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[ lat.: das Fahren]
#17 | Winter 2015/16
Airstream-tauglich RANGE ROVER SPORT
SPANNENDE PLÄNE // VOLVO 2020 VORBILD NATUR // BIONIK EROBERT DAS AUTO ALLESKÖNNER // SUBARU LEVORG MOTORMENSCHEN // COLANI / SCHREYER
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DAS MOTION-MAGAZIN AUS DER SCHWEIZ
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EDITORIAL
Matthias Pfannmüller, Chefredaktor
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CAMPING
EDITION
Als zuletzt knapp 40 000 Besucher nach Bern reisten, um den national grössten Caravan-Salon zu besuchen, sagte das vor allem eines aus: Mobiles Wohnen boomt. Die Branche freut sich über eine konstant hohe Nachfrage, die sich in den letzten Jahrzehnten klar vom Wohnanhänger in Richtung Reisemobil verschoben hat. Grundsätzlich erlebt jeder, der sich auf Caravan- und WohnmobilSalons aufhält, etwas Besonderes. Nicht nur, dass dort eine freizeitliche Ferienstimmung herrscht. Mehr noch: Das Auto als solches wird wieder zu dem, was es eigentlich ist – ein Transportvehikel zur Distanzbewältigung. Götzenartige Verehrungs riten, wie sie sonst auf Automobilanlässen zu beobachten sind, finden erfrischenderweise nicht statt, denn der Wagen und sein Motor sind hier höchstens Nebensache: Es geht primär um das, was das Fahrgestell mit sich herumträgt, es geht um die bewegliche Zweitwohnung. Wie sollte man auch einem Nutzfahrzeug wie dem Fiat Ducato, der von der Camping-Branche aktuell favorisierten Basis mit über 70 Prozent Marktanteil, gar fahrdynamische, stilistische oder sonst welche Reize abgewinnen? Kaufentscheidend ist eher die Tatsache, dass Fiat einen eigenen, sehr professionellen Servicedienst etabliert hat, während die grossen Automobilclubs beim Thema Reisemobil lieber abwinken. Im Umfeld von Vorzelten, Gaskochern und Klapptischen bleibt Egozentrik ganz automatisch aussen vor. Salon-Besucher sind hier mal keine Individuen mit starkem Hang zur Selbstinszenierung, sondern meist gesellige Gemütsmenschen, die entsprechend gerne in Grüppchen auftreten und plauschen: Camping steht synonym für Geselligkeit, es ist eine Angelegenheit für die ganze Familie. Pragmatismus ist also angesagt, eine gute Vorbereitung ist die halbe (Wohnmobil-) Miete. Oder wussten Sie, dass man in Frank reich mit einem bis zu 3,5 Tonnen schweren Caravan im Schlepptau 130 Sachen schnell fahren darf, während andere Länder wie Italien nur Tempo 80 erlauben? Es ist so; nur bei Nässe muss man bei unseren westlichen Nachbarn unter 110 bleiben, was fast einer Aufforderung zum Rasen gleichkommt … Es sind Geschichten wie diese, nicht selten verbunden mit Reise anekdoten, welche an normalen Automobilisten völlig vorbeigehen. Nicht wenige von ihnen wünschen sich, dass es auch so bleibt: Camping ist entweder-oder, kein vielleicht – man liebt oder hasst es, und das ist auch okay. Schade nur, wenn die ablehnende Haltung auf verstaubten Stereotypen fusst und den Selbstversuch ausgelassen hat. Letzterer könnte die Meinung bestärken, wir wissen aber auch vom Gegenteil. Und meinen uns selbst.
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INHALT #17
EDITORIAL
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NEU DEFINIERT Hersteller Volvo schärft sein Markenprofil und bereitet die automobile Zukunft vor – mit teils ungewöhnlichen Massnahmen
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AUF DER PIRSCH Mit dem F-Pace folgt Jaguar einer abwegigen Fährte. Und verspricht sich viel davon
018
ALLSEITS BEKÖMMLICHE REZEPTUR Subaru bringt den fünftürigen Levorg und der überrascht mit seiner Vielseitigkeit
026
TITELSTORY Im Winter mit Caravan-Gespann zum Polarkreis – das wollten wir immer schon mal machen!
032
DIE GLORREICHEN SIEBEN Mit diesen Allradmodellen lässt sich alles abschleppen – nun ja, fast alles
ZIMMER MIT AUSSICHT Eine erfrischende Kombination aus Campen und Baden heisst Sealander
090
EINHAKEN UND ABFAHREN Wie vielfältig sich das Caravan-Angebot gibt, zeigen diese populären Beispiele
092
UNTERSCHIEDLICH ÄHNLICH Die US-Camper-Kultur tickt anders als die unsere, fühlt sich aber ebenso gut an
098
KAPITALANLAGE Über 50 000 Käufer können kaum irren: Der VW California ist so praktisch wie wertstabil
102
GEBRAUCHSANWEISUNG Christoph Hostettler erklärt die Branche
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044
FLACHLAND VORAUS Erstmals mit Motorhome unterwegs, wollen wir zum Meer – und nehmen das Hymermobil
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HAPPY MOTORHOMING! Rund 100 Jahre nach Erfindung der Fahrzeuggattung erklären wir, warum Wohnmobilismus eine ur-menschliche Form der Bewegung ist
048
WELTKULTURBEUTELERBE Im süddeutschen Bad Waldsee steht ein sehenswertes Museum für mobiles Wohnen
126
052
GOLDSTÜCK Bei Campern setzt Franz Blaser auf Ford
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HOTEL DRINGEND GESUCHT Wolfgang Peters ist auch ohne Camping glücklich
054
PERSÖNLICHE MOMENTE Als Designer hat Peter Schreyer Automobilgeschichte geschrieben. Dass er auch malt, wissen nur wenige
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KOFFERRAUM ODER SUITE Wohnen auf vier Rädern, low-budget bis feudal SCHWITZEN WIE DIE EIDECHSEN Das Zauberwort für mehr Effizienz heisst Bionik und kommt immer öfter zur Anwendung
062 FRANZÖSISCHE IKONEN Unsere Nachbarn haben das Automobil mitgeprägt. Teil 2 führt bis ins 19. Jahrhundert
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PROVOKANTE FORMEN Aerodynamik war für Luigi Colani stets Mission. Muss man nicht mögen, ist aber interessant
072 ANDERE SPIELEN GOLF Der Peugeot 308 GTi will sich von VW und Co. abheben. Wir schauen, ob es ihm gelingt
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HIGH-END-MOBILITY Im Elemment Palazzo zeigt sich, was möglich wäre
080 DRIVE & DRINK Im Wohnmobil zum Winzer – das passt
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HORIZONT-ERWEITERUNG Der Smart Fortwo steht auffallend oft in der Nähe von WoMos
084 IMPRESSUM
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CAMPING EDITION
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AUTO 2020 VOLVO HAT BEKANNTLICH DEN RUF, BESONDERS SICHERE AUTOMOBILE ZU BAUEN, UND ES GIBT KEINEN GRUND, ETWAS ANDERES ZU BEHAUPTEN. MIT DER EINFÜHRUNG DER NEUEN SPA- UND CMA-PLATT FORMEN TRITT DAS BESTREBEN NUN IN EINE NEUE PHASE EIN. DIE STICHWÖRTER LAUTEN DABEI «AUTONOMES FAHREN» UND VOR ALLEM «VERNETZUNG». SIND AUTOFAHRER VON MORGEN ALSO IN WATTE GEPACKTE, ÜBERWACHTE UND ENTMÜNDIGTE PASSAGIERE? KEINESWEGS, WIE UNSER ÜBERBLICK AUF KOMMENDE FUNKTIONEN AUS GÖTEBORG ZEIGT Text Stefan Fritschi · Illustration Werk · Fotos Lars Ardarve, sfr, Werk
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WENN SICHERHEIT BERECHENBAR WIRD Unfallvermeidung ist inzwischen auch eine digitale Wissenschaft: Forscher setzen auf eine ebenso aufwendige wie umfangreiche Datenerfassung und den Austausch von Informationen
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ls in den 1960er- und 70er-Jahren von fast allen namhaften Automobilherstellern sogenannte Safety Research Vehicles präsentiert wurden, erschauderten Ästheten: Unförmige schwarze Kunststofffronten und Signallackierung aussen, Gummizellen innen – diese Autos waren nicht mehr zum Fahren, sondern zum Verunfallen gebaut und sahen entsprechend aus. Sollte das die Zukunft des Automobils sein? Es kam zum Glück ganz anders, zumindest teilweise. Denn die Gesetzgeber in den USA folgten damals der heute überholten Meinung, dass die Karosserie bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit nicht beschädigt werden dürfe. Dies führte nicht nur zu klobigen Stossfängern, sondern auch zu «Opferteilen», die per Definition nicht zur Karosserie gehörten und leicht ersetzt werden konnten. Diese USVorschriften dürften mit dazu geführt haben, dass amerikanische Autos sich im Export noch schwerer taten. Die letzten Jahrzehnte brachten dann enorme Fortschritte bei der aktiven Sicherheit, die einen Unfall verhindern soll, und auch bei der passiven, welche hilft, die Folgen einer Kollision zu minimieren. Die Ergebnisse sind beeindruckend; derartige Technologien haben trotz steigendem Verkehrsaufkommen tatsächlich die Anzahl der Toten und Verletzten sinken lassen – zumindest in den Ländern mit einigermassen modernem Fuhrpark und entsprechender Verkehrsinfrastruktur. Trotzdem ist jeder Verletzte oder Tote immer noch einer zu viel. Die Hersteller stehen im Wettlauf mit der Zeit, um dem Gesetzgeber den Wind aus den Segeln zu nehmen. Tempolimits, Radarüberwachung und Verbote sind die unkreativen Antworten der Politik, die sich die erzielten Fortschritte der letzten Zeit gerne auf die eigenen Fahnen schreibt. Gefragt ist Kreativität seitens der Autoindustrie. Wenn es um Fahrzeugsicherheit geht, steht Volvo in vorderster Front. Die 2009 erstmals formulierte Vision lautet, dass 2020 kein Mensch mehr durch einen Volvo getötet wird. Sicherheitsforschung ist bei den Schweden ein alter Hut und die Liste der Massnahmen, die sie bisher in die Serie eingebracht haben, ist lang. Sicherheitsfahrgastzellen, Sicherheitsgurte, Überrollschutz oder Seitenaufprallschutz waren bei Volvo schon früh eine Selbstverständlichkeit. Das Thema muss intern und bei den Zulieferern nicht mehr erklärt oder gar gerechtfertigt werden. Weil das Unternehmen aber eine vergleichsweise kleine Firma mit geringen Kapazitäten ist, muss die Arbeit umso zielgerichteter sein. Fahrzeugsicherheit darf andere Entwicklungsarbeiten weder behindern noch bremsen. Präzise Vorgaben dazu kommen meistens von Jan Ivarsson, einem der «Sicherheitspäpste» bei Volvo. Besonders stolz ist er auf das vor 15 Jahren in Torslanda eröffnete Testzentrum, wo Fahrzeuge nicht nur auf einer, sondern gleich zwei Testbahnen zusammenstossen können. Und zwar im Winkel von 0 bis 90 Grad. Dazu lässt sich ein Gebäudeflügel verschieben. Felsformationen, Bäume, Leitplanken jeglicher Bauart oder andere mögliche Hindernisse inklusive künstlichem Elch stehen als Aufprallobjekte zur Verfügung. Die Kontrahenten treffen sich auf einem dicken Glasboden, der das Geschehen von allen Seiten – eben auch von unten – mit Hochleistungskameras und Scheinwerfern festhält. Auf einer Aussenanlage können Autos 010 VECTURA #17
über abschüssige Strassen oder Gräben geschickt und Unfälle in freier Natur simuliert werden. Am wichtigsten aber ist es, Unfälle überhaupt gar nicht erst entstehen zu lassen. Ivarsson hat deshalb über hundert Autofahrer rund anderthalb Jahre lang gefilmt, um zu prüfen, wie sie in alltäglichen Verkehrssituationen reagieren. Kameras hielten dabei alle Verkehrsszenerien genauso fest wie Körperhaltung oder Augenstellung der freiwilligen Probanden. Eine mitlaufende Uhr mass die Reaktionszeiten. Die Erkenntnisse fliessen in die Entwicklung von Assistenzsystemen genauso ein wie in die Prototypen der ersten selbstfahrenden Autos. Auf die Frage, ob denn in der Testzeit auch Havarien registriert wurden, schmunzelt Ivarsson: «Ja, den ersten aufgezeichneten Unfall habe ich selbst gebaut …» Es war dann nur eine leichte Auffahrkollision mit geringem Sachschaden. Der Crash eines weiteren Probanden lief ebenfalls noch glimpflich ab: Im Film fährt der Mann nichtsahnend seines Weges, als es plötzlich rummst. Ein entgegenkommender Linksabbieger hatte seine Schnauze bereits in der Gegenfahrbahn, ohne dass der Fahrer darauf reagierte. Warum hatte er ihn übersehen? Die Analyse zeigt, dass die Sonne sehr tief stand, das gegnerische Auto also im Gegenlicht verschwand. Was aber noch gravierender war: Die Augen des Fahrers konzentrierten sich gerade auf mögliche Gefahrenquellen auf der rechten Strassenseite und so blieb der linke Verkehrsbereich für kurze Zeit unbeobachtet. Die Volvo-Ingenieure entwickelten daraus ein Anti-Kollisions-System, welches Radar- und Lasertechnologie nutzt, um die Strasse im Voraus abzuscannen und potenzielle Gefahren zu entdecken, ohne sich dabei ablenken oder durch Gegenlicht beeinflussen zu lassen. Der erweiterte Bremsassistent erkennt beispielsweise auch durch ein vorausfahrendes Auto verdeckte Fahrzeuge, Menschen, Fahrräder – und auch Elche, Rentiere, Rehe, Wildschweine sowie demnächst die für australische Autofahrer so gefährlichen Känguruhs. Doch solche Systeme sind wenig effizient, wenn sie nur für das eigene Auto mitdenken. Viel wichtiger ist deshalb, dass sich Verkehrsteilnehmer miteinander «unterhalten». Genau hier kommt der wohl wichtigste Faktor aller kommenden Entwicklungen ins Gespräch: Connectivity, also die Vernetzung verschiedener Autos. Denn nur wenn sich Fahrzeuge via Satellit oder auch im direkten Datenaustausch gegenseitig ihre Absichten kundtun, können Systeme selbsttätig reagieren und potenziell gefährliche Fahrmanöver schon im Vorfeld verhindern. Schliesslich muss ein Unfall auch nicht um jeden Preis vermieden werden, wenn ein Ausweichmanöver grössere Gefahren birgt als eine abgeschwächte Kollision. Die Entscheidung treffen Mikroprozessoren in Zehntelsekunden viel zuverlässiger als jeder noch so erfahrene Lenker. Für eine möglichst hohe Erfolgsrate ist es erforderlich, schwächere Verkehrsteilnehmer miteinzubeziehen. Ein Forschungsteam entwickelte deshalb einen Fahrradhelm, der den Velofahrer vor einem herannahenden Fahrzeug warnt. Und auch die Entwicklung der einzelnen Verkehrswege muss in Zukunft dahin gehen, sie zu entflechten, damit möglichst wenig Berührungspunkte entstehen. Also separate Fahrradwege, Über- und Unterführungen sowie Kreisel statt Kreuzungen. Das Auto selbst ist somit nur Teil ganzheitlicher Überlegungen, wenn auch ein wichtiger. Doch falls die Strategie greift, kann die Anzahl von Airbags oder anderer passiver Systeme wieder reduziert werden, Fussgängerschutzmassnahmen werden überflüssig, Autos wieder leichter und eleganter. Das sind doch tolle Aussichten!
