VECTURA #8 Auszug

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[ lat.: das Fahren]

#8 | Herbst 2013

Frisch aus Schweden

VOLVO CONCEPT COUPÉ

INNOVATIONSTRÄGER // MERCEDES S-KLASSE MEHR PUNCH // NISSAN NISMO ASPHALT AHOI // BOOTE MIT AUTO-GENEN SPEZIA

AERODYNAMIK

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Classic Fusion Aero Chronograph. Skelettiertes, automatisches Chronographenwerk. Geh채use aus einer neuen, einzigartigen Rotgold-Legierung: King Gold. Armband aus Kautschuk und schwarzem Alligatorleder.


RUBRIKEN

Das motion-magazin aus der schweiz

Herbst 2013 001


Athletischer Auftritt, sportlicher Preis. Die C-Klasse «Athletic Edition» ab CHF 45 200.–* Das Sondermodell «Athletic Edition» sorgt dank dem AMG Stylingpaket und dem Kühlergrill mit schwarzen Lamellen für einen sportlichen Auftritt. Für den perfekten Überblick auf der Strasse unterstützen Sie dabei die Bi-Xenon-Scheinwerfer des Intelligent Light System und das Navigationssystem COMAND Online. Profitieren Sie jetzt von sensationellen Preisen. Ihr Mercedes-Benz Partner freut sich auf Ihren Besuch.

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editorial

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

Vectura #8

D E S I G N

edition

D

as windschlüpfigste Auto hat die Form eines Wassertropfens – vorne rund und hinten spitz auslaufend. So will es die Physik, doch mit der verkauft man keine Autos: Diese Formgebung ist offenbar nicht gesellschaftsfähig. Das war schon beim Alfa Romeo 40-60 HP Aerodinamica von 1914 so, beim 1923er Rumpler Tropfenwagen, dem 1933 lancierten Buckminster Fuller Dymaxion, beim 1939er Schlörwagen oder dem 1940er Tatra Typ 87. In puncto Luftwiderstand waren sie alle top, aber beim Händler – sofern sie überhaupt je dorthin kamen – ein Flop. Allein auf der Rundstrecke bleiben kühne Verrenkungen ungestraft – Formel-1-Boliden sind heute mehr Flügel denn Auto.

Effizientere Formen werden auch auf öffentliche Strassen kommen. Verbrauchs- und CO2-Reduktion üben einen immer stärkeren Einfluss auf die Automobilgestaltung aus. Damit ändern sich auch unsere Seh- und Fahrgewohnheiten. Fliessheckmodelle wie der Toyota Prius sind mehr der Funktion denn der Schönheit verpflichtet; glattflächigen Karosserien gehört die Zukunft. Wer das nicht wahrhaben will, muss den Aufpreis bereits heute an der Tankstelle bezahlen. Die eingangs erwähnten Beispiele belegen, wie alt das Thema ist. Doch erst jetzt wird aus dem Streben einzelner Visionäre ein Mainstream, kommt dem cW-Wert ein Prestige-Faktor zu. Selbst bei wuchtigen Geländewagen werden die Frontpartien flacher, setzen Entwickler immer mehr aerodynamische Hilfsmittel ein. Spritsparmodelle wie der radikale VW XL1 zeigen, wo es optisch langgeht. Wenn wir also über Design sprechen, sind heute andere Faktoren stilbildend als noch vor 20 Jahren, als noch Image und Unverwechselbarkeit im Vordergrund standen. Inzwischen wird intensiv nach dem besten Kompromiss zwischen nutzbarem Raum und geringer Stirnfläche gesucht. In diesem Zielkonflikt wird Identität immer wichtiger, das macht Markendesign heute so spannend. Versenkte Scheibenwischer, adaptive Spoiler und variabel öffnende Kühleröffnungen gibt es längst, bald werden Rückspiegel durch Kameras ersetzt. Dazu kommen neue Materialien, die leichter sind als Blech und andere Karosserielösungen erlauben. Das neue Elektroauto BMW i3 ist ein gutes Beispiel dafür, wird vor dem Verkaufserfolg aber erst tradierte Sehgewohnheiten aufbrechen müssen. Es bleibt folglich spannend auf unseren Strassen und wir dürfen dem Fortschritt ganz entspannt entgegensehen. Der funktioniert schliesslich nur, wenn auch Fahrspass eingebaut ist. Herbst 2013 003


inhalt #8

EDITORIAL

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PERFEKTE TARNUNG Der neue Crossover Suzuki SX4 S-Cross verkneift sich Extravaganzen. Er schmeichelt lieber mit inneren Werten und wahlweisem Allradantrieb

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006

GEISTERBAHN Die grössten Design-Flops der Autohersteller – Mark Stehrenberger benennt sie schonungslos

090

NOBODY DOES IT BETTER Jede Mercedes S-Klasse markiert das maximal Machbare ihrer Epoche. Wir fahren die sechste Generation – und kredenzen ihre fünf Rivalen

012

KLARE VORSTELLUNGEN Kaffeegespräch mit Håkan Samuelsson: Der Volvo-CEO spricht ganz offen über chinesische Besitzer und neues Selbstbewusstsein

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GEDIEGEN DURCH DEN SMOG Dass er vorwiegend für China gemacht worden ist, stört uns nicht am Bentley Flying Spur: Der Wagen fühlt sich in Europa (fast) genauso gut an

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TITELSTORY Mit dem Concept Coupé spannt die schwedische Marke Volvo einen reizvollen Bogen zwischen Vergangenheit und Zukunft

MUCKI-BUDE Wofür Nismo steht, wissen nicht viele. Das soll sich nun ändern: Als ersten Vorboten entsenden die Japaner den Nissan Juke Nismo

034

WANDSCHMUCK MIT DREHZAHL Automobildesigner Markus Haub bringt Pferdestärken stilsicher auf die Leinwand

050

DIE FARBE DES ULURU Ende der 1960er-Jahre schaute die Autowelt auf Australien: Mit dem Holden Hurricane bewies der fünfte Kontinent, dass er mehr konnte als Pick-ups

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WENN DER REIFEN RUFT Der erste offiziell beglaubigte Winterreifentest fand in den Schweizer Bergen statt. Wir rekapitulieren

066

SIEG IN DER SCHNAPSGLASKLASSE Sie produzierten Zweitakt-Töff, Weltrekorde und unglaubliche Geschichten: Garelli und Zündapp dröhnten einst mit nur 50 Kubik über die Pisten

068

ÜBER DUNKLE KANÄLE Aus der Luftfahrt auf die Strasse: Der NACA-Duct kühlt gut – und sieht dabei noch cool aus

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SPOILER UND FLÜGEL Wie der neue Porsche 911 Turbo mit der Luft spielt

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DESIGN

E d i t i o n

004 VECTURA #8

AUTOS IM BAHNHOF 048102 Die Volvo Art Session ist eine Schweizer Idee und hat sich in nur drei Jahren etabliert. Die Vielfalt ist gross; wir zeigen unsere Favoriten KREATIVE VERFORMUNG Pierre-Alain Münger ist Künstler und nennt sich Pamcrash. Der Name ist Programm

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GERÖLL-ATHLET Hurra, der neue Range Rover Sport ist da!

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DER SCHÖNE SCHEIN Oldtimer sind Spekulationsobjekte geworden, findet Urs P. Ramseier. Und das bedauert er

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VIVA LA CURVA Lancias Rennhistorie ist reich an Heldentaten. Mit dem Lancia Delta by Momodesign wollen die Italiener daran erinnern – aber nicht nur

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BESUCH BEIM ZAHNARZT Jürg Bärtschi und sein Colani GT

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FÜR JÄGER UND SAMMLER Exklusive Drucke würdigen Erdmann & Rossi

142

PRÄZISER DENN JE Neue Uhren von WRC-Zeitnehmer Certina

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STAPELLAUF Sportwagen beflügeln die Phantasie von Bootsbauern. Die Ergebnisse variieren, beinhalten aber immer Auto-Power auf hoher See

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IMPRESSUM

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Das Chamäleon Suzuki, Herrscher über markante wie kompakt-patente Geländewagen, geht beim neuen SX4 S-Cross kein Risiko ein. Der Softroader ist ein wichtiges Volumenmodell und soll möglichst jedem potentiellen Käufer gefallen. Und so ist er etwas – hmm – unauffällig ausgefallen. Doch das macht nichts, wie unsere erste Ausfahrt ergab Text Hubertus Hoslin · Fotos map

006 VECTURA #8


FAhrtermin

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D

ie 1909 gegründete Suzuki Corporation stellte 1937 ihr erstes Auto vor und ist bis heute ein relativ kleiner Hersteller – schliesslich baut man auch Motorräder oder Bootsmotoren. Umso bemerkenswerter war und ist, was die Marke aus Hamamatsu seit Jahrzehnten so auf die Räder stellt – kleine, agile und sehr geländefähige Fahrzeuge nämlich, die nicht nur mit geringen Anschaffungskosten und Zuverlässigkeit punkten, sondern auch noch originell aussehen. So war es auch beim ab 2006 angebotenen SX4, der in Kooperation mit Fiat entstand und sich bis heute grosser Beliebtheit erfreut – weshalb diese Baureihe auch noch im Programm bleibt. Dennoch war es Zeit für einen Wechsel: Während die Italiener künftig mehrere Crossover-Modelle mit Cinquecento-Look und -Technik anbieten wollen, hat Suzuki seinen nächsten Mini-SUV eigenständig entwickelt und wird ihn weltweit verkaufen. Die Zusatzbezeichnung S-Cross platziert ihn geschickt oberhalb des alten SX4; in der Schweiz ist das Modell ab sofort verfügbar.

Wenn man es jedem recht machen will in einem zunehmend hart umkämpften Segment, ist Fusion-Design angesagt, das nirgends aneckt – weder beim Kunden noch bei etwaigen nationalen Geschmacksnerven. Bei so viel Vorsicht bleibt aber auch Charakter auf der Strecke. Denn während sich die erste SX4-Generation noch mit bulligen Proportionen einen Namen machte, ist der S-Cross recht zivil geraten: Die Abmessungen (15 cm länger, über 4 cm flacher und nur einen Zentimeter breiter; siehe technische Daten) ähneln denen eines hochbeinigen Kompaktwagens. Und weil sich der zweite SX4 fast jeden stilistischen Gag verkneift, nimmt er sich im Strassenbild optisch sehr zurück. Immerhin: Die bescheiden verchromte Bugpartie zitiert den Suzuki Kizashi, während wir beim Heck gewisse Ähnlichkeiten mit dem populären Mitsubishi ASX ausgemacht haben. Dazwischen befinden sich vier gefällig geformte Türen, fertig. Gähnende Langeweile also? Gemach. Mit den Schönen und Reichen, die aus Kotflügelkanten gerne mal eine Lebensphilosophie ableiten, hat Suzuki nichts zu tun. Kenner wissen: Bei den Japanern geht Nutzwert traditionell über Äusserlichkeiten. Und so waren wir auf ein paar erste Runden sehr gespannt. 008 VECTURA #8

Erster Eindruck: solide wie eh, praktisch dazu und dabei auf das Wesentliche reduziert. Dieser Wagen braucht keine Bedienungsanleitung, denn alles findet sich dort, wo man es erwartet. Die Bedienung gibt null Rätsel auf, die Armaturen informieren tadellos und dazu sitzt es sich angenehm erhöht. Der serienmässig verstellbare Ladeboden erlaubt eine situativ passende Konfiguration. Am neuen SX4 findet sich dagegen nichts, was es nicht unbedingt braucht, das merkt man sofort. Wozu eine verschiebbare Rückbank, wenn doch die Platzverhältnisse in alle Richtungen ausreichend sind? Allein der variable Kofferraum schluckt schon in der Grundstellung 150 Liter mehr als beim Vorgänger. Solche Fakten wecken Sympathie – hier steht ein GanzjahresAlltagsauto, das dir dienen will! Zumal es – abgesehen von den rein frontgetriebenen Basismodellen – mit komfortablen Zutaten wie einem schlüssellosen Zugangs- und Startsystem, Zweizonen-Klimaanlage oder Bluetooth-Verbindung ausgeliefert wird. Wer dagegen in Blech gepresste Eitelkeit sucht, kann spätestens jetzt weiterblättern. Man ist also gleich per «Du» mit dem jüngsten Suzuki und stellt auch im Fahrbetrieb keinerlei Unannehmlichkeiten fest. Um die Rundumsicht ist es gut bestellt, die Lenkung ist nicht zu hart und nicht zu weich, der Schalthebel flutscht mühelos durch die Gänge und das Fahrwerk bietet einen guten Kompromiss zwischen Straffheit und Komfort, bleibt dabei immer auf der sicheren Seite. Traktion ist ebenfalls kein Thema: Mittels vierstufigem 4x4-System, das Suzuki «Allgrip» nennt, kommt das Auto fast überall durch. Regulär fährt es mit Frontantrieb; im Auto-Modus schalten sich die Hinterräder situativ zu. Dazu kommen Sport-, Winteroder Lock-Programme, wobei Letzteres die volle Kraft nach hinten leitet. Der Fahrer muss dazu nur einen Drehregler justieren, mehr nicht. Wer SX4 fährt, will sich keinen Kopf machen, auch nicht bei der Bodenfreiheit. Die ist klassenüblich auf Feld-undWiesen-Niveau, was bei normalem Gebrauch völlig ausreicht. Fahrdynamisch sind vom SX4 freilich keine Wunder zu erwarten, speziell die Benzin-Version grenzt bei voller Zuladung an Untermotorisierung. Das liegt nicht nur am Verhältnis Leistung/Leergewicht, sondern auch an der offenbar CO2-orientierten, mageren


Fahrtermin

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Fahrtermin

Abstimmung des Aggregats: Pro Kilometer emittiert der neue SX4 maximal 130 Gramm, da kann man nicht meckern. Die Kraftübertragung übernimmt ein Fünfganggetriebe, wahlweise gibt es den Vierzylinder aber auch mit stufenloser CVT-Automatik. Die bietet nicht unbedingt mehr Fahrspass, macht den S-Cross aber endgültig zur tiefenentspannten Bewegungszone. Deutlich agiler gibt sich der parallel angebotene Turbodiesel: Dank genügend Drehmoment spurtet er wacker los, ist auch lärmmässig gut erträglich und natürlich sparsamer. Den 3000 Franken höheren Grundpreis würden wir dafür jederzeit in Kauf nehmen, zumal der Selbstzünder ab Werk mit einem Sechsgang-Schaltgetriebe ausgestattet ist. Kurz: Ob Stadt, Autobahn oder Wald, ob Einkauf, Hundeschule, Möbeltransport oder Skiferien mit Familie – der neue Crossover versteht es, sich allen Bedürfnissen und Gegebenheiten anzupassen. Wer mit diesem Auto nicht klarkommt, möge doch bitte den Fahrausweis abgeben. Und so bleibt uns nicht mehr viel zu sagen zum Suzuki, was ja auch mal ganz erfrischend ist: Er ist die richtige Wahl für alle, die ganzjährig sorglos und frei von jeglichem SUV-Dünkel unterwegs sein möchten – bloss nicht auffallen! Schade fänden wir nur, wenn jetzt jemand den gut getarnten SX4 S-Cross beim allfälligen Autokauf übersehen würde.

