosten gedeihen die letzten kalten Regenwälder der Erde. Auf mehr als 30 Reisen hat Bernd Römmelt das Land fotografiert: Er führt den Leser in die entlegensten Winkel und durch alle Regionen Alaskas und zeigt sie in all ihrer Vielfalt, Wucht und Schönheit.

Alaska – Die letzte Wildnis Bernd Römmelt National Geographic

«Bene est homini, si palato bene est!» Ein Buch für alle, die gerne kochen, aber auch für jene, die neugierig auf die Päpstliche Schweizergarde, ein anderes Rom und einige besondere kleine Geheimnisse des Vatikans sind. Die Kulinarik hat auch bei der ältesten Schutztruppe des Papstes, der Päpstlichen Schweizergarde, einen grossen Stellenwert. Dieses einzigartige Kochbuch begleitet die letzte Schweizer Kompanie in fremden Diensten durch das Kirchen- und Kalenderjahr und macht Bekanntschaft mit einigen hochkarätigen Persönlichkeiten des Vatikans. Die Garde stellt die Offiziere und den Kaplan anhand ihrer Lieblingsspeisen vor, und kirchliche Würdenträger verraten uns ihre Leibgerichte. Als Höhepunkt des Buches findet die gespannte Leserschaft die Favoritenmenüs der letzten drei Päpste: Polen, Bayern und Argentinien lassen von einer anderen Seite grüssen. Päpstliche Schweizergarde David Geisser Weber Verlag

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Liebeserklärung an eine Stadt Erzählungen aus und über Rom, von ebenso durchtriebenen wie liebenswerten halbwüchsigen Römern. Der Dichter und Filmemacher Pasolini ist ihnen ganz nah – selbst sehr jung und eben in der Stadt am Tiber angekommen, die wir mit seinen Augen neu entdecken. Jede dieser Geschichten ist eine zärtliche Liebeserklärung an die Stadt Rom und ihre Bewohner.

Rom, Rom Pier Paolo Pasolini Verlag Klaus Wagenbach

SHORTCUTS BOOKS Die Insel der Vulkane und Geysire Feuer und Eis: bizarre Lavafelder, Traumfjorde, Gletscher, glasklare Seen – Island ist die ewig faszinierende, verwunschene Insel am Polarkreis. Aus dem Helikopter gelangen Marco Nescher spektakuläre Fotografien der Natur, die die Weite der Insel einfangen, ihre malerische Struktur und ihre mythische Schönheit. Dieser ausserge­ wöhnliche Bildband über Island kombiniert atemberaubende Luftbilder mit Porträts besonderer Menschen und Texten zur Geologie.

Über Island Marco Nescher, Haraldur U. Diego Bruckmann Verlag

Schweizer Kraftorte Das handliche Wanderbüchlein führt zu magischen Stätten voller Geschichte, Brauchtum und Kraft in die ländliche Idylle der Val Lumnezia, des grössten Seitentals der Surselva. Das Buch folgt den Spuren der früheren Menschen, ihren Ritual- und Kultorten. Exakte Wanderbeschreibungen samt Kartenaus­ schnitten, grossartige Farbfotos und viel Hintergrundwissen über Orte der Kraft und deren Wirkung sowie über das damalige und heutige Leben im Tal des Lichts erwarten den Leser, die Leserin. Abgerundet wird jede Wanderung mit Hinweisen auf typische Pflanzen, die in regionalen, überlieferten alten Rezepten ihren Platz finden und zum Sammeln und Nachkochen einladen.

Orte der Magie – Val Lumnezia Pirmina Caminada Andrea Fischbacher Werd Verlag

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LA BINOCHE DIE SCHÖNE WANDELBARE

Juliette Binoche gehört zu den ganz Grossen des franzö­sischen Kinos. Sie ist eigenwillig, anspruchsvoll und komplex – so wie ihre Filme. Zerbrechlich, melancholisch und wunderschön – so zeigt sie sich in ihren Filmen. Intelligent und äusserst sympathisch in unserem Interview. Eine Frau, die weiss, was sie will und kann.

Yvonne Beck

Moët & Chandon/Festival del film Locarno


CULTURE


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ie ist eine der erfolgreichsten und einflussreichsten französischen ­Schauspielerinnen unserer Zeit. Neben 24 Nominationen und 26 Auszeichnungen gewann Binoche 1997 einen Oscar in der Kategorie «Beste Nebendarstellerin» für ihre Rolle in «Der englische Patient». Auch mit Filmen wie «Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins» oder «Die Liebenden von Pont-Neuf» feierte sie internationale Erfolge und spielte sich in die Herzen des Publikums und der Filmkritiker. Ihre Popularität konnte sie mit Werken wie «Caché», «Chocolate», «Drei Farben: Blau» sowie einem ihrer neuesten Filme «Godzilla» weiter steigern. PRESTIGE traf Juliette Binoche auf dem Filmfestival Locarno auf der Piazza Grande nach der Verleihung des «Excellence Award Moët & Chandon» und sprach mit ihr über die Problematik des Älterwerdens, die inflationäre Filmindustrie und Bauchentscheidungen.

«Excellence Award Moët & Chandon» des Festival del film Locarno Der «Excellence Award» des Filmfestivals in Locarno würdigt seit 2004 das Talent und die Arbeit von herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern. Moët & Chandon unterstützt die Auszeichnung im sechsten Jahr in Folge. In den Vorjahren wurde der Preis an Chiara Mastroianni, Isabelle Huppert, Charlotte Rampling, Gael García Bernal, Sir Christopher Lee und Victoria Abril verliehen.

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PRESTIGE: Frau Binoche, Sie haben in Locarno den Moët & Chandon Award verliehen bekommen. Freuen Sie sich noch über solche Auszeichnungen? JULIETTE BINOCHE: Für Schauspieler sind Auszeich­ nungen wichtig. Denn alles, was wir schaffen, kann man nicht festhalten. Es ist nicht fassbar, daher ist ein Preis, den wir berühren können, etwas, was wir greifen können, wichtig. Wir brauchen das für unser Ego. So ein Preis ist ein sehr schönes, warmes Gefühl. Ausserdem passt der Leopard sehr gut zu mir. Freiheit war mir schon immer sehr wichtig und der Leopard ist für mich ein Tier, das mehr als alles andere die Freiheit repräsentiert. Trotzdem nehme ich sonst selten solche Preise an.

Sind Sie etwa nach Ihrem Oscar für «The English ­Patient» wählerisch geworden? Ja, aber nicht durch den Oscar. Meiner Meinung nach geht man ein bisschen zu inflationär mit Auszeichnungen um. Es gibt in der Filmbranche zu viele Preise und Festivals. Stars werden häufig nur eingeladen, um sich mit deren Namen zu schmücken. Das Locarno-Filmfestival hat jedoch einen sehr guten Ruf und deshalb bin ich diesem gefolgt. Zudem lief in Locarno mein neuer Film «Sils Maria». In diesem Film spielt das Wetterphänomen – die so genannte «Maloja-Schlange» – eine grosse Rolle. ­Haben Sie dieses Phänomen bei den Dreharbeiten ­beobachten dürfen? Ja, bereits am allerersten Tag. Im Film hat dieses Phänomen jedoch auch eine symbolische Bedeutung … Ja, die Maloja-Schlange leiht zum einen dem von Maria Enders geprobten Stück den Titel, zum anderen zeigt sie die Verschleierung der verschiedenen Ebenen, die in dem

Film eine Rolle spielen, auf. Die Majola-Schlange ver­ schleiert und überdeckt also sowohl im eigentlichen als auch übertragenen Sinne. Eines der Hauptthemen des Films «Sils Maria» ist das Alter. Ein beliebtes Thema in der Filmindustrie. Allerdings fast ausschliesslich aus weiblicher Sicht. Haben Männer weniger Probleme mit dem Alter? Nein, das glaube ich nicht. Aus männlicher Sicht wird diese Thematik – wenn überhaupt – jedoch meist als Komödie gedreht … Ja, das stimmt. Ich denke, es ist für Männer nicht einfach, sich dieser Thematik zu öffnen. Vielleicht liegt es daran, dass in fast jedem Frauenmagazin seit Jahren über dieses Thema geschrieben wird. Die Wirtschaft hat hier auch eine gute Geldeinnahmequelle entdeckt. Es geht für Frauen doch immer in die Richtung: «Los, werdet jünger! Tut etwas gegen euer Alter und eure Falten.» Bei Männern ist das noch nicht so. Der gesamte Werbemarkt hat sich noch nicht so sehr auf sie eingeschossen. Inwieweit beschäftigt Sie als Schauspielerin diese Thematik? Natürlich bekommt man jetzt nicht mehr die gleichen ­Rollen angeboten wie vor 30 Jahren. Aber auch mit 25 ­habe ich nicht immer die Rollen bekommen, die ich gerne wollte. Jede Jahreszeit hat etwas Besonderes: Blüten im Frühling, Sonne im Sommer, bunte Bäume im Herbst und Schnee im Winter. Genauso ist es mit den verschiedenen ­Lebensabschnitten. Alles hat seine guten, aber auch weniger schöne Seiten. Im Sommer ist es warm, dafür nerven die Mücken. Das ist das Leben: vor und zurück, vor und zurück … Aber nur so können wir uns auch immer wieder erneuern. Wir leben in Zyklen.

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Sie bekommen viele Filmangebote. Was hat Sie dazu bewogen, gerade bei diesem Film zuzusagen? Die Geschichte zu «Sils Maria» hat mich einfach gefesselt. Ich konnte das Drehbuch nicht zur Seite legen, was immer ein sehr gutes Zeichen ist. Die Geschichte hat mich tief ­berührt. Es ist eine Geschichte mit grossem Tiefgang, mit vielen verschiedenen Ansätzen und Thematiken. Bei der Auswahl meiner Filmangebote vertraue ich vor allem ­meiner Intuition, meinem ersten Gefühl. Es gibt einfach Dinge, die ich tun muss. Ich folge meist meinem Bauch­ gefühl und nicht meinem Kopf. So war es auch bei diesem Film. Wie wichtig ist der Regisseur für Ihre Entscheidung? Es gibt immer Regisseure, mit denen man lieber arbeitet oder weniger gerne. Aber das weiss man meistens erst ­bei den Dreharbeiten. Ein guter Regisseur muss dem Schauspieler Raum zum Entfalten lassen. Besonders junge Regisseure wollen Schauspieler in eine festgesetzte Rich­ tung führen. Sie sind häufig so von ihrer eigenen Idee über­ zeugt, dass sie den Schauspieler nicht von der Leine lassen wollen. Viele haben jedoch auch Angst, etwas zu wagen, Fehler zu machen … gerade beim ersten Film ist der Druck sehr gross für junge Regisseure. Das kann ich sehr gut verstehen, aber ich brauche meinen Freiraum zum Spielen. Sobald ich etwas spiele, was der Regisseur nicht erwartet hat, versucht er, mich in meinem Spiel zu kontrollieren. Wer mit mir dreht, muss mir vertrauen und Geduld haben. Denn ich kann mich nicht kontrollieren, ich weiss vorher nicht, was geschieht. Man muss mich machen lassen. Ich mag Regisseure, die sich gerne überraschen lassen. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Rollen vor? Das kommt auf die Filme an. Bei manchen Rollen bereitet man sich besser nicht vor, das ist meine Art sich vorzu­ bereiten. Bei manchen muss man sich jedoch sehr gut ­vorbereiten, da die Rolle viel Text hat oder die Sprache

«Sils Maria» Im Film «Sils Maria» verkörpert Juliette Binoche die Schau­ spielerin «Maria Enders», die sich zusammen mit ihrer Assistentin «Valentine» (Kristen Stewart) in einen kleinen Ort in der Schweiz zurückzieht. Der Grund des Aufenthalts ist ein Rollenangebot, das sie in eine Existenz­k rise stürzt. Sie soll eine Rolle in der Neuauflage des Theaterstücks übernehmen, mit dem sie vor 20 Jahren ihren grossen Durchbruch hatte. Doch diesmal soll sie nicht die junge, ver­führerische «Sigrid» spielen, sondern deren Gegen­ spielerin, die gealterte «Helena». Fazit: ein vielschichtiger Film über Generationenkonflikte, Leidenschaften und heimliche Begehren.