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Für eine möglichst hohe Erfolgsrate ist es erforderlich, schwächere Verkehrsteilnehmer miteinzubeziehen
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FÄHRST DU NOCH ODER LIEST DU SCHON? Autonome Autos benötigen eine ganz neue mentale Einstellung. Das zeigt die Mitfahrt in einem selbstlenkenden Volvo V60 – und zwar nicht auf einem abgesperrten Testgelände, sondern auf den öffentlichen Strassen in und um Göteborg
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ieser V60 unterscheidet sich nur durch ein paar folierte Schriftzüge vom Serienauto – zumindest äusserlich. Innen sind hier und da noch handgefertigte Prototypenteile und Kabelsalat zu entdecken, während der Laderaum durch die ganze Regelelektronik in Beschlag genommen wird. «Dieses Auto ist noch in Erprobung und wird ständig weiterentwickelt. Seine Elektronik macht sich später ganz klein», erklärt Peter Harda, einer der leitenden Ingenieure im 2013 gestarteten «Drive-Me»Projekt. Dessen nächstes Ziel ist es, 100 autonom fahrende Exemplare des V60-Nachfolgers im Jahr 2017 an Kunden auszuliefern. In zehn Jahren dürften autonom fahrende Autos (siehe VECTURA #5) dann optional bestellbar sein. Die Technologie ist keine Spielerei, sondern wird für zukünftige Automobilisten weitreichende Konsequenzen haben. Autonomes Fahren macht nur dort wirklich Sinn, wo das menschliche Lenken ohnehin keinen Spass mehr bringt – im Stop-andgo überfüllter Städte zum Beispiel oder auf langweiligen Autobahnabschnitten, die wegen ihres hohen Verkehrsaufkommens gerade keine freie selbstbestimmte Fahrt ermöglichen. In solchen Bereichen kann ein selbstfahrendes Auto Unfälle vermeiden und dabei fliessender fahren, als es der emotionale Mensch tut. Der 012 VECTURA #17
hat im Gegenzug nun Zeit, sich zu erholen, E-Mails zu schreiben, zu telefonieren oder Zeitung zu lesen. Denkbar ist dadurch auch die Erhöhung der Fahrspuren auf gleichem Raum, also eine Verschmälerung derselben, weil autonom fahrende Fahrzeuge wesentlich präziser lenken als Menschen. Es könnte dann auch enger parkiert werden, weil Passagiere schon vorher aussteigen und platzraubendes Türöffnen entfällt – das Auto sucht sich
Entscheidungen trifft das Auto in Millisekunden – schneller, sicherer und zuverlässiger, als ein Mensch es je kann selbst eine passende Lücke. Allerdings wird es noch eine Weile dauern, bis das Auto so weit ist, seine Passagiere zum Beispiel vor dem Theater aussteigen zu lassen, selber ein Parkhaus zu suchen und pünktlich zum letzten Vorhang wieder vor der Tür zu stehen. Auch eine Waschanlage oder die Werkstatt wird das autonome Auto irgendwann selber aufsuchen können, aber das ist laut Harda wirklich noch Zukunftsmusik. Aktuell ist die Welt noch einfacher. Das «Drive-Me»-Projekt wird erstmals autonom fahrende Fahrzeuge für Kunden in der Praxis erlebbar machen. Universitäten, Wissenschafter und Zulieferer sind genauso beteiligt wie Juristen, Versicherungen oder das Verkehrsministerium. Denn es handelt sich offensichtlich um weit mehr als ein neues Komfort-Feature. Hier wird eine
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Grenze überschritten. Denn während bei Assistenzsystemen immer noch der Fahrer die Verantwortung innehat, wird diese beim autonom fahrenden Auto an die Regeltechnik abgegeben. Das ist ein gewaltiger Schritt mit noch nicht absehbaren Konsequenzen, beispielsweise was die Haftpflicht im Falle einer Fehlfunktion anbetrifft. Das Fahrzeug muss somit imstande sein, alle möglichen Fahrsituationen zu beherrschen, und im Falle eines Falles selbständig am Strassenrand parkieren, wenn die Technik an ihre Grenzen kommen oder gar ausfallen sollte. Während ein passiver Fahrer Kaffee trinkt oder telefoniert, hat er nicht die Möglichkeit, kurzfristig einzugreifen. Harda denkt aber, dass die Technologie sich im Laufe der Zeit so weit entwickelt haben wird, dass die Fehlerquelle kleiner ist als bei einem Fahrer aus Fleisch und Blut. Autonom fahrende Fahrzeuge werden weniger bis keine Unfälle verursachen. In vielen Ländern will vorher die Gesetzgebung für die Zulassung geändert werden. Doch was passiert bei Netzausfall oder im Funkloch? Wie sehen die Back-up-Systeme aus? Da steht noch viel Klärungs- und Überzeugungsarbeit ins Haus. Der V60 wartet. Unser Exemplar kann auf kreuzungsfreien Stras sen in Eigenregie fahren, aus einer Haltebucht auf die belebte Strasse einbiegen kann es hingegen nicht. Andere der rund ein Dutzend Prototypen sind schon weiter und können nicht nur das, sondern auch selbständig Spuren wechseln. Unser Auto wird also ganz normal auf die Ringstrasse gelenkt. Erst dann hält Harda zwei Tasten auf dem Lenkrad gleichzeitig über einige Sekunden gedrückt – und lässt los, steigt parallel vom Gas- und Bremspedal. Die Kameras haben die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h genauso erfasst wie Asphaltmarkierungen und alle Fahrzeuge in der Umgebung. Erstaunlich ist, wie sauber der Volvo die Spur hält. Als ein langsam fahrender Lastwagen auftaucht, bremst unser V60 automatisch ab. Normalerweise würde der Kombi jetzt selbständig blinken und auf eine schnellere Spur wechseln, aber unser Exemplar kann das wie gesagt noch nicht. Harda wechselt die Spur also selbst, dann übernimmt das Auto automatisch. Andere autofahrende Göteborger ignorieren auf der autobahnähnlichen Strecke allerdings das als viel zu niedrig empfundene Tempolimit und bremsen nur bei den angekündigten Blitzgeräten kurz ab. Der autonome Volvo hingegen muss sich sklavisch daran halten – so sind wir das langsamste Auto weit und breit. Wer allerdings nicht selber fährt und anderweitig beschäftigt ist, stört sich nicht an der Schleicherei, im Gegenteil: Man ist jetzt stressfrei unterwegs und womöglich froh, noch etwas mehr Zeit für wichtigere Dinge zu haben. Per Tastendruck übernimmt der Fahrer bedarfsweise wieder die alleinige Verantwortung. Er wird auch in Zukunft selber lenken wollen, wenn es ihm Spass macht. Abgesehen davon ist das System noch nicht auf mit Eis und Schnee bedeckte Oberflächen ausgelegt; der Volvo fährt nur auf schwarzgeräumten Strassen. Die Mechanik des Autos selber wird sich nicht gross ändern, denn schon heute sind Gas, Bremse, Automatikschaltung und Lenkung elektrifiziert, sind Laserscanner, Radar und Kameras an Bord. Die Elektronik gleicht diese Informationen mit sehr detaillierten Karten ab, die im Laufe des Projekts ebenfalls noch zu erstellen sind. Es sind unglaubliche Datenmengen, die auch korrekt interpretiert werden wollen. Dann folgt die Entscheidung in Millisekunden. Und das – wir erwähnten es schon – schneller, sicherer und zuverlässiger, als es ein Mensch je kann. Falls der jedoch genug hat, schaltet er das System einfach ab. Und diese Möglichkeit dürfte passionierte Autofahrer ungemein beruhigen. WINTER 2015/16 013
ELEKTRIFIZIERUNG IN ALLEN KLASSEN Unglaublich, aber wahr: 2019 wird der neue XC90 das älteste Auto im Volvo-Portfolio sein, denn bis dahin stehen alle anderen Baureihen auf den SPA- und CMA-Plattformen. Neben Verbrennungsmotoren sind Mild- und Plug-inHybride sowie Elektromodelle fest eingeplant. Vor diesem Hintergrund ist die Probefahrt im XC90 T8 Twin Engine sehr vielversprechend
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ie neuen Volvo-Generationen der 40er-, 60er- und 90erSerien kommen in den nächsten vier Jahren auf den Markt; sie alle stehen dann auf den markeneigenen, gemeinsamen Plattformen SPA (Scalable Product Architecture) und CMA (Compact Modular Architecture). Beide sind schon auf dem Reissbrett modular für Diesel- oder Benzinmotoren, Mild- oder Plug-in-Hybrid sowie reinen E-Antrieb ausgelegt. SPA ist mit dem XC90 kürzlich erstmals lanciert worden (siehe VECTURA #15); sie ist dank serienmässigem Allradantrieb in der Twin-EngineVersion auch für die S-/V-/XC60-Modelle vorgesehen. CMA mit Vorderradantrieb wird in den 40ern sowie den Nicht-Allradmodellen der 60er zum Zug kommen. Hauptinnovation sind hier neue
Drei- und Vierzylindermotoren und das unterhalb der Mittelkonsole längs platzierte Batteriepaket für die Hybrid- und Elektrovarianten. Und natürlich die Flexibilität: Beide Plattformen können unterschiedliche Radstände und Spurbreiten aufweisen und damit nahezu beliebig lange, breite oder hohe Fahrzeuge hervorbringen. Über die nächsten Modelle schweigt sich Volvo noch aus. Aber nebst den bereits durchgesickerten S90 und V90 dürften XC40 und XC60 verkaufstechnisch am ehesten Sinn machen. Ein Kleinwagen unterhalb des Kompaktsegments ist nicht geplant. Auf der CMA-Plattform wird es erstmals auch ein Geely-Derivat geben, das derzeit in Göteborg entworfen wird. Befürchtungen, dass man in Europa mal Volvo «Made in China» verkaufen wird, werden von den Verantwortlichen zerstreut. Die bisher einzige Ausnahme bildet der S60 mit langem Radstand aus chinesischer Produktion, den es auf verschiedenen Märkten gibt. Die Elektrifizierung startete bei Volvo bereits 1976 mit zwei Prototypen. Das Thema wurde seitdem immer mal wieder aufgegriffen, aber richtig los ging es dann 2010. Seitdem sind 300 voll elektrische C30 in Kundenhand und sammeln Erkenntnisse. Die Nutzer sind vor allem von den hervorragenden Langsamfahreigenschaften im Stadtverkehr, einer sehr guten Beschleunigung und der Geräuschlosigkeit angetan. Bei der Reichweite, der langen Ladezeit, der Verfügbarkeit von Ladestationen sowie sauber hergestelltem Strom besteht hingegen Handlungsbedarf. Aktuell führt Volvo kein E-Auto im Programm, aber vier Plug-in-Hybride: XC90 T8, S60L T6 sowie V60 als D6 und D5. Ein vollwertiges E-Modell soll dann 2019 auf SPA-Basis eingeführt werden. Mittelfristig planen die Schweden, zehn Prozent ihrer angestrebten Gesamtproduktion zu elektrifizieren – das wären rund 80 000 Fahrzeuge jährlich. Ein hohes Ziel, das angesichts niedriger Erdölpreise umso entfernter scheint. Die globale Verteilung wird dabei offen gelassen, weil die Gesetzgeber und ihre in den jeweiligen Ländern lancierten Förderprogramme ganz wesentlich über Zurückhaltung oder Boom entscheiden. Wichtig ist deshalb, dass sowohl Volvo als auch seine Zulieferer flexibel sind; das betrifft insbesondere Batterien-Lieferant LG aus Korea. Volvo rechnet erst ab 2020 mit einer höheren E-Auto-Akzeptanz bei den Verbrauchern. Bis dahin, glauben die Entwickler, werden sich Batteriekapazitäten und -leistung sowie Ladegeschwindigkeit und -infrastruktur deutlich verbessert haben; induktive Ladung wird angestrebt. Auch sei mit günstigeren Preisen zu rechnen, weil die erforderlichen Komponenten dann in viel höheren Quantitäten produziert werden dürften. Ein wichtiger Zwischenschritt ist der XC90 T8 AWD Twin Engine PHEV, der Mitte 2016 zu Preisen ab 99 000 Franken auch in die Schweiz kommt. Der Siebenplätzer wird von einem 320 PS starken Zweiliter-Vierzylinder über die Vorderräder angetrieben. Die hinteren erhalten ihre Kraft von einem 9,2 kWh speichernden Lithium-Ionen-Batteriepaket. Der E-Motor leistet 65 kW; über 40 Kilometer rein elektrisches Fahren sollen möglich sein. Ein Tausch der Batterien ist theoretisch machbar, aber nicht vorgesehen, weil sie laut Hersteller auf den ganzen Lebenszyklus des Autos ausgelegt sind. Je nach Einstellung fährt der XC90 T8 also mit Front-, Heck- oder Allradantrieb. Sollte 4x4 einmal benötigt werden, wenn die Batterien leer sind, liefert der Generator den Strom direkt an die Hinterräder.
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Zurückhaltung oder Boom? Das entscheiden im Wesentlichen die Gesetzgeber der jeweiligen Länder
Der XC90 T8 ändert seinen Charakter per Scroll-Bar, über den sich drei verschiedene Fahrmodi einstellen lassen, die das Ansprechverhalten von Motor, Getriebe, Luftfederung und Lenkung sowie den Einsatz der Zusatzaggregate steuern. «Pure» steht für reinen Elektrobetrieb und schaltet den Benziner dank 240 Nm Drehmoment des E-Motors nur bei starkem Beschleunigen zu; davon abgesehen sind sämtliche Funktionen stets auf geringsten Energieverbrauch ausgelegt. «Hybrid» ist der Normalmodus, in den der Luxus-SUV bei jedem Neustart zurückfällt. Der Antrieb ist jetzt so programmiert, dass nur dort mit Strom gefahren wird, wo es Sinn macht, damit der Speicher für eine allfällige rein elektrische Stadtfahrt stets genug Energie übrig hat. Anhand eines eingegebenen Fahrziels und der in der Cloud gespeicherten Informationen errechnet das Auto selber die effizienteste Antriebsart. Der Modus «Power» mobilisiert die maximal verfügbare Systemleistung von 300 kW (407 PS) und setzt alle Parameter auf sportlich. Das relativiert
sich freilich ein wenig angesichts der 2,4 Tonnen, die da bewegt werden wollen. Aber der mit Turbo und Kompressor aufgeladene Benziner hinterlässt in Verbindung mit der Achtstufen-Automatik einen sehr harmonischen Eindruck: Leistung ist immer und in ausreichender Menge vorhanden. Sogar ein kerniger Sound ist vernehmbar, während sich der Antrieb ansonsten sehr zurückhält; das gilt auch für die Windgeräusche. Der Normverbrauch von 2,1 L/100 km ist, wie bei allen Plug-inHybriden, rein rechnerischer Natur: Wer sich zügig in Schweizer Topografie bewegt, dürfte es schwer haben, im einstelligen Bereich zu bleiben. Angesichts von knapp fünf Meter Länge, seiner Luxusausstattung und dem Allradantrieb ist der T8 aber ein äusserst sparsames Auto. Technische Tricks wie beispielsweise das Vorheizen des Fahrzeugs mit Netzstrom helfen ebenfalls, Sprit zu sparen, nicht aber Strom. Die ökologische Gretchenfrage, wie umweltfreundlich Letzterer produziert wurde, ist freilich ein ganz anderes Thema … WINTER 2015/16 015
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POSTLAGERND IM KOFFERRAUM Connectivity braucht es nicht nur für autonomes Fahren oder zur Unterstützung der Assistenzsysteme. Sie kann auch das Leben einfacher machen, wie das Beispiel «Roam Delivery» demonstriert
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olvo denkt vernetzt. Schon vor 15 Jahren wurde eine Frühform inzwischen üblicher Funktionen, der SOS-HilferufButton, lanciert. Heute kann das Auto dank «Sensus Connect»-Infotainmentsystem bereits mit anderen Fahrzeugen und mit der Cloud kommunizieren, Parkplätze finden und sie auch bezahlen; das Gleiche gilt für Restaurants oder Ähnliches. Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten. Tommy Hansson Strand und Johan Maresch arbeiten im Volvo-IT-Bereich in der Abteilung Innovation. Auf der Suche nach neuen Ideen stiessen sie auf Logistik und E-Commerce. Gedanke: Warum soll ein Fahrzeug, das mit dem Internet vernetzt ist, nicht auch etwas tun können, während es auf einem Parkplatz herumsteht? Beispielsweise Waren in Empfang nehmen oder ausliefern … Wer kennt die Situation nicht? Man hat etwas bestellt. Der Paketdienst läutet vergeblich zwei- oder dreimal an der Türe. In der Folge findet sich ein Zettel im Briefkasten mit der Aufforderung, irgendwo weit draussen im Industriegebiet ein Päckchen abzuholen. Menschen, die nicht zuhause sind, kosten jährlich sehr viel Geld – und Nerven. Die Lösung naht: Wer einen Volvo fährt, soll ihn zukünftig auch als Postfach nutzen können. Der Paketdienst wird mittels On-Call-App informiert, dass das Auto 016 VECTURA #17
auf einem bestimmten Parkplatz steht. So kann es vom Kurier direkt angefahren und die Ware im Kofferraum deponiert werden. Das Fahrzeug macht sich dann optisch und akustisch bemerkbar; mittels eines digitalen Schlüssels lässt sich der Kofferraum temporär öffnen. Auch Supermärkte können diese Möglichkeit nutzen und online eingekaufte Ware zum abgestellten Volvo liefern. Es ist dann natürlich zu beachten, dass nicht gerade Butter den halben Tag lang im heissen Auto liegt, aber selbst dieses Problem haben die Apps im Griff. Sie sind schliesslich vernetzt und können anhand des Wetterberichts entsprechende Entscheidungen treffen. Verderbliche Ware wird dann nicht bestellt oder die Auslieferung kurz vor Feierabend terminiert. Konkrete Tests mit 100 Volvo-Fahrern verliefen bereits sehr erfolgreich: In sieben Wochen wurden 300 Einkäufe ausgeliefert. Die Probanden beschwerten sich sogar, als das Testende nahte – so sehr hatten sie sich in kürzester Zeit an die sogenannte «Roam Delivery» gewöhnt. In Serie soll es dann «In-car Delivery» heissen. Hansson Strand und Maresch haben noch mehr Pfeile im Köcher, wollen aber noch nichts verraten. Wenn dereinst eine nennenswerte Anzahl autonom fahrender Autos unterwegs sein wird, könnte man ihnen Frondienste wie Einkaufen, Postdienste und dergleichen auferlegen, während ihre Besitzer wichtigeren Aufgaben nachgehen. «Oder die Kinder vom Kindergarten abholen», witzeln die beiden. Das aber sollten Mami oder Papi dann doch bitte persönlich tun. Der Nachwuchs könnte es ihnen sonst krummnehmen.
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018 VECTURA #17
WARUM BITTE BAUT JETZT AUCH JAGUAR EINEN SOFTROADER? SCHLIESSLICH HAT MAN DOCH LAND ROVER IM PORTFOLIO! DER BOOMENDE SUV-MARKT GIBT DIE ANTWORT, DAZU HAT MAN DEN KOMMENDEN F-PACE ALS ALLZWECK-JAG KONZIPIERT. DAS MACHT MINDESTENS NEUGIERIG – WIR NÄHERN UNS DEM AUTO MAL VON OBEN Text Claus Engler Fotos igcw, Werk
G
race, Space, Pace – das war über Jahrzehnte der Drei klang, der die Positionierung von Jaguar beschrieb – jener 1935 gegründeten Luxusmarke also, die nicht nur bewegende Automobilgeschichte geschrieben, sondern auch viele Krisen überlebt hat. Die Engländer beteuern, an den Kernwerten des Hauses habe sich auch beim ersten SUV nichts geändert. Und liefern gleich die Einordnung, dank der wir zugleich die Wettbewerber erkennen. Platz: deutlich mehr als im Audi Q5. Dynamik: deutlich besser als beim Benchmark Porsche Macan. Und Würde? Gemessen am bombastischen Bentley Bentayga oder am neuen Lexus RX, dessen hartes Design offensichtlich von Karate-Kämpfern definiert wurde, hat Chefdesigner Ian Cullum die Ruhe bewahrt, vorn und hinten Stilelemente des F-Type appliziert, das Dach früh abfallen lassen und so insgesamt eine Form geschaffen, für die sich niemand schämen muss. Der Jaguar F-Pace ist das dritte Modell auf der modularen Aluminium-Plattform des Konzerns, hat aber «81 Prozent neue Teile», sagt uns der Baureihen-Verantwortliche Kevin Stride. Und er berichtet vom «mit 80 Prozent höchsten Aluminium-Anteil aller SUV» – die Rohkarosse wiegt lediglich 298 Kilogramm. Die Heckklappe ist aus Kunststoff-Verbundmaterial, der Armaturenbrettträger aus Magnesium, die Türen sind kurioserweise aus Stahl blech. Jaguar ist stolz auf das erreichte Gesamtgewicht und die ausbalancierte Gewichtsverteilung von 50:50.
In Zukunft Ingenium: nur zwei Liter Kapazität, aber schon 180 PS
Selbstzünder: «kleiner» TDV6 mit völlig ausreichenden 300 PS
Die Basisversion mit reinem Heckantrieb (!), Zweiliter-VierzylinderDiesel (180 PS/132 kW) und Schaltgetriebe bringt 1665 Kilogramm auf die Waage, hat einen cw-Wert von 0,34 und erreicht so 129 g CO2 pro km. Richtig voran geht es im F-Pace S mit seinem Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner, 380 PS (280 kW), AchtstufenAutomatikgetriebe und Allradantrieb. Dazwischen liegen der Dreiliter-V6-Biturbo-Diesel mit 300 PS (221 kW), der 700 Nm ins Getriebe wuchtet, sowie der Dreiliter-V6-Kompressor-Benziner mit 340 PS (250 kW), jeweils mit Achtstufen-Automat und 4x4. Mit dem ursprünglich für den F-Type entwickelten Allradsystem namens Intelligent Driveline Dynamics (IDD) fährt der F-Pace unter normalen Bedingungen als Hecktriebler. Falls es die Verhältnisse erfordern, schickt IDD zusätzlich Kraft auf die Vorderachse – ein sanfter und für den Fahrer unmerkbarer weil in weniger als 165 Millis ekunden ablaufender Vorgang. Beim Allradantrieb
Topmotorisierung: Dreiliter-V6-Kompressor mit hungrigen 380 PS
WINTER 2015/16 019
NEUVORSTELLUNG
020 VECTURA #17
RUBRIKEN
Katzenliebhaber: Jaguar-Designer Ian Callum
halfen auch die Kollegen von Land Rover, deren Adaptive Surface Response (ASR) das Fortkommen bei misslichen Wetterverhältnissen verbessert. Je nach Untergrund (trockener und nasser Asphalt, Schotter, Schnee und Eis) passt ASR die Kennfelder und Programme der Drosselklappe, des Automatikgetriebes und der Stabilitätskontrolle DSC bedarfsgerecht an. Über die auf dem Mitteltunnel sitzende Jaguar Drive Control lassen sich verschiedene Programme für verschiedene Einsatzbedingungen auch manuell anwählen. Zusätzliche Hilfe beim Anfahren bietet das Fahrerassistenzsystem ASPC (All Surface Progress Control). Dieses gibt es in Verbindung sowohl mit Heck- wie Allradantrieb, es regelt den Schlupf über Bremseingriffe an den einzelnen Rädern. Meldet ASR einen Untergrund mit geringer Haftung, baut ASPC bei Geschwindigkeiten zwischen 3,6 und 30 km/h im Stil einer Launch Control schlupffrei maximale Haftung auf. Der Fahrer wählt die gewünschte Maximalgeschwindigkeit im Tempomat – und braucht dann nur noch zu lenken. Für F-Pace-Fahrer, die ähnlich schlupffrei, aber lieber mit Einsatz des Gaspedals vom Fleck kommen wollen, gibt es – als Novum für einen Jaguar – zusätzlich den Low Friction Launch (LFL). Der nutzt ein sehr progressives Drosselklappen-Kennfeld, das die Kontrolle über das Fahrzeug sehr effektiv unterstützt. Die extrem verwindungssteife Karosserie – laut Kevin Stride ist sie 50 Prozent steifer als die des Macan – bildet die Grundlage für ein Fahrwerk, das sowohl sportlich als auch komfortabel sein soll. Es besitzt eine Aluminium-Doppelquerlenker-Vorderund eine Aluminium-Integral-Hinterachse. Beim Einlenken hilft Torque Vectoring: Durch leichtes Abbremsen der kurveninneren Räder wird drohendes Untersteuern effizient unterdrückt. Die Einstiegsmodelle stehen auf konventionellen Stossdämpfern; WINTER 2015/16 021
NEUVORSTELLUNG
optional gibt es ein elektronisch gesteuertes Adaptive Dynamics System. Es misst Karosseriebewegungen bis zu 100 Mal pro Sekunde; Radfederwege werden sogar bis zu 500 Mal kontrolliert und die Dämpfer entsprechend angepasst. Für sehr sportlich orientierte Fahrer steht das individuell programmierbare Fahrprogramm Configurable Dynamics bereit: Es ändert je nach Gusto die Einstellungen der Drosselklappe, der Lenkung, des Automatikgetriebes und – wo vorhanden – das Adaptive Dynamics. Die maximale Radgrösse beträgt üppige 22 Zoll.
