VECTURA #14 Auszug

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WWW.VECTURAMAG.CH

[ lat.: das Fahren]

#14 | Frühling 2015

FORD GT

DAMENWAHL // WEIBLICHE RENNFAHRER WÜSTE MISCHUNG // LM RALLY FIGHTER DIE BESTEN // SCHWEIZER FOTOGRAFEN SPEZIAL // ALTERNATIVE TREIBSTOFFE

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EDITORIAL

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

VECTURA #14

TRAUMAUTO

EDITION

W

ie definiert man ein Traumauto? Die erste Assoziation bei vielen ist wohl der schnelle Sportwagen, doch dieses Denkmuster steht heute im Verdacht, konditioniert und überholt zu sein. Oldtimer sind von dieser These selbstverständlich ausgenommen: Nostalgie ist deshalb so schön, weil wir um die Vergangenheit wissen und uns dort das Beste aussuchen können. Ob alt oder neu – ein wesentlicher Teil der Wunschvorstellung ist sicherlich das Aussergewöhnliche. Die Industrie bedient den Individualitätsbedarf mit immer mehr Nischenmodellen, die ihre Einheitstechnik mit hübschen Verpackungen kaschieren. Aber vielleicht träumen wir im digitalen Zeitalter der Daten-Highways schon bald vom autonomen, voll vernetzten Transportmittel, das ruhig konform sein und in dem man statt lenken auch schlafen kann. Eine ermüdende Vorstellung? Andere sehnen sich heute schon nach einem geräumigen Fond – im realen Verkehrsinfarkt mögen doch bitte andere fahren. Natürlich sind das alles Luxusprobleme: In vielen Ländern ist das Auto an sich schon ein Traum.

Wie selbstverständlich ist Mobilität? Staaten der westlichen Welt kassieren und garantieren für sie, können aber immer seltener liefern. Freie Fahrt 2015? Das kommt sehr auf die Definition an. Weil das Fahrzeugaufkommen trotz Restriktionen weltweit zunimmt, sind klare, mutige Konzepte gefragter denn je – von zuständigen Politikern, die hoffentlich an mehr denken als an die eigene Karriere. Es geht ja nicht nur um die kontrovers geführte CO2-Debatte. Sondern um einen intelligenteren Individualverkehr. Auch der ÖV und althergebrachte Energieträger stehen auf dem Prüfstand; neue, alternative Infrastrukturen wollen geschaffen werden. Womit fahren wir also morgen – mit Wasserstoff, Ökostrom oder gar einer Flusszelle? Die einzige Konstante ist die Veränderung. Selbst Ferrari ersetzt den Saugmotor – früher wäre das ein Sakrileg gewesen – durch effizientere Turbo-Aggregate. Ist das Auto von heute noch ein Statussymbol? In Westeuropa immer weniger, in Russland und Asien dagegen sehr – aber lediglich im klassischen Verständnis. Denn das Auto von morgen ist ganz anders. Es wird sozialer sein, empathischer. Moralischer. Substanzieller. Nachhaltiger. Glaubwürdiger. Kein extrovertierter Egotrip. Sondern ein diversifiziertes Verkehrsmittel, das sowohl allein als auch im Schwarm funktioniert. Und natürlich darf es in unserer auf Äusserlichkeiten fixierten Welt auch gut aussehen. Und dafür sorgen, dass der Traum weiter geträumt werden kann. FRÜHLING 2015 003


INHALT #14 EDITORIAL

003

NICHT NUR IN AUSTRALIEN Vor 20 Jahren war er der erste Crossover – und ist bis heute bezahlbar geblieben. Unterwegs mit der fünften Generation des Subaru Outback

008

KÖNIGSWEG ODER SACKGASSE? Was es mit der Umsetzung des CO2-Gesetzes auf sich hat, erklärt Christian Bach von der Empa

016

DER ZWÖLFTE ELFER Der Porsche 911 GTS soll das Beste aus zwei Welten bieten. Wir sind fast einverstanden damit

018

ALPENGLÜHEN Ordentlich angasen geht natürlich auch historisch – zum Beispiel im Porsche Carrera 6

024

DIKTAT DES WINDKANALS Was effizient ist, sagt Mark Stehrenberger, muss noch lange nicht gut aussehen

036

PERFECT PATCHWORK Aus den USA kommt ein Offroad-Coupé, das jedem, wirklich jedem anderen Auto die Show stiehlt. Grenzerfahrungen im LM Rally Fighter

038

SPIELERISCHES DENKEN Wenn Kinder Autos zeichnen, wird es spannend

046

ES WERDE RAUM Wenn Platz der grösste automobile Luxus ist, liegt die Mercedes V-Klasse ganz weit vorne

048

AUFRÜSTEN PER DOWNLOAD Autonomes Fahren und erweitertes Infotainment sind die wichtigsten Trends der nächsten Jahre

060

SAMTPFOTE MIT KRALLEN Je nach Motorisierung beherrscht der neue Jaguar XE das Repertoire von zart bis hart

062

LAND IN SICHT Ein neues Verfahren bekämpft Schiffsdiesel-Russ

070

TITELSTORY In unserem virtuellen Duell trifft der jüngste Ford GT auf den neuen Acura/Honda NSX

072

TRAUMAUTO

EDITION 004 VECTURA #14

MIT HOCHDRUCK MOBIL Autos mit Gasantrieb sind längst im Alltag angekommen. Doch die Verbreitung stockt

082

SPORTWAGEN ZUR SEE Der Name klingt etwas ulkig. Doch die Gattung der Autoboote existierte tatsächlich

084

DIE LIEBE DES ASSISTENTEN Es gibt wieder einen Maybach! Und der ist anders, wie man vielleicht erwarten würde

090

WUNDERSAME WANDLUNG Als raffinierter Dieseltreibstoff könnte das gescholtene CO2 ganz gross rauskommen

094

LEIDENSCHAFT IN BLECH Eine originell gemachte Fotoserie zeigt Nissan-Fahrer mit ihren Lieblingen

096

KLARE ANSAGE AMAG-CEO Morten Hannesbo äussert sich zur verkehrspolitischen Lage der Schweiz

104

DISKUSSIONS-STOFF Die Brennstoffzelle ist wieder da: Neue Wasserstoff-Autos fahren mit hoch entwickelter Technik vor – und mit alten Fragen

106

ÜBERZEUGUNGSTÄTERIN Erika Wyss ist mit null Emissionen unterwegs

116

START-ZIEL-EMANZIPATION Frauen im Rennsport sind kein Phänomen der Neuzeit: Es hat sie schon immer gegeben

118

STECKDOSEN-PRESTIGE Die neuen Plug-in-Hybride wollen nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sexy sein

136

JENSEITS VON MITTELMASS Es gibt einen neuen Škoda Superb, den man auch aus der Vergangenheit begreifen kann

138

AM DRÜCKER Warum die Schweizer Fotografen Peter Vann und Michel Zumbrunn weltberühmt sind

148

IMPRESSUM

160


024

038

062

084

118

148

FRÜHLING 2015 005


INFOTAINMENT

Wo DIESES ICON steht, gibt es NOCH MEHR VECTURA. Möglich macht es die sogenannte «AUGMENTED REALITY» (erweiterte Realität, kurz AR): Diese computergestützte «Wahrnehmungserweiterung» erlaubt ZUSÄTZLICHE EBENEN, die interaktiv funktionieren und nicht nur die Augen anregen sollen. Zu weiteren Informationen in Text und Bild, wie sie bisher bereits mit unseren QR-Codes geboten wurden, kommen ab sofort ANIMIERTE INHALTE wie 360°- und 3D-Ansichten, Motorsounds oder Filme. Das alles ver­ m ittelt MEHR GEFÜHL direkt aus dem Magazin heraus.

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006 VECTURA #14

Die AR-Extras sind im Inhaltsverzeichnis markiert und wir beabsichtigen, das Angebot in den kommenden Ausgaben weiter auszu­bauen. An der inhaltlichen wie haptischen Qualität der Printausgabe ändert sich natürlich nichts.


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ENGINEERED TO EXCITE

TECHNOLOGIE – MIT DEN FÜHRENDEN FAHRZEUGHERSTELLERN ENTWICKELT – UM DIE LEISTUNG IHRES FAHRZEUGES ZU STEIGERN.


FAHRTERMIN

VIELLEICHT FÜR IMMER

RECHTZEITIG ZUM 20. GEBURTSTAG DER MODELLREIHE KOMMT DIE FÜNFTE GENERATION DES SUBARU OUTBACK AWD MIT GESCHÄRFTER OPTIK, VIELEN VERBESSERUNGEN SOWIE DEM KAMERA-BASIERTEN, SMARTEN SICHERHEITSSYSTEM NAMENS EYE-SIGHT. MIT IHM GEHEN WIR FAHREND DER FRAGE NACH: BRAUCHT ES MEHR AUTO ZUM GLÜCKLICHSEIN? Text Stefan Lüscher · Fotos Ursula Nerger


C

rossover, also die Mischung verschiedener Fahrzeuggattungen – das ist längst eine Bewegung, die jeden Autohersteller erreicht hat. Aber wer hat’s erfunden? Es war Subaru! 1995 kam mit dem Outback ein vier- oder fünftüriges Modell auf den Markt, das zwar auf dem Legacy basierte, aber auch zwischen einem klassischen Pw und einem leichten Geländewagen angesiedelt war. Das kam auch bei uns, wo die Baureihe 1996 eingeführt wurde, hervorragend an: Bis heute haben sich rund 14 000 Schweizer für einen Outback entschieden. Werner Bärtschi, Marketing-Direktor bei Subaru Schweiz,

rechnet damit, bis Ende Jahr über 900 weitere Outback zu verkaufen. Und er betont nicht ohne Stolz: «Subaru war mit dem Outback ein Pionier. Danach waren wir mit dem Forester erneut Pionier bei den SUV – und sind beide Male von allen anderen kopiert worden. Noch heute sind wir aber bei Allradfahrzeugen weltweit die Nummer 1.» Damit das auch so bleibt, insbesondere in den für die Japaner wichtigsten Märkten USA, Kanada und Australien, wurde der Outback komplett erneuert. Optisch outet sich die nunmehr fünfte

FRÜHLING 2015 009


FAHRTERMIN

Auflage, die ab März bei den Händlern steht – als typischer Subaru! Dabei sind die Änderungen gegenüber dem Vorgänger positiver Art: Schräge Scheinwerfer wichen aufrechten Leuchteinheiten, und wo zuletzt krumme Kurven vorherrschten, ist jetzt wieder Gradlinigkeit angesagt. Das symbolisiert neben mehr Charakter auch Solidität; die Abmessungen blieben davon praktisch unberührt. Dank einer etwas nach vorne gerückten A-Säule und weiteren proportionalen Modifikationen konnte die Kabine etwas vergrössert werden; der variable Laderaum fasst nun bis zu 125 Liter mehr als bisher. Optional öffnet und schliesst die grosse Heckklappe nicht nur elektrisch. Man kann jetzt auch vorwählen, wie weit sie das tut, was unter anderem in niedrigen Garagen nützlich ist. Spürbar aufgewertet wurde das Interieur – ergonomisch mit neuen, komfortbetonten und beheizbaren Sitzen oder einem modernen Armaturenträger, der sowohl farbliche Akzente setzt (zur Wahl stehen mehrere unterschiedliche Beleuchtungen) als auch optional ein grosses Touchscreen-Display mit Zoom- und Wischfunktionen nach Smartphone-Vorbild beinhaltet. Das System kann Sprachsteuerung, Bluetooth und natürlich auch navigieren – akustisch mit einer von drei wählbaren Stimmen – oder einfach unterhalten: Eine optionale Audioanlage verfügt über zwölf hochwertige HarmanKardon-Lautsprecher. Nicht zuletzt bei den Materialien und der Verarbeitung legte die Automobilsparte von Fuji Heavy Industries einen Zahn zu. Dazu zeigen Details wie die etwas breiteren Schwellerleisten, die man als Tritt zum Dachgepäckträger nutzen kann, wie durchdacht mittlerweile alles am Outback ist.

010 VECTURA #14

Als eine der wichtigsten Neuerungen bezeichnet Subaru das selbst entwickelte Sicherheitssystem Eye-Sight: In den USA wird es bereits seit 2012 top bewertet (siehe VECTURA #13) und soll dort auch für den aktuellen Markenerfolg verantwortlich sein; 80 Prozent der Kunden ordern es gegen Aufpreis. In der Schweiz gehört es zum Serienumfang. Eye-Sight basiert auf zwei neben dem Innenrückspiegel platzierten Kameras und einer mit dem Fahrzeug eng vernetzten Elektronik. Ähnlich wie andere Sicherheitssysteme, jedoch technisch einfacher und preislich günstiger, unterstützt es bis 180 km/h den Tempomaten und übernimmt andere Assistenzaufgaben. Es arbeitet mit einem Erfassungswinkel von 35° auf eine Distanz von 200 Meter und kann dort Fahrzeuge, Fussgänger oder Tiere erkennen, sie voneinander unterscheiden und entsprechend reagieren. So dient Eye-Sight als aktive Cruise Control, als Spurhalte- (auch bei Schlangen­ linienfahrt) oder Notbrems-Assistent bis zum Stillstand, liest Verkehrszeichen und überwacht präventiv die Bremslichter vorausfahrender Fahrzeuge. Viel Sicherheit bieten auch das neue Chassis und die Karosserie, denn dank vermehrtem Einsatz hochfester Stähle ist hier alles deutlich steifer und dabei leichter ausgefallen. Eine um zehn Prozent optimierte Aerodynamik (zusätzliche Kühllufteinlässe öffnen und schliessen sich vollautomatisch) und weitere Massnahmen verringern zudem die Wind-, Motor- und Abrollgeräusche im Interieur um ganze zwölf Prozent, was viel zum rundum ange­ nehmen Langstreckenkomfort beiträgt.


TECHNISCHE DATEN SUBARU OUTBACK AWD Konzept Crossover-Kombi mit fünf Türen/Sitzplätzen, permanentem Allradantrieb und ausgezeichneter Gelängegängigkeit. Selbsttragende Stahlkarosserie, Zahnstangenlenkung mit Servo, Scheibenbremsen rundum, v./h. Dreieckquerlenker. Kraftübertragung mit stufenloser Automatik (Lineartronic); Turbodiesel optional auch mit Schaltgetriebe Motor Wassergekühlter Vierzylinder-Boxer (Benzin/Diesel), Zylinderköpfe und -block aus Aluminium, vier Ventile pro Zylinder, 2x2 oben liegende Nockenwellen, 5fach gelagerte Kurbelwellen. Diesel mit Common-Rail-Einspritzung, Turbolader und Ladeluftkühler 2.0 D Hubraum in cm

3

Bohrung x Hub in mm

2.5 i

1998

2498

86 x 86

94 x 90

Verdichtung

16,3:1

10:1

Leistung in PS (kW) @ U/min

150 (110) @ 3600

175 (129) @ 5800

Max. Drehmoment in Nm @ U/min

350 @ 1600 – 2800

235 @ 4000

Kraftübertragung

A7 (M6)

A6

Abmessungen (L/B/H) in cm

481,5/184/160,5

Radstand in cm

274,5

Spur vorne/hinten in cm

157,5/159

Reifen und Räder

225/65 R17 auf 7J (Option: 225/60 R18)

Tankinhalt in L

65 560–1850

Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg

1670

1620

Zulässiges Gesamtgewicht in kg

2180

2100

Leistungsgewicht in kg/PS

11,1

9,3

0 – 100 km/h in Sek.

9,9 (9,7)

10,2

Höchstgeschwindigkeit in km/h

192 (200)

210 7,0

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km

6,1 (5,6)

CO2-Emission in g/km

159 (145)

161

Energieeffizienzkategorie

D (C)

F

Preis ab CHF

34 500.–

40 950.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

FRÜHLING 2015 011


FAHRTERMIN

Harmonisch abgestimmt sind auch die zur Verfügung stehenden Antriebe. Einmal mehr bleibt sich Subaru treu und setzt weiterhin auf die Spezialität Boxertriebwerk – auch hier ist man weltweit Nummer 1. Im neuen Outback stehen ein 2,5-L-Benziner oder der bewährte, weltweit erste Boxer-Turbodiesel mit zwei Liter Hubraum zur Wahl. Beide Vierzylinderaggregate wurden mit sehr viel Feinschliff gründlich überarbeitet, beide agieren unauffällig, wobei der Diesel insgesamt besser zum Fahrzeug passt – kraft des gebotenen Drehmoments reist es sich nochmals entspannter. Auch im Anhängerbetrieb – der neue Outback kann bis zu zwei Tonnen ziehen – ist der Diesel eine gute Wahl. Der Selbstzünder harmoniert zudem besser mit dem automatischen Getriebe, das eine weitere und mit viel Hingabe gepflegte Subaru-Tradition darstellt – die stufenlose Lineartronic.