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schwierig ist, einen bestimmten Akzent bzw. Dialekt ­aufweist. Bei «Sils Maria» musste ich beispielsweise sehr viel Text lernen. Am letzten Drehtag war ich wirklich k. o. Drehen ist wie Sport treiben. Ein Profisport mit langen Tagen, grossen Emotionen, grossen körperlichen und ­ ­geistigen Höchstleistungen. Der körperlich anstrengendste Film war sicherlich «Die Liebenden von Pont-Neuf». Wie viel steckt von Juliette Binoche in einer Rolle? Schauspielern ist sehr verbunden mit dem eigenen Sein. Es ist schwierig, hier eine klare Grenze zu ziehen. Deshalb werde ich auch häufig gefragt: «Wie ist Ihr Leben?» Man ist durch sein eigenes Leben inspiriert. Alles, was ich erlebt habe, alle Erfahrungen und Gefühle, die ich jemals durch­ lebt habe, transferiere ich in eine Kunstform. Und das ist das Glück des Schauspielers oder eines Künstlers. Das heisst aber nicht, dass ich meine Rollen bin. Trotzdem lasse ich das Publikum durch meine Filme an meinem Inneren und Privatleben teilhaben. Sie sind nicht nur Schauspielerin, sondern malen und tanzen auch. Mit welcher Kunstform können Sie sich am besten ausdrücken? Malen, tanzen, spielen ist etwas, was in mir steckt und ­herauskommen will. Im Grunde genommen ist alles das­ selbe. Bewegungen sind Gefühle, Farben sind Gefühle, Gesten sind Gefühle … Ich benutze die Malerei genauso wie das Schauspiel, um meine Gefühle zu offenbaren.


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IM DICKICHT DER GROSSSTADT

EIN SCHWEIZER IN

NEW YOR K

in New Yor k Schweizer Rudy Burckhardt Im Jahre 1935 liess sich der ropole, Met er dies sse Grö n iere sch nied er. Fas zini ert von der und dem ume ntalen Wolkenkrat zern dem Kontrast zwischen mon ann er, beg , hten hluc nsc sse Stra hek tischen Treiben in den und filmisch zu verarbeiten. seine Eindrücke fotografisch Lilly Steffen

S

The Estate of Rudy Burckhardt and Tibor de Nagy Gallery, New York

ein zurückhaltender Blick gilt vorerst den Gebäudedetails entlang den Gehsteigen sowie den zufällig angeordneten Schriftzügen auf Ladenfronten und Reklameschildern. Er ist fasziniert von banalen Objekten wie Abflussrohren und Hydranten und fotografiert sie wie anonyme Skulpturen, in gleichmässigem Licht, fast ohne räumliche Tiefe. Er fotografiert konsequent rechtwinklig zum Hintergrund, ohne sichtbaren Horizont, kontrolliert und streng komponiert, als sei die Stadt sein ganz privates Studio für Sachfotografie. Bald widmet er sich auch den Menschen, die diese Grossstadtbühne bevölkern. Er hält sie ab 1939 mit der Leica in flüchtigen, aber spannungsvollen Momentaufnahmen fest. Dabei vermeidet er bewusst den sozialkritischen Blickwinkel vieler seiner Zeitgenossen und konzentriert sich auf die alltäglichen, immer gleichen Bewegungen der Menschen in der Masse, auf die «Fast-Kollisionen» der meist gesichtslosen Figuren auf der Strasse. Oft ist sein Blick nach unten gerichtet, wiederum jeglichen Horizont vermeidend, um nur die Füsse und Beine der Männer und Frauen ausschnitthaft und in unendlichen Variationen festzuhalten.

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Rudy Burckhardts fotografisches Hauptwerk ist in relativ kurzer Zeit in New York entstanden. Es lebt vom Kontrast zwischen einem filmischen Blick auf die Hektik des Lebens und dem forschenden Blick eines Stadtingenieurs, es oszilliert zwischen flaneurhafter Poesie und formaler Strenge. Es ist weder der dokumentarischen noch der sozialkritischen Fotografie, weder der Reportage- noch der Sachfotografie zuzuordnen. Vielmehr eröffnet es eine unvoreingenommene und höchst persönliche Sicht auf die moderne Grossstadt, eine Sicht, die auch heute noch überrascht und fasziniert.

Ausstellung Lange Zeit war sei n Werk nur einem kleinen InsiderPublikum bekannt; anlässlich seines 10 0. Geburtstags wurde es als wichti ge r Beitrag zur int ernationale n Fotografie neu gewü rdigt. Die Fotostift ung Schweiz bietet mit der Ausst ellung «Rudy Burck ha rdt – Im Dickicht de r Gros sstadt» die Gelegen heit, das foto­ grafische und filmisc he Werk dieses eig enwilligen Künstlers neu zu en tdecken. Fotostiftung Schw eiz , Winterthur bis 15. Februar 20 15 ww w.fotostif tung.c h


TRADITION TRIFFT AUF INNOVATION Wer aufhört, besser zu werden, hat sich schon längst davon verabschiedet, gut zu sein. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für Bereiche der Hochtechnologie, sondern auch für die gute alte Uhrmacherei, deren Geschichte Hunderte von Jahren zurückreicht. Tradition ist gut und schön, geredet wird jedoch in erster Linie über Innovationen. Gisbert L. Brunner

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nd «etwas, worüber nicht gesprochen wird», konstatierte schon Oscar Wilde, «das ist in unserer Zeit gar nicht geschehen.» In diesem Sinne bemüht sich die Industrie beständig um Innovationen, welche für Gesprächsstoff sorgen und potenzielle Kunden zum Besitzen wollen animieren. Traditionsgemäss verwenden Uhrmacher für ihre tickenden Kleinodien ­Messing, Neusilber, Eisen oder Stahl und Steine zum Lagern der rotierenden Komponenten. In den 1930er Jahren gesellten sich präzisionssteigernde ­Legierungen wie beispielsweise Nivarox und Glucydur hinzu. Die Hersteller von Gehäusen griffen für ihre Produkte im Allgemeinen zu Messing, Eisen, Stahl, Silber, Gold oder Platin, denn auch hier wurde Althergebrachtes stets in Ehren gehalten. Natürlich gelten die überlieferten Werte auch heutzutage weiter. Aber wie gesagt, wer sich nicht bewegt, kann ganz schnell abgehängt werden. Schon seit den 1970er Jahren gehören neue Materialien und Legierungen zum chronometrischen Geschehen. Kunststoffe, Titan, Keramik, Silizium oder künstlicher Diamant sind nur einige Beispiele. Fotolithographische Verfahren gestatten die Herstellung ausgesprochen komplexer Metallteile. Innovative Beschichtungen, unter anderem auf Metall, bringen nicht nur eine andersartige Optik, sondern auch ungeahnte Härte. Andere Manufakturen, darunter auch sehr traditionell orientierte, können und wollen sich neuartigen Werkekonstruktionen nicht verschliessen. Für sie bedeutet Stillstand nämlich Rückschritt. Und zum Wesen der kostbaren, weil ständig fortschreitenden Zeit gehört nun einmal auch der Wandel.

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WATCHES JEWELLERY

Manche Dinge könnten so einfach sein, wenn sie nicht so schwierig wären. Deshalb bleibt es beispielsweise nur wenigen Uhrenmanufakturen wie beispielsweise Glashütte Original vorbehalten, die gangregelnden Komponenten eines klassischen Automatikwerks nach vorne zu kehren und die ganze Faszination mechanischer Zeitmessung so den Augen neugieriger Betrachter zu präsentieren. Für dieses Kunststück braucht es deutlich mehr als nur etwas Phantasie und den Wunsch, durch gestalterische Exklusivität zu glänzen. Mit Hilfe jener uhrmacherischen Manufakturkompetenz, welche Glashütte Original seit dem Fall der Mauer auszeichnet, gelang die Entwicklung des feinen Manufakturkalibers 66-06. Als einzigartigen mechanischen Leckerbissen besitzt es die exklusive Duplex-Schwanenhals-Feinregulierung. Die augenfällig auf der Unruhbrücke montierte Delikatesse erlaubt eine ­besonders präzise Einstellung von «Abfall» und «Gang» des tickenden Mikrokosmos. Wegen dieser Merkmale wäre es allzu schade, wenn diese Baugruppe ihr Dasein auf der Rückseite fristen müsste. Dort also, wo sie eigens Eingeladene zu sehen bekommen würden. Das Wenden des mit vier Hertz munter oszillierenden Blickfangs brachte jede Menge konstruktiver Arbeit mit sich. Viele Komponenten mussten die Techniker neu gestalten. Dazu gehörten die veränderte Position der liebevoll gravierten Unruhbrücke, eine Überar­ beitung der gesamten Aufzugspartie und auch eine Neugestaltung der Unruhbremsfeder für den Sekundenstopp. Darüber hinaus haben die Konstrukteure ein Zwischenrad zur Laufrichtungskorrektur integriert und die Zifferblattbefestigung neu konzipiert. Dieses Bündel an Innovation zog die Notwendigkeit nach sich, alle drei Platinen sowie die Getriebe für das eigentliche Uhrwerk vollständig zu überarbeiten. Unverzichtbar war natürlich das grosse Panorama­ datum in dem andersartigen, mit präzisem Streifenschliff dekorierten «Zifferblatt» der «PanoMaticInverse». Ihr 42 Millimeter grosses Gehäuse gibt es in Rotgold oder Edelstahl.

GLASHÜTTE ORIGINAL

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WATCHES & JEWELLERY

Als Sponsor-Partner des Audi Sport Team präsentiert Oris einen sportiven Chronographen mit speziell gestalteter, weil linearer Permanentsekunde bei der «9». Insgesamt erinnert das mit einer Super-LumiNova-Ausstattung versehene Zifferblatt des auf insgesamt 2000 Exemplare limitierten Stoppers an das Armaturenbrett eines Rennboliden. Bemerkenswert sind die Nullpunkte der Skalen für die Totalisatoren des Chronographen. Das antiallergische ­Titangehäuse besitzt eine hoch belastbare Wolframlünette. Beide Materialien spiegeln Technologien der High-Performance-Rennwagen von Audi Sport wider. Eine griffige Gummi-Einlage in der Aussenkante des Glasrands ermöglicht rasches, zuverlässiges Drehen. Das verbaute Automatikwerk basiert auf dem Sellita SW 500.

PORSCHE DESIGN

ORIS

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«Schwarz ist keine Farbe, sondern ein Zustand», pflegte Ferdinand A. Porsche, der geniale Designer und gestalterische Vater des legendären Porsche 911, zu sagen. Aus seinem Mund stammt aber auch die Erkenntnis, dass Schwarz die einzige Farbe ist, welche nicht von der Form ablenkt. In diesem Sinn ­kreierte er 1972 den ersten Porsche Design-Chronographen mit schwarz beschichtetem Stahlgehäuse, welchen Orfina ein Jahr später unter Verwendung des nagelneuen Automatikkalibers Valjoux 7750 auf den Markt brachte. 1980 präsentierten Porsche Design und IWC den weltweit ersten Armbandchronographen mit Titangehäuse. Nach der Trennung von Eterna stellt sich Porsche Design neu auf und zitiert den inzwischen verstorbenen Mentor des Gebrauchsdesigns mit dem tiefschwarzen «Timepiece 1». Sein glasgestrahltes Titangehäuse besitzt eine harte, mattschwarze Oberfläche. Die Zeit bewahrt wie einst das bewährte 7750.