Mehr zum Thema

Technische Daten suzuki sx4 s-cross Konzept

Neue Generation eines Kompakt-SUV mit fünf Türen und fünf Sitzplätzen. Zahnstangenlenkung mit el. Servounterstützung, Scheibenbremsen rundum (vorne innenbelüftet). McPherson-Federbeine vorne, Mehrlenkerachse hinten. Wahlweise Front-oder Allradantrieb

Motor

Vierzylinder-Benziner oder -Common-Rail-Diesel. Vier Ventile pro Zylinder, zwei oben liegende Nockenwellen (Kette), Selbstzünder mit variablem Turbolader und Partikelfilter

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1.6i 2WD / 4x4

1.6 TD 4x4

1586 78,0 x 83,0 11:1 120 (88) @ 6000 156 @ 4400 M5/CVT

1598 79,3 x 80,5 16,5:1 120 (88) @ 3750 320 @ 1750 M6 430/176,5/158 260 153,5/150,5 205/60 R16

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

1085/1125 1730 9,0/9,4

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

11,0/12,4 180/170

13,0 180

Durchschnittsverbrauch** in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

5,4/5,7 125/130 C/D 19 990.– / 26 990.–

4,4 114 A 29 990.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

010 VECTURA #8

50 430–1270

1305 1870 10,9


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In Betrieb entstehen keine CO2-Emissionen. Bei durchschnittlicher Fahrweise gemäss NEDC (New European Driving Cycle) ist mit einer vollen Batterieladung eine Reichweite von 210 km möglich (195 km mit 17-Zoll-Felgen). Die Reichweite ist abhängig von der Geschwindigkeit, der Aussentemperatur, der Topographie und dem Fahrstil. 2 Renault ZOE LIFE, 88 PS (65 kW), Katalogpreis Fr. 24 100.– inkl. Wallbox (Fr. 1300.–). Energieverbrauch 16,3 kWh/100 km (Benzinäquivalent 1,8 l/100 km), CO 2-Emissionen aus der Stromproduktion 18 g/km (Durchschnitt aller verkauften Neuwagen 153 g/km), Energieeffizienz-Kategorie A. Preis abgebildetes Modell (inkl. zusätzlicher Ausstattungen) Fr. 26 700.–


Fahrtermin

012 VECTURA #8


Magic

Carpet

Ride

Welches ist das beste Auto der Welt? F端r die Manager bei Mercedes-Benz ist die Frage schnell beantwortet: die neue S-Klasse! Ob sie diesen unbescheidenen wie ehrgeizigen Anspruch erf端llen kann, zeigt eine erste Probefahrt

Text Stefan L端scher 揃 Fotos Dirk Weyhenmeyer, Werk

Herbst 2013 013


Fahrtermin

I

hr optischer Auftritt ist beeindruckend und verblüffend zugleich. Eine messerscharf präzise Linienführung signalisiert Kompetenz und eine zukunftsweisende Formsprache. Trotzdem wirkt die neue S-Klasse vertraut, ist als solche sofort identifizierbar. Während die Bodengruppe auf bewährten Elementen des Vorgängers aufbaut, ist alles Sichtbare völlig neu: die Proportionen, die Linien, der Charakter. Das Design folgt keiner Modeströmung, alles wirkt sehr erhaben, elitär und trotzdem nicht aufdringlich. In den Dimensionen hat die jüngste Generation leicht zugelegt. Der Radstand streckt sich von 2,96 m auf nun 3,04 m, bei der Langversion bleibt er mit 3,17 m konstant. In der Gesamtlänge legt die neue Generation von 5,10 m auf 5,12 m zu, die Langversion wächst von 5,23 m auf 5,25 m. Insgesamt wirkt die nunmehr sechste Generation aber deutlich kompakter und harmonischer. Der Trick dabei: Die Kühlermaske ist deutlich grösser und etwas schräger platziert, das lässt den Rest des Wagens automatisch zierlicher erscheinen. Der aufgesetzte Stern wanderte minimal nach hinten, was die Silhouette der S-Klasse zusätzlich streckt. Die Radausbuchtungen wurden dezenter, so wie das ganze Design klassischer, fliessender wirkt und weniger auf modische Effekte setzt. Statt einer Keilform fallen die nach hinten leicht abfallende «Dropping Line» und die sich verjüngende Heckpartie auf. Das verleiht der Limousine souveräne Eleganz und unterstreicht die mit einem cW-Wert von 0,24 mustergültig gute Aerodynamik. Die offensichtliche Harmonie der Proportionen rührt auch vom Designansatz her. Während man bei den früheren S-Klassen mit dem kurzen Modell begann und später eine Stretchversion mit einem Verlängerungselement hinter der B-Säule auflegte, ging man beim intern W222 genannten Super-Benz diesmal umgekehrt vor. Als Erstes entstand der Lange, anschliessend wurde verkürzt. Der Hintergrund ist die Nachfrage der Langversion im asiatischen Raum. Dazu kommt, dass Mercedes speziell für 014 VECTURA #8


Asien an einer längeren «Pullman»-Version arbeitet. Selbst eine extrem gestretchte vierte S-Klasse-Variante, als Ersatz für den wegen Erfolglosigkeit gestrichenen Maybach, ist derzeit nicht ausgeschlossen. Genauso überzeugend wie das Aussendesign ist das Interieur. Das Streben nach Perfektion oder die Jagd nach immer neuen Superlativen werden hier offensichtlich. Man hat sich auf möglichst wenig sichtbare Bedienelemente fokussiert und präsentiert ein Innenraumambiente mit modernster Technologie und gleichzeitig traditioneller Anmutung. Hochwertige Materialien und perfekte Verarbeitung strahlen bestmögliche Qualität aus. Ein schönes Element ist der handschriftliche im unteren Lenkradteil eingelassene Mercedes-Benz-Schriftzug – sozusagen als neuartige Signatur der Marke. Dominierend sind aber zwei im Sichtfeld des Fahrers nebeneinander platzierte, hochauflösende TFT-Farbdisplays mit jeweils über 30 Zentimeter Bildschirmdiagonale! Das linke übernimmt die stark erweiterte Funktion des bisherigen Kombiinstruments, das rechte dient zur Steuerung von Infotainment, Komfortfeatures und Navigation. Wo man in dem mit über 100 kleinen Elektromotörchen gespickten Interieur der neuen S-Klasse am bequemsten und am liebsten sitzt, ist schwieriger denn je zu beantworten. Die Stuttgarter haben der neuen Generation eine geballte Ladung hochstehender Technik und faszinierender Assistenzsysteme, also auch viel Temperament und Fahrspass mit auf den Weg gegeben. Andererseits lockt auch der Fond zum Verweilen: Er ist eine Wellness-Oase, wie sie nicht einmal die First Class im Flugzeug zu bieten hat. Kunden – und da sind wieder jene Asiaten im Fokus, die sich gerne einen Chauffeur leisten – können zwischen fünf unterschiedlichen Fondsitz-Varianten wählen. Der Superlativ ist der Executive-Sessel mit über 40 Grad Lehnenneigung und einer Wadenauflage, die nahe am Liegebett ist. Dazu kommen eine «Hot-Stone»-Massagefunktion mit 14 Luftkissen, eine Sitzbelüftung, ein ausklappbarer Arbeitstisch, kühl- und heizbare Cupholder und ein Tablet-artiger

Bildschirm. Die Innenluft kann zudem mit vier ausgesuchten Parfumnoten nach Mass veredelt werden. Zudem wird einströmende Luft gefiltert und ionisiert. Das eliminiert gewisse Viren, Bakterien sowie Sporen und soll durch eine erhöhte Konzentration negativ aufgeladener Sauerstoff-Ionen entspannend wirken. Ach ja, die Armauflage in der Türe ist ebenfalls beheizt. Es wäre ja eklig, wenn diese für unterkühlte Ellenbogen sorgen würde. Wer dagegen dynamisch zum Fahrersitz strebt, wird auch dies nicht bereuen. Sitzposition, Ergonomie, Übersichtlichkeit oder Bedien-Logik – alles ist mustergültig. Einen der so in Mode gekommenen Startknöpfe sucht man vergebens. Bei Mercedes muss nach wie vor ein Schlüssel eingesteckt und gedreht werden. Der Getriebewählhebel rechts der Lenksäule ist so filigran wie bisher. Bei Mercedes geht man aber davon aus, dass man diesen pro Fahrt ohnehin nur einmal betätigt. Sollte der Fahrer dennoch auf die Idee kommen, die sieben seidenweich schaltenden Gänge selbst verwalten zu wollen, kann er das mittels Lenkrad-Schaltwippen tun. Der erste Fahreindruck ist – Schweben. Die neue S-Klasse wurde nochmals wesentlich leiser, beinahe flüsternd, ohne dabei den Antrieb zu verleugnen: Unser Testwagen wurde von einem überarbeiteten, gleichermassen stärkeren und sparsameren V8Direkteinspritzer befeuert, dessen Leistung gegenüber dem Vorgängermodell von 435 auf 455 PS gestiegen ist. Dank stattlichem Hubraum und Doppelturbo-Aufladung mobilisiert der Achtender schon aus tiefen Drehzahlen ein überzeugendes Drehmoment von 700 Nm, das entscheidend zum souveränen Gesamteindruck der Luxuslimousine beiträgt. Eine sportliche Gangart, die der grosse Benz mit gelassener Selbstverständlichkeit goutiert, quittiert er mit wohligem Knurren. Wie schnell man dabei unterwegs sein kann, offenbart nur der Blick auf den virtuellen Tacho. Das in jedem Detail verbesserte Gesamtpaket mit präziser, elektrischer Servolenkung, neuerdings sogar vorausschauender Luftfederung sowie vielen elektronischen Assistenzsystemen trägt zu einem überraschend Herbst 2013 015


Technische Daten Technische Daten Mercedes S 500 Mercedes Langversion S 500 Langversion Konzept Viertürige Stufenhecklimousine der Oberklasse. Selbsttra- gende Stahlkarosserie, Einzelradaufhängungen und Schei- benbremsen rundum. Siebenstufenautomat mit wahlweise manueller Bedienung per Lenkradwippen. Heckantrieb Motor

V8-Zylinder-Benziner, 2x2 oben liegende Nockenwellen (Kette), Bi-Vanos-Ventilsteuerung, 4 Ventile pro Zylinder, Direkteinspritzung, je zwei Turbolader und Ladeluftkühler, Stopp-Start-System mit Bremsenergierückgewinnung

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

4663 92,9 x 86,0 10,5:1 455 (335) @ 5250–5500 700 @ 1800–3500 A7

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

525/190/149 316,5 162/164 245/50 R 18 auf 8,0J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

80 530 2015 2730 6,17

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

4,6 250

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

9,1 213 D 145 000.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

016 VECTURA #8


Fahrtermin

Der erste Eindruck ist – Schweben. Die neue S-Klasse ist nochmals deutlich leiser, beinahe flüsternd, ohne den Antrieb zu verleugnen

handlichen und agilen Fahrgefühl bei. Auch auf kurvenreichen Schwarzwald-Strassen verweigert sich der Chef-Mercedes keineswegs. Das Getriebe sortiert die Gänge bei entsprechendem Gaspedaleinsatz auch ohne manuelles Eingreifen blitzschnell, lässt das stattliche Gefährt überraschend leichtfüssig nach vorne schiessen. Ebenso dezidiert wird vor Kurven verzögert: Die Bremsen sind gut dosierbar und schwächeln auch nach rasanter Talfahrt nicht. Grossen Anteil am handlichen Fahrgefühl und am spontanen Einlenken hat die ausgewogene Balance der neuen S-Klasse: Ihre Luftfederung mit stufenloser Dämpfungsregelung verhindert eine zu starke Seitenneigung der grossen Fuhre. Nur in ganz engen Kehren lässt sich das stattliche Gewicht nicht verleugnen – da ist angemessene Geduld gefragt.

Kaum auf dem Markt und schon getunt Die Brabus-Version der neuen S-Klasse trumpft im V8-Modell mit bis zu 730 PS und 1065 Nm (!) auf. Die Top Speed liegt dann bei verbrecherischen 325 km/h und natürlich gibt es auch optische Unterschiede zur profanen S-Serie: 21-Zoll-Felgen sind ebenso im Angebot wie ein Aerodynamik-Paket oder Innenraum-Veredelungen. Wenn die Bottroper so etwas machen, ist das kein billiges Pimpen, sondern professionelles Handwerk: Seit 1977 individualisiert man den Stern aus Stuttgart; in der Schweiz wird Brabus exklusiv von Sahli & Frei in Effretikon vertreten.

Als Alternativen stehen ein 3,5-Liter-V6-Benziner (306 PS), der im S 400 Hybrid von einem 20 kW starken Elektromotor unterstützt wird, sowie ein Dreiliter-V6-Turbodiesel mit 258 PS (Verbrauch ab 5,5 L/100 km) zur Verfügung; Letzteren gibt es auch als Hybrid-Version mit 204 PS (Verbrauch 4,4 L/100 km). Alle Triebwerke verfügen über eine Stopp-Start-Funktion; weitere Motoren sollen folgen. Der Allradantrieb 4matic wird bereits Ende Jahr verfügbar sein. Entwicklungsvorstand Thomas Weber gestattet einen Blick in die Zukunft: «Die aktuellen Triebwerke sind erst der Anfang unserer Green-Leadership-Offensive. Schon bald folgt mit dem S 500 Plug-in-Hybrid die erste S-Klasse, die beim Verbrauch eine 3 vor dem Komma tragen wird.»

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Herbst 2013 017


S-Klasse-Chronik Für das Topmodell hat sich Mercedes schon immer mächtig ins Zeug gelegt; die Historie dieser Baureihe ist mit Innovationen gepflastert. Schliesslich verfolgte man stets die Maxime, das beste Auto der Welt herzustellen – als Visitenkarte, Flaggschiff und Statussymbol Ein erster Superlativ der Automobil-Geschichte war der Mercedes Simplex. Er wurde von 1903 bis 1905 gebaut. Sein Vierzylinder leistete 60 PS. 1928 bis 1933 folgte der Mercedes-Benz Nürburg mit Pullman-Karosserie und dem ersten Achtzylinder des Hauses. Der Mercedes-Benz 770 (W07 und W150) von 1930 bis 1943 besass den ersten Kompressor-Achtzylinder, zwei Zündkerzen pro Zylinder und eine De-Dion-Hinterachse. Der aerodynamische Mercedes-Benz 320 (W142) von 1937 bis 1942 verfügte als erster über ein vollsynchronisiertes Vierganggetriebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Limousinen-Spitzenversionen jeweils ein S in der Modellbezeichnung. Der 220 S (W187) von 1954 bis 1959 verfügte über eine selbsttragende Karosserie, eine getrennt regelbare Heizung mit Lüftung, Brems-

Generation S-Klasse W116, 1972 bis 1980. Länge/Breite/Höhe: 4,96/1,87/1,43 m, Gewicht ab 1610 kg, Motoren mit 160 bis 286 PS, ABS-Bremsen (ab 1978 als Option), Tempomat, Automatikgetriebe, erster Dieselmotor ab 1978, Preis ab CHF 34 600.– (1973)

Generation S-Klasse W126, 1979 bis 1991. Länge/Breite/Höhe: 5,00/ 1,82/1,43 m, Gewicht ab 1560 kg, Motoren mit 160 bis 286 PS, neue V8-Aluminium-Motoren, Luftwiderstandsbeiwert cW = 0,37, Katalysator als Option ab 1985, Fahrer-Airbag als Option ab 1981, Antischlupf-Regelung als Option ab 1985, Preis ab CHF 39 950.– (1980)

018 VECTURA #8

trommeln mit Turbokühlung und ab 1958 erstmals eine Benzineinspritzung. Der 300 SE (W111 und W112) von 1959 bis 1965 kam mit Sicherheits-Fahrgastzelle, Scheibenbremsen, ZweikreisBremsanlage, Vierstufenautomatik, Zentralverriegelung und Luftfederung. Die spektakuläre Staatslimousine 600 (W100) von 1963 bis 1981 galt als Superlativ des Automobilbaus. Der 6,3-Liter-V8 leistete 250 PS. Die Fahrzeuglänge betrug 5,54 m, der Pullman mass stolze 6,24 m. Zum Kundenkreis gehörten Papst Paul VI., John Lennon, Elvis Presley und Herbert von Karajan. Mit dem Mercedes-Benz 250 S bis 300 SEL (W108/W109) von 1965 bis 1972 wurde eine neue Sicherheitslenkung eingeführt und im Spitzenmodell der 6,3-Liter-V8 des 600 montiert, welcher für Fahrleistungen auf Sportwagen-Niveau sorgte. sl


rückspiegel

Generation S-Klasse W140, 1991 bis 1998. Länge/Breite/Höhe: 5,11/1,89/1,49 m, Gewicht ab 1890 kg, Motoren mit 150 bis 408 PS, Vierventiltechnik, verstellbare Einlassnockenwellen, Fünfstufenautomatik, Parameterlenkung, Doppelverglasung, höhenverstellbare Sicherheitsgurte, Klimaautomatik, adaptive Stossdämpfer, ESP, Parktronic, Navigationssystem, Xenonlicht, Preis ab CHF 97 880.– (1992)

Generation S-Klasse W220, 1998 bis 2005. Länge/Breite/Höhe: 5,04/1,86/1,44 m, Gewicht ab 1695 kg, Motoren mit 197 bis 612 PS, Leichtbaukarosserie, Luftwiderstandsbeiwert cW = 0,27, automatische Zylinderabschaltung, Siebenstufenautomatik, Sitzbelüftung, Distronic, Bi-Xenonlicht, Pre-Safe, Allradantrieb als Option, Preis ab CHF 97 700.– (1999)

Generation S-Klasse W221, 2005 bis 2013. Länge/Breite/Höhe: 5,08/1,87/1,47 m, Gewicht ab 1735 kg, Motoren mit 204 bis 630 PS, Luftwiderstandsbeiwert cW = 0,26, Aktive Fahrwerksregelung, Nachtsicht-Assistent, Totwinkel-Assistent, Spurhalte-Assistent, erster 4-Zylinder der S-Klasse, Preis ab CHF 98 300.– (2005)