022 VECTURA #17
Innen nimmt der F-Pace Abschied von der typischen tiefen Sitzposition der Marke – auch Jaguar-Fahrer werden älter. Und schliesslich ist der neue SUV, auch wenn man das in England nicht offen sagt, als Nachfolger des weniger beliebten, fünftürigen XF Sportbrake zu verstehen, der nicht neu aufgelegt werden soll. Behagliche Sportsitze erinnern aber an ihn; je nach Ausstattung sind sie 14-fach elektrisch verstell- sowie beheiz- und kühlbar. Auf Wunsch gibt es sie auch in einer Ausführung in Windsor-Leder mit doppelten Kontrastnähten samt Kopfstützen
Warum weiss? Nun, british racing green hatten wir ja schon des Öfteren …
WINTER 2015/16 023
NEUVORSTELLUNG
mit eingeprägten Logos. Versprochen wird Platz für fünf und ein grosszügiges Raumgefühl in der zweiten Reihe. Die hinteren Sitze sind höher angeordnet, sodass auch Kinder einen guten Blick nach draussen haben. Eine optionale Vierzonen-Klimaanlage mit zusätzlichen Luftauslässen in den B-Säulen kümmert sich ums Innenraumklima. Unter der grossen Auswahl an Innenraum einrichtungen finden sich Metall-Applikationen wie Aluminium in Maschenoptik ebenso wie Holzpaneele, zum Beispiel mattiertes graues Eschenholz. An Fahrassistenten ist kein Mangel, der Notfall-Bremsassistent erkennt jetzt auch Fussgänger. Die Stereo-Kamera fungiert darüber hinaus als «Auge» für weitere Assistenzsysteme wie den Spurverlassenswarner, den Spurhalteassistenten und den adaptiven Geschwindigkeitsbegrenzer. Ganz besonders stolz ist man in Coventry auch auf das Info tainment-Netzwerk des F-Pace. Das Topsystem InControl Touch Pro basiert auf einem 10,2 Zoll grossen Touchscreen, hat eine 100 GB grosse Festplatte, einen leistungsstarken Quad-CoreProzessor und ein blitzschnelles Ethernet. Auf vier Sitzplätzen gibt es USB-Schnittstellen und 12-Volt-Steckdosen. Die Bedienlogik folgt der Tipp-und-Wisch-Philosophie der Smartphones, die Grafiken präsentieren sich in brillanter Auflösung und das Navigationssystem ist lernfähig – es merkt sich zum Beispiel den täglichen Weg zur Arbeit, bietet Tür-zu-Tür-Routenführung und kann sogar Menschen am Zielort über die voraussichtliche Ankunftszeit des Jaguar F-Pace informieren. Ein interessantes Gimmick ist der Jaguar Activity Key: Das ist ein wasserdichtes und stossfestes Armband mit integriertem Transponder zum Öffnen und Schliessen der Türen. In letzterem Fall werden automatisch alle im Innenraum liegenden Schlüssel deaktiviert. Der Activity Key arbeitet auf den gleichen Hochfrequenzen wie die anderen Schlüssel; zum Öffnen und Schliessen der Türen reicht es, ihn nah an das «J» im Jaguar-Schriftzug auf der Heckklappe zu halten. Der intelligente Schlüssel kommt ohne 024 VECTURA #17
Batterie aus – womit die Sorge, ihn einmal ausser Funktion erleben zu müssen, ebenfalls entfällt. Nun gibt es dererlei Funktionen nicht umsonst, doch der F-Pace ist preislich breit aufgestellt. Die Basisversion 2.0 D startet ab 48 600 Franken, das Topmodell 3.0 V6 kommt mit CHF 93 400.– fast doppelt so teuer. Für eine vielfältige Käuferschaft ist also gesorgt, zumal der Jaguar-SUV mit bis zu 1740 Liter so viel Kofferraum bietet wie keine andere Katze zuvor. Wohl auch deshalb lässt sich der Hersteller zur Bemerkung hinreissen, der F-Pace sei der praktischste Sportwagen aller Zeiten. Wir meinen: Er ist auch der richtige Jaguar für alle Markenfans, die es leid sind, von unten auf den Rest der Welt herabzublicken.
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026 VECTURA #17
FAHRTERMIN
DEN MARKANTEN AUFTRITT EINES STI, SICHERHEITSELEMENTE VOM OUTBACK, FORESTER-ÄHNLICHE ABMESSUNGEN, BOXER-POWER, DAZU EFFIZIENTER ALLRADANTRIEB: DER LEVORG VERDICHTET VIELE DER BESTEN SUBARU-EIGENSCHAFTEN IN EINEM EINZIGEN AUTO
WINTER 2015/16 027
A
ls kleinster Autohersteller Japans stellt Subaru zwar nur rund 900 000 Autos pro Jahr her; 80 Prozent von ihnen werden auch in Japan produziert und grundsätzlich entstehen auch alle Boxer-Modelle dort. Sieht man sich dagegen die Verkaufszahlen an, stellt man erstaunt fest, dass die Marke es schafft, jährlich knapp 600 000 Einheiten in den USA zu verkaufen, und das kontinuierlich. 2009, als die Vereinigten Staaten mit grossen wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatten, konnte Subaru den Absatz sogar erhöhen. Trotz der eigenen, aufwendigen Produktphilosophie – Boxermotor und Allradantrieb – hat sich die vernünftige Preispolitik bei Verbrauchern weltweit herumgesprochen. So kommt es, dass beispielsweise viele UniProfessoren einen Subaru fahren, was für eine intellektuelle Käuferschicht spricht. In der oft verschneiten wie in höheren Lagen vereisten Schweiz ist das Subaru-Aufkommen ohnehin ein Thema für sich: Seit 1979 konnte der Importeur über 330 000 Allradfahrzeuge absetzen; bei den 4x4 zählt der Hersteller seither zu den Spitzenreitern und hat es mit neuen Modellen immer wieder verstanden, Akzente zu setzen. In Japan hingegen sah die Situation zuletzt eher nach Stillstand aus: Der Umstand, dass man die Baureihen Legacy und Outback für den US-Markt vergrössert hatte, machte sie für japanische Kunden uninteressant – man entschied sich folglich für andere Anbieter. 028 VECTURA #17
Subaru reagierte und gönnte dem Impreza-Facelift einen luxuriöseren Innenraum, um Legacy- und Outback-Besitzern den Umstieg ins kleinere Auto schmackhaft zu machen. Doch nur wenige folgten der Einladung. Aus diesem Grund wurde für den japanischen Markt ein komplett neues Auto entwickelt – der Levorg. Die etwas schräge Modellbezeichnung ergibt sich aus der holprigen Abkürzung von LegacyRevolution-Touring und ist – nun ja. Die phonetische Nähe zum Range Rover Evoque, der auch in Asien unglaublich populär ist, mag den letzten Ausschlag gegeben haben und tatsächlich gibt es auch bei den Fahrzeug-Eigenschaften gewisse Parallelen: Beide Autos haben Allradantrieb und ein markantes Äusseres, sprechen als kompakte Crossover-Modelle trendbewusste Autofahrer an, sind ebenso variabel wie anständig motorisiert und gut ausgestattet. Subaru will den ungleich günstigeren Levorg deshalb auch als «Premium Grand Tourer» verstanden wissen. Mit nicht mal 4,7 Meter Länge passt der ausschliesslich mit fünf Türen lieferbare Neuwagen bestens auf Japans Strassen und ist mit seiner frischen Linienführung ein echtes Gesicht in der Menge – ganz besonders unter Subaru-Kennern. Frontleuchten in Flügelform und der grosse Kühlergrill demonstrieren selbstbewusst das aktuelle Erscheinungsbild des Hauses. Der Wagen wirkt wertig und sauber zusammengebaut; auch Seitenansicht und Heckpartie vermitteln Solidität und Zuverlässigkeit. Wenn man den
FAHRTERMIN
Kompakt-Kombi mit einem Legacy vergleicht, ist er zehn Zentimeter kürzer und rund 4,5 cm flacher. Das wirkt sich natürlich auf den Innenraum aus, der im Schulter-, Ellbogen- und Hüftbereich leicht abgibt. In der Breite hat das Levorg-Interieur dagegen Platz gewonnen – überhaupt hatten wir nie ein beengtes Gefühl. Und auch im mit Schall-absorbierendem Dämmmaterial ausgekleideten Fond steht Mitreisenden selbst auf Langstrecken genügend Bewegungsfreiraum zur Verfügung. Dazu passt ein variabler Kofferraum, können sich Fahrer und Beifahrer über Sitze mit gutem Seitenhalt freuen. Ergonomie und Rundumsicht passen ebenso. Auch die Basisausstattung macht Freude: Zum Lieferumfang gehören MF-Lederlenkrad, Bluetooth-Freisprechanlage, Tempomat, Klimaautomatik oder beheizbare Aussenspiegel. In puncto Sicherheit hat der Levorg die heute üblichen Features serienmässig an Bord. Darüber hinaus beinhalten die gehobenen Varianten Swiss, Swiss S und Luxury S mit «Advanced Safety Package» eine erweiterte Ausrüstung inklusive Totwinkelwarnung, Rückfahr-Querverkehr- und Fernlichtassistent sowie automatisch abblendbarem Innenspiegel. Dabei überraschen die immer noch sehr moderaten Preise; der teuerste Levorg kostet 37 700 Franken und die dann noch einzige Option ist eine knallrote Lackierung für 700 Stutz. Unter der dank ihrer hoch aufragenden Lufthutze markanten Motorhaube lauert ein Vierzylinderboxer-Benziner mit 1,6 Liter Hubraum, Direkteinspritzung und Turboaufladung auf seinen Einsatz – und es verblüfft, wie souverän das Triebwerk für Bewegung sorgt. Die Kraft wird grundsätzlich via «Lineartronic» genannten CVT-Automaten übertragen, was sich im Sparmodus mit noch dezentem Sausen bis über 4000 Touren bemerkbar macht: Das Getriebe ist mit dem bekannten SI-Drive ausgestattet, der zwei Fahrmodi ermöglicht. «S» steht erwartungsgemäss für Sport und dann verhält sich die Box wie ein Doppelkupplungsgetriebe, denn es wurden sechs künstliche Schaltpunkte gesetzt, um zugunsten der Sportlichkeit ein Automatik-Gefühl zu erzeugen – und das
TECHNISCHE DATEN SUBARU LEVORG AWD 1.6 DIT Konzept Neue Mittelklasse-Baureihe mit selbsttragender Stahlkarosserie, fünf Türen und Sitzen. Zahnstangenlenkung mit elektr. Servo, vorne Dreieckquerlenker, hinten Mehrlenkerachse, Scheibenbremsen rundum, permanenter Allradantrieb Motor Code FB16. Wassergekühlter, längs verbauter Vierzylinder-Boxer, vier Ventile/Zyl., Alu-Zylinderkopf und -block, 2x2 oben liegende Nockenwellen, 5fach gel. Kurbelwelle (Zahnriemen), Benzindirekteinspritzung, Turbolader, Intercooler, Stopp-Start-System Hubraum in cm3
1599
Bohrung x Hub in mm
78,8 x 82
Verdichtung
10,5:1
Leistung in PS (kW) @ U/min
170 PS (125) @ 4800–5600
Max. Drehmoment in Nm @ U/min
250 Nm @ 1800–4800
Kraftübertragung
CVT6
Abmessungen (L/B/H) in cm
469/178/149
Radstand in cm
265
Spur vorne/hinten in cm
153/154
Reifen und Räder
215/50 R17 oder 225/45 R18 auf 7/7,5J
Tankinhalt in L
60
Kofferraumvolumen in L
520–1445
Leergewicht (ohne Fahrer) in kg
1560
Zulässiges Gesamtgewicht in kg
2020
Leistungsgewicht in kg/PS
9,2
0 – 100 km/h in Sek.
8,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h
210
Durchschnittsverbrauch* in L/100 km
6,9
CO2-Emission in g/km
159
Energieeffizienzkategorie
F
Preis ab CHF
27 900.–
* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus
WINTER 2015/16 029
FAHRTERMIN
fühlt sich rundum gut an. «I» bedeutet «Intelligent», stellt sparsames Fahren in den Vordergrund und agiert in der Stadt stufenlos. Diese Antriebskonfiguration sorgt für eine bei Subaru bisher nicht gekannte Sparsamkeit: Pro Tankfüllung kamen wir durchschnittlich 700 Kilometer weit, was einem realen Verbrauch von 8,5 Liter entspricht – nicht schlecht für einen hochgezüchteten Boxer. In Japan und auf anderen Märkten steht parallel ein Zweiliter-Diesel mit 300 PS zur Wahl, der jedoch aus Gründen des Flottenverbrauchs nicht zu uns kommen dürfte. Zumal wir mit dem Eins-Sechser auch nie den Eindruck hatten, im Magermix unterwegs zu sein – ganz im Gegenteil. Der neue Vierzylinder-Turbo ist ein Abkömmling des bekannten Zweiliter-Saugmotors aus dem Forester und überzeugt mit sehr spontanem Ansprechverhalten, das viel Fahrfreude vermittelt. Wir sind gar versucht, in Richtung manch anderer, spassfreier Downsizing-Aggregate zu rufen: «Seht her, es geht doch!» Einmal unterwegs, ist der geringe Hubraum kaum zu glauben; der Levorg geht engagiert und bedarfsweise forsch zur Sache. Besonderes Lob verdient das Fahrwerk: Die Federung reagiert feinfühlig, Bodenwellen werden bis zu einem gewissen Grad geschluckt. Traditionell bevorzugen Fahrer von Subaru-Kombis eine etwas 030 VECTURA #17
härtere Abstimmung, und diese Charaktereigenschaft wird auch beim Levorg eingehalten. Das vergleichsweise sehr direkte Lenkgefühl ist Markenkennern ebenfalls vertraut, andere sind meist positiv überrascht. Bei der Bereifung wurde auf eine möglichst optimale Balance zwischen Verbrauch und Handling geachtet – mit den 17-Zöllern gelingt das freilich etwas besser als mit den grösseren Felgen der gehobenen Levorg-Varianten. So hinterlässt der Levorg einen insgesamt sehr guten Eindruck bei uns und verschafft dem Siegel «Made in Japan» neue Wertigkeit. Man muss sogar sagen, dass der fast schon unverschämt günstige Levorg der aktuell beste Subaru ist. Und wir würden nicht staunen, wenn es dem neuerdings in Tokio residierenden Hersteller mit der nunmehr siebten Baureihe gelänge, die Millionengrenze zu knacken.
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LÄNGE LÄUFT ÜBER 13 METER MISST DAS GESPANN, MIT DEM WIR DIE WEITE FAHRT INS GROSSE WEISS GEWAGT HABEN. FAZIT NACH 4000 KILOMETER IN ZEHN TAGEN: JEDERZEIT WIEDER! Text Peter Adams Fotos Damian Blakemore
032 VECTURA #17
ZIELEINGABE
WINTER 2015/16 033
D
ie Sonne ist vor zwei Stunden untergegangen, das Thermometer auf minus 17° C gefallen. Ein letztes Haus haben wir vor einer halben Stunde gesehen – oder waren es schon 40 Minuten oder 50? Jene Strasse, die sich durch die Einöde windet, sieht unwirklich durchsichtig aus – wie eine trübe, graue und eisige Glasur. Sie ist planiert, damit die Spikereifen greifen können, aber auch tückisch: Lenken muss man langsam und ruckfrei, beschleunigen ist ein Geduldsspiel, und wenn man bremst, ist es so, als würde man vorsichtig einen Zeh in eiskaltes Wasser tauchen. Wir fahren auf gefrorenem Schnee und sind auf dem Weg zum Polarkreis – das allerdings überaus luxuriös, weil (wieder einmal, siehe VECTURA #7) mit einem AirstreamWohnwagen am Haken. Unsere Reise begann vor zehn Tagen rund 4000 Kilometer weit weg in der Nähe von Birmingham im Technikzentrum von Land Rover, wo wir zunächst den neuen Range Rover Sport Hybrid abholten. Die zugrunde liegende Idee war ganz einfach: Das antriebstechnisch aufwendige Modell kann sowohl grosse Lasten ziehen (bis zu 3000 kg) als auch bei niedrigsten Temperaturen arbeiten – eine sehr seltene Eigenschaft für einen Hybrid. Wieso also nicht beides gleichzeitig testen, indem wir einen Airstream 684 in den hohen Norden ziehen? Lautlos, weil vollelektrisch, glitten wir aus dem englischen Gaydon hinaus. Das neue Modell kombiniert den aufgeladenen Dreiliter-Diesel mit einem 35-kW-Elektromotor, und diese beiden Kraftquellen ergänzen sich ganz wunderbar. Die Systemleistung beträgt satte 340 PS sowie 700 Nm; offiziell liegt der Durchschnittsverbrauch bei 6,4 L/100 km und der CO2-Ausstoss bei 169 g/km. Über Frankreich, Belgien und eine kurze Strecke in den Niederlanden war am nächsten Morgen das hessische Merenberg in Deutschland erreicht, wo sich der glänzende, amerikanisch angehauchte Sitz von Airstream Europe befindet (www.airstream-germany.de). «Unser» 684 wartete schon auf uns; hatte man ihn doch extra für unser Abenteuer vorbereitet: Die Wasserleitungen sind beheizbar und isoliert und es gibt einen gasbetriebenen Generator an Bord, um Strom erzeugen zu können – egal, wo wir uns befinden. Mehr noch: Wir werden sogar den Prototyp einer Gasflaschenheizung testen. Von diesen Modifikationen abgesehen handelt es sich um einen standardmässigen Airstream – mit weichen, roten Lederpolstern, SatellitenTV und einer eleganten Corian-Arbeitsfläche. Die Schubladen schliessen sanft, Schranktüren schnappen mit einem beruhigenden Geräusch zu – keine Selbstverständlichkeiten im CaravanBaugewerbe. Hier jedoch fühlt sich alles überaus stabil und nach hochwertiger Handarbeit an.
034 VECTURA #17
ZIELEINGABE
Unsere erste Übernachtung fand auf dem Campingplatz am Falkensteinsee bei Hamburg statt – bei fröstelnden null Grad. Nach einem Frühstück mit Porridge und Kaffee – alles auf dem Vierflammenherd zubereitet – wurde uns wieder mollig warm. Das Tagesziel war die dänische Rennstrecke Padborg Park, doch als wir ankamen, war sie vollkommen zugeschneit. Nun gibt es kaum Hybridautos, die in der Lage sind, einen 2500 Kilo schweren Airstream auf einen schneebedeckten Rundkurs zu ziehen und eine Spur zu legen – wahrscheinlich haben wir sogar einen Rekord in der Nischendisziplin aufgestellt – ein Riesenspass!