012 VECTURA #14

Es handelt sich um eine elektronisch gesteuerte Kraftübertragung per stabiler Stahlgliederkette, die das Drehmoment mit variablen Übersetzungsverhältnissen zwischen zwei Doppelkegelrädern überträgt. Auf diese Art kann die Drehzahl immer im optimalen Wirkungsgrad gehalten werden, was aber die Insassen bei starkem Beschleunigen durch ein hochtouriges und gleichförmiges Motorgeräusch nervt. Doch auch dieses Problem haben die Subaru-Ingenieure gelöst: Die Lineartronic verfügt beim Diesel über sieben virtuelle Gangstufen (Benziner: 6), die beim Beschleunigen ganz normale Gangwechsel simulieren. Dank dieser Massnahme wird das von vielen ungeliebte CVTGetriebe salonfähig. Ebenso überzeugen kann eine Lineartronic-Zusatzfunktion namens X-Mode, die den permanenten Allradantrieb bei besonders


schwierigen Fahrbahnverhältnissen situativ beeinflusst und selbst auf unbefestigten, hochwinterlichen Strassen sicheres Fortkommen garantiert. Und ein Bergabfahrprogramm nimmt selbst steilen Hängen ihren Schrecken. Der Federungskomfort des Outback ist eher als straff zu bezeichnen, dafür geniesst man in Verbindung mit der direkteren Lenkung ein sehr ausgewogenes Fahrverhalten. Was nach der ersten Probefahrt bleibt, ist der Eindruck eines patenten, potenten und dennoch genügsamen, qualitativ hochwertigen Fahrzeugs, das sich mit seinem variablen Platzangebot, der gebotenen Geländetauglichkeit und wiedergefundenen Eleganz für viele Gelegenheiten empfiehlt. Die fünfte Generation markiert zugleich das aktuell grösste Subaru-Modell; der noch aktuelle Legacy wird demnächst aus dem Programm genommen und im Herbst vom Levorg AWD ersetzt. Auch so gesehen ist der Outback-Einstiegspreis von

Auch innen präsentiert sich der Outback aufgeräumt und gut verarbeitet; die Ergonomie ist besser denn je

34 500 Franken ein echter Hammer; selbst voll ausgestattet bleibt der Wagen unter 50 000 Franken. Das ist nicht zu viel verlangt für ein allradgetriebenes Ganzjahresfahrzeug, das praktisch alles kann, und zwar gut, bei jedem Wetter. Und je länger wir darüber nachdenken, sind das möglicherweise die wesentlichsten Eigenschaften, um den Titel «Traumauto» zu rechtfertigen.

FRÜHLING 2015 013


FAHRTERMIN

014 VECTURA #14


PLAY, BOYS!

Der neue NISSAN GT-R ist eine zur Maschine gewordene Männerfantasie mit Strassenzulassung. Seine 550 PS (404 kW) katapultieren Sie in nur 2.7 Sekunden von 0 auf 100 km/h und auch auf dem Nürburgring überzeugte der GT-R als Schnellster seiner Klasse. Mit vier vollwertigen Sitzen, seinem grossen Kofferraum und einem langstreckentauglichen Komfortmodus meistert er aber auch die Herausforderungen des Alltags.

NISSAN GT-R

ab Fr. 125 800.– (unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers) inkl. Swiss Free Service* Swiss Free Service

6/60’000 Gratis Service inkl. bis 6 Jahre oder 60 000 km. Das zuerst Erreichte gilt.

Gesamtverbrauch l/100 km kombiniert: 11.8; CO2-Emissionen kombiniert: 275 g/km, Energieeffi z.-Kat.: G. Ø aller Neuwagen: 144 g/km. Abb. zeigt Sonderausstattung. *Im NISSAN Swiss Free Service sind während der Betriebsdauer (nach erster Inverkehrssetzung) von 60 000 km oder 6 Jahren folgende Leistungen enthalten: Alle vorgeschriebenen routinemässigen Wartungsdienste (2000-km-Wartung, Jahreswartung). Alle Wartungen müssen bei einem der offi ziellen NHPC Partner durchgeführt werden. Falls gewünscht, wird Ihr NISSAN GT-R für die Durchführung der vorgeschriebenen routinemässigen Wartungsdienste abgeholt (Hol- und Bring-Service) und zum NHPC Ihrer Wahl kostenlos überführt. Die Abholung erfolgt von Ihrer inländischen Heimatadresse oder Ihrer inländischen Arbeitsstätte, sofern diese nicht weiter als 50 km von Ihrer Heimatadresse entfernt liegt. Der Hol- und Bringdienst gilt nur für die Schweiz. Nach Durchführung der Wartung wird das Fahrzeug zur Ausgangsadresse zurücktransportiert. Für den Fall, dass Sie für die Zeit der Wartung ein Ersatzfahrzeug benötigen, ist dies mit Ihrem NHPC abzusprechen. Der Ersatzwagen ist kein Leistungsbestandteil des Hol- und Bring-Dienstes. NISSAN SWITZERLAND, NISSAN CENTER EUROPE GMBH (Brühl), Zweigniederlassung Urdorf, Postfach 482, Bergmoostrasse 4, 8902 Urdorf, Schweiz.


BRIEF AUS DÜBENDORF

SANKTIONSKOSTEN IN DREISTELLIGER MILLIONENHÖHE EIN ÜBERBLICK ZUR AKTUELLEN CO2-POLITIK IN DER SCHWEIZ

V

om CO2-Gesetz, das seit 1. Januar 2013 in Kraft und 2015 zu 100% wirksam ist, verspricht sich die Schweiz eine deutliche Senkung ihrer Kohlendioxid-Emissionen. Der Strassenverkehr steht mit einem Anteil von fast 40% mit im Fokus. Die entsprechenden Massnahmen sind «technologie­ neutral» formuliert, was bedeutet, dass der Gesetzgeber nur die Ziele vorgibt und der Markt über den Weg zur Erreichung dieser Ziele entscheiden soll.

Das CO2-Gesetz sieht eine mehrstufige Absenkung der mittleren CO2-Normemission der Neuwagenflotte von 145 g/km im Jahr 2013 auf 130 g/km in diesem Jahr und auf 95 g/km bis 2020 vor sowie eine Sanktionierung derjenigen Auto-Importeure, deren Mittelwert über dem entsprechenden Grenzwert liegt. Die Sanktionskosten sind hoch angesetzt – umgerechnet auf eine Tonne CO2 fast zehn Mal höher als die CO2-Abgabe auf Brennstoffe, um die Entwicklung effizienter und CO2-armer Antriebe voranzutreiben. Die CO2-Grenzwerte entsprechen zwar denjenigen der EU, allerdings weist die Schweiz im Mittel einen höheren Motorisierungsgrad, ein höheres Leergewicht der Fahrzeuge und einen grösseren Anteil an Benzin- und Allradfahrzeugen auf, weshalb die Einhaltung der Grenzwerte hierzulande anspruchsvoller ist als in der EU. Der Importeursverband Auto-Schweiz erwartet deshalb für die hiesige Automobilbranche in diesem Jahr Sanktionskosten in der Grössenordnung von 50 bis 80 Millionen Franken, während die Automobilbranche in der EU die Ziele wohl einhalten wird und keine entsprechenden Zahlungen leisten muss. Auto-Schweiz erwartet unterdessen bis 2020 einen An­ stieg dieser Kosten auf dreistellige Millionenbeträge.

Wie schnell sich neue Antriebskonzepte am Markt durchsetzen, hängt auch vom Ausbau der Infrastruktur ab

Für die Abgabenberechnung werden nur die CO2-Emissionen am Auspuff bewertet, ohne Berücksichtigung der Fahrzeugherstellung und Energiebereitstellung. Elektro- und Wasserstoffautos gehen deshalb mit 0 g CO2/km in die Rechnung ein, während Plug-inHybride sehr niedrige CO2-Normwerte aufweisen. Dies gilt auch dann, wenn diese Fahrzeuge fossil erzeugte Energie nutzen und dadurch in der Realität insgesamt keine signifikant niedrigeren CO2-Emissionen haben als konventionelle Fahrzeuge. Vergleicht man die gesamten CO2-Lebenszyklus-Emissionen unterschiedlicher Fahrzeugkonzepte in entsprechenden Studien, so zeigt sich – und das ist der springende Punkt –, dass in der Realität nur die Umstellung auf erneuerbare Treibstoffe zu wirklich niedrigeren CO2-Emissionen des Strassenverkehrs führt. 016 VECTURA #14

Dieser Umstieg auf erneuerbare Treibstoffe ist denn auch das Ziel vieler Vorhaben. Während man noch vor wenigen Jahren hauptsächlich von biogenen Abfallrohstoffen (Schlachtabfälle, Altholz, Speisefett etc.) als Ausgangsbasis für erneuerbare Treibstoffe sprach, wird heute zusätzlich und intensiv an strombasierten erneuerbaren Treibstoffen geforscht. Anders als bei Bioabfällen weisen diese nämlich keine physikalischen Limitierungen auf. Das bedeutet, dass eine vollständige Umstellung der Mobilität auf erneuerbare Treibstoffe grundsätzlich möglich wäre. Das Ziel ist, möglichst viel erneuerbare (leider oftmals fluktuierende) Elektrizität zu erzeugen, die dabei vor allem im Sommerhalbjahr resultierenden temporären Überschüsse zu speichern und als Energie für den Betrieb von Fahrzeugen bereitzustellen. Dabei sind mehrere Speicher-Szenarien denkbar: die Zwischenspeicherung in NetzBatterien tagsüber mit anschliessendem Laden von Elektrofahrzeugen (z. B. während der Nacht), die Umwandlung in Wasserstoff oder – in Verbindung mit CO2 – in gasförmige oder flüssige Kohlenwasserstoffe. Während die Batteriespeicherung oder die Umwandlung in Wasserstoff hohe Wirkungsgrade im Bereich von 75 bis 85% aufweist, aber keine Langzeitspeicherung und deshalb auch keinen Winterbetrieb mit erneuerbarer Energie ermöglicht, weist die Umwandlung in gasförmige oder flüssige Kohlenwasserstoffe einen zwar niedrigeren Wirkungsgrad von 50 bis 60% auf, ermöglicht aufgrund der langen Speicherfähigkeit dafür aber den ganzjährigen Betrieb von Fahrzeugen mit erneuerbarer Energie. Aufgrund der vergleichsweise hohen Kosten gespeicherter erneuerbarer Energie ist für deren Markteinführung entscheidend, ob die resultierende CO2-Minderung im Rahmen der CO2-Gesetzgebung angerechnet werden kann beziehungsweise ob damit die oben genannten Sanktionszahlungen gesenkt werden können. Dies ist heute nicht der Fall. Eine Motion von Nationalrat Thomas Böhni, eine Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung sowie verschiedene Arbeitskreise der Automobilindustrie, Energieversorger und Forschungsanstalten arbeiten gemeinsam an Lösungsansätzen dazu. Konkret könnte dies so aussehen, dass ein Automobilimporteur künftig Fahrzeuge anbieten kann, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden, was – bei entsprechender Anrechnung der deutlich niedrigeren CO2-Emissionen dieser Fahrzeuge – die Sanktionszahlungen entsprechend vermindert. Der Automobilimporteur wäre dann natürlich verpflichtet, die Menge an erneuerbarer Energie, die diese Fahrzeuge im Betrieb verbrauchen, in den Treibstoffmarkt einzuspeisen. So könnte die Automobilbranche zwischen Sanktionszahlungen und der Investition in erneuerbare Energie abwägen. Was der Umwelt mehr hilft, ist dabei schnell klar … Die Automobilindustrie geht neben konventionellen Benzin- und Dieselfahrzeugen mittelfristig von einem Mix verschiedener neuer Antriebe wie Elektroautos im Stadt-, Pendler- und Kurzstreckenverkehr, Plug-in-Hybride für grössere Fahrzeuge, Sportwagen und Luxusautos, Gasantriebe für Kompakt-, Mittelklasse-,


Langstrecken- und Gewerbefahrzeuge, Wasserstoffantriebe für grössere Fahrzeuge, Busse und Kommunalfahrzeuge aus. Wie schnell sich die neuen Antriebskonzepte auf dem Markt durchsetzen, hängt auch vom Ausbau einer vergleichsweise teuren Lade- bzw. Tankstelleninfrastruktur ab. In diesem Bereich sind die entsprechenden Energieversorger gefragt. Gelingt es, die Wirtschaftlichkeit der gesamten Energieversorgungskette durch apparative und betriebliche Optimierungen darzustellen, könnte die Marktdurchdringung neuer Antriebe aufgrund der hohen Anforderungen des CO2-Gesetzes für Personen- und Lieferwagen künftig stetig steigen. Und welche Rolle spielt dabei der Staat? Anstelle der bisher oft praktizierten Subventionierung effizienter Fahrzeuge wird die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie die oben genannte Anrechenbarkeit der CO2-Minderung durch erneuerbare Treibstoffe, immer wichtiger. Die neuen Antriebstechnologien sind heute bereits in vielen Fahrzeugtypen erhältlich, die Lade- und Tankstellensituation verbessert sich zunehmend, die Weiterentwicklung der Gesetzgebung schreitet voran – dann bleibt noch das Wichtigste: die Fahrzeugkäuferin, der Fahrzeugkäufer! Gelingt es, deren Interesse auf neue

Antriebskonzepte und erneuerbare Treibstoffe zu lenken, werden die CO2-Emissionen im Verkehrsbereich in Zukunft tatsächlich sinken. Dabei sind bereits heute oftmals nur sehr geringfügige und in der Praxis kaum spürbare Einschränkungen zu tragen. Mir jedenfalls macht das Fahren eines Fahrzeugs mit alternativem Antrieb richtig Spass!

Christian Bach (51) ist seit 2001 Abteilungsleiter für Fahrzeugantriebssysteme der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) in Dübendorf und als Automobil-Ingenieur zudem Mitglied verschiedener Fachgremien und Forschungskooperationen

FRÜHLING 2015 017


ERFOLGSGARANTIE INKLUSIVE

DIE JÜNGSTE ERGÄNZUNG IM PORSCHE911-PROGRAMM TRÄGT DAS GESCHICHTSTRÄCHTIGE KÜRZEL GTS, WAS NOCH MEHR SPORTLICHKEIT IMPLIZIERT. UNS ÜBERZEUGT DAS AUTO IN NAHEZU ALLEN BELANGEN Text und Fotos map

018 VECTURA #14


FAHRTERMIN

M

uss man noch über das Faszinosum 911 reden? Über seine Leistungsbereitschaft und Fahrdynamik, über Verarbeitung, Zuverlässigkeit und Werterhalt? Wenn schon, dann am besten über die Vielfalt: Kein anderer Sportwagen wird in so viel unterschiedlichen Spielarten angeboten wie der Elfer. Da gibt es einen Einstieg mit und ohne S, den legendären Turbo, die GT- und immer wieder mal Cup- sowie andere Sonderserien, oft mit Heck- oder Allradantrieb – und die meisten von ihnen in drei Karosserievarianten als Coupé, Cabriolet und Targa. Alle diese Versionen sind denn auch in relativ geringer Auflage gefertigt und individuell ausgestattet, was sie über den Tag hinaus begehrenswert macht. Der seltenste 911? Wahrscheinlich ein Carrera-Basismodell ohne jegliche Extras.

Längst ist Porsche sehr versiert darin, dem 911er-Menü ständig weitere Appetizer hinzuzufügen. Der neueste heisst GTS (Gran Turismo Sport) und ist die logische Konsequenz aus dem von 2010 bis 12 produzierten Vorgänger (Baumuster 997), welcher sich in Kennerkreisen hoher Wertschätzung erfreute. Ganz einfach deswegen, weil er Alltagskomfort und Rennstrecken-Feeling gekonnt zu kombinieren verstand – mit mehr Leistung, wie es sich für das Kürzel gehört, welches früher die Rennsporttypen 904 oder 924 Carrera zierte. Der nächste auf dem aktuellen 991-Elfer basierende GTS ist nochmals 30 PS stärker als der derzeitige 911 Carrera S. Optisch ist das Auto an abgedunkelten Bi-Xenon-Clustern, der Bugschürze

FRÜHLING 2015 019


mit zusätzlichem Einlass für den Mittenkühler sowie einem neuen, schwarz lackierten Lüftungsgitter in der Motorhaube zu erkennen. Das markanteste Detail sind dabei die mattschwarz lackierten 20-Zoll-Felgen mit Zentralverschluss (bei unserem Testwagen waren optional teilpolierte Räder montiert), mit denen die leicht tiefer gelegte Karosserie besonders gut weil kraftvoller zur Geltung kommt: Der GTS kommt hinten grundsätzlich mit den breiteren Radhäusern der Allradmodelle. Auf die GTS-Schriftzüge an den Schwellern hätte man vielleicht verzichten können. Innen sorgen viel Alcantara, Schalensitze, gestickte Schriftzüge oder Ziernähte in Wagenfarbe für das gewisse Etwas. Natürlich sieht der GTS nicht nur scharf aus, sondern geht auch entsprechend gut – mit der optionalen Doppelkupplung sogar noch etwas besser und auch entspannter. Gar nicht erholen können wir uns deshalb über die Schaltkulisse auf der Mittelkonsole: Zum Hochschalten will da tatsächlich nach vorne, zum Runterschalten nach hinten gedrückt werden. Es sollte im intuitiven Sinne genau umgekehrt sein. Bei einem Motorsport-inspirierten Modell empfinden wir das als doppelt schlimm und heben erst einmal die Augenbrauen. Immerhin – Porsche hat sich bereits von den einst parallel installierten, wulstigen Lenkradspeichendrückern verabschiedet und verbaut jetzt griffige Paddel. Es 020 VECTURA #14


FAHRTERMIN

TECHNISCHE DATEN PORSCHE 911 CARRERA 4 GTS Konzept Sportlich geprägte Alltagsvariante der vielseitigen Modellreihe. Als Coupé, Targa oder Cabriolet und auch mit Heckantrieb verfügbar Motor Wassergekühlter Sechszylinder-Boxer, Alu-Zylinderkopf und -block, 2x2 oben liegende Nockenwellen, 4-Ventil-Technik mit variabler Steuerung, Benzindirekteinspritzung, Trockensumpf, Stopp-Start

Hubraum in cm3

3800

Bohrung x Hub in mm

102 x 77,5

Verdichtung

12,5:1

Leistung in PS (kW) @ U/min

430 (316) @ 7500

Max. Drehmoment in Nm @ U/min

440 @ 5750

Kraftübertragung

M7 (Option: 7DKG)

Abmessungen (L/B/H) in cm

451/185/129,5

Radstand in cm

245 154/156

Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

vorne

245/35 ZR20 auf 9J

hinten

305/30 ZR20 auf 11,5J

Tankinhalt in L

68

Kofferraumvolumen in L

v./h. 125/260

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg

1395

Zulässiges Gesamtgewicht in kg

1895

Leistungsgewicht in kg/PS

3,2

0 – 100 km/h in Sek.