ZEITLOSE SCHMUCKSKULPTUREN EDDIE BORGO

In der Juwelen- und Schmuckdesignbranche gilt Eddie Borgo als eines der vielversprechendsten Nachwuchstalente. Seine Faszination für alles, was funkelt und glitzert, entdeckte der aus Atlanta stammende Jungdesigner ­ während ­seines Universitätsstudiums. Bereits mit seinen ersten Einzelan­ fertigungen überzeugte der Experimentierfreudige die Fachwelt und bekam Fashionshow-Aufträge von Jason Wu, Marchesa, Proenza Schouler und ­Joseph Altuzarra. Seine erste Kollektion erblickte im Jahr 2009 das Licht der Welt und wurde wegen ihres neuartigen Street-meets-chic-Styles von allen Seiten mit hohem Lob bedacht. 2010 belegte er den ersten Platz der renommierten «CFDA/Vogue Fashion Fund Competition». Heute lebt Eddie Borgo in New York und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Sogar Superstars wie Rihanna, Diane Kruger oder Alexa Chung sollen sich schon von ihm mit kostbaren Schmuckstücken ausstatten lassen haben. Eddie Borgos Designphilosophie lebt von zeit­ losen Formen, Symbolen und Skulpturen und vermag es, unsere Modernitätsvorstellungen immer wieder auf die Probe zu stellen. Auch in Zukunft kann man also mit weiteren innovativen und zeitlosen Kreationen von ihm rechnen.

3 ZITATE «Die Inspiration für meine Entwürfe ziehe ich zu grossen Teilen aus traditioneller afrikanischer und islamischer Kunst. Ich wollte immer wissen, was verschiedene Kleider, Farben und Steine in den einzelnen Kulturen bedeuten.»

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«Als Schmuckdesigner habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, all das, was ich an der Stadt New York so liebe, in meine Kreationen einfliessen zu lassen.» «In der Subversion liegt eine ungeheure Kraft. Sie erlaubt es einem, frei zu sein und seine Ängste zu überwinden.»


WATCHES & JEWELLERY

Ö Z

Diadem der Erzherzogin Marie Louise von Österreich und Gemahlin von Napoleon Bonaparte, 1962 ersetzte Van Cleef & Arpels die verschwundenen ursprünglichen Smaragde mit persischen Türkisen von 540 Karat.

PL TZLICH PRIN ESSIN DER ZAUBER EINES

GEKRÖNTEN HAUPTES

Diadem des ägyptischen Königs Nubkheperre Intef, der zwischen 1571–1560 vor Christus regierte

Als ich ein Kind war, hütete ich das Plastik-Diadem, das Bestandteil eines Prinzessinnen-Kostüms war, wie meinen Augapfel. Denn nur mit dem goldenen, von unechten Saphiren, Diamanten, Rubinen und Smaragden übersäten Diadem war das Outfit perfekt. Heute, Jahre später, stehe ich manchmal in der Kinderecke eines Kaufhauses, stülpe mir heimlich ein funkelndes Diadem in die Frisur und kichere belustigt. Und obwohl es sich nur um eines aus Plastik handelt, fühle ich mich trotzdem ein kleines bisschen prinzessinnenhaft.

E

Helena Ugrenovic

ntgegen den mit sagenumwobenen ­Diamanten, Perlen oder hochkarätigen Edelsteinen bestückten Diademen aus den vergangenen Jahrhunderten veranschaulicht die Übersetzung aus dem griechischen «diadema», als was es in der Antike diente – als Stirnbinde, um die Haare zusammenzuhalten. Die jungen grie­chi­ schen Helden der Olympischen Spiele trugen im Altertum eine Stirnbinde, die in der hellenis­tischen Zeit das Hoheitszeichen der Herrscherwürde war und sich später daraus der Lorbeerkranz ent­ wickelte, der aus Metall angefertigt wurde. Auch wurden die Gottheiten Zeus und Hera in der bildenden Kunst mit sogenannten Diademen dargestellt.

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Das Römische Reich Entgegen der griechischen Ruhmes- und Ehren­ hierarchie verzichteten die ersten römischen Kaiser auf das Tragen eines Diadems, um ihr Volk nicht zu erzürnen oder zu provozieren. Erst Kaiser ­Diokletian führte diese Sitte wieder ein, und als Kaiser Konstantin der Grosse als Alleinherrscher ab 324 vor Christus regierte, legte er den Grundstein für die Krone. Aus der anfänglichen Stirnbinde entwickelte sich ein mit breiten Metallplättchen zusammengesetzter Kranz, der als agonistisches Kennzeichen des Hervorragendsten und als Symbol für jede Höchstleistung und das Überge­ ordnete galt.


WATCHES & JEWELLERY

Perlendiadem von Kaiserin Eugénie de Montijo, Gemahlin Napoléons III. 1890 ging es in den Besitz des Hauses Thurn und Taxis über. Gloria von Thurn und Taxis trug das Diadem anlässlich ihrer Hochzeit mit Prinz Johannes von Thurn und Taxis.

«Ich liebe dich. Wärst du die ärmste Hirtin, ich als der grösste Fürst der Welt geboren, zu deinem Stand würd’ ich heruntersteigen, mein Diadem zu deinen Füssen legen.» – Friedrich von Schiller –

Tiara von Lalique, mit Hahn als Kopfschmuck, aus Silber, Emaille und Alabaster. Im Schnabel hält der Hahn einen Rubin. Ausgestellt im Museum Calouste Gulbenkian, Portugal.

Diadem von Cléo de Mérode (1875 –1966), französische Ballerina, 1896 von den Lesern des «L’Éclair» zur schönsten Frau gewählt.

Bronzekopf mit Diadem aus der Ausstellung «Bunte Götter – die Farbigkeit antiker Skulpturen».

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WATCHES & JEWELLERY

Bestattungs-Diadem, Griechenland, circa 300 vor Christus, ausgestellt im Louvre, Paris

Die Königin der Schmuckstücke Die Fertigung eines Diadems gehört mit Abstand zu den nobelsten und anspruchsvollsten Aufgaben eines Juweliers. Der fantasievollen Kreation dieses hochkarätigen und kostbaren Schmuckstücks waren keine Grenzen gesetzt und durch die vielen verschiedenen Formen der Diademe, die in den letzten Jahrhunderten gefertigt wurden, lässt sich nur schwer eine bestimmte Entwicklungslinie festlegen.

Der Wandel Das Tragen eines Diadems galt als Zeichen königlichen Ursprungs und war nur Adligen vorbehalten, bis das Diadem mit dem 19. Jahrhundert einen Wandel erlebte. Es unterlag nicht mehr der Restriktion, nur Blaublütlern vorbehalten zu sein, sondern es war auch bürgerlichen Frauen erlaubt, sich bei speziellen und feierlichen Anlässen mit einem Diadem zu schmücken. In den 30er und 50er Jahren pushte die Filmindustrie den Beliebtheitsgrad der Diademe immens und sie waren als modische Accessoires, mit Strass und Federn verziert, nicht mehr aus der Swing- und Charleston-Zeit wegzudenken.

Es ist eines der exklusivsten und glamourösesten Schmuckstücke, das auch heute noch von einer besonderen Aura umhüllt ist. Es ist der einzigartige Zauber der Halbkrone, die jeder Trägerin, dem kleinen, begeisterten Mädchen im Prinzessinnen-­ Kostüm oder der Braut, die sich andächtig den luftigen Schleier mit dem glitzernden Diadem ins Haar steckt, etwas Königliches und Nobles verleiht.

Das teuerste Diadem der Welt

Die prachtvolle und äusserst seltene Smaragd- und Diamanten-Tiara erzielte insgesamt drei Weltrekorde – bei der Auktion für eine Tiara, bei der Auktion für antike Juwelen und bei der Auktion für ein Smaragd-Juwelen-Set.

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Einst gehörte das La Paivas Emerald-Diadem Prinzessin Katharina Henckel von Donnersmarck. Die Basis des Diadems bildet ein Lorbeermuster aus Diamanten, über dem ein Streifen mit elf beein­ druckenden, kissenförmigen Diamanten gefertigt ist, zwischen denen eine doppelte Bourbonen-Lilie aus kleineren Edelsteinen eingearbeitet ist. Die Krönung des atemberaubenden Diadems bilden elf tropfenförmige, sehr seltene kolumbianische Smaragde mit einem Gewicht von ungefähr 500 Karat. Einst sollen die tropfenförmigen Edelsteine das Collier eines Maharadschas ge­ schmückt haben, und der Vermutung nach stammen die Smaragde aus der persönlichen Juwelenkollektion von Kaiserin Eugénie de Montijo, der Gemahlin Napoleons III. Guido Graf Henckel, 1. Fürst von Donnersmarck, soll das Diadem 1900 für seine zweite Gemahlin Fürstin Katharina gekauft haben. Am 17. Mai 2011 wurde das Diadem von Sotheby’s in Genf angeboten und erzielte die somit teuerste Tiara der Welt mit dem Verkaufswert von 12,7 Millionen US-Dollar – ein einzigartiger Weltrekord.


SHORT CUTS Die besonderen Augenblicke des Lebens – nie sollen sie vergehen

Bewahren kann diese Augenblicke ein kostbares Schmuckstück mit aussergewöhnlicher Symbolkraft. Wie beispielsweise der Star der neuen Wellendorff-Kollektion: das Amulett «EdelDiamantglück» mit einem elfkarätigen Diamanten, der durch seine ausserordentliche Grösse und feinste Qualität besticht. Seine Unvergänglichkeit, seine Schönheit und seine Reinheit machen den Diamanten zum Symbol tiefer Gefühle. In Verbindung mit der beschützenden Aura des Amuletts entsteht bei Wellendorff ein faszinierendes Schmuckstück, in dem die Aus­ druckskraft des elfkarätigen Diamanten durch feines, in wellenförmige Goldlinien gesetztes Diamant-Pavé noch betont wird. www.wellendorff.com

High Jewellery in Blue Mit den neuesten Kreationen von «Schreiner Fine Jewellery» stellt Gerhard Schreiner ganz besondere Schmuckstücke vor, die perfekt zu besonderen Anlässen passen. Aussergewöhnlich farbintensive Saphire, Tansanite und Diamanten werden zu wahren Kunstwerken verarbeitet. Das tiefe, dunkle Blau der Steine ist nicht nur beeindruckend, sondern zudem nur noch sehr selten zu finden. Besonders kommt dies bei den handgefertigten Saphir- und DiamantOhrringen zur Geltung, hergestellt aus Weiss­ gold mit Diamanten mit einem Gesamt­ gewicht von 2,73 Karat. www.schreiner-jewellery.com

Eleganter Auftritt Mit den neuesten Kreationen aus den «Gübelin Ateliers» wird die festliche Abendgarderobe zum besonderen Eyecatcher. Schlicht getragen oder als exklusives Highlight – die neuen Schmuckstücke überzeugen jeden Edelsteinliebhaber. Besonderes Highlight sind die Ohrhänger in Platin mit 60 Diamanten und zwei blauen Saphiren aus Madagaskar im Kissenschliff. Der Clou: Das hängende Diamantelement ist abnehmbar. Somit kann das Schmuckstück je nach Anlass extravagant oder schlicht getragen werden. www.gubelin.com

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Der von den Auto-Union-Rennwagen abgeleitete Typ 650 gab Experten lange R채tsel auf. Ein detailliertes Fachbuch lichtet jetzt den Nebel um den Mythos. Ralf Friese

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Werk


DRIVE STYLE


Auto-Union-Bolide

DRIVE STYLE

S

o viel vorweg: Der 1949 bis 1952 im sowjetischen Auftrag ­ ntstandene Rennwagen Typ 650 nahm an keinem einzigen e Rennen teil. In der 1949 gegründeten DDR war er ein ungeliebtes Kind, das von seinen Auftraggebern verstossen worden war und mit dem niemand etwas anzufangen wusste. Diese Ausgangslage veranschaulicht die Schwierigkeiten, die sich Autor Dr. Peter Kirchberg bei der Materialsammlung zur Doku­mentation dieses Fahrzeuges aufgebürdet hatte. Der Bestand an öffentlich zugänglichem Material war mager, dennoch gelang es dem ­ ­hervorragend vernetzten Historiker, viele Gesprächspartner über Querverbindungen dazu zu bewegen, ihr Wissen weiterzugeben. Das Ergebnis dieser aufwendigen, drei Jahre in Anspruch nehmenden Recherche ist Thema des vorliegenden Buches.