Am nächsten Morgen wurden Kollege Ben, Fotograf Damian und ich jedoch schlagartig ernst, als wir den Wetterbericht lasen – und uns klar war, dass die letzten Ausläufer eines Sturms vorbeizogen. Caravan-Fahrer achten auf solche Umstände, denn schliesslich wollten wir an jenem Tag unter anderem die knapp acht Kilometer lange Öresund-Brücke befahren, welche Kopenhagen mit Malmö verbindet. Doch die Sorgen erwiesen sich als unbegründet: Nachmittags kam das Gespann unbeschadet in Schweden an – es erwies sich als so stabil wie ein Fels in der Brandung. Der Range Rover Sport verfügt zwar über ein Anhänger-ESP, aber
WINTER 2015/16 035
ZIELEINGABE
Bei niedrigen Tempi bewegt sich der Zug rein elektrisch – die erste ZuschauerReaktion ist meist ungläubiges Staunen
036 VECTURA #17
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038 VECTURA #17
ZIELEINGABE
TECHNISCHE DATEN AIRSTREAM INTERNATIONAL 684 Konzept Fullsize-Luxuswohnwagen mit US-amerikanischen Wurzeln. Semi-Monocoque, Leichtbauweise (Aluminiumrahmen und -beplankung). Glaswolle-Isolierung, Panoramafenster aus Echtglas. Interieur mit kompletter Möblierung inkl. Tisch-Sitzgruppe, Radio/CD/MP3, Küche (inkl. Corian-Arbeitsplatte, Flammenherd mit Ofen, Spüle, Kühlschrank und Gefrierfach), Duschbad/WC und vier vollwertigen Schlafplätzen plus individueller Ausstattung (Klimaanlage, Onboard-Stromaggregat, Leder, Satelliten-TV, Solarpanels, Markise etc.). Wasser-, Abwasser- und Stromanschluss für den stationären Gebrauch. Vollbeheizung mit 7,5 kW Leistung
Abmessungen (L/B/H) in cm
825/243/265
Reifen und Räder
185/60 R 15 auf 5,5 J
Kabinenvolumen (L/B/H)
680,5/232,5/199
Leergewicht in kg
2250
Zulässiges Zuggewicht in kg
2680
Max. Kupplungslast in kg
150
Kuplungshöhe in cm Preis ab CHF
46,5 97 500.–
WINTER 2015/16 039
ZIELEINGABE
das hatte nicht den geringsten Grund einzugreifen. Den Abend verbrachten wir dann entspannt an Bord mit Abendessen – und Musik aus der integrierten Stereoanlage. Der nächste Halt war in Göteborg geplant, der zweitgrössten Metropole des Landes. Die pittoreske historische Hafenstadt ist heute auch ein Industrie- und Kulturzentrum. Vollelektrisch rollten wir durch Haga, eines der ältesten Quartiere. Bei normaler Fahrt unterstützt der Elektromotor den Verbrennungsmotor im unteren Drehzahlbereich, doch bei Stadtgeschwindigkeiten läuft der Range Sport Hybrid ganz elektrisch – die Passanten in den belebten, engen Kopfsteinpflastergassen blieben stehen und staunten. Nach Göteborg kamen die langen Etappen. Wir übernachteten auf dem Krono Camping in Lidkoping in der Nähe des Vänersees (zehnmal grösser als der Bodensee) und auf dem SweCamp Flottsbro in Stockholm. Dort montierten wir Spikereifen und fuhren weiter Richtung Norden, zunächst auf den Rullsand-Campingplatz bei Gävle, wo erstmals richtiges Eis zu finden war. Das machte es etwas mühsam, den Airstream aufzustellen; eine halbe Stunde lang rutschen und schlittern wir herum wie die Pinguine …
Polarkreis voraus: Von Arjeplog in der nordschwedischen Provinz Norrbottens län ist es nur noch ein Katzensprung …
040 VECTURA #17
Der folgende Morgen entschädigte uns dann mit einem spektakulären Blick über den Bottnischen Meerbusen. Den sympathischen Campingplatz-Betreibern Anna und Matthias zufolge wird die Gegend im Sommer wegen ihrer weitläufigen, goldenen Strände und grossartigen Aussichten von Besuchern geradezu überschwemmt. An einem einzigen Tag kommen dann 1000 Menschen in das Restaurant auf dem Platz … Wir zogen weiter, hielten noch einmal landeinwärts in der Nähe von Solleftea, bevor wir weiter an der Küste entlang und dann wieder ins Landesinnere fuhren. Die Strassen wurden glatter –
mit gelegentlichen grossen, mattweissen Stellen, die es gefährlich werden liessen, auf der äusseren Spur zu fahren. Als wir in Blattniksele ankamen, waren es bereits minus 10º C – da tat sogar Lächeln weh. Wir gingen deshalb auf einen Drink in die nahegelegene Kneipe, wo der Wirt mit ernster Miene an der Bar lehnte und uns empfahl: «Wenn Sie einen Elch auf der Strasse sehen, fahren Sie in
WINTER 2015/16 041
ZIELEINGABE
einem scharfen Winkel von 45 Grad in den Graben.» Ich hielt das für einen dummen Witz, lachte deshalb ebenso laut wie nervös auf und nickte zustimmend – als mir klar wurde: Er meinte das ernst! «Sie sind riesig und wiegen um die 400 Kilo. Also fahren Sie lieber in den Graben, als mit einem zusammenzustossen.» Unser letztes Nachtlager hiess Arjeplog, dessen 8000 Eisseen das wichtigste wirtschaftliche Standbein des Ortes sind. Hier unternehmen Land Rover und viele andere Automobilhersteller aus aller Welt den grössten Teil ihrer Wintertests. Jedes Jahr verdoppelt sich die Einwohnerzahl der Stadt durch die anreisenden Ingenieure von 2500 auf 5000 Menschen und der Anblick getarnter Erlkönige, die auf Supermarktparkplätzen stehen, ist hier fast normal. Von Arjeplog aus brachen wir schliesslich zum Ziel dieser ungewöhnlichen Caravan-Reise auf, auf der sich Zugfahrzeug und Trailer bestens bewährt hatten: Die Stabilität von Range Rover
042 VECTURA #17
und Airstream, die sich bei 90 km/h auch auf kurvenreichen, dick vereisten Hauptstrassen höchst angenehm fahren lassen, während Pulverschneewolken unter dem Airstream aufwirbeln, ist wirklich bemerkenswert. Und da sind wir nun, biegen nach 90 Minuten Fahrt auf den unscheinbaren Parkplatz ab, an dem die normale Welt zu Ende scheint und der Polarkreis beginnt. Als die Sonne untergeht, zeigt das Thermometer bereits –22° C. Zehn Tage lang sind wir über 4000 Kilometer durch sieben Länder gefahren, haben Wind, Sturm und Eis getrotzt. Mehr noch: Jeder Kilometer war ebenso mühelos wie komfortabel. So stehen wir nun vor unserem über 250 000 Franken teuren Gespann, mit heissen Teetassen in der Hand, und Ben fasst es perfekt zusammen: «Wir haben es wirklich geschafft – aber Herrgott nochmal, es ist verdammt kalt hier.» Also kehren wir schnell zurück in den warmen Airstream, der für weitere 4000 Kilometer unser Zuhause sein wird …
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ABZÜGL
SHOWROOM
WENN DIE SACHE EINEN HAKEN HAT … BIS ZU 3,5 TONNEN ZIEHEN – DAS VERMÖGEN NICHT VIELE PERSONENWAGEN. HIER SIND SIEBEN SUV, DIE BEDARFSWEISE RICHTIG ARBEITEN KÖNNEN Text Stefan Lüscher · Fotos Werk
WEIGHT WATCHING: AUDI Q7 Er gilt als Bulle unter den Premium-SUV, manche sagen auch «Dickschiff». Die kürzlich erschienene zweite Generation hat die äussere Erscheinung weiterent wickelt und geschärft, wirkt aber deutlich zierlicher und damit auch politisch korrekter. Tatsächlich sind die Masse um einige Millimeter geschrumpft, die Gesamtlänge beträgt nun 5,05 Meter (minus 4 cm). Abgespeckt hat der neue Q7 vor allem beim Gewicht – je nach Version sind es bis zu 325 kg, damit wiegt er im Idealfall weniger als zwei Tonnen. Auch das viel Luxus ausstrahlende Cockpit wirkt schlanker. Nicht gespart wurde bei der Ausstattung, den Assistenzsystemen und der Elektronik. Die derzeit erhältlichen Motoren leisten 218 bis 333 PS, die gebremste Anhängelast beträgt 2700 kg und ist auf 3,5 Tonnen erweiterbar. Preis: ab CHF 79 900.–. www.audi.ch
KULTIVIERTER KRAFTBOLZEN: BMW X5 Der BMW X5 und sein viersitziges Schwestermodell X6 sind die Sportler unter den grossen Luxus-Softroadern. Bei Bedarf lassen sich die beiden Bayern aber auch als Zugfahrzeug einspannen. Als Basiswert gibt BMW eine Anhängelast von 2700 Kilogramm an, die mit der originalen Anhängerkupplung bei einigen Modellen wahlweise und ohne Aufpreis auf 3500 kg erweiterbar ist. Insgesamt profitiert die neue X5-Generation von einer dynamischeren Formgebung, zudem ist sie grösser, geräumiger, aber auch leistungsstärker und sparsamer. Der Laderaum fasst jetzt 650 bis 1870 Liter, als Option gibt es eine dritte Sitzreihe. Die optimierten Benziner und Diesel bieten 231 bis 450 PS, das Plug-inHybrid-Modell bringt es auf eine Systemleistung von 230 kW (313 PS) und kann bis zu 30 km rein elektrisch fahren, der ultimative X5 M generiert gar 575 PS. Preislich geht es bei 71 400 Franken los. www.bmw.ch
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BREIT AUFGESTELLT: JEEP GRAND CHEROKEE Allrad-Klassiker, charismatischer Amerikaner, hemdsärmeliger Cowboy – der grosse Jeep ist beides und kraft seines Namens eben auch ein Indianer. Ausserdem fühlt er sich in jedem Gelände zuhause und ist so erste Wahl für alle, die kein deutsches Power-SUV haben wollen. Vor zwei Jahren hat man die seit 1993 existente Baureihe intensiv modellgepflegt: Nebst einer geschliffenen Optik mit modernerem Grill, schlanken Scheinwerfern und einer in Höhe und Härte verstellbaren Luftfederung (Ausnahme: SRT) wurde ihm serienmässig eine hocheffiziente Achtstufen-Automatik (von ZF) spendiert, die mit einer Geländereduktion kombiniert ist. As Antriebe dienen dem 4,85 Meter langen Fünfplätzer vier Motoren (den Diesel gibt es in zwei Leistungsstufen) von 190 bis 468 PS; das Topmodell 6.4 V8 Hemi SRT weist dabei keine Geländereduktion auf. Die Anhängelast beträgt je nach Modell und Ausstattung bis 3500 kg, beim SRT sind es 2949 kg. Ab CHF 60 400.– ist man dabei. www.jeep.ch
NEUER NAME, ALTE TUGENDEN: MERCEDES GLE Die Ende 2011 eingeführte dritte M-Klasse erhielt 2015 nicht nur ein Facelift, sondern auch eine neue Bezeichnung, die bei der rasanten Zunahme unterschiedlichster Mercedes-Nischenmodelle für Klarheit sorgen soll. Als GLE fährt der überarbeitete Bestseller mit modernisierter Front inklusive neuen Scheinwerfern samt integrierten Tagfahrlichtern, neuen Kotflügeln und drei dimensionalem Unterbodenschutz vor. Verarbeitung und Ausstattung sind besser denn je. Erstmals gibt es den GLE analog zum BMW X6 auch als viertüriges Coupé mit nach hinten abfallender Dachlinie. Überarbeitete Benzin- und Diesel-Motoren leisten 204 bis 449 PS, der AMG GLE 63 stemmt 585 PS. Die Preisliste beginnt bei 78 300 Franken; Automatikgetriebe mit sieben und neun Gängen sind serienmässig. Die Anhängelast beträgt maximal 3500 kg. www.mercedes-benz.ch
EIL-TRANSPORTER: PORSCHE CAYENNE Sportwagenhersteller Porsche verkauft inzwischen viel mehr von den (teilweise gemeinsam mit Volkswagen entwickelten) Geländemodellen Macan und Cayenne als vom ikonischen 911er. Also ehemaliger Sportwagenhersteller? Nein, denn die hauseigenen Softroader sind die mit Abstand dynamischsten auf dem Markt! Für teilweise sogar sehr sportliche Fahrleistungen im grös seren Cayenne sorgen überarbeitete Sechs- und AchtzylinderTriebwerke mit 262 bis 570 PS, die serienmässig mit einem Achtstufen-Automatikgetriebe gekoppelt sind. Die Baureihe wird seit 2014 in der optisch und technisch facegelifteten zweiten Generation ohne Geländereduktion, dafür auch als Plug-in-Hybrid (siehe VECTURA #13) mit einer Systemleistung von 416 PS und einer Elektroreichweite von 30 km angeboten. Zudem verfügt der 4,86 Meter lange Fünfsitzer über einen 670 bis 1780 Liter grossen Kofferraum. Er kann maximal 3500 kg ziehen und kostet min destens 80 000 Franken. www.porsche.ch
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SHOWROOM
LUXUS-LASTER: RANGE ROVER Seit über 45 Jahren definiert dieser feudale britische 4x4, wie sich Lordschaften im Gelände bewegen. Dank permanentem Allradantrieb, Untersetzungsgetriebe, elektronischer Hinterachssperre und diversen elektronischen Assistenzsystemen ist auch der aktuell vierten Generation kein Weg zu schwer – und so zeigt sie anderen, wo abseits von Asphalt der Hammer hängt. Für standesgemässen Vortrieb sorgen Sechs- und Achtzylinder mit 258 bis 550 PS, sogar ein Hybridmodell ist im Angebot. Wie seine Geschwister RR Sport und Discovery kann auch der Range bis zu 3,5 Tonnen abschleppen; Hybrid und Supercharged schaffen immerhin noch drei Tonnen. Dazu gibt es ihn (neben Cadillac Escalade, Mercedes G-Modell und Toyota Land Cruiser) wahlweise mit zwei unterschiedlichen Radständen. Kurzum: Wer besonders elegant durchs Unterholz pflügen will, kommt am feudalen Über-Landy nicht vorbei, muss allerdings auch wenigstens 117 900 Franken bereithalten. www.landrover.ch
JAPANISCHE LEGENDE: TOYOTA LAND CRUISER Die ersten Modelle dieses Typs zogen 1951 aus, um die Welt zu erobern – mit archaischen Dieselaggregaten, unsynchronisierten Schaltgetrieben und simplen Blattfedern. Seither bahnen sie sich den Weg zum Nordpol, auf die höchsten Andengipfel und durch scheinbar endlose Wüsten in Asien und Afrika. Wie kein anderer Geländewagen wurde der Land Cruiser zum Inbegriff für Langlebig- und Zuverlässigkeit. Sie sind vielseitig einsetzbar und dienen internationalen Hilfsorganisationen, Abenteurern, Weltenbummlern sowie hartgesottenen Profis. Seit jeher wurden zwei unterschiedlich grosse Baureihen produziert; in Europa wird inzwischen nur noch der «kleine» 4,51 oder 4,78 Meter lange J15 angeboten. Die kürzlich überarbeitete Baureihe bietet sich als souveränes Zugfahrzeug mit drei oder fünf Türen, 177 und 282 PS oder einer serienmässigen Anhängelast bis drei Tonnen an, die wahlweise auf 3500 Kilo erhöht werden kann. Insassen finden ein üppiges Platz angebot, herausragenden Luxus sowie einzigartigen Langstreckenkomfort vor, den es zu konkurrenzlosen Preisen ab 32 900 Franken (Dreitürer) gibt. www.toyota.ch
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ADVERTORIAL
DIE VERGANGENHEIT IST IMMER GEGENWÄRTIG DIE AKTUELLE URBAN JÜRGENSEN KOLLEKTION SPIEGELT UNSERE HOCHACHTUNG ZEITLOSER TRADITION BEI HANDGEFERTIGTEN ELEGANTEN UHREN WIDER, DEREN AURA ZURÜCKHALTENDER PERFEKTION UND RUHIGEN SELBSTVERTRAUENS VON KENNERN UND SAMMLERN WELTWEIT GESCHÄTZT WIRD. DAS ERGEBNIS VON JAHRHUNDERTEN DER HINGABE UND KUNSTFERTIGKEIT.
M
it der Geburt von Jürgen Jürgensen 1745 in Kopenhagen beginnt die Geschichte dieser Uhrmacher dynastie. Sein Sohn Urban Jürgensen (1776 – 1830) trat bald in die Fussstapfen seines Vaters und führte die Marke Jürgensen zu neuen Höhen. König Friedrich VI. von Dänemark gewährte ihm das königliche Privileg, den Hof mit Uhren und die Admiralität mit Chronometern zu beliefern. 1815 wurde Urban als erster Handwerker, dem diese Ehre zuteil wurde, in die Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften berufen.
der Name Urban Jürgensen sein besonderes Prestige, ein Zeugnis des guten Rufes unter Uhrenliebhabern.
Urbans zwei Söhne führten die Familientradition fort. Jules studierte in der Schweiz und zog nach Le Locle, während sein Bruder Louis sich um das Werk in Kopenhagen kümmerte. Seitdem hat das Unternehmen je eine Basis in beiden Ländern. Die Inno vationen und die exzellente Qualität von Jürgensens Produktion verhalfen dem Unternehmen zu enormen Einfluss auf die Uhrmacherindustrie im Kanton Neuchatel. Dafür wurde Jules Jürgensen im Jahre 1864 mit der Goldmedaille des Kantons Neuchatel ausgezeichnet. Nach dem Tod Jacques Alfred Jürgensen im Jahre 1912, dem letzten Uhrmacher der Familie, ging das Unternehmen durch mehrere Hände. Dennoch behielt
So mündet unsere Geschichte in diesem schwer fassbaren Etwas, dass Superlative von bloss Aussergewöhnlichem unterscheidet. Wir haben uns aus dem einfachen Grund für die Anwendung alter handwerklicher Verfahren entschieden, dass es kein automatisierter Prozess mit der Vollkommenheit aufnehmen kann, die ein wahrer Kunsthandwerker erreicht. Dies reflektiert unsere Kernphilosophie, dass ein fundamentaler Massstab jeden Unternehmens die Qualität der Entscheidungen ist, die es trifft. Diese Haltung gibt jeder Armbanduhr von Urban Jürgensen eine einzigartige Aura. Eine Uhr für diejenigen, die die allerbesten Dinge im Leben suchen.
Unsere Kollektion verkörpert unsere unbeirrbare Verpflichtung zu Qualität und perfektioniert unser bahnbrechendes UJS-P8 Uhrwerk, das weltweit erste, das eine Chronometerhemmung verwendet. Es verbindet die Marinechronometer und die Uhren von Urban Jürgensen aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit der Uhrmacherkunst des 21. Jahrhunderts.
HISTORIE
Heiss: So stellte sich ein französisches Magazin 1896 das mobile Wohnen im 21. Jahrhundert vor
TIEF SITZENDER BEWEGUNGSDRANG DER MENSCH WURDE ERST VOR 10 000 JAHREN SESSHAFT, DOCH IN SEINEM INNERSTEN IST ER IMMER NOCH UNTERWEGS. DIE AFFINITÄT ZU WOHNWAGEN UND REISEMOBIL IST ALSO BEINAHE GENETISCH VERANKERT … Text Stefan Fritschi · Fotos Archiv Norman Clarke, Glenn H. Curtiss Museum, Werk
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er Caravan oder das Reisemobil wurden eigentlich nie erfunden. Es gab sie schon immer. Denn in seiner Frühgeschichte war der Mensch nicht an einem bestimmten Ort beheimatet, sondern folgte seinen Nahrungsquellen. Habseligkeiten nahm er mit sich – gerne auch auf dem Rücken von Ochs, Esel, Kamel oder Pferd. Abgesehen von regelmässig aufgesuchten Höhlen und Hütten kam es erst später zu festen Wohnsitzen oder gar der Bildung von Dörfern. Diese Prägung ist im menschlichen Unterbewusstsein noch immer verankert. Zu Zeiten der diversen Völkerwanderungen von der Antike bis in die Neuzeit wurde mobil gewohnt, auch den Westen Nordamerikas hat man im Planwagen erobert. Die Liste ist lang. Als die Wagen sich ihrer Pferde entledigten und auto-mobil wurden, war es 048 VECTURA #17
mehr als logisch, den einstigen Planwagen an den Kraftwagen zu hängen oder gleich in demselben zu übernachten. Gerade die Auto-Nation USA mit ihren riesigen Distanzen war zur Erfindung des Motorhomes prädestiniert: Man schrieb das Jahr 1910, als Pierce-Arrow den Touring Landau im Madison Square Garden in New York vorstellte. Es ist natürlich möglich und sogar wahrscheinlich, dass schon zuvor jemand auf die Idee gekommen war, ein Auto mit einer Schlafgelegenheit auszustatten. Der Touring Landau hatte aber nicht nur das, sondern verfügte auch über eine Toilette nebst Waschbecken. Im Heck und auf dem Dach fanden sich separate Stauräume. Die im geschlossenen Abteil reisenden Fahrgäste unterhielten sich per Telefon mit dem im Freien
sitzenden und nur von einem Notdach wettergeschützten Chauffeur. Amerikas High Society war entzückt und begab sich fortan im Motorhome auf die «Landflucht» – oft bis in die entlegensten Nationalparks. 1917 wurde der Adams Motor Bungalo Deluxe präsentiert. Firmen gründer G. Carl Adams hatte einen berühmten Schwager – den Rennfahrer, Piloten und Luftfahrtunternehmer Glenn Curtiss. Letzterer entwarf eine Art einachsigen Sattelschlepperaufbau; das Fahrgestell eines Ford Model T wurde beispielsweise so verlängert, dass sich die Hinterachse hinter dem Karosserieaufbau befand, um dort die Aufliegerkupplung anbringen zu können. Ein früher Prospekt warb mit dem Slogan «Gypsie Life Modernized» (modernes Zigeunerleben). Der 3,80 Meter lange Auflieger war aussen grün und innen Eiche dunkel und war mit Küche, Eis-Box, Vorratskammer, Badezimmer, Schränken, Tisch, Stühlen, sechs Schlafplätzen sowie Gasheizung, elektrischer Beleuchtung und fliessend Wasser ausgestattet. Das Dach hatte man mit wasserabstossendem «Fabrikoid» bezogen, die schützend über den Fenstern ausziehbaren Vordächer imprägniert und das ganze Vehikel staubdicht gemacht. Ein Journalist war anno 1923 mit Frau und zwei kleinen Kindern im Motor Bungalo unterwegs – und fasziniert davon, dass der Innenraum trotz einer längeren Regenperiode «knochentrocken» blieb. Und er bemerkte, dass der knapp 400 Kilogramm wiegende Trailer mit Stahlaufbau und Holz-Chassis dank der nach vorne V-förmig zulaufenden Form nur wenig Luftwiderstand bieten würde. Es gab aber auch eine einfachere Version und dieser Motor Bungalo Junior zeichnete sich durch einen faltbaren, zeltartigen Aufbau aus. Die Inneneinrichtung konnte leicht demontiert und der ganze Anhänger so zum Warentransport verwendet werden. Die Adams Trailer Co. hatte mindestens 15 Varianten im Programm (allein fünf für das Camping), die über rund 40 Händler vertrieben und ständig weiterentwickelt wurden. Viele Kreationen dienten allerdings gar nicht dem freizeitlichen Müssiggang reicher Städter, sondern waren zweckmässige Auf- und Ausbauten für Baustellenarbeiter, Schausteller, Zirkus-Angestellte, Wanderprediger oder fahrende Künstler. Logischerweise gingen nicht alle Erbauer so professionell zu Werke wie Adams und Curtiss. Manche Vehikel entstanden in Hinterhöfen oder Werkstätten und waren mehr oder weniger perfekt ausgetüftelt. Auch ein gewisser Wally Byam erkannte, dass sich das Leben der 1920er- und 1930erJahre zunehmend auf dem Highway abspielte. Als junger Schafhirte hatte er draussen bei seinen Tieren in einem mit Kerosin ofen, Schlafsack und Wascheimer ausgestatteten zweirädrigen
Mehr Kutsche als Wohnmobil: Pierce-Arrow Touring Landau
Obwohl das Motorhome als amerikanische Erfindung gilt – das eigentliche Caravaning kommt aus England
Ford T und Beichtstuhl inklusive: Little Chapel on tour, ca. 1920
Nicht kleckern: sieben Tonnen schwerer Wohnanhänger von 1907
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bei gleichzeitiger Stabilität angesichts der teils geringen Motorleistungen der Autos jener Tage ein Muss war. Ab 1925 startete schliesslich die Serienproduktion des Car Cruiser, welcher vom Wasserkanister über Teekannen bis hin zu Porzellantellern oder Eierbechern hervorragend ausgestattet war. Fleming machte mit seinem Produkt eine 21-tägige Tour nach Marseille, Tunis und Kairo und wieder zurück, um die Qualität unter Beweis zu stellen. Die Produktion endete 1952, aber das Hymer-Museum (siehe S. 126 ff.) hat noch ein Exemplar von 1932 in seiner Sammlung.