4,4 (4,0)

0 – 200 km/h in Sek.

14,6 (13,8)

Höchstgeschwindigkeit in km/h

304 (302)

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km

9,9 (9,1)

CO ²-Emission in g/km

233 (212)

Energieeffizienzkategorie

G

Preis ab CHF

167 300.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

FRÜHLING 2015 021


FAHRTERMIN

besteht also die vage Hoffnung, dass man auch die «falsche» Schaltlogik ausmustert, sobald die Bestände aufgebraucht worden sind. Und wahlweise gibt es ja auch noch ein knackiges Handschaltgetriebe, mit dem es sich sogar zwei Stundenkilometer schneller rasen lässt. Was uns ausserdem ab Werk fehlt, ist ein Multifunktionslenkrad – vielleicht auch deshalb, weil die Mittelkonsole mit Schaltern und Knöpfen zugeparkt ist, welche hinter dem Schalthebel nur schwer erreichbar sind. Doch die Optionsliste schafft da Abhilfe.

sich die Besatzung in Askese üben. Beim GTS sind ein aktives Sportfahrwerk oder (beim Doppelkupplungsgetriebe) die variable Momentenverteilung bereits an Bord; eine Wankkompensation für noch mehr Kurvenkomfort gibt es auf Wunsch. Solche Möglichkeiten machen das Modell zum vielleicht überzeugendsten Elfer, denn es taugt als Spassgerät für rennstreckentaugliche Familienväter, als Wochenend-Fluchtwagen zu zweit und sogar als Kindergarten- oder Grundschul-Shuttle – sofern man aus Gewichtsgründen nicht die Rückbank abbestellt hat.

Uneingeschränkt begeistert sind wir von der nochmals verbesserten Elastizität des Sechszylinders, der bis 7800 Touren hochgejubelt werden kann – und vom besonderen Sound des GTS: Er tönt bereits im Stand dumpfer und voller als andere Elfer. Wenn dann während der Fahrt die «Brülltaste» gedrückt wird, breitet sich auch unter 120 km/h ein gänsehautmässig satter Klangteppich auf dem Asphalt aus. Bei Tempo 130 liegen im siebten Gang 2100 Touren an; im sechsten sind es 3000, im fünften 3600 und im vierten 4400. Ab rund 4000 Umdrehungen legt der GTS noch ein paar Dezibel drauf und man ist versucht, bei offenen Seitenfenstern durch die Gänge zu flippern, was allerdings der Verbrauchsperformance schadet: Wir haben es selten unter 14 Liter geschafft. Ja, dieses Auto lässt sich auch mit einem niedrigeren Durchschnitt bewegen, aber dann kann man gleich die Bahn nehmen – wer hier Sprit sparen will, versteht den letzten Sauger-Boxer nicht, bevor im Herbst die Turbomotoren kommen.

Letzteres wäre verständlich, denn die Fahrdynamik liegt ausserordentlich hoch. Selbst bei geschlossener Schneedecke bleibt ein Allrad-GTS unbeirrt auf Kurs: Die Traktion ist vorzüglich und man muss nie befürchten, irgendwo stecken zu bleiben – zumindest solange die Bodenfreiheit ausreicht. Optisch ist die Carrera4-Version am durchgezogenen roten Leuchtenband zwischen den Rücklichtern zu erkennen. Der 4x4-Antrieb kostet 9300 Franken extra; überhaupt ist der GTS ein teures Vergnügen. Seine Kritiker mögen sich jetzt einmal mehr verweigern und an kleineren Unzulänglichkeiten weiden, doch auch sie müssen anerkennen: Der Porsche 911 ist der politisch korrekteste, gesellschaftlich akzeptierteste Sportwagen der Welt. Ein Lotus mag extremer, der Ferrari lauter, eine Corvette brutaler und Aston Martin eleganter sein. Aber wenn es neben der reinen Leistung auch um Alltagstauglichkeit, Qualität und (nur für alle Fälle) ein gutes Händlernetz geht, bleibt der Elfer unschlagbar. Die GTS-Version macht da keine Ausnahme, aber – muss das noch extra erwähnt werden?

Der verfügt zwar über eine einwandfrei agierende Stopp-StartAutomatik, lauert aber sprungbereit auf den nächsten Einsatz wie ein Dobermann an der Kette: Noch agiler und direkter sind nur die Vollblut-Sportler GT3 und GT2 abgestimmt, aber dann muss

022 VECTURA #14


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024 VECTURA #14


GRENZERFAHRUNG

KLASSENSIEGER

IN LUFTIGEN HÖHEN IN DER PORSCHE-RENNSPORTGESCHICHTE GEHÖRT DER CARRERA 6 ZU JENEN MEILENSTEINEN, DIE DEN HERSTELLER ZUR WELTMEISTERMARKE MACHTEN. 50 JAHRE NACH SEINER ENTSTEHUNG BEGEGNEN WIR EINEM SELTENEN LANGSTRECKEN-EXEMPLAR AUF FREIER WILDBAHN Text Matthias Pfannmüller · Fotos Stefan Bogner

FRÜHLING 2015 025


026 VECTURA #14


GRENZERFAHRUNG

H

eiser sägt der luftgekühlte Sechszylinder-Boxer die Serpentinen hinauf. Fehlzündungen schlagen gegen die Felswand und werfen ihr Echo ins Tal; die Gangwechsel klingen metallisch, trocken, deutsch. Ein Porsche, kein Zweifel – aber ein ganz besonderer. Carrera 6, das steht für einen 411 Zentimeter langen, 168 cm breiten und nur 98 cm hohen zweisitzigen, reinrassigen Rennsportwagen, der 1965 konstruiert wurde, um den etablierten Langstrecken-Akteuren Ferrari und Ford das Fürchten zu lehren. Das sollte freilich nicht in einem Schritt geschehen, sondern erst ab 1969 mit dem später bis knapp 400 km/h schnellen 4,5-L-Zwölfzylinder-BoxerModell 917 gelingen. Doch der Reihe nach. Der Carrera 6, auch 906 genannt, war der Nachfolger des für Top-Resultate zu schwachen, trotz Kunststoffkarosserie zu serien­ nahen 904 GTS. Er ging konstruktiv auf den Ollon-Villars-Spyder zurück und ist das erste Auto gewesen, für das der ebenso junge wie ambitionierte Ferdinand Karl Piëch verantwortlich zeichnete – jener Mann also, der zwei Jahre zuvor in das Familienunternehmen Porsche eingetreten und kürzlich Chef der Entwicklungsabteilung geworden war. Clubsport-Aktivitäten, bei denen die Marke bisher sehr erfolgreich agiert und es mit stark modifizierten Serienwagen sogar nach Le Mans aufs Treppchen geschafft hatte (siehe VECTURA #6), reichten dem aufstrebenden Ingenieur allerdings nicht. Er wusste, dass es grösserer Anstrengungen bedurfte, um mit den Giganten um die Wette zu fahren. Und er wollte aus der «Bastelbude», wie Rennfahrer Udo Schütz den Zuffenhausener Hersteller in jenem Stadium titulierte, eine ernst zu nehmende Marke von Weltrang formen. Der Carrera 6 ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Weg. Angetrieben von einem auf 210 PS erstarkten, allerdings auch hochsensiblen Zweiliter-Sechszylinder-Boxer aus dem 904/6, aus dem auch Radaufhängungen und Bremsanlage stammen, fuhr das Auto bis zu Tempo 280 schnell. Nie zuvor war ein Porsche so hinreissend aerodynamisch geformt; dank GFKKarosserie, viel Magnesium und Titan sowie einem Gitterrohrrahmen, der abschnittweise als Ölleitung fungierte, wog der 906 in Coupé-Form – der bis heute einzigen mit längs angeschlagenen Flügeltüren – trocken unter 650 Kilogramm und damit deutlich weniger als noch der 904. Erstmals zum Einsatz kam der Carrera 6 im Februar 1966 bei den 24 Stunden von Daytona, wo er auf einen respektablen sechsten Platz fuhr – vor dem anvisierten und bereits 1965 siegreichen Dino 206P. Der Sechser zählt zudem zu den ersten weiss lackierten Porsche-Werkrennern, die zuvor immer in Silber angetreten waren: Mit der historischen Farb-Nomenklatur vertraute Insider erkannten darin einen weiteren, unmissverständlichen Hinweis auf Piëchs ehrgeizige Pläne. Die gerieten nun scheinbar etwas ins Stocken, denn der 906 gewann zwar 1966 die Targa Florio und zeigte sich in Sebring und Le Mans als respektabler Gegner. Ein dominierender Allesschläger war er dagegen nicht. Und deshalb zündete Piëch noch in der gleichen Saison eine erste Evolutionsstufe – den 910. Der trug zunächst den gleichen Zweilitermotor, war aber kürzer, steifer, leichter und natürlich auch schneller. Parallel wurde der 906 mit Einspritzung oder einem 2,2-L-Achtzylinder erprobt. Der Typ 907 folgte dann erst im Juno 1967, um zuerst in Le Mans anzutreten, bevor er einen Dreifach-Sieg in Daytona errang und – Novum für Porsche – auch das 1000-Kilometer-Rennen FRÜHLING 2015 027


028 VECTURA #14


GRENZERFAHRUNG

Das Auto auf diesen Seiten holte 1966 in Frankreich zwei Siege sowie mehrere Top-Ten-Platzierungen

FRĂœHLING 2015 029


GRENZERFAHRUNG

auf dem Nürburgring für sich entschied. Was es jetzt noch für eine konstante Siegesserie brauchte, war mehr Power: Der 908 mit Dreiliter-Achtzylinder-Boxer kam im Juli 1967; ein knappes Jahr später querte er in Le Mans hinter einem Ford GT40 und einem 907 als Dritter die Ziellinie. 1969 fehlten ihm dann gerade mal 120 Meter zum Triumph, doch holte Porsche in diesem Jahr erstmals die Markenweltmeisterschaft – und wiederholte diese Übung auch 1970 und 71. Von 1963 bis 68 hatte Porsche mit den Typen 904, 906, 910, 907 und 908 also fünf extreme Rennsportwagen lanciert, die den Weg zur Langstrecken-Dominanz des 1969 präsentierten 917 ebnen sollten. Beachtlich war und ist, mit welcher Konsequenz (und Lotus-Manier) diese Autos von Jahr zu Jahr leichter wurden. Den Gipfel markierte der 1968 nur einmal gebaute Berg-Spyder 909: Er brachte es gar auf unglaubliche 380 Kilo, erreichte 100 km/h in zwei Sekunden und gewann auch die Meisterschaft, bevor sich Porsche komplett aus dieser Serie zurückzog. 1969 gehörte der Berg wieder der Scuderia Ferrari; Peter Schetty siegte prompt auf einem 212E Montagna. Porsche konzentrierte sich da bereits voll auf die Langstrecke. Im Windkanal optimierte Aerodynamik und Leichtbau waren die 030 VECTURA #14

herausragenden Merkmale der in den genannten Jahren gebauten Rennsportwaffen. Jährlich entstanden circa 40 Exemplare, die nicht nur vom Werk eingesetzt, sondern auch an Privatteams verkauft wurden. So der 906 auf diesen Seiten, der zu den originalsten Überlebenden der insgesamt 65 Einheiten gerechnet wird: Chassisnummer 906123 wurde Mitte März 1966 für 45 000 Mark an den französischen Fahrer Jean Clément nach Gap in den Seealpen ausgeliefert, der das Auto bei Bergrennen in Cannes, Mont Ventoux, Beaujolais, Urcy, Limonest–Mont Verdun und Lodève einsetzte. Ergebnis: zwei Siege und mehrere Top-Ten-Platzierungen. Clément erwarb anschliessend einen noch schnelleren 906 und wurde 1967 französischer VizeBergmeister. 906123 verkaufte er an seinen Landsmann Jean Rocher, der das Auto ebenfalls artgerecht, aber zusätzlich auch im Strassenverkehr bewegte. Mitte der 1970er-Jahre kehrte der Rennwagen mit Strassenzulassung schliesslich nach Deutschland zurück – und stand gut 30 Jahre lang in der Garage eines Sammlers. Dessen Sohn holte das Auto 2006 hervor, wollte es fahren und unterzog es deshalb einer sanften Restaurierung. Seither wird der 906 oft bewegt, zum Beispiel bei Veranstaltungen wie Le Mans Classic oder ganz privat bei schönem Wetter. Die mit ihm zurückgelegten Kilometer atmen nicht nur


FRÜHLING 2015 031



GRENZERFAHRUNG

Die Mannschaft muss sich in den engen Innenraum einf채deln, der nur theoretisch f체r zwei Personen gedacht war


GRENZERFAHRUNG

Renngeschichte, sondern sind auch ein Porsche-Erlebnis der intensivsten Art – vor allem in den Serpentinen der Schweizer Alpen. Kurvengierig verputzt der Carrera 6 in wenigen, äusserst kurzweiligen Stunden zuerst Grimsel, dann Susten, Nufenen und Tremola. Wo der Wagen auftaucht, bleibt er nicht lange allein, doch Bewegung ist besser als Stillstand. Die Mannschaft muss sich zuvor in den flachen Innenraum einfädeln, der ursprünglich nur in der Theorie für zwei Personen gedacht war. Mehr liegend als sitzend, auf zwei Analoginstrumente oder weiter vorne durch die beiden hoch aufragenden Radhäuser guckend, eröffnen sich völlig neue Perspektiven – auch nach oben. Die vollverglaste Kanzel erinnert an jene eines Hubschraubers, zumal auch im Porsche das Kraftwerk direkt hinter dem Nacken sitzt und ordentlich einheizt. Lenkung und Bremsen, versichert uns der Fahrer, fühlen sich ausgesprochen zeitgemäss an und wir wähnen uns auf einem freien Training für das nächste 24-Stunden-Rennen. 034 VECTURA #14

Mitte Juni 2015 wird Porsche mit dem 919 nach Le Mans zurückkehren, und diesmal könnte es was werden mit dem dann 17. Gesamtsieg nach dem ersten des 917 in 1970. Der Carrera 6 seufzt kurz auf, dann beschleunigt er schon wieder und verschwindet im Kurvengeschlängel. Ein sehr rassiges, verführerisches Auto, keine Frage. Doch die Zeiten, in denen es günstig zu haben war, sind schon lange vorbei. Wer sich heute für einen 906er interessiert, muss weit über eine Million Franken bereithalten – und zunächst erst einmal fündig werden.


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Von der Piste auf die Strasse: effiziente Bugatti-Vision

WINDS OF CHANGE

WARUM SICH FUNKTIONELLE AERODYNAMIK UND DAS MENSCHLICHE SCHÖNHEITSEMPFINDEN BIS ZUM HEUTIGEN TAG NUR SELTEN VERTRAGEN Text und Illustration Mark Stehrenberger

W

issenschaftler haben mehr oder weniger schon immer gewusst, dass es windschlüpfrige Formen mit geringem Reibungswiderstand braucht bei einem Fahrzeug, das entweder schneller oder sparsamer unterwegs sein soll – und im Idealfall beides zusammen. Man braucht dazu nur die Galeeren und Segelschiffe der Antike zu betrachten. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, bis sich diese Erkenntnis auch im Automobil-Design niederschlug.

voraussetzte, versuchte Chrysler mit dem Airflow, den Leuten ein neues Schönheitsideal zu verkaufen und so die Zukunft des Automobils neu zu definieren. Dazu gab es konstruktive Besonderheiten sowie eine nahezu ideale Gewichtsverteilung zwischen Vor­derund Hinterachse für spürbar besseres Handling. Dennoch – auch diese windgeformte Baureihe geriet zum kommerziellen Flop. Immerhin hat sie bis heute einen bleibenden Eindruck hinterlassen, zumindest bei mir.

Die Autos der Gründerzeit hatten mit Aerodynamik noch nichts an der Karosse. Fords Model T, der erste massenfabrizierte Pw, sah eher aus wie eine Pferdekutsche minus Pferd, sprich: eine Kiste auf vier Rädern. Und das war damals auch okay, denn die Karre und alle ihre Artverwandten waren ausgesprochen schwach und entsprechend langsam. Die seinerzeit vorherrschende Meinung war: Das Auto wird das Pferd noch lange nicht verdrängen – oder gibt’s ein Denkmal, auf dem ein Mann am Steuer sitzt? Doch dann tauchten erste Hinweise für nachhaltige Änderungen auf, bevor alles ganz schnell gehen sollte: Einige Rennwagen des frühen 20. Jahrhunderts verfügten bereits, wenn auch noch etwas zag­ haft, über strömungsgünstige Eigenschaften. Und obwohl niemand deren Vorteile empirisch ermittelt hatte, waren sie doch erahnbar geworden und sollten weitere Versuche nach sich ziehen.

Um der vorwiegend traditionellen Öffentlichkeit zu gefallen und auch im Sinne einer rationellen Bauweise brachten Detroit und Co. ihre Träume auf Normgaragengrösse; die konventionelle Bauweise wurde King. Der wegweisende Trend der 1950er hiess Pontonform und sie war nicht das Schlechteste. Denn zum ersten Mal wurden funktional unnötige hintere Kotflügel in den Körper integriert und auch die Trittbretter weggelassen, was strömungstechnisch einem Quantensprung gleichkam. Jene dann in sagenhaften Heckflossen mündende Raumfahrt-Euphorie der Amerikaner hatte mit technischem Fortschritt allerdings wenig zu tun und sollte sich als Sternschnuppe erweisen.