Herbst 2013 019


technik

Besuch aus der Zukunft Die Mercedes S-Klasse ist traditionell als technologischer Vorreiter zu verstehen: Einige ihrer Zutaten werden sukzessive auch in kleineren Baureihen des Hauses zu finden sein. die sechste S-Klasse-Generation beinhaltet natürlich wieder eine Vielzahl faszinierender Systeme – hier sind die interessantesten Text Stefan Lüscher

Distronic Plus mit Lenkassistent und Stopp&Go-Pilot Dieser Tempomat mit Radar-basierter Abstandsregelung zum Vordermann ist um einen Lenkassistenten und eine Stop-and-Go-Funktion erweitert worden. Mittels Kameras kann sich das System an Fahrbahnlinien oder am Vordermann orientieren und dabei in StauSituationen selbständig anhalten, anfahren und über die elektromechanische Direktlenkung die Spur halten. Es ist ein weiterer Schritt zum autonom fahrenden Automobil. Vorrangig entlastet das aktive System im heute so häufigen Kolonnenverkehr und hilft Auffahrunfälle zu vermeiden. BAS Plus mit Kreuzungsassistent Während der Bremsassistent bisher nur vorausfahrende Hindernisse auf dem Radar hatte, sind die unter dem Begriff «Intelligent Drive» zusammengefassten Stereokameras und Radarsensoren nun auch vor Querverkehr auf der Hut: Das System registriert Autos, Fussgänger, Velos oder Tiere – und das Tag und Nacht. Droht ein Kreuzungsunfall, wird der Fahrer durch optische und akustische Warnung zur Notbremsung aufgefordert. Bei zu zaghaftem Bremsen unterstützt es den Fahrer notfalls bis zur Vollbremsung. Der Kreuzungsassistent arbeitet bis zu einem Tempo von 72 km/h. LED-Licht-Konzept Die neue S-Klasse kommt als erstes Serienfahrzeug komplett ohne Glühlampen aus. Stattdessen übernehmen knapp 500 LED die Beleuchtung von Strasse und Fahrzeug inklusive Kofferraum. Je 56 LED bilden eine Scheinwerfereinheit, die auf Wunsch mit dem adaptiven Fernlichtassistenten gekoppelt ist. Der ermöglicht das Fahren mit Dauerfernlicht, weil erkannte Verkehrsteilnehmer (Vorausfahrende und Gegenverkehr) im Lichtkegel automatisch «umleuchtet» und damit nicht geblendet werden. Die Rückleuchten setzen sich aus je 35 LED zusammen und können je nach Umgebungslicht und Tempo unterschiedlich hell leuchten. Rund 300 LED übernehmen die Innenraumbeleuchtung inklusive Ambiente-Licht. Die kompakte Technologie verschafft den Designern bessere Gestaltungsmöglichkeiten; LED sind zudem wesentlich langlebiger und sparsamer. Allein die LED-Scheinwerfer reduzieren den Verbrauch gegenüber Halogen-Lichtern um immerhin 0,05 L/100 km. Aktiver Spurhalteassistent Das bekannte System ist durch wichtige Funktionen erweitert worden: Es erfasst nicht mehr nur die Spur und warnt beim Verlassen durch Lenkradvibrationen. Neu überwacht dieser Assistent mittels Kameras, ob beim Verlassen der Spur Gegenverkehr naht – und checkt mittels zusätzlicher Heckkamera, ob man sich mit Parallelverkehr auf Kollisionskurs befindet. Im Gefahrenfall korrigiert das System mittels ESP mit ei020 VECTURA #8

nem dosierten, einseitigen Bremseingriff. Ähnlich funktioniert der Seitenwind-Assistent: Luftströmungseinflüsse werden mit einseitigem Bremseingriff korrigiert; bei Fahrzeugen mit adaptiv-automatischem Fahrwerk geschieht das primär über eine gezielte Radlastveränderung durch Verstellung der Dämpfer. Pre Safe Plus mit Heckaufprallschutz Die neue S-Klasse ist vorne und hinten mit insgesamt sechs Radarsensoren abgesichert. Dazu kommen vier Kameras, eine neuartige Stereokamera mit zwei Objektiven und zwölf Ultraschallsensoren. «Damit hat die neue S-Klasse nicht nur vorne Augen, sondern auch hinten», präzisiert Entwicklungs-Vorstand Thomas Weber: «Das erweiterte Pre Safe Plus kann damit auch einen drohenden Auffahrunfall erkennen, den Auffahrenden mit Warnblinken in hoher Frequenz und Leuchtkraft warnen und den Aufprall mit diversen präventiven Massnahmen wie starkes Bremsen entschärfen, damit eine Folgekollision verhindern und das Risiko eines Schleudertraumas reduzieren.» Beltbag für Fondsitze Es handelt sich um einen in den Sicherheitsgurten der Rücksitze integrierten Airbag. Er verbreitert die Auflagefläche bei einem Frontalaufprall um fast das Dreifache, reduziert so die auf Passagiere wirkenden Kräfte und damit deren Verletzungsrisiko. Burmester High-End 3D-Surround-Sound Gegen Aufpreis kann die S-Klasse mit einem Stereosystem der Extraklasse bestückt werden. Die Klangqualität ist auch in Wohnungen kaum zu übertreffen. 24 perfekt abgestimmte Lautsprecher mit einer Gesamtleistung von 1540 Watt, ein 24-Kanal-Verstärker und eine Fahrzeuggeräusche-Kompensation sorgen für makellosen 3DSurround-Sound und ein bisher unerreichtes Hörvergnügen. Magic Body Control Die neue S-Klasse kann als erstes Fahrzeug Bodenwellen erkennen: Eine 3D-Stereokamera scannt die Strassenoberfläche und interagiert mit der kürzlich preisgekrönten 6D-Vision-Technologie, die auch von anderen Systemen der S-Klasse genutzt wird. Das MBC (siehe VECTURA #5) kann so tatsächlich manche Strassenunebenheiten neutralisieren, bevor sie zu den Passagieren durchschlagen. Möglich wird dies im Zusammenspiel mit dem adaptiven Dämpfersystem und der Luftfederung: Noch bevor die Vorderräder auf eine Unebenheit treffen, wird die Druckstufe der Stossdämpfer pro-aktiv weich gestellt. Scharfkantige Kanaldeckel und Schlaglöcher kann das neue System zwar noch nicht ausbügeln. Lästige Schwellen und Bahnübergänge passiert es aber beinahe schwebend.


Fahrtermin

Silberpfeil fürS Handgelenk.

Ingenieur Chronograph Silberpfeil.

treibt das Manufakturkaliber 89361 die Zeiger auf

Ref. 3785: Der Silberpfeil. Eine kompressorauf­

dem mit Perlage geschmückten Zifferblatt an. Die

geladene Legende, welche die Herzen von Renn­

Bodengravur eines Silberpfeil­Rennwagens vervoll­

sportenthusiasten höher schlagen lässt. So wie der

ständigt den Tribut.

i wc . e n g i n e e r e d fo r m e n .

Silberpfeil die Grossen Preise der 1930er­Jahre prägte, trug die Ingenieur massgeblich zu unserem heutigen Ansehen bei. Unsere auf 1’000 Stück limi­ tierte Hommage an die Boliden ist also kein Zufall: Im Edelstahlgehäuse der Chronograph Silberpfeil

Limitierte Auflage von jeweils 1’000 Exemplaren, Mecha­ nisches IWC­Manufakturchronographenwerk, Auto­ matischer IWC­Doppelklinkenaufzug, Datumsanzeige, Flybackfunktion, Entspiegeltes Saphirglas, Wasserdicht 12 bar, Gehäusehöhe 14,5 mm, Durchmesser 45 mm

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Gleiche Gene: IWC und Silberpfeil

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Herbst 2013 021


Länge läuft Die neue S-Klasse tritt gegen fünf Konkurrenten an. und die sind auch nicht von schlechten Eltern Text Stefan Lüscher · Fotos Werk

Luxuriöser Leichtbau: Audi A8 Das Flaggschiff von Audi verfügt über eine sogenannte SpaceFrame-Vollaluminium-Karosserie und -Bodengruppe. Damit ist die dritte Generation der Luxus-Limousine in der Basisversion gerade mal 1830 kg schwer. Allerdings ist der A8 gegenüber der neuen Mercedes S-Klasse auch kompakter: Bei einem Radstand von 2,99 Meter misst der Audi in der Länge 5,14 m, in der Breite 1,95 m und in der Höhe 1,46 m. Der Laderaum fasst 510 Liter. Die Langversion verfügt über einen Radstand von 3,12 m, die Gesamtlänge misst 5,27 m. Zum Herbst erfährt der grosse Audi eine umfassende Aufwertung inklusive Matrix-LED-Scheinwerfern, neuen Assistenzsystemen oder stärkeren wie sparsameren Motoren. Die Benziner verfügen nach wie vor über 4, 6, 8 und 12 Zylinder, leisten jetzt ab 258 bis zu 520 PS beim Topmodell S8. Die Leistungsspanne der Turbodiesel reicht von 258 (V6) bis 385 PS (V8). Ausser dem 2.0 TFSI Hybrid (Systemleistung 245 PS) und dem Diesel-Basismodell (Vorderradantrieb) verfügen alle Modelle über das Allradsystem Quattro; als Getriebe dient generell eine Achtgangautomatik. Die Preise standen bei Redaktionsschluss noch nicht fest, sollen sich aber zwischen rund 95 000 (3.0 TDI) und 175 000 Franken für den V12 bewegen.

Bayerischer Löwe: BMW 7er Die fünfte Auflage des klassischen S-Klasse-Gegenspielers wurde bereits 2005 präsentiert und geht damit dem Ende ihres Lebenszyklus entgegen. Dank intelligentem Leichtbau begnügt sich der Basis-7er sogar mit einem Gewicht ab 1825 kg. Bei einem Radstand von 3,07 m misst das Flaggschiff in der Länge 5,08 m; die Breite beträgt 1,90 m und die Höhe 1,47 m. Der Laderaum fasst exakt 500 Liter. Auch vom BMW gibt es eine Langversion mit einem Radstand von 3,12 m, die 5,22 m lang ist. Als Antriebe setzt BMW auf drehmomentstarke Turbomotoren. Die Benziner verfügen über 6, 8 und 12 Zylinder. Der mit einem generellen Facelift 2012 nachgeschobene ActiveHybrid (3.0 V6) hat eine Systemleistung von 354 PS, der 4,4-Liter-V8 bringt 450 PS und der 6.0-LiterV12 satte 544 PS. Die Power der Dreiliter-V6-Turbodiesel reicht von 258 bis 381 PS. Alle Modelle verfügen über den Achtstufenautomaten von ZF, sämtliche Diesel und der V8-Benziner weisen Allradantrieb auf. Die 7er-Preise starten bei CHF 106 200.– (730d xDrive) und das Topmodell, die nur mit Hinterradantrieb erhältliche Langversion 760i V12, steht mit CHF 210 500.– in der Preisliste.

022 VECTURA #8


Showroom

Feiner Brite: Jaguar XJ Der in dritter Generation seit 2009 und seit 2013 auch mit Allradantrieb erhältliche Jaguar XJ verfügt wie der Audi über eine Vollaluminium-Karosserie. Sein Gewicht wird mit mindestens 1775 kg angegeben. Bei einem Radstand von 3,03 m misst der elegante Engländer in der Länge 5,12 m, in der Breite 1,90 m und in der Höhe 1,45 m. Die Langversion verfügt über einen Radstand von 3,16 m und eine Gesamtlänge von 5,25 m. Der Laderaum fasst bei beiden Modellen 520 Liter. Die zum Teil neue Motorenpalette startet auch beim Jaguar mit einem Vierzylinder-Aggregat (2,0 L, 240 PS). Des Weiteren stehen bei den Benzinern der mit Allradantrieb kombinierte Dreiliter-Kompressor-V6 (340 PS) und ein Fünfliter-V8-Kompressor (510 PS) im Angebot. Der Dreiliter-Turbodiesel leistet 275 PS. Alle Triebwerke bringen die Kraft via Achtstufenautomatik auf die Strasse. Preislich beginnt die sportlich geschwungene Luxus-Limousine aus England bei CHF 109 500.– (2.0), das Topmodell (5.0) kostet in der Langversion CHF 196 300.–.

Fernost-Flair: Lexus LS Die Edelmarke aus dem Hause Toyota startete 1988 mit der Luxuslimousine LS. Die 2013 facegeliftete dritte Generation der japanischen Oberklasse LS hat sich in erster Linie als Hybridmodell und mit ihrem seidenweichen Lauf einen Namen gemacht. Die Länge beträgt 5,09 m, die Breite 1,88 m und die Höhe 1,47 m; der Radstand misst 2,97 m. Die ausschliesslich als Hybridmodell mit Topausstattung erhältliche Langversion ist 5,21 m lang, dies bei einem Radstand von 3,09 m. Beide Modelle verfügen über eine Laderaumkapazität von stattlichen 560 Liter. Das Gewicht beginnt bei 1940 kg. Der LS 460 verfügt über einen 4,6-Liter-V8-Benziner. In Verbindung mit Hinterradantrieb leistet er 388 PS, bei den Allradversionen sind es 270 PS. Das Hybrid-Modell LS 600h ist ausschliesslich mit Allradantrieb erhältlich; unterstützt von einem Elektromotor kommt der Fünfliter-V8-Benziner auf eine Systemleistung von 445 PS. Während der LS 460 ebenfalls über eine Achtstufenautomatik verfügt, setzt das Hybridmodell auf ein stufenloses Getriebe. Die Preise beginnen für den LS 460 bei CHF 113 600.–; das Topmodell kostet als Langversion CHF 177 200.–.

Italo-Express: Maserati Quattroporte Der Anfang 2013 in Detroit in sechster Generation präsentierte Viertürer hat in seinen Dimensionen deutlich zugelegt und orientiert sich jetzt an den direkten Konkurrenten im Luxussegment. Bei einem Radstand von stolzen 3,17 m misst er in der Länge 5,26 m, in der Breite 1,95 m und in der Höhe 1,46 m. Sein Laderaum fasst mit 530 Liter nun 80 L mehr als beim Vorgänger. Trotzdem konnte das Gewicht um rund 100 kg gesenkt werden und wird jetzt ab 1860 kg beziffert. Neu sind auch die Aggregate, ein Dreiliter-Twin-Turbo-V6 mit 410 PS und ein kompakter 3,8-Liter-Twin-Turbo-V8 mit 530 PS. Dazu soll später ein Turbodiesel-Aggregat kommen. Erstmals gibt es den von Pininfarina gezeichneten Italiener auch mit Allradantrieb. Als Kraftübertragung steht allen Modellen die schon bei der Konkurrenz eingesetzte Achtstufenautomatik von ZF zur Verfügung. Die Schweizer Preise starten bei 126 900 Franken für den S Q4 (V6 und Allradantrieb); das V8-Modell kostet ab CHF 171 900.–. Herbst 2013 023


RUBRIKEN

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RUBRIKEN

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Fahrtermin

Fliegender Spurwechsel Die neue «kleine» Bentley-Limousine soll nicht nur etwas schöner, grösser, stärker und sparsamer sein als ihr Vorgänger, sondern auch den Absatz ankurbeln – vor allem im Reich der Mitte. Deswegen gibt sich der zweite Bentley Flying Spur hauptsächlich luxuriöser und weicher als zuvor. Folgerichtig absolvierten wir die Erstfahrt in Peking Text Roland Löwisch · Fotos Max Eary, Jamie Lipman, Charlie Magee

V

ermutlich wäre es falsch, Chinas Hunger nach Luxus, das Streben nach Reichtum und das extreme Wirtschaftswachstum des Riesenreiches auf eine Aussage Deng Xiaopings Anfang der 80er-Jahre zu reduzieren. Doch immerhin fabulierte der damalige Staatschef sinngemäss von einem «Sozialismus chinesischer Prägung, bei dem es prachtvoll sein könnte, reich zu werden…» Viele Chinesen haben sich danach gerichtet: Heute gibt es nach einer Studie der Managementberatung A.C. Kearney rund 1,2 Millionen Chinesen mit einem Vermögen von etwa je 1,2 Millionen Euro – und 63 000

026 VECTURA #8


Menschen mit einem Vermögen von etwa je zwölf Millionen Euro. In den nächsten Jahren sollen diese Zahlen um acht bis 30 Prozent wachsen. Ein schlechter Luxusautohersteller wäre, wer sich nicht mit Nachdruck dieser Klientel anbieten würde. Kearney rät, dafür lokal angepasste Produkte für die besonderen Geschmäcker der JungMillionäre zu entwickeln. Dabei seien marktführende Technik und Fahrdynamik weniger erheblich. Dem Chinesen an sich ist Komfort, Platz und sichtbarer Luxus viel wichtiger.

