VECTURA #6 Auszug

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WWW.VECTURAMAG.CH

[ lat.: das Fahren]

#6 | Frühling 2013

Künftig die Norm?

VOLKSWAGEN XL1 HUT AB // STOFFDACH-CABRIOS LANGSTRECKEN-KLASSIKER // LE MANS WIRD 90 AIRBORNE // HONDA-JET MOTORMENSCHEN // LAMBORGHINI / MCQUEEN

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RUBRIKEN

Das motion-magazin aus der schweiz

Fr端hling 2013 001


In Topform. Erleben Sie die neue E-Klasse an der Händlerpremiere vom 12. bis 14. April.

Eine Marke der Daimler AG

Die neue E-Klasse geht jetzt in Topform an den Start und liefert in der Disziplin Dynamik auf den ersten Blick einen neuen Rekord ab: Diese E-Klasse ist die sportlichste, die es je gab. Überzeugen Sie sich bei einer Probefahrt gleich selbst und lernen Sie bei dieser Gelegenheit auch gleich den neuen CLA kennen. Ihr Mercedes-Benz Partner freut sich auf Sie. www.mercedes-benz.ch/e-klasse

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editorial

Matthias Pfannmüller, Chefredaktor

Vectura #6

STANDARD

edition

S

tandard? Die Automobilszene ist derzeit alles andere als das. Wichtige Mega-Messen wie die Salons in Genf oder Shanghai feiern wilde Kreationen, die nach Curryhuhn mit Schokosauce schmecken. Bei den Händlern stehen längst CoupéLimousinen, Bonsai-Offroader oder Sport-Pick-ups. «Crossover» lautet die Formel, nach der althergebrachte Fahrzeugsegmente miteinander kombiniert und in ihrem Erscheinungsbild neu abgemischt werden. Was jetzt noch fehlt, ist ein Kombi-Cabrio: Auf der Suche nach Individualität wird heute jede noch so kleine Nische ausgefüllt. Doch weil das inzwischen alle tun, ist aus dem Anders-sein-Wollen ein Mainstream geworden. Im mittlerweile fast unüberschaubaren Auto-Potpourri finden sich ein paar sinnvolle Kreuzungen wie AllradPw oder Minivans, die inzwischen sehr populär sind. Es gibt in dem ganzen Mischmasch aber auch weniger schlaue «Erfindungen», die Fragen aufwerfen: Was soll das? Und – wer braucht das? Anders herum: Waren unsere Vorgefahrenen nicht glücklicher mit einem klar strukturierten Angebot, bei dem sie sich lediglich zwischen viertürigem Stufenheck, Station Wagon, Coupé, Roadster, Kleinbus und Geländewagen entscheiden mussten? Was ist aus diesem traditionellen Sixpack geworden – hat es überhaupt noch eine Zukunft? Wir meinen ja und widmen solchen Konformisten deshalb diese Ausgabe. Weil sie uns seit Kindertagen begleiten und Geborgenheit bieten. Weil sie immer besser geworden und heute praktisch ausgereift sind. Und weil sie uns nicht verwirren, sondern wissen, was zu tun ist. In ihnen herrscht Ordnung und kein Kulturschock. Konservative Fortbewegung hat also durchaus ihren Reiz. Das wissen auch die Hersteller, die an ihren bewährten Baureihen festhalten: In südeuropäischen Ländern etwa sind Modelle ohne ein Kofferraum-Stufenheck nur schwer verkäuflich. 08/15-Autos müssen jedoch keine Stangenware sein. Von spartanisch bis Luxus ist längst alles zu haben, auch in der Basis. Denn Kleinwagen sind heute mit Extras unterwegs, die früher noch der Oberklasse vorbehalten waren. Und bei den Cabrios darf man sich über ein Comeback des guten alten Stoffdachs freuen, nachdem die meisten «Retractables» der letzten Jahre nicht nur furchtbar aussahen, sondern im Un-Fall oft auch unverhältnismässig teuer in der Reparatur waren. Merke: Standard ist die Konzentration auf das Wesentliche, kein Multitasking. Ein selbstbewusstes Statement statt ein «Sowohl-als-ob». Und vielleicht sogar das neue Premium.

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inhalt #6

EDITORIAL

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SOMMERSUCHGERÄT Das neue Beetle Cabriolet ist ein offener VW Golf mit mehr Emotion. Der Funke springt schon bei schlechtem Wetter über

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TEXTIL-COMEBACK Das Stoffverdeck ist wieder da! Wir zeigen fünf Open-Air-Kandidaten mit zwei oder vier Sitzen

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EIN DACH ÜBER DEM KOPF Flach oder dick, hart oder weich: Cabrio-Konstruktionen sind vielfältiger denn je

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SELFMADEMAN Er gehört bis heute zu den schillerndsten Unternehmer-Persönlichkeiten Italiens: erster Teil der Vita von Ferruccio Lamborghini

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HIGHWAY-IKONEN Egal welche Epoche: Cadillac-Coupés waren immer grossartig – mit einer Ausnahme

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DER WEG IST DAS ZIEL Es geht ins Grand Hotel – und das mit vor Kraft strotzender V8-Herrlichkeit

MOMENTAUFNAHMEN Seine Rennsportbegeisterung führte zum Kinofilm. Fast spannender sind Fotos von Steve McQueen hinter den Kulissen

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KLEIN, ABER OHO Die Clique schicker Citycars wächst. Nun fährt der Opel Adam vor und weiss durchaus zu überzeugen

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SCHNELLTRANSPORT Ob privat oder geschäftlich: Ein Kombi gehört nach wie vor zur ersten Wahl und das Angebot ist erfreulich vielseitig

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EINSICHTEN IM MÖBELHAUS 048106 Er hätte es doch wissen müssen: Mark Stehrenberger bekommt Platzprobleme und erinnert sich an frühere Lademeister 108

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CHARAKTER AUF RÄDERN Wenn Volvo ein neues Auto baut, muss es über jeden Zweifel erhaben sein. Das war immer so und gilt auch für den Jahrgang 2014

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EIN TYP FÜR ALLE FÄLLE Der Pick-up kann hart arbeiten, aber auch Vergnügen bereiten. Dazu hat er Tradition, wie ein Blick in die Vergangenheit zeigt

046

TITELSTORY Der Volkswagen XL1 zeigt eindrucksvoll, was in puncto Verbrauch heute schon möglich ist MITTEL ZUM ZWECK Man muss kein Auto-Fan sein, um ein Auto zu fahren, findet Nicole Stutzmann

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MOPAR IN OSTERMUNDIGEN Pascal Huber liebt den Chrysler Valiant Sedan

054 126

ALLZEIT BEREIT Die dritte Generation des Mitsubishi Outlander empfiehlt sich als patentes Allroundfahrzeug – und bald sogar als Umweltschützer

056

DIE FRÜHEN JAHRE Ein neuer Buchtitel über Porsche im Rennsport begeistert mit zeitgenössischen Fotos

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RUF DER RUNDSTRECKE Sie gelten als Endurance-Klassiker schlechthin. Happy Birthday 24 Stunden von Le Mans!

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LIFT-OFF Nach 27 Jahren Entwicklung ist der Honda-Jet startklar. Wir erzählen seine Geschichte – und bitten legendäre Düsenflieger zum Rollout IMPRESSUM

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Standard

E d i t i o n

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R端ckspiegel

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FAhrtermin

Zeig mir die Sonne Das neue Beetle Cabriolet ist für gutes Wetter gemacht. Doch selbst bei Regen vermag der Volkswagen seine Wirkung zu entfalten, wie unser Tagesausflug südlich von Manhattan bewiesen hat Text Matthias Pfannmüller · Fotos Marc Urbano

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Coney forever: Stan ist hier zuhause

H

upend quält sich die Blechschlange Richtung Brooklyn Bridge. Wir stehen mittendrin und bleiben cool: Gleich ist es geschafft, dann lassen wir die Betonwüste und ihre Schlaglochpisten hinter uns. Der Beetle federt die unebenen Oberflächen willig ab und fühlt sich dabei sehr solide an. Mehr müsste über das Auto gar nicht gesagt werden, denn es ist absolut problemlos, ja narrensicher in der Handhabung. Endlich überqueren wir den Hudson: Via Highway 278 und den Belt Parkway geht es relativ zügig vorwärts, wird die Wolkenkratzer-Silhouette im Rückspiegel immer kleiner. Über Exit Number 6 erreichen wir nach einer guten halben

008 VECTURA #6

Stunde Coney Island – jene illustre Freizeitmeile südlich der Metropole, auf deren Strandpromenade sich einst die New Yorker vergnügten. «Na ja, die guten Zeiten sind schon lange vorbei», lächelt Stan. Der 68-Jährige ist hier geboren, erinnert sich für uns an das bunte Treiben und dann leuchten seine Augen, während rundherum Tristesse angesagt ist: Viele Buden sind vergammelt und verrammelt, die Schnellrestaurants ebenso. Reklamewände werben für Produkte, die es längst nicht mehr zu kaufen gibt. Farbe blättert, die salzige Seeluft nagt an Gerüsten, Asphaltrisse


FAhrtermin

machen sich breit. Stan glaubt derweil, zarte Zeichen einer Renaissance zu erkennen: «Coney kommt zurück, schaut mal da drüben: Dort bauen sie jetzt ein grosses Kino-Karussell im Stil der 20er-Jahre!» Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und wir wollen ihm glauben – schon deshalb, weil er uns mindestens so sympathisch ist wie ihm unser Auto: «Ich habe euch vorhin aussteigen sehen und mich dabei sofort an das erste Beetle Convertible erinnert. Als es hier 1956 auf den Markt kam, hat er 1995 Dollar gekostet. Bezahlbar und ein toller Wagen. Viel Spass mit dem Neuen!» Den

haben wir, Stan – und falls du Interesse hast: Das neue Cabrio gibt's bei euch heute ab 25 000 Dollar. Aber wo ist die Sonne dafür? «Wartet mal, wahrscheinlich da drüben!» Tatiana und Leonard sehen das anders: Sie ist vor acht Jahren aus Moldawien in die Staaten eingewandert, ihr Mann vor fünf Jahren aus Rumänien, ihre beiden Jungs wurden hier geboren – und nun sind sie weit und breit die einzige Familie, der wir auf dem Promenadendeck begegnen. «Die Sonne? Da hinten, vielleicht», meint Leo. «Nein Schatz, sie ist dort hinter dieser Wolke!», sagt Tatiana.

Neue Heimat: Tatiana und Leonard stammen aus Osteuropa. Ihre Buben Dmitry and Gregory wundern sich über die Einöde

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RUBRIKEN

Roy liebt den offenen Beetle – und gibt uns den entscheidenden Tipp

Düster bleibt es trotzdem und weil zudem ein kalter Wind weht, beschliessen wir, zum Wagen und seiner Sitzheizung zurückzukehren. «Im Sommer», versichert uns Roy, der auf einem Fixie am Parkplatz vorbeiradelt und anhält, um unser Auto zu bewundern, «gibt Coney wieder Gas, dann ist hier während ein paar Wochen richtig was los.» Alles eine Frage des Anspruchs? Inzwischen hat es begonnen zu regnen … Wer seine Winter-Depression pflegen will, ist hier goldrichtig. Das taubenblau glänzende Beetle Cabrio erscheint da wie aus einer anderen Welt und passt so gar nicht in die schmuddelige Umgebung: «Sieht verdammt cool aus», sagt Roy, möchte den Motor sehen und begibt sich zum Heck. «Wie denn, der ist jetzt vorne?! Und ein Diesel? Wow, das glaub ich ja nicht! Tauscht ihr den Wagen gegen mein Bike ein?» Sorry, Roy, da 010 VECTURA #6

musst du schon noch etwas nachlegen … «Alright, kein Problem», lacht er und weist zum Abschied in die Höhe: Genau dort oben sei die Sonne, wir sollen ihm das ruhig glauben. Tatsächlich reisst für einen Moment der Himmel auf und lässt ein paar zarte Lichtstrahlen durch. Das ist unser Stichwort: Wir öffnen das Verdeck, werfen schnell die etwas fummelige Persenning darüber. Dann springt meine charmante Begleiterin Catherina hinters Lenkrad und braust davon, um den CabrioFaktor zu finden. Nach ein paar Minuten kehrt sie grinsend zurück und hebt den Daumen: «Mit voller Heizung gehtʼs, aber nicht ohne Mütze – von hinten kommt ein wenig Zugluft durch.» Hätten wir das optionale Windschott montiert, welches zusammengefaltet und griffgünstig in einer Kofferraumschublade liegt, wäre auch das kein Problem gewesen.


Fahrtermin

Technische Daten VW BEETle CAbriolet tdi Bluemotion Konzept Neuauflage des Stoffdach-Käfer auf Golf-VI-Basis. Zwei Türen, fünf Sitzplätze, elektrisches Stoffverdeck Motor Vorne quer eingebauter Vierzylinder-Diesel, Frontantrieb. Wahlweise Fünfgang-Schaltgetriebe oder Siebenstufen-DSG

Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

1598 79,5 x 80,5 16,5:1 105/77 @ 1500–2500 250 @ 2000 M5 (Option: DSG7)

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder

428/181/154,5 254 158/155,5 215/60 R 16 auf 6,5 J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

55 225 1480 1860 14,1

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

12,1 178 (176)

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

4,5 118 A 34 700.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

Immer noch ein Volks-Wagen: Im April kommt er in die Schweiz

Frühling 2013 011


012 VECTURA #6


Fahrtermin

Reifer, steifer und auch sparsamer: Das Rezept «Käfer plus Softtop» taugt noch wie einst und macht gute Laune. Das Dach kommt ab Werk elektrisch und öffnet in unter zehn Sekunden, auch während der Fahrt bis 50 km/h

Frühling 2013 013


fahrtermin

Zwischen Tristesse und Hoffnung: Brighton Beach Avenue

Das Beetle Cabriolet erscheint wie aus einer anderen Welt und passt so gar nicht in diese traurige Umgebung

Inzwischen haben sich wieder dunkle Wolken zusammengefunden, um uns den Tag zu vermiesen. Also drücken wir auf den Knopf für das elektrische Verdeck und erkunden die Gegend nochmal geschlossen, was auch seinen Reiz hat. Ein paar Minuten vom Strand entfernt, wo die Strassen «Seabreeze», «Mermaid» oder «Neptune» heissen, finden sich kyrillische Beschriftungen über den Geschäften. Die turbulente Brighton Beach Avenue könnte auch in Russland liegen, während oben auf der Hochbrücke die U-Bahnen vorbeidröhnen. Das hat so gar nichts von der erwarteten Nostalgie und wir fahren zurück auf die Surf Ave. Dort begegnen wir Ed und Emily, die auf dem Weg zu den Behörden sind, um ihre Notfallhilfe abzuholen: Ende Oktober hat ihnen Wirbelsturm «Sandy» fast alles genommen, doch sie sind guter Dinge: «Wir leben, ist das nicht grossartig?» Weil sich die Wetterlage nicht ändert und wir genug gesehen haben, ist es Zeit, Coney Island den Rücken zu kehren. Erkenntnis: vielleicht in zehn Jahren nochmal versuchen. Frühestens. Wir haben derweil Heisshunger und käfern via Hugh L. Carey-Tunnel nach Manhattan zurück, das wir nahe des in Fertigstellung befindlichen One World Trade Center erreichen. Fotograf Marc hat unterwegs den besten Cheese Cake in Town gegoogelt: Es gibt ihn im East Village bei «Veniero’s» – einer Adresse, die wir besten Gewissens empfehlen.

Mehr zum Thema Ed und Emily zeigen uns, wo es langgeht

014 VECTURA #6


PUSCHL AV ( SCHWE IZ ), 2005

Wäh W äähhrren end eine ine n s Ausfl usflflug flug ugs ins ugs ns Sch Scchwei chhwei weiizer we zerr BBeerg ze rgggeb rgg eebi bieett Pus Puschllavv hie Puschl Pu hiiieeltt unsserr Zug Zu au auff off of fffeene enner SStre trecke tr tre ckke an cke an. Neug eugier eu iier ie erigg ste stteck cckt ktteenn mei meine me ne FFr Fra raau und nd ich unnser ser ere Köpf ppfe aus auss dem m Fe ste Fe Fen s r.r. Am Am EEnd Ennndde des des e Zug Zugs: s : dic ddiicchhte htte ter Rauc Rauc ucch. uch. h. Zu Zug u bbe ugbeg beg egglei eiter ei tter te eer un und Lokf okfführ ührer ührer ühr üh er st sstit ege egen egen aus us,, man an han haantie tierte rte te uunnd deba deeb eba bbaatt t titier tti ert er rtte. e. SSch cchlie ieessl iessl ssssslich lich ch fr ch fragt aggte jem ag ema ema mandd uunt n er uuns unnssere erem m Fen enste nste stteer nach naac ach ch eiinem neem Ta Tassch Tasch sccheenm nnm mees ess sssser. seer.r Ic Ichh kra ramtee me ram mei eiin Viict cttori o nox or n -Me -Messe sser sse ser hherv e oor erv or.r We ige We Wen ggee Mi Minuten nut uten en spä pätte ter err setzt settz se tzt ztte sich sic ich cchh de der Zuugg w wie ieede dder eerr in in BBeewegung weeg w weg egung ung. Diee BBri Brriden deeenschrau sc sch hrau raube ra aube be ddess Br Brems emsssch em schlau lau la aauucch chs hhss sseei locker occckker gew ock geewese ewese sen en, n, erk eerrkklärte lär är te te der derr ZZuuggbbegleit egl eg glleit e ter, err, aalls er meinn Mess mei eessser er zur zuurrüc ücckkbra ück brrach br cht hte. ht te. e Er Er be bedankte bed ankkte sic sich über ber e sch schwä sc wän w ängglillichh – als alss wä wäre icchh ein wär einn Helld. Hel d. Ich I h na nahm hm mir mirir vo mi vor,r, de den SB den SBB vor or usc orz uss hhla laaggen eenn, das as ge gessaam ges amt mt mte Zugp uggpeers ug rssona naal m mit it it Vicctor Vic torino orino nox-M no x Mess x-M e er ess er au ern auszu uszu szzuusta sttaatt st stat t te tte t e n. Dieete Di Die ter e PPoortm tmann ann, Aug ann an ugu ugu g st st 2200 200005 V ic Vic ic tor tor to orino innnox-P iino x Prod roodu odduuk ukt kt k te begl kte egglleeit eg iitten ten en Sie Siee – ein ein Le L eben be lang. lang la ng Waas auc ng. uuch ch im mm merr Si Se dam damit am mitt erl errlleb er ebbenn:: Erz ebe E äh Er ähhlleenn SSie ähl ie es es un uns aauf u f vvic uf viiic ttor orrino innox.c x .ccom com om

Frühling 2013 015

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SOFTTOP

Zieh die Mütze ab, Junge! Rassige Stoffdach-Roadster hat es zurzeit wenige: Mazda MX-5 oder Lotus Elise gehören heute schon zu den Klassikern, während Jaguar mit seinem F-Type diesen Frühling den ebenfalls neuen Porsche Boxster vor sich hertreibt. BMW baut aktuell nur Klappdach-Zweisitzer, Mercedes ebenfalls (bis auf eine Ausnahme), ebenso die Franzosen. Das geringe Softtop-Angebot erstaunt – und ist umso exklusiver Text Jo Clahsen · Fotos Werk

E

s sind die Harten, die Roadster fahren. Hardster, sozusagen. Jacke, Käppi, Schal und Handschuhe liegen immer griffbereit. Der Winter schreckt sie nicht; spätestens nach gefühlten acht Tagen ohne Sonne wird, sobald es trocken ist, das Stoffdach geöffnet. Kein Wunder, ist es doch gerade bei klassischen Roadstern, die noch die manuelle Betätigung kennen, eine Sache von Sekunden. Andere Cabrio-Besitzer, wir wollen sie mal Softster nennen, denken bei solchen Temperaturen noch nicht einmal daran, dass sie offen fahren könnten. Dabei hätten sie in ihren neuzeitlichen Maschinen alle Vorteile dieser Welt. Elektrische Hardtops und VarioDächer sind Komfort pur; Mercedes beherrscht die Disziplin in Perfektion. Früher ging es freilich auch ohne Origami. Da hatte der Mercedes-Treiber, wenn er denn zur Spezies der Softster zählte, noch ein Hardtop in petto: gross, schwer, unhandlich. Das konnte im Spätherbst mit vereinten Kräften installiert und im Frühjahr wieder in die Garage gewuchtet werden. Hinten im Auto und immer dabei: die Stoffkapuze. In leuchtenden Farben, perfekt verarbeitet, eine Augenweide. Und die Stuttgarter können es noch, wie man am SLS AMG Roadster unschwer erkennt. Softtops haben einfach mehr Stil, das ist es wohl. Sicher, Textil braucht Pflege. Und irgendwann wurde es dem Gros der Sonnenanbeter wohl zu viel – sie liessen sich vom Retractable verführen. War ja auch bequem. 016 VECTURA #6

Kurvenstar der Sommersaison 2013: Jaguar F-Type


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Mit der Klappe fällt dann allerdings die Klappe. Viele Hersteller – unter anderen auch BMW mit dem Z4 – verunstalten ihre Zweisitzer zu wahren Gestänge-Seile-Züge-Feder-Monstern, die sich beim Striptease verrenken, als kämen sie aus dem Seniorenheim. Sogar der 3er musste dran glauben. Gut, mit einer Fernbedienung in der Tasche mag man im Strassencafé und auf Knopfdruck vielleicht die Tischhoheit gewinnen. Aber was, bitteschön, hat das noch mit dem ehrwürdigen Roadster vom Schlage eines Triumph TR2, Austin-Healey Sprite oder gar Morgan Plus4 zu tun? Ich behaupte mal ganz frech: Klappdach-Kuschel-Cabrios sind etwas für Warmduscher, bei denen die vom Coiffeur gestylte Fönfrisur wichtiger ist als das Naturerlebnis.