Die Klassiker sind schnell genannt: Alfa Romeo 40–60 HP Aerodinamica, Baujahr 1913 – eine Vision auf Holzspeichenrädern, deren Entstehungsdatum heute noch erstaunen kann. 1921 schuf dann der böhmische Erfinder Edmund Rumpler in Berlin den nach ihm benannten Tropfenwagen: Das Auto wies eine schmale wie fischförmige Kabine, horizontale Tragflächen-Kotflügel, Scheibenräder und deshalb auch einen überraschend niedrigen cW-Wert von nur 0,28 auf (ein Fiat Balilla derselben Epoche dagegen hatte 0,60!) – es war die Schock-Sensation der Berliner Automobilausstellung. Dennoch war die autofahrende Bevölkerung noch lange nicht bereit für ein derart revolutionäres, eigenständiges Design. Dazu kamen technische Unzulänglichkeiten, kurz: Bis 1925 wurden nur etwa 100 Einheiten des Rumpler-Tropfenwagens gebaut. Ein grosser Sprung in Sachen Aerodynamik erfolgte dann in den 1930er-Jahren und kam aus Nordamerika. Während in Europa der Tatra 77 lanciert wurde und optisch immer noch viel Wohlwollen 036 VECTURA #14

Eine rationalere Realität begann schliesslich in den 1960er-Jahren: Ralph Nader, Sicherheit, Abgase und Verbrauch wurden die neuen Buzz-Worte. Bei den meisten Autoherstellern waren AerodynamikExperten bis dato nicht existent. Das änderte sich dann schlagartig mit der Ölkrise; seit 1974 ist die «schlüpfrige» Wissenschaft integraler Bestandteil des Stylings – und inzwischen vielleicht sogar der wichtigste. Ein frühes Beispiel war der Porsche 911 RS: Er trug gleich ein ganzes Spoiler-Set, welches das Automobildesign der kommenden Jahrzehnte beeinflussen sollte. Bei meinen bisherigen Ausführungen stellt sich nun die berechtigte Frage: Wie konnte es nur dazu kommen? Antwort: durch den in der Aeronautik längst bewährten Windkanal. Und wer, wirst du jetzt wissen wollen, hat den eingeschaltet? Das waren die Vorstände der Autokonzerne. Schliesslich legten Benzinpreis-gebeutelte Autofahrer immer mehr Wert auf niedrige Verbräuche, und die gibt es nun mal nur – eben. Dazu kam ein Leistungswettbewerb, den es mit möglichst geringer Reibung zu gewinnen galt: Front- und Heckflügel, schaufelförmige Nasen oder Aero-Kits – die im Motorsport gemachten Erfahrungen wurden nun peu à peu in die Grossserie


STILBLÜTEN

weitergereicht. Infolge immer perfekterer Computersimulationen kommen Multi-Millionen-Franken teure Windtunnel heute allerdings immer seltener zum Einsatz. Sie werden inzwischen dazu genutzt, digitale Berechnungen zu überprüfen. Kein Witz! Wenn wir von energiesparendem Design reden, muss im gleichen Atemzug Honda genannt werden. Der Original-Insight von 1999 hat in der weltweiten Autoindustrie und im Bewusstsein jedes reflektierten Käufers einen dauerhaften Eindruck hinterlassen. «Nichts ist unerschöpflich auf unserem Planeten, also lasst uns vorsichtig umgehen mit dem, was wir haben» – so ungefähr lautete der Werbeslogan damals. Auch der EV1 von GM, Audi A2, Smart und andere hatten ihre 15 Minuten Ruhm im Rampenlicht, doch Platz 1 auf der Öko-Bühne gebührt Toyota: Der Prius wurde – und ist es mit bald fünf Millionen Einheiten bis heute – das weltweit meistverkaufte Hybrid-Modell. Wohin steuert das Automobil-Styling? Das müssen wir heute nicht nur die Designer, sondern auch unsere Politiker fragen. Denn deren Verordnungen bestimmter proportionaler Parameter (Abstand Scheinwerfer–Asphalt, Motor zu Motorhaube) widersprechen oft aerodynamischen Gesetzen und machen es uns Kreativen immer schwerer, eigenständige Entwürfe zur Serienreife zu bringen. Ein Toyota Prius ist physikalisch sicher schlüssig und natürlich auch Norm-konform, doch schön ist etwas anderes. Was uns zu meinen Likes und Don’t-Likes führt, die da wären: Tatra T77, 1934 Europäische Automobildesigner entwarfen während der 1930er-Jahre allerhand Heckmotor-Beulen. Doch zwischen 1934 und 38 war nur Tatra in der Lage, eine ebenso elegante wie funktionale Stromlinie in Serie zu bauen. Mit ihr und einer Höchstgeschwindigkeit von fast 160 km/h, dem sonderbaren Dreilicht vorne sowie luftgekühltem V8-Motor im Heck wirkte der T77 nicht nur radikal – er war es auch! Es gab sogar Prototypen, in denen der Fahrer mittig positioniert und weiter vorne sass als die Beifahrer. Mir gefällt vor allem die dreiteilige Windschutzscheibe, die man heute wieder in moderner Form bei Citroën und Fiat findet. Das T77-Profil sagte «schnell vorwärts», und ganz ehrlich: Das Auto hatte einen schöneren Hintern als – such dir was aus … Alfa Romeo Jankovits C6 2300 Aerodinamica Spider, 1935 Daumen hoch für den. Er war der erste Supersportwagen in Pontonform, bevor die überhaupt erfunden wurde, und das erste Mittelmotor-Fahrzeug mit drei Sitzen (inklusive zentral platziertem Piloten). Die fliessenden Linien des flachen Karosseriekörpers, der kurz-steile Kühlergrill und das lang abfallende Heck – sackstark! Integrierte Türgriffe und Leuchten waren ebenfalls ein Novum; dazu gab es Lufteinlässe an den richtigen Stellen und einen vollverkleideten Unterboden. Nicht zuletzt der fortschrittlichste Rahmen seiner Zeit sichert dem Einzelstück auf AlfaBasis seinen verdienten Platz in der Geschichte des Automobils. Das Unikat wurde zwar in Ungarn entworfen, ist aber dennoch so verdammt italienisch geraten, dass man den KnoblauchGeruch bis heute riechen kann. Siehe Seite 155. Tucker Sedan, 1947 Im Jahr 1946 in einer Reihe von Skizzen vorgestellt, raste der Tucker Torpedo – wie die Limousine auch genannt wurde – in die Zukunft. Mit seinen fliessenden Linien bewegte sich das Auto schon im Stand. Und es prahlte mit Innovationen wie dem schwenkbaren, zentralmontierten dritten Scheinwerfer (Cyclops Eye), der dunkle Ecken ausleuchten sollte. Für die Sicher-

­­ heit gab es eine Pop-out-Windschutzscheibe aus splitterfreiem Glas, einen in das Dach integrierten Überrollbügel, ein gepolstertes Ar­maturenbrett, und – whoa – Sicherheitsgurte! Einzelradaufhängungen und Scheibenbremsen, die selbst den Niedergang der westlichen Zivilisation hätten verzögern können, sowie ein 5,5-LSechszylinder-Boxer im Heck machten die Sensation perfekt. Trotzdem hat das Design bei mir nie wirklich hingehauen. Also bitte: Die Mimik eines Insekts in Chromstahl nachzubilden, ist mindes­ tens merkwürdig. Dazu gesellten sich andere optische Ungereimtheiten; das Ganze war flashy wie der Teufel, wie Preston Tucker selbst. Sein Werk wirkte verknorzt und überzogen wie die kantigen Gesichtszüge eines Bodybuilders, der Unmengen Testosteron vertilgt hat. Unabhängig vom Gegenwind, den Tucker für seine technisch fortschrittliche Konstruktion von den Big Three bekam, sahen potentielle Käufer das wohl ähnlich – bis die Firma 1948 pleiteging, entstanden nur 51 Fahrzeuge. Bertone Alfa Romeo B.A.T. 7, 1954 Der Auftrag war klar: Bitte drei Studien zur umfangreichen Forschung über die Auswirkungen des Luftwiderstands bei Fahrzeugen anfertigen. Es galt, das Problem der aerodynamischen Stabilität zu lösen und Autos mit einem cW von maximal 0,23 zu schaffen. Ein Traumjob für Bertone und seinen Stylisten Franco Scaglione! Die Autos, benannt B.A.T. für «Berlinetta Aerodinamica Tecnica», standen auf 1900er-Chassis, verfügten also über einen 90-PS-Vierzylinder. Zwischen 1953 und 55 präsentierten Bertone und Alfa Romeo auf dem Turiner Salon jedes Jahr ein neues Konzept – Nummer 5,7 und 9. Mit einen cW von 0,19 unter­schritt man sogar die Vorgabe – ein Wert, der selbst nach heutigen Massstäben extrem niedrig ist. Die Studien fuhren 200 km/h schnell; bei B.A.T. 7 wurden neueste Flügelprofil-Erkenntnisse der Luftfahrtindustrie angewandt. Das führte zu scheinbar übertrie­ben grossen, geschwungenen Heckflossen – für mich ist das die Krönung der Verbindung aus Aerodynamik und Design. Mercedes-Benz CLS, 2004 Als «viertüriges Coupé» vermarktet, wurde der CLS schon 2001 vom US-Designer Michael Fink entworfen, der auch den ersten CLK, das C Sportcoupé und die Maybach-Typen 57 und 62 gestaltet hatte. Der CLS war sein wohl ausdrucksstärkstes Auto, dessen schlanke Dachlinie den Fahrgastraum auf einen 2+2 reduzierte. Big Deal! Schloss man die Türen von innen, hatte die Umwelt Sendepause. Diese grazilen, schwungvollen Karosserielinien taten, was sie tun sollten – sie weckten das «Haben-wollen»-Begehren. Und so etwas Schönes kam von Mercedes, der erzkonservativ-verstaubten Bude, die tagein, tagaus auch diese öden Taxis produzierte? Diese riskante aerodynamische Kehrtwende CLS überhaupt zu zeigen, war mutig, ihn dann auch im Massstab 1:1 zu bauen, zeugte von einer Prise Wahnsinn. Schöner ging’s nimmer, die Karre war ein Kracher, wurde später von fast allen kopiert – und sie war meiner Meinung nach zugleich auch das letzte Exemplar von ausgewiesener Ästhetik, bevor Mercedes seine gesamte Designsprache Richtung China ausrichtete. Die zweite CLS-Generation ist dagegen leider eine optische Katastrophe. Was sagen uns diese Beispiele? Ein Auto mag höchst fortschrittlich sein, aber es muss für die breite Masse auch ebenso gut aussehen, sonst geht das verkaufstechnisch in die Hose. Besitzerstolz ist vielen Käufern auch heute noch wichtiger als Umweltschutz, das ist die nackte Wahrheit. Das Wirken aktueller Automobildesigner zielt vorrangig darauf ab, einem neuen Modell die gewünschte positive Markenidentität zu verleihen und es nicht wie ein Stück Seife aussehen zu lassen. FRÜHLING 2015 037


FAHRTERMIN

ONLINE RICHTUNG ZUKUNFT

ES GIBT DIESE HANDGEBAUTEN GARAGENEXOTEN, AUSSEN HUI UND INNEN OFT PFUI. UND ES GIBT DEN RALLY FIGHTER VON LOCAL MOTORS. DER IST ZWAR AUCH EIN PATCHWORK AUS GROSSSERIENTEILEN, ABER GENAU DAS SCHEINT SEINE STÄRKE ZU SEIN. DENN ENTSTANDEN IST DAS AUTO VOR ALLEM IM WORLD WIDE WEB Text map · Fotos Jerry Ferguson, David Urbanic, Werk

038 VECTURA #14


D

er Mann ist geschätzte Mitte 60; er sitzt lethargisch in einem 1998er Venture, der neben uns an der Ampel steht. Und dann geschieht das Erstaunliche: Als der ChevyFahrer gelangweilt zur Seite schaut, um die Herkunft des dumpfen Brabbelns zu orten, reisst er zuerst seine müden Augen auf und öffnet dann das Fenster, um uns nun hellwach und aufgestellt zuzurufen: «Hey Jungs, was ist das denn Geiles?! So ein Auto habe ich ja noch nie gesehen! Wie heisst das Teil?» Wir sagen es ihm. «Mann, ist der scharf!» Es wird grün, ich steige von der Bremse, er hebt beide Daumen und verabschiedet uns gefühlte 50 Jahre jünger mit dem glücklichen Lachen eines Schuljungen. Wie gesagt: ein Chevrolet Venture. Mit solchen Gerätschaften sind nicht unbedingt Leute unterwegs, die sich für ausgefallene Fahrzeuge begeistern. Und doch wird uns Ähnliches noch öfter passieren hier in Motown, der Hauptstadt des automobilen Mainstream. Denn unser «Teil», der Rally Fighter von Local Motors, ist nicht gebaut worden, um übersehen zu werden. Ganz einfach deshalb, weil man ihn gar nicht für Asphalt konzipiert hat und er dort entsprechend selten anzutreffen ist. Entstanden ist der hochbeinige Zweitürer, um in Wüsten und anderen sandigen Gebieten alles hinter sich zu lassen, was Räder hat. Wir wussten zwar von dem Modell, sind ihm bis dato aber nie begegnet. Local Motors ist ja in Bezug auf 3D-Printing eine bekannte

Grösse (siehe VECTURA #13), und auch beim Rally Fighter kommen einige Karosserieteile wie die Stossstangen aus dem Drucker. Doch darum geht es bei diesem Auto nur in zweiter Linie: Es ist ein «halo car», das auf seinen Hersteller aufmerksam machen soll. Und das tut es mit Bravour. Der spontanen Einladung zu einer Probefahrt am Rande der Detroit Motor Show mochten wir denn auch nicht widerstehen, obwohl die winterlichen Umstände und drei Grad Fahrenheit nicht gerade ideal sind für einen Raid-Renner auf grobstolligem 285er-Sand-Profil. Doch Chassis Nummer 097 ist das stärkste und mit einem Preis von einer Viertelmillion Dollar teuerste Exemplar, welches man bei LM bisher gebaut hat. Es wird in den nächsten Wochen verfeinert und anschliessend an einen Juwelier aus Louisiana ausgeliefert, der das Auto selbst spezifizierte. Und bald viele neue Freunde haben dürfte. Die Geschichte des Rally Fighter ist ebenso kurzweilig wie un­ orthodox. Begonnen hat alles 2009: Damals war Local Motors noch eine zwei Jahre alte, kleine und unbekannte Garage in Chandler, Arizona. Firmengründer Jay B. Rogers plante nichts weniger, als die Automobilindustrie zu revolutionieren. Konkret geht es ihm seither um jene Entwicklungszeit, die sich zwischen einer ersten Idee und dem Serienfahrzeug befindet und die seiner Ansicht nach viel zu lang ist. Neue Fertigungsmethoden wie 3D-Printing sollen den Prozess wesentlich verkürzen, regionale

FRÜHLING 2015 039


Digging in the dirt: Sandpisten und W端sten sind eine Tortur f端r Mensch und Maschine. Wer hier schnell fahren will, muss richtig gut sein

040 VECTURA #14


FAHRTERMIN

FRÜHLING 2015 041


«Microfactories» den lokalen Bedarf bedienen. Das spart Local Motors – nomen est omen – nicht nur noch mehr Zeit und Transportkosten, sondern senkt auch den Personal- und Energiebedarf. Und es ist eine Herstellungsphilosophie, die eine tatsächliche Nachfrage «just in time» zu bedienen vermag, statt auf Halde zu produzieren. Das Prinzip findet Beachtung – selbst US-Präsident Obama kam 2011 zu Besuch nach Chandler, wo inzwischen mehr als 100 Mitarbeiter tätig sind. Und es findet Verbreitung: LM hat Dependancen in Las Vegas und der Universität von Tennessee, bis 2015 sollen es weltweit 100 Kleinstfabriken sein. Die jüngste Werkstatt wird gerade in Berlin aufgebaut; ab 2016 sollen auch dort E-Autos aus dem Drucker kommen. Ungewöhnliche Methoden sind bei Jay Rogers Programm. Betriebsgeheimnisse gehören bei ihm einer überholten Denkweise an: Er kommuniziert ganz offen, was er vorhat; die Konstruktionszeichnungen und Bauanleitung des Rally Fighter kann sich jeder aus dem Internet herunterladen. Und genau dort ist das spektakuläre Auto auch entstanden. «Wir haben die weltweit grösste Datenbank von Designern und Ingenieuren, die gemeinsam für eine wissensdurstige Gemeinschaft innovative Autos entwickeln», heisst es bei www.rallyfighter.com. Die «Open Source»-Denkweise ist zentrales Element bei Local Motors, wo neue Projekte als Ausschreibung auf den Daten-Highway Fahrt aufnehmen – man spricht dabei auch von «crowdsourcing». Jeder Interessent kann sich nun direkt an der Entwicklung beteiligen und wird – entsprechend seinem Beitrag am endgültigen Produkt – auch bezahlt. Das lockte bisher nicht nur über 20 000 Online-Mitglieder an, sondern auch etablierte Automobilhersteller: Im Herbst 2012 042 VECTURA #14

kooperierte Local Motors kurzzeitig mit BMW, um im World Wide Web gemeinsam Mobilitätslösungen für «das urbane Fahrerlebnis im Jahr 2015» zu ermitteln. Auch im Fall Rally Fighter wirkte sich die Aussicht, den selbst entworfenen Traumwagen in Serie gehen zu sehen, offenbar besonders motivierend aus: Laut LM gingen 35 000 (!) Designskizzen von 2900 Community-Mitgliedern aus 100 Ländern ein – wohl auch wegen dem ungewöhnlichen Konzept des Autos. Denn Rogers war klar, dass er für internationale Beachtung einen extremen Eyecatcher brauchte. Weil sich mit coolen Fahrzeugen immer Geld verdienen lässt und in den USA viele leistungsstarke V8-Motoren verfügbar sind, hatte der Ex-Marine das Lastenheft entsprechend definiert: Ein potenter Renn-Buggy sollte es werden, denn Sand gibt es weltweit mehr als genug. Per Online-Abstimmung gewann schliesslich das Karosseriestyling des bis dato unbekannten Südkoreaners Sangho Kim. Ihm gelang es, Kraft und Bewegung schon im Stand sichtbar zu machen – das Auto besitzt eine starke physische Präsenz und wirkt wie eine Mischung aus Corvette und Panzerspähwagen. Details anderer Stylisten unterstreichen diesen Eindruck: Die seitlichen Entlüftungen entsprechen einem Entwurf von Raphaël Laurent, die Unterbodenschutzplatte verantwortet Anthony Franze. Das hochbeinige Rallye-Coupé trat bereits in Jay Lenos TV-Garage auf, hat beim Kino-Blockbuster «Transformers 4» mitgespielt und würde ohne weiteres in die nächste «Mad Max»-Verfilmung passen. Kim jedenfalls konnte sich vor Jobangeboten kaum retten und arbeitet heute als Designer bei General Motors.