Das ist die perfekte Spielwiese für einen neuen Bentley Flying Spur, den uns der britische Hersteller in deutscher Hand auch gleich in China testen liess, um ganz deutlich zu machen, für welchen Markt dieses Auto vorrangig gedacht ist. Auch wenn der Vorgänger seit 2005 insgesamt rund 20 000 Mal verkauft wurde und von den 2012 verkauften 2100 Stück genau 1164 Stück (55 Prozent) nach China gingen, war es Zeit für eine Auffrischung. Schliesslich sollen künftig sogar 60 Prozent der Flying-SpurProduktion ins weiterhin aufstrebende Reich der Mitte exportiert werden.

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Fahrtermin

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Peking ist heute ein Neun-Millionen-Moloch. Bentley-Kunden gehÜren zur Wirtschafts-Elite – und durchqueren den Smog in luftgefilterten Kabinen

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FAHRTERMIN

Erster Schritt: Bentley streicht beim neuen Flying Spur das «GT» aus der bisherigen Namenskombination, um der Limousine schon mal mehr Eigenständigkeit zu verleihen. Der zweite Schritt ist ein neues Design: Wirkte der Vorgänger immer ein bisschen wie ein Continental GT mit zu spät erdachtem und deshalb etwas lieblos angeklebtem Limousinen-Heck, verlaufen die Linien nun wesentlich harmonischer. Die Karosserieelemente sind stärker ausgeformt, der Body wirkt schlanker, der jetzt breitere Radstand und die stärker betonten hinteren Radhäuser vermitteln Dynamik. Besonders der neu geformte und längere Heckdeckel sowie die nun horizontal angeordneten Rückleuchten mit grossen Ellipsen tragen zum wesentlich eleganteren Eindruck bei. Vorne sind die äusseren Leuchten jetzt grösser als die innen liegenden, was den Flying Spur noch deutlicher vom GT-Coupé unterscheidet. Innen sollen rund 600 Teile neu sein, versichert Bentley, nur Dinge wie Sonnenblenden, Türgriffe, Armlehnen und ein paar Schalter am Armaturenbrett sind übernommen worden. Bestens verarbeitetes Leder oder Holz dominieren nach wie vor und der aufstrebende Chinese kann nun auch per Fernbedienung vom Fond aus diverse Systeme steuern wie die (optionale) 1100-Watt-Naim-forBentley-Anlage. Überhaupt wird er sich hinten nicht langweilen, falls die Multimedia-Spezifikation an Bord ist: Zehn-Zoll-LCDBildschirme, WLAN-Hotspot, 64-GB-Festplatte, USB-Anschlüsse, DVD-Einschub und noch mehr sollen ihm die Fahrten zu seinen Fabriken verkürzen. Luxus eben. Dabei wird es ihn eher weniger interessieren, dass der neue Flying Spur um 50 Kilo gegenüber seinem Vorgänger abgespeckt hat, mit 322 km/h Spitze auch schnellste Bentley-Limousine aller Zeiten genannt werden darf, seine Karosserie um vier Prozent steifer ist und der Motor trotz zwölf Prozent mehr Leistung nun 13,5 Prozent weniger Kraftstoff konsumiert. Ihm werden die Eckdaten reichen, um des Nachbars neidisches Gesicht zu geniessen: 625 PS, Achtganggetriebe, permanenter Allradantrieb, der Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,6 Sekunden. Schade, dass wir das alles nicht so richtig ausprobieren können – dazu sind die chinesischen Städte wie Peking, wo wird starten, zu voll und die chinesischen Gefängnisse, die uns bei Verkehrsübertretungen jeder Art drohen, zu ungemütlich. Was aber sofort auffällt, ist die Ruhe in dem grossen Wagen – eine Eigenart, die der gemeine Chinese eigentlich nur geniessen kann, wenn er in einem Auto sitzt. Mit grossem Aufwand hat Bentley Geräuschdämmung betrieben: Die Auspuffanlage erhielt ein neues Layout, die Endschalldämpfer glänzen jetzt mit 18 Liter

Volumen, der Unterboden wurde neu eingekleidet, neue Komfortreifen wurden aufgezogen. Serienmässig sind 19 Zoll, machbar sind 21. Dazu hat Bentley Akustikglas verwendet, die Fensterdichtungen doppelt ausgelegt, die Motoraufhängung optimiert. Das Ergebnis ist ein um 40 Prozent reduzierter Lärmpegel im Innenraum, wobei man schon beim Vorgänger nicht gerade von einer Lärmschüssel reden konnte. Auffällig ebenso die neue Fahrwerksabstimmung, die den scheinbar äusserst sensiblen verlängerten Rücken der Chinesen angepasst wurde. Denn die mögen es weich. Also verringerte Bentley die Federraten der Dämpfung vorne um zehn und hinten um 13 Prozent, legte die Querstabilisatoren um 13 bis 15 Prozent softer aus, ebenso die Lagerbuchsen – um sogar 25 bis 38 Prozent. Herausgekommen ist eine luftgefederte Sänfte, die man selbst mit der extremsten der vier möglichen, per Touchscreen einstellbaren Fahrwerksabstufungen nicht wirklich hart bekommt. Gut für den chinesischen Cruiser, nicht voll befriedigend für den Schweizer Geschäftsmann, der sich auch gerne mal selber ans Steuer setzt und die 625 PS über deutsche Autobahnen fliegen lassen will. Dafür wird nur er bemerken, dass sich die Fahrwerkshöhe aus aerodynamischen Gründen bei hohen Tempi ändert, denn in China sind 120 km/h auf Autobahnen das Maximum: Ab 195 km/h senkt sich die Limousine vorne um fünf und hinten um zehn Millimeter ab, bei 240 km/h sind es dann acht und 13 mm. Insgesamt glänzt der neue Flying Spur mit einem cW-Wert von nur 0,29 – das ist ein gutes Ergebnis für so ein 2,5-Tonnen-Schiff. Ist der chinesische Kunde im Durchschnitt fünf bis zehn Jahre jünger als der westliche Käufer, den Bentley zwischen 40 und 50 Jahren einordnet, muss er wesentlich tiefer in die Tasche greifen, wenn er sich diesen Luxusschlitten gönnen will. Für einen Flying Spur in Basisausführung sind nicht zuletzt aufgrund diverser Luxussteuern 4 058 000 Renminbi Yuan hinzublättern, das wären umgerechnet gut 600 000 Franken. Der glückliche Schweizer zahlt nur 271 300 Franken inklusive Steuern – und für die Edelversion Mulliner einen Aufschlag von humanen 16 000 Franken. Irgendeinen Vorteil muss es ja noch haben, in Europa zu leben…

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fahrtermin

Technische Daten Bentley Flying Spur Konzept Zweite Generation der «kleinen» viertürigen Bentley-Limousi- ne mit vier Türen, luxuriöser Ausstattung und grossem Kofferraum. Permanenter Allradantrieb (40:60 hecklastig), ZF-Automat mit Quickshift und Lenkrad-Schaltwippen Motor

Zwölfzylinder in W-Form, vier obenliegende Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Zahnriemen, zwei Turbolader, zwei Ladeluftkühler, Superbenzin bis E20 konsumfähig

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

5998 84 x 90,2 9,0:1 625/460 @ 6000 800 @ 2000 A8

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

529,5/197,5/149 306,5 164,5 / 164 275/45 ZR 19 auf 9.5J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

90 475 2475 2972 3,96

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

4,6 322

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

14,7 343 G 271 300.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

032 VECTURA #8


RUBRIKEN

Designed f체r den Bodyguard in dir. Der neue Volvo XC60 mit Velofahrerund Fussg채nger-Erkennung.

Herbst 2013 033


RUBRIKEN

Sieg und Serie Nismo ist nicht viel jünger als AMG oder die M GmbH. Seit wenigen Monaten verkauft die japanische Tuningschmiede auch in Europa. Höchste Zeit also, die Geschichte und Zukunft der Nissan-Tochter zu beleuchten Text Simon Baumann · Fotos Werk

I

m März 1964, als der Tunnel unter dem Grossen Sankt Bernhard eröffnet wird, die ersten Ford Mustang von den Bändern laufen und die Beatles die Plätze 1 bis 5 der USamerikanischen Hitparade belegen, wird im fernen japanischen Murayama unter grossem Zeitdruck ein Fahrzeug entwickelt, das Automobilgeschichte schreiben wird. Am 1. Mai erhält der Skyline 2000 GT S54 seine Homologation – nur zwei Tage vor seiner Premiere bei einem Tourenwagen-Rennen in Suzuka. Dort fährt er prompt auf die Plätze 2 bis 6, nur geschlagen von einem Porsche 904 GTS. Bei dem von der Prince Motor Company entwickelten BasisSkyline Typ S50 handelt es sich um die zweite Modellgeneration einer kompakten Mittelklasse-Limousine. Die Ingenieure sehen jedoch Chancen im Motorsport – und statten den Viertürer nach Feierabend mit einem 105 PS starken Zweiliter-Reihensechszylinder aus, der dem grösseren Prince Gloria Super 6 entnommen ist. Um den Motor unterbringen zu können, muss der SkylineVorderwagen um 20 Zentimeter verlängert werden. 100 Exemplare werden entstehen; sie sind leicht und gehören zu den ersten Power-Limousinen der Welt.

Rückblickend markiert der S54 die Geburtsstunde der «Nissan Motorsports International Co. Ltd», kurz: Nismo. Nissan wird Prince zwar erst 1966 übernehmen und die eigene Renn-Division weitere 18 Jahre später gründen, um die Aktivitäten zu bündeln und sowohl die Werksteams als auch die steigende Zahl von 034 VECTURA #8

Kundenautos fachgerecht betreuen zu können. Doch Nismo steht gleichwohl für den Hochleistungs-Anspruch und die stolze Motorsport-Historie, deren Anfänge bald 50 Jahre zurückliegen. Die dem ersten Skyline folgenden Evolutionsstufen fahren in der japanischen Meisterschaft fast alles in Grund und Boden. Der 1967 eingesetzte, 88 PS leistende Skyline S57 verfügt dann über den stärksten 1,5-LMotor seiner Epoche. Zwei Jahre später führt Nissan das Kürzel GT-R ein, welches zum Mythos werden wird: Zunächst bezeichnet es eine Skyline-Limousine, 1971 folgt ein rassiges Coupé mit dem internen Code KPGC-10. Der Erfolg des Duos im japanischen Motorsport sucht bis heute seinesgleichen: Die Limo siegt in 33 Rennen, der Zweitürer baut diese Erfolgsserie auf 50 Siege aus – und das in nicht einmal drei Jahren. 1986 nimmt Nissan unter Federführung von Nismo erstmals am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teil. Es ist der Beginn eines langfristigen Engagements, das in den folgenden Jahren zum Einsatz zahlreicher von Nismo präparierter GT und Prototypen auf dem berühmten Kurs im Departement Sarthé führt. 1988 debütiert dann der erste reinrassige Nissan-Rennwagen – ein offener Einsitzer auf Basis der Roadster-Studie Saurus, konzipiert für einen Markenpokal und später von Rennfahrerschulen gern genutzt. Gleichzeitig wird in England die Nismo Motorsports Europe (NME) gegründet, um gemeinsam mit Lola einen LM-Prototypen aufzubauen. Das folgende Jahr sieht dann die Enthüllung eines Tourenwagens von Nissan, der nicht nur die japanische, sondern auch die weltweite Gemeinde der Motorsportfans aufhorchen


Markenkunde

Nismo-Keimzelle: Prince Skyline 2000 GT R54 von 1964

lässt: der Nissan Skyline GT-R R32. Mit Allradantrieb und Allradlenkung trägt dieses Auto von Beginn an eine totale Dominanz zur Schau. R32-GT-R-Modelle nach Gruppe-A-Reglement gewinnen auf nationaler Ebene 29 Rennen in Folge und haben zwischen 1990 und 1993 ein Dauer-Abonnement auf die japanische GT-Meisterschaft.

Beim berühmten Bathurst 1000 in Australien tritt der R32 gegen die mächtigen Holden- und Ford-V8 an – und besiegt sie zweimal. Auch die australische Tourenwagen-Meisterschaft steht zwischen 1990 und 93 ganz im Zeichen des GT-R R32. Ob dieser Überlegenheit ersinnt ein australischer Journalist in Anspielung auf das grausame Trickfilm-Monster aus Japan den ehrfürchtigen Spitznamen Godzilla. Auch in Europa hinterlässt das Ungeheuer riesige Fussabdrücke: 1991 eilt es bei den 24 Stunden von SpaFrancorchamps zum Gesamtsieg; im gleichen Jahr streicht der R32 bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring den Klassensieg in der Gruppe N ein. Für Fans gibt es daraufhin eine strassenzugelassene Nismo-Version. Dazu kommt ein virtueller Einsatz auf der Sony-Playstation: Im populären Spiel «Gran Turismo» avancieren Nismo-Modelle schnell zu globalen Superstars. 1995 umrundet der neue Skyline GT-R R33 als erstes Produktionsauto die Nürburgring-Nordschleife in unter acht Minuten. Mit dem R34 folgt der erste Renntourenwagen, den Nismo komplett in Eigenregie baut: Dessen 2,8-Liter-Biturbo-Sechszylinder leistet in der V-Spec-Version satte 500 PS; für begeisterte Kunden

Nachfolger: der Skyline 2000 GT-R von 1969

1972 bringt Nissan ein neues Coupé namens Skyline HT 2000 GT-R

Herbst 2013 035


Markenkunde

Erstmals mit Allradantrieb und Allradlenkung: Der GT-R R32 sorgte 1989 auch in Europa für Aufsehen

baut man 20 Strassenautos. Gesamtsiege in Spa und Le Mans folgen und machen Nismo auch in der europäischen Szene bekannt. In der Heimat beteiligt sich Nissan mit dem R34 zwischen 1999 und 2003 an der Super-GT-Meisterschaft und erringt zweimal den Titel – sowohl bei den Fahrern als auch den Teams. Einer der beiden siegreichen Piloten ist der Deutsche Michael Krumm. 2004 kommt es dann zur Wachablösung durch den Nissan 350Z, der gleich bei seinem ersten Einsatz triumphiert und Nissan die Fahrer- und Teamwertung sichert; 2005 reicht es dann noch einmal zum Gewinn der Mannschaftswertung. Auch abseits der Rennstrecken zahlt sich die Nismo-Expertise aus. Ein Höhepunkt ist zweifellos die Rallye Dakar 2004, bei der der Schotte Colin McRae auf einem Nissan-Pick-up zwei Etappensiege erringen kann. Parallel schliesst Nismo die Lücke zwischen Renn- und Strassensportwagen: Nach dem Vorbild von Firmen wie AMG entsteht ein Sortiment hochwertiger Tuningteile mit Werksgarantie für all jene, die ihr Fahrzeug mit Technik aus den Nissan-Rennwagen verbessern wollen. In der Folge tauchen verstärkt leistungsgesteigerte und optisch veredelte Nismo-Modelle auf Japans Strassen auf. Die Präsentation des neuen Nissan GT-R R35 lenkt den Blick ab 2008 wieder verstärkt auf den Motorsport: In der Super-GT-Serie schafft Nissan mit dem Nachfolger des 350Z auf Anhieb die Meisterschaft – und wiederholt dieses Kunststück 2011 und 12. 036 VECTURA #8

Auch in Le Mans werden neue Erfolge gefeiert: 2011 holt sich Nissan die beiden ersten Plätze in der LMP2-Klasse. Zu den drei Piloten des zweitplatzierten Autos gehört Lucas Ordoñez, erster Sieger der GT Academy für die schnellsten Piloten auf der SonyPlaystation. Damit stellt Nissan quasi nebenbei die Richtigkeit des Förderprogramms unter Beweis, das aus virtuellen Top-Piloten echte Siegrennfahrer schmiedet. 2012 dominieren Nissan und Nismo dann zum zweiten Mal in Folge die japanische SuperGT, während der neue GT-T Nismo GT3 erste Testrennen absolviert und anschliessend sein erstes Rennen gewinnt. Bei Demonstrationsfahrten mit dem Leaf Nismo RC – unter anderen im Vorfeld der 24 Stunden von Le Mans – beweist die Renndivision, dass Motorsport auch ohne Emissionen funktioniert. So weit die eindrucksvollsten Ergebnisse einer stolzen Siegesbilanz, auf die Nismo mittlerweile verweisen kann. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis man die Sportmodelle der hauseigenen Rennabteilung auch ausserhalb Japans anbieten würde. Ende Februar 2013 hat man im Yokohama-Stadtteil Tsurumi eine neue Unternehmenszentrale samt angegliedertem Entwicklungszentrum eröffnet; 180 Mitarbeiter sind hier tätig. Sie werden jährlich mindestens ein Nismo-Modell vorbereiten; den Auftakt bilden der Juke Nismo (siehe S. 040) und der 370Z Nismo. Jedem Strassensportwagen «engineered by Nismo» liegt laut Nissan eine klar definierte DNA zugrunde: Neben Qualität und Effizienz sind das typische Designfeatures, sportliches Handling und überlegene Leistung.