Auto-Adel Wohl dem, der sich noch zur Spassfraktion bekennt. Ihm hält die Industrie noch eine Handvoll Verführer bereit. Dem Gutsituierten etwa bietet Aston Martin seit mehr als 50 Jahren Stoffdach-Vergnügen auf höchstem Niveau an. Aktuell ist der Aston Martin Vantage als Acht- und Zwölfzylinder im Programm, aber auch den eleganten und gerade umfassend überarbeiteten DB9 gibt es mit Baumwollverdeck – dann sind auch zwei Notsitze, über 450 PS und der schöne Zusatzname Volante an Bord. Beide Aston sind Power-Tools mit Geschmacks-Spurhaltung. Die Preise werden vom Händler des Vertrauens auf Anfrage sanft einmassiert; ab 139 400 Franken geht’s los. Damit liegt Aston Martin in etwa auf Augenhöhe mit dem offenen Porsche 911, der als Karosserievariante gerade 30 Jahre alt ge-

worden ist. Unter ihm rangiert der neue Boxster, dessen Stoffdach sich in neun Sekunden zusammenfaltet. 265 PS bringt die normale 2,7-L-Version; der S holt aus dem bekannten 3,4-Liter weitere 50 Pferde heraus. Ab 65 300 Franken ist man dabei und fast so schnell unterwegs wie mit dem grossen Bruder. Wir sind tatsächlich hartgesottenen Porsche-Freaks begegnet, die den Boxster in puncto Fahrerlebnis für den deutlich besseren Elfer halten …

Powerplay Der Star dieses Sommers kommt aber von Jaguar. Mit dem F-Type bringen die Briten nicht nur nominell einen E-Type-Nachfolger, sondern auch im dynamischen Sinne. Mit dem XJS hatten sich die Katzen-Coupés und -Cabrios ja in Richtung Luxussänften entwickelt – das waren grossartige, vierplätzige GT und der aktuelle XK pflegt diesen Nimbus. Kurz, knackig, zweisitzig gab es bei der Sportmarke lange nicht mehr, und dass Jag den F nun zuerst als Softtop-Roadster lanciert, freut uns deshalb ganz besonders (das Coupé folgt später). Wir haben es hier wieder mit einem reinrassigen Roadster zu tun, der auf einer neuen Aluminium-Plattform ruht und mindestens von einem V6 befeuert wird. Die Basis liefert 340, der schärfere F-Type S genau 380 PS. Und mit dem Supercharged V8, wie er auch im XK-R verbaut ist, werden gar 495 Pferde auf die Kurbelwellen losgelassen. Die Kraftübertragung erledigt ein Achtgang-Getriebe, das sich auch ein ganz klein wenig um Nachhaltigkeit kümmert. Auch innen passt die E-Type-DNA: Das F-Cockpit ist konsequent auf den Piloten zugeschnitten und degradiert den Co-Piloten jenseits des massiven Mitteltunnels zum Beifahrer. Das Dach öffnet natürlich vollelektrisch, das auch während der Fahrt bis 50 km/h. Optisch gibt es keine Kompromisse: Der F ist ein Renner wie aus dem Vollen gefräst, mit rasiermesserscharfen Kanten und Sicken. «Distinguished from the competition», wie es Jaguar Brand Director Adrian Hallmark definiert. 89 500 Franken für die Basis sind dagegen ein Kampfpreis, der sich vornehmlich gegen den Porsche Boxster richtet. Letzterer ist zwar günstiger, wird aber meist mit teuren Extras bestellt. Somit bietet der Jaguar F-Type eine verführerische Mixtur, die ihre Wirkung nicht verfehlen dürfte.

Freundeskreis Der Open-Air-Saison mit Stoffdach ist BMW noch nicht bei allen Modellen untreu geworden. Die Krönung der betuchten Spezies mit dem Nierengrill ist das 6er-Cabrio. Getreu 018 VECTURA #6


SOFTTOP

dem Segler-Motto «Länge läuft» streckt sich der Viersitzer auf stattliche 4,98 Meter. Die Striptease-Zeit beträgt beim Öffnen 17, beim Schliessen 24 Sekunden. Und sie setzt, wie bei allen elektrisch betriebenen Verdecken, eine ganze Armada an Gestängen in Bewegung, legt dann die Mütze brav unter eine Persenning und ist ab diesem Zeitpunkt die Eleganz in Person. Als 650i berauscht der Sechser mit 407 PS und kolossalen 600 Nm Drehmoment aus 4,4 Liter Hubraum. Wird die Kappe übergestreift, stellen drei Lagen Stoff sicher, dass dieses Cabrio kein Hardtop benötigt. Es isoliert gegen die Aussenwelt und ist durchaus auch kompatibel mit kalten europäischen Wintern. Ordentliche Platzverhältnisse auf der Rückbank sorgen dafür, dass mitreisende Freunde auch Freunde bleiben. Natürlich ist der Spass nicht ganz günstig: Das Dickschiff ruft einen Basispreis von 107 200 Franken auf, ist aber ohne grosse Mühe bis jenseits der 150 000er-Marke zu bringen, wenn es denn nicht nur mützentechnisch gemütlich sein soll. Das Fahrerlebnis entschädigt den finanziellen Aderlass mit der von BMW im Schilde geführten Freude am Fahren. Offenfahren hat auch bei Opel Tradition. Bereits in den 50er- und 60er-Jahren baute man Stoffdach-Versionen von Kapitän und Rekord. Karosseriehersteller wie Authenried oder Karl Deutsch legten in Handarbeit und in limitierter Stückzahl viersitzige OpenAir-Modelle auf. Nach wenig überzeugenden Klappdach-Kapriolen ist Opel jetzt wieder zurück im Spiel – mit einem bildschönen Modell, das auf den wohlklingenden Namen Cascada hört. Es handelt sich um einen Viersitzer, in dem sich die Passagiere in nur 17 Sekunden der ungefilterten Sonne aussetzen können. Das Dach verschwindet dabei in einem Kasten; die feinen Karosserielinien bleiben im Offen-Modus also unangetastet. Der Cascada bietet ein ganzes Portfolio an Motoren an, vom zahmen 1,4-LBenziner mit 120 oder 140 PS und manuellem Getriebe über den 2,0 CDTi mit 165 PS und optionalem Sechsgang-Automat bis hin zum 1,6 SIDI Turbo Ecotec mit strammen 170 PS. Die Kosten für das schicke Cabrio auf Astra-Basis belaufen sich auf humane 35 000 Franken, und wir behaupten mal, dass Opel da einen ganz heissen Blitz im Cabrio-Köcher hat.

British open, bei Aston Martin mit acht oder zwölf Zylindern

Grand Touring: BMWs 6er beherrscht das Quartett

Mehr zum Thema Stilistisch okay, dynamisch überragend: Porsche Boxster

Erfrischend frech: Der Opel Cascada macht Laune Frühling 2013 019


TECHNIk

Der Stoff, aus dem die Träume sind Noch vor wenigen Jahren galten Stahlklappdächer als das Nonplusultra im Cabriolet-Bau. Doch nun feiert das klassische Softtop eine Renaissance

Text Thomas Imhof · Fotos Werk

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aum sind die ersten Sonnenstrahlen da, kommen sie aus ihren Winterquartieren: Cabrios geniessen nach rund fünfjähriger Flaute wieder leichten Rückenwind.

Zu den Auslösern für den zarten Aufwärtstrend zählt vor allem, dass es ein immer breiter werdendes Spektrum an Dachsystemen gibt. Es reicht heute vom Sardinendosen-ähnlichen Faltschiebedach eines Fiat 500 über elektrisch schwenkbare Hardtops à la Renault Wind, die mehrteiligen Stahlklappdächer im Stil des Mercedes SLK bis hin zu gefütterten Stoffkapuzen für den Audi A5 und die Edel-Karossen von Bentley, Jaguar, Maserati oder Rolls-Royce. Weitere werden bald folgen. Weil es qualitativ und stilistisch so ausgefeilt ist wie nie zuvor, feiert das kürzlich noch totgesagte Softtop gerade sein Comeback. Ein gutes Beispiel ist der neue Opel Cascada (siehe S. 019) – Mark Adams, vorletzter Chefdesigner des Hauses und noch verantwortlich für den Viersitzer, schwärmt von den Möglichkeiten: «Ein Stoffverdeck bietet viel mehr Spielräume. Denn es schluckt beim Ablegen weniger Platz im Kofferraum und hilft bei der Gestaltung einer hübschen Seiten- und Heckpartie.» Der Opel-Schwenk – auch der bereits 2010 eingestellte Astra Twin Top trug ein steifes Klappdach – ist kein Einzelfall: Peugeot denkt für den Nachfolger des 207 CC ebenfalls laut über einen Systemwechsel nach. Für Cabrio-Puristen ist die Stofflösung ohnehin die einzig authentische Form des Offenfahrens. Johann Ecker, Präsident des Geschäftsbereichs Dachsysteme bei Magna Steyr in Graz, kann das gut nachvollziehen: «Es gibt gerade eine verstärkte Rückbesinnung aufs Softtop – weil das besondere Emotionen weckt und die Cabrio-Architektur stärker nach aussen trägt als ein CoupéCabriolet.» Für Stoff sprächen aber auch handfeste rationale Argumente, etwa das niedrigere Gewicht und die geringeren Entwicklungs-, Material- und Fertigungskosten. Ecker: «Dreischalige Dächer wie das für das BMW-3er-Cabrio sind schon sehr aufwändig.» 020 VECTURA #6

Walter Pecho, Eckers Kollege beim Konkurrenten WebastoEdscha, sieht zwar das Stahlklappdach noch nicht aus der Mode, dessen einstige Dominanz jedoch vorerst gebrochen: «In den letzten Jahren haben wir bei den Stoffverdecken noch einmal grosse Fortschritte gemacht», betont er. «Dank besserer Dämmmaterialien und Dichtungen liegt die Akustik selbst bei schneller Fahrt auf Coupé- oder Limousinen-Niveau. Mit Hilfe von 3DSimulationen können wir inzwischen auch den letzten Millimeter Bauraum herausquetschen, zugleich senken hochfeste Stähle, Aluminium, Magnesium oder sogar Faserverbundwerkstoffe das Gewicht.» Aber auch dem Auge wird einiges geboten. Neben der grösseren Farbauswahl tragen Aussenhäute unterschiedliche Maserungen und Muster, was attraktiver aussieht. Auch die Haptik, sprich das Streichelgefühl, wurde verfeinert. «Zudem schliessen moderne Softtops absolut geräuschlos; sie falten sich zudem gleichmässig schnell auf und zu», streicht Pecho heraus. Sicher kein Nachteil für den Vorführeffekt vor der Eisdiele. Auch eine vernünftige Innenbeleuchtung, teils sogar via LED, wird demnächst Einzug in die Stoffhöhlen halten, kündigt der Chefentwickler des VerdeckSpezialisten an. Ecker betont wiederum die feine Optik moderner Softtops: «Das Cabrio-Dach des Audi A5 besitzt eine harmonisch verlaufende Oberfläche, welche nahezu die Coupé-Linie widerspiegelt. Ein zwischen den Querspriegeln leicht einfallendes Dach ist heute ebenso passé wie dessen ballonartiges Aufblähen bei schneller Autobahnfahrt.» Besonders stolz ist man bei Magna Steyr auf das Gebälk des aktuellen Porsche 911 Cabriolet. Als sogenanntes Flächenspriegelverdeck verfügt es über breite Magnesiumplatten statt dünner Metallstreben. Sie werden in den Stoff eingenäht und geben dem Dach auch bei Tempo 300 Form und Halt. Die Linie folgt dabei exakt der Kontur des geschlossenen Elfers und kommt ohne leichten Buckel aus. Trotz seines soliden Unterbaus versprüht der


Clevere Kombination aus Soft- und Hardtop: Porsche 911 Cabriolet

offene Elfer die Aura eines Softtop-Modells; dank der nahtlos ins Verdeck eingesetzten Heckscheibe entstand zudem ein spaltfreier Übergang zwischen den Materialien. Eine glatte Sache. Doch was bedeutet die jüngste Entwicklung nun für das im Fachjargon «Retractable Hardtop» (RHT) genannte Klappdach? Mercedes SLK und Peugeot 206 CC haben es einst populär gemacht, im fünfteiligen Verdeck des VW Eos oder der RHT-Variante des Lexus IS 250C mit ihren 13 Stellmotoren und 33 Sensoren ist es in besonders komplexen Ausführungen zu finden. Im Winter ein kuscheliges Coupé und in der warmen Jahreszeit auf Knopfdruck ein Cabrio – die Idee des wandlungsfähigen Ganzjahresautos hatte durchaus ihren Charme. Und drohte vor rund fünf Jahren gar, die allerletzten Softies vom Markt zu fegen. Dass es nicht dazu kam, lag neben den erwähnten StoffdachFortschritten auch an krassen Design-Sünden. Als sich die ersten Hersteller an viersitzige Coupé-Cabrios wagten, führten die aus Kostengründen gewählten zweiteiligen Stahldächer zu teils kruden Proportionen. Renault Mégane CC, Peugeot 307 CC oder Mitsubishi Colt CC schreckten Ästheten mit ihren Nilpferd-artigen Pobacken und unverhältnismässig langen Überhangen ab. Ein weiteres Ärgernis waren die weit nach hinten ragenden Windschutzscheibenrahmen: Sie bescherten Fahrer und Beifahrer das sprichwörtliche Brett-vor-dem-Kopf-Gefühl. Und bei Fernreisen in sonnige Gefilde blieb das Dach notgedrungen geschlossen – weil im Kofferraum sonst nur noch der Kulturbeutel und zwei Handtücher Platz gefunden hätten. Mit komplexeren Faltkonstruktionen und der Rückbesinnung auf schlanke Stoffverdecke dürfen Cabrios endlich wieder schön sein. Sowohl Ecker als auch Pecho sehen für die Klappdach-Fraktion deshalb weiterhin eine Daseinsberechtigung. Speziell in Amerika seien die Retractables noch immer sehr beliebt. Aber auch das Beispiel Mazda MX-5 zeige, dass das Prädikat Ganzjahresauto noch immer zieht: Mit rund 65:35 Prozent werden von dem japanischen Retro-Roadster in Europa mittlerweile mehr Hardtop- als Stoff-Versionen verkauft.

Der Wettstreit zwischen den Dachsystemen ist demnach im vollen Gange – zum Wohle der Open-Air-Jünger, die immer bedarfsgerechter entscheiden können. Vieles ist eine Frage des persönlichen Geschmacks oder schlicht der Konvention: Ein Golf Cabrio mit Klappdach wäre momentan genauso undenkbar wie ein Mercedes SLK mit Stoffdach. Zudem entscheidet das angestrebte Image: Das Stahlklappdach des Mercedes SL betont Solidität und Komfort, während das in nur elf Sekunden ablegbare Stoffteil des offenen SLS AMG besser zum leicht rebellischen Auftritt des seiner Flügeltüren beraubten Neo-Klassikers passt. Beim Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé erzwingen allein die monumentalen Ausmasse eine Stofflösung – mit der bisher weltweit grössten Spannweite von 2,80 Meter. Wie individuell die Hersteller bei der Frage «weich oder hart» vorgehen, zeigt das Beispiel BMW. Hildegard Wortmann, Leiterin Product Management und Aftersales, meint dazu: «Wir folgen keinem allgemeinen Trend, sondern entscheiden sehr sorgfältig, was jeweils die beste Lösung ist. Das 6er-Cabrio punktet mit dem leisesten Stoffverdeck seiner Klasse und einer frei stehenden, voll versenkbaren Heckscheibe. Beim Z4 setzen wir ein Metalldach ein, das sich in 20 Sekunden öffnet und schliesst – als einziges seiner Klasse auch während der Fahrt! Von einer generellen Renaissance des Softtops würden wir daher nicht sprechen.» Welche Richtung die Designer und Marketingleute künftig auch favorisieren werden – einfach wird das Buhlen um die Gunst der Cabrio-Kunden für sie nie sein. Lag der Weltmarkt für OpenAir-Modelle vor der letzten Wirtschaftskrise noch bei rund einer Million Fahrzeugen, ist er heute um ein Drittel geschrumpft. Der Weg zurück ist mühsam – aus zwei Gründen, die Johann Ecker nur zu gut kennt: «Unser Geschäft ist gleich zweifach verwundbar. Zum einen ist es nur ein saisonales Geschäft, das etwa von März bis September geht. Zum anderen verzichten Neuwagenkunden bei schwächelnder Konjunktur oder Währungskrisen am ehesten auf ein Cabrio.» Frühling 2013 021


Ein modernes

Vollgas-Märchen Zum 50-jährigen Markenjubiläum von Automobili Lamborghini geht VECTURA weiter zurück – und portraitiert den Ausnahme-Unternehmer, Gründer und Namensgeber Ferruccio. Achtung: hoher Wahrheitsgehalt!

Teil 1 Text Matthias Pfannmüller · Fotos Tonino Lamborghini, privat, Werk

R

enazzo ist ein kleiner Ort in der norditalienischen Provinz Ferrara, wenige Kilometer von Cento und in der Emilia Romagna gelegen. Dort, auf dem gut bewässerten, fruchtbaren Boden der Po-Ebene, befindet sich die Kornkammer des stiefelförmigen Landes. Anfang des 20. Jahrhunderts leben viele Einwohner Renazzos von der Landwirtschaft. Gleichzeitig handelt es sich um eine gebildete, wohlhabende Gemeinde mit guter Infrastruktur und man ist stolz auf zwei Bürger des Ortes, die prominente Persönlichkeiten waren – Giacomo Cassani, den Klerus-kritischen Priester und Juristen, sowie Francesco Borgatti, einen Staatsminister des noch jungen italienischen Königreichs. Sehr viel mehr gibt es kaum zu erzählen über Renazzo, als hier am Freitag, dem 28. April des Kriegsjahres 1916 im Sternzeichen des Stieres ein Junge geboren wird, der weltberühmt werden soll. Seine Eltern sind Bauern; Antonio und Evelina Lamborghini pflanzen auf ihren Feldern vorrangig Hanf für die Textil- und SeilIndustrie an. Sie halten neben Vieh auch Pferde, und so geht es ihnen trotz schlechter Zeiten wesentlich besser als vielen Landsleuten, die ihr Glück in der Emigration suchen: Mangels Arbeit sieht sich Italien seit längerem mit einer massiven Auswanderungswelle konfrontiert. Der Stammhalter wird Ferruccio genannt – das ist die Koseform von Ferro (der Eiserne). Die Zweitnamen Elio und Arturo stehen zwar in der Geburtsurkunde und beziehen sich auf die Vorfahren, werden aber nie gebraucht werden. In den kommenden elf Jahren werden die Geschwister Edmondo, Giorgio, Silvio und Maria Pia folgen, und alle fünf tauft man in der 1498 erbauten Kirche des heiligen Sebastian: Deren Ende des 18. Jahrhunderts hinzugefügter, 52 Meter hoher Glockenturm neigt sich leicht zur Seite.