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Das Strickmuster des Wüstenrennwagens ist weit weniger spektakulär, aber äusserst wirkungsvoll. Sein Rückgrat bildet ein bereits sehr steifer Gitterrohrrahmen, der für Wettbewerbsfahrzeuge noch weiter verstärkt werden kann. Der Antrieb, ein 6,2-L-V8 von General Motors, generiert mindestens 430 PS und 575 Nm: Er ist in Front-Mittelmotor-Manier weit hinter der Vorderachse verbaut und mit einem Tremec-Automatikgetriebe verblockt, das mit vier, fünf oder sechs Gangstufen verfügbar ist. Geschaltet wird per Wahlhebel oder Lenkrad-Paddel, und da dieses Auto meist hochtourig in kürzeren Gängen geführt wird, brauchen wir über den Verbrauch – der Tank fasst über 100 Liter – gar nicht erst zu reden. Angetrieben wird der Rally Fighter ausschliesslich über die im Durchmesser 84 Zentimeter grossen, auf 17-Zoll-Felgen montierten Hinterräder, was manche erstaunen mag. Tatsächlich sind viele Sand-Buggys mit RWD unterwegs; die Wahl der Reifen, Bodenfreiheit, Federwege (sie betragen beeindruckende 46 cm vorne und 51 cm hinten), Gewichtsverteilung und eine passende Differentialsperre sind die Schlüssel für optimales Durchkommen. Entsprechend individuell lässt sich der LM spezifizieren – sind ab Werk bereits zwei Dämpfer pro Rad vorgesehen, werden bei Raid-Autos auch dreifache Federbeine implantiert. Das ist auch der Grund, weshalb wir hier auf allgemeine technische Daten verzichten – kein Rally Fighter ist wie der andere. Bezüglich der äusserlich sichtbaren Teile kommt nur wenig von anderen Herstellern. So hat man die Rückleuchten und Türgriffe einem Honda Civic entnommen, während die modifizierten Aussenspiegel ursprünglich vom Ford F150 stammen. Alles andere inklusive der Verglasung wird extra angefertigt. Ein Rally Fighter ist grundsätzlich dunkelgrau und wird nicht lackiert; die gewünschte Farbe oder Deko wird mittels Folierung aufgebracht. In einen Rally Fighter steigt man nicht ein, sondern auf. Und findet sich Kit-Car-üblich in einem Potpourri aus Grossserien- und Zubehörteilen wieder. So stammt der Instrumenten-Cluster von Ford, weist aber immerhin LM-Logos auf den Zifferblättern auf. Zusätzliche Uhren befinden sich an der A-Säule. Die Lederbezüge der optionalen Recaro-Schalensitze sind handvernäht und entsprechen weitgehend jener Qualität, die man von US-Grossserienherstellern gewohnt ist. In der zweiten Reihe befinden sich standardmässig eine Rückbank mit zwei Notsitzen und dahinter ein brauchbarer Kofferraum – falls man den Heckträger für das Reserverad bestellt hat. Für das Interieur-Design zeichnet der Rumäne Mihai Panaitescu verantwortlich. An die Funktionalität sollten Fighter-Piloten keine allzu hohen Erwartungen stellen. Das fängt mit einer ungünstigen Ergonomie an – die Pedale sitzen zu tief, der Sitz ist zu hoch, das Lenkrad steht zu nah und alles ist nicht ausreichend verstellbar –, geht über die schlechte Ablesbarkeit der Instrumente, eine beim Blick voraus ungünstig breite A-Säule und endet wahlweise beim schwergängigen Automatikwahlhebel oder dem nicht vorhandenen Handschuhfach. Man mag auch «Männerauto» sagen; eine AC Cobra ist ähnlich unbequem. Die Platzverhältnisse sind okay, die Rundumsicht ist eher bescheiden: Hoch ragt die Motor­haube vor der zu schmalen Windschutzscheibe auf; LM bietet wohlweislich eine Rückfahrkamera und einen Bildschirm mit 360°-Rundumsicht an. Ein Schlüsseldreh weckt den Motor auf – der sofort alles in Grund und Boden brüllt: Bei unserer Ausfahrt ist Chassis 097 noch FRÜHLING 2015 043


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ohne zweiflutige Auspuffanlage unterwegs. Im Bug steckt die bisher stärkste Ausbaustufe jenes E-Rod-LS3-V8 mit 6,8 Liter Hubraum, die dank Edelbrock-Behandlung inklusive Eaton-Kompressor satte 720 Pferde sowie 942 Nm auf die Hinterachse steckt und die Fuhre in aberwitzigem Tempo zu beschleunigen versteht: LM gibt eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von über 280 km/h an, hat es aber noch nicht versucht. Ich wuchte den Wahlhebel in der aus dem Vollen gefrästen Schaltkulisse von P auf D und wir setzen uns wieder in Bewegung, während draussen einmal mehr gewunken wird: Das aggressiv-imposante Will-haben-Design verfehlt seine Wirkung nicht. Schliesslich soll der Rally Fighter Geld verdienen, und das tut er auch. Seit 2010 wurden eben knapp 100  Einheiten produziert und vorrangig an US-Kunden verkauft, das Basismodell kostet rund 100 000 Dollar. In Europa sind bisher nur drei Exemplare unterwegs – eines in Polen und zwei in Deutschland. Diese Probefahrt ist also recht exklusiv. Auf den ersten Meilen gehe ich es sachte an, fasse aber bald Vertrauen in das Ungetüm: Der Rally Fighter bietet auch bei widrigen Witterungsverhältnissen viel Traktion und will mit dem Gasfuss in den Drift gezwungen werden. Das geht fast immer, auch auf dem Freeway: Als ich bei Meilentempo 75 aka 120 Stundenkilometer etwas zu forsch aufs Gas trete, setzt die Hinterachse zum Überholen an. Schnelles hartes Bremsen erfordert Konzentration, denn die Pizza-grossen Scheiben packen zwar herzhaft, aber schlecht dosierbar zu. Und weil die Lenkungspräzision mit der eines Motorboots vergleichbar ist, will bei höheren Tempi vorausschauend agiert werden. Dazu kommt ein noch akzeptables Gewicht von 1770 Kilogramm, das sich aber in Verbindung mit dem relativ hohen Schwerpunkt und der weich abgestimmten Federung nicht unbedingt positiv auf das Lenkverhalten auswirkt. Zwar kann man die Dämpfer im Stand manuell verstellen, eine Justierung während der Fahrt wäre jedoch das Nonplusultra.

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Dafür ist das 4,80 Meter lange, 2,06 Meter breite und bis zu 1,76 Meter hohe Auto erfreulich klapperfrei, wenn man vom knirschenden, weil lose im Kofferraum liegenden Reserverad absieht. «Es ist ein Kundenauto in der Endmontage», entschuldigt sich mein Begleiter Patrick Morgan, der bei LM unter anderem für Verkauf und Service zuständig ist – kein Problem. Denn nicht nur für Zuschauer, sondern auch für mich gehört der Rally Fighter ab sofort zu den unvergesslichsten Autos, die ich je bewegt habe – und in einem grossen Sandkasten gerne nochmals fahren möchte. Maximal 2000 Rally Fighter werde man bauen, fügt er hinzu, und Anfragen kämen nicht nur aus dem Raid-Sport. Das verwundert kaum: In Beverly Hills oder Manhattan, wo jeder, der gesehen werden möchte, früher Hummer fuhr, garantiert der Rally Fighter den ultimativen Auftritt. Wer es noch auffälliger wünscht, muss schon mit einem Heli­kopter kommen. Oder mit dem noch extremeren, Fighterbasierten XC2V, einem für das Militär entwickelten Einzelstück. Abschliessendes Fazit: Auf festen Strassen lässt das HardcoreCoupé jenen Grad an Abstimmung vermissen, den man von einem derartigen Performance-Fahrzeug erwarten darf. Deshalb nochmals zur Erinnerung: Für lange Autobahnetappen, kurvenreiche Rundstrecken oder Burnouts auf der Quartermile ist das Auto nicht gemacht. Seine Stärken spielt der Rally Fighter – sein Name sagt’s ja schon – auf losem Untergrund aus. Bei der legendären Baja California 1000 führte das von LM-Mitarbeitern pilotierte Auto im Jahr 2013 unangefochten, bis es sich fünf Meilen vor dem Ziel in einer schlecht einsehbaren Senke überschlug – und immerhin noch Vierter wurde. Doch Jay Rogers gibt nicht so schnell auf; nächsten November will Local Motors erneut in Mexiko antreten. Vollgas ohne Ampeln oder Gegenverkehr – eine himmlische Vorstellung. Und ich bin versucht, mich als Fahrer zu bewerben.


Die Federwege betragen Ăźppige 46 Zentimeter vorne und sogar 51 an der Hinterachse. Der Rally Fighter kann sie gut gebrauchen

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«ES KANN FLIEGEN!»

Unmissverständlich: ein Auto. Aber nicht irgendeines. Wenn Kinder zeichnen, gibt es meist auch eine Geschichte dazu. Oft handelt es sich um ein Auto, das mit Erinnerungen verknüpft ist. Oder Erwartungen. Oder Gefühlen wie Geborgenheit, dem Drang nach Freiheit und Abenteuer. Dieses Bild entstand unmittelbar vor den Ferien; das Auto hat viel Platz und, so wurde uns erklärt, auch einen Dachgepäckträger für alle Spielsachen. Sieht man doch. Ja, «Auto» gehört zu den Wörtern, die Kinder zuerst aussprechen können. Und sie kommen dann auch regelmässig in ihren Bildern vor, entwickeln sich weiter. Erlebte Realität mischt sich mit Fantasie und es entsteht – ein Auto-Traum. Vielleicht wären viele grosse Menschen entspannter unterwegs, wenn Entwickler das bauen würden, was ihre Kinder zu Papier bringen. hh

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ABGEFAHREN


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GESTATTEN, HIER KOMMT EIN BUS: MERCEDES HAT DEN VIANO RENOVIERT UND NENNT IHN JETZT WIEDER V-KLASSE. DIE IST VARIANTENREICH WIE NIE ZUVOR; UNTER ANDEREM WERDEN ZWEI RADSTÄNDE UND DREI LÄNGEN ANGEBOTEN. LEIDER VERFOLGTEN WIR MIT HECKANTRIEB EINE VÖLLIG FALSCHE FÄHRTE Text Hubertus Hoslin · Fotos map

W

enn es bei Mercedes um komfortablen Platz geht, ist nicht die S-, sondern die V-Klasse das Mass der Dinge. Um den Umstand und das Modell besser zu erklären, erlauben wir uns, an dieser Stelle erst von einigen anderen Autos zu sprechen. Zunächst waren da zwei Mercedes-Modelle, die Viano und Vito hiessen. Ob Letzteres damals für Vittorio oder vielleicht Victor stand, konnte nie geklärt werden. Denn darunter rangierte bis vor zehn Jahren noch ein Vaneo, und alle diese Bezeichnungen waren Einfälle der Marketingabteilung, die diesen Nutzfahrzeugen mehr Lifestyle einhauchen und sie vom vorrangig frugalen Wettbewerb abgrenzen wollte. Dass sich mit Grossraummobilen auch prima Geld verdienen lässt, weiss die Branche spätestens seit dem Volkswagen Typ 2: 1950 lanciert und als «Bulli» weltbekannt geworden, transportierte er nicht nur Hippies, sondern ein Lebensgefühl, das bis heute Kind, Kegel und die ganze weite Welt beinhaltet. 1967 folgte die Serie T2, aktuell sind wir beim T5 (seit 2003) und im Sommer kommt das überarbeitete Modell T6. Die Baureihe ist in diesem Segment nicht nur Benchmark, sondern zählt mit Grundpreisen bis zu 76 000 Franken auch zu den teuersten

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EIN AUTO FÜR FAST ALLES

Volkswagen, die man kaufen kann. Auch Ford (Transit) oder Opel (zuletzt Vivaro) brachten Ähnliches, aber nichts Gleichwertiges auf den Markt. Damit schliesst sich der Kreis zu Mercedes: Die Stuttgarter, seit den späten 1990er-Jahren von dem Wunsch beseelt, das Modellprogramm bis in die kleinsten Lücken hinein auszudehnen, brachten damals die eingangs erwähnten Viano und Vito in Position. Erster war als Bulli-Alternative gedacht, der zweite – nackt und bloss – als Handwerkers Liebling. Im Zuge einer klareren Modell-Nomenklatura wurde dann vor einem Jahr die innen wie aussen gründlich überarbeitete neue V-Klasse vorgestellt. Platz ist ihr Programm, ihre Daseinsberechtigung. Denn «der Mercedes unter den Grossraumlimousinen» (Werkcode W447) kann sich den Bedürfnissen seines Besitzers hervorragend anpassen. Angeboten werden zwei Radstände und drei Karosserie­ längen; wir bewegen hier die mittlere Ausführung. Und die ist mit getönten Scheiben, Sportfahrwerk, Alufelgen und dezentem Chromschmuck sofort als Luxusliner erkennbar. Die Rede ist von einer Avantgarde-Version; unser Testwagen kostet über 90 000 Franken und ist reichhaltig ausstaffiert wie ein Raumschiff für den monatelangen Flug zum Mars. Zum teils serienmässigen, teils aufpreispflichtigen Verwöhnprogramm gehören


Sitzwärmer und -belüftung, Standheizung mit Fernbedienung, elektrische Schiebetüren und Heckklappe, kühn geschwungene Zierblenden in Holz-Optik, verschiedenfarbige AmbienteBeleuchtungen, Sprachsteuerung, Bluetooth-Verbindung, natürlich Internet, Burmester-Sound oder eine zig-Zonen-Klimaanlage: Die Informationsflut und Einstellmöglichkeiten sind so vielfältig, dass man anfänglich leicht vom Verkehr abgelenkt werden kann – vor allem wegen der recht komplexen Bedienung. Das ESP beispielsweise will in einem Untermenü abgeschaltet und wieder aktiviert werden, während man auf Telefon, Radio oder Navigation gleich dreifach zugreifen kann – am Lenkrad über das Multifunktionsdisplay zwischen den Instrumenten, über Tasten unterhalb des zentral angeordneten 8,5-Zoll-Bildschirms oder mit dem grossen Stellknopf des Comand-Systems. Das ist aber eine Frage der Übung; nach ein paar Tagen geschieht fast alles intuitiv und auch die Gestensteuerung via Touchpad geht einem dann flott von der Hand. Grosszügige Staufächer schlucken diverse Utensilien. Sehr praktisch ist eine Ablage mit eingebauten Einkaufskörben, die sich direkt hinter der erstmals getrennt zu öffnenden Heckscheibe verbirgt. Die Verarbeitung ist insgesamt gut, aber nicht ganz auf Pw-Niveau. Wenn man die Stereoanlage aufdreht und

es hinten aus den Seitenverkleidungen wummert, kann die V-Klasse ihre Herkunft nicht ganz verleugnen. Zu der gehören offenbar auch reflektierende Instrumente, aber es ist nicht so schlimm. Die Vordersitze entschädigen mit elektrischer Verstellung in den Türen; sogar die Kopfstützen lassen sich von dort aus justieren. Dagegen sind die Komfortsitze im Fond nicht neigungsverstellbar; lediglich ihre Lehnen können nach vorne geklappt werden. Über 1,3 Meter Innenhöhe sind natürlich ein Wort, wobei Mercedes zwar das Kofferraumvolumen, aber nicht den möglichen Gesamtstauraum beziffert, wenn das Gestühl ausgebaut ist (beim Vito sind das über sechs Kubikmeter). Und genau für diesen Vorgang gibt es den ersten wesentlichen Punkt­abzug – denn das hohe Gewicht der jeweils mit Gurtanlage bestückten Einzelsessel lässt bei deren Entfernen oder Zurückwuchten selbst gestandene Mannsbilder ins Schwitzen geraten. Dazu kommt ein fummeliges Schienensystem, dessen Verankerungen links wie rechts verrutschen können – das Einfädeln der Sitzhaken, die dabei nicht verkanten dürfen, artet so zum Geduldspiel aus. Auch Verzurr-Ösen zum Fixieren schwerer Gegenstände finden wir nicht. Keine Klagen gibt es beim Motor. Zur Wahl steht derzeit nur ein 2,2-L-Vierzylinder-Diesel, der bereits in vielen Konzernmodellen

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Unendliche Weiten: Die V-Klasse bringt Platz dorthin, wo immer man ihn braucht und haben will – allerdings nur, solange es auch ein Allradmodell ist



zum Einsatz kommt und in der V-Klasse in drei Leistungsstufen mit 136, 163 oder 190 PS angeboten wird. Wir bewegen das Topmodell mit Lenkradschaltung und -Paddeln, dessen Selbstzünder manchmal etwas laut agiert. Davon abgesehen ist man bestens bedient: Das Aggregat liefert schon im niedertourigen Bereich viel Drehmoment und hält sich beim Verbrauch angenehm zurück: Mit durchschnittlich acht Liter Verbrauch werden wir die Werkangaben zwar nicht erreichen, aber sieben Liter liegen fast immer drin – und das mit einem Auto, dessen Tacho bis 260 km/h reicht! Die Kraftübertragung erfolgt serienmässig via Siebenstufenautomatik, die bei den kleineren Modellen optional erhältlich ist und auf Wunsch über ein Fahrdynamikprogramm namens «Agility Select» verfügt: Neben «Eco» und «Comfort» kann man «Sport» oder «Manuell» wählen; die Elektronik passt Gasannahme sowie Schaltpunkte entsprechend an und Mercedes erwähnt stolz, dass es das bei keinem anderen Fahrzeug dieses Segments gibt.