Made for Le Mans: Rennausführung des GT-R R33

Er löste vor allem in England Begehrlichkeiten aus: 1999er Skyline GT-R, hier die V-Spec-Ausführung

Setzt das Erbe seit 2007 fort: Nissan GT-R, hier der Modelljahrgang 2014

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Vollelektrisch: der aktuelle Nissan Leaf Nismo RC

Neues Kapitel: Der Nismo Zeod RC (Zero Emission On Demand Racing Car) soll 2014 in Le Mans starten

038 VECTURA #8


Markenkunde

Der Super GT500 der japanischen Rennserie bildet die Basis für den kommenden GT-R Nismo mit über 600 PS

In seiner neuen Rolle wird Nismo auch die künftigen MotorsportAktivitäten des Unternehmens noch intensiver vorantreiben. Dazu gehören unter anderen die australische V8-Supercar-Serie und die japanische Super-GT. In der neu aufgelegten FIA-GTSerie ist Nissan mit zwei GT-R Nismo GT3 dabei, dazu kommen nationale Serien in England, Frankreich und Deutschland. In Le Mans fuhren 2013 nicht weniger als 17 Fahrzeuge der LMP2-

Klasse mit einem von Nismo entwickelten 4,5 Liter grossen V8Saugmotor – das entspricht einem Drittel des Starterfeldes und ist das stärkste Engagement eines Motorenherstellers beim Langstrecken-Klassiker seit 15 Jahren. Zugleich kündigte das Unternehmen sein Comeback bei den berühmten 24 Stunden an: «Wir werden 2014 mit einem Fahrzeug zurückkommen, das unter den härtesten Bedingungen zukünftige Elektroantriebe für unsere Strassen- und Rennsportwagen erprobt», sagt Nissan-CEO Carlos Ghosn. Der Prototyp wird aus der Experimental-Fahrzeugen vorbehaltenen «Garage 56» starten und soll die Elektrifizierung von Rennwagen vorantreiben. Weitere Nismo-Superlative dürften also nicht lange auf sich warten lassen. Und auch das nächste Strassenmodell ist schon terminiert – für 2014, wenn die Nissan-Tochter ihren 30. Geburtstag feiert.

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Die Kunst einer perfekten Folierung steckt im Detail Herbst 2013 039

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King Kong junior Nissan hat seinen Crossover Juke nochmals gekreuzt – und mit Nismo-Genen angereichert. Das Ergebnis ist ebenso überraschend wie enttäuschend Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G. C. White

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ie Idee war völlig neu, das Medieninteresse entsprechend gross: 2011 präsentierte Nissan einen Spoilerübersäten und mit Testosteron vollgepumpten Juke-R. Angetrieben wurde der Monster-SUV von einem auf 545 PS gebrachten 3,8-L-V6-Twin-Turbo aus der Killer-Application Nissan GT-R – und knallte in nur 3,7 Sekunden auf Tempo 100. Das Basismodell, der 2010 eingeführte, knuffige Kompakt-SUV selbst, hatte da bereits die Grossstadt-Dschungel erobert: Bisher verkauften die Japaner international 350 000 Einheiten; allein in der Schweiz hat man bisher 5400 Juke absetzen können – beachtliche Zahlen, die beweisen, dass Nissan mit dieser Baureihe absolut im Trend liegt. So sehr, dass die Konzernschwester Renault inzwischen ein ähnliches Modell namens Captur lanciert hat – wenn auch nur als Fronttriebler. Der in England konzipierte Juke-R dagegen war zunächst als nicht ganz ernst gemeinter Joke gedacht: Man wollte die Reaktion der jungen «Need for Speed»-Generation testen – und die war total begeistert. Nachdem der Prototyp (es gab drei Exemplare) 040 VECTURA #8

2012 die Vollgas-Events dieser Welt beehrt hatte und dort jeweils von Menschentrauben umringt worden war, beschloss Nissan, eine strassentaugliche Serienvariante zu bauen. Der Umstand, dass man parallel eine sportive Serie unter dem im Motorsport traditionsreichen Nismo-Label lancieren wollte (siehe S. 034), gab dem Vorhaben zusätzlichen Schub. Der im englischen Nissan-Werk Sunderland gebaute Sport-Juke ist der erste Nismo für Europa und seit Sommer auch hierzulande verfügbar. Als dynamische Speerspitze der Baureihe geht es bei ihr vorrangig um den Image-Faktor und weniger um Stückzahlen. Mit seiner tiefer gelegten Karosserie, dem Sportfahrwerk und Aerodynamikpaket, dunkel lackierten 18-Zöllern mit Breitreifen und sportivem Interieur ähnelt das Serienmodell der Ende 2011 in Tokio präsentierten Juke-Nismo-Studie. Oder einem aus MangaComics entsprungenen Fantasiewesen. Oder, je nach Blickwinkel, einem muskulösen Gorilla. Als zusätzliche Erkennungsmerkmale gibt es rote Zierstreifen und Aussenspiegel – und natürlich Nismo-Logos auf dem Frontgrill, den Sitzlehnen und Einstiegsleis-


Fahrtermin RUBRIKEN

ten. Die Verarbeitung ist rundum in Ordnung; platztechnisch entspricht der Nismo allen anderen Juke-Varianten: Vier Erwachsene sitzen bequem, bei fünf wird´s eng. Auch der Kofferraum ist limitiert und wird durch die schräg stehende Heckscheibe zusätzlich eingeschränkt. Die Serienausstattung ist allerdings recht komplett und beinhaltet auch ein «Nissan Connect» genanntes Touchscreen-Multimediasystem inklusive Rückfahrkamera, iPodund USB-Anschlüssen, Bluetooth, dynamischer Navigation sowie Google-Übertragung: Mit ihr lassen sich Routen schon zu Hause planen und vor der Abfahrt ins Auto überspielen; ausserdem können Wetterberichte oder Benzinpreise an Tankstellen abgerufen werden. Ein Zusatz-Display zeigt fahrzeugrelevante Informationen wie das aktuelle Drehmoment, den Ladedruck oder die G-Kräfte in Kurven. Einmal eingestiegen, fühlt man sich als Fahrer sofort wohl. Die Rundumsicht nach vorne ist dank SUV-Aufbau und der damit verbundenen, etwas erhöhten Perspektiven souverän; allein der Rückblick nach schräg hinten wird von massiven C-Säulen und

der flachen Heckverglasung begrenzt. Die Schalensitze geben besten Halt; durch das Alcantara-Lederlenkrad mit Neutralstellungsmarkierung fällt der Blick auf einen rot beleuchteten Drehzahlmesser. Ausserdem wurde das Interieur farblich abgedunkelt, um den Blick aufs Wesentliche zu schärfen. So weit, so gut. Starten wir also den Motor. Der aufgeladene 1,6-L-Direkteinspritzer leistet jeweils zehn Pferdestärken und Newtonmeter mehr als das bisherige Juke-Topmodell 1.6 DIG-T. Die Nismo-Version klingt allerdings deutlich kerniger; das Ohr fährt schliesslich mit. Die Japaner bieten zwei Konfigurationen an – den reinen Frontantrieb mit manuellem Sechsganggetriebe oder einen variablen 4x4 mit CVT-Kraftübertragung. Letztere teilt dem eigentlich stufenlosen Automatikgetriebe sieben künstlich gesetzte Gänge zu. Die Allrad-Version verteilt die Antriebsmomente zwischen den Achsen situativ; ein zusätzliches «Torque Vectoring»-System variiert den Kraftschluss zwischen den Hinterrädern bis maximal 100 Prozent und wirkt auf diese Weise einem möglichen Untersteuern entgegen. Traktion ist also kein Thema beim Allrad-Nismo,

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Der Juke Nismo ist als Ouvertüre zu begreifen, die Lust auf mehr machen soll – den erst kürzlich eingeführten, 344 PS starken 370Z Nismo beispielsweise

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denn schon der von uns getestete FWD-Zwilling kommt mit aller Leistung auf den Vorderrädern erstaunlich gut klar. Beiden Versionen gemein sind die drei wählbaren Fahrprogramme Normal, Eco und Sport. Gut gefallen hat uns die Wendigkeit des bulligen Kompakt-Softroaders: Seine servo-reduzierte Lenkung ist feinfühlig genug, um das 1450 Kilo schwere Auto leichtfüssig und flott durch die Kurven zu dirigieren. Dabei erstaunt, wie gut es Nissan verstanden hat, die Federung des immer noch hochbeinigen Autos abzustimmen: Der Juke Nismo schwimmt nie, sondern vermittelt ein Gefühl von satter Strassenlage. Positiv empfunden werden auch Abrollkomfort und Bremsverhalten – Verzögerungen jedweder Intensität erfolgen allzeit zuverlässig. Ein Test-Durchschnittsverbrauch von rund neun Liter auf 100 km ist angesichts der Leistung noch okay. Worauf man dagegen vergeblich wartet, ist jene

Technische Daten Technische Daten nissan juke nismo Mercedes 2wd S 500 Langversion Konzept Neues Topmodell des populären Crossover-SUV. Fünf Türen und Sitze. Zahnstangenlenkung mit Servo, Scheiben- bremsen rundum (v. innenbelüftet). Vorne Einzelradaufhäng- ung (McPherson), hinten Verbundlenkerachse. Wahlweise mit Front- oder Allradantrieb Motor

Code MR16DDT. Vierzylinder-Benziner, 4 Ventile pro Zylinder, zwei oben liegende Nockenwellen (Kette), Direkteinspritzung, Turbolader und Ladeluftkühler

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Leistung in PS (kW) @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1618 79,7 x 81,1 200 (147) @ 6000 250 @ 2400–4800 M6

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

416,5/177/156,5 253 je 152,5 225/45 R18 auf 7J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

46 250–830 1290 1720 6,45

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

7,8 215

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

6,9 159 E 37 400.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

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Fahrtermin

Leistungs-Vehemenz, die einem der optisch wuchtige Auftritt suggeriert: Der Power-Juke geht gut und hat auch genug Punch für zügige Überholmanöver, keine Frage. Doch oberhalb von 3000 Touren passiert einfach nicht genug, um besonders sportliche Gefühle aufkommen zu lassen. So ist er in der Nismo-Liga als Ouvertüre zu begreifen, die Lust auf mehr machen soll – den erst kürzlich eingeführten, 344 PS starken 370Z Nismo beispielsweise. Und Nissan hat bereits bestätigt, als Dritten im Bunde einen GT-R Nismo anbieten zu wollen. Mit mindestens 17 700 Franken über der Juke-Basis oder 6500 Franken oberhalb des 1.6 DIG-T sind die Nismo-Versionen selbstbewusst eingepreist. Sie richten sich an zornige junge Männer, die keinen tiefer gelegten Subaru WRX STi fahren wollen. Und alle anderen, die bereit sind, für eine Extraportion viel mehr zu bezahlen. Man muss den Juke Nismo sowieso hassen

oder lieben – dazwischen gibt es nichts. Und es ist vielleicht seine grösste Stärke, kein weich gespültes «Me too»-Produkt zu sein, sondern ein höchst eigenständiges Automobil. Gerade bei Nissan, wo in den letzten Jahrzehnten doch viele Banalitäten in Blech gepresst wurden, ist er als weiterer Hinweis darauf zu verstehen, dass der asiatische Hersteller in puncto Design eine Führungsrolle anstrebt. Der visuellen Vielfalt auf unseren Strassen kann das nur guttun.

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VORGLÜHEN IN FERNOST Selbstzünder aus Japan sind selten. Hondas neuer Dieselmotor 1.6 i-DTEC punktet mit Sparsamkeit und geringem Gewicht, doch das ist noch nicht alles Text Christian Bartsch

D

en Motorradfahrern braucht niemand zu erzählen, dass Honda in Japan zu den innovativsten (und grössten) Motorenherstellern der Welt gehört. Sie wissen das. Die ingeniös stets anspruchsvolle Marke wagte von jeher auch motorische Experimente und Entwicklungen wie kein anderer Hersteller. Drehstab- statt Schraubenfedern für die Ventile, Arenakolben (die keine Ovalkolben waren, wie sie bei VW versucht wurden), Spalträder zur Beruhigung von Zahnradkaskaden an extrem hochdrehenden kleinen Viertaktmotoren, die von der japanischen Gesetzgebung erzwungen wurden – die Liste technischer Spezialitäten liesse sich hier endlos fortführen. Nicht selten gebührte Honda mit seinen hochinteressanten Lösungen weltweit ein Spitzenplatz unter den Besten. Unvergessen ist etwa ein Zweitaktmotor mit homogener Verbrennung dank Zündung ohne Zündkerze, der seine Bewährungsprobe bei der klassischen Rallye Paris−Dakar bestand und später in einem Motorroller verwendet wurde. Als Eckehard Rapelius und ich 1963 das letzte Motorrad-Langstreckenrennen über 24 Stunden auf der Avus in Berlin mit einer BMW R27 bestritten, konnten wir nur neidisch Koichi Shimada hinterherblicken, der uns mit seiner serienmässigen CB 72 (eine Zweizylinder-Honda mit 250 Kubikzentimetern Hubraum) um Klassen überlegen war. Wo wir uns bei Gegenwind und Regen gerade mal mit 70 bis 80 Sachen die leichte Steigung zur Nordkurve hochquälten, rauschte die Honda mit 130 km/h an uns vorbei. Um Gerüchten und Missdeutungen vorzubeugen, muss ich betonen, dass Honda nicht für den Zusammenbruch der europäischen Motorradindustrie verantwortlich war. Der hatte bereits 1955 begonnen, weil die Menschen lieber mit einem Dach über dem Kopf fahren wollten. Sie zogen den Käfer einer NSU Max oder Zündapp 600 vor. Sehr wohl aber hat Honda in Europa etwas später dem dynamischen Motorrad den Weg geebnet – Sport statt Transport.

Auf dem Automobilsektor gab es bei der japanischen Marke ebenfalls Experimente, wenn auch nicht immer mit glücklichem Ausgang. So mit einem Schichtlademotor, der sich als Flop entpuppte und schnell wieder in der Versenkung verschwand. Viel bekannter wurde dagegen der kleine S600 mit seinem leistungsfähigen und für Automobile winzigen Vierzylinder. Der wurde in einen sehr hübschen kleinen Sportwagen gepackt, der nur den einzigen Nachteil hatte: Viele Mitteleuropäer passten einfach nicht hinein; Japaner sind nun mal in der Regel etwas kleiner als wir. Damals spielte das Auto bei Honda noch eine untergeordnete Rolle: Das Töff dominierte, und Honda hatte sich zum grössten Motorradhersteller der Welt entwickelt, um 046 VECTURA #8

das bis heute zu bleiben. Parallel ist aber auch ein international geachteter Automobilhersteller mit ausgezeichneten, konkurrenzfähigen Produkten entstanden. Als der erste Dieselmotor im Jahr 1897 von der Technischen Hochschule in München abgenommen wurde, ahnte nur Rudolf Diesel, dass der eines Tages auch Automobile antreiben würde. Das waren zunächst Lastwagen, bis Mercedes 1936 den ersten Diesel-Pw präsentierte. Übrigens dicht gefolgt von Hanomag, deren Serienproduktion erst später begann. Verbrauch und Langlebigkeit standen im Vordergrund, über die Fahrbarkeit schweigen wir lieber. Der Mercedes 260 D von 1937 erreichte mit seinen 45 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometer und verbrauchte bei konstant 70 km/h neun Liter Dieseltreibstoff auf 100 Kilometer. Etwa den gleichen Verbrauch hat der aktuelle Honda Civic mit dem neuen 1,6-L-Diesel bei 200 km/h. Doch der Reihe nach: Ein 1938er-Maybach Zeppelin lief mit seinem 200 PS starken Achtliter-V12 maximal 160. Er verbrauchte bei konstant 70 Sachen noch 22 Liter Benzin auf 100 Kilometer, bei 100 km/h liefen 29 Liter durch die Vergaser. War früher wirklich alles besser?