Einschlägige Interessen Der heilige Sebastian spielt im streng katholischen Renazzo eine zentrale Rolle; Hochzeiten oder Beerdigungen sind gesellschaftliche Anlässe. Noch ist die Emilia kaum industrialisiert, und so könnte der Werdegang des kleinen Ferruccio eine gewisse Wahrscheinlichkeit haben. Zunächst verbringt der aufgeweckte Bub eine glückliche Jugend und wächst zu einem stämmigen, 1,70 Meter grossen Burschen 022 VECTURA #6

heran. Der Feldarbeit kann er jedoch nur wenig abgewinnen – vielmehr interessiert er sich schon früh für verschiedene technische Gerätschaften und zerlegt diese in ihre Einzelteile. Das tun natürlich viele Jungen, doch Ferruccio versteht mechanische Zusammenhänge und setzt alles wieder richtig zusammen. Seine Schwester Maria berichtet später, dass er dabei sehr gewissenhaft und organisiert vorgeht. Ferruccio richtet sich auf dem väterlichen Hof eine kleine Werkstatt ein und versucht angeblich, ein Perpetuum mobile mit Schwungscheiben zu konstruieren. Das funktioniert natürlich nicht, beweist aber: Ferruccio sprüht vor Ideen, was sich in der Nachbarschaft schnell herumspricht. Bald setzt er von der Kaffeekanne bis zum Fahrrad alles in Stand, was es in Renazzo zu reparieren gibt. Dabei zeigen sich neben Tatendrang weitere Eigenschaften des stets fleissigen Lamborghini – er ist geschäftstüchtig und hält sein Geld zusammen. Als einzigen Luxus leistet sich der Jugendliche ein gebrauchtes Motorrad, und mit dieser GD DallʼOlio knattert er abends über die Dörfer. Tagsüber besucht er die Berufsschule Taddia in Cento und arbeitet gelegentlich beim Ortsschmied Giuseppe Ferioli, der ihm viele Tricks der Metallverarbeitung beibringt. Anschliessend – es muss um 1935 sein – besucht Lamborghini die Technische Hochschule im nahe gelegenen Bologna, um Maschinenbau zu studieren. Bei der bekannten Auto- und Lastwagen-Garage Righi verdient sich Ferruccio pro Woche 15 Lire dazu, bevor er seine eigene kleine Motorrad-Werkstatt aufmacht: Der Student kauft defekte Maschinen an, die er mit Hilfe von Kommilitonen wieder aufmöbelt und gewinnbringend veräussert. Inzwischen fährt er eine frisierte 500er Norton International TT,und mit dieser Maschine nimmt er gelegentlich an Strassenrennen teil. Einmal reisst ihm dabei der Gaszug: Mit irrem Tempo muss er durch eine Kurve rasen und gewinnt – vielleicht auch deshalb. Ferruccio ist also ein Draufgänger und den angenehmen Seiten des Lebens – ganz besonders schönen Frauen – durchaus zugetan: In einem kleinen Orchester zieht er nachts durch die Kneipen und zupft die Mandoline. Langeweile hat in Lamborghinis Wortschatz keinen Platz, doch seine Fachausbildung beendet er nicht.


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Ungestüme Jugend: Ferruccio mit Freunden auf seiner Norton TT

Griechische Abenteuer Im April 1939 macht Italien mobil und marschiert in Albanien ein. Auch der 23-jährige Lamborghini wird eingezogen und auf Rhodos stationiert – der grössten von zwölf griechischen Inseln, die Dodekanes genannt werden und sich bereits seit 1912 in italienischer Hand befinden. Dort gehört Ferruccio dem 50. Artillerie-Regiment an (und nicht der Luftwaffe, wie oft zu lesen ist): Gemäss seinen Fähigkeiten teilt man ihn dem Wartungspersonal des Militärfuhrparks zu. Im Sommer 1940 folgt Italien dem faschistischen «Il Duce» Benito Mussolini auf deutscher Seite in den Krieg. Als Mechaniker gehört Lamborghini nicht zur kämpfenden Truppe. Stattdessen hat er mit allen möglichen Fahrzeugen zu tun und es zeigt sich schnell, dass er etwas von der Materie versteht. Bald ernennt man ihn zum Werkstattleiter und Ferruccio sorgt mit einer klugen List dafür, dass es auch dabei bleibt: Als zehn Lastwagen vom neuen Typ Fiat 626 NM mit Sechszylinder-Dieselmotor eintreffen, studiert er die technischen Handbücher und lässt sie nach der Lektüre kurzerhand verschwinden. Als der Kommandeur bei der Inspektion fragt, wer die Viertonner ordnungsgemäss warten kann, meldet sich nur einer ... Mit seinem unverzichtbaren Fachwissen und Geschick geniesst Lamborghini fortan eine gewisse Narrenfreiheit und wird sie brauchen, denn er schlägt gelegentlich über die Stränge und verbringt manche Nacht in der Arrestzelle. Trotzdem hat er das Vertrauen der Stabsführung, steigt zum Korporal auf und chauffiert den Gouverneur von Rhodos in dessen Cabriolet – einem roten Alfa 024 VECTURA #6

Romeo 1750 – mit forschem Tempo über die Insel. Der Befehl «Langsam, du Dummkopf!» lässt da nicht lange auf sich warten, soll sich allerdings selten wiederholen: Bei der Kontrollfahrt nach einer Bremsreparatur kommt Lamborghini von der Uferstrasse ab und fliegt samt Auto und begleitendem Mechaniker im hohen Bogen in die Ägäis. Glücklicherweise gibt es nur blaue Flecken, und auch der Alfa-Eigner sieht es gelassen: «Besser es passiert dir als mir» soll sinngemäss sein einziger Kommentar gewesen sein. Neben der Arbeit widmet sich Ferruccio auch seinem neuen Motorrad Marke Astra. Und er lernt Clelia Monti kennen, die blutjunge Tochter einer wohlhabenden italienischen Unternehmer­ familie, welche bereits seit Jahrzehnten auf der Insel lebt und dort in Kasernen-Nähe wohnt. Lamborghini hat ernste Absichten und hält beim Vater um die Hand des Mädchens an. Doch kann die Romanze nicht über den Ernst der Lage hinwegtäuschen: Im Chaos eines zunehmend brutalen Krieges wird Mussolini im Sommer 1943 vom italienischen König abgesetzt; zwei Monate später erklärt das Land gegenüber den Alliierten den Waffenstillstand. Damit werden die bisher verbündeten Deutschen zu Feinden – natürlich auch in Griechenland. Um eventuellen Gemetzeln oder einer Gefangenschaft zu entgehen, entschliessen sich einige italienische Militärs wenige Monate später zur Flucht und Ferruccio hilft ihnen dabei. Er selbst bleibt: An eine Heimkehr nach Norditalien, wo sich ausser Deutschland und den Alliierten auch die italienischen Faschisten des Duce und Partisanen kämpfend gegenüberstehen, ist ohnehin nicht zu denken. Zudem ist Ferruccios Verlobte noch auf der Insel. Und er beweist


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Courage, wie in der Lamborghini-Biografie des Zeitungsjournalisten Florido Borzicchi nachzulesen ist: Ferruccio weigert sich, vor den Deutschen zu kapitulieren – und kann einige Mechaniker davon überzeugen, es ihm gleichzutun. Die Truppe kommt tatsächlich damit durch, weil sie bei der Instandhaltung des Fuhrparks gebraucht wird. Der listige Lamborghini darf sogar eine eigene Werkstatt ausserhalb des Militärgeländes unterhalten und lässt sich von seinen Kunden in Gold bezahlen: Währung oder Warengutscheine sind schliesslich kaum noch etwas wert. Als der Zweite Weltkrieg im Mai 1945 endet, arbeitet Lamborghini fortan im Fahrzeug-Depot der britischen Truppen; manche Quellen wie der Traktorbuch-Autor William Dossa sprechen auch von Gefangenschaft, was Ferruccio selbst bestätigt haben soll: Wie alle anderen habe er eine Jacke mit den Initialen POW (Prisoner of War) tragen müssen. Doch eines Tages reparierte er den Kühler am Wagen eines damit liegen gebliebenen britischen Offiziers, der mit seinem Mädchen unterwegs war. Als Dank für diese Gefälligkeit habe Ferruccio fortan zivile Kleidung tragen dürfen. Wie dem auch sei: Die Engländer verfügen über modernstes Material und «das war das Beste, was mir passieren konnte», wird Ferruccio später zitiert: «Hier eignete ich mir Kenntnisse an, die in den folgenden Jahren sehr hilfreich sein sollten.» Parallel erwirbt er Anfang Oktober 1945 einen offiziellen Führerschein und würde eigentlich gerne auf der Insel bleiben. Doch im Juni 1946 verschärft sich der Ton zwischen den politischen Lagern Griechenlands und ein neuer Bürgerkrieg bahnt sich an. Gleichzeitig wird die italienisch-stämmige Bevölkerung der Dodekanes sowohl von den Griechen als auch den Briten schlecht behandelt; später konfisziert man sogar ihr Privatvermögen.

mit Remido Govoni zusammentut, um auf dem Gelände einer ehemaligen Zuckerfabrik im nahe gelegenen Cento einen grösseren Schuppen anmieten zu können. Dann wagt er sich an ein ganzes Auto: Mit Hilfe seines Jugendfreundes Antonio «Toni» Franzoni entsteht eine zweisitzige Barchetta, wie man kleine Roadster in Italien nennt, und sie basiert auf einem Vorkriegs-Topolino. Das schnelle Einzelstück ist in und um Cento bald berüchtigt, denn auch auf vier Rädern pflegt Lamborghini einen nach wie vor waghalsigen Fahrstil. Die Barchetta ist amüsant und es gibt sogar ein paar Anfragen von Kaufinteressenten. Dennoch bleibt es bei diesem Unikat, das später verloren geht. Im Frühling 1947 heiratet Ferruccio seine Clelia. Während der Flitterwochen – es geht nach Venedig – fällt ihm auf, wie viel Kriegsschrott noch überall in der Gegend herumliegt. Gleichzeitig mangelt es an landwirtschaftlichem Gerät, vor allem an Traktoren. Ferruccio kombiniert und beschliesst, ein eigenes Modell anzufertigen: Mit Treckern kennt er sich schliesslich aus; auch auf Rhodos hat er viele repariert. Einigen Quellen zufolge soll Lamborghini sogar schon vor dem Krieg entsprechende Pläne gehabt haben. Mit ihnen ist er nicht allein: Überall in Europa werden jetzt Traktoren gebaut und auch in Italien gibt es bereits mehrere Anbieter, darunter Fiat, Landini oder Motomeccanica. Doch handelt es sich um simple Konstruktionen: Wer es sich leisten kann, kauft einen importierten Fordson oder Ferguson, weil diese robuster, leistungsfähiger und nicht zuletzt Statussymbole sind.

Hoffnungsvoller sieht es in Italien aus: Aus der Monarchie wird am 2. Juni 1946 per Volksabstimmung eine Republik und das Datum fortan zum Nationalfeiertag. Damit ist für Lamborghini nach knapp sechs Jahren der Zeitpunkt zur Rückkehr in die Heimat gekommen. Clelia und ihre Familie nimmt er mit – sowie zwei Kilogramm seines Goldes: Den Rest will er vorsorglich in einer Hafenmauer von Rhodos versteckt haben.

Tuning und Tragödie Als Ferruccio Lamborghini im September 1946 in Italien ankommt, liegt das Land teilweise in Trümmern, doch der 30-Jährige ist guten Mutes: Zunächst fertigt er aus alten Eisenstangen Turngeräte an, bevor er in der Nähe des Marktplatzes von Renazzo eine kleine Werkstatt anmietet. Hier repariert Lamborghini zunächst Landmaschinen, doch dann – der ehemalige Radioteile-Hersteller Ducati aus Bologna baut gerade seine ersten Motorrad-Motoren in Serie – macht Lamborghini schon Automobile schneller: Auf ursprünglich seitengesteuerte Fiat-Motorblöcke mit 500 und 1100 Kubikzentimeter Hubraum setzt er Bronze-Zylinderköpfe mit halbkugelförmigen Brennräumen und schräg hängenden Ventilen (ohv), was auch die Verdichtung erhöht und die Leistung um einige PS steigert – Fiat selbst wird das beim 500er erst ab 1948 tun. Ob Lamborghini diese von ihm «Testa DʼOro» genannten Zylinderköpfe selbst anfertigt oder zukauft, ist heute schwer zu sagen. Tatsache ist, dass Spezialfirmen wie Siata seit Jahren solche Umrüstsätze offerieren. Auf jeden Fall machen die Lamborghini-Kits den braven Grossserienmodellen Beine und Ferruccio beliefert einige Sportfahrer aus der Gegend. Das läuft so gut, dass er sich zunächst mit einem gewissen Giuseppe Malaguti und anschliessend

Mobilmachung: der junge Lamborghini in den späten 1930ern …

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Vor allem der 1946 vorgestellte Ferguson TE-20 – Kosename «Little Grey Fergie» – entwickelt sich auf Anhieb zum Verkaufsschlager, was Lamborghini nicht entgeht. Unterdessen erwartet seine Frau ein Kind: Tonino wird am 13. Oktober 1947 geboren. Für Ferruccio ist die Geburt des Sohnes Freude und Katastrophe zugleich, denn Clelia stirbt kurz nach der Geburt an einer Nierenentzündung.

Der erste Traktor Lamborghini lenkt sich mit Arbeit ab und

… und in den frühen 1940ern (Bildmitte) als Lw-Mechaniker auf Rhodos

spannt kurzfristig mit seinem Militär-Kameraden Alfonso Carassiti sowie einem geschickten Traktoren-Mechaniker namens Giorgio Guazzaloca zusammen: In nur wenigen Wochen bauen die drei Männer in neuen Räumlichkeiten von Cento ihren ersten Traktor-Prototypen auf, dessen meiste Teile günstig auf einem Militärschrottplatz zu haben waren. Getriebe und Differential stammen aus einem amerikanischen Dodge, während der Motor einem britischen Morris-Transporter entnommen wurde. Das Ergebnis sieht schon fast wie ein richtiger Traktor aus und funktioniert auch gut. Ferruccio tauft das Gefährt auf den Namen Carioca, und dafür kommen mehrere Erklärungen in Frage: carioca – so wird in der Gegend eine Landmaschine genannt, die aus Komponenten anderer Fahrzeuge hergestellt wurde. In Ferrara spricht man dagegen von stellina, in Parma heisst es trattorino, doch der offizielle Terminus lautet derivata. Carioca klingt aber auch nach carriola, was für Schubkarre steht. Eine andere, gelegentlich angeführte Begründung ist das 1933er Hollywood-Musical «Flying down to Rio» mit Ginger Rogers und Fred Astaire, die den «Carioca» tanzen. Carioca steht auch für die Bewohner Rio de Janeiros, und Ferruccio soll die Melodie sehr gemocht haben. Es gibt noch eine dritte Variante – den südamerikanischen Papageien José Carioca: Das ist eine Zeichentrickfigur Walt Disneys, die 1942 als Freund der Ente Donald Duck erstmals in Erscheinung trat und ständig Zigarre raucht. Auch Lamborghinis orange lackierter Carioca qualmt, denn der 20 PS starke Vierzylinder-Benziner aus dem Morris-Lastwagen kann wahlweise mit Petroleum (Paraffin) betrieben werden. Ferruccio und ein Jugendfreund, der Mechaniker Marino Filippini, haben dafür gemeinsam einen Verdampfer entwickelt: Nach dem Motorstart mit Benzin wird das aus einem separaten Tank kommende Paraffin erwärmt, gelangt dann gasförmig in die Brennräume und wird dort entzündet. Mit diesem Prinzip folgt Lamborghini wieder den Vorbildern Fordson und Ferguson, die bereits ähnliche technische Systeme anbieten. Von der Alltagstauglichkeit her ist das zwar keine optimale Lösung, in diesen Zeiten aber ein unschätzbarer Vorteil: Benzin ist Mangelware im Nachkriegs-Italien, entsprechend teuer und teilweise sogar rationiert. Am 3. Februar 1948 ist es dann so weit: Pünktlich zum Jahresfest des Schutzpatrons St. Blasius wird der Carioca offiziell auf dem Marktplatz von Cento vorgestellt. Das Nutzfahrzeug ist solide gemacht und findet schnell einen Abnehmer: Der kommt aus Castelfranco Emilia, zahlt 400 000 Lire, ist sehr zufrieden und wird es bleiben. Andere Bauern wollen nun ebenfalls einen Carioca haben.

Voller Tatendrang: Ferruccio im Jahr 1945

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Wachsende Ambitionen Auf Teilemärkten oder Schrottplätzen kauft Ferruccio in den folgenden Wochen alles auf, was sich zum Traktoren-Bau eignet. Nach nur wenigen Exemplaren wird auf einen Sechszylinder umgestellt, der ebenfalls über den ParaffinVerdampfer verfügt.


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Kurzes Glück: Clelia Lamborghini in der Barchetta ihres Mannes

Pro Monat fertigen ein paar angeheuerte Mechaniker etwa einen Carioca. Verschiedene Lamborghini-Chronisten sprechen später von der Gründung einer Officine Meccaniche F. Lamborghini, doch offiziell eingetragen ist diese Firma nicht. Fest steht nur, dass Ferruccio damals Teilhaber hat: Das sind die bereits genannten Weggefährten Carassiti und Guazzaloca, ein gewisser Vittorio Pellacani oder – laut Borzicchi – die MontiBrüder. Der Traktor-Historiker William Dozza erwähnt Letztere aber erst später. Wie dem auch sei: Carioca-Kunden bezahlen damals nicht mit Geld, sondern in Naturalien. Unterdessen zeigen sich auch in Italien erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Flugzeughersteller Piaggio hat 1946 die Vespa auf den Markt gebracht, und dieser Motorroller flitzt inzwischen durchs ganze Land. Ferruccio selbst frönt neben der Traktoren-Fertigung einer schnelleren Fortbewegung: Er besitzt unter anderem einen Alfa Romeo 1900 Sprint und tritt im Lancia Aprilia bei lokalen Rennen an; weitere sportliche Autos werden folgen. Damit nicht genug: Anfang Mai 1948 starten Lamborghini und sein Freund Gianluigi Baglioni auf einem neuen Prototypen bei der Mille Miglia. Der offene Zweisitzer ist von einem lokalen Blechkünstler eingekleidet worden und weist neben Fiat-500-Technik einen Doppelvergaser sowie Lamborghinis erprobten Bronze-Zylinderkopf auf. Das leichte Fahrzeug verfügt über 650 Kubikzentimeter Hubraum, fährt in der 750erKlasse und ist Schwindel erregende 160 Kilometer pro Stunde schnell, doch das Ziel sieht es nicht: Bei Fano – und damit nach etwa 400 von über 1800 zu fahrenden Kilometer – «endete mein Rennen in einer Osteria, die ich mit dem Auto durch die Wand betrat», wird Bruchpilot Ferruccio von Buchautor

Mille Miglia 1948: Lamborghini und Baglioni sehen das Ziel nicht

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Vier Zylinder und 20 PS: Der erste Lamborghini-Traktor hiess Carioca

Anthony Pritchard später zitiert. Was Rückschlüsse auf das Lenk-Talent Lamborghinis zulässt: Der Mann ist furchtlos unterwegs, aber ein besserer Geschäftsmann als Pilot. Und er kann offenbar über sich selbst lachen, zumal nur 64 der 167 teilnehmenden Sportwagen diese 15. Mille Miglia beenden. Und die wird erstmals mit einem Modell der neuen Sportwagenmarke Ferrari gewonnen – es siegt Clemente Biondetti im 166 S Coupé. Ferruccios Motorsport-Karriere ist jedenfalls beendet; auch die Herstellung der Testa-D Oro-Zylinderköpfe stellt er ein. Geschäftlich führt der steigende Bekanntheitsgrad der Lamborghini-Traktoren zu einem Problem: Die Nachfrage kann trotz gesteigerter Produktion bei weitem nicht bedient werden. Ergo verlegt Lamborghini die Fertigung vorübergehend in eine grosse Scheune und beschliesst, mitten im Agrargebiet Norditaliens eine richtige Traktoren-Fabrik zu bauen. Finanziell ist das ein gewaltiger Schritt, doch Vater Antonio glaubt an seinen ältesten Sohn und streckt eine halbe Million Lire als Startkapital vor. Auch Annita Borgatti unterstützt Ferruccio: Die 24-jährige Grundschullehrerin aus Bologna und der Selfmademan haben sich bei gemeinsamen Freunden in Cento kennen gelernt und fühlen sich seither zueinander hingezogen. Annita wird als ruhig und zurückhaltend beschrieben, ist also das genaue Gegenteil von Ferruccio. Wie er zeigt sie aber auch Willensstärke und kümmert sich liebevoll um den kleinen Tonino, der bisher bei den Verwandten untergebracht war. Anfang 1949 läuten in Cento die Hochzeitsglocken.