Der Blick zurück auf den Herbst 1939

Dr. Peter Kirchberg, profunder Kenner der Auto-Union-Historie, hatte als erster Autor die Renngeschichte der Auto Union AG auf­ gezeichnet. Seit dem 2009 ver­öffentlichten, preisgekrönten Autorenband mit den Beiträgen des 2008 anlässlich des 75. Todes­ tages von Bernd Rosemeyer in Zwickau abgehaltenen Gedenk­kolloquiums hatte er sich publizistisch anderen Bereichen der Automobilgeschichte zugewandt. Umso erfreulicher, dass es vom Altmeister jetzt ein facettenreiches Buch über das Erbe der Zwickauer Rennwagen gibt, das mit vielen unbekannten Fakten der sächsischen Fahrzeug- und Wirtschaftsgeschichte aufwartet.

Kirchberg beschreibt das Finale furioso aus Sicht der Auto Union detailliert und anhand von Rennberichten, Vorstandsmitteilungen und Aktennotizen. Denn zwei Monate nach Kriegsbeginn wurden Mercedes-Benz und die Auto Union von höchster Stelle nicht nur aufgefordert, für geplante Rennveran­ staltungen des Jahres 1940 Fahrzeuge einsatzbereit zu halten. Sondern auch, einen 1,5-Liter-Rennwagen als Zukunftslösung zu entwickeln. Die aus dieser surreal anmutenden Forderung erwachsenden Streitigkeiten zwischen Industriekapitänen und einem egozentrischen Parteibonzen um Materialkontingente, Rohkautschukimporte und die Versorgung mit Rennbenzin zeichnen ein in dieser Form bislang unbekanntes Bild vom Hintergrund des staatlich ebenso subventionierten wie reglementierten Rennbetriebes. In der Chemnitzer Konzernzentrale war man jedoch schnell der Ansicht, die enormen Aufwendungen für den Kraftwagensport nicht weiter verantworten zu können. Man dachte ab der Saison 1940 sogar laut über zwei bis drei

Peter Kirchberg Der Typ 650 Auto Union, BMW, Awtowelo – die Geschichte eines rätselhaften Rennwagens Mit Beiträgen von Jens Conrad, Eberhard Kressner, Detlef Neumann und Roland Reissig. 152 Seiten, 154 Fotos und Abbildungen, Delius Klasing Verlag, Bielefeld/D ISBN 978-3-7688-3876-4

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Jahre Pause im Automobilrennsport nach, doch die Entwicklung des 1,5-Liter-­Boliden war bereits verabschiedet worden. Das Buch stellt erstmals den dazu betriebenen Aufwand bis zum 31. Juli 1941 dar – dem Tag, an dem die letzten 20 Angestellten der Rennabteilung alle Arbeiten einstellen mussten.

«Reparation heisst Wiedergutmachung» Die komplexe Entstehungsgeschichte des Typ 650 lässt sich nur aus der frühen Nachkriegsgeschichte Ostdeutschlands verstehen. «Reparation heisst Wiedergutmachung» – unter dieser Überschrift entschlüsselt Dr. Kirchberg das System sowjetischer Trophäenkommissionen, in Ostdeutschland beheimateter sowjetischer Aktiengesellschaften und der kurz nach Kriegsende gegründeten Technischen Büros. Alle diese Institutionen dienten ­sowohl der Sicherung und Abschöpfung wissenschaftlichen und technischen Know-hows als auch der Suche, Sicherstellung, Lagerung und dem A btransport von Beutegut, um die festgelegte ­ Reparationssumme von zehn Milliarden US-Dollar aufzubringen.

Auto-Union-Bolide

Typ 650

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Reifen kamen von Pirelli aus Italien, der Zylinderblock augenscheinlich vom Eisenwerk Martinlamitz, einer in der amerika­ nischen Zone beheimateten Giesserei –, absolvierte der 650 im März 1952 seine erste Probefahrt in Chemnitz. Am 18. April wurden zwei Exemplare dieses ostzonalen Erbes an die ­russischen Auftraggeber übergeben. Wassilij Stalin, rennsportbegeisterter Sohn des russischen Diktators, hatte die Fahrzeuge zum Moskauer Stadtparkrennen am 30. Juni anmelden lassen. Zu diesem Anlass wurde auf ­beiden 650ern neben dem Emblem der russischen Luftstreitkräfte der Name SOKOL (Falke) aufgebracht. Doch ohne fachkundige Betreuung und ohne korrekten Kraftstoff versagten die zwei Boliden den Dienst. Sie kamen ­anschliessend nach Deutschland zurück, doch dort ging die Odyssee weiter, da weder die ehemaligen Auftraggeber noch die DDR-Oberen von den SOKOL etwas wissen wollten. Schliesslich landeten beide Wagen beim ­ Rennkollektiv im ehemaligen BMW-Werk Eisenach. Nach ihrem Einsatz als umgestaltete Filmrequisiten waren die Karosserien 1956 nicht mehr zu ­gebrauchen. Als die AWE-Rennabteilung 1958 geschlossen wurde, gingen die nackten Chassis zu Ausstellungszwecken an die heutige Westsächsische Hochschule in Zwickau und die TH Dresden.

Zu den sowjetischen Neugründungen zählte 1946 auch das Automobiltechnische Büro in Chemnitz (ATB), das moderne Automobilkonstruktionen erfassen und dokumentieren sollte. 1949 wurde das ATB der SAG Awtowelo in Eisenach als «BMW-­ Entwicklungsabteilung» angegliedert; Arbeitsaufträge gelangten auf direktem Weg vom Mini­ s­ terium in Moskau über die SAG nach Chemnitz, darunter auch jener vom 4. August 1949 zur Entwicklung eines Rennwagens mit 2-L-Saugmotor, dem Typ 650.

«Awtowelo oder Auto Union» – unter diesem Leitmotiv analysiert Co-Autor Jens Conrad die Technik dieses Boliden in Wort, Datentabellen, Bildern und beeindruckenden Röntgenzeichnungen. Sein Fazit: Unter den damaligen Gegebenheiten war ein Rennwagen entstanden, der durchaus Potential hatte. Nach zweijähriger Entwicklungs- und Bauzeit, gestützt auf das ­Wissen von Konstrukteuren, die in der Auto-UnionRennabteilung gearbeitet hatten, und begleitet von Problemen bei der Materialbeschaffung – die

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Fantasiekarosse für einen 1954er DDR-Film

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Im Dornröschenschlaf Die fortan getrennt verlaufende Geschichte beider Wagen hat Eberhard Kressner bis ins Detail aufgeschlüsselt und in diesem Zusammenhang auch gleich mit Kolportagen um die Herkunft eines Auto-Union-Rennmotors aufgeräumt, der Ende ­ der 1970er-Jahre auf verschlungenen Pfaden nach Westdeutschland gelangt war. Der Zwickauer Typ 650 gelangte in Privatbesitz und wurde von der staatlichen DDR-Firma Interport Ende der 1970er-Jahre als «1,5-L-Auto-Union-Prototyp» nach England veräussert. Erst schrittweise, im Zug der mit vielen Kompromissen behafteten Restaurierungsarbeiten, keimte dort die Erkenntnis, dass es sich «nur» um ein Produkt mit Auto-Union-Genen handelte. 2010 stand das «uneheliche Kind deutscher Väter aus der ehemaligen Auto Union und der russischen Mutter Awtowelo» schliesslich zum Verkauf; seit Frühjahr 2012 gehört der Rennwagen zu einer Fahrzeugsammlung im niedersächsischen Einbeck und kann dort in jenem Zustand besichtigt werden, der Anfang der 1980er-Jahre in England entstand.

Das Dresdner Fahrgestell stand zunächst im Zeichensaal der TH und wurde, um es einlagern zu können, aus Platzgründen in zwei Teile zersägt … Seither fehlt das Rahmenmittelteil. Die nächsten Jahrzehnte verbrachten die übrig gebliebenen Baugruppen im Dornröschenschlaf, bis das Fahrgestell 2008 zu Ausstellungszwecken komplettiert wurde. Der Wiederaufbau wird im Buch akribisch dokumentiert, ebenso die Unterschiede der beiden ursprünglich identischen Fahrzeuge. Bei der Wiederherstellung des zersägten Autos unterblieben Eingriffe in die Originalsubstanz; ergänzte Bauteile heben sich optisch deutlich vom Original ab. Da das Fahrzeug lediglich als Ausstellungsstück genutzt werden sollte, stand ein Nachbau der Karosserie nicht zur Diskussion. Seit 2011 kann das rollfähige Chassis im Industriemuseum Chemnitz besichtigt werden – nur wenige Kilometer vom Ort seiner Entstehung entfernt.

Respekteinflössend: Der Typ 650 hätte ein Sieger werden können.

Zwölf Zylinder, vier Vergasser: Der Motor war ein Vollblut mit 152 PS.

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PAUL POIRET LE MAGNIFIQUE

Jede Dekade bringt einen besonderen Seher des untrüglichen Stils hervor. Einen Créateur, der sich mit Brillanz und Genialität über allen anderen erhebt und fähig ist, die Wünsche der Frauen zu erahnen und sie mitzubestimmen. In den 1910ern zeichnet sich Paul Poiret als das Orakel der Designerwelt in den schillernden Fashionhimmel und wird in Amerika zum «König der Mode» gekrönt. Helena Ugrenovic

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FASHION The Luxury Way of Life | 183


FASHION

P

aul Poiret wird am 20. April 1879 als Sohn ­eines Tuchhändlers im Pariser Stadtteil Les Halles geboren. Schon sehr früh drückt Paul seine Unabhängigkeit und kreative Ader mit Entwürfen aus, die er an die Ränder seiner Schulbücher zeichnet, besucht Galerien und Theatervorstellungen. Nach seinem Schulabschluss beginnt er eine Lehre bei einem Schirmmacher, ­doch Paul ist unglücklich darüber, die Böden zu schrubben und als Laufbursche zu dienen. Den grössten Teil seiner Zeit verbringt er damit, aus den Stoffresten elegante Couture-Kleider an einer Holzpuppe zu drapieren. 1898 präsentiert er zwölf seiner Skizzen der Modeschöpferin Louise Chéruit des Modehauses Raudnitz & Cie, die begeistert die gesamte Kollektion kauft und damit den Grundstein für Poirets revolutionäre Karriere legt.