Viel Power, dazu reichlich Platz und eine gehobene Ausstattung – die V-Klasse ist ein Verführer

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Fahrdynamisch fühlt sich die V-Klasse gar nicht nach Bus an – sondern wie ein grosser Kombi. Das Auto beschleunigt sehr zügig, es lenkt sich auch agil und bietet gute Bremsen. Überhaupt ist man schlagartig «King of the Road» und nicht nur auf Augenhöhe mit sämtlichen Kurierdiensten. Sondern dank der erhabenen Sitzposition mit bestem Überblick gleich auch viel entspannter unterwegs. Leider lassen sich nur die vorderen Seitenfenster öffnen. Dafür ist ein Sicherheitsprogramm verfügbar, das nicht nur in dieser Fahrzeugklasse seinesgleichen sucht. Die V-Klasse holte fünf Sterne beim EuroNCAP-Crashtest und hat optional diverse Assistenzsysteme wie Tote-WinkelAssistent, Abstandstempomat, Müdigkeitssensor, Seitenwindassistent oder eine 360°-Kamera an Bord. Bereits serienmässig


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Komfort-Aroma im Transporter-Format: Diesen Widerspruch aufzulösen, schafft das V-Modell überzeugend

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sind neben ABS und Antriebsschlupfregelung auch ein Brems­ assistent und ein adaptives ESP mit erweiterten Funktionen, zu denen auch eine Berganfahrhilfe zählt. Trotzdem ist Vorsicht angesagt – vor allem dann, wenn die V-Klasse leer ist. Denn die ungute Mischung Frontmotor-Kopflastigkeit-Heckantrieb hat Folgen für die Traktion: Unbeladen kommt der 2,1-Tonner auf weichem Untergrund wie Schnee oder Matsch schnell an seine Grenzen; schon bei leichtem Gefälle geht dann im Zweifel gar nichts mehr – wir haben es erlebt. Um dann ans Bordwerkzeug mit dem laut Handbuch dort befindlichen einschraubbaren Abschlepphaken zu kommen, muss man fast das halbe Auto zerlegen. Kurz: Wer etwas abseits geteerter Strassen wohnt, sollte deshalb gleich die seit Ende Januar verfügbare, 4780 Franken teurere 4matic-Variante ordern. Das Geld ist sehr gut investiert, denn nur dann ist die V-Klasse wirklich ganzjahrestauglich. Und ein Auto, das kraft seines Raum­ angebots und der möglichen Ausstattung zu den Verführern gerechnet werden muss.

TECHNISCHE DATEN MERCEDES V250 BLUETEC Konzept Grossraum-Luxuslimousine auf Transporter-Basis; fünf Türen, 4–8 Sitzplätze, selbsttragende Stahlkarosserie, elektromech. Servolenkung, Fahrwerk vorne McPherson, hinten Schräglenkerachse. Scheibenbremsen rundum, Heckantrieb oder Allrad (Option) Motor Code OM651 DE 22 LA. Reihenvierzylinder-Turbodiesel Alu-Zylinderkopf, 4 Vent./Zyl., 2 oben liegende Nockenwellen, Common-RailDirekteinspritzung, 2 Turbolader, 1 Ladeluftkühler, Stopp-Start-System Hubraum in cm3

2143

Bohrung x Hub in mm

83 x 99

Verdichtung

16,2:1

Leistung in PS (kW) @ U/min

190 (140) @ 3800

Max. Drehmoment in Nm @ U/min

440 @ 1400–2400

Kraftübertragung

A7

Abmessungen (L/B/H) in cm

514/193/188

Radstand in cm

320

Spur vorne/hinten in cm

166,5/164,5

Reifen und Räder

225/55 R17 auf 7,5J

Tankinhalt in L

57

Kofferraumvolumen in L

1030

Leergewicht (ohne Fahrer) in kg

2070

Zulässiges Gesamtgewicht in kg

3050

Leistungsgewicht in kg/ PS

10,9

0 – 100 km/h in Sek.

9,1

Höchstgeschwindigkeit in km / h

206

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km

6,0

CO ²-Emission in g/km

157

Energieeffizienzkategorie

C

Preis** ab CHF

70 400.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus ** kurze Version: 69 400.–; extralange Version: 71 400.–

058 VECTURA #14



FAHRTENBUCH

APPS STATT PS NUR IN DIE CO2-VERMEIDUNG STECKT DIE AUTOMOBILINDUSTRIE MEHR GELD ALS IN VERNETZUNG, INFOTAINMENT UND FAHRERASSISTENZSYSTEME. ES GEHT UM DIE FRAGE, WAS KUNDEN KÜNFTIG WÜNSCHEN UND WO DAS AUTO DER ZUKUNFT ENTSTEHT: IN STUTTGART, MÜNCHEN, COVENTRY, WOLFSBURG – ODER IM SILICON VALLEY

«

Drei Jahre entwickeln wir ein neues Auto, fünf Jahre produzieren wir es und zehn Jahre fährt es dann auf der Strasse», beschreibt Wolfgang Ziebart, Vorstand Technik bei Jaguar Land Rover und ehemaliger Vorstandschef von Infineon, das Dilemma der Autoindustrie. Es sei doch klar, so Ziebart, dass keine noch so intelligente Infotainment-Entwicklung so lange aktuell bleiben könne. In der gleichen Zeit gäbe es ein Dutzend neuer Smartphone-Generationen. Die Lösung, die der britische Traditionshersteller für dieses Problem gefunden hat, wird mittlerweile von nahezu allen Autoherstellern geteilt: Statt den Kunden teure Infotainment-Einbauten zu verkaufen, die mit GPS-Navigation, grossem Bildschirm und Digitalradio bei Klein- und Kompaktwagen leicht 10 bis 20 Prozent des Fahrzeugpreises ausmachen können, wird das Smartphone des Fahrers an den Bildschirm in der Mittelkonsole angeschlossen. Dort kann der Kunde dann alle Apps nutzen, «die den Fahrer nicht ablenken und von uns freigegeben sind», sagt Ziebart. «Wir stellen im Fahrzeug nur die Funktionen dar, die dort sein müssen, wenn kein Smartphone an Bord ist.» Mit den Incontrol-Apps des Smartphones lässt sich navigieren oder Musik hören, man kann Termine und Nachrichten abrufen oder Hotels buchen. Auf der anderen Seite weiss das Mobiltelefon durch die Verbindung zum Auto immer, wo sich dieses gerade befindet, ob es abgeschlossen ist und wie weit die Tankfüllung noch reicht. Diese Lösung erscheint der Autobranche als Königsweg zur Update-fähigen, effizienten Vernetzung.

Auch Volkswagen, Mercedes, BMW und Audi folgen der Strategie, das Smartphone einzubinden. Die Industrie hat erkannt, dass die Auto-Vernetzung neue Geschäftsmodellen verlangt: Das Angebot sündhaft teurer Infotainment-Lösungen, die dann weniger können als jedes iPhone oder Android-Handy und nach kurzer Zeit veraltet sind, ist nicht mehr zukunftsfähig. Hat die Automobilindustrie, haben die Hersteller und ihre klassischen Zulieferer damit vor neuen Branchenplayern wie Apple, Google, Microsoft und Amazon kapituliert? Liefern die einstmals stolzen Autobauer künftig nur noch fahrende Online-Plattformen, auf denen dann andere lukrative Geschäftsmodelle entwickeln? Werden namhafte Automarken bald zu Lieferanten der IT-Branche? Lässt Google sein autonomes Auto, das gefeierte Google Car, extern bei einem etablierten Automobilproduzenten herstellen so wie heute Apple sein iPhone bei dem chinesischen IT-Konzern Foxconn? Finden Software-Spezialisten jetzt ihre künftige Rolle als Hersteller – oder als Systempartner der grossen Autokonzerne? Diese Schicksalsfragen der Automobilbranche entscheiden sich gerade. «Die Hoheit über die Betriebssysteme im Auto hat allein der Hersteller. Und das wird auch in Zukunft so bleiben», sagt Audi-Chef 060 VECTURA #14

Rupert Stadler. Auch die Daten, die ein Auto generiert, will die Industrie schützen wie einen Schatz. Wie der zu heben und zu nutzen ist, darüber hat die Diskussion gerade erst begonnen. Sie könnte das Gesicht der Autobranche nachhaltig verändern. Audi arbeitet zwar mit Google zusammen, zum Beispiel bei der Navigation, zieht aber eine rote Linie in der Fahrzeug-IT. Dort, wo vitale Bereiche wie Lenkung, Bremsen und Antrieb gesteuert werden, soll kein Aussenstehender hinein. Da sind sich die Autohersteller einig. Und sie investieren Riesensummen, damit das so bleibt: Allein die deutsche Autoindustrie steckt in zwei Jahren 16 bis 18 Milliarden Euro in das Thema Vernetzung – es wird erwartet, dass bereits 2016 ganze 80 Prozent aller Neuwagen ständig mit dem Internet in Verbindung stehen. Und dass die Qualität dieser Vernetzung ein immer stärkeres Kaufargument ist. Ab 2018, wenn alle Neuwagen in Europa das automatische Notrufsystem e-Call an Bord haben müssen, schnellt die Vernetzungs-Quote dann auf 100 Prozent. Um das Wettrennen mit dem Silicon Valley bestehen zu können, werden nicht nur in Stuttgart, München und Wolfsburg, sondern auch in Detroit, Paris oder Coventry fieberhaft neue Angebote für die Kunden entwickelt. Welche das sein könnten, verrät Ulrich Eichhorn, technischer Geschäftsführer des VDA: «Zum Beispiel könnte ein Auto bei der Fahrt durch die Stadt freie Parkplätze erkennen und diese Information anderen Fahrzeugen zur Verfügung stellen.» 30 Prozent des Innenstadtverkehrs werden durch die Parkplatzsuche verursacht, so Eichhorn. Ein System, das einem Fahrer den nächsten freien Parkplatz anzeigt, könne viel von diesem unnötigen Verkehr vermeiden. «Ein grosser Autohersteller könnte diese Information zunächst nur seinen Kunden zur Verfügung stellen.» Oder sie gegen eine Gebühr an Dritte verkaufen.

Sicherer Schutz gegen Hackerangriffe ist für das autonom fahrende Auto eine unabdingbare Voraussetzung Solche Möglichkeiten sind es, die die Branche derzeit elektrisieren. Aber auch Dienstleister wie die Versicherungsbranche wittern neue Modelle: «Pay as you drive»-Tarife lassen Autofahrer nur noch für die tatsächlich gefahrenen Strecken bezahlen. Da sich so theoretisch auch Fahrverhalten und Aufenthaltsorte überwachen lassen, werden derartige Pläne von Datenschützern argwöhnisch beobachtet. «Wir werden zunächst in einem Feldversuch testen, welche Datenmengen dabei entstehen und wie wir diese nutzen können», so ein Versicherungsmitarbeiter. Das Thema sei sehr heikel, deshalb wolle man damit zunächst noch nicht in die Öffentlichkeit. 2007 hatte der Anbieter eines solchen Systems bereits den «Big Brother Award» bekommen. Seither ist die Versicherungsbranche vorsichtig. Wem die Daten gehören, die ein vernetztes Fahrzeug im Internet hinterlässt, ist eine der Kernfragen der Diskussion. Kritik lässt sich nach Meinung der Branche vor allem dann entkräften, wenn es um die Verkehrssicherheit und den Umweltschutz geht: Nach Berechnungen der renommierten RWTH Aachen könnte ein besserer Verkehrsfluss 30 Prozent des CO2-Ausstosses auf der Strasse vermeiden. Ähnlich hoch schätzen Wissenschaftler das Potential bei der Unfallvermeidung allein durch Verkehrszeichen-Erkennung ein, die den Fahrer zum Beispiel vor unangepasster Geschwindigkeit warnt.


Auch für ihn ist eine klare Trennung zwischen Infotainment und den sicherheitsrelevanten Bereichen eines Autos notwendig: «50 Hacker­ angriffe pro Minute haben wir getrackt.» Es könne nicht sein, dass der Fahrer eine Vollbremsung einleiten wolle, die IT-Architektur des Autos aber zunächst checken müsse, ob der Befehl auch echt ist. Autos dürften nicht Opfer von Hackerangriffen werden, schon gar nicht dort, wo es um die Fahrzeugsicherheit gehe: «Schon morgen könnten Hacker damit drohen, Fahrzeuge auf den Strassen Vollbremsungen machen zu lassen. Dieses Szenario ist real», so Saße. Der Tesla S, das erfolgreiche Elektroauto aus den USA, ist bereits von Hackern geknackt worden. Sie konnten über das schlüssellose Einstiegssystem und die mobile App in das Auto eindringen, Türen öffnen, Hupe und Licht betätigen. Der sichere Schutz gegen Hackerangriffe ist vor allem für das auto­ nom fahrende Auto, an dem die Hersteller und ihre Zulieferer fieber­ haft arbeiten, eine unabdingbare Voraussetzung. Das ist einer der Gründe, weshalb in der Branche nicht wenige das «RoboterTaxi» – eine selbstfahrende Maschine, die den Passagier an jeden gewünschten Ort bringt – für ein Produkt der fernen Zukunft halten. Auch wenn Mercedes auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas Anfang 2015 eine Fahrzeugstudie vorgestellt hat, in der sich die Sitze um 360 Grad drehen lassen, damit sich die Insassen gegenübersitzen können, während das Auto selbständig durch den Verkehr steuert, mag in Stuttgart niemand einen Starttermin für eine solche Technologie nennen. BMW-Boss Norbert Reithofer ist da genauso zurückhaltend wie VW-Chef Martin Winterkorn: Zum einen sind die Haftungsfragen ungeklärt: Wer zahlt, wenn ein autonomes Auto einen Unfall verursacht, der Nutzer oder der Hersteller? Zum anderen sind die technologischen Hürden längst nicht überwunden. Reithofer, Winterkorn und Daimler-Chef Dieter Zetsche sind sich einig: Beim pilotierten Fahren darf kein Fehler passieren. Qualität der Entwicklung geht vor Geschwindigkeit: Die Flaggschiffe ihrer Konzerne, Mercedes S-Klasse, Audi A8 und BMW 7er, können in der nächsten Generation zwar schon vieles autonom, aber vom Roboter-Auto sind sie deshalb noch ein gutes Stück entfernt. Denn bei der Entwicklung zum autonomen Fahren ist für die Hersteller, Zulieferer und Dienstleister der Weg das Ziel: Schon heute können Autos im Stop-and-go-Verkehr selbsttätig anfahren, bremsen und die Spur halten. Vor der Serienreife stehen Systeme, die sie führerlos in einem Parkhaus einparken lassen. Der Fahrer steigt vor dem Flughafenterminal aus, den Rest macht sein Wagen allein. «Das ist bald schon keine Zukunftsmusik mehr», verrät VDA-Ingenieur Eichhorn. Das meiste, was es dazu braucht – Kameras, Radar, Ultraschall –, haben moderne Autos längst an Bord. Hinzu kommen Laser-Sensoren für eine noch effektivere Umgebungs-Erkennung. Zudem erstellen so ausgestattete Fahrzeuge eine digitale Karte des Parkhauses, die ständig aktualisiert wird und allen Autos zur Verfügung steht, die an das System angeschlossen sind. Wie das funktionieren kann, hat BMW mit einem i3-Prototyp vorgeführt. Das sind keine guten Aussichten für die Jungs vom «Valet Parking». Aber das Beispiel zeigt, wie durch intelligente Vernetzung grös­sten­-

teils vorhandener Technik neue Geschäftsmodelle entstehen können. Die auf Getriebe und Fahrwerke spezialisierte ZF Friedrichshafen übernimmt für 9,5 Milliarden Euro den US-Zulieferer TRW, weil der vor allem im Elektronikbereich stark ist und Systeme entwickelt, die für das autonome Fahren gebraucht werden – vorausschauende Kollisionswarnung, Radar- und Kamera-Erfassung der Auto-Umgebung, Spurhalteassistenten. Immer mehr solcher Assistenzsysteme nehmen Autofahrern Arbeit ab, wenn es um Themen wie Sicherheit und Komfort geht, neben dem Einparken auch die Notbremsung vor einem Stauende oder das Ausweichen vor einem auf die Strasse laufenden Fussgänger. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag von Autoscout24 unter 8800 europäischen Fahrern sind das auch die meistgewünschten Funktionen vernetzter Autos: «Gefahrerkennung und aktives Eingreifen» (82,1 Prozent), die Notruffunktion e-Call (81,9 Prozent) und eine intelligente Stauvermeidung (77,3 Prozent). Hier können vernetzte Autos noch ungeahnte Fä­ hig­keiten entwickeln: «Wenn es uns gelingt, nur zehn Prozent der Fahrzeuge aus einem möglichen Stau herauszuhalten, indem wir sie vorher umleiten, entsteht erst gar kein Stau», sagt Eichhorn: Stauerkennung würde zur Stauvermeidung. Da die Autohersteller neben diesen noch viele weitere Themen bearbeiten, hoffen sie auf die Unterstützung der ungezählten Software-Entwickler, die rund um den Globus und rund um die Uhr an neuen Applikationen arbeiten. «Mit den tausenden von Programmierern können wir niemals mithalten», sagt Jaguar-Chefentwickler Ziebart. «Den Autoherstellern muss es gelingen, die Gemeinschaft der App-Entwickler für sich zu gewinnen. Das ist entscheidend für den Erfolg.» Und das sei – neben der Update-Fähigkeit – ein weiteres Argument für ein offenes, Smartphone-basiertes System. Ein Argument, das auch T-Systems-Manager Saße unterstützt: «Die Autohersteller müssen Antworten finden für die Masse der Verkehrsteilnehmer, die ihr Auto über ihr Smartphone mit Fahrerassistenzsystemen ausstatten wollen.» Voraussetzung ist dabei eine stabile Internet-Verbindung im Auto. Hier hat die Telekom bereits eine Nachrüstlösung im Angebot: «Moving Hotspot», eine nachträglich ins Auto verbaute Black Box, kann bis zu acht Endgeräte stabil mit dem schnellen Internet (LTE) verbinden. Das World Wide Web hat inzwischen auch Schweizer Autos erreicht, wo bestimmte Inhalte in der Vergangenheit nicht immer verfügbar waren. So gab es beispielsweise Einschränkungen in der Suchfunktion und Empfangsprobleme in den Bergen. Jaguar Land Rover sucht derzeit einen Schweizer Provider, um hier die gleichen Angebote machen zu können wie im Rest Europas – damit die Vernetzung des Automobils auch an den Alpen nicht Halt macht.