Schritt für Schritt In den folgenden Monaten ist Lambor­ ghini mit der Umsetzung seines Plans beschäftigt. Am Ortsrand von Cento findet er ein geeignetes Grundstück und lässt eine hochmoderne Produktionsanlage errichten: Am 10. Oktober 1949 wird die Firma ganz pragmatisch als «Lamborghini Ferruccio» im Handelsregister von Ferrara eingetragen und Ferruccio zahlt seine beiden Teilhaber aus – sie werden später mit neuen Partnern eine eigene Traktorenmarke gründen. 1950 beendet Lamborghini die Carioca-Fertigung und stellt auf das neue Modell L33 um: Obwohl dessen bis zu 40 PS leistender Sechszylindermotor wieder von Morris stammt, wird das Nutzfahrzeug von den Zulassungsbehörden als waschechter Traktor anerkannt. Mit dem L33 beginnt 1951 die Serienfertigung: Sie markiert den Wandel Ferruccios vom Improvisationskünstler zum Industriellen – ein Schritt, der ihn zu einem der wohlhabendsten Männer Italiens machen wird. Und zur treibenden Kraft einer Industrialisierung, welche auch die Emilia Romagna verändert. Zunächst beschäftigt das Werk nur einige Dutzend Mit-arbeiter, und sie bauen gut 200 Einheiten des L33 pro Jahr. Auf dessen Motorhaube prangt das neue Firmenlogo mit den drei Buchstaben FLC – Ferruccio Lamborghini Cento.

Die Fertigung ist das eine, Werbung etwas anderes. Bei Landwirtschaftsmessen oder Dorffesten setzt der selbstbewusste Aufsteiger seine Maschinen geschickt in Szene, indem er sie bei Zugwettbewerben gegen andere Fabrikate antreten lässt, welche natürlich unterliegen. Solche Demonstrationen machen Eindruck und beweisen die Qualität: Für Ferruccio Lamborghini sind nur die besten Komponenten gut genug, und neben der Zuverlässigkeit sind seine Fahrzeuge auch technisch führend. So kommt es vor, dass mancher Kunde, der zunächst gar keinen Traktor haben wollte, gleich zwei Verträge unterschreibt. Beim Auf- und Ausbau seines Unternehmens hat der Selfmademan nichts dem Zufall überlassen, und er beweist auch ein Gespür für fähige Leute. Zu den wichtigsten Ferruccio-Beratern zählt Corrado Carpeggiani: Der handelt mit Baukränen, stammt aus der Gegend und kennt den angehenden Traktoren-König seit Kindertagen – ihre Mütter sind befreundet. Eine enge Männerfreundschaft entstand aber erst, als Carpeggiani nach Kriegsende seinen getunten Fiat 500 bei Lamborghini warten liess. Weil Corrado einschlägige Vertriebskenntnisse besitzt, wird er von Ferruccio gebeten, ein Traktoren-Händlernetz aufzubauen, was dieser auch tut. «Ich war allerdings nie angestellt», bemerkt Carpeggiani, «sondern bevorzugte es, als freier Mitarbeiter betrachtet zu werden.» Inzwischen helfen auch Ferruccios Brüder in der Firma mit: Edmondo, der zuvor als Fleischgrosshändler tätig war, wird Generalvertreter in der Provinz Reggio Emilia; Jahre später wird er sich selbstständig machen und mit Hochdruckreinigern ein Vermögen verdienen. Giorgio Lamborghini übernimmt in Cento die Werkleitung, während Silvio die Traktoren mit Lastwagen zu den Kunden bringt und sich parallel ein stattliches Transportunternehmen aufbaut. Die ganze Familie bringt es dank Ferruccio also zu Wohlstand und es heisst, dass alle bestens miteinander auskommen.

Durchbruch mit Dieselmotor Bei der weiteren Absatzsteigerung kommt dem Traktoren-Hersteller 1952 das Gesetz zu Hilfe: Die Regierung gewährt Bauern, die einen zu 100 Prozent in Italien gebauten Traktor kaufen, finanzielle Unterstützung. Weil Lamborghini aber nicht über die geforderten eigenen Aggregate verfügt, versucht er es mit einem nagelneuen Nanni-Dieselmotor aus Mailand. Und ist offenbar nicht zufrieden, denn er schickt seinen Freund Corrado zu den Motorenwerken Mannheim nach Deutschland. Die beliefern bereits den Traktoren-Produzenten Deutz, und der Lamborghini-Gesandte soll die Möglichkeit einer Lizenzfertigung ausloten. «Ich freundete mich mit MWM-Generaldirektor Karl Heinz Tamm an», erzählt Carpeggiani: «Von ihm erhielt ich die Erlaubnis, Dieseltriebwerke mit zwei, drei und vier Zylindern zu produzieren, und nahm auch gleich die technischen Frühling 2013 029


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Zeichnungen mit. Daraufhin wurden diese Motoren lokal bei Lamborghini gebaut und so hatte die Firma Zugriff auf staatliche Förderungen.» Das Abkommen mit MWM wird auch Ferruccio mehrmals nach Mannheim führen. Andere Quellen erwähnen, er habe auch Dieselaggregate der Marke Perkins verwendet, doch Corrado dementiert das: «Wir kooperierten ausschliesslich mit MWM.» Italienische Diesel-Traktoren sind jedenfalls kein Novum: Bereits 1942 gründeten die Brüder Francesco und Eugenio Cassani in Treviglio die Marke SAME (Società Accomandita Motori Endotermici), nachdem sie bereits viele Jahre mit Selbstzündern gearbeitet und 1936 mit der Firma SPICA (Società Pompe a iniezione Cassani) die Produktion entsprechender Einspritzpumpen nach Bosch-Vorbild aufgenommen hatten. Die SAME-Diesel-Trecker sind also ein Begriff und etabliert, doch Lamborghini Trattori kann sich behaupten: Mit der komplementär aufgebauten Triebwerk-Familie, die nun ein eigenes Logo trägt (Motori Modulari Lamborghini), bietet man ebenso sparsame wie langlebige Aggregate an, was den bereits guten Ruf des Newcomers aus Cento weiter festigt. Ergo wird die Produktion weiter hochgefahren, doch es reicht nicht: «Der Absatz wuchs derart schnell, dass die Fabrik ausgebaut werden musste», erinnert sich Corrado. Aus der bescheidenen Traktoren-Manufaktur ist in wenigen Jahren ein stattlicher Serienhersteller geworden, der im April 1952 innerhalb Centos den Standort wechselt. Über 200 Menschen arbeiten inzwischen für Lamborghini. Neben seinem intensiven Geschäftsleben findet der Fabrikant trotzdem Zeit für seine Familie – man bewohnt eine Villa auf dem Werksgelände.

1953 fertigt Ferruccio für seinen fünfjährigen Sohn ein voll funktionstüchtiges Kinderauto an, das von einem zwei PS starken 50-Kubik-Zweitakter des Motorrollerproduzenten Demm angetrieben wird. Es ist die Zeit der «Don Camillo und Peppone»Romane und -Kinofilme, welche in der Emilia spielen und das Leben zwischen Kirche und Politik, Tradition und Aufbruch humorvoll auf die Schippe nehmen: Weite Teile Norditaliens werden von der kommunistischen Partei regiert, und nicht wenige Väter taufen ihre Erstgeborenen auf den Namen Ivan. Gleichzeitig sind Sophia Loren und Gina Lollobrigida nationale Sexsymbole und Exportschlager der 50er. Während 1954 der Rock'n'Roll über den Atlantik schwappt, eröffnet Lamborghini erste Filialen und lanciert neue Modelle– zum Beispiel den seinerzeit innovativen Raupenschlepper DL 25C, der zugleich als Bagger oder Schneeräumgerät eingesetzt werden kann. Mittlerweile verlassen täglich vier Traktoren das Werk; weitere Neuheiten wie die kleine luftgekühlte Lamborghinetta oder ein besonders schmales Weinberg-Fahrzeug folgen und das Gesamtvolumen steigt weiter an: 1959 fertigt man schon sechs Nutzfahrzeuge pro Tag. In dieser Zeit lässt der findige Lamborghini auch einen Schiffsdiesel für Fischerboote ent­ wickeln, von dem eine Kleinstserie gebaut wird – es ist der erste Gehversuch im Wasser, dem weitere folgen sollen. Um die weiter wachsende Traktoren-Nachfrage zu stemmen, muss das Werk nochmals erweitert und müssen neue Mitarbeiter eingestellt werden: Gut 500 Leute sind es Ende der 50er Jahre, und das prestigeträchtige Unternehmen zählt inzwischen zu den führenden Anbietern Italiens – nur Fiat und Ferguson verkaufen mehr Traktoren.

Wachsender Erfolg: Lamborghini mit Familie und Arbeitern des Traktoren-Werks im Jahre 1951

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Vollblut-Unternehmer Lamborghini delegiert da bereits das Tagesgeschäft und kümmert sich vorrangig um die strategische Ausrichtung seiner expandierenden Firmen. Mehrmals besucht er die Vereinigten Staaten, um sich vor Ort über technische Neuerungen der Konkurrenz zu informieren. Auf einer solchen Übersee-Reise ist er bei einem Air-Condition-Fabrikanten zu Gast, und als Lamborghini dessen Produkte sieht, kommt er auf die Idee, selbst Klimaanlagen auf den Markt zu bringen. Zunächst sucht er Partner, doch wenig später beschliesst er, es auf eigene Faust zu tun, und wirbt die besten Fachleute von der Konkurrenz ab. Dann stampft er im März 1960 im Cento-Ortsteil Pieve ein zweites Unternehmen namens Lamborghini – Bruciatori e Condizionatori aus dem Boden, das eben nicht nur KühlluftAggregate, sondern – je nach Saison – auch Ölbrenner und Heizkessel hergestellt. Es ist die Zeit, in der Anita Ekberg in «La Dolce Vita» im römischen Trevi-Brunnen badet und gemeinsam mit Schauspielerkollege Marcello Mastroianni das oberflächliche Lebensgefühl der italienischen Wirtschaftswunder- und Party-Gesellschaft verkörpert. Der geschickte Lamborghini verfügt unterdessen im ganzen Land über ein engmaschiges Servicenetz, was bei den Kunden für Vertrauen sorgt. Und ihn endgültig zum Lira-Milliardär machen wird: Schon Ende 1960 fertigen 150 Mitarbeiter täglich 100 Heiz- oder Klimaanlagen.

Legendenbildung Als erfolgreicher Unternehmer kann sich Lamborghini einige Extravaganzen erlauben. Nahe Ravenna hat er sich in Lido di Savio an der Adriaküste ein mondänes Strandhaus gekauft, in dem er viele Wochenenden mit Bekannten verlebt; seinem Freund Carpeggiani bringt er hier das Wasserskilaufen bei. Parallel gönnt sich Ferruccio die besten und teuersten Sportwagen jener Tage, darunter Modelle von Ferrari oder Maserati. Auch Annita Lamborghini fährt gerne mit ihnen aus. Dem Fuhrpark werden zudem ein Mercedes 300 SL und ein Jaguar E-Type nachgesagt, was Ferruccio 1991 einem englischen Reporter von «Thoroughbred & Classic Cars» gegenüber bestätigt hat, doch sein Sohn Tonino Lamborghini widerspricht: «Mein Vater war von ihnen fasziniert, zum Beispiel von der Corvette. Gekauft hat er aber nur italienische Modelle – mit einer Ausnahme: In Lido stand ein Morgan.»

hellblauen Ledersitzen: An dieser Neuerwerbung – es ist Ferruccios vierter Ferrari und er schenkt ihn seiner Frau – bemängelt er die durchrutschende Kupplung und fährt persönlich nach Maranello, um sich bei Enzo Ferrari zu beklagen. Letzterer tituliert seinen prominenten Kunden als Bauern und weist ihn brüsk ab – woraufhin Lamborghini wutschnaubend nach Hause zurückkehrt. Und sich auf dem Heimweg schwört, dem arroganten Commendatore und aller Welt zu zeigen, wie ein perfekter Sportwagen auszusehen hat.

Corrado, nicht Enzo Es ist eine wunderschöne Anekdote, die bestens dafür geeignet ist, den Mythos um die Geburt einer neuen Supersportwagenmarke zu nähren. Mehrere Zeitzeugen werden diese Geschichte später schmunzelnd in Frage stellen, obwohl sie Ferruccio Lamborghini selbst in Umlauf gebracht und öfter wiederholt hat. Entsprechend genüsslich wird die Erzählung bis heute in der Szene kolportiert. Es wäre jedoch zu profan, die Gründung von Automobili Lamborghini auf blosse Rachegelüste zu reduzieren. Seinem französischen Freund Jean-Marc Borel hat Ferruccio Lamborghini in den 80er Jahren geflüstert, was 1961 wirklich geschehen ist: Die Sache mit der Kupplung stimmt und auch bei dem von Ferruccio pilotierten, grau lackierten und innen beige gepolsterten 250 GT 2+2 ist dies nicht anders. Doch fährt Lamborghini nicht nach Maranello – er und der Commendatore sind sich Borel zufolge zeitlebens nie begegnet. Stattdessen zerlegt er in der Werkstatt seiner Fabrik die Kupplung des Ferrari und findet Komponenten eines Zulieferers vor, der auch seine Traktoren ausstattet. Ergo kann das Problem praktisch viel günstiger aus dem eigenen Ersatzteillager gelöst werden.

Ferruccio und seine Frau pflegen also einen gehobenen Lebensstil. Irgendwann im Jahr 1961 tritt der Patron dann eine Reise in die Vergangenheit an und begibt sich nach Rhodos: Er will dort jenes Gold bergen, das er 1947 vergrub – doch die besagte Mauer existiert nicht mehr, der Schatz ist verloren. So steht es in einem Buch, das sein Sohn fast 50 Jahre später zu Ehren der Eltern schreiben wird, aber ist diese Episode wirklich passiert? «Na klar!», grinst Tonino, der dem Vater in Statur und Habitus sehr ähnelt, während eines Gesprächs Ende 2008 – und rollt dabei verschmitzt die Augen. Es sind solche sagenhaften Geschichten, die zur Legendenbildung des Ferruccio Lamborghini beigetragen haben. Und als wäre seine Vita nicht spannend genug, dichteten später viele etwas hinzu, was die Wahrheitsfindung erschwert. In einem Zeitungsinterview beispielsweise erzählt der Patron, dass er mit seinem Maserati mal aus einer Kurve geflogen sei und seither nur noch Ferrari fährt. Der bekannteste Mythos dreht sich derweil um einen verbürgt weissen Ferrari 250 GT mit

Zweite Ehe: Annita Borgatti ist Stiefsohn Tonino eine gute Mutter

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MOTORMENSCHEN

Begründete den Mythos um Automobili Lamborghini: Ferrari 250 GT von Gattin Annita (links im Bild)

Dieser Umstand bringt Lamborghini auf den Gedanken, dass es nicht so schwer, aber hochprofitabel sein kann, eigene Supersportwagen zu bauen. Im Herbst 1961 kommt es zur entscheidenden Unterhaltung zwischen ihm und seinem Vertrauten Carpeggiani. Der ist schliesslich ebenfalls versierter SportwagenKenner und pflegt eine enge Freundschaft mit dem erfolgreichen Rennstallbesitzer Vittorio Stanguellini. Oder dem MotorradGeschwindigkeitsweltmeister, Mille-Miglia-Sieger und Formel1-Piloten Piero Taruffi. Zudem hat Corrado den Maserati-Privatfahrer sowie mehrfachen italienischen Berg-Champion Odoardo Govoni ausgebildet und betreut. Entsprechend gut ist Carpeggiani in der Vollgas-Branche vernetzt, und er bestärkt Lamborghini in seinem Plan: «Ich habe ihn immer sehr bewundert», erinnert sich der rüstige 89-Jährige im Frühling 2009: «Alles, was Ferruccio anfasste, gelang ihm. Diesmal würde es sicher nicht anders sein – und ich sollte Recht behalten.» Tatsächlich strotzt der 45-jährige Ferruccio Anfang 1962 vor Tatendrang und Selbstbewusstsein: Eigene Sportwagen – das wäre gewissermassen die Krönung des bereits Erreichten. Die besten Autos der Welt hat Lamborghini inzwischen besessen, einige waren sehr schnell, manche wunderschön, andere technisch überragend, aber nie alles zusammen. Dem Enfant terrible schwebt etwas Neuartiges, aussergewöhnlich Exklusives vor – natürlich mit zwölf Zylindern. Und Ferruccio hat auch den Mut, seine Vorstellungen Wirklichkeit werden zu lassen. Als gemachter Mann kann er sich dieses Abenteuer leisten und muss niemandem mehr etwas beweisen – höchstens sich selbst. Lamborghinis Traktoren-Imperium läuft inzwischen wie geschmiert, ab 1962 gewährt der Hersteller sogar zwei Jahre Garantie – das hat es in der Branche bisher nicht gegeben. Dazu bereichern nun auch Allrad-Traktoren ein umfangreiches Modell032 VECTURA #6

programm, das fast jeden Einsatzzweck erfüllt. Italiens Landwirte greifen begeistert zu und die überlieferten Zahlen sprechen für sich: Täglich laufen bereits zwölf Traktoren von den Bändern; 1963 werden es 16 sein und bis 1968 gar über 50. Parallel und gemeinsam mit Carpeggiani bringt der tatendurstige Ingenere sein Sportwagen-Projekt auf den Weg. Um Zeit zu sparen, denkt Lamborghini laut seinem Freund kurz darüber nach, einen verfügbaren BMW-Sechszylindermotor zuzukaufen. Doch Corrado winkt ab und rät ihm, ein eigenes Triebwerk einzusetzen: «Ein Lamborghini-Sportwagen musste doch ein Lamborghini sein! Und Ferruccio hörte auf mich.» Carpeggiani weiss sogar von einem standesgemässen V12, der praktisch einsatzbereit ist. Bei der Kontaktaufnahme gehen die Freunde zwar sehr diskret vor, doch lange geheim halten lässt sich das ehrgeizige Vorhaben nicht: Details sickern durch und Ende 1962 muss Lamborghini schliesslich Rede und Antwort stehen – zunächst gegenüber einigen hellhörigen Lokaljournalisten. Nach den ersten Zeitungsberichten dauert es freilich nicht mehr lange, bis Abgesandte der internationalen Fachpresse zu Besuch nach Cento kommen.

Der Text ist Teil einer umfangreichen Lamborghini-Chronik, die im Frühjahr erscheinen wird. Den zweiten Teil veröffentlichen wir in VECTURA #7. Der Autor bedankt sich herzlich bei Herrn Tonino Lamborghini für die freundliche Bereitstellung von Informationen und Familienfotos.

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ERLEBEN SIE DESIGN UND BEWEGUNG IN VOLLENDUNG.