Ein Stern geht auf Der Verkauf seiner Skizzen weckt die Aufmerksamkeit Jacques Doucets, des berühmtesten Pariser Couturiers, der Paul eine Anstellung als Junior Assistent Designer anbietet. Der atemberaubende Umhang, den Poiret für die Schauspielerin Ré­ jane entwirft, die den spektakulären Traum aus schwar­zem Tüll und Taft in der Aufführung «Zaza» trägt, sichert Poirets Ruhm. Die Bühne als Laufsteg und für seine Publicity zu nutzen, um der ­Öffentlichkeit seine avantgardistischen Modelle zu präsentieren, wird eine typische Marketingstrategie des Künstlers.

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1901 wechselt Paul Poiret zu Worth, dem füh­ renden Modehaus der Zeit, und arbeitet Seite ­an Seite mit Gaston und Jean, den Söhnen des berühmten Gründers Charles Frederick Worth. Seine Kreativität erhält einen Dämpfer, denn Pauls Ideen sind dem Hause Worth zu extravagant und ­müssen langweiligen Vorgaben weichen. Die vernichtende Kritik der russischen Prinzessin Bariatinsky spornt ihn schlussendlich dazu an, sein eigenes Modehaus zu gründen. Mithilfe seiner ­ Mutter, die ihn dabei finanziell unterstützt, eröffnet Paul 1903 sein eigenes Modehaus.

Avantgarde, Pomp und Exotik Poiret ist ein Querdenker und Visionär, dessen Stil sich nicht nur von dem seiner Berufskollegen drastisch abhebt, sondern gleichzeitig revolutionär ist. Er pfeift auf den rundlichen Edwardian Style und befreit die Damen mit neuen, weich fliessenden Modellen aus den eng geschnürten Korsetten. Poiret ist eng mit dem Art déco verbunden und entwirft 1906 eine schmale Robe, deren Rock ­unterhalb des Busens beginnt und in einer Linie bis zum Boden fällt. Er tauft die Linie, die ihm ­Berühmtheit beschert, «La Vague», die Welle, die wie der sanft geschwungene Buchstabe «S» den weiblichen Körper sinnlich umschmeichelt.


FASHION

Der teuerste Duft der Welt Ein Flakon mit 500 Milliliter «Imperial Majesty Perfume» von Clive Christian kostet 215’000 US-Dollar. Das pure Luxusparfüm, von dem weltweit nur 10 Flakons existieren, präsentiert sich in einem Flakon aus reinem Gold und Verzierungen aus 5 Karat Diamanten.

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FASHION

Als Liebhaber von Kunst, Darstellung und mondänen Festen, die Stadtgespräch sind, umgibt sich Poiret mit Malern, Designern, Schauspielern und Tänzern, und als 1909 die «Ballets Russes» ­in Paris gastieren und einen frenetischen Erfolg feiern, ist Paul insbesondere von ihren orienta­ lischen Bühnenkostümen inspiriert. Seine nächste Kollektion ist eine Ode an den Orient. Kimonos, Kaftane, lange Obergewänder, Pumphosen und Tuniken, Schleier und Turbane sind mit goldener und silberner Spitze, farbenprächtigen Stickereien, Fransenbordüren, Federn und Perlen verziert. Er entwirft das Lampenschirmkleid, an dessen Saum ein Drahtstreifen eingearbeitet ist und die Trägerin ringförmig umgibt.

Martine & Rosine 1911 gründet Poiret die Schule «Les Ateliers de Martine», die nach seiner zweiten Tochter Martine benannt ist und in der junge Mädchen nach den

Richtlinien der Wiener Werkstätte ausgebildet werden. Das Unternehmen «Parfums de Rosine», in dem er als erster Modeschöpfer und lange vor Coco Chanel Duftkreationen auf der Basis von Rosenduftnoten produziert, benennt er nach ­seiner älteren Tochter Rosine. Im Ersten Weltkrieg ist Poiret gezwungen, seine Ateliers zu schliessen, und stellt nach Kriegsende schmerzlich fest, dass sein Stern erloschen ist und stattdessen derjenige der aufstrebenden Modeschöpferin Coco Chanel zu leuchten beginnt. Paul Poiret ist der erste Designer, der seine Entwürfe 1908 in Form des Modealbums «Les Robes de Paul Poiret» mit einer Auflage von 250 Exemplaren veröffentlicht, und als er 1944 einsam und verarmt stirbt, ist es seine geschiedene Frau ­Denise, die seine Entwürfe archiviert und seine ­Arbeiten dokumentiert.

Korsett Das älteste Exemplar eines Korsetts stammt aus dem Grab von Eleonora di Toledo, die 1562 verstarb. Zwischen 1840 und 1870 entwickelte sich die Sanduhrform, die noch heute als klassische Korsettform gilt. Laut dem Guinness-Buch der Rekorde schnürt Cathie Jung aus dem US-Bundes­ staat North Carolina ihre Taille auf 38 Zentimeter.

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DAS MODEL DER REKORDE LINDA EVANGELISTA

Linda Evangelista ist das Model der Rekorde. Geboren 1965 in Ontario / Kanada, hat sich die langjährige Muse von Karl Lagerfeld und Steven Meisel in der Branche schnell einen Namen gemacht. Sie arbeitete äusserst erfolgreich für alle grossen Modehäuser, spätestens mit ihrem Auftritt im ­Musikvideo zu George Michaels Hit «Freedom» wurde sie weltberühmt. Bis heute schmückte ihr Ge­ sicht über 700 Titelseiten grosser Modemagazine, keine andere war so oft in der «Vogue Italia» wie sie. Aufgrund ihrer enormen Wandelbarkeit und der immer wieder wechselnden Haarschnitte bekam sie schnell den Spitznamen «Cha­ mä­ leon»

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verpasst. Heute ist Linda Evangelista 49 Jahre alt und kann bereits auf eine 36-jährige Glamour-Karriere zurückblicken. Ans Aufhören denkt sie aber noch lange nicht: Ob als Werbebotschafterin für eine Moschino-Kampagne oder als bevorzugtes Fotomodel von ­ Karl Lagerfeld – das vielseitige Multitalent beweist nach wie vor, dass die Modewelt ohne sie nur halb so bunt wäre.

«Von Diäten halte ich gar nichts. Ich esse einfach immer nur halb so viel, wie ich eigentlich gerne würde!»

«Es gibt auch Schönheit jenseits der Jugendlichkeit. Der Prozess des Reifens ist ebenfalls etwas Wunderschönes, nur leider wissen das die Redakteure vieler Modemagazine nicht.»

«Für weniger als 10’000 Dollar steige ich erst gar nicht aus dem Bett!» «Wenn mich die Leute fragen, wie ich es geschafft habe, über so viele Jahre hinweg ganz oben an der Spitze zu bleiben, sage ich ihnen: ‹nur mit der Hilfe von guten Fotografen, Make-up-Artists und Hairstylisten!›»

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ÜBER DEN GLOBUS SPA(-ZIERT)

Gurkenmasken und Schlammpackungen waren einmal. Heute gilt: von einseitig bis vielseitig, weit über die Grenzen hinaus und so hoch, wie Körper, Geist und Seele zu entschweben vermögen und von Viva bis Java. Quer über den Planeten locken exotische Spa- und Wellness-Angebote ihre neugierige und anspruchsvolle Klientel. Helena Ugrenovic

ohlfühlprogramme reichen zurück in eine Zeit weit vor Christus. Schon vor mehr als 4000 Jahren frönten die alten Ägypter, Griechen und ­Römer dem Badekult, den die Römer wie keine andere Kultur zele­ brierten. Das gesellschaftliche Ereignis beinhaltete einen Saunagang, Warm- und Kaltwasserbad sowie verschiedene Sportarten und war ein fröhliches Stelldichein, wo Klatsch ausgetauscht, politisiert und auch Intrigen gesponnen wurden. Heutzutage lassen exotische und aussergewöhnliche Spa-Programme die Herzen Wellness-Begeisterter höher schlagen.

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BEAUTY

Viva Mexico! Eine königliche Wellnessbehandlung, die aus einem warmen Bad mit kolloidalem Gold, wertvollen Ölen und einem Massageritual besteht.

Behandlung Der Körper wird mit goldenem Körperöl eingerieben und danach mit hauchdünnen Goldplättchen belegt, die sorgfältig einmassiert werden.

Wirkung Regenerierend, vitalisierend, die Haut wird gepflegt und erhält einen leichten Goldschimmer.

Für wen geeignet?

AZTEKEN-GOLD-TREATMENT

ZULU-TREATMENT

Für Frauen.

Jambo Africa! Aus dem Schwarzen Kontinent stammt die Behandlung mit der weltweit berühmtesten Bohne, der Wunderknolle Ingwer und Aroma­ algen. Genauso anregend als morgendlicher Muntermacher wird grobkörniges Kaffeegranulat mit Ingweröl und entschlackenden Aromaalgen zu einer schwarzen Paste vermischt und der Körper damit verwöhnt.

Behandlung Die schwarze Paste wird sanft in die Haut des gesamten Körpers ein­massiert. Einerseits reinigt sie die Haut wie ein sanftes Peeling und andererseits wird die Muskulatur gelockert. Auch Pickel sollen dadurch auf Nimmerwieder­ sehen verschwinden.

Wirkung Aussen pfui, doch innen hui ist die Kombination der Zutaten stimulierend, kreislaufanregend, kurbelt den Stoffwechsel an, entschlackend und krampflösend. Reich an ätherischen Ölen und Vitaminen.

Für wen geeignet? Für Frauen und Männer.

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Sinnlichkeit der Orangenblüte kombiniert mit einer blumigen Essence.

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Goldige, glitzrige Lidschatten und knallige Lippenstifte dominieren den Make-up Look im Winter. Vor allem Gold-, Bronze- und Silbertöne eignen sich perfekt für die feierliche Winterzeit. Rottöne in allen Nuancen werden diesen Winter wieder ausgepackt und zusammen mit den rauchigen Lidschatten kombiniert.

HERMÈS CUIR D’ANGE

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Überraschungsreiche Interpretation des Lederaromas mit weichem, elegantem Charakter.

YVES SAINT LAURENT

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BEAUTY

Der Restaurant-Olymp Die Sterne-Küche des «Noma» in Kopenhagen überzeugt. Deshalb gilt es auch als das beste Restaurant der Welt. René Redzepi, Küchenchef des Restaurants, setzt auf skandinavische Produkte. Neben nordischen Zutaten wie heimischem Fisch und Fleisch verwendet René Redzepi lokale Gemüse und wilde Kräuter wie Löwen­ zahn oder Sauerampfer. Wer also auf Tang aus Island, Tiefsee­ krabben von den Färöer Inseln, Lamm und Moschusochse aus Grön­ land oder Kräuter wie Farnsprossen aus den dänischen Wäldern gespannt ist, sollte in die dänische Hauptstadt reisen. Der Name des Restaurants ist übrigens eine Kombination aus den dänischen Wörtern «nordisk» (nordisch) und «mad» (Essen). Und dieser Name ist Programm!