Guido Reinking (51) begleitet als Journalist die Autoindustrie seit zwei Jahrzehnten. Zuletzt war er neun Jahre lang Chefredaktor der Fachzeitschrift «Automobilwoche» Foto Stephan Sahm

Damit nicht nur Neuwagen in den Genuss solcher Technologien kommen, verlangt Jörg Saße, Vice President «Vernetztes Fahrzeug» bei T-Systems, zudem Nachrüstlösungen: «Hersteller müssen Antworten dafür finden, Autos auch nachträglich zu vernetzen.» Dafür komme eigentlich nur das Smartphone infrage: «Das Auto», so Saße, «wird ein Mobile Device», ein Smartphone auf Rädern.

FRÜHLING 2015 061


VOLLE BREITSEITE MIT EINER NEUEN VIERTEN BAUREIHE NAMENS XE BLÄST JAGUAR ZUM ANGRIFF AUF DIE HEISS UMKÄMPFTE UNTERE MITTELKLASSE Text Benjiamin Albertalli · Fotos Patrick Gosling

062 VECTURA #14


FAHRTERMIN

J

aguar, diese feine englische Tochter des indischen TataKonzerns, surft derzeit auf einer Woge des Erfolgs. 2014 konnte die Marke international um sechs Prozent zulegen, zudem gewinnen Jaguar-Modelle aktuell und weltweit einen Publikumspreis nach dem anderen. Keine Frage: Das auch geografisch zwischen teutonischen und US-amerikanischen Fabrikaten angesiedelte Portfolio bietet das gewisse Etwas, doch Jaguar muss raus aus den edlen Nischen und wachsen, um die kritische Grösse zu überwinden. Das wird bis 2016 mit zwei wichtigen Neuheiten geschehen – dem ersten SUV des Hauses (er wird F-Pace heissen) und einer Kompakt-Limousine unterhalb des XF. Dieser Viertürer nennt sich XE, kommt im Juni in die Schweiz und soll in der volumenstarken unteren Mittelklasse gegen namhafte Konkurrenten punkten. Mit dem zwischen 2001 und 09 gebauten X-Type, den nicht wenige als den Tiefpunkt der Markengeschichte bezeichnen, hat der XE neben der Zielgruppe nur einen Buchstaben gemeinsam: Der Ford Mondeo im Abendkleid bleibt also blasse Erinnerung. Zwar sind die Gegner von damals die gleichen – Audi A4, BMW 3er oder neuerdings ein Cadillac ATS. Doch der XE (Codename X760) ist dank Leichtbau – allein der Aluminium-Anteil im Chassis beträgt 75% – technisch top und hat damit erstmals die reale Chance zum Eroberer. Recht elitär in dieser Klasse sind auch eine spezielle Multilink-Hinterachse, das (nicht in allen Versionen serienmässige) adaptive Fahrwerk und der Heckantrieb; Allrad ist ab Ende Jahr lieferbar. «In the flesh» sieht die nunmehr dritte, 4,67 Meter lange JaguarLimousine genau so aus, wie man sich eine Katze vorstellt: geschmeidig-sehnig mit einer gewissen Portion Eleganz. Die stilistisch enge Verwandtschaft mit den grösseren Viertürern – Achtung, aus der Distanz besteht Verwechslungsgefahr! – verleiht dem XE viel Oberklasse-Prestige, als würde man vor einem etwas kleineren XJ stehen. Auch die Verarbeitung macht einen präzisen Eindruck; kurz: sehr charaktervoll bis hierhin. Da kann kein deutscher Mitbewerber mithalten – zumindest bis zum Profil, denn die Heckpartie wirkt deutlich unpersönlicher, ja verwechselbar und wurde offensichtlich in Hinblick auf den Massengeschmack einer breiten Kundschaft gestaltet. Liebe Individualisten, bitte sehen Sie gnädig darüber hinweg. Dies ist man zunächst auch beim Innenraum-Layout versucht zu sagen, weil es auf den ersten Blick etwas beliebig geraten zu sein scheint. Einerseits findet man ansprechende Details wie eine horizontal durchgehende Zierleiste und dazu hochwertige Materialien wie den Alcantara-Himmel oder den Lederbezug des Armaturenbretts, die dem Preis-Prestige gerecht werden. Andererseits FRÜHLING 2015 063


FAHRTERMIN

scheinen Instrumente und Mittelkonsole wenig selbstbewusst, ja fast einfallslos gestaltet: Von Jaguar erwartet man mehr, vor allem seit dem F-Type. Und so sind unsere Beobachtungen keine Kritik, sondern das konstruktive Kompliment an eine Marke, die wieder Potential nach oben hat – wer ihre Historie kennt, weiss um manchen Katzenjammer, aber auch um die Debatten zum umstrittenen S-Type-Cockpit der ersten Serie (1999–2002). Jaguar wollte hier sicher kein Déjà-vu. Zumal sich die erste optische Enttäuschung schnell legt, wenn man durch die übersichtlichen, logisch aufgebauten Menüs des umfangreichen Infotainment-Systems blättert. Ein Update der bisherigen Angebote war dringend nötig, und jetzt gibt es hier sogar eines der marktweit besten. Und so beginnt die Liebe zum Cockpit auf den zweiten Blick – oder mit einem dritten auf die recht umfangreiche Optionsliste. Zur Wahl stehen übrigens fünf unterschied­ liche Grundausstattungen, deren Bezeichnungen (Pure, Prestige, Portfolio, R-Sport und S) Souveränität versprechen und wohl jedem Ausstattungswunsch gerecht werden dürften. Bezüglich Innenraumbreite, -weite und -höhe ist man mit einem XE dagegen nicht optimal bedient, denn für ausreichend Kopfund Beinfreiheit der Fondpassagiere fehlen einfach wertvolle Zentimeter. Allerdings – sprechen wir hier von einem Minivan? No, Sir. Die Einschränkungen sind also zu verkraften, und wer sich gar nicht damit abfinden mag, wartet vielleicht auf den fünftürigen Estate, der eine etwas höhere Dachlinie aufweisen und 2016 erwartet wird.

Auch ohne Differentialsperre ist der mechanische Grip so hoch, dass die Brit-Limo förmlich am Boden klebt Wer den souveränsten XE erleben möchte, sollte unbedingt den 340 PS starken Dreiliter-Kompressor wählen, der als Topmodell oberhalb zweier Vierzylinder-Benziner mit 200 und 240 PS rangiert. Bei jeder Drehzahl bietet der Benziner genügend Dampf, um die Fuhre nachdrücklich Richtung Horizont zu schieben – untermalt vom kernigen, aber nie störenden V6-Sound. Wie von anderen Jag bereits gewohnt ist der Achtstufenautomat auch hier perfekt abgestimmt: Es macht einfach Freude, den Auto-Modus zu verlassen und die Schaltwippen am Lenkrad zu benutzen. Das geschüsselte Volant entspricht dem des F, ist im XE jedoch an eine komplett neu entwickelte elektronische Servolenkung gekoppelt. Im Vergleich zu bisherigen Jaguar-Untersetzungen ist es den Ingenieuren gelungen, den Nullpunkt zu eliminieren und ein tadelloses lineares Lenkgefühl zu schaffen. Im Ansprech­ verhalten handelt es sich um eine der besten elektrischen Servo­ unterstützungen, die wir bisher benutzt haben. Obwohl keine Differentialsperre offeriert wird, lässt sich die volle Leistung erstaunlicherweise allein per «Torque Vectoring by Braking», also dem variablen Bremseingriff auf die Hinterräder, zum Asphalt bringen – kein einziges PS geht dabei verloren. Der mechanische Grip ist so hoch, dass die Brit-Limo buchstäblich am Boden klebt, ohne dass der Fahrer hyperaktiv werden muss. Der XE eignet sich auch deshalb als komfortorientierter Reisebegleiter, der dennoch allzeit mitteilt, was unter den Reifen passiert. Ein echtes Fahrerauto, ein wunderbarer Kompromiss. 064 VECTURA #14


FRÜHLING 2015 065


FAHRTERMIN

Viel Leder, High Tech und sogar ein Head-up-Display: Im XE kommen auch Gadget-Fans auf ihre Kosten

066 VECTURA #14


TECHNISCHE DATEN JAGUAR XE Konzept Kompakt-Limousine mit selbsttragender Aluminiumkarosserie, vier Türen, fünf Sitze. Elektrische Servolenkung, Scheibenbremsen und Einzelradaufhängungen rundum. Kraftübertragung modellabhängig per Schaltgetriebe oder Automat, Heckantrieb Motoren Selbst entwickeltes, wassergekühltes Turbodiesel-Aggregat (Ingenium) in zwei Leistungsstufen, mit 4 Ventilen pro Zylinder und doppelten oben liegenden Nockenwellen. Ausserdem zwei Zweiliter-i4-Benziner mit 16V sowie 200/240 PS. V6-Benziner mit Kompressor im Topmodell

2.0 d

3.0 V6

Hubraum in cm3

1999

2998

Bohrung x Hub in mm

83 x 92,4

84,5 x 89

Verdichtung

15,5:1

10,5:1

Leistung in PS (kW) @ U/min

163 (120)/180 (132) @ 4000

340 (250) @ 6500

Max. Drehmoment in Nm @ U/min

380/430 @ 1750 – 2500

450 @ 4500

Kraftübertragung

M6/A8

A8 467/185/141,5

Abmessungen (L/B/H) in cm

283,5

Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm

160,5/161

160/160,5

Reifen und Räder

205/55 R17 auf 6,5 J

vorne 225/45 R18 auf 7,5 J hinten 245/40 R18 auf 8,5 J

Tankinhalt in L

47/56

63 455

Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg

1400/1490

1590

Zulässiges Gesamtgewicht in kg

2100

2220

Leistungsgewicht in kg/PS

8,6/8,3

4,7

0 – 100 km/h in Sek.

8,4/7,8

5,1

Höchstgeschwindigkeit in km/h

227/230

250 8,1

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km

3,8/4,2

CO 2-Emission in g/km

99/109

194

Energieeffizienzkategorie

A /A

G

Preis ab CHF

45 500.–

68 000.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

FRÜHLING 2015 067


Stylish unterwegs: Der kleine Jaguar ist die neue Eintrittskarte in eine dynamische wie elegante Markenwelt

Strecke dynamisch bewegt, sollte man allerdings manuell das weichste verfügbare Setup vorwählen («Adaptive Dynamics» ist hier wie erwähnt eine Option), weil die kopflastigeren Diesel anders als die neutralen Benziner eine Untersteuerungstendenz aufweisen.

Und wie fährt sich der Jaguar XE mit der Alternativ-Motorisierung, dem Zweiliter-Diesel? Eher mittelmässig. Das von Jaguar komplett eigenständig entwickelte, in zwei Leistungsstufen angebotene Vierzylinder-Aggregat kommt ab Werk mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe und ist bei normaler Fahrt schön leise, doch unter Volllast etwas zu laut. Die Selbstzünder schieben so spektakulär an, wie man sich das angesichts der vorhandenen Newtonmeter wünscht – allerdings ist schon bei 4000 Touren Schluss damit. Immerhin: Dank der guten Aerodynamik werden auch mit ihnen hohe Tempi erreicht. Auf kurvenreicher

In der Summe darf man Jaguar gratulieren: Well done! Der XE ist mehr als eine Mainstream-Alternative. Er ist eine echte Bereicherung im Mittelklasse-Segment, das durch ihn an Attraktivität gewinnt. Freuen wir uns also auf weitere Spielarten – und damit ist nicht nur ein besonders scharfer R gemeint, sondern ab Ende 2016 wahrscheinlich auch ein Zweitürer.

068 VECTURA #14


FAHRTERMIN

FRÜHLING 2015 069


TECHNIK

DEM RUSS DEN GARAUS MACHEN EIN NEUES DIESELMOTOR-VERFAHREN MARKIERT DEN DURCHBRUCH BEZÜGLICH ABGAS-REDUZIERUNG. DER EINSATZ IM AUTO IST ALLERDINGS ÜBERFLÜSSIG Text Christian Bartsch · Foto Werk

K

raftvoll schiebt sich die «TMS Rudolf Deymann» den Rhein aufwärts in Richtung Schweiz: Das gegenwärtig modernste Binnenschiff Europas ist ein GefahrgutFrachter mit 110 Meter Länge und einer Tonnage von 2322 Tonnen. Wir begeben uns hier auf ein wenig bekanntes Gebiet der Mobilität, das dennoch eng mit unseren Autos verbunden ist: Rund 40 Prozent des jährlichen Mineralölbedarfs der Schweiz kommen via Fluss nach Basel – einem der grössten Binnenhäfen Europas mit freiem Zugang zur Nordsee. Die «Rudolf Deymann» wird von einem Sechszylinder-Diesel mit 52,8 Liter Hubraum vorangetrieben, der vom finnischen Motorenhersteller Wärtsilä entwickelt wurde; auch in Winterthur unterhält man ein hochmodernes Entwicklungszentrum. Bei lediglich 1000 Um­drehungen in der Minute liefert der Motor eine Leistung von 1176 kW (1577 PS). Je nach Fahrweise verbraucht der Selbstzünder zwischen 80 und 200 Liter Treibstoff pro Stunde. Nicht nur das Aggregat selbst ist state-of-the-art, es ist ausserdem mit einem einzigartigen System zur Schadstoffreduzierung ausgerüstet, das Russ bis zu 100 Prozent vermeidet – und zwar ohne Partikelfilter! Auch alle anderen Schadstoffe sinken erheblich, ebenso der Treibstoffverbrauch – je nach Auslegung bis zu zehn Prozent. Während die Gesetzgeber bei Strassenfahrzeugen bis in den letzten Auspuffwinkel schnüffeln, haben sie sich bei den grossen Dieseln für Schiffe, Lokomotiven oder Baumaschinen zurückgehalten. Hier geht es auch nicht um Serien, sondern zumeist um Einzelstücke unterschiedlichsten Alters, für die es keine einheitlichen Konzepte zur Abgasreinigung gibt. Allein in der Binnenschifffahrt arbeiten noch bis zu 60 Jahre (!) alte Triebwerke, von denen über 80 Prozent keiner Abgasnorm genügen. Ein einziges dieser Binnenschiffe emittiert auf der Strecke Köln–Bonn, dem am stärksten frequentierten Rhein-Abschnitt, so viel Russ wie rund 10 000 Personenwagen, die der noch aktuellen Euro5-Norm genügen. Und täglich passieren rund 400 Schiffe diesen Flussabschnitt … Was also lässt sich tun? Nahezu seit Erfindung der Verbrennungsmotoren war man bemüht, zusätzlich zum Treibstoff auch Wasser in den Brennraum zu spritzen. Bei Renn- und Flugaggregaten sollte so die Verbrennungstemperatur gesenkt werden, um eine bessere Füllung zu erreichen und die Leistung zu erhöhen. Keiner der zahlreichen Versuche überlebte, weil sich Treibstoff und Wasser bis dato nicht vertrugen. Auch das Hinzufügen chemischer Emulgatoren war bisher nicht von Erfolg gekrönt. Eine umfangreiche Studie zeigte kürzlich, dass Hilfsstoffe offenbar Partikel bilden, die die Einspritzdüsen nach relativ geringer Laufzeit zerstören. Die deutschen Ingenieure Stefan Fischer und Uwe Israel kannten die ganze Vorgeschichte der Wassereinspritzung. Sie erwarben darum alle Rechte an einem vom Systementwickler Scarabaeus konzipierten Mischer, der rein mechanisch-hydraulisch arbeitet und keine zusätzliche Energie benötigt. In ihrem 2011 gegründeten Unternehmen Exomission entwickelten sie ein Verfahren, bei dem 070 VECTURA #14