DER NEUE RANGE ROVER. Von Grund auf neu konzipiert und doch unverkennbar ein Range Rover, bringt die vierte Generation der britischen Design-Ikone so einiges in Bewegung. Als weltweit erster SUV mit Vollaluminium-MonocoqueKarosserie wiegt er bis zu 420 kg weniger als seine Vorgänger und setzt damit neue Massstäbe in seiner Klasse – was den Verbrauch wie auch das Handling betrifft. Der neue Range Rover fährt sich noch komfortabler und wirtschaftlicher. Dabei fällt er mit seinem aerodynamischen Design auf und lässt mit seinem noch luxuriöseren Interieur keine Wünsche, aber viel Platz für Fahrer und Passagiere offen. Am besten kommen Sie jetzt bei Ihrem Land Rover-Fachmann für eine Probefahrt vorbei. www.landrover.ch


SChulterblick

Strangers in the Night Die Cadillac-Historie ist reich an Zweitürern. Wir blicken zurück auf bewegte Geschichte – und einen Design-Unfall, dem man besser nur bei dunkelheit begegnete Text sb · Fotos Werk

Rechte Wahl für Hollywood- und Mafia-Grössen: 1928er Series 341 Convertible Coupe. V8, of course

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Stromlinie: Das Fleetwood Aero-Dynamic Coupe gab es in den frühen 1930ern auch mit 16 Zylindern

Kenner zählen es zu den Schönsten von allen: 1949er Coupe de Ville der populären Series 62

Mehr Barock ging damals kaum: Eldorado Seville Hardtop Coupe, Jahrgang 1956

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SChulterblick

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as Coupé ist die männlichste Form der Fortbewegung, findet Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo. Dem wollen wir nicht widersprechen: Es gibt keine Karosserie-Variante, die so konsequent auf Sportlichkeit und Eleganz getrimmt ist wie diese hier. Entsprechend klassisch ist das Thema; es reicht zurück bis hin zu den Anfängen des Automobils und wird bis in die Gegenwart von allen Herstellern gespielt, die Wert auf ein gepflegtes Äusseres legen. Zu den Eigenarten des Coupés gehört, dass es weniger Nutzraum bietet als eine Limousine, aber trotzdem teurer ist. Das liegt in der Natur der Sache, denn geschlossene Zweitürer schwelgen per se im Überfluss, verkörpern die Persönlichkeit ihres Fahrers und Lust an der reinen Fortbewegung. Das gilt besonders für Cadillac-Coupés, deren üppige Blech-Landschaften unübersehbar durch den Verkehr gleiten. In Europa sind die luxuriösen Zweitürer relativ selten anzutreffen, während sie in Nordamerika zum alltäglichen Strassenbild gehören und dort durchaus als Standard bezeichnet werden können. Die US-Nobelmarke ist der Bauform bis heute treu geblieben und wird das auch in Zukunft tun, wie der Anfang Jahr in Detroit präsentierte ELR beweist (siehe S. 044): Er basiert auf dem Opel Ampera/Chevrolet Volt, ist also ein ElektroVollhybrid mit Range Extender und geht Anfang 2014 in den Verkauf; die ersten Exemplare werden im Herbst in der Schweiz erwartet. Damit schreibt Cadillac eine Erfolgsgeschichte fort, die konsequent und dabei immer zeitgeistig gewesen ist. Jede Baureihe verkörpert ihr Jahrzehnt mit einer Konsequenz, wie man sie bei anderen Häusern nur selten findet. Entsprechend umstritten ist mancher Caddy-Oldie heute – vor allem der ab 1980 gebaute Seville Elegante sieht hinten unproportioniert aus. Doch Klassiker sind sie alle geworden, inklusive des Eldorado aus den 2000er-Jahren. Um den glattflächigen, vergleichsweise schnörkellosen ELR muss man sich also keine Sorgen machen: Als exklusives Style-Statement ragt er aus der Masse heraus und ist damit ein waschechter Cadillac.

Mit Hüftschwung: Fleetwood Eldorado Coupe von 1967

Keine Meisterleistung: 1981er Seville Elegante

Unauffällig gediegen: Coupe DeVille Modelljahr 1985

Mehr zum Thema Hatte das gewisse Etwas: 2000er Cadillac Eldorado Touring Coupe

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Erweitern Sie Ihren Wohnraum. Die rahmenlosen Schiebefenster von Sky-Frame gehen schwellenlos in ihre Umgebung über. So lässt sich nur schwer sagen, wo die Aussicht anfängt und der Innenraum aufhört. www.sky-frame.ch Besuchen Sie Sky Frame vom 13. – 17. März 2013 an der Giardina in der Halle 2 (Stand A05).


Zieleingabe

Die gute alte Schule Es gibt heute politisch korrektere Coupés als den Cadillac CTS-V, aber auch langweiligere. Denn kaum ein Neuer Zweitürer bietet Power und Komfort im Überfluss wie der US-GT. Jetzt braucht es nur noch eine spannende Route mit Perspektive – und die findet sich diesmal im Berner Oberland Text Hubertus Hoslin · Fotos Ian G.C. White

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RUBRIKEN

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RUBRIKEN

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er Thunersee liegt unter einer dichten Nebeldecke, als wir die Uferstrasse passieren. Rechts ragen Felsen in die Wolken, die Aussentemperatur beträgt nur wenige Grad über null und nun beginnt es auch noch zu regnen. Insgesamt also recht ungemütliches Wetter, doch es macht uns gar nichts aus. Wohl isoliert, temperiert und in passend konturiertes Leder gepackt, cruist es sich sehr entspannt; Gershwin klimpert dazu auf dem Klavier. Man kann fast hören, wie seine Finger die Tasten berühren, so hervorragend ist die Bose-Surround-Stereoanlage. Auch sonst ist alles an Bord, was Langstreckenreisen angenehm macht: Bildschirm-Navigation mit Touchscreen, achtfach elektrisch verstellbare Recaro-Sportsitze mit Ventilierung (und Heizung, natürlich), Sprachkontrolle oder Tote-Winkel-Warner gehören zum Serienumfang des Topmodells. Cadillac hat uns einen CTS-V geborgt, «weil der noch ein Auto für echte Männer ist». Angesichts der Konfiguration mit Frontmotor, Heckantrieb und Handschaltgetriebe stimmen wir gerne zu. In der Alten Welt ist der Zweitürer freilich ebenso Exot wie seine Ahnen (siehe S. 034), doch das gehört zum Caddy-Erlebnis. Allein das scharfkantige Stealth-Design ist nichts für schwache Nerven; auch der zwangsläufige Catwalk-Faktor will akzeptiert werden: Einer CTS-Besatzung gehören Neugier und Aufmerksamkeit anderer Verkehrsteilnehmer – erst recht, wenn der Wagen in metallischem Weiss daherkommt. Kurz: Wer selbstbewusst genug ist und dabei so exklusiv wie souverän unterwegs sein will, sollte den Amerikaner ernsthaft in Erwägung ziehen. Mittlerweile haben wir Interlaken gestreift, die A8 bei Wilderswil verlassen und sind der Landstrasse gefolgt, als an der Stegmatte die ersten Kurven vor uns auftauchen. Es geht also aufwärts, und das zügig. Dennoch grummelt der V8-Kompressor auch in den kommenden zehn Minuten zwischen 1000 und 1800 Touren im fünften Gang vor sich hin, denn das CTS-Coupé lässt sich kraft 040 VECTURA #6

seines enormen Drehmoments sehr schaltfaul bewegen. Die zum gleichen Preis angebotene Sechsstufen-Automatik mit Lenkradpaddeln wird nicht vermisst und trotz teils nasser Piste bringt der Hecktriebler die Power sicher auf die Strasse: Stellenweise mangelnden Grip pariert die Traktionskontrolle dezent, aber effektiv. Man kann den CTS-V auch als Komfort-Corvette mit vier Sitzplätzen bezeichnen. Hinten platziert man aber besser nur Kinder oder den Hund, denn die Kopffreiheit ist limitiert. Dafür gibt es eine Durchlade zum Kofferraum; Ski passen also auch hinein. Unser Ziel ist die mit über 170 Quadratkilometer zweitgrösste Gemeinde im Kanton Bern – Grindelwald. Es handelt sich um eine alteingesessene Adresse, eine schon zu Grossvaters Zeiten höchst mondäne Schweizer Wintersport-Destination, deren Legende von zahlreichen Bergsteigern genährt wird, welche die Eiger-Nordwand bezwungen haben – oder in ihr den Tod fanden. Die Lage und Umgebung mit spektakulären Bergen haben Grindelwald in die Jetztzeit gerettet. Denn obwohl die Gletscher


Zieleingabe

Technische Daten Cadillac cts-v Konzept Zweitüriges Luxuscoupé mit 2+2 Sitzplätzen, Frontmotor und Heckantrieb. Zahnstangenlenkung mit hydr. Servo, vorne doppelte Dreieckquerlenker, hinten Mehrlenkerachse. Scheibenbremsen rundum (belüftet) Motor Vorne längs verbauter V8-Kompressor aus Aluminium. 2 Ventile pro Zylinder, zentrale Nockenwelle (Kettenantrieb), 5fach gelagerte Nockenwelle, Intercooler Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

6162 103,3 x 92 9,1:1 564/415 @ 6100 747 @ 3800 M6 (Option: A6)

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne hinten Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Leistungsgewicht in kg/PS

482,5/188,5/140 288 157,5/161 255/40 R 19 auf 9 J 285/35 R 19 auf 9,5 J 68 345 1965 k.A. 3,4

0 – 100 km/h in Sek. 0 – 200 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

4,0 13,2 308 (282)

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

15,6 365 G 91 870.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

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schmelzen, werden nach wie vor Busladungen voller Touristen angespült; viele von ihnen sprechen mittlerweile chinesisch. Der Lockruf des Schweizer Idylls ist von jeher ein internationaler. Nicht zuletzt die Filmbranche hat den Ort mehrfach verewigt; James-Bond-Szenen wurden hier ebenso gedreht wie StarWars-Kulissen. Obwohl das einstige Bergdorf nur knapp über 1000 Meter liegt, empfiehlt sich in der Wintersaison ein 4x4-Fahrzeug. Es gibt das CTS Coupé auch als «Sport Luxury» mit V6-Motor und Allradantrieb. Das Filet-Steak ist freilich die V-Variante mit ihren 564 PS und 747 Nm – ob rare, medium oder well-done, der aufgeladene Achtender beherrscht alle Garstufen. Es kommt einfach nur darauf an, wie man ihn fordert: Zärtlich gestreichelt, beherrscht er die sanfte Fortbewegung ebenso wie unter Sporen den brutalen Galopp, und dann brüllt die Maschine mit tiefem Bass, dass es nur so eine Freude ist. Die motorische Darbietung erinnert ein wenig an Arnold Schwarzenegger den Jüngeren – oder an Lance Armstrong in seinen besten Tagen: bis zum Anschlag gedopt, aber auch siegesgewiss. Der CTS-V ist die vielleicht letzte Möglichkeit, dem Leistungsüberfluss in vollen Zügen zu frönen. Derweil zeichnet sich auch bei Cadillac, dem Gralshüter des Hubraums, ein Paradigmenwechsel ab. Der Anfang Jahr in Detroit gezeigte, ebenfalls zweitürige ELR gibt dabei die Richtung vor (Siehe S. 044). Es gibt also gewisse Parallelen zwischen der noblen US-Marke und Grindelwald. Beide zehren von ihrem Ruf aus glorreichen Tagen. Und beide präparieren sich für die Neuzeit, sind wieder gut für positive Überraschungen. Nach Erreichen der Dorfstrasse steuern wir direkt auf unser Ziel zu – das sehr zentral gelegene

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Grand Hotel Regina. Als einziges der Jungfrauregion bietet es fünf Sterne und dazu eine lange Geschichte. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts, als es noch «Alpenruhe» hiess, galt es als erste Adresse am Platz. Die ist es in gewisser Weise immer noch, war zuletzt aber doch zu unattraktiv. 2011 kam es zum Besitzerwechsel und zu ersten baulichen Sanierungsmassnahmen. Die neuen Eigner haben derweil ambitionierte Pläne; sie wollen die Grindelwald-Institution ab 2014 für rund 120 Millionen umbauen und mit Chalet-Wohnungen erweitern. Wir rollen vor dem Haupteingang aus, lassen den Wagen in die Tiefgarage bringen, treten ein und werden vom leicht patinierten Grand-Dame-Charme empfangen. Antiquitäten sorgen für gepflegtes Ambiente, das Personal für einen englischen Akzent: Es ist aufmerksam, aber nicht aufdringlich. Bei einem Kaffee in der Hotelbar «Kings & Queens» studieren wir die Landkarte: Als Zwischenstation für die grosse Fahrt durch die Schweizer Alpenwelt ist Grindelwald fast schon ein Must und das Grand Regina will Automobilisten verwöhnen: Servicedienste für den Wagen werden bereits angeboten, Oldtimer-Aktionen sind in Planung und Gina Achermann, die gastgebende Direktorin, erinnert uns an den Leitspruch des Hotels: «Die Welt gehört dem, der sie geniesst.» Es könnte auch ein Cadillac-Claim sein.

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Das Grand Hotel Regina Grindelwald befindet sich noch im Dornröschen-Schlaf, aber es räuspert sich schon und soll wieder eine Perle der Schweizer Gastronomie werden. Im Angebot stehen 165 Betten in 85 Zimmern, zu denen auch neun grosszügige 70er-Jahre-Apartments im angeschlossenen Regina-Haus gehören. Das Verwöhn-Aroma ist eine Wohltat, die Küche erstklassig. Der Besuch lohnt sich also schon heute – allein wegen dem grandiosen, 1600 Quadratmeter grossen Wellness-Bereich. www.grandregina.ch

Frühling 2013 043


«Wir müssen uns hinter keinem Mitbewerber verstecken» Sechs Fragen an Tom Anliker, MANAGINg DIRECTOR von Cadillac Europe VECTURA: Herr Anliker, Cadillac hat in der Schweiz ein gutes Image. Trotzdem ist in den letzten Jahren etwas Drive verloren gegangen, auch wegen fehlen­ der Modelle – wie wollen Sie das ändern? Tom Anliker: Seit 2010 leitet GM die Geschicke des Cadillac-Vertriebs zusammen mit einigen langjährigen Händlerpartnern wieder in Eigenregie. In dieser kurzen Zeit haben wir die Präsenz der Marke Cadillac gesichert und einige sehr interessante Baureihen wie etwa den CTS-V eingeführt. Wir haben uns den kontinuierlichen Ausbau unserer Modellpalette vorgenommen. Dieses Frühjahr rollt der von Grund auf neu entwickelte ATS Premium Sport Sedan zu den ersten Kunden. Dazu gesellt sich der umfassend aufgefrischte Crossover SRX, der nun von einem stärkeren 3.6-L-V6 angetrieben wird, sowie das revolutionäre Cadillac User Experience Infotainmentsystem und neueste Sicherheits-Features wie beispielsweise vibrierende Sitzflanken bietet. Nicht zuletzt der bemerkenswert sparsame Fullsize-Luxury-SUV Escalade Hybrid bietet anspruchsvollen Automobilisten eine reizvolle, weil exklusive Alternative zu anderen Premium-Marken. Gegen wen will Cadillac künftig antreten? Cadillac ist eine PremiumMarke, die rund um den Globus Akzente setzt und sich dank unverwechselbarem Design, Spitzentechnologie, für Fahrspass und Sicherheit sorgender Fahrdynamik und überragendem Komfort hinter keinem der Mitbewerber zu verstecken braucht. Welche Stückzahlen haben Sie sich vorgenommen? Ich will mich da nicht festlegen. Klar ist: Wir wollen kontinuierlich wachsen – mit einer Palette

unverwechselbarer, faszinierender Modelle, mit neuen, sparsamen, aufgeladenen Motoren oder sogar Elektroantrieben, die voll im Trend liegen, und nicht zuletzt mit der Pflege unseres Händlernetzwerks. Mit dem ATS stösst die Marke in die Mittelklasse vor. Kann das funk­ tionieren? Das funktioniert bestens. Mit dem ATS haben wir nicht nur ein heisses Eisen im Feuer des weltweit grössten Premium-Segments, wir fordern auch die besten Mitbewerber in der Mittelklasse heraus, also vorwiegend süddeutsche Hersteller. Die ersten FahrerRückmeldungen sind ausgezeichnet: Man lobt das vorbildlich nie­ drige Leergewicht, die direkte Lenkung und Balance, den 276 PS starken Zweiliter-Turbo, die aktive und passive Sicherheit und auch die bahnbrechend intuitive Bedienung. Den begehrten Titel «Nordamerikanisches Auto des Jahres» hat der ATS bereits erhalten, und es wird sicherlich nicht die letzte namhafte Auszeichnung sein. Der kommende ELR steht für Elektroantrieb. Ist das auch in anderen Caddy-Baureihen geplant? Der ELR wird das erste elektrisch angetriebene Luxuscoupé mit bahnbrechender Range-Extender-Technologie sein. Er verkörpert nicht nur die Cadillac-eigene «Art and Science»-Designsprache, sondern zeigt auch, wie elegant und dynamisch man ressourcen- und umweltschonende Technologie einkleiden kann. Der ELR dokumentiert zudem, wie breit gefächert Cadillac heute aufgestellt ist. Der Zweitürer kommt 2014 auf den europäischen Markt und bleibt vorläufig der einzige Cadillac mit diesem Antriebskonzept. Was darf man in den kommenden zehn Jahren von Cadillac erwarten? Cadillac wird sich selber treu bleiben. Auch 2023 wird es leicht sein, auf einem Parkplatz den Cadillac unter anderen Autos zu erspähen. Ausserdem werden wir weitere technologische Leckerbissen auf den Markt bringen, die Motoren und Getriebe noch effizienter gestalten und das Portfolio erweitern. Was wir sicherlich nicht ändern werden, ist die Faszination, einen Cadillac zu fahren. map

Die Zukunft des Cadillac-Coupés: ELR mit Elektroantrieb, in der Schweiz ab Ende 2014


Für das wohlverdiente Wochenende: Liegesitz und cocktails

Für die wichtige Geschäftsreise: Arbeitsfläche und Kaffee

Vielfältige Funktionen für Arbeit und Spass.

Ich bin nicht immer der gleiche Geschäftsmann wenn ich fliege. Auf dem Flug zu einem wichtigen Termin brauche ich genügend Platz für meinen Laptop und Unterlagen. Gerne lehne ich mich für eine kleine Pause zurück, danach trinke ich einen feinen Kaffee. Auf dem Rückflug nach Hause möchte ich mich entspannen, das gute Unterhaltungsprogramm und einen Drink geniessen. Wichtig ist für mich der weltweite Zutritt zu Flughafenlounges. Neuer Tag, andere Bedürfnisse - In der Royal Silk Class werde ich immer sehr gut umsorgt. Ich fliege THAI.

Information und Reservation: T 044 215 65 00, www.thaiair.ch, reservation@thaiair.ch oder in jedem Reisebüro.


RUBRIKEN

Die wuchtigen Pick-ups der Vereinigten Staaten sind direkte Nachkommen jener Planwagen, mit denen Siedler einst gen Westen zogen: Freiheit und Abenteuer, in eine schlichte Stahlpritsche gepresst. Das Angebot reicht bis zu knapp sieben Liter Hubraum, über zehn Tonnen Anhängelast und 6,6 Meter Länge mit Doppelbereifung. Hier der aktuelle Dodge RAM Heavy Duty

In tragender Rolle Pick-ups sind die etwas anderen Autos. Sie können mehr als transportieren. Denn sie sind Vehikel von zweifachem Wesen: Ihre Bestimmung ist Nützlichkeit. Und ihre Lebenswelt kann der persönliche Traum ihres Besitzers sein. Ein Plädoyer zur Faszination Pick-up Text Wolfgang Peters · Fotos Werk

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ritschenwagen haben eine Vergangenheit voll von Geschichte und Geschichten. Und sie fahren in eine aufregende Gegenwart hinein. Ob sie auch eine spannende Zukunft haben, das ist keine Frage, sondern Gewissheit. Denn wenn alle Autos immer gleicher werden, ist Charakter gefragt. Und Eigenschaften werden gesucht, die nicht Show und Illusion sind, sondern kernig und echt und hilfreich und gut. Dem Vollwertauto gehören Gegenwart und Zukunft. Überall, wo man Autos einsetzen kann zum Transport und zum Entdecken der mobilen Emotionen, fährt der Pick-up vor. Er 046 VECTURA #6

gehört zu Männern, die ohne Haarspray leben und heissem Wasser nur in ihrem Grog begegnen. Mit einem Pick-up sind Frauen unterwegs, die jede Radmutter aus dem Handgelenk heraus ohne Werkzeug lösen könnten, für diese Tätigkeit aber immer sehr schnell Männer finden, die das nötige Werkzeug griffbereit haben. Ein Pick-up ist das wandelbare Mobil unter den Autos. Er ist gut für vieles, er passt sich an und ist doch im Inneren seines Charakters unverändert. Seine Möglichkeiten reichen vom nüchternen Zweckmobil mit nacktem Innenraum und spartani-


LADEFLÄCHE

scher Technik bis zum Lifestyle-Objekt mit ausgeprägtem Hang zum Luxus in seiner amerikanischen Heimat, über die Rolle des schmucklosen, aber mit High-Tech-Talenten begabten Gefährten auf dem europäischen Gipfelpfad bis hin zum glamourösen Auftritt vor dem Boulevard-Café in der Grossstadt. Für die Näherung an das Pick-up-Phänomen sind womöglich einige Beispiele aus dem Alltag hilfreich. Sie zeigen unterschiedliche Formen der Zuwendung an ein technisches Gerät, das rasch zu einem Kumpel, zu einem Kameraden oder einem Gefährten und Helfer wird. Der Pick-up in seiner neuen, tragenden Rolle: ein Objekt der Begierde.