Findiges Konstrukt: Adams Motor Bungalo Deluxe vor …
Wagen übernachtet. Das prägte, und so begann er später, aus Faserplatten grössere Wohnanhänger herzustellen, bis er auf den von Hawley Bowlus entwickelten «Road Chief» aus genietetem Aluminium traf, der notabene heute wieder produziert wird (siehe VECTURA #7). Byam leitete davon seinen «Clipper» ab, gründete eine Firma und nannte sie «Airstream Trailer Co.» – ein amerikanisches Markenzeichen war geboren! Nebst dem berühmten Trailer entstand ab 1974 auch das Argosy-Motorhome mit gleicher unlackierter Alu-Optik oder in Wunschfarbe. In den 1990ern wechselte Airstream dann von Aluminium auf eine konventionelle Kunststoffschalenbauweise, um mit anderen US-Ikonen wie Fleetwood oder Winnebago Schritt halten zu können. Nordamerikanische Wohn mobile und Caravans sind erwartungsgemäss besonders gross und werden auch RV (für «Recreational Vehicle») genannt. Auch wenn das Motorhome als amerikanische Erfindung gilt – das eigentliche Caravaning haben die Engländer entdeckt. Bereits 1907 gründeten sie den ersten «Caravan Club of Great Britain and Ireland», dessen Mitglieder mit Sicherheit noch nicht alle motorisiert waren; die meisten der teilweise luxuriös ausstaffierten Wohnwagen dürften noch von Pferden gezogen worden sein. Zu den Pionieren der Vereinigung gehörte ein gewisser C. Fleming-Williams, der 1920 im Garten seines Londoner Wohnhauses den ersten «Car Cruiser» zusammenbaute. Als ehemaliger Kriegspilot orientierte er sich logischerweise an Flugzeugkonstruktionen, weil Leichtbau
… und nach dem Aufstellen. Sieht doch sehr gemütlich aus!
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Im Laufe der Jahrzehnte sind immer mehr nationale CampingKulturen entstanden. Der Caravaning-Beginn im Autoland Deutschland war ein romantischer: Fridel Edelmann, die Kunstmalerin und Verlobte des Reitstock- und Peitschenvertreters Arist Dethleffs, wollte während seiner langen Geschäftsreisen in seiner Nähe sein und wünschte gemäss Tagebucheintrag vom 6. Oktober 1924 ein «Wohnauto», um ihren Gatten begleiten und gleichzeitig ungestört malen zu können – Letzteres auch gerne im Freien. Allerdings war das 1931 kurz nach der Hochzeit präsentierte Ergebnis kein Wohnmobil, sondern ein Caravan, der an das Dethleffsche DKW Cabrio angekoppelt wurde. Der Wohnwagen war mit einem Hubdach ausgerüstet, um bei heissem Wetter die Luftzirkulation zu verbessern. Von der Familie – 1933 kam Tochter Ursula auf die Welt – sehr intensiv genutzt, erzeugte das Gespann überall viel Aufsehen und Kaufinteresse. Weil Reit-Zubehör keine Zukunft mehr hatte, kam eine neue Geschäftsidee wie gerufen. Die mit dem Wohnauto gemachten Erfahrungen flossen in den ersten Wohnwagen ein, der 1932 als «Tourist» auf den Markt kam. 1936 hatte Dethleffs bereits sechs Angestellte, welche den stromlinienförmigen Aufbau mit Holzgerippe aus gewölbten Spanten zusammenbauten. Es war der bescheidene Anfang einer bis heute existierenden Marke, die 1983 auch auf den wachsenden Markt für Reisemobile eingestiegen ist und 2011 ihr 80 000stes Wohnmobil gebaut hat. Das Wohnauto, mit dem alles anfing, hat zwar nicht überlebt. Im Hymer-Museum ist allerdings eine Replica zu sehen, die Dethleffs-Lehrlinge 1974 anhand noch erhaltener Konstruktionspläne realisierten. Die Trennung zwischen Wohnmobilen und Wohnwagen war schon seit Anbeginn vorhanden, aber die Vorzeichen und Hintergründe haben sich im Laufe der Zeit stark verändert. Wohnwagen waren einfacher zu realisieren und es gab entsprechend viele Bausätze oder Eigenbauten, während die ersten Wohnmobile wie der Pierce-Arrow reinste Luxusgüter gewesen sind. Darum blieben Motorhomes zugunsten des billigeren Wohnwagens lange Zeit in
HISTORIE
der Minderheit, hüben wie drüben. Die Preisspanne reicht heute vom niedrigen fünfstelligen Bereich für spartanisch-variable Mini vans bis in deutlich siebenstellige Sphären für über 20 Tonnen schwere Luxus-Trucks mit eingebauter Cabriolet-Garage, Mahagoni-Echtfurnier, Whirlpool oder Wasserbett. Die bedeutende Wohnmobil-Revolution kam vor über 60 Jahren in Gestalt des VW-Bus. Ein in Deutschland stationierter britischer Offizier wollte seine aus der Heimat bekannte Camping-Tradition ausleben und bestellte 1951 beim Anhänger-Hersteller Westfalia in Rheda-Wiedenbrück eine Arbeits-, Schlaf- und Wohneinrichtung für seinen VW T1 – natürlich mit Rüschchen-Vorhängen und Karo muster-Bezügen. Das Ergebnis war so überzeugend, dass die «Camping Box» bald serienmässig hergestellt und vertrieben wurde. Das kompakte Wohnmobil war geboren und 1959 konnte bereits der 1000ste VW-Ausbau gefeiert werden. Danach hat man VW T1 und T2 zu Zehntausenden ausgebaut; 1979 erschien dann der Joker genannte Aufbau auf T3-Basis – er wurde ein weiterer Bestseller. Genauso erging es den grösseren «Sven Hedin»-Modellen auf VW LTund den «James Cook»-Serien auf Mercedes-TN-Basis. Aber nur der VW-Bus eignete sich kraft seiner geringen Abmessungen als Alltagsfahrzeug, das den Zweit- oder sogar den Erstwagen ersetzen konnte. Das war neu und sorgte in Europa für den Durchbruch der WoMos, die sich auch in Frankreich grosser Beliebtheit erfreuen: Chausson oder Pilote gehören dort mittlerweile zu den Marktführern. Ein weiteres frühes Beispiel europäischer Reisemobilität war der Hymer Caravano auf Basis des Borgward-Lieferwagens B 611 — allerdings auch ein grosser Misserfolg. Der 2,5-Tonner bot vier Schlafplätze, war mit reichlich Limba-Furnier auch sehr heimelig ausgestattet und mit 5,1 Meter Länge nicht mal zu gross. Drei Varianten wurden geplant – eine mit Hecksitzgruppe, die zweite mit Waschraum samt ausklappbarem Spülbecken und Toilette sowie der vom Heck her betretbare Caravano 3, dessen Sitzgelegenheiten hinter dem Fahrerhaus und andere Elemente links wie rechts des Korridors gruppiert waren. In allen Fällen vergrösserte ein Hubdach die Innenhöhe um 30 auf 185 Zentimeter. 1961 wäre der grossräumige Caravano in der Alten Welt noch eine echte Pio niertat gewesen, obwohl der avisierte Preis von 19 105 Mark in einer für viele unerschwinglichen Höhe lag. Die Prospekte waren bereits gedruckt, als es zur Katastrophe kam: Nach nur drei gebauten Caravano schlitterte Fahrgestell-Lieferant Borgward in die Pleite. Von diesem Schock musste sich Hymer erst einmal erholen und liess das Thema Wohnmobil viele Jahre ruhen.
Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Nicht nur der VW-Bus hat aus der eingeschworenen Wohnmobil-Branche einen Massenmarkt gemacht, auch andere Hersteller wie Fiat (Ducato), Ford (Transit), Mercedes (TN, Sprinter), Renault (Trafic) oder Citroën/ Peugeot haben das getan. Sie und weitere dienen den Motorhome-Produzenten als flexible Basisfahrzeuge, die entweder ausoder zu teilintegrierten Reisemobilen (den sogenannten «Nasen bären») umgebaut werden. Eine halbe Klasse darüber rangieren die Vollintegrierten – rollende Behausungen aus einem Guss mit maximalem Wohnwert, weil ihre Fahrerkabine mit Drehsitzen und klappbarem Doppelbett darüber noch besser in den Innenraum integriert ist. Die genannten Bauformen zeichnen sich durch Pw-artige Fahreigenschaften aus, während ehemalige Lieferwagen wesentlich rustikalere Charaktere aufweisen, deshalb auch von Frauen nur ungern gefahren wurden und – abgesehen von der HardcoreGlobetrotting-Szene – weitgehend verschwunden sind. Der Begriff «Wohnmobil» wird von Herstellern indes weit weniger genutzt als früher – denn die Frage nach Wohnwagen oder Reise mobil hat sich mittlerweile schon im Namen herauskristallisiert. Der Wohnwagen empfiehlt sich als preisgünstigere Lösung, die an einer schönen Stelle geparkt werden kann, um von dort aus mit dem Auto die Umgebung zu entdecken. Also mehr etwas zum Bleiben, wogegen das Reisemobil zwar teurer ist, aber eine viel mobilere und beweglichere Basis bietet als der Wohnwagen. Auch das Gespannfahren ist nicht jedermanns Sache. Zwei verschiedene Philosophien also. Die Schweizer Wohnwagen-Verkaufszahlen sind in den letzten Jahren stabil geblieben und der Bestand hat sich bei rund 32 000 Einheiten eingependelt, sprich: Der Caravan ist unverändert beliebt. Der Boom fand bei den Reisemobilen statt. Dort wuchs die Zahl von 17 000 Anfang der 1990er-Jahre auf rund 40 000 zu Beginn der 2010er-Jahre. 2014 wurden hierzulande 3100 Wohnmobile, aber nur 1500 Wohnwagen verkauft, während die Caravaning-Branche insgesamt jährlich mehr als 200 Mio. Franken umsetzt. Was einst als Luxusspielzeug weniger Wohlhabender begann, ist heute allgegenwärtig – und auch hierzulande ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden.
Danke schön! Ohne die Hilfe von Norman Clarke wäre die Bebilderung dieses Beitrags schwierig geworden. Norman sammelt alte Automobil-Reklame, die er in limitierter Buchform veröffentlicht, z.B. «Vintage Advertising – Old Automobiles», 536 Seiten, über 900 Abb., bei www.mosaicbooks.org
Reift demnächst zum begehrten Klassiker: 1973er Winnebago Brave
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STANDPUNKT
JENSEITS VON FERNWEH
ALLER REISELUST ZUM TROTZ: WOHNMOBILE BERGEN ERINNERUNGEN, AUF DIE MANCHER, DER SIE ERLEBT HAT, GUT VERZICHTEN KÖNNTE
Text Wolfgang Peters
Es gibt Erlebnisse in jüngeren Jahren, die geben Wege vor, die man später geht und von denen keiner weiss, warum er auf ihnen unterwegs ist. Es sind diese Prägungen, von Eltern, Geschwistern, Freunden, von Büchern und Filmen und von Tieren, mit denen man aufwächst. Wir haben in der Familie immer eng mit Autos gelebt und bei mir haben diese Begegnungen vor allem das Mobilitätsverhalten entscheidend beeinflusst. Sowohl in positivem als in negativem Sinne, schwache Charaktere wie ich reagieren ja sehr nachhaltig auf äussere Einflussnahme. So bejahe ich grundsätzlich das Fahren in jedwedem Porsche. Ein Freund der Familie führte ein ganzes Leben mit den Fahrzeugen dieser Marke, das verbindet. So lernte ich zwar den Porsche lieben, entfernte mich jedoch aufgrund einiger unerwarteter und unschöner Ereignisse, womöglich vorschnell, von Wohnwagen und -mobilen. Und wies über viele Jahre hinweg den Aufenthalt in einem dieser Gefährte sofort, vielleicht etwas zu brüsk, zurück. Keine dieser Erscheinungen unserer grenzenlosen Mobilität konnte mich während meiner Zeiten der Abwesenheit von Altersschwierigkeiten überzeugen. Das hat sich jüngst geändert. Nun wird man im Alter in seinen Ansichten nicht immer nur strenger – bei mir tritt offenbar so etwas wie Altersmilde ein und nun betrachte ich die Wohnmobilbewegung mit mehr Nachsicht denn je. Womöglich war es dieser Mangel an Altersmilde, der mich vor Jahren dieser Form des Reisens abschwören liess. In dieser Zeit wählte ich mir gerne für Familie und Hund ein Wohnmobil für die angeblich schönste Zeit des Jahres. Es klingen doch auch verlockend die Worte der Freiheit und der Unabhängigkeit und vor den Sehnsuchts-Augen entstehen Bilder geordneter Einsamkeit: ein romantischer Sonnenuntergang, ein ruhendes Meer, das Tischchen am Strand mit zwei gut gefüllten Gläsern – Motive, die jeder gerne im Herzen trägt. Die Wirklichkeit freilich sah häufig anders aus. Schon die Präparierung des Fahrzeugs in der häuslichen Garageneinfahrt gereichte zu körperlicher Anstrengung. Vor dem Eintritt ins mobile Leben gibt es viel zu erledigen: Die Küche auf Rädern will mit Töpfen, Pfannen und Tellern bestückt werden. Fünf Reisende benötigen fünfmal Bettzeug, Handtücher, Toilettenartikel. Ein Grundstock an Lebensmitteln und Getränken (was, wenn es dort keinen Winzer gibt?) ist zu verstauen. Fahrräder sind zu verzurren, Tassilo will sein Surfbrett und Klara die Stofftiere mitnehmen. Stühle zum Klappen und der Tisch zum Schrauben für draussen. Ein Sonnenschirm. Und dann das Gestänge für die grosse Markise und die Luftmatratzen. Wo viel Platz ist, da wird viel gebunkert. Ich war durchgeschwitzt und urlaubsreif. Die grosse Freiheit ist der übliche Antrieb. Ob Wohnmobil oder Caravan – alle sind auf der Suche nach dem Ende der Städte. Wo, bitte, geht es zur Natur? Aufatmen ohne Krawattenzwang, stattdessen drei Wochen kurze Hosen und Hawaiihemd. Jetzt ran an die gute Luft, hörst Du das Meer? Oder rauf auf die Berge, auf der Alm, da schreit kein Kind. Hinter uns die zivilisatorische Sintflut, getrennte Müllsammlung, unnötiger Komfort, nun also endlich das einfache Leben in der Freiheit auf Abruf – doch ganz so einfach ist das nicht: 052 VECTURA #17
Wo ist der Wassertank und wie wird der gefüllt? Abwasser gibt es auch, ja, der Ablauf ist hier unten irgendwo, die Gasflaschen sind hoffentlich gefüllt, das Aufrufen des Heizprogramms ist anspruchsvoller als das schwierigste Sudoku und wie lange hält die Batterie, wenn die Satellitenantenne und der Flatscreen dranhängen? Der Abschied von der Reihenhaussiedlung ist ein Triumph. Und wir sind die Sieger. Auf der Autobahn treffen wir nur Sieger. Alle wollen das, was wir wollen, aber wir haben online am Strand reserviert. Nur das Verlängerungskabel an unserem Stellplatz ist etwas zu kurz. Dann wird alles dunkel, der nette Nachbar zieht zu später Stunde ohne Warnung meinen Stecker aus einem seiner Anschlüsse. Die törichte Verwechslung eines Reisemobil-Novizen. In der ersten Nacht auf dem Campingplatz an der Ostsee fallen kleine Wasserfälle vom Himmel. Regen auf dem Kunststoffdach klingt romantisch. Das Oberlicht leckt ein bisschen und die Markise haben wir am Abend natürlich nicht eingerollt, am Morgen hängt sie gefährlich durch. Wir holen sie runter, gefühlte tausend Liter Regenwasser stürzen auf mich, die erfahrenen Nachbarn fallen vor Lachen fast aus den Stühlen. Alles sehr komisch hier. Ich nehme ein Handtuch und stolpere über den Sandstrand zum Meer. Ja, der frühe Camper erfrischt sich mit einem Bad in den Wogen gern allein. Da liegen schon drei rostbraune Frauen hinter der Düne, sie tragen nur den milden Wind des Morgens und richten sich bei meinem Anblick etwas auf. Alles verrutscht an ihnen. Ich marschiere mit gesenktem Blick vorbei und eine brüllt mir nach: «Das heisst guten Morgen, junger Mann!» Das war zwar eine Schmeichelei, aber Urlaub mit dem Wohnmobil war erst mal gestorben. Es wurde dann doch noch ganz nett, denn wir entdeckten eine unterbesetzte Pension, fantastischer Blick aufs Wasser, reinliche Zimmer, herrliche Betten, wunderbare Bäder, eine schöne Stube mit Frühstück und gleich dabei ein hübsches Restaurant. Wir blieben zwei Wochen, kehrten gut eingefärbt zurück und erzählten mit grosser Begeisterung von unserem Urlaub mit dem Wohnmobil. Vielleicht liegt mein Problem im Charakter des Motorhomes. Es ist nämlich ein fauler Kompromiss. Einerseits wird Abschied genommen, in der Ferne locken das Neue und unbekannte Herausforderungen. Gleichzeitig trägt das Wohnmobil alte Gewohnheiten mit sich, Komfort fast wie daheim, alles ist wie sonst, nur komplizierter. Obendrein ist Urlaub auf Rädern keine billige Sache: Wer ein Wohnmobil kauft, der könnte für diese Summe viele Freizeitjahre im Hotel wohnen. Aber ums Sparen geht es den überzeugten Caravanern nicht. Sie wollen gerade diese Nähe zum Regen in der Nacht, zu den Grillfeuern der Nachbarn und zum Gedränge auf den Übernachtungsplätzen. «Es ist doch alles so schön hier», sagte der Nachbar und rief in die gute Stube hinein: «Ach Mutti, mach doch die Tür zu, ich kann das nicht ertragen, wenn Du mit den Kartoffeln und den Schnitzeln so schuftest.» Es ist doch alles so wie daheim. Nachsicht haben sie verdient, die Caravaner, das meint meine Altersmilde. Aber mitmachen muss ich nicht mehr. Dann lieber wieder auf die Berghütte. Ohne Strom und mit Wasser aus der Quelle.