Wasser mit etwa zehn Bar in den Treibstoff vor den Hochdruckpumpen des Dieselmotors eingedrückt wird. Sie verwenden dazu normales Trinkwasser, das eine kleine Aufbereitung durchläuft. Je nach Anwendung ist ein Wasserzusatz bis etwa 40% möglich. Dann gibt es bei der Verbrennung überhaupt keinen Russ mehr! Wird beim Diesel nur Treibstoff eingespritzt, zerstäubt er. Der Wasseranteil aber explodiert förmlich beim Austritt aus der Düse und zerreisst die Treibstofftröpfchen zu noch feinerem Staub. Es kommt zu einer wesentlich besseren Durchmischung mit der Verbrennungsluft und gleichzeitig zu einer Absenkung der Verbrennungstemperatur. Damit lässt sich Russ im Abgas völlig vermeiden, zugleich wird Stickoxid erheblich reduziert. Um die Stickoxide ganz umzuwandeln, steht der Abgastechnologie-Entwickler Emitec mit genau berechneten SCR-Anlagen (Selective Catalytic Reduction) bereit: In ihnen wird eine Harnstofflösung in das warme Abgas vor dem SCR-Reaktor eingespritzt. Das System hat sich bei Nutzfahrzeugdieseln längst durchgesetzt, aber auch Pw-Dieselmotoren wie der neue, 240 PS starke Zweiliter-Selbstzünder von VW, die für die Abgasgrenzwerte EU6 ausgelegt sind, verfügen über ein SCR-System. Mit diesem Verfahren sinkt auch der Treibstoffbedarf um etwa fünf Prozent, weil die Motoren wieder im verbrauchsgünstigsten Bereich laufen können. Die «Rudolf Deymann» ist wie erwähnt das erste Schiff, das mit der Exomission-Anlage ausgerüstet ist. Im Fahrbetrieb übertraf sie alle Erwartungen. Inzwischen ist der Motor über 2000 Stunden störungsfrei gelaufen, und nichts deutet darauf hin, dass sich daran etwas ändern könnte. Natürlich erhebt sich die Frage, ob sich solch eine Anlage nicht auch für Personen- und Lastwagen eignet. Im Prinzip ja, doch dazu wollen andere konstruktive Probleme – Unterbringung eines zusätzlichen Wassertanks, Frostsicherheit im Winter – gelöst werden. Ausserdem verfügen Strassenautos dank SCR bereits über eine extrem wirksame Abgasreinigung, die eine zusätzliche Wassereinspritzung nicht lohnenswert erscheinen lässt. Dieselmotoren der Schadstoffklassen EU5 und EU6 stossen bereits sauberere Luft aus, als sie ansaugen. Fischer und Israel wiegeln auch aus anderen Gründen ab: Ihnen geht es vorrangig um die vielen tausend industriellen Dieselmotoren, die heute noch riesige Russmengen ausstossen und mit einer Wassereinspritzung ganz erheblich zur Umweltentlastung beitragen würden.


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VERBRENNER MIT UND OHNE HYBRIDANTRIEB, RETRO CONTRA MODERNE: FORD GT UND HONDA NSX WEISEN ZWAR BEIDE V6-TWINTURBO-MITTELMOTOREN AUF, SETZEN ABER EIGENE AKZENTE – UND SIND DIE KÜNFTIGEN STARS IN DER HIGH-SPEED-ARENA Text hh Fotos Werk

072 VECTURA #14

UNGLEICHE BRÜDER


W

enn Träume Wirklichkeit werden dürfen, kommen oft aussergewöhnliche Autos dabei heraus. Voilà – Bühne frei für zwei Ausnahme-Athleten, die es trotz Öko-Debatten und Pw-feindlicher Politik in die Serienproduktion schaffen werden.

Der eine ist im Grunde genommen 60 Jahre alt: In Detroit präsentierte Ford im Januar die allgemein unerwartete zweite Neuauflage des GT40. Wer die Motorsportgeschichte kennt, war weniger überrascht: Genau fünf Jahrzehnte nach dem ersten Le-Mans-Sieg, der auch ein dreifacher war, soll die Neuinterpretation 2016 in kleiner Stückzahl auf den Markt kommen und rund 400 000 Dollar kosten.

Zeitgleich wird auch ein anderes Mittelmotormodell verfügbar sein, auf das man in der Sportwagenwelt dann bereits über zwölf Jahre gewartet haben wird: Die zweite Generation des Honda NSX geisterte seit 2003 in Form diverser Studien über die Autosalons dieser Welt, wurde aber immer wieder verschoben und blieb doch der Zukunft verpflichtet. Letztlich durchgeboxt hat sie Honda-CEO Takanobu Ito, der in den späten 1980ern Projektleiter des ersten NSX gewesen ist und – damals Novum bei Honda – dessen Vollaluminiumchassis entwarf. In den USA und Hongkong wurde die ab 1990 hergestellte erste Serie unter dem AcuraLabel verkauft und mit dem Kultstreifen «Pulp Fiction» weltberühmt. Zusätzlich geadelt hat sie der damalige McLarenHonda-F1-Pilot Ayrton Senna mit seinem insgesamt positiven

FRÜHLING 2015 073


Verdikt: «Sehr, sehr schnell, aber zu weich». Der Supersportwagen wurde von einem zunächst 274 PS starken 3,0-L-V6-Sauger befeuert und war bis zu 270 km/h schnell. Er entstand im japanischen Takanezawa und ein Jahr lang in Suzuka; bis 2005 produzierte Honda rund 18 000 Einheiten. Nach dem Ende wurde in Fankreisen immer wieder der Wunsch nach einer Neuauflage geäussert, doch Honda hatte sich da bereits seiner «Earth Dream»-Philosophie mit grünen, emissionsarmen Autos verschrieben. Es ist Itos Verdienst, dass der neue NSX trotzdem weiterentwickelt werden konnte – wenn auch mit angezogener Handbremse. Doch was lange währt – das Ergebnis kann sich sehen lassen: Als Antrieb dient ein 3,8-L-V6Aggregat, das von nicht weniger als drei Elektromotoren (einer hinten, zwei vorne) unterstützt wird. Das bedeutet Allrad- und Vollhybridantrieb; die Gesamtleistung wird auf 580 PS und die Vmax auf 335 km/h geschätzt – genauere Daten liegen derzeit noch nicht vor.

074 VECTURA #14

Auch der circa 4,70 Meter lange Ford GT – das war man dem Downsizing in Dearborn schuldig – wird von einem V6 bewegt, der Ecoboost genannt wird, 3,5 L Hubraum aufweist und zwar nicht über Hybridtechnik, aber ebenfalls über zwei Turbolader verfügt: Ohne Zwangsbeatmung sind signifikante Verbrauchsund Abgasreduktionen heutzutage nicht mehr realisierbar. Dabei werden zünftige 660 PS auf die 20-Zoll-Hinterräder losgelassen – auch auf Ferrari, wo inzwischen ebenfalls das TurboZeitalter begonnen hat (siehe VECTURA #11). Es ist mehr als die Erinnerung an eine alte Rivalität. Der gut 350 km/h schnelle GT ist nach Jahren modelltechnischer Belanglosigkeit auch ein Ruf nach innen an hunderttausende Ford-Mitarbeiter: «Say it loud, I’m blue and proud!» Der V8-gewaltige Urahn GT40 darf mit Fug und Recht als erfolgreichster Rennsportwagen der Ford Motor Company bezeichnet werden. Dass es heute weltweit über 1000 Stück gibt, liegt an diversen Nachbauten, unter anderen den perfekt gemachten


POWERPLAY

FRÜHLING 2015 075


POWERPLAY

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Krieg der Knรถpfe: Im Ford sieht es sehr spacig aus. Das Honda-Interieur bietet dagegen feinsten Liberace-Kitsch

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POWERPLAY

DER GROSSE WURF Ab 1964 betrieb Ford ernsthaft Rennsport mit Einsätzen an diversen Fronten. Für die Langstrecke wurde extra ein neues Mittelmotor-Coupé entwickelt

1957 hatten die «Big Three» Chrysler, Ford und General Motors verabredet, werkseitig keinen Rennsport zu betreiben. Ihre wuchtigen Fahrzeuge kamen zwar bei nationalen NASCAR-Veranstaltungen zum Einsatz, vertraten dort allerdings die Farben von Privatteams. Doch allmählich überlegte man es sich bei Ford anders: Die durch Rennsiege generierte Publicity würde sicher den Verkauf fördern. Konkret dachte Henry Ford II daran, Ferrari zu kaufen, weil dieser Name nach einem sonntags errungenen Sieg in allen wichtigen Zeitungen stand. Doch trotz weit gediehener Verhandlungen wurden er und Enzo Ferrari letztlich nicht handelseinig. Nachdem Ford schon am 11. August 1962 aus dem erwähnten Nichtteilnahme-Agreement ausgestiegen war, beschloss man im März 1963, an Langstreckenrennen teilzunehmen. Das Ziel: einmal die legendären 24 Stunden von Le Mans (siehe VECTURA #6) gewinnen! Ins Auge gefasst wurden ausserdem die 500 Meilen von Indianapolis sowie Tourenwagenrennen und Rallyes.

078 VECTURA #14

Für materialmordende Endurance-Läufe entstand in der englischen Dependance Ford Advanced Vehicles in Slough unter der Leitung des Ex-Lola-Konstrukteurs Eric Broadley ein nur 40 Inch hohes GT-Mittelmotor-Coupé. Die Konstruktion lehnte sich an den Lola GT an, der 1963 in Le Mans gefahren war, und wies ein SchalenbauChassis auf. Als Antriebsquelle fungierte zunächst ein 4,2-L-FordV8, der seine Kraft via Colotti-Getriebe auf die Hinterräder abgab. Am 1. April 1964 erfolgte auf dem Flughafen Heathrow ein erster Funktionstest; nur eine Woche später fanden Probefahrten auf dem MIRA-Testgelände statt und schon am 16. April war ein zweites Exemplar des GT40 einsatzbereit. Das Renndebüt setzten die Verantwortlichen auf den 31. Mai anlässlich der 1000 Kilometer auf dem Nürburgring an, wo der Wagen von Phil Hill und Bruce McLaren gefahren wurde und dabei die zweitbeste Qualifikationszeit auf den Eifel-Kurs knallte. Im Rennen schied das Auto dann mit Aufhängungsschaden aus. Auch bei den 24 Stunden von Le Mans, wo drei GT40 zum Einsatz kamen und sehr schnell waren, sah keiner das Ziel – dito bei den 12 Stunden von Reims. Ford ersetzte daraufhin die Colotti-Box durch ein ZF-Getriebe; Drahtspeichenräder wichen gegossenen Leichtmetallfelgen. Wenig später begann die Produktion einer Kleinserie, welche laut Ford bis 1968 genau 94 Fahrzeuge umfassen sollte; andere Quellen sprechen von circa 130 Autos. Um den ehemaligen Fast-Verbündeten Ferrari zu schlagen, genügte der verwendete V8 jedoch nicht – und die Amerikaner stellten auf ein 4,7-L-Aggregat mit 390 PS um. Der Rest ist Geschichte: In der Saison 1965 siegte der GT40 beim 2000-km-Rennen von Daytona mit den Piloten Miles/Ruby; deren Teamkollegen Ginther/Bondurant holten Platz 2. Damit begann auch die Erfolgskarriere dieses Autos, welche bis Ende der 1960er-Jahre anhielt. Im Hinblick auf Le Mans 1965 erschien die Version Mark II mit 6981-cm3-Motor, allerdings sollte es noch ein weiteres Jahr dauern, bis Ford in Daytona, Sebring und Le Mans triumphierte. An der Sarthe gewann man dann sogar viermal in Folge. ac


Der vielleicht grösste Unterschied offenbart sich auf öffentlichen Strassen. Die Daumen gehören dort klar dem GT. Aber der NSX kann Alltag

von Franco Sbarro (siehe VECTURA #12). Auch Ford selbst hat das Auto seither nicht mehr losgelassen; es gab mehrere Ideen und 1994 eine Studie, den GT90 mit Sechsliter-V12 und vier Turboladern. In die Kleinserie schaffte es Ende 2004 aber erst eine 550 PS starke und 330 km/h schnelle Neuauflage mit 5,4-L-V8-Kompressormotor, deren äussere Erscheinung (verantwortlich zeichnete der 2014 zurückgetretene Ford-Chefdesigner J Mays) sich ganz eng am Original orientierte. Bis 2006 entstanden über 4000 Exemplare, die heute teurer gehandelt werden, als sie damals gekostet haben. Das Auto war Teil von Fords «Living Legends»-Serie, die bereits den Klassikern Thunderbird und Mustang ein Retro-Comeback ermöglicht hatte. Der GT war allerdings nicht nur ein Showcar, sondern mit seiner guten Strassenlage und einer Beschleunigung von null auf Tempo 100 in 3,9 Sekunden auch ein ernstzunehmender Cavallino-Rivale. Verglichen mit dem letzten GT, bei dem es sich stilistisch um eine Kopie handelte, ist der neue innovativ gezeichnet. «Wir wollten einen modernen Supersportwagen bauen», sagt Chris Svensson, Designdirektor von Ford America. Und das ist gelungen: Die Kabine ist tropfenartig ausgeformt und zwischen den Radkästen angeordnet, die stellenweise nur durch Stege mit dem Karosseriekörper verbunden zu sein scheinen. Die Front erinnert entfernt an den GT40, alles andere inklusive über die A-Säulen klappenden Türen oder einem Spoiler mit Airbrake-Funktion ist sehr eigenständig geraten. Wem der nächste Ford GT, der eine markantere Modellbezeichnung verdient hätte (wir empfinden die gewählte als ebenso abgedroschen wie seltsam nichtssagend),

trotz allem als die Baumarkt-Ausgabe des nächsten SuperFerrari gilt, dem dürfte der NSX glatt als Aldi-Sportler vom Wühltisch durchgehen – zumindest preislich, denn mit geschätzten 140 000 Franken kostet der Japaner nur ein Drittel so viel wie der US-Bolide. Das liegt auch daran, dass der NSX eine halbe Liga tiefer an­geordnet ist und dort gegen den neuen Audi R8, Ferrari 488 GTB, McLaren 675 LT oder Porsche 911 Turbo antreten soll. Technisch ist der 4,47 Meter lange, 1,94 m breite und 1,22 m hohe, aus Alu, Kohlefaser und dem neuartigen Werkstoff SMC (Sheet Molding Compound) bestehende Honda allerdings näher an Ferraris LaFerrari als der Amerikaner: Der Hybridantrieb mit Bremsenergie-Rückgewinnung in die Lithium-IonenSpeicher wird deutlich niedrigere Verbräuche ermöglichen, als sie der Ford bieten kann. Wir erwarten durchschnittlich höchstens sieben Liter vom unter 1500 Kilo leichten NSX – für einen Boliden dieses Schlages ist beides hervorragend. Dazu kommen fulminante Beschleunigungs- und Drehmomentwerte, die per neunstufiges Doppelkupplungsgetriebe (9DKG) zu den ebenfalls 20 Zoll grossen Hinterrädern gelangen. Die Tatsache, dass Honda nicht nur einen reinen E-Modus, sondern auch Sport-Plus- und Track-Programme eingebaut hat, lässt erste Rückschlüsse auf das Potential des NSX zu. Beim Ford mit 7DKG reduzieren sich die modernen Zeiten auf Leichtbaumaterialien, doch in dieser Fahrzeugklasse ist der Einsatz von Karbon und Aluminium inzwischen Mainstream. Spritspartechnologien? Fehlanzeige. Auf 100 Kilometer dürften deshalb zweistellige Spritmengen nötig sein. FRÜHLING 2015 079


VORSTELLUNG POWERPLAY

Dafür geben wir dem GT fünf Sterne für sein Design – atemberaubend, schlank, klar, sehnig und ohne den US-üblichen Zucker­ guss oben drauf, unter dem inzwischen selbst die Chevrolet Corvette leidet. Nur den doppelten, ofenrohrartigen Auspuff hätte es unserer Meinung nach nicht gebraucht. Volle Punktzahl auch für das Cockpit, denn das ist gar nicht retro, sondern das Beste, was wir seit langer Zeit gesehen haben. Mit insgesamt 5000 geplanten Exemplaren ist der GT exklusiver als der NSX, doch auch der in Marysville/Ohio gebaute Japaner wird mit rund 2500 Einheiten jährlich kein Allerweltsauto sein. Trotzdem macht sich im US-Japaner Langeweile breit: müde, viel zu bunte, halbanaloge Instrumente, dazu ein flach angeordnetes Zentraldisplay, in dem sich die Sonne spiegelt. Und wulstige Plastiklandschaften, die auch aus einem Jazz stammen könnten. Ziemlich armselig für eine sportliche Speerspitze – der alte NSX sah innen rassiger aus. Immerhin gibt es auffallend dünne A-Säulen, die einem guten Blick nach vorne kaum im Wege stehen.

080 VECTURA #14

So unterschiedlich die beiden Mittelmotor-Boliden auch sind – ihnen liegt derselbe Urtraum (männlicher) Autoliebhaber zugrunde: die Faszination überlegener Schnelligkeit. Dass Ford und Honda sie auf grundverschiedene Art und Weise interpretiert haben, macht die Sache nur noch spannender. Der exaltierte GT punktet auch mit äusserlichen Attributen, während es dem kompakt-schlanken NSX mehr um innere Werte zu gehen scheint. Der Traum vom ultimativen Supersportwagen geht also in die nächste Runde.


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