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«ICH BIN EIN VERFECHTER DER NATÜRLICHEN, INDIVIDUELLEN SCHÖNHEIT»
Vom Kind einer Flüchtlingsfamilie zum plastischen Chirurgen
Als Kind floh Omar Haroon mit seiner Familie von Afghanistan nach Deutschland. Heute ist er ein renommierter Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie und behandelt Patient*innen aus der ganzen Welt in seiner Praxis in Zürich. Nicht nur seine Geschichte ist hollywoodreif, auch seine einzigartigen Methoden stammen teils aus Hollywood, dem Epizentrum der plastischen Chirurgie. Ein Interview über Schlüsselmomente und wahre Schönheit.
Interviewpartner: Omar Haroon
Autorin: Isabelle Riederer
PRESTIGE BUSINESS: Herr Haroon, Sie haben einen aussergewöhnlichen Lebensgeschichte. Können Sie diesen kurz zusammenfassen?
Omar Haroon: Ich versuche es (lacht). Geboren bin ich in Afghanistan, mit knapp sechs Monaten zogen wir nach Prag. Mein Vater war Diplomat, weshalb wir vier Jahre in Tschechien lebten. Dann änderte sich die Lage in Afghanistan leider sehr schnell, weshalb wir als Flüchtlinge nach Deutschland fliehen mussten, kurz bevor der Krieg in Afghanistan ausbrach. Ich erinnere mich noch gut, als mein Vater zurück nach Afghanistan flog, um seine Eltern zu holen. Über Nacht änderte sich die Lage und das Land stürzte in einen grausamen Bürgerkrieg. Er hat damals noch den letzten Flieger aus Kabul erwischt, bevor der Flughafen geschlossen wurde. Deshalb sind mir und meiner Familie die aktuellen Bilder nach der Machtübernahme durch die Taliban vom August 2021 mit den Menschen, die sich an die Flugzeuge klammerten, so nahe gegangen.
In Deutschland musste Ihre Familie bei null anfangen … … ja, durch die Flucht nach Deutschland sind wir auch als Flüchtlinge registriert worden. Das war vor allem für meine Eltern schwierig. Mein Vater hatte Medizin studiert und in Deutschland lieferte er plötzlich Pizzen aus. Auch für meine Mutter war es nicht einfach. Sie hat einen Master in Chemie und arbeitete als Lehrerin, doch in Deutschland musste Sie zunächst Housekeeping im Hotel machen, bevor beide dann durch etliche Umschulungen als Krankenpfleger arbeiten konnten. Mein Vater erlangte erst zehn Jahre später seine Berufserlaubnis, um in Deutschland wieder als Arzt arbeiten zu können.
Meine Schwester und ich haben erst viel später realisiert, wie viel unsere Eltern wirklich durchstehen mussten. Als Familie hat uns diese Zeit sehr stark zusammengebracht.
Sie sind während Ihres Medizinstudiums viel gereist – Indien, Südafrika und Brasilien. Warum?
Ich wollte immer wieder rauskommen und vor allem Eindrücke in der medizinischen Welt sammeln. Indien war eine sehr intensive und wertvolle Erfahrung, vor allem mein Praktikum in einem der grössten Krankenhäuser Asiens in Dehli (AIIMS). Auf dem chirurgischen Notfall musste ich Tag und Nacht Wunden aller Art versorgen. Hier entfachte meine Leidenschaft für die Chirurgie. Ich erinnere mich noch, als ich versteckt gutes Nahtmaterial verwendet habe, um die Wunden so gut wie möglich zu versorgen, weil aufgrund der Kosten geschaut wurde, dass man die Wunden so einfach wie möglich schliesst, ohne Rücksicht auf die Ästhetik. Trotz schwieriger Umstände entdeckte ich dort schon meinen Hang zur stetigen Verbesserung und meine Liebe fürs Detail. Ich war insgesamt drei Monate in Indien und bin dann ein paar Jahre später noch einmal für einige Monate nach Indien gegangen. Ich glaube, dass die Erfahrungen dort im Krankenhaus und der Austausch mit den Menschen mich mehr geprägt haben als teilweise das ganze Studium.
Das hört sich nach einem Schlüsselmoment an. Gab es noch andere Momente wie diesen?