M ESUR E ET D ÉMESUR E *
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SHOWROOM
EINER CAMPT IMMER ES GIBT ZWAR AUTOMOBILHERSTELLER, WELCHE REISEMOBILE ANBIETEN. DIE MEISTEN VERKAUFEN DIESE FAHRZEUGGATTUNG JEDOCH ÜBER ZWISCHENHÄNDLER – ODER KÜMMERN SICH ZUMINDEST UM DIE BEDÜRFNISSE DER WOMO-PRODUZENTEN. MASSGESCHNEIDERTE LÖSUNGEN KOMMEN DAGEGEN VON DARAUF SPEZIALISIERTEN FIRMEN. WER NICHT VIEL GELD AUSGEBEN WILL UND BEREITS EINEN PICK-UP ODER VAN SEIN EIGEN NENNT, KANN EIN MODUL AUFSETZEN ODER SELBST AUSBAUEN. MERKE: ES GIBT VIELE MÖGLICHKEITEN, MOBIL ZU WOHNEN – HIER SIND DIE POPULÄRSTEN Text Stefan Fritschi, sl, map · Fotos Werk
Neue Heimat: Park&Sleep für Einsteiger Grosse Reisepläne, aber nur ein kleines Budget? Natürlich tut es ein alter Kombi mit Isomatte und Schlafsack, wenn man jung und flexibel genug ist – körperlich wie mental. So gesehen ist jedes Auto ein Wohnmobil; die Ausrüstung ist zunächst eine Frage des Anspruchs. Geld kommt erst bei der zur Verfügung stehenden Grösse oder bei aufwendigen Spezialaufbauten ins Spiel. Faustformel: je geräumiger und/oder komplexer, desto teurer. Vor finanziellen Verausgabungen sollte jedoch erst einmal festgestellt werden, ob man überhaupt Spass an der Camping-Mobilität hat. Die hier präsentierten Lösungen bieten verschiedene Ansätze, genau dies herauszufinden.
STUDENTENWOHNHEIM: NISSAN NV200
Der japanische Hersteller will den 4,72 Meter kurzen, 1,73 m schmalen Minivan NV gar zum Welt-Taxi machen (siehe VECTURA #5) – bisher mit mässigem Erfolg. Zuletzt war eine Camping-Studie zu sehen, die sich nicht zuletzt auch Wohnungssuchenden als umparkbares Domizil anbietet. Oder als mobile Ausnüchterungszelle für Grossanlässe. Dass sich das reale Angebot solch karger Unterkünfte in Grenzen hält, mag an der überschaubaren Nachfrage liegen. www.nissannews.com
054 VECTURA #17
BASISLAGER: VW CADDY FAMILY BEACH
VW liefert den Hochdach-Pw und den 47 cm längeren Caddy Maxi werkseitig auch als Beach-Version – für raue Gegenden und auf Wunsch auch mit Allradantrieb. Das ab 22 000 Franken teure Auto bietet (teilweise gegen Aufpreis) ein Klappdoppelbett, Gardinen für Front- und Seitenscheiben, Stautaschen, Taschenlampen, Faltstühle, Tisch, Moskitonetz und ein rund 4,5 Kubikmeter grosses Zelt für die Heckklappe. Jetzt noch die Kühltasche füllen, den Gaskocher einpacken, und der Alltags-Caddy wird mit wenigen Handgriffen zum rollenden Homebase. Höchstens zum Duschen muss man ab und zu einen Campingplatz ansteuern. www.vw-nutzfahrzeuge.ch
WUNDERWÜRFEL: QUQUQ-KOMBIBOX
Wer einen Kastenwagen sein Eigen nennt und plötzlich vom Fernweh übermannt wird, findet beim deutschen Ausrüster Ququq eine Kombi-Box oder eine Bus-Box. Erstere passt in Fahrzeuge von Dacia Dokker über Opel Combo bis VW Caddy, Letztere ist für die Kategorie Fiat Ducato, Mercedes Sprinter oder VW T4 bis T6 gedacht. Die Kiste braucht zuhause weniger als einen Quadratmeter Standfläche, ist 60 bis 75 Kilo schwer und kann in Minutenschnelle ohne Umbauten oder Bohrungen am Fahrzeug im Laderaum verstaut werden. Enthalten sind eine Küche mit Gasherd, Kühlbox, Geschirr, Frisch- und Abwassersystem sowie ein Klappbett für zwei. Mindestens 2700 Franken wollen dafür investiert werden – günstiger ist ein Reisemobil nun wirklich nicht mehr zu bekommen … www.ququq.info
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SHOWROOM
Backpacker: der Pick-up als Teilzeit-Behausung Wer sich einen Pick-up kauft, hat entweder einen handfesten Beruf oder ein ebensolches Hobby, das Allradantrieb und Bodenfreiheit verlangt. Wieso nicht auch beim Verreisen? Ein aufsattelbarer Wohnmobilausbau braucht keine Veränderungen am Basisfahrzeug und – sowohl unterwegs als auch geparkt – relativ wenig Platz. Ausserdem lassen sich Exkursionen vor Ort auch ohne den «Rucksack» bewältigen. Besonders günstig ist diese Form der Wohnmobilität allerdings nicht; für eine startklare Kabine wollen plus/minus 30 000 Franken bereitgehalten werden. Zu den Basisfahrzeugen zählen Pritschenwagen wie der Ford Ranger oder die 90er-, 110er- und 130er-Varianten des aktuell
ALLROUNDER: MITSUBISHI L200
Nach neun Jahren ersetzte Mitsubishi kürzlich den weltweit im Einsatz stehenden robusten Pick-up L200 durch eine fünfte Generation. Die soll nicht nur Gewerbetreibende, sondern auch aktive Freizeitsportler und Familien locken. Zu haben ist der 5,29 m lange L200 wahlweise in den zwei Kabinengrössen Club und Double, Letztere mit vier oder fünf Sitzplätzen, sowie in bewährter Leiterrahmen-Bauweise. Der ebenso neue wie sparsamere 2,4-L-Diesel leistet entweder 154 oder 181 PS, optional gibt es einen Fünfstufen-Automaten. Nebst wahlweise zuschaltbarem oder permanentem Allradantrieb verfügt der L200 über moderne Fahrprogramme und Assistenzsysteme, dazu kommen mehr Komfort und Lifestyle. Preis inklusive fünf Jahre Garantie: ab CHF 27 500.–. Aufgesetzt werden können dann massgeschneiderte Kofferkabinen, die von Spezialfirmen kommen. Ab 2016 gibt es den Japaner übrigens auch mit Fiat-Label unter der Bezeichnung Fullback. www.mitsubishi-motors.ch www.fiat.ch
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auslaufenden Land Rover Defender; an Alternativen mangelt es derweil nicht: Renault will ab 2017 mit dem Nissan-basierten Alaskan ein solches Mehrzweckmobil mit einer Tonne Nutzlast lancieren und Mercedes wird mit einem eigenen Navara-Ableger folgen. Etwas weiter als der Wettbewerb geht Ausbauer Bimobil, der die Ladefläche abnehmbar gestaltet und so für seine beispielsweise rund 500 Kilo schwere Wohnkabine Husky 220 mehr Platz schafft. Das Auf- und Absetzen soll dank Wechselsystem leicht von einer Person bewerkstelligt werden können. www.bimobil.com
CAPTAIN FUTURE: NISSAN NP300 NAVARA
Die 1986 eingeführte Navara-Baureihe rollt Ende Jahr komplett neu in vierter Generation sowie unter der Zusatzbezeichnung NP300 an. Das mit Ecken und Kanten vergleichsweise spacig gestylte Fahrzeug verfügt über ein klassisches, zum Hinterradantrieb zuschaltbares Allradsystem inklusive Geländereduktion und Bergabfahrassistent. Wahlweise stehen Schalt- und Automatikgetriebe zur Verfügung; zwei neue 2,3-L-Turbodiesel mit moderner Twinturbo-Aufladung leisten 160 PS/403 Nm und 190 PS/450 Nm. In die Schweiz kommt der NP300 als King Cab und Double Cab mit jeweils modernem Cockpit im SUV-Stil, bei Letzterem mit hinteren Schraubenfedern. Die Preise bewegen sich zwischen 28 690 und 46 190 Franken. Als Zubehör ist auch ein bedingt Camping-tauglicher Dachaufsatz erhältlich; alles andere will bei Nachrüstern gekauft werden. www.nissan.ch
TOUGH STUFF: VW AMAROK Dieser Pritschenwagen (siehe linke Seite oben) ist weit mehr als ein Nutzfahrzeug – Volkswagen setzt beim 5,25 m langen Pick-up auf Abenteuerlust und bietet ihn in diversen Ausstattungen für verschiedenste Zwecke an. Mit ausgesuchten Farben und speziellen Ausstattungsdetails wird die Baureihe zum Spielzeug für das Kind im Mann. Antriebstechnisch sorgen Turbodiesel-Motoren mit 140 und 180 PS, Hinterrad- oder Allradantrieb, Geländereduktion, ein manuelles Sechsgang-Schalt- oder Achtstufen-Automatikgetriebe für Fortkommen unter fast allen Bedingungen; ab 27 745 Franken ist man dabei, und die Beliebtheit der Baureihe hat in der Schweiz dazu geführt, dass sich TuningUnternehmen wie Storm72 auf individuelle Umbauten spezialisiert haben. www.volkswagen.ch
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GOLDRAUSCH: FORD NUGGET Für die Ausbauer von Westfalia zählt der Transit seit drei Jahrzehnten zum Repertoire – mit kontinuierlichem Erfolg. Ergo wird auch die 2014 eingeführte siebte Modellgeneration zum Nugget veredelt: Als Basis dient der Custom Combi, den es erstmals wahlweise mit Hoch- oder Aufstelldach gibt. Letzteres hat den Vorteil, dass in geschlossenem Zustand von aussen nicht ersichtlich ist, ob hier gerade übernachtet oder nur geparkt wird, während ein aufgestelltes Dach ausserhalb von Campingzonen womöglich Argwohn verursachen kann. Die Besonderheit beim Nugget ist das Zwei-RaumKonzept (siehe auch S. 132). Antriebstechnisch werden Benzin- und Dieselmotoren angeboten; neben dem Heck- gibt es neuerdings auch Allradantrieb. Auf der Schweizer Ford-Homepage ist der Nugget zwar nicht zu finden, doch bieten Händler hierzulande ebenfalls Reisemobil-Umbauten an, beispielsweise den Campérêve aus Frankreich. www.campereve.fr www.ford.ch
EDELMANN: MERCEDES MARCO POLO Der Marco Polo auf V-Klasse-Basis zeigt mit Schiffsboden, hellen Oberflächen im Farbton Porzellan, Drehsitzen, Kühlbox oder einer Einbauküche in Piano-Optik, wie Edelreisen aussehen kann. Ein Highlight ist das 203 mal 113 cm grosse Einzelbett, das sich per Knopfdruck innert Sekunden aus den rückwärtigen Sitzen formt. Dabei wird Luft aus den Sitzwangen abgelassen und die Gurtschnallen entfernen sich diskret. Ein weiteres, praktisch gleich grosses Bett steht unter dem Hubdach zur Verfügung. Der ebenfalls von Westfalia konzipierte Marco Polo ist optional mit 4WD lieferbar, passt dank 1,98 Meter Höhe sowohl in Tiefgaragen als auch Waschanlagen und lässt dank seiner Pw-artigen Fahreigenschaften vergessen, dass man eigentlich Wohnmobil fährt. Für knappe Budgets ist der Luxusliner allerdings weniger gedacht. www.mercedes-benz.ch
BAUKASTEN1: FIAT DUCATO UND CO. Was für Sportwagenfans ein Aston Martin oder Lamborghini, ist für Wohnmobilisten das technisch nahezu baugleiche Trio aus Fiat Ducato, Citroën Jumper und Peugeot Boxer: ein Traumfahrzeug. Wirklich? Ja, denn nebst dem deutlich kleineren VW-Transporter hat diese Mehrmarken-Baureihe den Reisemobil-Sektor in Europa seit 1982 regelrecht beflügelt – weil sie auch schmalen Portemonnaies den Einstieg ins Teilzeit-Nomadentum und eine Wendigkeit erlaubt, die nicht überall aneckt. Damals hiessen volksnahe, Ducato-basierte WoMos noch Alfa Romeo AR6, Talbot Express, Citroën C25 oder Peugeot J5. Ihre Nachfahren Ducato, Jumper und Boxer sind ungleich flexibler: In dritter Generation sind diese Kastenwagen grösser denn je und bieten dank verschiedenster Radstände sowie Dachhöhen diverse Auf- und Umbaumöglichkeiten mit Stehhöhe, richtigem Duschbad und vollwertigen Betten. Da gibt es Alkoven-Modelle, aber auch ChassisKabinen mit oder ohne Rückwand für teilintegrierte Lösungen (mit Hub-Bett) – oder eben ganz ohne Fahrerkabine für die sogenannten Vollintegrierten, bei denen vom ursprünglichen Fahrzeug äusserlich nichts mehr zu sehen und noch mehr Komfort angesagt ist. Kurz: Der Phantasie sind bei dieser Fahrzeuggattung keine Grenzen gesetzt. www.citroen.ch www.professional.peugeot.ch www.fiatprofessional.ch
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BAUKASTEN 2: EINE NUMMER GRÖSSER MIT NISSAN, RENAULT UND OPEL Diese drei Hersteller laufen seit Ende der 1990er-Jahre im Gleichschritt, wenn es um leichte Nutzfahrzeuge geht. Renault Trafic/Master, Nissan Primastar/NV400 und Opel Vivaro/ Movano sind genauso wie Ducato und Co. fast baugleich und in einer Unzahl von Variationen erhältlich, was sie bei spezialisierten Umrüstern so beliebt macht. Auch wenn die Markenhändler selbst keine WoMos anbieten, so ist doch die Palette gross. Allein Renault nennt auf seiner Homepage nicht weniger als 13 sogenannte «Reisemobil-Partner», die sich um den Wohnbereich kümmern. Die Franzosen betonen gerne, dass man die Bedürfnisse der Anbieter und ihrer Endkunden sehr genau kenne und immer wieder kleinere Optimierungen an seinen Basis-Modellen vornehme. www.renault.ch www.opel.ch www.nissan.ch
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Dank Bionik 25 Prozent leichter als konventionelle Autos: EDAG Light Cocoon
ABSCHAUEN BEI DER SCHÖPFUNG AUTOS MIT FISCHFORM, FLUGZEUGRÜMPFE MIT HAIHAUTARTIGER FOLIERUNG, SELBSTREINIGENDE OBERFLÄCHEN NACH DEM LOTUS-PRINZIP – DIE BIONIK WIRD IMMER ÖFTER ZUM IDEENGEBER FÜR DESIGNER UND ENTWICKLER. DANK SPEZIELLER 3D-DRUCKVERFAHREN ERÖFFNEN SICH AUCH FÜR AUTOBAUER NEUE HORIZONTE Text Thomas Imhof · Fotos Daniel Aeberli, Werk
G
laubt man Thomas Speck, seit 2006 Inhaber des Lehrstuhls für Botanik, funktionelle Morphologie und Bionik an der Universität Freiburg, «stehen wir erst am Rande des Ozeans und haben vielleicht einen Fuss im Wasser». Der vielfach preisgekrönte Biologe – er ist zugleich Direktor des Botanischen Gartens der Breisgau-Metropole – ist so etwas wie der Daniel Düsentrieb der Bionik und sich sicher: Erst ein Bruchteil dessen, was die Natur anzubieten hat, konnte bislang von Forschern der verschiedenen Disziplinen so genutzt und adaptiert werden, dass es für den Menschen von Nutzen ist. Von geschätzt sieben bis 15 Millionen auf der Erde vorhandenen Lebensarten seien bislang vielleicht 1000 bis 2000 auf ihr bionisches 062 VECTURA #17
Potenzial untersucht worden, schätzt Speck. Immerhin seien jedoch schon heute in über 90 Prozent aller in Deutschland gebauten Autos solche Bauteile, die mit am Karlsruher Institut für Technologie entwickelten Bionik-Methoden gewichts- und form optimiert worden sind. Auch in der Schweiz sorgen Bionik-Forscher immer wieder für verblüffende Innovationen – zum Beispiel Regine Schwilch, die am Bionikzentrum Luzern eine Surfbrett-Finne entwickelte, welche nach dem Vorbild einer Buckelwal-Brustflosse geformt und vorrangig für wenig geübte Surf-Einsteiger gedacht ist. Bei Tests auf dem Vierwaldstättersee staunte Olympia-Fahrer Richard
TECHNIK
Stauffacher: «Ich kann das Board bis zu acht Grad steiler anwinkeln, ohne dass ein ‹Spin-out› (wenn das Brett seitlich weggleitet, vor allem bei Fahrten gegen den Wind) auftritt.» Eine Forschergruppe der ETH Zürich unter Leitung von Wendelin Stark entwickelte einen Schutz für Bankomaten, der sich am Abwehrmechanismus des Bombardierkäfers orientiert. Das Insekt vermischt bei Gefahr zwei Chemikalien und verspritzt dann eine ätzende Flüssigkeit. Übersetzt auf den Bankomaten wird Vandalen oder Räubern bei Beschädigungsversuchen der Schutzfolie ein blau eingefärbter, 80 Grad heisser Schaum mit künstlichen DNATeilchen entgegengeschleudert, die auf der Haut noch Monate später nachweisbar sind. Bionik ist ein Kofferwort – zusammengesetzt aus BIOlogie und TechNIK. Angewandt wird die Technologie vor allem in der Archi tektur, Medizin, Robotik, im Schiffs- und Flugzeugbau sowie spätestens seit den 1990er-Jahren auch in der Automobilindustrie – einer im Umbau befindlichen Branche. Die Natur zum Vorbild zu nehmen, ist derweil eine uralte Idee. Als Urvater der Bionik gilt das Universalgenie Leonardo da Vinci (1452–1519). Schon 1505 versuchte der Italiener, die Prinzipien des Vogelflugs auf seine Flugmaschinen zu übertragen. Überliefert ist sein Satz: «Beobachte das Schwimmen der Fische im Wasser, und du wirst den Flug der Vögel in der Luft begreifen.» Auch Otto Lilienthal und die Gebrüder Wright liessen sich von den Herrschern der Lüfte inspirieren. Auch die «Winglets» an den Tragflächenenden vieler moderner Jets sind von den langen fächerförmigen Schwungfedern des Albatros abgekupfert – sie glätten Querverwirbelungen und sparen so gut fünf Prozent Kerosin ein. Vor über 130 Jahren orientierte sich bereits Antonio Gaudí an natürlichen Vorbildern beim Bau der bis heute unfertigen Sagrada Familia in Barcelona – hier standen Baumstrukturen und Ammoniten Pate für seine Turm- und Säulenkonstruktionen, wobei allerdings eher die reine Form als die funktionelle Trägerstruktur übertragen wurde. Selbst das Stahl-Skelett des Eiffelturms soll auf die Balkenstruktur von Knochen zurückgehen, während das luftige Dach des Münchener Olympiastadions von 1972 zumindest in Bezug auf seine Form von Spinnennetzen inspiriert worden ist.