downsizing

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen viele Automobilhersteller die Diesel-Entwicklung auf. Neben Mercedes sind hier vorrangig Fiat, Peugeot und Renault zu nennen. VW folgte erst 1976 mit einem kleinen Selbstzünder im Golf. Alle diese Motoren arbeiteten noch mit Vor- oder Wirbelkammern, also nicht mit der direkten Einspritzung in den Brennraum, wie sie heute üblich ist. Die trat erst 1989 mit einem Audi-Fünfzylinder auf den Plan, der alle Eigenschaften moderner Diesel aufwies – nämlich nicht nur die direkte Einspritzung, sondern auch Abgasturbolader und Ladeluftkühlung. Gegenüber den bisherigen Kammerdiesel brachte die direkte Einspritzung einen Verbrauchsvorteil von rund zehn Prozent – und gegenüber den Benzinern einen solchen von mindestens 30 Prozent. Da Treibstoffe in Europa schon immer teuer waren, setzte sich der Diesel hier auf breiter Front durch. Abhängig von der Verkehrsinfrastruktur verlief die Entwicklung in Japan völlig anders. Hier blieb der Benziner bis heute dominant. Dagegen konnten sich Hybridtechnik und stufenlose Vollautomatik früher als in Europa durchsetzen, um den Verbrauch bei den üblichen Kurzstrecken mit niedriger Geschwindigkeit und den zahllosen Staus zu senken. Langstreckenfahrten wie in Europa mit höheren Geschwindigkeiten finden in Japan praktisch nicht statt; sie werden mit Bahn oder Flugzeug absolviert. Erst mit der Expansion nach Europa begann auch in Japan die Diesel-Entwicklung. Toyota und Mitsubishi waren die ersten, die hier Autos mit Dieselmotoren anboten. Honda folgte erst später. Langsam entdecken auch die USA den Dieselmotor, vorangetrieben durch Mercedes und VW, die dort mit grossem Aufwand für den Selbstzünder werben. Fritz Indra, lange Zeit Motorenguru bei General Motors, erzählt dazu eine hübsche Geschichte: Ein von GM entwickelter V8-Diesel für gewaltige SUV wird einem ausgewählten Fahrer in die Hand gedrückt. Nach annähernd 2000 Kilometern kehrt der Mann zurück und berichtet begeistert: «Der braucht ja fast nichts!» Auf die Frage, ob er sich ein Dieselauto kaufen würde, wird er ganz verlegen – nein, er wolle doch lieber beim Benziner bleiben: Der Sprit sei doch viel billiger! Das hat sich mittlerweile geändert, und auch die Infrastruktur ist flächendeckend, doch es muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die Qualität des US-Diesel ist nach wie vor nicht mit derjenigen in Europa vergleichbar, was die Motorenentwickler vor schwierige Probleme stellt. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht und damit auch für die japanischen Automobilhersteller ein zusätzlicher Anreiz, sich dem Diesel zu widmen. Ganz nebenbei setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Hybrid auf langen Highway-Fahrten mit Geschwindigkeitsbegrenzung überhaupt nichts bringt – man spart dort nicht einen einzigen Fingerhut voll Treibstoff! Da ist der Diesel die eindeutig bessere Wahl. Seinen ersten Diesel stellte Honda vor gerade mal zehn Jahren vor. Er hatte bei einem Hubraum von 2,2 Liter eine Leistung von 150 PS. Damit blieb Honda wohlweislich auf der sicheren Seite

und wollte mit dem Erstling nichts riskieren, sondern Erfahrungen im Alltag sammeln. Der neue Diesel hat nur noch 1,6 Liter Hubraum, wird mit 120 PS angeboten und entwickelt bei 2000 Umdrehungen pro Minute ein maximales Drehmoment von 300 Nm. Das Aggregat ist um 47 Kilogramm leichter als der grössere Bruder und passt besser zum Civic, der das Mindergewicht – zusammen mit einem um sieben Kilogramm leichteren Getriebe – gut gebrauchen kann. Die Entlastung der Vorderachse spürt man bei flotter Fahrt auf kurvenreicher Strecke durch nur noch geringes Untersteuern deutlich – da schob der 2,2-Liter noch erbarmungslos nach aussen. Aber das ist eine Zweitbeobachtung. Zunächst starten wir den Motor, der gut gedämpft, aber dieseltypisch anläuft. So ganz unschuldig ist der Aluminium-Zylinderblock daran nicht – Gusseisen dämpft besser, doch das stand bei Honda aus Gewichtsgründen nie zur Debatte. Ausgerüstet mit einem neuen Sechsgangschaltgetriebe wird der ganze Geschwindigkeitsbereich bis zur Vmax von 207 km/h harmonisch abgedeckt. Das Auto lässt sich mit diesem Motor ausgezeichnet fahren, und man hat nie das Gefühl, zu wenig Leistung zur Verfügung zu haben. Bis auf den Start läuft der Motor sehr leise und ist bei höheren Geschwindigkeiten kaum noch zu hören; die von Honda entwickelte Gegenschallanlage hilft dabei natürlich mit. Entwickelt wurde der Motor zwar in Japan, doch gebaut wird er in England. So finden sich denn auch in und um den Motor zahlreiche europäische Komponenten. Die Einspritzung mit Magnetinjektoren stammt von Bosch, eingespritzt wird mit 1800 bar. Den Abgasturbolader mit verstellbarer Geometrie steuert Garrett aus dem Elsass bei. Zur Schadstoffreduzierung verwendet Honda Hoch- und Niederdruck-Abgasrückführung, wie das heute üblich ist. Derzeit ist der Motor für die Schadstoffgrenzwerte der EU5 ausgelegt, hat aber das Potential, um die EU6 zu erreichen. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 3,6 L/100 km bewegt er sich im Spitzenfeld dieser Motorengrösse. In der Praxis pendelt sich der Konsum bei normaler Fahrweise um die fünf Liter ein, und das kann sich sehen lassen – der Wettbewerb macht es auch nicht besser. Wer freilich auf offene Autobahnen wechselt und dem Motor die Sporen gibt, muss Eilzuschlag bezahlen. Fazit nach unserer ersten Testfahrt: Wer den Honda Civic mit diesem kleinen Diesel erwirbt, ist bestens bedient. Den gleichen Motor wird Honda ab Herbst auch im CR-V anbieten. Allerdings braucht er dort mehr – höheres Wagengewicht und grössere Stirnfläche fordern ihren Tribut. Untermotorisiert ist das Auto nicht, es beschleunigt flott und ist ebenso gut zu fahren wie der Civic. Beide Modelle sind freilich keine Rennwagen: Sie sollen den Alltag mit hoher Zuverlässigkeit bewältigen. Und genau das tun sie mit Bravour. Herbst 2013 047


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Fieber Alle paar Jahre taucht in der Szene ein Automobilmaler auf, der in Erinnerung bleibt. Markus Haub gehört zu denen, die das Zeug dazu haben Text map

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r ist 41 Jahre alt und lebt in Barcelona. Als Automobildesigner hat er zwischen 1997 und 2007 für VW und davon sieben Jahre für Renault gearbeitet. War an der Formfindung des Seat Formula Concept, Renault Twingo, Mégane III oder dem ersten Dacia Sandero beteiligt. Dazu kamen strategische Projekte über die Mobilität der Zukunft oder den Elektroflitzer Twizy, welcher in Barcelona entstanden ist. Doch in den letzten Jahren hat sich das Berufsbild des Designers stark gewandelt. Die Digitalisierung der Prozesse beschleunigt die Entwicklung, gleichzeitig explodierte die Modellvielfalt einzelner Hersteller. Die Designabteilungen sind zwar gewachsen (Renault hat über 100 Stylisten), dennoch ist immer mehr Arbeit in weniger Zeit zu schaffen. Meist sind es mehrere Projekte gleichzeitig, die in verschiedenen Phasen zu betreuen sind. Die Romantik geht dabei etwas verloren und auch die Kreativität bleibt manchmal auf der Strecke. Gleichzeitig scheinen die Formen ausgereizt, nur wenige Firmen trauen sich, radikal neue Lösungen vorzustellen. Heute geht es eher um das Arrangieren altbekannter Strickmuster, um die Kombination längst definierter Stilmittel. Dazu kommen internationale Normen, welche jedwede Gestaltungsfreiheit immer weiter einschränken: Schärferer Fussgängerschutz zwingt zu höheren Motorhauben, dazu gibt es strengere Crashnormen, verbesserte Aerodynamik, eine Berücksichtigung der Versicherungseinstufungen oder die Vorgaben des Marketings: So vieles ist präzise festgeschrieben und schränkt die Gestaltungsfreiheit enorm ein. Herbst 2013 051


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Markus Haub reizte das alles immer weniger. Als er 2007 wieder von Barcelona zum Mutterkonzern nach Paris wechseln sollte, schlug er das Angebot aus und machte sich selbstständig. Seine Freiheit war ihm wichtiger. Das Auto ist seine grosse Liebe geblieben, und auch vom Zeichnen möchte er nicht lassen. Neben seiner Arbeit als Freelance-Designer ist die Malerei vom Hobby zum Beruf geworden. Er entwickelte seine eigene Technik, eine Kombination aus digitaler Fotografie und Malerei. So sind zahlreiche leidenschaftliche Arbeiten entstanden, die über Galerien in Spanien, Frankreich und Deutschland verkauft werden. Inzwischen hat er auch einen Agenten in der Schweiz (www.speedstar-gallery.com). Meist haben sie klassische Sportwagen zum Thema. Die schönsten dieser Gattung stammen ohnehin aus den 50er bis 70er Jahren des letzten Jahrhunderts und damit aus einer Zeit, als das Automobil noch allgemeinhin aufregend und unschuldig gewesen ist. Haub arbeitet wie besessen und ist ständig unterwegs. Seine Motive findet er auf Rennstrecken und Oldtimerveranstaltungen – Nürburgring, Barcelona, Le Mans, Hockenheim. Aber auch in Goodwood, Pebble Beach, Villa d´Este, Bensberg oder Schloss Dyck. Gerne fährt er auch selbst mit einem seiner eigenen Klassiker bei Oldtimerrallyes. Dort trifft er die Objekte seiner Begierde, aber auch Gleichgesinnte. Einige Szenekenner wissen von ihm, nicht wenige kaufen seine Werke spontan. Im Angebot sind kleine, Ikonen-artige Leinwände, aber auch grossformatige Detailstudien. Bei Letzteren muss der Betrachter das Auto kennen, um ein Motiv zuordnen zu können. Doch immer handelt es sich um die ausdrucksstärksten Partien, die Haub gekonnt und mit kraftvollen Farben herausgearbeitet hat. Seine Kunst ist lebendig und zeigt die Bewegung auch im Stand. In diesem Sinne ist er ganz Automobildesigner geblieben.

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PUSCHL AV ( SCHWE IZ ), 2005

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Down Under Dream Machine Vor bald 45 Jahren entstand ein Prototyp, wie es noch keinen zuvor gegeben hatte: Der Holden Hurricane änderte das Verständnis von einem Supersportwagen für immer – nicht nur in Australien Text Peter Robinson · Fotos Michael Brewer, Christian Brunelli, Werk

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eute kann man sich den Schock und die Ehrfurcht, welche der Hurricane Anfang März 1969 auf der Melbourne Motor Show auslöste, kaum noch vorstellen: Niemand hatte zuvor etwas derart Radikales gesehen. Und obwohl es die Automarke Holden erst seit 20 Jahren gab, war sie dem ähnlich gestalteten Mercedes C-111 um sechs Monate und dem von Bertone entworfenen Lancia Stratos Zero sogar um ein Jahr voraus. Der Hurricane war so extrem, dass niemand in- oder ausserhalb von Holden auch nur daran zu denken wagte, dieses Raumschiff je in Serie gehen zu sehen, obwohl es auf den Titelseiten fast aller australischen Zeitungen abgedruckt wurde. Schon auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass es keine derartigen Absichten gegeben hatte, doch das einzigartige Konzept verkörperte ein sehr konkretes Fenster in die Zukunft. Am offensichtlichsten war das beim Antrieb – einem 4,2-L-V8, der nur wenige Monate später in den Baureihen HT Kingswood und Premier auf den Markt kam und es bis 1984 blieb (die Fünfliter-Variante überlebte gar bis 2000). Alles andere schien reine Science-Fiction zu sein – das Bildschirm-Navigationssystem, die Heckkamera anstelle der Rückscheibe, Digitalinstrumente, Klimaautomatik, ölgekühlte Scheibenbremsen vorne, eine schwenkbare Lenksäule, justierbare Pedale und – höchst dramatisch – fehlende Türen. An ihrer

statt hatten die Designer ein hydraulisch aufgehängtes, einteiliges und muschelförmiges Dach vorgesehen, um das Ein- und Aussteigen bei dem nur knapp einen Meter hohen Fahrzeug zu erleichtern. Es war sicherlich auch kein Zufall, dass die GM-Tochter damit den Le-Mans-Sieger GT40 des Erzrivalen Ford unterbot… Der Hurricane war der erste öffentliche Beleg für die Fähigkeiten der noch jungen Holden-Entwicklungsabteilung (folglich trug er den Codenamen RD-001). Dort wollte man der Erholung von Ford Australien unbedingt etwas entgegensetzen. Parallel plante das Marketing eine Image-Aufwertung und hatte vor, den kommenden Achtzylinder publikumswirksam zu bewerben. Beeindruckt vom Medieninteresse, welches ein importiertes CamaroMesseauto 1968 ausgelöst hatte, erkannten beide Ressorts die Vorteile eines Holden Concept Car. Daneben ging es den Verantwortlichen auch darum, ihre Ingenieure über das fade Familienauto-Image der Marke hinaus zu motivieren. Die Frage, wer den Hurricane eigentlich gezeichnet hat, wurde noch bis vor Kurzem kontrovers diskutiert. Das mag merkwürdig klingen bei einem Auto, das vor bereits 45 Jahren entworfen wurde. Und doch konnte bis vor einiger Zeit keiner mit Bestimmtheit sagen, ob das Auto lokal oder im amerikanischen GM-DesignCenter Warren entstanden war.

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Wenn sich das Dach inklusive der riesigen Frontscheibe öffnet, werden gleichzeitig die Sitze elektrisch angehoben

Mit der Unterstützung des legendären US-Designers Leo Pruneau, der Mitte 1969 als Styling-Assistent zu Holden gekommen war und von 1974 bis 83 dessen Design-Direktor wurde, gelang es mir 2012, in den GM-Archiven eine Reihe von Modellfotos zu finden, die im Juli 1968 gemacht worden waren und ein HoldenLogo aufwiesen. Es besteht kein Zweifel, dass dieser Entwurf als Hurricane-Inspiration gedient haben muss. Bei näherer Untersuchung einiger ebenfalls vorhandenen technischen Zeichnungen fand sich die Signatur «Genest 5-14-86». Von dieser Entdeckung alarmiert, gelang es GMs leitendem Archivisten Christo Datini, den früheren General-Motors-Designer Ken Genest ausfindig zu machen, der inzwischen 80-jährig am St-Clair-See in Michigan wohnte. Erstaunlicherweise war sich Genest weder bewusst, dass es je ein Massstab-Modell seiner Zeichnungen gegeben, noch dass Holden daraus ein Concept Car gemacht hatte. «Ja, ich habe diese 1:1-Skizzen angefertigt», bestätigte er, «und übergab sie dem Advanced Studio 2 unter Dick Finegan. Es war damals üblich, dass man meine Entwürfe über Nacht in die Produktionsstudios brachte, ohne mich darüber zu informieren. Ich bin damals eine Art Kreativ-Generator gewesen, und man schätzte meine Arbeit in den Chevrolet- und Buick-Abteilungen. So ähnlich muss es auch mit dem Hurricane gelaufen sein und mir gefällt das Ergebnis: Es sieht besser aus als auf meinen Plänen.» Vergrösserungen der Heckansicht zeigen auf dem Nummernschild den Namen «Taipan», der offenbar zuerst gewählt und dann verworfen worden war. Don DaHarsh, ein anderer US-Designer, der seinerzeit bei Holden arbeitete, übernahm dann die stilistische Verantwortung für das Auto. Er empfand den Entwurf jedoch als «zu grob» und nahm wesentliche Änderungen vor. Während die generellen Proportionen des Mittelmotor-Boliden unangetastet blieben, modifizierte DaHarsh die Seitenfenster, entfernte die Heckscheibe und fügte vertikale B-Säulen hinzu. Er war es auch, der die Flanken retuschierte und das superdünne, horizontale Heckleuchtenband sowie das Kanzel-artige Klappdach integrierte – der Original-Entwurf sah noch konventionelle Türen vor. In jener Ära der Can-Am-Rennwagen, der Ford GT40, Lamborghini Miura oder Dino 206/246 garantierte das MittelmotorKonzept höchstmögliche Glaubwürdigkeit. Dazu kam die atemberaubende Formgebung mit nahezu keinem hinteren Überhang und knappen Proportionen – der Hurricane war nur 4,09 m lang, 1,80 m breit und wies dabei einen Radstand von 2,44 m auf. Über dem tragenden Kastenrahmen aus Stahl sass eine Epoxy-Karosserie. Der Motor war in Längsrichtung vor der Hinterachse verbaut; die Leistung betrug 260 PS bei 6000 und 352 Nm bei 3800 Touren und damit mehr als die 060 VECTURA #8