Nach Indien war Kapstadt sicher einer der wichtigsten Momente in meinem Leben. Nebst den vielen Schuss- und teilweise brutalen Schnittwunden, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind, traf ich dort durch Zufall auf meinen grossen Mentor Prof. Dr. Des Fernandes. Des ist einer der wohl bekanntesten und renommiertesten plastischen Chirurgen weltweit, war früher Herzchirurg und hat unter Prof. Dr. Christiaan Bernard, der erfolgreich die erste Herztransplantation der Welt durchführte, gearbeitet, bevor er plastischer Chirurg wurde.
Er hat einige Behandlungsmethoden erfunden, darunter das Needling und das Scarless Facelift, welche ich in Europa als einziger anwende. Seine unglaublich offene, freundliche und herzliche Art, aber auch sein Können haben mich so inspiriert, dass ich definitiv plastischer Chirurg werden wollte. Daher absolvierte ich später auch ein Teil meiner Facharztausbildung zum plastischen Chirurgen mit Ihm in seiner Klinik und in Tygerberg Hospital in Kapstadt / Südafrika. Diese Zeit hat mein Werdegang zum Plastischen Chirurgen definitiv sehr geprägt.
Wollten Sie immer schon plastischer Chirurg werden?
Ich wollte immer Arzt werden – wie der Vater, so der Sohn –, ursprünglich Herzchirurg, später wurde daraus plastischer Chirurg. Des zeigte mir, wie facettenreich die ästhetische Chirurgie ist. Bei den Operationen kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen und Menschen dabei helfen, sich in ihrer Haut wohler zu fühlen. Mich fasziniert vor allem das Gesicht, weil man ästhetisch, aber auch rekonstruktiv arbeiten kann und so gewissermassen Medizin und Kunst vereinbart.
Das Taliban-Regime regiert in Ihrer Heimat mit brutaler Härte. Wie gehen Sie damit um?
Als ich das erste Mal die Bilder sah, war ich schockiert und realisierte auch, wie viel Glück meine Familie damals hatte. Ich war zutiefst betroffen und wusste, ich muss helfen. Erst habe ich gespendet und meine Freunde gebeten, ebenfalls zu spenden, statt mir etwas zum Geburtstag zu schenken. Doch das war mir noch nicht genug. Mithilfe von Bettina Junker, CEO von Unicef Schweiz, diversen Veranstaltungen und Aktionen haben wir dann 20’000 Franken spenden können. Das Ziel ist aber, dass es nicht einfach bei einer einmaligen Spende bleibt, sondern es soll weitergehen. Es sind bereits weitere Veranstaltungen geplant.
Sie sammeln aber nicht nur spenden, Sie helfen auch vor Ort.
Ich möchte aus den Möglichkeiten, die ich heute habe, meinen Beitrag leisten. Mir war es immer schon ein grosses Anliegen, zu helfen – vor allem nachhaltig zu helfen, ob finanziell oder durch persönlichen Einsatz. So zum Beispiel auch dieses Jahr, wenn die komplette Praxisgemeinschaft nach Uganda fliegt und dort zehn Tage lang Tag und Nacht ehrenamtlich Patienten versorgt und operiert. Eigentlich war ein ähnliches Projekt auch für Afghanistan geplant, aber leider ist das mit dem Taliban-Regime nicht umsetzbar. Dieses Jahr ist ebenfalls der Plan, mit der Smile Foundation Kindern mit einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Fehlbildung in Südafrika zu helfen.
Kommen wir zurück zu Ihrem Beruf. Sie haben das Konzept «The Journey of the Face» entwickelt. Was heisst das genau? Bei meinem Konzept «The Journey of the Face» geht es um ein Behandlungskonzept, das die individuelle Natürlichkeit betonen soll, ohne jemanden stark zu verändern. Der erste Schritt ist auch der wichtigste, denn hier entsteht das Vertrauen. Danach folgt die 3-D-Gesichtsanalyse. Hier lernt man sein Gesicht aus einer neuen Perspektive kennen. Dabei sieht man, was mein geschultes Auge sieht, und erkennt, welche Merkmale die natürliche Schönheit unterstreichen. In der 3-D-Gesichtsanalyse verschaffe ich mir zudem einen Überblick über die Hautqualität, das Seiten- und Frontprofil sowie die Gesichtssymmetrie. So finden wir gemeinsam heraus, ob und wie wir die Proportionen für ein harmonisches Gesamtbild optimieren sollten. Im dritten Schritt erstellen wir gemeinsam einen genauen Long Term Plan für die nächsten zwölf bis 18 Monate zu den ästhetischen Wünschen meiner Patient*innen gemäss den neuesten Behandlungsmöglichkeiten. Dabei greife ich auf zahlreiche innovative Methoden aus meiner Expertenlaufbahn zurück, sowohl auf nichtinvasive als auch auf invasive. Die Umsetzung des Plans in kleinen Schritten zur Erreichung von natürlichen Resultaten ist dann der finale Schritt in der «Journey of the Face».