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Was uns berührt, obwohl wir es uns vom Leib halten wollen, geht unter die Haut. – Ernst Ferstl –

www.noma.dk

Senses

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Spitzenklang in neuem Look Ferienzeit, die schönsten Tage des Jahres. Zeit, sich in der Natur zu entspannen und den Alltag hinter sich zu lassen. Exotische Landschaften erkunden, am Meer chillen oder das Bergpanorama geniessen. Das geht bekanntlich mit der richtigen Musik noch besser. Boses SoundTrue™ Around-Ear-Kopfhörer in Schwarz, Weiss, Mintgrün sind hierfür die perfekten Begleiter. Um den Transport zu erleichtern, lassen sich die Headphones flach zusammenfalten und sind somit leicht, portabel und dem alltäglichen Einsatz mühelos gewachsen. Die Kopfhörer liefern kraftvolle tiefe Töne, klare hohe Frequenzen und ein aus­ gewogenes Klangspektrum von Stimmen und Instrumenten. Fazit: ein satter und klarer Klang, ausser­gewöhnliche Langlebigkeit, Komfort sowie neue coole Farben und Designs. www.bose.ch

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BEAUTY

Die 65. Internationalen Filmfestspiele Berlin Im Februar steht Berlin traditionell im Zeichen des Films: internationale Stars auf dem roten Teppich, begeisterte Fans, Cineasten aus aller Welt – und vor allem gross­ artige Filme. Vom 5. bis 15. Februar 2015 ist Berlin der Mittelpunkt der Filmwelt. Auf dem roten Teppich des Festivals trifft man die grossen Stars, die ihre Filme den Fans und den Kritikern vorstellen. So waren in den letzten Jahren Matt Damon, Hugh Jackman, Anne Hathaway und Meryl Streep bei der Berlinale – um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Wer 2015 mit dabei ist, wird Ende Januar bekannt gegeben. www.berlinale.de

Bottega Veneta goes Riviera Tomas Maiers Vision für Bottega Venetas neuen Duft Knot führt an die italienische Riviera. Inmitten grüner Hügel befindet sich ein Haus, ein wahrer Zufluchtsort vor der Realität mit Blick auf den glitzernden Ozean. Die Fenster sind weit geöffnet und durch sie zieht ein Duft von frischen Clemen­tinen, gefolgt von Lavendel und Pfingstrose. Das Herz der neuen Knot-Duftkreation. Moschus und Tonka­ bona verleihen dem Duft Struktur und erden ihn. Let’s go Italy scheint einem dieser Duft zuzuflüstern auch an trüben Wintertagen. www.bottegaveneta.com

Weiche Alpaka-Wolle Die Exklusivität der Alpaka-Wolle, die für ihre Weichheit und ihren seidigen Glanz bekannt ist, wurde bereits durch die Inkas entdeckt und war zeitweilig ausschliesslich den Königshäusern vorbehalten. Heute dürfen glücklicherweise auch wir uns in flauschig weiche Mäntel, Ponchos oder Cardigans hüllen. Hess­ natur präsentiert eine Kollektion aus reinem Alpaka geschoren und verarbeitet in Peru. Warm und doch leicht. Ein perfekter Begleiter durch die Winterzeit. www.hessnatur.com

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LIVING

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JAIME IM WUNDERLAND

JAIME HAYÓN In der Welt von Jaime Hayón tragen die Vasen Gesichter, Schuhe leuchten bunt wie in einem Süssigkeitengeschäft und grüne Riesenhühner fungieren als Schaukelstühle. Lone K. Halvorsen

Jaimes Schuhentwurf für Camper


«Wer wachsam schaut und positiv denkt, kann die Dinge immer anders begreifen.» – Jaime Hayón –

Showtime Vasenserie für BD Barcelona

H

ayón besitzt die Fähigkeit, Kunst und Design miteinander zu verschmelzen. Seine Faszination für Zirkuselemente kommt in all seinen Werken zum Ausdruck. In der Tat würde auch Alice sich im Reich von Jaime Hayón gut aufgehoben fühlen. Sein Kosmos besteht aus märchenhaften Figuren und buch­ stäblich fabelhaften Möbeln – eine märchenhafte Welt. Er geht stets seinen eigenen Weg, denn er hält nichts von ausgetretenen Pfaden oder von Mittelmässigkeit. Der 1974 geborene Madrilene hat seine eigene Vorstellung vom zeitgenössischen Design und fühlt sich als Befreier der Form­ gebung.

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Snoopy – der Beginn einer Leidenschaft Seine Karriere startete ganz harmlos mit Snoopy-­ Figuren, die er auf die Couch seiner Mutter malte. Einige Jahre später folgte ein Industriedesign­ studium in Madrid und Paris, dann die Design- und Kommunikationsakademie «Fabricia», wo Hayón schnell vom Studenten zum Leiter der Designabteilung aufstieg. Im Jahr 2000 gründete er sein ­eigenes Studio und mittlerweile gehört er zu den einflussreichsten Designern weltweit. Das Spektrum Hayóns reicht von grafischen Arbeiten über Kunst bis hin zur klassischen Produktentwicklung. Mit Büros in Italien, Spanien und Japan verfolgt er stets das Ziel, neue Herausforderungen anzu-


LIVING

nehmen und neue Perspektiven zu finden. Über sein Design sagt er: «Ziemlich lange wusste ich nicht, was ich war. Möbeldesigner? Künstler? Grafiker? Schliesslich fand ich heraus, dass es nicht um solche Kategorisierungen geht. Ich bin hier, um mit meinen Möbelstücken Geschichten zu ­erzählen. Die Geschichte, die mit einer Kollektion erzählt wird, ist wichtig, denn sie trägt zur Aus­ sagekraft und Kohärenz der Kollektion bei. Die Geschichte muss nicht auf einer Tatsache beruhen, sie kann reine Fantasie sein, solange sich die Menschen darin wiedererkennen können.» Seine Entwürfe machten Hayón zum Vorreiter ­eines neuen Stiles. Er lässt die Grenzen zwischen Objektkunst und Industriedesign schwinden. Und er lässt die Welt in ein Theater verwandeln. Seiner Meinung nach können Designer das Leben lebenswerter machen, aber «was uns leider zurückhält, sind einzig und allein Geld und konservative Einstellungen. Ich bin ausserdem besessen von dem Anspruch auf Qualität. Damit hinterlässt man den nachhaltigen Eindruck, dass es jemandem ernsthaft um gut Gemachtes und die Rückkehr in ein goldenes Zeitalter des Luxus ging. Man muss über seine Arbeiten diskutieren und andere nach ihrer Meinung dazu fragen. Nur durch Gespräche erreicht man sein Ziel».

marke «Piper-Heidsieck» und selbstverständlich auch das Design von Tischen, Stühlen, Lampen, Sesseln, Glas- und Porzellanwaren: Die Auflistung seines Schaffens reicht aus, um damit ein ganzes Buch zu füllen. Selbst sagt er, er habe alles ­gemacht, was mit Kreativität und «der Lust am ­Leben und der Liebe zu schönen Dingen» zu tun hat. Damit ist sein radikales Fusion-Konzept wohl treffend umrissen. Die Vergangenheit als Skater und Sprayer zeigt sich in seinen Entwürfen durch das Spiel mit Farben und Dimensionen. Als Hayón 2008 für den Schuhhersteller «Camper» quasi unter die Schuhmacher ging, wurde es so richtig bunt. Die Formen hat er hierbei schlicht und klassisch gehalten, dafür hat er bei den Farben mit knalligen Tönen aufgetrumpft. Gene Kelly hätte beim «Singin’ in the Rain» mit Hayóns poppigem Schuhwerk wahrlich

Sonnengelbe Schnürschuhe Extravagante Badezimmermöbel für ArtQuitect, die Gestaltung des Informationszentrums im niederländischen Groninger Museum, die Einrichtung des Juweliergeschäftes «Octium» in Kuwait, ein Champagnerkühler für die französische Traditions-

Vase aus der Fantasy Collection für Lladró

Showtime Multileg Cabinet für BD Barcelona

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nichts, wenn niemand darauf sitzen will.» Indes ist es ihm jedoch auch wichtig, nicht nur als Industriedesigner verstanden zu werden, sondern auch als Künstler. «Eine klare Grenze zwischen Produkt­ design und Kunst gibt es doch heutzutage gar nicht mehr», sagt er. Seine grossen Helden, darunter der Künstler Jeff Koons, seien schliesslich auch zwischendurch für die Industrie tätig gewesen. Immerhin hat Hayóns Badkollektion es in das Londoner Design Museum geschafft und seine ­ ­Installation «Mon Cirque» mit den Clown-Lampen und Pinguin-Vasen waren sogar in Paris und Minneapolis zu bestaunen.

Auf Erfolgsritt mit einem grünen Huhn

T-Table aus Porzellan für Bosa

seine Freude gehabt. Zudem tobt er sich für ­Camper auch innengestalterisch bei der Einrichtung ausgewählter Shops aus. Während bei den meisten grossen Marken die Shops nach dem immer gleichen Muster gestaltet werden, wählt ­ das Kultschuhlabel «Camper» einen anderen Weg – nämlich ein Design je nach Stadt und je nach der für das Shop-Design zuständigen Person. Und in ­diesem Zusammenhang darf Hayón natürlich nicht fehlen. So entwarf er mit seinen Installationen Verkaufsräume für Camper, die dem Vorzimmer eines märchenhaften Ballsaales ähnelten. London, Tokyo, Barcelona, Palma de Mallorca s­ owie Mailand wurden in ein kurioses Wunderland verwandelt, wo der Schuh in den Hintergrund geraten könnte. Die Zeit jedoch spielt mit bei ihm, denn die Ära der verchromten Künstlichkeit und des sterilen Minimalismus haben ihren Zenit erreicht. Die Welt von Jaime Hayón ist (s)ein Spielplatz. Sein Federmäppchen ist gefüllt mit bunten Stiften, die keine Kanten malen können – denn zwischen seinen kurvigen und ­organischen Formen kann man lange nach Kanten und scharfen Ecken suchen. Das, was vor einigen Jahren noch als verspielter Kitsch betitelt wurde, hat in Hayón den berufenen Gestalter gefunden. «Was bedeutet schon ‹cool›?», sagt er. «Wenn ich zum Beispiel einen Stuhl entwerfe, geht es mir um den Spass, den ich habe, wenn ich ihn mir ausdenke, und den derjenige hat, der später drauf sitzt.» Doch trotz aller Experimentierfreude ist ­seiner Ansicht nach die Funktionalität des fertigen Stückes der entscheidende Faktor: «Man kann das schönste Sofa gebaut haben – es bringt

The Family Portrait aus der Fantasy Collection für Lladró

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Der Spanier reitet auf einer Erfolgswelle. Zwar nicht als Cowboy unterwegs, sondern im Hasenkostüm auf einem grossen grünen Huhn. Hayón überträgt die bunte Welt nicht nur auf sein Möbeldesign, sondern schlüpft auch selbst gerne in die poppig-bunte Märchenwelt – mit Vorliebe zu Interviews und Presseterminen. Die Inszenierung liegt ihm und er weiss sich und seine Werke gekonnt in Szene zu setzen. Preisgekrönt und von ikonenhafter Zeitlosigkeit beseelt, sind seine Designkreationen immer wieder ein Kunstwerk. 2014 hat er sich ein kleines Denkmal gesetzt: Im niederländischen Groninger Museum hatte er seine erste grosse Soloausstellung, «Funtastico». Hierin wurde seine unerschöpfliche künstlerische Schaffenskraft reflektiert, die er in den vergangenen zehn Jahren in den Bereichen Produkt- und Möbeldesign, Innenarchitektur und Kunst aufgebracht hat – wiewohl Hayón wie sein «Hopebird» aufrecht und wach nach vorn in die Zukunft schaut.