Home of Pick-up Wenn Dorothée K. zu den Pferden geht, dann fährt sie mit ihrem Dodge Ram. Vor ihr liegen eine Motorhaube bis zum Horizont und sechzig Meilen mit natürlichem Tempolimit und ohne Parkverbote, aber mit Wegen aus Staub, Geröll und verdorrten Büschen durch die Arizona-Wüste. Der alltägliche Trip von der Farm zum grünen Tal, wo die Pferde leben. Keine Fahrt, die ohne Dodge Ram grosses Vergnügen bereitete, ohne Schatten mit 50 Grad Celsius in der Sonne. Keine Fahrbahn, nur die Spuren von gestern, flirrende Hitze, ein paar tote Klapperschlangen neben roten Felsen und nirgendwo Indianer auf dem Kriegspfad. Hinter Dorothée liegen zwei Sättel, Zaumzeug, vier Ballen Stroh. Der Dodge Ram hat eine Ladeebene von der Tanzfläche eines grosszügig dimensionierten Countryclubs und seine Klimaanlage könnte auch die Turnhalle einer mittelgrossen Dorfschule auf angenehmen Temperaturen halten. Der nuschelnde V8 liefert

jede Menge Energie, er ist trinkfest und kommt bei diesem Einsatz nie über eine etwas erhöhte Leerlaufdrehzahl hinaus. Der Pick-up ist Gerät und Gefährte und wenn es sein muss bekommt er von der eher zierlichen Dorothée über das bratpfannengrosse Gaspedal einen Tritt ins Kreuz. Dann macht er auch den entwurzelten Kaktus nieder, der im Weg liegt. Einen Ford F-150, immerhin noch der Bestseller unter den Full-Size-Pick-ups, würde Dorothée nie fahren. Den haben alle Nachbarn im Umkreis von 150 Meilen. Die Burschen bei Dodge, sagt sie, die hatten einen Werbespruch, den sie in ihr eigenes Leben pflanzte: «Grab Life by the Horns».

Unterm Sternenzelt Wenn Josef W. von seiner Arbeit redet, denkt er nicht in den Karriere-Kategorien der anderen. Denn er ist in den Alpen zuhause. Sein Arbeitsplatz ist der Weg zum Gletscher, seine Decke der Sternenhimmel und sein Pick-up ist Heim und Heimat zugleich. Josef transportiert Manager vom Büroschlaf direkt in den Überlebenskampf. Zwischen Schnee, Eis und Schmelzwasser lernen die Warmduscher jene Team- und EgoKräfte zu mobilisieren, die sie dann in der Welt der Börsenkurse und der globalen Kämpfe um Marktanteile einsetzen. Das geht nicht in der geheizten Halle und nicht ohne Ausrüstung für das Nötigste. Dafür setzt Josef seinen VW Amarok mit der Doppelkabine, High-Tech, Achtgang-Automatik, Biturbodiesel, permanentem Allradantrieb und über 2,5 Quadratmeter Ladefläche ein. Der Pick-up ist seine letzte Verbindung zur Zivilisation, die Versicherung für Notfälle: Am Ende aller Strassen im Schatten der Gipfel

Der VW Amarok wird nicht nur in Argentinien, sondern seit 2012 auch in Deutschland gebaut und erfreut sich reger Nachfrage. Der Modelljahrgang 2013 wartet mit einem auf 140 PS erstarkten Basis-Diesel auf und bietet zudem mehr Ausstattungsmöglichkeiten

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LADEFLÄCHE

Der erste Toyota Hilux kam 1968 auf den Markt; mittlerweile baut man die siebte Auflage. Wie inzwischen allgemein üblich gibt es Einzel- oder Doppelkabine, dazu kommen diverse Motor- und Antriebsvarianten

kapituliert jedes Handy, der Pick-up ist erste Wahl für die Fahrt bis zur Hütte und dann wieder weiter zur Talstation. Der Diesel knurrt beim Aufstieg im Takt der Berge, die Fuhre schaukelt über den Pfad der Maultiere und die Manager glauben, alles werde gut, wenn sie diese Karre jemals verlassen dürfen. Was für ein Irrtum. Dann zurrt Josef die Rucksäcke auf der Ladefläche los, verteilt sie an das Team und freut sich über jeden, der unter seiner Last zusammensinkt. Alsbald wankt das Team mit dem anderen Überlebenstrainer auf dem Trittsteig nach oben, Josef wendet den Amarok und bugsiert ihn rückwärts unter die riesige Fichte. Neben ihm flüstert der Bergbach. Jetzt beginnt sein Anteil am kalkulierten Abenteuer mit Rückfahrkarte. Er lebt zwei Tage allein mit dem Amarok, verzichtet auf die stundenlange Talfahrt, dann nimmt er das Team wieder auf und steuert den nächsten Einsatz an. Die Spritzwand hinten wird waagerecht geklappt, Josef rollt seine Matte auf der Ladefläche aus, spannt darüber seine Zeltbahn so weit, dass ein breiter Spalt für die Sicht nach oben frei bleibt. Aus dem Schlafsack heraus liegt die Bergnacht über ihm, der klare Sternenhimmel, im Winter etwas anders als im Sommer, und er hat sein Fernglas zur Hand. Regelmässig

kommen die Lichtzeichen vom Team, das jetzt knapp unter dem Gletscher ist. Das letzte Signal ist die ruhige Botschaft für diese Nacht. Alle sind im Camp und die Nacht wird kalt. Auf dem Amarok ist gut ruhen und als später Schnee fällt, wird er zum Iglu mit harter Schale und warmem Kern. Vielleicht kommen am Morgen wieder die grossen Krähen der Berge und begrüssen ihren Freund aus der anderen Welt.

Zwischen Wasser und Wein Wenn Yannis G. mit seiner kleinen Truppe unterwegs ist, dann hat es einen Notfall gegeben. Er kuriert Rohre, brüchige Verbindungen für das Wasser aus den Bergen im Norden hinunter an die Küste des Festlands. Epirus mit der Hauptstadt Ioannina ist sein Revier, das nordwestliche Griechenland, die Region der Götter und der kleinen Katastrophen zwischen Muffen, Rohrklemmen und Wasserpumpen, ist der Arbeitsplatz für die Handwerker. Die sind mit schwerem Gerät und Schutzkleidung unterwegs. Gestern in der Nacht war ein zentrales Rohr gebrochen und das Wasser hatte über Stunden einen kleinen Berg unterspült, Schlamm und Geröll liegen vor dem stämmigen Toyota Hilux.

Navara heisst der Pick-up von Nissan. Die aktuell dritte Generation gibt es in nutz-oder spassorientierten Ausführungen

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Yannis schaltet den Allradantrieb zu, dann noch die Geländeuntersetzung, auf der Ladefläche sind Werkzeug und Ersatzteile festgezurrt, der 3-Liter-Vierzylinder legt sich wie ein Ochse ins Geschirr und der Wagen kriecht mit drei Stundenkilometern in den Hang hinein. Ein tapferer Nothelfer für ein paar tausend Bewohner von Ioannina, bei denen seit Stunden die Wasserhähne trockenliegen. Ingenieur Yannis hat die Werkzeugkiste auf der Ladefläche des Pick-ups verschraubt. Breite Spanngurte sichern schwere Teile. Eine halbe Tonne Eisen hat der Gabelstapler dem Pick-up aufgeladen. Die hintere Starrachse mit den massiven Blattfedern nimmt die Last zur Kenntnis. Nicht mehr. Der Hilux ist selbst auf bestem Asphalt keine Sänfte, aber von robuster Natur jenseits davon. Wenige Stunden später ist der Schaden behoben und der bis über die Fenster mit Schlamm bedeckte Werkstattwagen nimmt einen anderen, aber zeitraubenden Weg zurück ins Tal. Im Matsch bergab – das wäre zu gefährlich und Yannis hat noch einen anderen, angenehmeren Auftrag zu erfüllen. Sein Pick-up ist nicht nur Einsatzfahrzeug, sondern auch Lieferwagen. Am Meer wartet eine Festgesellschaft auf Wein, Fisch, Fleisch und Grill, drei Säcke mit Holzkohle; alles packt Yannis in Kisten auf den Pick-up, und dann wühlt sich das Teil durch den Sand am Strand zu den Hütten. In Ioannina wird die Rückkehr des Wassers gefeiert und am Strand das Eintreffen des Weins. Beides rauschende Feste. Und der Hilux knackt mit seinen Antriebsgelenken.

Lust am Laster Kurt ist ein Dink: Double income no kids. Seine Gefährtin ist Tamara aus dem grossen Immobilienbüro. Er war zur rechten Zeit aus dem Boom der Fitness-Studios ausgestiegen und hat in Tattoos investiert. Daraus hat er ein Geschäftsmodell mit Franchise entwickelt, und das trägt mehr als ein einziges Auto. Aber statt Ferrari oder Lambo fährt er Nissan Navara. Den 5,4 Meter langen Double-Cab lenkt er lässig, die zweieinhalb Tonnen Leergewicht hat er im Griff, alles hört auf sein Kommando, der Pick-up bollert dank mittelschwerer Eingriffe wie ein alter Kanonenofen, 550 Newtonmeter Drehmoment, und er parkt vor seiner Lieblingskneipe nicht ein, sondern legt an. Er hat hier immer einen Parkplatz, ein Vorzug, der damit zusammenhängt, dass ihm die Kneipe gehört. Wenn er startet, legt der Nissan ab. Ein grosses Autoboot im Dschungel der Grossstadt. Kurt packt am Wochenende die Ladefläche voll mit lieblichen Getränkekisten, tausend Kilo Nutzlast sind keine schlechte Voraussetzung für gute Gespräche, Tamara ist auf dem Beifahrersitz ebenso knapp wie etwas strapaziös gekleidet, beide drehen die Bose-Anlage ganz weit auf, Meat Loaf ist dabei, und sie donnern an die Küste. Dort wartet ein richtiges Boot, der Nissan nimmt es im Winter in den Schlepp und Kurt baut an beiden ein bisschen herum. Wenn er sich zwischen dem Nissan und der Tamara entscheiden müsste, würde die Nutzlast den Ausschlag geben.

Mehr zum Thema

In den Vereinigten Staaten ist der Ford F-150 seit Jahren das meistverkaufte Automobil; die Studie Atlas (ganz oben) nimmt den kommenden Jahrgang vorweg. In Europa wird der Pick-up offiziell nicht angeboten; es gibt nur Direktimporte. Bei uns verkauft Ford den kleineren Ranger (oben); er ist «International Pick-up of the Year 2013»

Der grünste Pick-up vom US-Kleinserienhersteller Via Motors wird von zwei je 300 kW starken E-Motoren angetrieben: Dank Lithium-Ionen-Batterien soll er rein elektrisch rund 60 Kilometer weit kommen können. Damit die Spannung nicht vor Erreichen der nächsten Steckdose nachlässt, fungiert ein 5,3L-V8 als Range Extender. Maximale Reichweite: 650 Kilometer. Den Durchschnittsverbrauch gibt Via Motors mit unter 2,5 L auf 100 Kilometer an

Auch Chevrolet gehört zu den «Big Playern» im Pritschenwagengeschäft. Der Silverado Jahrgang 2014 unterscheidet sich von seinem Vorgänger durch ein paar technische und kosmetische Änderungen

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Wie alles begann: GMC-Zweitonner vor genau 100 Jahren

Stadt, Land, Fluss Pick-ups gehören zum automobilen Establishment. Eine Reise zu den Altlasten der Fahrzeuggeschichte

Mit dem Chrom kam auch der Lifestyle: GMC Series 100 Deluxe, 1955

D

ie Historie des Pick-ups beginnt mit der Pferdekutsche. Und die technische Verwandtschaft ist die erste Fährte des Verstehens. Noch heute sind die tapfersten dieser Auto-Freunde des Menschen mit Starrachsen, Leiterrahmen und Blattfedern unterwegs. Aber der technische Fortschritt machte auch diese archaischen Details erträglicher und niemand beschwert sich über die etwas bockigen Hinterachsen, das leichte Schlingern im Fahrwerk und Lenkungen, die eher an Halfter und Zügel erinnern. In einem Auto, mit dem man nach Karte und Kompass durch die Wüste fahren könnte (wenn man wollte), erwartet keiner ein Präzisionsfahrwerk. Pick-ups sind die vielleicht lockersten Automobile überhaupt. Gelassenheit ist Programm in der Kabine. Ihre Aufgaben als Nutztiere sind zwar definiert, aber man muss diesen nicht folgen. Das wichtigste Zubehör für einen Pick-up ist das Lebensgefühl. Manche sagen Lifestyle. Auch gut. Im Pick-up übt man gerne Toleranz. Eine gute Voraussetzung für das Fahren jenseits von Hektik. Was ja kein Nachteil für die Sicherheit sein muss. Ein Blick zurück zeigt, wie vergnüglich Pritschenwagen waren und noch heute sind. wp

Mehr zum Thema

Batmobil: 1959er Chevrolet El Camino mit Heckflossen

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Mit V8-Power war der El Camino SS 396 ein Highway-Schreck


Ahnengalerie

Seit 1948 ein Klassiker und bis heute in verschiedenen Längen im Angebot: Land Rover Pick-up. Das deutsche Pendant heisst Mercedes G-Modell

Auch in Australien gehört der «UTE» zum täglichen Strassenbild. Hier ein Power-Holden neueren Datums

Der germanischste aller Pick-ups war der VW Typ 2. Besonders kultig und teuer sind heute die «DoKa»-Versionen (Doppelkabine)

Exportschlager: Vor allem der asiatische Markt giert nach den kleinen Packeseln. Und die GM-Tochter profitiert seit jeher davon

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Ahnengalerie

Der Caddy Pick-up (1983–92) war ein umgestricker VW Golf – und vielleicht auch deshalb so beliebt

Nun ja: Skoda Felicia Fun (1995–2000) mit Zusatzsitzen auf der Pritsche. Der zweite VW Caddy (ab 1995) fusste auf diesem Modell

Dass Opel Spass machen kann, bewies zwischen 1992 und 2001 nicht zuletzt der Campo auf Basis des Isuzu Faster

Die italienische Antwort kam von Fiat, basierte auf dem «Weltauto» Palio, nannte sich Strada und ist heute noch häufig anzutreffen

Nomen est omen: Mit dem Baja (2002–06) wollte Subaru die kalifornische Beachboy-Fraktion für sich gewinnen – was ansatzweise gelang

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Der neue Volvo V40 Cross Country wurde für Sie entwickelt. Der kompakte Fünftürer besticht durch sein dynamisches, ausdrucksstarkes Design und seinen robusten Auftritt. Spielend einfach verbindet er Alltag und Abenteuer. Ein Volvo Vertreter in Ihrer Nähe zeigt Ihnen gerne Ihren Volvo V40 Cross Country bei einer Probefahrt – auch abseits der Strasse.

Der neue Volvo V40 Cross Country

Der Gipfelstürmer

volvocars.ch


AUTO-BIOGRAFIE RUBRIKEN

A

ls Farbe steht «Braun» im Fahrzeugbrief, dabei ist der Wagen doch gold-métallisé. Dieser Valiant ist als Sechsplätzer zugelassen. Auf den Sitzbänken leuchtet hellgrüner Glitterstoff zwischen Kunstlederbahnen; das Armaturenbrett ist dunkelgrün-schwarz. Echt cool, echt early seventies, echt Motown – und doch ein Schweizer Produkt: Zwischen 1960 und 1973 sind knapp 14 000 Valiant im AMAG-Montagewerk Schinznach in Handarbeit endmontiert worden – als Chrysler und nicht unter dem Einstiegs-Label Plymouth wie in Nordamerika. Die Schweiz-Version gilt als besser zusammengebaut und weist hochwertigere, hier produzierte Komponenten auf. Wie viele eidgenössische Exemplare noch existieren, ist nicht bekannt; die Facebook-Seite «Valiant Owners Directory CH» versucht das gerade herauszufinden. Pascal Huber ist Mitglied, seit er den Wagen 2010 mit 145 000 Kilometer auf der Uhr für 5700 Franken gekauft hat. Das Auto ist 20 Jahre älter als er selbst und Huber wollte nie ein anderes: «Ich habe den US-CarVirus, seit ich als Achtjähriger mit meinem Vater auf einem AmiTreffen gewesen bin», lächelt er. Noch vor der Fahrprüfung machte er sich auf die Suche, denn «mir gefallen die schlichte wie attraktive Form und das Platzangebot – in den Vereinigten Staaten war der Valiant eine kompakte Vertreter-Karre, bei uns hingegen eine Luxuslimousine.» Mit der Händlergarage hat der Zahntechniker hart verhandelt und nach dem Kauf des 4,79-Meter-Schiffs nochmal über 3000 Franken investieren müssen – «ohne Material». Zuerst wurde der Boden geschweisst, dann kamen die vorderen Bremsen, Stossdämpfer, Pneus, alle Schläuche und Riemen sowie die Zündanlage dran. Der Jung-Eigner machte viel selbst; bei der Zylinderkopf-Revision half ihm sein befreundeter Mech Rocco von der Garage Melina in Ostermundigen. Heute steht der Valiant wieder gut im Lack; aus optischen Gründen hat ihm Huber ein geschüsseltes Sportlenkrad, zeitgenössische Sticker und 64er Radkappen spendiert. Mit Dreigang-Automat und Lenkradschaltung cruist der Berner gelegentlich voller Stolz durchs Land, sonst wird der Wagen aufgebockt eingestellt. Die bisher weiteste Ausfahrt führte 2011 zu einem US-Treffen nach Mollis GL, demnächst steht jedoch eine Tessin-Tour mit Freundin über den Gotthard auf dem Programm. Verkaufen kommt für den 22-Jährigen nicht in Frage: «Ich behalte das Auto, bis ich nicht mehr da bin.» Einen nahezu baugleichen, aber ungleich stärkeren Amischlitten hat der Mopar-Fan schon am Start: 1971er Dodge Dart V8 318cui mit 230 PS. Er wird ihn allerdings nur sonntags und bei schönem Wetter bewegen, «weil das Teil einfach zu viel säuft». map

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Fahrer

Pascal Huber, Jahrgang 1990, Zahntechniker aus Bern

Ex-Autos – Aktuell Chrysler Valiant Sedan, Baujahr 1970

Slant Six 225cui / 3682 cm3, 150 PS (110 kW) bei 4000/min, 294 Nm bei 2400/min, 0–100 in ca. 12 s, Vmax 165 km/h. Neupreis 1970: 18 300 Franken


DER NEUE mini Paceman.

Verpass dem Warmduscher in dir eine tüchtige Abkühlung und steig in den brandneuen MINI Paceman! Mit bis zu 218 PS und optionalem ALL4 Allradantrieb gibt das erste Sports Activity Coupé von MINI auf jedem Terrain den Tarif durch. Und sieht dabei auch noch verdammt gut aus: Dank einer einzigartigen Linienführung definiert der MINI Paceman den Coupé-Look neu. Vereinbar mit deinem MINI Partner am besten noch heute eine Probefahrt – und sei mal wieder so richtig schön antibrav. Mini.ch

MINI Cooper S ALL4 Paceman, 135 kW (184 PS), Treibstoffverbrauch insgesamt: 6,7 [7,7] l/100 km, CO2-Emission kombiniert: 157 [180] g/km (Durchschnitt aller immatrikulierten Neuwagen 2013 in der Schweiz: 153 g/km), Energieeffizienzkategorie: E [F]. Werte in [ ] gelten für Fahrzeuge mit 6-Gang-Automatikgetriebe.