Wichtig ist: Ich bin ein Verfechter der natürlichen Schönheit, weshalb ich mit 30 Prozent auch eine sehr hohe No-Rate-Quote habe. Das heisst, dass ich Patient*innen nicht behandle oder nicht alle Behandlungen bei ihnen durchführe, wenn es einfach nicht notwendig ist.
Sie haben das Start-up Hair & Skin mitgegründet und sind auch ein sehr erfolgreicher Investor. Können Sie uns einen Einblick in Ihr Engagement geben? Meine erste Firma habe ich als Medizinstudent gegründet, dabei haben wir Medizinstudenten mittels Vorbereitungskurse auf den Eignungstest Medizin vorbereitet. Aber so richtig angefangen hat dann alles mit «Best Smile» und Ertan Wittwer. Meine Schwester Sahar Haroon, eine erfolgreiche Zahnärztin in Zürich, war Medical Director bei Bestsmile und der Gründer Ertan Wittwer und ich haben uns von Anfang an super gut verstanden, weshalb ich auch direkt als Investor bei ihm eingestiegen bin. Zwei Jahre später entstand dann die Idee mit Hair & Skin. Denn mein Haarausfall hatte sich in der Zwischenzeit verschlimmert und dann brachte ich ein Haar-Transplantations-Team aus Deutschland in die Schweiz, um bei uns in der Praxis meine Haartransplantation durchzuführen, da das Angebot hier für mich nicht zufriedenstellend war. Anschliessend kam die Idee, Haartransplantationen bei mir in der Praxis anzubieten, was auch direkt erfolgreich gelang. Im Austausch mit Ertan Wittwer und Philip Magoulas, dem Mitgründer von Best Smile, haben wir festgestellt, dass das Marktpotenzial enorm ist. Einige Monate später haben wir gemeinsam Hair & Skin gegründet. Heute, zweieinhalb Jahre später, sind wir mit aktuell 19 Standorten in der Schweiz der Marktführer bei Haartransplantationen und Eigenblutbehandlungen.
Unser Founding Investor Team mit den obgenannten Serial Entrepreneurs und Fabrice Aeberhard und Marcel Kubli bildete auch den Grundstein für weitere Ideen und Neugründungen von Start-ups im Medical-Retail-Bereich. So bin ich unter anderem auch Investor bei der schnell wachsenden Augenklinikkette Betterview mit aktuell drei Standorten sowie bei Alpine White, einem sehr erfolgreichen Start-up für Zahnbleaching und Zahnreinigung, das 2023 ebenfalls mehrere Standorteröffnungen plant. Das neueste Projekt heisst «Care», bei dem ich ebenfalls als Investor mit an Bord bin. Hier geht es primär um Prävention, Tra- cking und wie man mithilfe von Laboranalysen und Substitutionen den Gesundheitszustand kontrollieren und beeinflussen kann.
Sie halten auch Vorträge und sind Medfluencer. Haben Sie überhaupt noch Zeit für ein Privatleben?
Neben meinem Beruf als plastischer Chirurg, Entrepreneur und Investor bin ich auch als Key Opinion Leader für Merz Aesthtics weltweit unterwegs, halte Vorträge auf internationalen Kongressen und trainiere Ärzte für ästhetische minimalinvasive Behandlungen. Ausserdem schreibe ich momentan noch an meinem ersten Buch gemeinsam mit meinem Mentor Des Fernandes. Leider kommt das Privatleben zeitweise tatsächlich zu kurz.
Sie sind sehr jung und haben schon sehr viel erreicht. Welche Ziele haben Sie noch?
Für mich ist das alles erst der Anfang, denn die letzten Jahre musste ich viel Arbeit, Zeit und Opfer erbringen, damit ich meiner Leidenschaft nachgehen kann. Jetzt kann ich mit mehr Freiheit und Kreativität und einem tollen Teamspirit um mich herum viele neue Projekte angehen. Aber ein grosses Anliegen bleiben für mich die humanitären Projekte, die ich künftig intensiver angehen möchte. Etwas mehr Zeit für meine Familie, Freundin, Freunde und überhaupt das Privatleben wäre auch nicht schlecht.