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185 PS des folgenden Serienaggregats. Die Vorderachse war handgefertigt, während man hinten auf Komponenten der damals aktuellen Corvette C2 zurückgegriffen hatte. Das US-Teileregal wurde auch bei dem Viergang-Transaxle-Getriebe aus dem 1961er Pontiac Tempest bemüht, das nur geringfügig modifiziert werden musste. Und die erwähnt nass gekühlten Frontbremsen stammten aus einem Detroiter Omnibus. Wenn das Hurricane-Dach inklusive der riesigen Frontscheibe, den Scheibenwischern und Fensterrahmen geöffnet wird, werden gleichzeitig die Sitze elektrisch angehoben. Niemand weiss mehr so recht, wer diese Idee dazu gehabt hat, doch Pruneau glaubt sich an ein ähnliches System zu erinnern, das etwa zeitgleich bei einem dreirädrigen GM-Konzept verwendet worden war. Auch die Dachlösung kam bereits 1968 und in fast identischer Form beim XP800 zum Einsatz, der 1969 als Chevrolet Astro 111 Concept der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Nach so langer Zeit ist nicht mehr klar, ob die Konstruktion zuerst für Holden oder Chevrolet erfunden wurde, doch wahrscheinlich wurde sie simultan für beide entwickelt. Nach mehreren Auftritten an verschiedenen Salons 1969 und Windtunnel-Tests verlieh man den Hurricane an einige HoldenHändler, bis irgendwann die Windschutzscheibe brach. Das Unikat wurde daraufhin in eine Holzkiste gepackt, die in irgendeiner Holden-Garage verschwand. 1985 gab es dann erstmals ein paar kleinere Reparaturen, bevor Holden-Auszubildende das Einzelstück 1991 «restaurierten». Anschliessend stand der Hurricane im Holden National Motor Museum in Echuca und dem Powerhouse Museum in Sydney, bevor 2005 beschlossen wurde, ihn fachmännisch wieder aufzubauen. Die Wiedergeburt wurde von mehreren GM-Vorständen begleitet; besonders GMs weltweiter Design-Direktor Ed Welburn unterstützte das Projekt begeistert: «Als ich 18-jährig studierte, sah ich erstmals ein Foto dieses Autos. Es ist mit verantwortlich dafür, dass ich ins Automobil-Design gegangen bin.» Die Restaurierung war alles andere als einfach: Viele Teile waren mit den Jahren verschwunden und mussten – mithilfe damals zuständiger Ingenieure – rekonstruiert werden. Umso stolzer sind alle Beteiligten heute auf den wieder fahrbereiten Hurricane. Und obwohl seine Ursprünge in den USA liegen, ist er das sensationellste Automobil, das Australien je hervorgebracht hat. 1969 schrieb ich: «Es ist zu bezweifeln, dass jemals jemand ausserhalb von GMH dieses Auto fahren darf.» Über vier Jahrzehnte später war es dann doch so weit, ging mein Jugendtraum in Erfüllung – wenn auch nur für ein paar Minuten. Sie zählen zu den unvergesslichsten meiner Journalistenkarriere. 064 VECTURA #8


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o einen Auftrag hatte Franz Muheim, öffentlicher Notar des Kantons Uri, bislang noch nie bekommen: Der am 1. Februar 1923 in Flüelen geborene Jurist und spätere Politiker sollte nichts anderes tun, als einen Autokorso begleiten und sehen, was passiert. Aber es war kein normaler Konvoi: Es sollte der erste von einem unabhängigen Beobachter beglaubigte Winterreifentest der Geschichte werden. Den hatte Pneu-Produzent Continental für den 17. November 1953 angesetzt mit dem Ziel, den verschneiten, 2212 Meter hohen St.-Gotthard-Pass mit verschiedenen Autos zu bewältigen – ohne sich dabei festzufahren, versteht sich. Auf den Felgen montiert waren die erst ein Jahr zuvor entwickelten, ersten M&S-Reifen (Matsch und Schnee). Das Besondere an dem Pneu war sein zahnradartiges, grobstolliges Profil. Letztlich war seine Entwicklung die Folge der aufkeimenden Reiselust einer zunehmend individuell mobilisierten Gesellschaft, die nicht zuletzt dem Wintersport frönte und auf eigener Achse anzureisen gedachte. Damals geschah das meist noch ohne Klimaanlage oder Heizung; mit schwachen Motoren zuckelten sie geologisch bedingt über die Alpen oder die Dolomiten. Pässe waren damals kaum vom Schnee befreit oder gar gestreut. Ein neuer Reifentyp musste also her, und der sollte dann auch öffentlichkeitswirksam vermarktet werden. Der Notar notierte: «An dieser Fahrt nahmen teil: ein VW 1953, ein Opel Rekord 1953, ein Plymouth 1953, ein Chevrolet 1953, ein

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Vor 60 Jahren liess Continental zum ersten Mal einen Reifentest notariell beglaubigen: Die Fahrt jener sieben Autos mit den ersten M+S-Reifen über die Passhöhe ist legendär Text Roland Löwisch · Fotos/Illustration Werk

Willys Station Wagon, ein Ford Taunus 1953 und ein VW-Kombiwagen 1952. Jedes Fahrzeug war mit mindestens zwei Pneus Continental M&S bereift. Die Fahrt begann in Wassen, führte über Göschenen, Andermatt, St.-Gotthard-Passhöhe, St. GotthardHospiz, hinunter nach Motto-Bartola und dann auf der gleichen Route zurück nach Wassen. Die Verhältnisse dieser Passstrasse sind an sich schon schwierig. Es lagen zudem noch folgende Schneeverhältnisse vor: dünne Schneelage auf 1444 m, Schnee von 30 bis 50 cm auf der Gotthard-Passhöhe. Die Strasse vom Gotthard durch die Tremola nach Motto-Bartola war sehr stark vereist. Die Fahrt wurde von Leuten aus der ganzen Schweiz bestanden. Es befand sich darunter kein Berufschauffeur, lediglich zwei Reparaturspezialisten. Die Fahrt wickelte sich ohne jede Schwierigkeit ab, kein Wagen war je auf die Hilfe eines andern angewiesen. In der steilen Abfahrt durch die Tremola machte der Unterzeichnende selbst auf eisbedeckter Strasse mehrere scharfe Bremsproben, die ausgezeichnet ausfielen. Zu bemerken ist, dass der Gotthard im fraglichen Zeitpunkt durch die kantonalen Bauämter Uri und Tessin für Motorfahrzeuge gesperrt war.» Die Aktion war also ein voller Erfolg – und tatsächlich zog die Nachfrage nach M&S-Reifen spürbar an: Bald produzierte Continental zehn Dimensionen in Super-Ballon- oder Ballonreifen, natürlich handelte es sich jeweils um Diagonalsysteme. Franz Muheim schaffte es übrigens lange nach dem besagten Winterreifentest noch einmal hoch hinaus: Der 2009 gestorbene Jurist war von 1981 bis 91 Präsident der Eidgenössischen Konsultativkommission für Weltraumfragen.


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Der schmale Grat Die Idee war vielversprechend: Um Weltrekorde zu erzielen, steckte Zündapp vor bald 50 Jahren ein leichtes Moped in eine glattflächige Karosserie. Doch genau das wäre dem Projekt beinahe zum Verhängnis geworden Text Simon Baumann · Fotos Nikolaus Kopf, Günter Sengfelder


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Überraschungs-Ei: Die spezielle Zündapp KS 50 war sehr seitenwindempfindlich. Die Fahrer riskierten ihr Leben

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er italienische Frühling war ungewöhnlich kühl in jenem Mai 1965. Trotzdem kam eine Delegation aus dem Norden über die Alpen zur Rennstrecke nach Monza, um auf dem Hochgeschwindigkeits-Oval ein paar Bestmarken in den Beton zu glühen.

Das Unterfangen war weniger dem sportlichen Ehrgeiz geschuldet, sondern vielmehr dem knallharten Wettbewerb, der damals bei den europäischen Zweirad-Händlern stattfand: Auch die deutschen Töff-Hersteller Zündapp und Kreidler gönnten sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln. Das lag an der angespannten Situation, in der sich die beiden einst so erfolgsverwöhnten Marktführer (Hercules mit Sachs-Motor war die Nummer 3) damals befanden: Junge Leute verlangten zunehmend nach grösseren, komfortableren Maschinen – oder kauften gleich ein Auto «sponsored by Oma». Infolge dieser Entwicklung sollte das Zweiradangebot entsprechend um 80er-, 125er- und 350er-Maschinen erweitert werden. Mitte der 1960er standen aber noch die 50er-Mopeds im Zentrum. Allerdings hielt sich Kreidler nicht an die definierte 50-Kubik-Leistungsvorgabe der Zweiradindustrie, die zuletzt schon stolze 5,2 PS betrug – zumal der Hersteller nicht einmal Mitglied war. Um bei Kaufinteressierten zu punkten, unternahm Kreidler gewagte Rekordfahrten mit speziell entwickelten Maschinen, die mit Serienfahrzeugen kaum noch etwas zu tun hatten. Als 1965 das neue Modell Florett TS erschien, schob der Hersteller eine vollverkleidete, zigarrenförmige Version auf den Salzsee nach Utah/USA und erreichte dort sagenhafte 210,634 km/h. Das wohlgemerkt mit einer 15 PS starken 50-cm3-Maschine, deren Literleistung also bei 300 PS lag – und Kreidler den Weltrekord einbrachte. Mit weiteren Aktionen – der spätere 50-Kubik-Weltmeister Hans-Georg Anscheidt fügte den acht Markenrekorden Anfang 1965 mit über 110 km/h drei weitere hinzu – wollte das schwäbische Unternehmen aus Kornwestheim die mögliche Höchstgeschwindigkeit seiner Produkte betonen. Beim Rivalen Zündapp sah man die Schlagzeilen mit wachsendem Unbehagen, obwohl man einen ganz anderen Ansatz verfolgte: Langlebigkeit stand bei dem seit 1922 produzierenden bayrischen Zweiradhersteller im Vordergrund, und die galt es 070 VECTURA #8

nun verstärkt zu demonstrieren. Bereits im Frühjahr 1963 hatte man bewusst Journalisten zu Langstreckentests mit normalen Serienmodellen nach Monza geladen. Die dort erzielten Ergebnisse – über 10 000 absolvierte Kilometer in 144 Stunden – waren trotz eisiger Witterung gut genug, um neue Ziele ins Auge zu fassen: Was wäre wohl möglich, fragten sich die Verantwortlichen, wenn man für die «Schnapsglasklasse» eine Rekordmaschine mit Vollverkleidung bauen würde? 1964 begann das Unternehmen in aller Stille mit der Entwicklung einer besonderen KS 50 – diese Modellbezeichnung bezog sich natürlich auf die populäre Serienmaschine des Hauses. Das Projekt war dabei so geheim, dass nicht einmal die involvierten Abteilungen davon wussten. «Genau darin lag die Herausforderung», erinnert sich Günter Sengfelder: Der heute 76-Jährige war damals Zündapp-Werksfahrer, sollte für seine Marke zwischen 1961 und 68 siebenmal die deutsche Trail-Meisterschaft gewinnen – und gemeinsam mit fünf weiteren Piloten auch die Rekordmaschine steuern. «Die verwirklichten Detaillösungen waren jeweils hervorragend», erklärt er, «aber nie im Zusammenspiel erprobt worden. Es lag nun an uns Fahrern, die fehlende Erfahrung mit Enthusiasmus, höchster Risikobereitschaft und Improvisation auszugleichen. Dazu bin ich der einzige fest angestellte Zündapp-Mitarbeiter gewesen.» Im Mai 1965 ging es also wieder zum Autodromo nach Monza. Zündapp nahm zwei verschiedene Motoren mit, um sowohl auf der Lang- als auch der Kurzstrecke neue Bestmarken zu setzen. Der Rahmen der rund elf Pferdestärken starken Rekordmaschine bestand aus ultraleichtem Chrom-Molybdän. Die gerade mal 40 Zentimeter breite, eierschalenartige GFK-Verschalung war ebenfalls einzigartig: Eingekeilt zwischen Front- und Heckteil, stand den Piloten so gut wie keine Bewegungsfreiheit zur Verfügung – sie konnten nicht mal selbstständig ein- oder absteigen, sondern brauchten dazu die Hilfe ihrer Mechaniker. In der Kapsel ging es ausserdem sehr heiss und laut zu. Um die Aerodynamik zu verbessern, wurde dem jeweiligen Fahrer zudem ein glattflächiges Schaumstoffteil auf den Rücken geschnallt… «Wir kamen ja vom Geländesport, waren also recht gelenkig und haben uns relativ schnell mit dieser Situation abgefunden», lächelt Sengfelder: «Die Spannung und das Adrenalin machten es möglich.»


spezial

Kurzstrecken-Version mit wassergekühltem Motor

Auch die Manövrierfähigkeit des Prototyps erforderte Gewöhnung: Bedingt durch den eingeschränkten Lenkeinschlag betrug der Wendekreis etwa 30 Meter. Selbst der Start verlangte besondere Massnahmen: Weil bei Rekordversuchen nicht angeschoben werden durfte, hatte Zündapp eine Rampe mit Elektromotor ersonnen, um den nötigen Schwung zu erzeugen. Zum Anhalten allerdings musste das 86 Kilo schwere Moped von Helfern eingefangen werden. So weit zur geplanten Handhabung, doch es gab Probleme. Schon im April war bei von Sengfelder durchgeführten Vorversuchen der Alutank leckgeschlagen und Sprit in die Heckverschalung gelaufen – nur wenige Zentimeter über dem glühenden Auspuff. Unser Mann bemerkte den Umstand nur, weil für die Rekordfahrten vorgesehene Lederkombis noch nicht fertig waren und er einen Baumwoll-Overall trug: «Ich spürte, dass es an meinen Beinen merkwürdig kühl wurde, sah das Malheur und kehrte unverzüglich an die Boxen zurück. Sonst hätte es mich wahrscheinlich abgefackelt – es war reines Glück.» Bei dieser Gelegenheit begegnete der Zündapp-Pilot dem damaligen Ferrari-Fahrer John Surtees, der sich in Monza auf Le Mans vorbereitete – und seinem Zweirad-Kollegen erklärte, wie man am besten durch die Steilkurven kommt, denn «das hatte ich noch nie gemacht».

Bei den eigentlichen Rekordversuchen sah sich die Zündapp-Mannschaft dann mit einer äusserst ungünstigen Witterung konfrontiert: Böen drückten die extrem seitenwindempfindliche Maschine immer wieder von der Ideallinie, und es bedurfte guter Reflexe, diese Beeinträchtigung zu parieren. «Die Gefahr zu stürzen war gross, doch

Opfer des Fortschritts: Sechs Hasen liessen in der Nacht ihr Leben

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Elvis lässt grüssen: KS 50-Pilot Volker Kramer mit der Rekordtafel. Die Lufteinlässe im Bug waren für die Kurzstreckenfahrten zugespachtelt worden

ans Aufgeben dachte niemand», erinnert sich Sengfelder. Um Wartezeit zu sparen, entschloss man sich, nachts zu fahren, weil dann mit weniger Wind gerechnet wurde: «Um halb elf fingen wir an, und es funktionierte auch ganz gut. Jeder von uns fuhr anderthalb Stunden, dann musste getankt und die Batterie gewechselt werden, weil es keinen Generator an Bord gab.» Um die Sicht durch das enge Visier und mit nur einem Scheinwerfer zu verbessern, hatte man am Fahrbahnrand vorab Windlichter aufgestellt. Was nichts daran änderte, dass im vermeidlichen Schutz der Dunkelheit immer mehr Hasen über die Strecke hoppelten: «Die rannten dort hin und her – möglicherweise wurden sie auch von unserem bis 11 000 Touren kreischenden, nicht schallgedämpften Motor angelockt. Ein Ausweichen war so gut wie unmöglich. Nach einer kurzen Lagebesprechung beschlossen wir deshalb, gänzlich darauf zu verzichten, so traurig das für die Kaninchen auch war. Sechs hat es erwischt; ein Streckenwart sammelte sie anschliessend ein.» Im Morgengrauen – Zündapp hatte da bereits ein paar erste offiziell bestätigte Rekorde in der Tasche – nahm der Wind wieder zu: «Es wurde so schlimm, dass uns die anwesenden FIM-Kommissare empfohlen, die Übung abzubrechen.» In der Garage packte man daraufhin zusammen, bis Sengfelder vorschlug, es trotzdem zu versuchen: «Der Zwölfstundenrekord lag zum Greifen nahe, und man liess mich noch einmal starten.» Es gelang ihm dann tatsächlich, die bestehende Garelli-Bestmarke (siehe Seite 074) zu unterbieten: Zündapp erreichte hier ein Mittel von 137,039 km/h. Der Angriff auf den Garelli-24h-Rekord musste aus den genannten Gründen allerdings ausfallen. Bei den anschliessenden Kurzstreckenfahrten mit dem wasser- und eisgekühlten Motor er072 VECTURA #8

reichte Zündapp eine Vmax von über 160 Stundenkilometern – und kehrte nach sechs Einsätzen mit insgesamt 14 Titeln nach Hause zurück. Diese Anzahl erklärt sich aus dem Umstand, dass die erzielten Durchschnitte auch in den nächsthöheren Hubraumklassen gewertet wurden. Neben den Distanzen auf 10, 100 und 1000 Kilometer hatte man auch in der Ein- und Sechs-StundenKategorie neue Bestzeiten eingefahren. «Unsere Langstreckenrekorde stehen heute noch», sagt Sengfelder – «einfach deshalb, weil später niemand mehr den Versuch unternahm, mit 50er-Maschinen solche Ergebnisse zu erzielen.» Ob sich die Anstrengungen anschliessend auch bei den ZündappHändlern bemerkbar machten – Sengfelder weiss es nicht. Sein Arbeitgeber jedenfalls engagierte sich etwa 15 Jahre später im Strassenrennsport und sollte 1984 gar Strassenweltmeister in der 80er-Klasse werden – wenn auch unter der Teambezeichnung Krauser, weil sich die Marke Zündapp da bereits im Vergleich befand: Ende 1984 kam der Konkurs. «Kleinkrafträder wurden einfach nicht mehr stark nachgefragt», bemerkt ein abgeklärter Sengfelder. Höhere Versicherungsprämien und Helmpflicht taten ein Übriges. Geblieben ist die Erinnerung an ein waghalsiges Manöver, das auch ganz anders hätte ausgehen können.