LIVING

VIEL MEHR ALS EIN DESIGNER GERRIT THOMAS RIETVELD

Der Holländer Gerrit Thomas Rietveld war ein echtes Multitalent. Neben seiner Tätigkeit als Architekt und Möbeldesigner war Rietveld auch einflussreiches Mitglied der Künstlergruppe «De Stijl» und Kurator verschiedener Ausstellungen. Geboren 1888 in Utrecht, unternahm Rietveld seine ersten künstlerischen Gehversuche in der Schreinerei seines Vaters. Hier lernte er das Einmaleins des Möbelbauens kennen, in Abendschulen eignete er sich das notwendige künstlerische und architek­ tonische Hintergrundwissen an. Einen enormen Einfluss übte während dieser Zeit der Architekt ­P. J. C. Klaarhamer auf ihn aus. Dieser gab Rietveld Stunden im Bauzeichnen und brachte ihm auch viel über Architektur- und Designtheorie bei. Im Jahr 1917 wollte der wissbegierige Schüler dann aber auf eigenen Beinen stehen und gründete kurzerhand seine eigene Möbelwerkstatt in Utrecht. Hier konnte der begabte Jungdesigner seiner Krea­tivität freien Lauf lassen und endlich nur noch jene Objekte kreieren, die seinem eigenen Geschmack entsprachen. Auch sein «Red-Blue Chair» ist hier entstanden, der mit seinem innovativen Farb- und Formenspiel den Weltruhm von Rietveld begründen sollte. In den darauffolgenden Jahren wurde ihm die Gestaltung zahlreicher prestigeträchtiger Bauten und Ausstellungsräume überantwortet, so etwa der «Dutch Pavilion» auf der Biennale oder das «Van Gogh Museum» in Amsterdam. Indem sich Rietveld Zeit seines Lebens spielend zwischen den einzelnen Kunstformen bewegte, trug er nicht zuletzt zur Herausbildung eines erweiterten postmodernen Kunstbegriffs bei.

«Die Leute sollen meine Objekte nicht als abstrakte Kunstwerke wahrnehmen, sondern sie aktiv und mit allen Sinnen erfahren können.»

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3 ZITATE «Bei dem ‹Rot-Blauen Stuhl› habe ich versucht, jedes Einzelteil so einfach und elementar wie möglich zu gestalten. Nur wenn sich alles der Funktion und dem Material unterordnet, kann am Ende ein harmonisierendes Ganzes entstehen. Kein Teil darf hier das andere dominieren, sie müssen alle gleichberechtigt sein. Nur so kann sich das Objekt luftig und frei im Raum bewegen.» «Das Wichtigste für mich als Designer ist, mir einen direkten und unverstellten Zugang zum Leben, zur Realität zu bewahren.»


LIVING

DESIGNKLASSIKER Feine Linien, souveräne Proportionen und edle Materialien – Ludwig Mies van der Rohes Möbelentwürfe sind international begehrter denn je.

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Lilly Steffen

ies van der Rohe gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Moderne. Seine Baukunst gilt dem Ausdruck konstruktiver Logik und räumlicher Freiheit in klassischer Form. Mit einem Federstrich wird der deutsch-amerikanische Architekt vom ­ ­grossen Architekten des 20. Jahrhunderts zum profilierten Möbelgestalter. Der «Vater» des Bauhausstils hat mit seinen Entwürfen den Alltag der Menschen beeinflusst und gilt als Kreateur einer neuen, internationalen Eleganz. Mies van der Rohes Design-Kreationen zeichnen sich – nicht anders als seine Architektur – durch elegante Klarheit, Stabilität und Qualität aus. Auf den ersten Blick scheinen die Alltagsgegenstände wie Stühle, Sessel oder Tische beschränkt. Doch genau dadurch entwickeln sie eine Schönheit, der sich kein Betrachter entziehen kann. Seine Kreationen gelten als ästhetisch hochinteressant, einfach in der äusseren Erscheinung und dennoch bequem, stilvoll und überaus funktionell. Mit der Einstellung «Less is more» gelang Ludwig Mies van der Rohe eine Kreation, über die die Welt heute noch spricht. Ein Stuhl ohne Hinterbeine, dessen Sitzfläche unter dem Gewicht einer Person federnd nachgibt und leicht nach hinten absinkt. Über keinen Stuhl wurde so viel diskutiert. Verchromtes Stahlrohrgestell, Sitz und Lehne aus hochwertigem Kernleder. Die Rede ist vom Freischwinger MR10, der 1927 präsentiert wurde und seither als Ikone des Möbeldesigns gilt. Wie so viele Erfindungen hat auch der Freischwinger eine Vorgeschichte, was den Streit um seine Urheberschaft angeht. Die ursprüngliche Idee zu einem Stuhl ohne Hinterbeine hatte der niederländische Architekt Mart Stam. Sein so genannter «Kragstuhl» war aber starr und unelastisch und deshalb noch kein Freischwinger. Ludwig Mies van der Rohes MR10 gilt hingegen als echter Freischwinger, der leicht federnd nachgibt. Weiterentwickelt, vor allem in Sachen Elastizität und Bequemlichkeit, hat diesen Stuhl Marcel Breuer.

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LIVING

LUDWIG MIES VAN DER ROHE Geboren 27. März 1886, Aachen / Deutschland Gestorben 17. August 1969, Chicago / Vereinigte Staaten Bücher Conversations with Mies van der Rohe Auszeichnungen Presidential Medal of Freedom, Royal Gold Medal, Twenty-five Year Award

«Die Form ist nicht das Ziel, sondern das Resultat.»

«Es kostet nichts, interessante Formen zu finden, doch es ist vieles nötig, etwas durchzuarbeiten.»

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MONSIEUR

TANG LÄCHELT

CULINARIUM

EIN KULINARISCHER SPAZIERGANG DURCH PARIS

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Gründe für eine Reise nach Paris gibt es viele: den gusseisernen Koloss Gustave Eiffels, die weltberühmten Sammlungen des Louvre, den frühgotischen Säulenwald von Notre-Dame, einen Bummel auf den Champs-Élysées oder über den Montmartre oder eine romantische Lichterfahrt auf der Seine. Aber natürlich ist Frankreichs Kapitale auch eine Top Destination für Foodies. Dr. Thomas Hauer

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© The Peninsula Paris

n Paris locken nicht nur zahllose Märkte und einige der schönsten Delikatessengeschäfte der Welt, sondern auch mehr als 10’000 Cafés, Brasseries und Bistros, die mit einer gastronomischen Bandbreite aufwarten, die London oder New York ebenbürtig ist. Ganz zu schweigen von den legendären Gourmettempeln der Stadt. So glänzen in der Seine-­ Metropole aktuell gleich über neun Restaurants drei Michelin-Sterne. Wir ­haben aus dieser Flut vier ganz besondere Tipps herausgepickt.

© The Peninsula Paris

The Luxury Way of Life | 279


CULINARIUM

Restaurant LiLi im Peninsula Paris Starten wir gleich mit einem Ausflug ins exotische Fach, denn das, was im LiLi auf edlen Porzellantellern landet, hat mit traditioneller französischer Kochkunst nicht viel gemein – abgesehen von der Herkunft der handverlesenen Zutaten vielleicht. Dafür dürfen sich die Gäste des kantonesischen Luxus­ restaurants im Anfang August an der schicken Avenue Kléber eröffneten Peninsula Hotel aber auf nicht minder legendäre Spezialitäten der südchinesi­ schen Küche freuen: von A wie Abalone bis Z wie Zackenbarsch. Und die werden hier mit einer solchen Hingabe und Perfektion zubereitet, dass sich ein zeitraubender Interkontinentalflug nach Fernost – zumindest unter kulinarischen Gesichtspunkten – in Zukunft erübrigen dürfte. Verantwortlich dafür ist Tang Chi Keung, von allen der Einfachheit halber nur «Chef Tang» genannt. Der spricht weder Englisch noch Französisch, aber das tut seiner guten Laune offenbar keinen Abbruch, denn wann immer Chef Tang unseren Weg kreuzt, spielt ein verschmitztes Lächeln um seine Lippen. Und am Herd hat der Hongkong-Chinese, der zuletzt im Peninsula Tokyo den ersten Stern für die Hotelgruppe erkocht hat, mit der Verständigung ohnehin keine Probleme: schliesslich steht dem Meister dort eine handverlesene Equipe aus seiner Heimatstadt zur Seite. Wer einen Blick in die Küche wirft, wähnt sich deshalb auch eher in einer typisch südchinesischen Garküche als mehrere Meter unter dem Pflaster von Paris. Während sich vor den professionellen Dampfgarern, die eine ganze Wand einnehmen, zahllose Bambuskörbe für die Zubereitung von Dim Sum und Co. stapeln, hängen schräg gegenüber mehr als ein halbes Dutzend feuerrot ­lackierte Pekingenten am Haken. Gleich nebenan brodelt in gewaltigen Kesseln glasig schimmernder Schweinebauch, der die Luft mit seinem fein süsslichen Odeur parfümiert und im Nebenraum dreht lebend frisches Seafood in ­grossen Bassins eine letzte Ehrenrunde.

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© Guy Savoy Paris – Laurence Mouton

© The Peninsula Paris

© The Peninsula Paris

Natürlich sind im LiLi auch alle Saucen, Herz­­ stück der kantonesischen Küche, hausgemacht. Darunter auch eine von Chef Tang eigens für Paris kreierte Spezialsauce auf Basis von Chili, ­ Schwarzbohnen, Oliven und grünen Senfblättern, die hervorragend zu Krustentieren, aber auch Schweinefleischgerichten und Geflügel passt, und natürlich die typische Hongkonger XO Sauce. Das elegante Interieur des Restaurants verbindet mühelos fernöstliche Zitate mit Pariser Chic. Das Thema: eine Symbiose aus chinesischer und ­französischer Oper. So ist auch der Name des ­Restaurants eine Hommage an eine berühmte chinesische Opernsängerin aus den 20er-Jahren. Wer es sich leisten kann, nach einem opulenten Dinner in einem der rund 200 ultraluxuriösen Hightech-Zimmer und Suiten des Peninsula, einige davon mit spektakulären Dachgärten, zu über­ nachten – die Preise starten bei etwa 1 000 Franken pro Nacht –, kann am Morgen als Alternative zu Baguette, Croissant und Café au Lait auf Wunsch natürlich auch ein authentisch chinesisches Frühstück ordern. Das besteht aus gebratenen Eier­ nudeln mit Huhn und Sojasprossen, Reis-Congee mit hauchdünnen Rindfleischscheibchen und natürlich Dim Sum – gefüllt mit Garnelen und karamellisiertem Schweinefleisch.


© Brasserie Mollard – Stéphane Malchow

Brasserie Mollard Nach dem Peninsula steht als Nächstes ein Abstecher zu einer echten Pariser Institution auf dem Programm: die Brasserie Mollard in der Rue St. Lazare. Direkt gegenüber dem gleichnamigen Bahnhof und nur einen Steinwurf vom noblen Boulevard Haussmann mit seinen schillernden Konsumtempeln wie den Galeries Lafayette oder Printemps entfernt. Seit mehr als einem Jahrhundert, genauer gesagt seit dem 14. September 1895, empfängt man hier an 365 Tagen im Jahr pünktlich ab 12 Uhr bis nach Mitternacht in schillerndem Belle-Époque-Rahmen seine Gäste. Tatsächlich ist das Mollard eines der schönsten und frühesten Beispiele für den typischen Pariser Jugendstil und als eines der ganz wenigen Lokale aus dieser Zeit bis heute nahezu unverändert erhalten. Noch immer weht in den ele­ ganten, überbordend dekorierten Räumen jener unverwechselbare Pariser Esprit des Fin de Siècle, der einst Künstler und Literaten wie magisch angezogen haben muss. Der Architekt des Mollard war übrigens Édouard Nier­ mans, der auch das Hotel de Paris in Monte Carlo, das Negresco in Nizza oder das Moulin Rouge gestaltet hat.