Fahrtermin

Macho war gestern Mitsubishi setzt auf neues Design und eine Dual-Strategie mit Verbrennungsmotoren und Hybrid-Versionen. Ein Plug-in kommt ab Herbst im frischen Outlander zum Einsatz. Lohnt sich das Warten? Wir waren vorab mit der Dieselvariante unterwegs Text Stefan L眉scher 路 Fotos Ian G.C. White, map

056 VECTURA #6


RUBRIKEN

I

n 2001 brachte Mitsubishi den Softroader namens Airtrek auf den asiatischen Markt. Zwei Jahre später startete das optisch retuschierte Modell unter der Bezeichnung Outlander auch in den USA und anschliessend in Europa. Auf allen genannten Kontinenten kam die bis auf eine Basisversion permanent allradgetriebene Baureihe gut an und konnte sich behaupten; die zweite Modellgeneration kam bereits 2006 und verfügte wahlweise über ein CVT-Getriebe.

nung: Bei kaum veränderten Abmessungen präsentiert sie sich in völlig unterschiedlichem Look. Das grimmige Falken-Design ist passé: Statt aggressiv kommt der Neue sanft und abgerundet daher, wandelte sich sozusagen vom Macho zum Frauenversteher. Auch innen präsentiert sich das Auto eleganter, hochwertiger und dank cleveren Tricks sogar geräumiger. Die Instrumente sind übersichtlich gegliedert, das hoch positionierte Display verfügt über eine moderne Grafik; neu für Mitsubishi ist eine ZweizonenKlimaautomatik.

Neue Designsprache Das Modell gehört zu jener Spezies gerade noch kompakter Mittelklasse-SUV, die inzwischen bei jedem Hersteller zum Portfolio zählen und deshalb eine etablierte Fahrzeugklasse darstellen. In der Schweiz ist der Outlander eine feste Grösse; seit 2003 konnten rund 10  000 Exemplare unters Volk gebracht werden. Weil der Wettbewerb immer intensiver wird, ist es für die Marken wichtiger geworden, ihr Angebot frisch zu halten. Mitsubishi trägt diesem Umstand seit Februar mit einer dritten, komplett neu entwickelten Outlander-Generation Rech-

Abgespeckt Das geräumigere Interieur ergibt sich aus der konsequenten Schlankheitskur, die der Outlander erfahren hat. Gegenüber dem Vorgängermodell verlor er je nach Version bis zu 145 Kilo. Rund 100 davon entfallen auf die Karosseriestruktur und die neuerdings einteilige Hecktür. Deutlich leichter und schlanker sind aber auch die asymmetrisch umklappbaren Sitze in der zweiten Reihe: Sie lassen sich dank getrennten Sitz- und Lehnenteilen kompakter und dazu wesentlich leichtgängiger bedienen. Frühling 2013 057


RUBRIKEN

Dabei entsteht ein völlig flacher Laderaum, der mit 1,69 Meter ganze 33 cm länger ist als beim gleich langen Vorgänger. Die in der Schweiz forcierte und Navigator genannte Topversion verfügt wie bisher über eine im Ladeboden versenkbare dritte Sitzreihe. In dieser Konfiguration fasst der neue Outlander je nach Sitzbelegung 225 bis 1770 Liter.

Sparsamer Weniger Gewicht bedeutet auch weniger Verbrauch: Beim Benziner mit seinem überarbeiteten Zweiliter-Vierzylinder ist das Gewicht um 110 kg gesunken. Um die gleichen Fahrleistungen zu erzielen, konnte die Motorleistung von 170 auf 150 PS reduziert werden. Damit verringerte sich der Normverbrauch um 2,5 L auf neu 6,2 L pro 100 Kilometer, und das ist ein Wort. Bei unserer ersten Testfahrt bewegten wir den durchzugsstarken und gut zum Outlander passenden 2.2-DID-Turbodiesel mit 150 PS und 360 Nm Drehmoment, das bereits bei 1750/min zur Ver­ fügung steht. Statt dem bisher verbauten Doppelkupplungsgetriebe verfügt der Outlander III über einen ebenfalls leichteren Sechsstufen-Wandlerautomaten. Der harmoniert gut mit dem Triebwerk, leistet sich aber beim Losfahren mitunter eine Gedenksekunde, bis der Motor genügend Ladedruck aufgebaut hat. Bedarfsweise kann der Fahrer auf fest an der Lenksäule montierte Schaltwippen zurückgreifen. Der Verbrauch des neuen Selbstzünders hat sich jedenfalls sehr erfreulich entwickelt: Statt 7,2 sind es jetzt durchschnittlich 5,8 L /100 km, was einer Senkung um knapp 20 Prozent entspricht und der Argumentation von SUV-Gegnern viel Wind aus den Segeln nimmt.

Drei Allrad-Modi Für den elektronisch gesteuerten 4x4Antrieb mit Lamellenkupplung stehen verschiedene Fahrprogramme zur Verfügung. Im «4WD Auto» wird die Antriebskraft in Abhängigkeit von Fahrweise und Traktion permanent und adaptiv bis maximal 50% zur Hinterachse geleitet. Beim «4WD Lock» leitet das Differential konstant 55% zur Hinterachse und im Modus «4WD Eco» fährt der Outlander im Normalbetrieb mit Vorderrad058 VECTURA #6

antrieb, während sich der Allradantrieb nur bei Traktionsverlust zuschaltet. Darüber hinaus verfügt der Mitsubishi über eine weitere Eco-Taste, die das Gaspedal-Mapping und die Klimaanlage beeinflusst. In der Praxis fühlt sich der neue Outlander angenehm handlich an. Auch auf Schnee hat man nie den Eindruck, einen voluminösen Geländeriesen zu bewegen, im Gegenteil: Der Japaner fühlt sich selbst bei winterlichem Wetter agil und gut ausbalanciert an. Dabei überzeugt er nicht nur mit guter Traktion, sondern lenkt auch spontan ein und durcheilt Kurven ohne störendes Untersteuern. Der 2.2 DID verfügt ausserdem über allerlei elektronische Helfer, die es bei Mitsubishi bisher nicht gegeben hat. Mit neun Airbags und einem E-Assist-Paket, das den adaptiven Tempomaten (der bis Tempo null abbremst), den City-Notbremsassistenten (bis 30 km/h) und den (etwas nervig piepsenden) Spurhalteassistenten beinhaltet, kostet der luxuriöse Navigator 52 500 Franken. Der Basispreis beträgt rund 35 000 Franken, während das wieder nur mit Frontantrieb und Zweiliter-Benziner ausgerüstete Einstiegsmodell bereits ab 30 000 Franken zu haben ist.

Highlight ab September Nochmals sparsamer und deutlich innovativer soll der ab Herbst als Fünfplätzer erhältliche Outlander Plug-in-Hybrid sein. Nebst Zweiliter-Benziner verfügt er vorne und hinten über einen Elektromotor mit je 60 kW Leistung. Die an der Steckdose aufladbare 12-kWh-Batterie ermöglicht dann knapp 60 Kilometer rein elektrisches Fahren. Für Hybrid-Fahrzeuge ungewöhnlich ist auch die relativ hohe Anhängelast von 1600 kg. Der Preis soll unter 60 000 Franken betragen – nicht schlecht. Ob sich das Aufgeld gegenüber dem rundum harmonischen Turbodiesel lohnt, wollen wir im Sommer herausfinden. Schon jetzt kann gesagt werden, dass der dritte Outlander ein Erfolgstyp geworden ist, der kaum Wünsche offen lässt. Wer sich also jetzt für den Diesel entscheidet, ist bestens bedient und zeitgemäss unterwegs.


Fahrtermin

Technische Daten Mitsubishi Outlander 2.2 DID Konzept Zweite Generation eines siebensitzigen SUV mit fünf Türen, grossem, variablem Innenraum und Pw-artigen Fahreigenschaften. Permanenter Allradantrieb mit drei Programmen inkl. Differentialsperre, optional Sechsstufen-Automatikgetriebe Motor Reihenvierzylinder, Alu-Zylinderkopf, vorne quer, zwei oben liegende Nockenwellen, Zahnriemen, 4 Ventile pro Zylinder, 1 Turbolader mit Ladeluftkühler, Common-Rail-Direkteinspritzung, Stopp-Start-System Hubraum in cm3 Bohrung x Hub in mm Verdichtung Leistung in PS/kW @ U/min Max. Drehmoment in Nm @ U/min Kraftübertragung

2268 85,0 x 96,0 14,9:1 150 (110) @ 3500 360 Nm @ 1500 M6 (Option: A6)

Abmessungen (L/B/H) in cm Radstand in cm Spur vorne/hinten in cm Reifen und Räder vorne

466 /180 /168 267 154/154 225/55 R 18 auf 7.0 J

Tankinhalt in L Kofferraumvolumen in L Leergewicht (ohne Fahrer) in kg Zulässiges Gesamtgewicht in kg Anhängelast gebremst in kg Leistungsgewicht in kg/PS

63 225–1770 1685 2260 2000 15,1

0 – 100 km/h in Sek. Höchstgeschwindigkeit in km/h

11,7 190

Durchschnittsverbrauch* in L/100 km CO2-Emission in g/km Energieeffizienzkategorie Preis ab CHF

5,8 153 C 34 999.–

* gemessen nach NEFZ: Neuer Europäischer Fahrzyklus

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Fr端hling 2013 061


Anno 1923: André Lagache/René Léonard gewinnen auf einem Chenard et Walcker mit Dreilitermotor die erste Auflage des Rennens

Das Ziel heisst

Le Mans Vor nunmehr 90 Jahren wurde die Materialschlacht im Département de la Sarthe erstmals ausgetragen. Triumphe und Tragödien machten die «24 Stunden» zu einem der bedeutendsten Langstreckenrennen der Welt. VECTURA blickt zurück, bevor im Frühsommer die 81. Auflage stattfindet Text Adriano Cimarosti · Fotos Alain Pruvost, Collection Maniago, Collection Alessandro Silva, Werk

062 VECTURA #6


Rennsport

J

a früher, da gab es viele prominente Langstreckenrennen. Man denke nur an die Targa Florio auf Sizilien, die Mille Miglia, die Tourist-Trophy-Rennen auf den Britischen Inseln oder die mexikanische Carrera Panamericana. Und doch sind aus jener Epoche bis heute nur die 24 Stunden von Le Mans übrig geblieben. Die wurden am 26./27. Mai 1923 erstmals ausgetragen und das kam so: Im Oktober 1922 hatte sich die «Crème de l’Automobile» im Grand Palais des Champs-Élysées zum Pariser Automobilsalon getroffen. Am Stand der Firma Rudge-Withworth fanden sich deren Repräsentant Emile Coquille, der renommierte französische Fachjournalist Charles Faroux sowie Georges Durant, der Generalsekretär des ACO (Automobile Club de l’Ouest) aus Le Mans, ein. In den Köpfen dieser Männer spukte der Gedanke eines grossartigen Rennens, das in seiner Art aussergewöhnlich sein sollte. Faroux dachte an einen Wettbewerb, dessen Charakter den einstigen Monsterfahrten von Stadt zu Stadt zu entsprechen hatte, wie sie in den Urzeiten des Automobils auf unserem Kontinent liefen. Er schlug schliesslich ein Nachtrennen über sechs Stunden vor, in der Absicht, dadurch die Beleuchtung der Fahrzeuge auf eine interessante «Feuerprobe» zu stellen. Coquille war von der Idee begeistert und fügte bei, dass seine Firma für einen derartigen Wettbewerb einen grossen Pokal stiften würde. Schliesslich fragte Durant: «Warum denn nicht ein Rennen über 24 Stunden?» Die Idee schlug ein. Damit waren die «24 Heures du Mans», welche heuer ihren 90. Geburtstag feiern und nun am 22./23. Juni auch zum 81. Mal stattfinden werden, geboren. Regie führte natürlich der ACO und dabei ist es bis heute geblieben: Keinem Veranstalter, nicht mal FIA-Impresario Bernie Ecclestone, ist es gelungen, etwas daran zu ändern. 24-Stunden-Prüfungen waren damals an sich nichts Neues, in den Vereinigten Staaten hatte man solche Wettbewerbe – auf Pferderennbahnen – schon zwischen 1905 und 1910 abgehalten.

Wagen wie im Katalog Es war Charles Faroux, der die Basis für das erste Le-Mans-Reglement definierte: Personenwagen mussten ihrer Beschreibung im Fabrikkatalog entsprechen, bei einem Hubraum unter 1100 cm3 genügten zwei Sitzplätze, Autos mit grösserem Motor mussten vier Personen aufnehmen können. Werkzeug und Ersatzteile hatten sich an Bord zu befinden, lediglich die Ersatzreifen konnten an den Boxen deponiert werden. In den ersten Jahren wurde in Le Mans noch «normal» gestartet, das bedeutete je zwei und zwei Fahrzeuge hintereinander. Ab der zweiten Auflage 1924 mussten Wagen mit Faltdach einige Jahre lang mindestens zwanzig Runden mit hochgezogener «Capote» zurücklegen. Gegen Ende der 30er-Jahre brauchten auch grossvolumigere Autos nicht mehr vierplätzig konzipiert zu sein – es war eine Epoche, in der immer mehr Vollblutsportwagen antraten. Diverse Streckenkombinationen Als Rennbahn wählte der organisierende Club eine 17,26 Kilometer lange Kombination bestehender Strassen, wobei ein kleiner Teil des Circuits durch ein Aussenquartier der Stadt Le Mans führte. Diese Verlängerung mit der Spitzkehre am Platz von Pontlieue wurde bis 1928 befahren, dann schnitt man den «Stadtkurs» aus Sicherheitsgründen ab, womit sich eine Runde auf 16,36 Kilometer verkürzte. In die Rundstrecke einbezogen war auch ein Teil der Route Nationale Nr. 158 (Le Mans–Tours), welche im Verlaufe der Jahre als «ligne droite des Hunaudières» einen fast legendären Ruhm erlangen sollte. Bis 1925 standen an dieser ursprünglich noch einige leichte Biegungen enthaltenden, holprigen Streckenpartie ohne festen Belag die Boxen. Im Jahre 1932 erhielt der Kurs mehr oder weniger seine endgültige Form, indem man zwischen der späteren Zielgeraden (gleich nach den Tribünen) und der Kurve von Tertre Rouge (Beginn der Geraden von Hunaudières) ein Verbindungsstück mit eingebautem «S» vorsah. Die Bahn war nun 13,49 Kilometer lang. Diese Rndenlänge sollte erst wieder 1968 modifiziert werden, als man unmittelbar vor dem Boxenbereich – um das

Die Bentley-Erfolgsserie eröffnen 1924 die Fahrer Duff und Clement mit diesem schlicht «Sport» genannten Wagen

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In den 20er-Jahren m체ssen offene Wagen mindestens 20 Runden mit geschlossenem Verdeck zur체cklegen. Im Bild der Bentley-Dreiliter von Erlanger/Duller im Jahr 1927 Auf der schmalen Bahn schiesst 1932 der sp채ter zweitplatzierte Alfa Romeo 8C 2300 von Cortese/Guidotti an drei Unfallwagen vorbei. Alfa wird Le Mans viermal in Serie gewinnen

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Rennsport

In den ersten Jahren wurde in Le Mans noch «normal» gestartet, das bedeutete je zwei und zwei Fahrzeuge hintereinander. In den 1920ern mussten Wagen mit Faltdach mindestens zwanzig Runden mit hochgezogener «Capote» zurücklegen

Hubraum hilft: 1935 gewinnt ein Lagonda Rapide mit 4,5-Liter-Sechszylinder. Es war übrigens das Jahr mit der bis heute höchsten Frauenquote: Gleich zehn gingen an den Start, sechs von ihnen auf MG PA

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Rennsport

Das erste Nachkriegsrennen in Le Mans gewannen 1949 Luigi Chinetti/Lord Selsdon auf dem Ferrari 166. Das gleiche Fahrzeug hatte zwei Monate zuvor bei der Mille Miglia gesiegt

Tempo auf der Zielgeraden zu drosseln – die Ford-Kurve (eigentlich eine Schikane) einbaute. Vier Jahre später wurde die Anlage noch mit einer zusätzlichen Schlaufe zwischen der berüchtigten Partie bei Maison Blanche und den Tribünen versehen. 1990 büsste Le Mans einen Teil seiner Legende ein, denn die Gerade von Hunaudières, wo man im Training manchmal Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 400 km/h registrierte, musste aus Sicherheitsgründen durch den Einbau zweier Schikanen oder Bremskurven «entschärft» werden, was bei den Puristen für Polemik sorgte. Die Strecke war damit neu 13,6 Kilometer lang. Die 24 Stunden von Le Mans sind vielen noch wegen der Kata­ strophe vom 11. Juni 1955 in Erinnerung geblieben, als zwei Fahrzeuge bei hohem Tempo auf der Zielgeraden kollidierten, wobei eines in den Zuschauerraum flog und dort explodierte. Über achtzig Menschen kamen bei diesem Unfall ums Leben. Das Unglück von Le Mans löste weltweit Kritik am Rennsport aus; viele Veranstaltungen wurden daraufhin abgesagt. In der Schweiz hat man Rundstreckenrennen seither sogar verboten (siehe VECTURA #5). Inzwischen ist sehr viel für die Sicherheit von Akteuren und Publikum getan worden, die Fortschritte sind zweifellos gross.

Spurt zum Auto Berühmt war früher der sogenannte Le-MansStart, bei dem die Sportwagen auf der rechten Seite der Startgeraden in einer langen Reihe und schräg zur Fahrbahn aufgestellt wurden. Auf der anderen Seite der Piste gingen die Fahrer in einem kleinen weissen Kreis mit Startnummer in Stellung, um dann nach dem Senken des Tricolore zu ihren Autos zu sprinten. Dieser kurze Spurt der Le-Mans-Fahrer gehörte einfach zum Bild dieser 066 VECTURA #6

Veranstaltung. Als dann die Sicherheitsgurten mehr und mehr aufkamen und schliesslich sogar zum Obligatorium erhoben wurden, bedeutete dies 1970 das Aus für die originelle Startform: Ab sofort mussten sich die Konkurrenten nebeneinander auf der rechten Seite aufstellen, wobei die Fahrer bereits fest angeschnallt hinter dem Steuer zu sitzen hatten. 1971 folgte der Start mit Anlaufrunde (Indy-Start) hinter einem Pacecar, ganz so wie in der Formel 1. Favorisierte Teilnehmer legten Wert darauf, im ersten Bogen gleich nach dem Start, dort, wo die Strecke unter der berühmten Dunlop-Brücke hindurchführt, an der Spitze des Feldes zu liegen: Dann bestand eine gute Chance, sein Bild in den Sonntagsausgaben der Zeitungen bewundern zu können. Es gab auch noch einen andern Trick, um sich Publizität zu verschaffen: Manchmal hielt ein Konkurrent (meistens aus dem Hinterfeld) schon nach der ersten Rennrunde kurzfristig an den Boxen an, in der Hoffnung, eine «Abwechslung» suchende TV-Kamera nehme ihn zur grossen Freude des auf der Karosserie werbenden Sponsors aufs Korn. Bis und mit 1963 erfolgte die Startreihenfolge noch nach Hubraum, danach war die Qualifika­ tionszeit für die Reihenfolge bestimmend.

Volksfest-Charakter Keine Frage: Le Mans war auch ein Publikumserfolg und ist es bis heute geblieben. Zusammen mit den 500 Meilen von Indianapolis und dem Grand Prix von Monaco zählen die «24 Stunden» zu den weltweit populärsten Rennsportveranstaltungen überhaupt. Für eine Marke brachte und bringt ein Sieg an der Sarthe ziemlich viel, er bedeutet Popularität und Prestige. Es wurde immer wieder festgestellt,


Beim Start 1951 liegen der Talbot «décalée» von Levegh/Marchand und der Aston Martin DB2 von Mann/Goodall in Front

Doppelsieg der Mercedes-Benz 300 SL mit Lang/Riess vor Helfrich/Niedermayer im Jahr 1952. Rennleiter Alfred Neubauer signalisiert vom Streckenrand aus

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Ferrari 375 MM von Ascari/Villoresi vor dem Ferrari 340 von Chinetti/Cole und dem Cunningham C-4RK von Morgan/Bennet; es ist 1953

Klassischer Le-Mans-Start zum Ungl端cksrennen 1955; links die drei Mercedes-Benz 300 SLR

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Rennsport

dass der Le-Mans-Triumph eines Herstellers mehr Aufsehen erregt als der Gewinn einer Markenweltmeisterschaft. Der Anlass war und ist auch stets eine Art Volksfest gigantischen Ausmasses – mit einer Präsenz um die 200 000 Zuschauer, welche die Rennstrecke während zweier Tage und einer Nacht säumen. Karusselle, Schaubuden, Würstchenstände, Diskotheken, käufliche Damen – auf dem weiten Areal ist für Amüsement jeglicher Art gesorgt. Viele Schlachtenbummler legen sich am Sonntagmorgen übermüdet ins Gras und gönnen sich ein Nickerchen. Markenclubs und andere anreisende Vereinigungen pflegen übrigens ganze Parkfelder im Voraus zu reservieren. Man kann Flächen voller Alfa Romeo, Aston Martin, Bugatti, Ferrari, Jaguar, MG oder Porsche beobachten. Traditionell kommen stets viele Briten über den Ärmelkanal, um live dabei zu sein. Früher trafen sie sich schon unter der Woche im Restaurant des Hunaudières, wo der Whisky reichlich floss und es hoch herging – bis der Alkoholausschank dort schliesslich eingestellt worden ist.