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Vergessene Zweitakt-Queen: Garelli Fotos Bonhams, Marco Vitali

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icht nur Zündapp, sondern auch die italienische MopedMarke Garelli hatte sich dem Zweitaktprinzip verschrieben. 1919 von Adalberto Garelli in Mailand gegründet, machte sich das Unternehmen mit Zweikolben-Zweitaktmotoren schnell einen Namen. Der ideenreiche Ingenieur hatte da bereits ein Zweitaktaggregat für Fiat entwickelt oder die Motorrad-Fussschaltung erfunden, welche zuerst bei Bianchi in Lizenz hergestellt worden war.

Auch das ab 1913 verwirklichte Zweikolbenprinzip mit insgesamt 350 Kubikzentimeter Hubraum war Garellis Erfindung und bot relativ viel Leistung bei geringem Verbrauch. Mit diesen Eigenschaften sicherte man sich auch im Motorsport den nötigen Vorsprung, um zahlreiche Langstrecken- und Grand-Prix-Rennen zu gewinnen – zum Beispiel den allerersten Zweirad-GP, welcher 1922 in Strassburg ausgetragen wurde: Garelli siegte souverän und belegte die Plätze 1 bis 3. Auch beim Auftaktrennen auf dem ganz neu eröffneten Monza-Rundkurs stand Garelli-Pilot Ernesto Gnesa ganz oben auf dem Treppchen und hatte dabei sogar die Bestzeit des englischen Siegers Douglas in der 500-cm3-Klasse um 48 Sekunden unterboten. Ebenfalls interessant ist, dass die späteren Autorennfahrer Tazio Nuvolari und Archille Varzi ihre Rennsportkarrieren auf Garelli begonnen hatten: Nuvolari siegte 1923 erstmals in Parma, und im gleichen Jahr sicherte sich der damals 18-jährige Varzi die italienische Meisterschaft. Darüber hinaus fuhr die Marke in jener Dekade über 200 Weltrekorde ein. 1928 drosselte Garelli die Serienproduktion und konzentrierte sich auf Militär-Aufträge; die letzten Motorräder entstanden 1935. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann seine Marke mit der Fertigung von Hilfsmotoren mit 38,5 cm3, die an jedes Fahrrad geschraubt werden konnten und sehr genügsam waren. Diese erneut clevere Geschäftsidee Adalbertos sorgte unter dem Eigennamen Mosquito für frischen Schwung mit bis zu 30 km/h

Comeback in den 1980ern: Garelli-125er im Renntrimm

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Rekordmaschine von 1963. Hubraum: 50 cm3

und verkaufte sich weltweit über zwei Millionen Mal. 1953 gab es dann das erste komplette Mosquito-Töff mit Pressstahlrahmen und Kurzarmschwinge; weitere Modelle mit 50 cm3 und 70 km/h Spitze sollten folgen. Etwa zeitgleiche Kontakte zum Zulieferer Agrati mündeten in einer Kooperation; beide Häuser boten anschliessend eigene Modelle mit Garelli-Motoren an, die nun bis 125 cm3 aufwiesen. 1961 fusionierte man und nannte sich fortan Agrati-Garelli. 1963 kehrte Garelli dann mit einem Paukenschlag in den Motorsport zurück. In der 50-cm3-Klasse holten zwei aerodynamisch verschalte Maschinen auf der Monza-Strecke acht Weltrekorde, die auch für die 70-, 100- und 125-cm3-Klassen galten. Die 24-Stunden-Marke von 108,834 km/h ist bis heute ungeschlagen. Adalberto hat das Rundstrecken-Comeback seiner Marke noch erlebt: Er zog sich erst Ende 1967 zurück und starb Anfang 1968. Mit den Rekordschlagzeilen stieg auch der Serienmoped-Absatz; Garellis galten im Heimatland als besonders sportlich und standen damals an jeder Ecke. Von 1982 bis 87 gelang es Garelli zudem, sechsmal die Weltmeisterschaft bis 125 cm3 sowie fünf Konstrukteurstitel (einen davon in der Klasse bis 50 cm3) zu gewinnen. Noch Mitte der 1980er-Jahre zählte man zu den grössten Fahrzeugherstellern Italiens und fertigte neben Strassenversionen auch Motocross- und Enduro-Maschinen. Die Blütezeit der Zweitaktmotoren war da allerdings schon vorbei: Viertaktmodelle mit mehr Hubraum, nicht selten aus Japan, verdrängten sie zunehmend. Diesem Trend fielen auch andere Töff-Hersteller zum Opfer; Kreidler etwa ging 1982 in Konkurs. Danach wurden GarelliModelle mit Kreidler-Aufkleber eine Zeit lang auch über die deutsche Versandhauskette Neckermann vertrieben, was aber wenig half: 1992 gingen in Mailand die Lichter aus. 2006 kaufte Paolo Berlusconi, der Bruder des damaligen italienischen Ministerpräsidenten, die Namensrechte. Neue Scooter-Modelle wurden anschliessend in China gebaut. map


dav_tbf_nicaragua_210x148mm_schweiz_dt 27.08.13 18:14 Seite 1 Adalberto Garelli 1913 auf der ersten von ihm konstruierten Zweitaktmaschine mit 350 cm3

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Die Rampe Vor rund 60 Jahren tauchte die seltsam geschwungene Öffnung erstmals an Strassensportwagen auf: Der NACA-Duct stammte aus der Aeronautik und versprach mehr Luftzufuhr bei verringerter Reibung. Doch das war nicht immer der Fall Text Jörg Grieshaber, map · Fotos NASA/Ames, CEN, John Lamm, Mustang Monthly, John Tylor, Werk

Die erste North American XF-93 A wies versuchsweise zwei NACA-Ducts auf

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eine Frage: Das glatt in die Karosserieoberfläche integrierte Teil sieht spacig aus. In gewisser Weise ist es das auch, denn es kam erstmals im Flugzeugbau zum Einsatz. Der sogenannte NACA-Duct ist eine Entwicklung der gleichnamigen, 1915 gegründeten US-amerikanischen Luftfahrtbehörde NACA (National Advisory Committee for Aeronautics), aus der 1958 die NASA (National Aeronautics and Space Administration) hervorging. Neben den seit Anfang der 30er-Jahre mithilfe von Windkanalversuchen entwickelten NACA-Profilfamilien für Tragflügel, deren Konturverläufe erstmals im Umfeld der Aerodynamik durch mathematische Formeln berechnet und für den Nutzer in Koordinatentabellen beschrieben waren, nahmen sich die Ingenieure auch vieler anderer Problemstellungen an. So entstand zirka 1945 der erste NACA-Duct: Es handelte sich um einen Lufteinlauf, der sich aerodynamisch günstig, also flach in eine Oberfläche integrieren lässt, ohne den Strömungswiderstand merklich zu erhöhen.

Ähnlich wie die erwähnten Tragflügelprofile ist die Form des NACA-Duct in Aufsicht und Tiefenverlauf durch mathematische Formeln genau beschrieben (Interessierte finden relativ einfache Tabellenkalkulationsprogramme dazu im Internet). Aber wie funktioniert er? Dazu muss man sich vergegenwärtigen, dass die Luftströmung immer den Weg des geringsten Widerstands gehen möchte. Wenn also irgendwo weniger Luftdruck herrscht, werden Luftteilchen automatisch dorthin gespült – und diesen Effekt macht sich das Konstruktionsprinzip des NACA-Duct zunutze: In einer glatten Oberfläche befindet sich eine Öffnung, die sich in Breite und Tiefe entsprechend dem berechneten Konturverlauf vergrössert. Scharfkantig ausgeführt, wird die Grenzschicht der anliegenden Luftströmung aufgebrochen, was zur kontrollierten Verwirbelung entlang dieser Kanten führt. Im Längsverlauf des Duct ergibt sich mit zunehmendem Querschnitt ein verstärkender Unterdruck – Luft strömt nach.

Nach enttäuschenden Ergebnissen baute man ein zweites Exemplar mit konventionellen Lufteinlässen

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SPEZIAL

Wird nun das Ganze hinten glatt abgeschnitten, kann der gewonnene Luftstrom an dieser Stelle abgezweigt werden. Die Oberflächenverwirbelungen führen zwar zu einer minimalen Erhöhung des äusseren Luftwiderstands, der jedoch gegenüber konventionellen, aufgesetzten Lufthutzen geringer ausfällt. Eine der ersten Anwendungen fand sich am Kampfjet-Prototypen North American XF-93 A, der 1951 versuchsweise mit NACA-Ducts anstelle weit ausgestellter Einlässe zur reichhaltigen Luftversorgung der Strahltriebwerke ausgestattet wurde. Ziel der Modifikation: Stirnfläche verringern, Reichweite erhöhen. Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass die Form der neuartigen Turbinenzufuhr keinen Gewinn darstellte, im Gegenteil: Die aus der NACA-Anströmung resultierenden Verwirbelungen reduzierten bei zunehmender Geschwindigkeit das Luftvolumen – die Leistung sank. Nach vorne geöffnete Lufteinlässe erweisen sich durch den direkt aufprallenden Luftstrom bei zunehmender Geschwindigkeit als deutlich effizienter und haben sich deshalb bei Düsenflugzeugen durchgesetzt. Das bedeutete allerdings nicht das Ende des Duct. Vielmehr war nun klar, dass er sich zum gezielten Anströmen solcher Aggregate und Komponenten eignete, die nur eine relativ kleine Luftmenge benötigten. In der Folge tauchte der auch «Niederdruck-Luftzuführung» genannte NACA-Duct an immer mehr Flugzeugen auf. Bis heute ist er vorwiegend an Rümpfen von Militär- und Passagiermaschinen zu sehen.

Die automobile Karriere des nicht zuletzt optisch elegant wirkenden Lufteinlasses begann Mitte der 1950er-Jahre. Auch hier ging es vorrangig darum, thermische Probleme in den Griff zu bekommen. Und wie so oft im Fahrzeugbau waren es auch hier Flugzeug- und Aerodynamik-Ingenieure, die das Konzept auf die Strasse übertrugen und sich davon Vorteile versprachen. Mit Erfolg: Der für den Verkauf als auch für die 24 Stunden von Le Mans konzipierte Lotus Elite (1959–63) wies serienmässig nur eine kleine Kühleröffnung auf, die bei hohen Aussentemperaturen und langsamer Geschwindigkeit nicht in der Lage war, den Coventry-Climax-Vierzylinder ausreichend zu kühlen. Mehr noch: Unter der sich im engen Motorraum anstauenden Hitze – es gab eben auch keine anständige Entlüftung – neigte das Benzin zu Blasenbildung, was Zündaussetzer zur Folge haben konnte. Um die zu vermeiden, ordnete der frühere De-Havilland-Ingenieur und Lotus-Mitarbeiter Frank Costin (er war der Bruder des späteren Cosworth-Mitgründers Mike Costin) einen NACA-Duct auf der Motorhaube direkt vor den Vergasern an, womit das beschriebene Problem gelöst wurde. Erstmals eingesetzt hatte Costin dieses Design übrigens bei der 1956er-Version des Formel-1-Boliden Vanwall VW 1, zudem tragen viele seiner späteren Rennwagen-Konstruktionen mindestens einen NACA-Duct. Noch heute wird der im Motorsport verwendet. Bis hin zu den aktuellen, mithilfe hochmoderner Computer-Simulationsprogramme ausgelegten Formel-1-Boliden findet sich sein Prinzip

Zwischen der ersten Countach-Studie (oben) und dem Serienmodell (Mitte) fügte Lamborghini zwei NACA-Ducts hinzu

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Drei frühe NACA-Autos: Lotus Elite Type 14, 1959–63…

…Ford Shelby GT, 1969–71…

…und Alfa Romeo Montreal, 1970­­–77

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überall und in allen Grössen wieder. Selbst an Motorradverkleidungen hat sich der NACA-Duct als sehr probates Mittel für gezielte Luftzufuhr erwiesen. Beim zuvor genannten Lotus streiten sich die Gelehrten bis heute, ob ein passend angeordneter Luftkanal zwischen der Kühleröffnung und den Vergasern den gleichen heilsamen Effekt gehabt hätte – nicht wenige im historischen Motorsport eingesetzte Elite sind heute so modifiziert. Sehen kann man die zuletzt beschriebene Lösung allerdings kaum, und so war es der NACA-Duct, der neben seiner Wirkungsweise auch optisch etwas hermachte. In der Folge bestellten viele Elite-Käufer die entsprechende Motorhaube, weil ihr Techno-Look die Gesamterscheinung aufwertete. Diesem Beispiel folgend wurde der einfache wie geniale Duct in den nun kommenden Jahrzehnten auch von anderen Strassenautoherstellern für verschiedene Zwecke eingesetzt – zur Kühler-, Bremsen-, Getriebe- und Innenraumbelüftung. Oder tatsächlich für die Frischluftzufuhr eines Motors. Nicht selten befanden sich Ducts an der Unterseite des Fahrzeugs. Das wohl prominenteste Auto mit gleich zwei solchen, an den Flanken platzierten Lufteinlässen ist der von Bertone-Designer Marcello Gandini gezeichnete und ab 1974 gebaute Lamborghini Countach, dessen Prototyp von 1971 noch ohne NACAs auskommen musste. Bei Vorserientestfahrten zeigte sich aber schnell, dass der Zwölfzylinder mehr Luft zum Atmen benötigte. Verschiedene

Experimente führten schliesslich zur Serienlösung, die sich über die Scherentüren und hinteren Radhäuser erstreckte. Bis 1990 entstanden knapp 2000 Fahrzeuge, und es ist kaum übertrieben zu sagen, dass diese NACAs, in denen sich auch die Türöffner verbargen, der Countach-Erscheinung das gewisse Etwas verliehen. Der futuristisch gestylte Zweisitzer war allerdings nicht der erste NACA-Lambo: Schon beim ab 1968 gebauten Espada und dem 1970 folgenden Jarama zierten zwei solche, wenn auch wesentlich kleinere Inlets die Motorhauben. Diese Anordnung galt und gilt auch für zwei andere Sportwagen – den ab 1969 angebotenen Shelby Mustang GT und den 1970 eingeführten Alfa Romeo Montreal. Bei Letzterem war unter der Haube nicht genug Bauraum vorhanden, weshalb die Oberfläche um den Duct etwas angehoben wurde, was dessen Vorteile natürlich relativierte. Und vielleicht erklärt, warum sich das Teil auch im Zubehörkatalog diverser Tuningunternehmen wiederfand – und später an tiefer gelegten Polo, Corsa oder Fiesta. Bei modernen, Windkanal-optimierten Supersportwagen ist eine derartige Effekthascherei natürlich verpönt: «Form follows function», lautet hier die Devise – das erzielte Ergebnis muss vorteilhaft und messbar sein. Zu den bekanntesten NACA-Trägern der Neuzeit gehören der 1979 lancierte Porsche 924 Turbo, der 1987 präsentierte Ferrari F40, der ab 1992 verkaufte Dodge Viper oder der seit 2007 angebotene Nissan GT-R (siehe Seite 037). Und es darf davon ausgegangen werden, dass weitere Modelle folgen werden.

Ferrari F40, 1987-92

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