© Guy Savoy Paris – Laurence Mouton

© Guy Savoy Paris – Laurence Mouton

CULINARIUM

Doch nicht nur Freunde asiatischer Küche kommen in diesem Hotelpalast der Superlative, der selbst für Pariser Verhältnisse neue Massstäbe setzt, voll auf ihre Kosten, denn mit Julien Alvarez hat das Peninsula einen veritablen Patisserieweltmeister verpflichtet. Der 30-Jährige verwöhnt seine Gäste mit Kreationen, die selbst Gross­meister des Fachs wie Pierre Hermé ins Grübeln bringen dürften, und Alvarez’ Macarons sind schlichtweg die besten in ganz Paris! Eine gute Gelegenheit, sich vom Können des Meisters zu überzeugen, ist ein traditioneller Peninsula Afternoon Tea im The Lobby Restaurant, das eher an einen Spiegelsaal im Schloss von Versailles erinnert. Und wer schon einmal da ist, sollte sich auch einen Sundowner auf der Dachterrasse – wo sich mit dem L'Oiseau Blanc auch das dritte ­Restaurant des Peninsula befindet – nicht entgehen lassen: Hier liegt einem Paris im wahrsten Sinne des Wortes zu Füssen. Das Hotel bietet ­übrigens auch den grössten Spa der Stadt mit ­einem 20 Meter langen Indoorpool.

Unter den mit prachtvollen Mosaiken geschmückten Decken und mit Kacheln verzierten Wänden, auf denen es von typischen Art-Nouveau-Motiven wie Libellen und Schmetterlingen nur so wimmelt, speist eine bunt gemischte Gästeschar: Lokalprominenz und Krawattenträger aus den umliegenden ­Geschäftsvierteln finden sich hier ebenso wie Touristen und natürlich wasch­ echte Pariser – vom Arbeiter bis zum wohlhabenden Bourgeois. Das Motto des Hausherrn: Im Mollard ist jeder willkommen, egal ob das Budget 50 oder 500 Franken beträgt. Die Spezialität des Mollard sind taufrische Fruits de mer, die auf einer Auslage vor dem Lokal präsentiert werden. Frisch ist hier übrigens wörtlich zu verstehen – selbst in der Bretagne dürfte es schwer werden, bessere Austern, Bigorneau oder Taschenkrebse auf den Tisch zu bekommen! Aber die Karte des Jugendstil-Juwels bietet auch typische Brasserie-Klassiker wie am Tisch angemachtes Steak tartare, Schnecken in Kräuterbutter oder Crêpes Suzette, die vor den Augen der Gäste vom schwarz livrierten Oberkellner flambiert werden. So wird ein Besuch des Mollard zu einer nostalgischen Reise zurück in die goldene Epoche der Stadt am Ausgang des 19. Jahrhunderts.

Restaurant Guy Savoy Natürlich wäre ein kulinarisches Abenteuer im Schatten des Eiffelturms aber nicht komplett, ohne den Besuch eines echten Pariser Gourmettempels. Schliesslich sind Männer vom Schlage eines Alain Ducasse, Pierre Gagnaire und Joël Robuchon mittlerweile weltweit agierende Superstars, die Restaurants und Bistros rund um den Globus betreiben und dabei Sterne sammeln wie andere Leute Briefmarken. Zu diesen kulinarischen Global Playern gehört auch Altmeister Guy Savoy (Jahrgang 1953), der neben vier Restaurants in Paris einen Ableger im Caesars Palace in Las Vegas betreibt. Begonnen aber hat alles mit seinem bereits 1980 eröffneten Signature ­Restaurant Guy Savoy Paris, das sich in einer kleinen Nebenstrasse unweit des Triumphbogens versteckt und über dem seit 2002 drei Michelin-Sterne strahlen. Neben kulinarischen Höhenflügen erwarten die Gäste hier auch künstle­ rische Leckerbissen von Weltformat, denn das intime Lokal ist mit

© The Peninsula Paris

The Luxury Way of Life | 281


CULINARIUM

Restaurant LiLi – Peninsula Paris 19 Avenue Kléber, 75116 Paris www.paris.peninsula.com

Brasserie Mollard 115 Rue Saint-Lazare, 75008 Paris www.mollard.fr

© Promenades Gourmandes - Paule Caillat

Restaurant Guy Savoy 18 Rue Troyon, 75017 Paris www.guysavoy.com

© Guy Savoy Paris – Laurence Mouton

Promenades Gourmandes Kulinarische Stadtspaziergänge und Kochkurse mit Paule Caillat in englischer oder französischer Sprache www.promenadesgourmandes.com

© Guy Savoy Paris – Laurence Mouton

­ x­klusiven Stücken aus Guy Savoys privater Kunstsammlung geschmückt, e deren Wert auf mehrere Millionen Franken taxiert wird. Savoys Küche hin­ gegen bezaubert durch ausgesprochen subtile Aromen und ein hohes Mass an Kreativität, ohne dabei jemals ins Beliebige abzudriften. So inszeniert der Produktfetischist auf seinen Tellern stets nur einige wenige Elemente – die sind aber immer von erlesener Qualität. Die Menüfolgen umfassen inklusive aller Amuse Bouches und Predesserts schon mal 20 Gänge, ohne dabei aber jemals Gaumen oder Magen zu überfordern. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob sich der Küchenchef für seine Kreationen aus dem schier unerschöpflichen Fundus klassischer Luxusprodukte wie Trüffel, Foie gras oder Hummer bedient oder scheinbar simple Zutaten wie frische Tomaten in unterschiedlichen Texturen und überraschenden Kombinationen inszeniert – Guy Savoy beherrscht sein Metier scheinbar in jeder Situation mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit. Der Service unter der Leitung von Maître ­Hubert, der Seele des Hauses, ist so unprätentiös wie formvollendet. Eindrucksvoll wird von seinem Team das gerne kolportierte Vorurteil widerlegt, die Atmosphäre in Pariser Sternerestaurants sei steif und der Service oft noch arroganter als die ohnehin reichlich blasierte Kundschaft. Das Gegenteil ist wahr: selten wurden wir in einem Sternerestaurant herzlicher em­p­ fangen – echtes Savoir-vivre eben. Chapeau!

Promenades Gourmandes – Kulinarische Stadtspaziergänge Wer noch tiefer in die kulinarischen Geheimnisse der Stadt eindringen möchte oder auf der Suche nach echten Insidertipps ist, jenseits über­ laufener Publikumsmagneten wie Ladurée oder Fauchon, findet in Paule Caillat, einer waschechten Pariserin, den idealen Guide. Paule pflegt seit fast 20 Jahren enge persönliche Kontakte zu vielen der ­besten Feinkosthändler, Produzenten und Restaurateure der Stadt und bietet mit ihren massgeschneiderten Promenades Gourmandes kulinarische Stadt-

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spaziergänge an, die individuell auf die Vorlieben ihrer Gäste zugeschnitten werden. Zu ihrem kulinarischen Portfolio gehören aber auch Kochkurse. Den Auftakt bildet dann ein gemeinsamer Marktbesuch, bei dem nur die besten und frischesten Zutaten in Paules grossem Einkaufskorb landen, die sich in ihrem Küchenatelier in Le Marais dann wie durch Zauberhand in ein veritables Viergangmenü verwandeln, das anschliessend gemeinsam am grossen Küchentisch verspeist wird – und das man zu Hause problemlos nachkochen kann. Eine ihrer Lieblingsadressen ist aktuell übrigens Terroirs d'Avenir in der Rue du Nil, das zahlreiche der besten Restaurants von Paris zu seinen Kunden zählt. Gewürzfans empfiehlt sie dagegen das kleine Atelier von Olivier Roellinger in der Rue Sainte-Anne, während Liebhaber edler Tropfen unbedingt einen Stopp bei Legrand Filles et Fils in der Rue de la Banque einplanen sollten: ein hervorragend sortiertes Fachgeschäft mit zahlreichen bezahlbaren Alternativen zu den grossen Namen des internationalen Weinbusiness. Mehr wird an dieser Stelle aber nicht verraten …


LIVING

PURER GENUSS

TRÜFFEL Vor einigen hundert Jahren wurden Trüffel Schweinen zum Frass vorgeworfen. Heute gilt das schwarze Gold der Erde als Delikatesse und ist ein Symbol der französischen Haute Cuisine. Yvonne Beck

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er als Feinschmecker etwas auf sich hält, muss Italien. Der Weisse Trüffel hat einen sehr starken Geruch und Trüffel servieren oder zumindest schon einmal ge- einen de­zenten Geschmack. Da der Geruch sich beim Erhitzen gessen haben. Der Trüffel ist der teuerste Speisepilz. verflüchtigt, wird der Weisse Trüffel niemals mitgekocht, sonTrüffel wachsen unter der Erde, nur an den Wurzeln dern nur bei Tisch über das fertige Gericht gehobelt. Die Saibestimmter Bäume. Da ihr Duft dem Sexualhormon der Eber son ­Weisser Trüffel beginnt im Oktober und endet Silvester. ähnelt, sind besonders Schweine oder besser gesagt ge- Schwarze ­Trüffel findet man hingegen von Anfang Dezember schlechtsreife Säue hervorragende Trüffel­ bis Mitte März. Die besten Trüffel wachsen sucher. Diese sind jedoch nur sehr schwer zu im nord­ italienischen Piemont, es gibt sie zügeln und daher beschädigen sie beim Ausaber auch in der Emilia-Romagna, Toscana, graben der Kostbarkeit oft die Wurzelspitzen in den A ­ bruzzen und in Umbrien. Auch in des Trüffels. Oder, ist Mensch nicht schnell der Schweiz wachsen mehrere einheimische genug, verzehren sie den Trüffel gar selbst. Trüffel­arten, die häufigste ist der Burgun­ Diese Veranlagung wurde dem Trüffelschwein der Trüffel ­(«Tuber Uncinatum»). Die Gebiete, – Emil Baschnonga – zum Verhängnis und so verwenden heute in denen Trüffel gedeihen können, sind viele Bauern speziell abgerichtete Hunde, die trockene, unfruchtbare Landschaften, kalk­ die Trüffel zwar erschnüffeln können, an ihrem oder sandhaltig und meist in der Nähe von Verzehr jedoch kein Interesse zeigen. Eichen, Buchen, Kastanien oder Haselnusssträuchern.

«Wer kein Schwein hat, muss Trüffel selbst suchen.»

Der schwarze Diamant der Küche

«In vino veritas, in tuberi fraus. Im Wein liegt Wahrheit, in Trüffeln Täuschung.»

Am häufigsten ist der «Schwarze Trüffel» oder auch «Périgord-Trüffel» anzutreffen. Er zeichnet sich durch einen intensiven Geschmack und wenig Duft aus. Der Geschmack wird auch bei starkem Erhitzen an andere Speisen weitergegeben. Daher eignet er sich vorzüglich zum Mitkochen in Fleisch-, Fisch- und Schmorgerichten. Die Königin aller Trüffel ist jedoch der «Weisse Trüffel» («Tuber magnatum Pico») aus

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Der Preis von echten Trüffeln ist sehr hoch. Ein Kilo Weisse Trüffeln kostet bis zu 9000 Euro. ­20 bis 25 Gramm (eine Portion für zwei Personen) kosten circa 40 bis 60 Euro. Bei der Schwarzen Trüffel muss man «nur» mit bis zu 1000 Euro pro Kilogramm rechnen. Der bisher teuerste Trüffel der Welt wog 1200 Gramm und wurde für 95’000 Euro ver­ steigert.


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