Stabiles, verästeltes Karosserieskelett aus dem 3D-Drucker (ganz oben), Alu-Spaceframe mit bionischen, gesinterten Stahl-Knoten (Mitte): «Wir haben die Natur erstmals richtig abgebildet», freut sich EDAG-Designer Johannes Barckmann
Die alte Idee der Natur-Adaption erfährt aktuell wieder eine Renaissance und Bionik-Experte Speck nennt zwei wichtige Gründe dafür: «Zum einen sind wir heute zum ersten Mal in der Lage, durch neue Analysemethoden und Simulationsverfahren biologische Vorbilder und Konstruktionen in einer Weise zu verstehen, die es so vor zehn Jahren nicht gegeben hat.» Rasterelektronenund Rasterkraftmikroskope, konfokale Lasermikroskope, MicroCT oder Magnetresonanz-Imaging machen es möglich, die hierarchischen Ebenen der biologischen Ideengeber vom Zentimeter- bis in den Subnanometer-Bereich zu analysieren, und zwar – und das ist Begründung Nummer zwei – zu erschwinglichen Kosten: «Ein Rasterkraftmikroskop mit konfokalem Laser kostet heute nur noch 150 000 Euro, vor zehn Jahren kostete es noch fast eine Million Euro», sagt Speck. Ebenfalls trendbeschleunigend seien die weitaus schnelleren und genaueren Simulationsmethoden sowie neue 3D-Drucktechniken – mit deren Hilfe sich komplexe Formen und Strukturen WINTER 2015/16 063
TECHNIK
Funktional wie die Schwungfeder des Albatros: Winglets moderner Jets reduzieren Luftwirbel
«Wir verstehen biologische Vorbilder weitaus besser als noch vor zehn Jahren» Thomas Speck, Uni Freiburg
Vorbild Buckelwal: Surfbrett-Finne des Bionik-Zentrums Luzern
erstmals darstellen lassen. Verfahren wie Lasersintern und 3D-Printing-Lithographie eröffnen Entwicklern die Möglichkeit, zu erschwinglichen Preisen wie in der Natur «vom Kleinen zum Grossen» zu konstruieren. «Aktuell rentiert sich das jedoch erst bis zu Stückzahlen von einigen 100 bis 1000 Stück», erläutert Speck, «bei höheren Volumina ist ein Werkzeug derzeit noch besser.» Was heute unter Nutzung bionischer Prinzipien und neuer 3DAnwendungen möglich ist, zeigte auf beeindruckende Weise die 2015 präsentierte Studie Light Cocoon. Aufgebaut wurde das Modell im Audi-TT-Format von EDAG (Engineering + Design AG) aus dem hessischen Wiesbaden – einem der grössten unabhängigen Engineering-Experten der Automobilindustrie. Der Light Cocoon beeindruckt durch seine verästelte Trägerstruktur, über die eine transparente und bewusst aufgebrochene Karosseriehaut gespannt ist. Bei der Gestaltung des partiell mit einem 3D-Drucker gefertigten Skeletts kam nach naturwissenschaftlichen Gesetzen generell nur noch dort Material zum Einsatz, wo es für Funktion, Sicherheit und Steifigkeit unabdingbar war. Speziell die Knotenpunkte des zusammen mit dem Laser Zentrum Nord (Hamburg), Concept Laser (Lichtenfels) und der BLM Group aus Levico (Italien) entwickelten Spaceframe wurden bionisch optimiert. Als Ideengeber für das Team rund um EDAG-Chefdesigner Johannes Barckmann fungierten ein Pflanzenblatt oder ein Fledermausflügel – mit den jeweils kleinen Verästelungen und Leitbündeln, zwischen denen Haut (Epidermis) wächst. Letztere besteht bei der Studie aus dreilagigem Polyester-Jersey-Stoff und wurde vom Outdoor-Spezialisten Jack Wolfskin beigesteuert. Das Material namens Texapore Softshell O2+ ist nicht nur wasserdicht, sondern mit 19 g/m2 auch viermal leichter als Druckpapier. Um das Ganze von aussen sichtbar zu machen, liess
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EDAG das Auto von innen mit LEDs ausleuchten – und machte es so zur Leinwand. Barckmann zeigt sich abseits solcher Show effekte fasziniert von den Möglichkeiten: «Mit den neuen Rechnermodellen, Simulationen und 3D-Druckverfahren können wir die Natur erstmals wirklich abbilden. Allerdings reicht die heutige Rechnerkapazität bei Weitem noch nicht aus, um feinste Knochenstrukturen mikroskopisch zu berechnen. Noch agieren wir nur an der Oberfläche, wohlwissend, dass die Natur das alles noch viel besser kann.» Würde man die Phänomene des Bambus und den strukturell cleveren Aufbau des Hirschgeweihs auf die Motorhaube des Light Cocoon transferieren, wäre eine weitere Gewichtsreduktion möglich. «In China dient der Bambus dazu, viele 100 Meter hohe Häuser einzurüsten. Dank aussenliegender Fasern und Trennwänden in bestimmten Abständen erhält er eine immense Knickstabilität. Umgesetzt auf unsere Studie entwickelten wir Streben aus Aluminium-Hohlrohren mit einer Wandstärke von nur 1,5 Millimeter – allerdings ohne Zwischenwände.» Auch die Fähigkeit des Hirschgeweihs, an einer Verzweigung keinen Bruch entstehen zu lassen, könnte das finale Hauben-Design laut Barckmann noch leichter werden lassen. Effekt: höhere Stabilität bei geringeren Wandstärken. Bionik-Experte Speck: «Dämpfungssysteme und Leichtbau bleiben spannend.» Mitte: ein der Paradiesvogelblume nachempfundener, raffinierter Schattenspender. Unten: aufblasbare, leichte Dachstruktur mit selbstheilender Beschichtung für ein Parkhaus in Montreux
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TECHNIK
Stand Pate für kühlende Textilien: australischer Dornenteufel
Die Resonanz auf den rund 4,2 Meter langen und für alle denkbaren Antriebsvarianten vorbereiteten Light Cocoon war gewaltig, berichtet Barckmann: «Das Fahrzeug ist permanent bei unseren Kunden und auf Ausstellungen und Kongressen unterwegs, unter anderem war es auch drei Wochen in Amerika.» Als Statement für den Leichtbau der Zukunft – EDAG beziffert die Gewichtseinsparung mit 25 Prozent – könnte ein solches Auto vielleicht schon in zehn Jahren Realität werden. Zumindest für die nächsten 20 Jahre sehen die Entwickler einen Paradigmenwechsel im Automobilbau schlechthin voraus – weil generative Fertigungsverfahren wie der 3D-Druck erst dann in der Lage sein werden, grosse Bauteile mit den geforderten strukturellen Werkstoffeigenschaften produzieren zu können. Dem Light Cocoon vorausgegangen war das 2014 in Genf gezeigte EDAG-Exponat Genesis – eine Skulptur, die sich an der Schildkröte und ihrem in Millionen Jahren der Evolution optimierten Panzer orientierte und als Metapher für einen weiterentwickelten Insassenschutz diente. «Die Schildkröte steht für Millionen Jahre Evolution im Insassenschutz», sagt Barckmann: «Ihr Panzer bietet zugleich Schutz und Dämpfung, er ähnelt einem Sandwichbauteil mit innenliegenden, feinsten und sehr leichten Knochenstrukturen, die für die nötige Festigkeit sorgen – und ist trotzdem in sich beweglich. Da kann man auch als Autobauer viele Anleihen ziehen.» So spielerisch das alles klingt – es war ein langer Weg von da Vincis ersten Bionik-Ansätzen bis zum EDAG Light Cocoon. 1920 erhielt der Münchener Biologe Raoul Heinrich Francé (1874–1943) das erste deutsche Patent für einen Salzstreuer nach Vorbild der Mohnkapsel. Hergestellt wurde der Streuer jedoch nie – vielleicht auch deshalb, weil er zwar den Frühstücksteller gleichmässig berieseln, nicht jedoch das Frühstücksei punktgenau treffen konnte. Einen schnellen und weltweiten Siegeszug trat dagegen der Klettverschluss an. Es war 1941, als sich der Schweizer Ingenieur Georges de Mestral (1907–1990) nach einem Spaziergang die richtige Frage stellte: Warum blieben bei Streifzügen durch Feld und Flur die Früchte der Grossen Klette nur immer am Fell seiner Hunde und an der eigenen Hose haften? Unter dem Mikroskop fand er die geniale Lösung: winzige und elastische Häkchen an den Spitzen der igelförmigen Gebilde – die auch bei gewaltsamer Entfernung nicht abbrachen. Geboren war die Idee, zwei gewebte Chemiefaserstreifen – einer mit flexiblen Widerhäkchen, der andere mit Schlaufen – zusammenzupressen. Fertig war der ideale Schnellverschluss für Kleidung, Schuhe, Taschen und andere Utensilien, bis hin zu Blutdruckmessgeräten und Babywindeln. 1951 liess sich de Mestral die Erfindung unter dem Namen Velcro, zusammengesetzt aus VELours (Samt) und CROchet (Haken), patentieren, acht Jahre später brachte die von ihm gegründete Firma Velcro Industrie den ersten Klettverschluss auf den Markt. Heute befindet sich der Hauptsitz des Unternehmens in Manchester (New Hampshire, USA) – und eine Welt ohne Klettverschluss ist kaum mehr vorstellbar.
Hersteller X-Bionic hält 60 Patente auf High-Tech-Sporttextilien
066 VECTURA #17
In den 1970er-Jahren sorgte dann dank der Forschungen des Bonner Botanikers Wilhelm Barthlott (69) der Lotus-Effekt für Furore. Im Grunde ein in Asien seit mindestens 2000 Jahren bekanntes Phänomen der Lotos-Pflanze, die im Buddhismus als Symbol der Reinheit gilt. Denn bei Regen perlt Wasser in
Tropfenform von ihren extrem aufgerauten wasserabstossenden Blättern ab und reinigt sie so von Schmutz, Pilzsporen und Bakterien. Diesen Selbstreinigungseffekt macht sich heute unter anderem die vom exklusiven Markeninhaber Sto AG aus Stühlingen vertriebene Fassadenfarbe Lotusan zunutze.
Cool: 3D-BionicSphere-System mit eingewebten Lüftungskanälen
Prähistorisch: In den 1990er-Jahren experimentierte Opel bereits mit «bionisierten» Achsschenkeln und Motorträgern
2006 meldete Barthlott noch den Salvinia-Effekt zum Patent an: Inspiriert vom Schwimmfarn wird (anders als beim Lotus- Effekt) eine dünne Luftschicht auf der Blattoberfläche durch feine Härchen fixiert. Diese grenzflächenspannende Innovation eignet sich für Schwimmanzüge oder Schiffsrümpfe, die so auf einer Luftschicht durchs Wasser gleiten und dabei 30 Prozent weniger Reibung erzeugen. Überhaupt birgt das Thema Kleidung noch vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Die für ihre Produkte bereits mehrfach ausgezeichnete Schweizer Marke X-Bionic nutzt bionische Prinzipien zur Herstellung von High-Tech-Sporttextilien. Bei der Entwicklung orientierte man sich beispielsweise an dem in australischen Wüsten lebenden Thorny Devil, dem Dornenteufel: Diese stachelige Echse übersteht dank ihrer Haut aus mikroskopischen Rillen selbst lange Trockenperioden. Diesen Kapillareffekt nutzten die X-Bionic-Ingenieure, um Schweiss gezielt an kühlungsintensive Körperzonen zu leiten. Auch Wüstenfuchs, Hai, Biber, Schneehuhn, Lurch oder Wallaby standen Pate für Fleece-Jacken, T-Shirts oder Schweissbänder. Im Rahmen einer Kooperation mit Automobili Lamborghini entwickelte X-Bionic ausserdem Jacken für Radrennfahrer, die ähnlich wie bei den Sportwagen aus Sant’Agata über verstellbare Kühlluftschlitze verfügen. Bei der aufwendig gemachten High-TechBekleidung wird natürlich nicht der V-10-Motor, sondern der Körper des Athleten optimal temperiert. Bei den auch für Automobil-Konstrukteure relevanten Anwendungen rücken dagegen immer wieder zwei ganz bestimmte Vorbilder der Natur in den Focus: die Wachstumsregel der Bäume und der Aufbau von Knochen. Bäume und Skelette sind Tragwerke, die die Gesetze des Leichtbaus in Jahrmillionen perfektioniert haben. Hohlstrukturen von Vogelfedern beispielsweise oder Körperhüllen von Krebs- und Spinnentieren sind zugleich robust, leicht und flexibel. Das Skelett eines Menschen macht 18 Prozent seines Körpergewichts aus, während es beim Pferd nur zwischen sieben und zehn sind – was das Huftier lange Zeit in puncto Leistungsgewicht zum effizientesten Lastenträger machte.
BMW K1200S: Felge als Blaupause eines Säugetierknochens
Nicht alles geht: «bionisches» Reifenprofil von Conti, Jahrgang 2000
Solche Erkenntnisse in das Bewusstsein angehender Designer und Ingenieure gerückt zu haben, verdankt die Forschung dem 1947 in Dresden geborenen Physiker Claus Mattheck. Nach missglückter «Republikflucht» und zweijähriger Haft wurde er 1978 aus der DDR in die Bundesrepublik abgeschoben und begann dort schon Mitte der 1980er-Jahre mit Untersuchungen zum Wachstumsverhalten von Bäumen. 1985 folgte die Ernennung zum Leiter der Abteilung Biomechanik am Karlsruher Insti tut für Technologie (KIT). Seine Ergebnisse übertrug Mattheck in Computermodelle, die dann unter anderem bei Opel zur Anwendung kamen. Mithilfe zweier Software-Programme namens CAO (Computer Aided Optimization: virtuelles Wachstum zur Formoptimierung nach Vorbild der Bäume) und SKO (Soft Kill Option: Gewichtsoptimierung nach Vorbild der Knochen) erreichte Opel schon Mitte der 1990er-Jahre unter Leitung des ehemaligen Mattheck-Schülers Lothar Harzheim bei Motorhaltern, Felgen oder Achsschenkeln Gewichtseinsparungen von WINTER 2015/16 067
RUBRIKEN
Folgte formal dem Delphin: BMWs Wasserstoff-Rekordwagen H2R
«Die Natur ist Inspiration und Lehrmeister zugleich» Frank Venier, Audi
bis zu 25 Prozent bei zugleich 60 Prozent geringeren Belastungen. Wie heute noch beim EDAG Light Cocoon wurden Bauteile des ersten Opel Vectra an hoch belasteten Stellen verstärkt, während weniger beanspruchte Bereiche durch das Einfügen von Hohlräumen abspeckten. Die Vorgehensweise sah so aus: Definition des Bauraums für das fragliche Teil, Eingabe der im Betrieb zu erwartenden Lasten, konventionelle FEM-Berechnung (Finite-Elemente-Methode: Standard bei der Festkörper simulation), schliesslich Anwendung der bionischen Programme, mit denen Teile schliesslich virtuell wuchsen und sich dabei wie von selbst optimierten. Am Ende galt es dann noch, so entstandene Formen derart abzuwandeln, dass sie auch in Grossserie produzierbar waren. BMW entdeckte später ähnliche Potenziale: Die GeneratorBefestigung für das Turbolader-Gehäuse eines Dieselmotors wurde dank Bionik um bis zu 40 Prozent leichter, ebenso die einem Säugetierknochen nachempfundene Felge des Motorradtyps K1200S (2005–09). Generell erhielten Magnesium- und Aluteile nun Verrippungen, die frappant Ankerstrukturen von Anemonen und Quallen ähnelten. Es entstanden Achsen als Hohlraumgebilde, ähnlich wie die Holme von Vogelfedern oder Körperstrukturen von Krebs- und Spinnentieren. Auch die Karosserie des 2004 eingesetzten, 5,4 Meter langen WasserstoffRekordfahrzeugs H2R (cw-Wert 0,21) erinnert nicht zufällig an den Körperbau eines Delphins oder Pinguins. 068 VECTURA #17
«Wie die Bälkchen-Struktur des Knochens»: Alu-Teil des Audi A8
TECHNIK
Im Leichtbauzentrum von Audi in Neckarsulm lässt Frank Venier, verantwortlich für Strategie und Innovationsmanagement, ebenfalls keinen Zweifel an der Bedeutung bionischer Ansätze: «Für uns ist die Natur eine gute Inspiration und gleichzeitig ein grosser Lehrmeister. Man nehme nur das Knochenskelett eines Vogels, es macht nur acht bis zehn Prozent seiner Gesamtmasse aus – ein echtes Leichtbau-Wunder!» Nach dem Vorbild des Knochens mit seiner relativ dünnwandigen Röhrenform entwickelte die VW-Tochter optimierte räumliche Trägerstrukturen, zum Beispiel Aluminium-Strangpressprofile und -Gussknoten für die vom R8 und Lamborghini Huracán genutzte MSS-Plattform (Modular Sportscar System). Beim Spaceframe des neuen R8 verbesserte sich so die Torsionsfestigkeit (das Mass für das Moment, das benötigt wird, um die tragende Zelle um ein Grad zu verdrehen) um 10 000 Newtonmeter gegenüber dem Vorgänger – die Folge einer nur noch relativ dünnen Aussenschale und innen platzierter Verstärkungsrippen nach dem Knochen-Prinzip. Zum Fügen der unterschiedlich grossen Strangpressprofile liess sich Audi hingegen von der Wachstumsregel der Bäume leiten: «Die Faserverbünde und die Richtungen der Lastlinien geben uns wichtige Tipps zur Gestaltung der Knotenpunkte, an denen Profile und Gussknoten unterschiedlicher Stärke ineinanderlaufen», erläutert Venier. Ein bionisches Vorzeigestück ist das Aluminium-Verbindungsteil zwischen Schweller und hinterem Längsträger des A8: «ein Klassiker für eine solche bionische Optimierung, mit sehr vielen inneren Verrippungen, die aussteifend wirken, und einer mit einem Schliessblech geschlossenen Aussenschalen-Geometrie. Ganz ähnlich wie bei der Bälkchen- oder Spongiosa-Struktur des Knochens.» Auch bei bionischen Materialien ist Audi fündig geworden. Statt einer 2,8 Kilogramm schweren Fahrwerksfeder aus Stahl
präsentierte Audi 2012 eine nur 1,6 Kilo schwere Feder aus GFK. Als Blaupause diente hier der Faserverlauf einer Palme, deren hohler Schaft sich bei Sturm um fast 90 Grad biegen kann. Neben den Fahrzeugherstellern demonstrieren auch deren Zulieferer eindrucksvoll, wie sich Gewicht einsparen lässt: So giesst GF Automotive nach bionischen Prinzipien entwickelte Schwenk lager und Radträger für Audi A3 und Golf VII. Das Schwenklager konnte um 32 Prozent leichter ausgelegt werden, was über 2,8 Kilogramm pro Fahrzeug entspricht. Einen anderen für Automobile nutzbaren Effekt bionischer Prinzipien stellte Mercedes 2005 mit einer spektakulären Studie namens Bionic Car zur Schau: Statt der für ein alltagstaugliches Modell untauglichen Stromlinienform eines Pinguins wählten die Stuttgarter Designer den klobig wirkenden Kofferfisch zum Vorbild, und siehe da – überraschend kam dieser KorallenriffBewohner mit einem cw-W-Wert von 0,06 nahe an den Nullwert heran. Das dem Meeresbewohner nachempfundene Auto kam im 1:4-Massstab immer noch auf 0,095. Und als dann ein fahrbereiter Prototyp mit Dieselmotor auf den Rädern stand – 4,24 Meter lang, 1,82 Meter breit und 1,59 Meter hoch – glänzte der noch immer mit 0,19. Es sollte zehn Jahre dauern, ehe Daimler diesen Traumwert mit der gar nicht mehr so futuristischen Forschungsstudie Transformer egalisierte. Doch was war das Geheimnis des gelb getupften Fisches? Sein Konstruktionsprinzip besteht aus sechseckigen Knochenplättchen, die so gewachsen sind, dass sie bei minimalem Gewicht – laut Mercedes ist es ein Drittel leichter als bei vergleichbaren Artgenossen – ein Maximum an Festigkeit bieten. Damit nicht genug: Durch seine ausgeprägten Kanten stabilisiert sich der Fisch
Kofferfisch-Prinzip: Aerodynamik-Wunder Bionic Car (cw = 0,19) von Mercedes aus dem Jahr 2005
WINTER 2015/16 069
Der Schweizer Spezialmaschinenhersteller Menzi Muck liess sich für diesen kletterfreudigen Bagger von der Spannerraupe inspirieren
in Riffen mit ihren häufig wechselnden Wasserwirbeln selbst. Am Auto übersetzten das die Designer durch Abrisskanten, die gegen Seitenwind schützen. Der Bionic Car ging zwar nicht in Serie, setzte aber nachhaltige Zeichen für künftige Aerodynamik-Konzepte. Abseits des Automobils entwickelten sich derweil diverse biologisch inspirierte Innovationen. Thomas Speck ersann zusammen mit Bauingenieuren der Uni Stuttgart und Textilingenieuren des ITV Denkendorf nach Vorbild der südafrikanischen Paradiesvogelblume die «Fassadenverschattung» Flectofin. Die Blume verfügt über eine elastische, aus zwei Blütenblättern gebildete zylindrische Stange für landende Webervögel, welche die auch Strelitzie genannte Schönheit bestäuben wollen. Aus der sich unter ihrem Gewicht verbiegenden und aufklappenden Stange leiteten Speck und Kollegen daraus einen Schattenspender mit gelenkfreiem und stufenlos einstellbarem Klappmechanismus ab. Der kommt ohne Scharniere aus und ermöglicht so anstelle einer vertikalen Jalousie den Einsatz in sich beweglicher Lamellen. Immer wieder experimentieren Flugzeug- und Schiffbauer mit widerstandsarmen «Riblet»-Folien nach Vorbild der Haifischhaut. Es winken Treibstoffeinsparungen und – zusätzlich bei Schiffen – ein immer sauberer, algenfreier Rumpf (Anti-Fouling-Effekt). Die mehrlagige Haut tropischer Giftfrösche dagegen dient als Vorbild für eine wasserabstossende Frostschutzbeschichtung von Flugzeugen – sie könnte das bisherige und zeitraubende Verfahren zur Enteisung der Tragflächen ablösen. 070 VECTURA #17
Im Nutzfahrzeugbereich lieferte das Schweizer Unternehmen Menzi Muck aus Kriessern ein schönes Beispiel für angewandte Bionik: Nach dem Vorbild der Spanner-Raupe – sie besitzt an Kopf und Hinterteil je zwei Fusspaare und bewegt sich durch Biegen und Strecken des Rumpfes fort – entstand ein Bagger, der selbst Abgründe oder steile Passagen überwinden kann. Dass bionische Lösungen nicht immer die erwünschten Traumergebnisse bringen, zeigt zum Beispiel der 2000 vorgestellte Sommerreifen Continental Premium Contact. «Ein Pneu mit einem von den Pfoten eines Gepards inspirierten Profil, dessen Auflagefläche sich beim Abbremsen und bei Richtungsänderungen verbreitert und so für mehr Grip sorgt», hiess es damals vielversprechend. Parallel experimentierte der Reifenbauer mit Feinstrukturen für einen Winterreifen, die den Sohlen eines Eisbärs ähneln sollten. Doch Conti-Sprecher Klaus Engelhardt räumt heute ein, dass man die Technik nicht weiterverfolgt hat: «Mit dem Bionik-Ansatz sind wir damals nicht weitergekommen – vor allem deshalb, weil Reifen rollen und es in der Natur kaum Wesen gibt, die sich so fortbewegen.» In anderen Bereichen geht es derweil hoffungsvoll voran: Nach dem Vorbild der Wundversiegelung der Pfeifenwinde, einer Liane, die über Reparaturzellen Risse füllt und somit versiegelt, entwickelte wiederum Thomas Speck zusammen mit seiner Kollegin und Ehefrau Olga Speck eine selbstheilende Membran für pneumatische Strukturen. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer EMPA-Materialprüfungsamt in Dübendorf entstand so eine sich
TECHNIK
selbst reparierende Beschichtung aus Formschaum für eine aufblasbare Leichtbautragstruktur in sogenannter Tensairity-Technologie – zu sehen unter anderem am Dach eines Parkhauses in Montreux. Den Dichtungsschaum gibt es übrigens bei der Firma Rampff Giessharze im bayerischen Grafenberg. Von den Selbstreparatur-Talenten der Natur profitieren auch Elastomere für Dichtungen. Als Musterbeispiele für eine Wundheilung dienen hier Pflanzen wie Kautschuk- und Gummibäume, bei denen der austretende Milchsaft als Pflaster fungiert und die Verletzung verschliesst. «Gegenüber Tieren sind Pflanzen aus naheliegenden Gründen leichter zu untersuchen», weiss Speck: «Pflanzen müssen zudem mechanischen Belastungen von aus sen standhalten und können sich nicht wie ein Fuchs im Bau verstecken. Daher bieten sich auch künftig für alle Entwicklungen, die mit Mechanik und Leichtbau zu tun haben, Pflanzen bestens an.» Die Bionik-Kooperation zwischen Instituten und Autobauern ist eng, es gibt Kompetenz-Netzwerke und gemeinsame Brainstorming-Treffen. Für BMW entwickelten Speck und seine Mitarbeiter zusammen mit dem ITV Denkendorf einen Vorderachsträger aus faserverstärkten Materialien. Mit VW ist der 58-jährige Bioniker aktuell im Bereich ultraleichter Dämpfungssysteme tätig. «Dazu untersuchen wir intensiv Früchte, wie zum Beispiel Kokosnüsse oder Pomelos. Und fragen uns: Wie müssen Fruchtschalen aufgebaut sein, damit eine Kokosnuss beim Herabfallen vom
Baum nicht zerbricht?» Inzwischen gibt es erste Autolacke, bei denen sich unter Wärme und Reibung kleine Kratzer schliessen. Als nächstes Betätigungsfeld seiner Forschungen hat Speck die Brennstoffzelle im Visier: «Da könnte man die Membran, die das Wasser abtransportiert, bionisch optimieren, aber das ist noch im Ideenstadium. Grundsätzlich bleibt alles interessant, was Leichtbau und Vibrationsdämpfung betrifft.» In den nächsten fünf bis zehn Jahren werde man noch einiges sehen, verspricht er – und dämpft zugleich übersteigerte Erwartungen: «Es reicht nicht aus, die Natur einfach nur zu kopieren. Vielmehr geht es immer wieder darum, Mechanismen zu beobachten, zu abstrahieren und auf die technische Anwendung zu übertragen und herunterzubrechen. In jedem Fall ist sie aber Generator für immer wieder neue Ideen.» Mitunter behalten Natur und Physik ihre Geheimnisse für sich, hat EDAG-Designchef Barckmann ausgemacht: «Erst die kleinen Einbuchtungen auf seiner Oberfläche erlauben es dem Golfball, kontrolliert durch die Luft zu fliegen. Wie das genau funktioniert, konnte aber bislang nicht schlussendlich erforscht werden.»