Moderne Zeiten Wer die aktuelle Anlage kennt, mag kaum glauben, dass die Zuschauer früher hinter Bretterzäunen direkt an der Strasse standen. Nach dem erwähnten Unfall von 1955 wurde die Bahn im Zielbereich wesentlich verbreitert und – weiter zurückversetzt – eine neue Boxengasse gebaut. 1991 ersetzte man sie schliesslich durch ein modernes und riesiges Prachtgebäude, das einem grossen Dampfschiff ähnlich sieht und von Nostalgikern etwas spöttisch als «Flugzeugträger» tituliert wird. Hinzu kam ein grosser Kontrollturm, welcher der Rennleitung einen hervorragenden Überblick bietet. Zuvor mussten die Journalisten ihre Berichte noch an den Pulten einer seitlich offenen und an der Bahn-Aussenseite stehenden Tribüne in ihre Schreibgeräte tippen. Im einstigen Schreibmaschinenzeitalter flatterten die zu beschriftenden Blätter nervenzermürbend im Wind und wurden von findigen Chronisten per Wäscheklammer beschwert. Wer sich direkt in den Boxen informieren wollte, musste über die Dunlop-Brücke und einen weiten Umweg durch die Volksmassen in Kauf nehmen. Die Autos der Presseleute waren hinter ihrer Tribüne entlang einer Betonwand parkiert, jeder bekam seine Nummer schön zugeteilt. Allerdings pflegten etliche Zuschauer in der Nacht ihre Notdurft, zwischen den Autos gebückt, unter freiem Himmel zu verrichten. Vom «Flugzeugträger» aus können die Berichterstatter das Geschehen inzwischen bequem durch grosse Fenster über den Boxen beobachten und in geräumigen, klimatisierten sowie mit Bildschirmen ausgestatteten Pressesälen arbeiten. Eine Treppe führt zu den zwei Stockwerke tiefer liegenden Boxen hinab. Le Mans gönnte sich sogar ein eigenes Rennjournal, das von der Lokalzeitung «Le Maine Libre» herausgegeben wird, während des Rennens mehrmals erscheint und über das Geschehen informiert.

Marken-Erfolgsphasen Als «weltweit schnellste Lastwagen» bezeichnete Ettore Bugatti seinerzeit die Bentley mit spöttischem Unterton, aber die imposant-voluminösen Vier- und Sechszylinder (teilweise mit Kompressor) aus England, pilotiert von den legendären «Bentley Boys», dominierten in der zweiten Hälfte der 20er-Jahre das Geschehen. Diese Rolle übernahmen Anfang der 30er-Jahre die aufgeladenen Alfa Romeo 8C 2300. Die folgenden Rennen wurden wechselvoll durch Siege von Lagonda, Bugatti und Dela-

haye gekennzeichnet. Nach dem Krieg liefen die vom Präsidenten der Republik, Vincent Auriol, gestarteten 24-Stunden-Rennen erst 1949 wieder an. Mit dem Ferrari 166 MM Touring Chassisnummer 008, pilotiert von Luigi Chinetti/Lord Selsdon, siegte exakt dasjenige Auto, welches zwei Monate zuvor unter Clemente Biondetti die Mille Miglia gewonnen hatte. Es folgten die 50er-Jahre, in denen die Jaguar C- und D-Type mit ihren Reihensechszylindern die ersten Plätze holten. Der Sieg eines C-Type brachte 1953 zugleich den ersten bedeutenden Rennerfolg mit Scheibenbremsen. Ab 1957 betrachtete es der Veranstalter für notwendig, das Starterfeld auf 55 Wagen zu limitieren, weil die Liste der Teilnahmekandidaten laufend länger geworden war. Ende der 50er-Jahre setzte definitiv die Phase der V12-Ferrari Typ 250, 330 und 275 ein. 1963 gewann erstmals ein Wagen mit Mittelmotor (Ferrari 250 P). 1964 betrat Detroit-Gigant Ford die Kampfarena, aber erst zwei Jahre später sollte die Erfolgsserie für die englisch-amerikanischen V8Konstruktionen ihren Anfang nehmen. 1966 fiel sogar Henry Ford II die Aufgabe zu, die Startflagge zu schwingen – diese Ehre hatten später auch Gianni Agnelli oder Sergio Pininfarina oder 1972 ein weiterer französischer Staatspräsident – Georges Pompidou. 1969 sah das vielleicht spektakulärste Finish – Jacky Ickx siegte auf Ford nur 300 Meter vor Hans Hermann auf Porsche – normalerweise beträgt der Abstand mehrere Runden. Neben drei Erfolgen der französischen Matra V12 standen die 70er-Jahre vorwiegend im Zeichen der Porsche, was meistens auch in den 80ern mit den schier unschlagbaren 956 und 962 der Fall war. Ein Sauber mit Mercedes-V8-Triebwerk eroberte 1989 den obersten Podestplatz. Zwei Jahre später dann die Überraschung – es gewann ein japanischer Mazda mit Wankelmotor! Die 90er-Jahre sahen wieder verschiedene Sieger; zweimal platzierte Peugeot einen Erfolg, die sonst im Formel-1-Bereich aktive Marke McLaren gewann 1995, viel Beachtung fand 1999 der BMW-Sieg, weil er praktisch als Eintagsfliege der Bayern zu bewerten war. Danach setzte die lange Phase der Audi-Dominanz ein, die praktisch bis in die heutige Zeit reicht und bloss 2009 von einem Peugeot-Triumph unterbrochen wurde. Zwar hat 2003 ein Bentley Speed 8 gesiegt, doch der entsprach konstruktiv weitgehend dem Audi. 2006 holten die Ingolstädter dann den ersten Le-Mans-Erfolg mit Dieselmotor.

25 Hersteller im Goldenen Buch In den 80 zwischen 1923 und 2012 ausgetragenen Auflagen des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, das von 1953 bis 1974 auch für die Markenweltmeisterschaft gezählt hat, gingen 25 Marken im Gesamtklassement siegreich hervor. Angeführt wird die Erfolgsliste von Porsche mit 16 Siegen (zwischen 1970 und 1998) vor Audi mit 11 (2000–2012), Ferrari mit 9 (1949–1965), Jaguar mit 7 (1951–1990), Bentley mit 6 (1924– 2003) sowie Alfa Romeo (1931–1934) und Ford (1966–1969) mit jeweils 4. Matra holte zwischen 1972 und ’74 drei Pokale, ebenso Peugeot (1992–2009). Je zweimal gewonnen haben Lorraine-Dietrich, Bugatti und TWR-Porsche. Auf je einen Erfolg kamen Chénard-Walcker, Lagonda, Delahaye, Talbot, Aston Martin, Mercedes, Mirage, Renault, Mazda, Sauber-Mercedes, BMW, Rondeau und McLaren. Parallel zum Gesamtsieg wurde 1939 das sogenannte Indexklassement eingeführt; relevant wurde es indes erst in den 50er-Jahren: In jeder Hubraumklasse definierte man aufgrund von Erfahrungswerten eine zurückzulegende Mindestdistanz, die den Index 1 ergab. Wer diesen Wert mit dem höchsten Faktor übertraf, war Frühling 2013 069


Rennsport

Nach der Katastrophe von 1955 wurde die Zielgerade verbreitert und eine neue, zur端ckversetzte Boxengasse gebaut

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RUBRIKEN

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Rennsport

Wahrzeichen: Die Dunlop-BrĂźcke ist fester Bestandteil des Spektakels und bis heute ein beliebtes Foto-Motiv

Nochmal 1959 – es wird ein Aston-Martin-Sieg, eingefahren von Carroll Shelby (am Steuer) und Roy Salvadori (hinter ihm). Auch Firmenboss David Brown und Stirling Moss haben auf dem DBR1 Platz genommen

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Nochmal 1959: Blick von der alten Pressetribüne am Ende der Zielgeraden nach links Richtung Dunlop-Brücke. Hier wird gerade der neue Lotus Elite von einem Tojeiro verfolgt

Phil Hill wartet 1962 auf das Signal zum Losspurten Richtung Ferrari. André Simon steht hinter ihm und scheint es lässiger anzugehen

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Durch die Dunkelheit: nächtlicher Boxenstopp 1962 des Aston Martin P 212 von Hill/Ginther

Helden 1964: Ein Ford GT40, ein Maserati 151/3, ein Ferrari 250 GTO und der letztlich siegreiche Ferrari 275 P biegen am Ende der Geraden von Hunaudières in die langsame Kurve bei Mulsanne ein

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Rennsport

Indexsieger, was in den meisten Fällen mit eher kleinvolumigen Wagen glückte. Dieses Indexklassement war nach dem Krieg vor allem auf französische Wagen zugeschnitten, weil es damals viele kleinvolumige Rennkonstruktionen mit getunten Motoren von Simca, Renault, Peugeot oder Panhard gab. Andere Häuser wie Lotus machten sich diese Regelung zunutze und holten gleich mehrere Indextitel.

Prominente Namen Vor einigen Jahrzehnten haben auch Grand-Prix-Piloten regelmässig an den 24 Stunden von Le Mans teilgenommen. Grössen wie Alberto Ascari, Giuseppe Farina, Juan Manuel Fangio, Stirling Moss, Jim Clark oder Jackie Stewart gingen auf dem Circuit im Département de la Sarthe an den Start. Seit den 1980ern sucht man in den Startlisten jedoch vergeblich nach Formel-1-Koryphäen: Meistens schliessen ihre Teamverträge ein Langstreckenrennen aus; davon abgesehen lässt die ständig zunehmende GP-Zahl (aktuell 20, bis vor ein paar Jahren kamen noch viele Tests dazu) kaum Spielraum übrig. Immerhin, im Goldenen Buch der 24 Stunden von Le Mans figurieren auch die Namen prominenter Piloten aus dem GP-Bereich. 1933 siegte der legendäre Tazio Nuvolari auf Alfa Romeo, 1937 und 1939 gewann Jean-Pierre Wimille auf Bugatti, 1952 war es Hermann Lang auf Mercedes (Europameister 1939), 1954 führte Froilan Gonzalez (WM-Zweiter 1954) Ferrari zum Sieg, 1955 überquerte Mike Hawthorn (Weltmeister 1958) auf Jaguar als Erster die Zielgerade, zwischen 1958 und 1962 sass Phil Hill (Weltmeister 1961) dreimal im Cockpit der siegreichen Ferrari, auch Jochen Rindt (Weltmeister 1970) führte 1965 einen Ferrari zum Titel. 1967 war das Jahr der Ford-Piloten Dan Gurney (vierfacher GP-Sieger) und A.J. Foyt

(vierfacher Indianapolis-Sieger), es folgten die Serienerfolge von Jacky Ickx auf Ford, Mirage und Porsche (sechsfacher Le-MansSieger und achtfacher GP-Sieger).

Helden der Ausdauer Früher konnte ein Fahrer beliebig lange am Steuer sitzen, ehe er vom Teamkollegen abgelöst wurde. Und es gab auch besonders ehrgeizige Piloten, welche das 24-Stunden-Pensum unbedingt solo zu bewältigen versuchten. Der Franzose Louis Rosier, der 1950 mit seinem Talbot T 26 GS gewann, liess sich nur während zwei bis drei Runden von seinem Sohn Jean-Louis ablösen. Auch sein Landsmann Pierre Levegh wollte es 1952 wissen und fuhr ohne Ablösung, aber 70 Minuten vor Ablauf der 24. Stunde, als er das Rennen mit seinem Talbot T 26 GS mit vier Runden Vorsprung auf die Mercedes 300 SL anführte, erlitt sein Sechszylinder einen schweren Defekt – und die Stuttgarter fuhren daraufhin einen Doppelsieg nach Hause. Neue Regeln Damals war ein 24-stündiger Einsatz eines Piloten noch denkbar, weil die Flieh- und Querkräfte in den Kurven, beim Beschleunigen und Bremsen nicht so horrend hoch waren. Ganz anders sieht es bei modernen Konstruktionen aus, die via Aerodynamik einen starken Abtrieb erzeugen und auch über sehr leistungsstarke Bremsen verfügen. Schon die Heldentat Leveghs hatte die Verantwortlichen dazu veranlasst, Dauereinsätze der Piloten auf ein erträgliches Mass zu reduzieren: Ab 1953 durften die Fahrer während maximal 80 Runden ununterbrochen am Steuer sitzen; für das ganze Rennen war der Einsatz einzelner Piloten auf 18 Stunden limitiert. 1956 wurden es 72 Runden oder 14 Stunden insgesamt, 1960 waren

Ehrenstarter Henry Ford II senkt 1966 das Tricolore und schon sprinten die Fahrer zu ihren Wagen

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Ferrari residiert in den 60er-Jahren jeweils in einer Halle des alten Schlachthofes von Le Mans. Ganz rechts steht Nino Vaccarella, der Sieger von 1964, neben Jean Guichet

Der kleine RenĂŠ Bonnet hat 1963 Pech, doch sein Fahrer Roger Masson bleibt glĂźcklicherweise unverletzt

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Rennsport Dösende Zuschauer am Sonntagmorgen: Wer die ganze Nacht am Rennstreckenrand verbracht hat, braucht anschliessend etwas Ruhe

Unterhaltung jeglicher Art: Zirkusbuden haben in Le Mans Tradition. Nur die Art der angebotenen Attraktionen hat sich inzwischen etwas geändert

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Ende 60er-Jahre: Freie Bahn auf der Partie zwischen Maison Blanche und dem Zielbereich, bevor dieser Streckenabschnitt neue Schlaufen und Bremskurven aufweisen sollte Karambolage 1966: CD Peugeot SP 66, Ferrari 330 P und Matra M 620 sind gestrandet,w채hrend der Porsche 906/6 LH von Siffert/Davis dem vierten Rang entgegenf채hrt

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Rennsport

Im Eiltempo wird 1974 der Porsche Turbo RSR von Müller/van Lennep betankt. Das Auto erringt Gesamtrang 2 hinter dem Matra MS 670 B

Die Phase der überlegenen Gruppe-C-Porsche 956 und 962 setzt ein: 1982 belegt der völlig neuartige Typ 956 die drei ersten Plätze mit Ickx/Bell, Mass/Schuppan und Haywood/Barth

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In jüngster Zeit sind die Audi fast unschlagbar. Zwischen 2000 und 2012 haben sie das 24-Stunden-Rennen elfmal gewonnen. Mehr Siege, deren 16, kann nur Porsche vorweisen

nur noch 52 Umläufe am Stück erlaubt. Schon 1953 hatte man im Reglement erstmals ausdrücklich festgehalten, dass ein Zusatzfahrer (also ein dritter Pilot) teilnahmeberechtigt sei. Ab 1970 durfte in Le Mans ein Fahrer maximal bis zu vier Stunden lang an einem Stück pilotieren, dann hatte die Ablösung zu erfolgen. Kamen früher pro Fahrzeug in der Regel nur zwei Piloten zum Einsatz, waren es ab 1973 immer öfter drei Mann; heute sind selbst vier Fahrer keine Seltenheit. Auch die zurückzulegende Mindestdistanz zwischen zwei Tankstopps ist ab 1954 limitiert worden: Vorgeschrieben waren nun 30 Runden oder 400,7 Kilometer – eine Regelung, die oft geändert werden sollte. Und es gab noch weitere Vorschriften: Um ausschliesslich noch einsatzfähige Autos ins Klassement aufzunehmen, wurde schon in den fünfziger Jahren entschieden, dass ein Wagen seine letzte Rennrunde in maximal 20 Minuten zu bewältigen hatte – ab 1964 waren es noch 15 Minuten.

Viele Kategorien Einen separaten ausführlichen Beitrag ergäbe die Beschreibung aller im Verlaufe der Jahrzehnte ausgeschriebenen Wagenkategorien: Tourenwagen, Sportwagen, Gran-TurismoWagen, Sportprototypen bis hin zu den heutigen LMP1, LMP2, GTE oder GT1 mit den vielen Gewichts- oder Hubraumlimiten, mit oder ohne Aufladung. Aber das ist eine andere Geschichte.

Andere Bräuche Ab 1964 bereitete Ford mit seinen GT 40 und den 1965/66 folgenden GT Mark II und GT Mark IV seine mehrjährige Le-Mans-Dominanz vor; schon 1966 fuhr der Gigant aus Detroit erstmals ganz oben aufs Treppchen. Die Amerikaner betrieben einen viel grösseren Aufwand als andere; ihre imposanten und besteingerichteten Werkstattwagen im Fahrerlager sorgten für neue Dimensionen. Ford war auch das erste Team, das sogar einen Küchenwagen in den Paddock stellte, um die umfangreiche und einheitlich gekleidete Mannschaft an Ort und Stelle zu verpflegen. Die meisten Mannschaften zogen sich damals noch in reservierte Garagen von Le Mans und Umgebung zurück. Die offiziellen Ferrari wurden beispielsweise in einer Halle des einstigen Schlachthofes gewartet. Immer wieder mussten die Mechaniker neugierige Buben oder Autogrammjäger zurückweisen. Der Porsche-Tross nistete sich jahrelang bei einem Garagier in der kleinen Ortschaft Téloché ein, die über die Hunaudières-Gerade erreicht werden konnte. Der Garagenbesitzer stellte den Männern aus Zuffenhau080 VECTURA #6

sen gegen gutes Geld nicht bloss die Werkstatthalle mit dem angrenzenden Hof, sondern auch gleich sein ganzes Haus zur Verfügung. Hier wohnten die Mechaniker, während die Familie des Garagiers während der Rennwoche bei Verwandten und Freunden Unterschlupf fand. Das waren die guten alten Le-Mans-Zeiten. Heute ist alles viel rationeller, indem die Teams ihre Werkstattwagen und Transporter im Fahrerlager hinter dem «Flugzeugträger» in Reih und Glied auf genau bezeichneten Feldern aufstellen: Dort wird dann während mehreren Tagen gearbeitet und gegessen. John Wyer, der erfolgreiche AstonMartin- und Gulf-Teamchef, pflegte jahrelang während der Le-MansWoche (die Wagenabnahme begann schon am Dienstag vor dem Rennen) seine Zelte in der Nähe von Arnage in einer Werkstatt neben dem noblen Hotel de France aufzuschlagen. Heute unvorstellbar: In den Fünfzigerjahren fuhren etliche Engländer wie Jaguar und Aston Martin gut und gerne mit ihren Einsatzfahrzeugen nach Le Mans. Schön ist der noch teilweise zelebrierte Brauch, sich am Abend vor dem Rennen auf einem Platz im Stadtzentrum einzufinden. In den alten Tagen pflegten verrückte Automobilisten mit ihren privaten Wagen eine Show zu bieten, indem sie wie wild um den Platz kurvten. Von der Polizei wurde das meist stillschweigend toleriert, während das grölende Publikum applaudierte. Eines hat sich derweil nie geändert: Le Mans, das ist immer noch ein Spektakel der Extraklasse. Nirgendwo sonst lässt sich Motorsport so intensiv erleben wie beim nächtlichen Treiben in der Boxengasse, wenn hektisch getankt oder repariert wird. Wie es sich für einen Vollgas-Thriller gehört, kann sich das Blatt noch in der letzten Stunde wenden. 2013 wird es spannend sein zu sehen, wer in der LMP1Klasse den souveränen Audi R18 Paroli bieten kann. Wie es am Sonntagnachmittag um 16 Uhr auch ausgehen mag – der Le-MansLegende wird dann ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden.

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