STILBLÜTEN
072 VECTURA #17
DIE WELT DES LUIGI COLANI ER BESITZT EINEN SCHARFEN VERSTAND, KANN ABER AUCH MASSLOS ANMASSEND SEIN: EINEN ENTERTAINER WIE IHN GIBT ES IM WELTWEITEN INDUSTRIEBETRIEB JEDENFALLS KEIN ZWEITES MAL
Bereits stilbildend: früher Colani-Entwurf aus den 1950er-Jahren
Text und Fragen map · Fotos Archiv Bärtschi, map
I
Ihn zu den berühmtesten Industriedesignern der Welt zu zäh len, ist keine Übertreibung: Für manche ist Luigi Colani gar ein Visionär und Philosoph. Andere halten den wortgewaltigen Professor für Transportdesign bis heute für einen Scharlatan – auch weil er zugegeben hat, dass 70 Prozent seiner Entwürfe nicht funktioniert haben. Andererseits sind die verbliebenen 30 eine Traumquote; es kommt immer auf die Perspektive an. Keine Frage, dieser Mann polarisiert. Unbestritten ist hingegen, dass der gebürtige Berliner Lutz Colani mit polnischen und Schweizer Wurzeln immer sehr kreativ und fleissig war sowie eine ihm eigene Formsprache besitzt, der er bis heute treu geblieben ist. Der Meister selbst spricht von «organischem Bio-Design» – Natur sei in puncto Gestaltung das beste Vorbild. Mit dieser Einstellung hat es Colani in diverse Museen wie das New Yorker MoMA geschafft. Nach Ausbildungen zum Bildhauer und Maler an der Berliner Kunstakademie, aerodynamischen Studien an der Sorbonne und einer ersten Anstellung beim US-amerikanischen Flugzeugproduzenten Douglas begann Colani Anfang der 1950er-Jahre als Automobilstylist zu arbeiten und entwickelte für Simca eine Kunststoffkarosserie. Es folgten Entwürfe für Erdmann&Rossi und Romesch, bevor das erste eigene Auto auf VW-Käfer-Basis erschien – der Colani GT (siehe VECTURA #8). Dessen Schöpfer war – auch dank anderer Gegenstände – in aller Munde und konnte sich seine Auftraggeber aussuchen. Seine Prime Time hatte Colani in den 1970er-Jahren und residierte damals sogar, gelegentlich umhüpft von elfenartigen Assistentinnen, mit seiner «Design Factory» auf einem westfälischen Wasserschloss. Nach einigen Jahren in Tokio arbeitete Colani zwischen 1986 und 92 in Bern, bevor er Richtung Frankreich weiterzog. Bewegung ist ein wichtiger Teil seiner ebenso langen wie ereignisreichen Karriere: Häuser, Möbel, Teppiche, Klavierflügel, Porzellan, Messer, Uhren, ergonomische Schreibgeräte und andere alltägliche Gebrauchsgegenstände und Elektronikartikel, selbst Sanitärprodukte oder Särge, dazu Brillen, Kleidungsstücke (ein Mantel für SwissairCrews war auch dabei), Schuhe, Spielzeug, Kunst (gelegentlich erotisch), Kameras, Computer, Roboter, diverse Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, Züge, Trucks, Fahr- sowie Motorräder und Autos
Funktionsorientierte Fantasie: Omnibus-Entwurf, ca. 1960
Windschlüpfrig und visionär: Studie auf BMW-700-Basis anno 1963
natürlich auch, sogar viele davon – bei über 5000 Produkten gibt es praktisch nichts, was dieser Mann noch nicht entworfen hat (www.colani.org). Dazu kamen phantastische Projekte wie die Reissbrett-Stadt Eco-City auf der chinesischen Insel Chong Mingh im Jangtse-Delta, doch bisher blieb es bei der Absicht. Der wegen seinem häufigen Umgang mit Gips stets weiss Gekleidete dachte immer gerne kompromisslos und war der Selbstinszenierung dabei nie abgeneigt. Anfang der 2000er wurde es dann stiller um den mittlerweile 87-Jährigen. Das eigenwillige Multitalent pendelte zwischen Karlsruhe und Mailand; heute hält sich Colani oft in China auf; an der Tongji-Universität Shanghai ist er – neben diversen anderen Ehrentiteln und Auszeichnungen in aller Welt – seit 20 Jahren Gastprofessor. Die Asiaten verehren ihn und folglich gab es den Stardesigner, konserviert im besten Alter, vom koreanischen Hersteller Kojun auch als 30 Zentimeter grosse, auf zehn Exemplare limitierte Actionfigur. Wir trafen den Tausendsassa zu einem Gespräch in Aarwangen, wo ihm ein eigenes Museum gewidmet ist (www.colaniswelt.ch). WINTER 2015/16 073
Herr Colani, seit wann leben Sie auch in Shanghai? Seit über zehn Jahren. Es ist eine Wahnsinns-Stadt; zu wahnsinnig. Die verlieren die Pedale da drüben und werden sie erst in Jahren wiederkriegen, weil alles immer noch explosionsartig aufsteigt. Sieht so die urbane Zukunft aus? Nein. China hat doch noch gar keine moderne Denke. Sondern ist Nutzniesser längst vergeigter und vergammelter westlicher Vorstellungen. Alles nur Fassade ohne Inhalte, bedauerlicherweise.
So stellte sich Colani 1970 den nächsten Mercedes C111 vor; das hintere Skalpell-artige Konstrukt ist der Heckscheibenwischer. 1990 tauchte dieses Detail an neuen Skizzen wieder auf (unten)
Nun haben Sie fünf Professuren allein in China – und auch den Glauben, etwas verbessern zu können? Noch nicht. Deshalb bin ich ja auch wieder weggegangen – aber regelmässig drüben, um zu sehen, was da läuft. Ich werde erst in Europa helfen – denn hier muss mehr geschehen als in China! Können Sie das bitte näher erklären? Nicht allein in Europa. Ich habe eine weitere Professur in Moskau, wo ich einen grossen Think Tank aufbauen werde, um der Jugend wieder auf die Beine zu helfen. Die ist völlig verrottet und ohne Zukunftsaussichten. In Brasilien, wo ich auch tätig bin, sieht das ganz anders aus, die haben sehr viel Geld und brauchen Design. Mein Hauptsitz ist Mailand, während in Venedig eine grosse Ausstellung geplant ist. Das Auto zieht sich wie ein roter Faden durch Ihr gesamtes Schaffen … Eher das Flugzeug, aber das wissen die wenigsten. Ich komme
Genie oder Wahnsinn – Colani bewegt sich oft zwischen Wissenschaft und Showeffekt
Geschwindigkeit in Bern – eigentlich ein Widerspruch. Doch just in seinen Schweizer Tagen entwarf Colani mehrere Rekordfahrzeuge
074 VECTURA #17
STILBLÜTEN
Keine Berührungsängste: Für seine Kreationen opferte der Meister sogar einen Ferrari Testarossa
Schneller als die Serie: Der Ferrari Testa D’Oro Colani mit 739-PS-Biturbo-V12 entstand 1989 in Kooperation mit Lotec – und fuhr auf dem Bonneville-Salzsee über 350 km/h schnell
ja aus dem Flugzeugbau und finanziere meine ganzen Sachen selber. Ich kann natürlich kein Flugzeug finanzieren, aber Autos zu finanzieren war mir ein Leichtes. Also habe ich die nächste aerodynamische Grösse, die in Angriff zu nehmen war, gewählt – eben das Automobil und seit 1968 viele Patente eintragen lassen. Die Branche ist ja von einer solchen Dämlichkeit … Seit 40 Jahren gibt es meinen Aero-Truck; sieben Exemplare haben wir gebaut, ich habe zwei davon. Es waren auch sicherheitstechnische Patente darunter … Jaaa, vor über 30 Jahren, aber die sind längst futsch; Patente haben ja nur eine bestimmte Laufzeit. Ich machte die Sicherheitszelle – die dann ja auch von Mercedes aufgegriffen wurde, wenn auch in völlig anderer Weise. Deren Patent-Fuzzi Béla Barényi hat das seinerzeit übernommen – und sich inspirieren lassen von meinen Fahrzeugen. Was werfen Sie der Automobilindustrie vor, wo liegt Ihrer Meinung nach deren grösster Denkfehler? Gucken Sie sich die Autos doch heute an, die können Sie alle nebeneinanderstellen, ich nehme die Markenembleme ab und vertausche die – dann kann man nichts mehr wiedererkennen, sieht alles gleich aus.
Aerodynamik? Ach was, nicht einer! Etwas werfe ich mir vor: Ich habe alle Autos dieser Welt gehabt, Bizzarini, Ferrari, Rolls-Royce – aber nie einen DS-Citroën, obwohl ich damals in Frankreich lebte. Darunter leide ich heute noch. Dieses Auto war ein Superlativ und so scharf nach vorne gedacht, dass es 20 Jahre lang ohne Probleme gebaut werden konnte. Ich weiss nicht, ob es das schönste Auto war, aber sehr anders, sehr faszinierend. Und mit grosser Hingabe, auch von den Bossen damals – erlaubt, das ist ja das grosse Ding! Sehen Sie sich nur mal aktuelle CEOs an – alles Hirnamputierte, die nur an Kohle denken! Erschütternd ist das. Heute ist die Industrie zu idiotisch, um so etwas wie eine DS neu zu erschaffen. Der DS-Nachfolger, CX hiess der glaube ich, war zwar technisch noch in Ordnung, aber formal schon Scheisse. Welche anderen Autos finden Gnade in Ihren Augen? Oh verdammt, das ist schwierig … Doch, es gab da mal einen Ford-Rennsportwagen, der zwar nie Erfolg hatte, aber eine WINTER 2015/16 075
STILBLÜTEN
Colani kann’s nicht lassen: «Trikora» nennen sich diese Stromlinien-Entwürfe aus den frühen 2000ern
aussergewöhnlich gute Aerodynamik. Und sonst … habe ich im Augenblick nicht alle im Kopf und tue einigen jetzt bestimmt Unrecht. Aber vielleicht gibt es wirklich keine. Die Autobranche ist out, sie ist kaputt. Sie hat es nicht mal geschafft, der Elektro autobewegung eine neue Formsprache zu geben. Das war ja eine der grossen Chancen, endlich zu wagen, was man sich bei den Benzinkutschen bisher nicht getraut hatte. Und was machen die Idioten? Bauen in Benzinmodelle noch einen E-Motor ein! In Brasilien ist Ethanol ein grosses Thema. Naja, ich weiss nicht, ob Raubbau in der Landwirtschaft zu etwas führt. Das Automobil ist am Scheideweg; irgendwas passiert. An den Spritreserven liegt es nicht, die sprudeln noch 50 Jahre. Ich baue ja jetzt auch Tanker für Petrobras. Schon nach der «Exxon Valdez»-Katastrophe hatte mich Exxon um Entwürfe gebeten, eine grosse Summe bezahlt, ich habe ein ZehnMeter-Modell gebaut, und dann – aus, nichts mehr. Die wollten nur die Fotos haben, um die Wogen zu glätten. Und nun hat mich Petrobras kürzlich angesprochen, genau diesen Tanker
076 VECTURA #17
tatsächlich zu bauen! Der passt in jede europäische Schleuse und muss nicht umgepumpt werden, denn genau dabei fliessen schon jeden Tag 50 Tonnen Öl in die Nordsee. Sie beklagen, dass kaum jemand auf Sie hört – warum eigentlich nicht? In 50 Jahren machen sie es. Das kommt, hundertprozentig. Ich war in Gesprächen mit Airbus und sollte Chefdesigner werden. Das fing richtig gut an, ich kaufte mir ein Schloss in Toulouse, das ich heute noch habe, aber nach sechs bis acht Monaten habe ich denen gesagt: Leute, aus, Ende, ich mache nur mit, wenn wir einen Nurflügler bauen, wie ihn Hugo Junkers schon vor über 70 Jahren bauen wollte – und dann die G38 mit Schwänzchen gemacht hat, weil er damals noch nicht über die nötige Steuerelektronik verfügte. Das habe ich denen gesagt und dann bin ich gegangen. Was für ein Auto besitzen Sie – fahren Sie eigentlich noch selbst? Aber wie! Ich bin heute in zweieinhalb Stunden von Karlsruhe hierher geknüppelt in meinem Jaguar XKR, der geht 240 oder
Es braucht Einfühlungsvermögen, um diesen Colani-Horch verstehen zu wollen. Parallel kündet das Auto von des Meisters erotischem Werk
so. Dabei bin ich zweimal geblitzt worden – in Europa kann man einfach nicht mehr vernünftig Auto fahren. In Italien geht es noch, aber in Deutschland oder der Schweiz… Wirklich kriminell, was die sich hier leisten. In China kann ich 300 Stundenkilometer schnell fahren; die neuen Autobahnen dort sind perfekt!
Dann haben wir ja doch noch ein Auto gefunden, das Ihnen gefällt! Der war´s, ja richtig. Mit einer sanft erotischen Form von unheimlicher, cooler Schönheit – total funktional mit den kleinen Türchen: Leute rein und los, gewinnen!
Sprechen Sie eigentlich Mandarin? Überhaupt nicht. Ich habe aber schon seit vielen Jahren eine chinesische Freundin, mit der ich zusammenlebe, und die übersetzt mich perfekt. In Shanghai sollte ich eigentlich ein Forschungszentrum bekommen, aber das hat sich auch nicht … Ich bin jetzt wieder mit chinesischen Autobauern im Gespräch, die begriffen haben, dass das, was Chinesen derzeit tun, zwar Spass macht, aber in die falsche Richtung führt: Ferrari und Porsche anschaffen, das ist in Europa längst vorbei – hier kauft doch niemand mehr einen Maybach! Das kann auch nur Mercedes einfallen, ich begreife es nicht. Früher waren die sehr gut – sehen Sie sich mal den Ur-Flügeltürer aus den 1950ern an – Materie gewordene Intelligenz, einfach brilliant!
Und dieser Spirit ist den Herstellern also abhandengekommen … Der ist völlig weg. Welche Automobilmärkte geben Ihrer Meinung nach künftig den Ton an – Europa, Asien, die USA? Der Bundesstaat Kalifornien beispielsweise gilt als Impulsgeber der ZeroEmission-Bewegung. Wenn wir von automobilem Fortschritt sprechen, dürfen wir nicht über die Gesetzgebung der einzelnen Länder reden. Man muss erst einmal Autos bauen, hinstellen und sagen: So könnte die Zukunft aussehen. Da hat uns Amerika schon vor 40 Jahren mit seinen Dream Cars immer wieder gezeigt, wo es langgehen könnte – oder kann.
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STILBLÜTEN
Es kam aber nicht dazu … Das ist etwas anderes – die Dummheit derer, die oben sitzen. Aber die Designer hatten erstaunlicherweise die Freiheit, zu träumen und haben das auch getan, und gut! Es waren übrigens Fahrzeuge dabei, von deren CW-Wert wir heute träumen. Ich habe mir vorgenommen, demnächst ein Automobil zu bauen, das allen anderen Autos ein Ende setzt – an innerem Luxus, an Leistung und an Novität.
Wann wird es soweit sein? Nächstes Jahr. Ich zögere aber, das Fahrzeug fertigzumachen, weil ich schon die Autojournalisten höre, wenn sie wie die Hyänen über Colani herfallen werden und sagen: Das wird nie zugelassen! Wenn jemand von seinem Weg so überzeugt ist wie Sie … Ich hab´s ja bewiesen! War unter anderem Chefdesigner von Thyssen und bin nur da rausgeflogen, weil ich so ein freches Mundwerk hatte. … verzweifelt er dann gelegentlich an der Realität? Überhaupt nicht! Ich habe in meinem Leben rund 100 Millionen verdient, die Hälfte habe ich verfressen oder in Schlössern, Yachten und Privatflugzeugen angelegt. Der Rest steht in Containern verpackt in Mailand – die grösste Designsammlung, unter anderem mit jedem Auto, das ich gemacht habe. Segelboote waren auch dabei … Ich habe die schärfsten Segelschiffe der Welt entworfen – nicht solche, die noch mit ihrem ganzen Rumpf im Wasser hängen. Heute fährt man auf dünnen Klingen und ist dann nur noch dem Luftstrom ausgesetzt. Die besten hydro- und aerodynamischen Fahrzeuge aller Art sind bei mir entstanden.
Die aerodynamisch optimierten Zugmaschinen aus den späten 1970er-Jahren zählen für viele zu den Colani-Highlights. 2009 entwarf der Rastlose eine weitere, besonders spitznasige Variante
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WIE MACHT MAN EIN AUTO 100 KILO LEICHTER? MAN LÄSST DIE KOMPROMISSE WEG.
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