pfeffer Ausgabe 01_12

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pfeffer

das gewürzmagazin

AUSGABE

1|2012

Dijon-Senf aus dem Burgund

Im Land

der Gourmets

Nur für ganze Kerle

Europameister der Angst

Ein Mann vom Grill: BEEF!-Chefredakteur Jan Spielhagen über die schönste Zeit des Jahres: die Grillsaison – und ihre männlichen Eigenarten

Vo r s i c h t L e b e n s m i t t e l : S t a t i s t i k p r o f e s s o r Wa l t e r K r ä m e r ü b e r die deutsche „Liebe“ zur Angst, die sich auch in unseren Medien wiederfindet


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber von „pfeffer – das gewürzmagazin“ ist der Fachverband der Gewürzindustrie e. V. in Bonn. Der Verband vertritt rund 70 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.

I

m fünften Jahr gibt es nun schon „pfeffer“, unser Gewürzmagazin. Es ist uns über die Zeit ans Herz gewachsen und deshalb haben wir uns und natürlich Ihnen, unseren Lesern, ein Geburtstagsgeschenk gemacht: Ab jetzt finden Sie alle bislang erschienenen „pfeffer“-Ausgaben in unserem WebArchiv. Unter www.gewuerzindustrie.de/pfeffer können Sie nach Herzenslust in allen Magazinen blättern. Wie Sie bereits auf der Titelseite gesehen haben: In unserer aktuellen Ausgabe geht es zünftig zu. Denn es geht um den Senf. Neben den Deutschen lieben ihn vor allem die Franzosen – und so haben wir bei unseren Nachbarn einfach mal in die Senf-Töpfe geguckt (Seite 4 und 5). Danach haben wir uns mit Jan Spielhagen, Chefredakteur des Männer-Kochmagazins BEEF! unterhalten. Das lag dem Senf nahe, denn unser gemeinsames Thema war: das Grillen. Ob Männer hierfür eine besondere Leidenschaft hegen, wollten wir von ihm wissen. Er hat unsere Frage mit viel Leichtigkeit beantwortet (Seite 6 und 7). Da ein ordentliches Barbecue auch etwas Süßes zum Dessert verträgt, haben wir uns anschließend dem anderen Sommerklassiker zugewandt: der Eiscreme. Wie sie – verfeinert mit wunderbaren Gewürzen – ganz leicht selbst zu machen ist, weiß Sternekoch Johann Lafer auf den Seiten 8 und 9. Pfeffer, Chili und Curry sind mit von der Partie.

IMPRESSUM: pfeffer – das gewürzmagazin © Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 1/2012, erschienen im April 2012 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151, D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de

Wer jetzt Angst vor dem Unbekannten bekommt und lieber Stracciatella treu bleibt, dem sei der Artikel „Die deutsche Lebensmittelangst“ empfohlen. Statistikprofessor Walter Krämer hat uns und unsere Medien unter die Lupe genommen. Was dabei im Europavergleich herauskam, berichten wir auf den Seiten 10 und 11. Einen köstlichen Grill- und Eiscreme-Sommer wünscht

Redaktion/Gestaltung: Kerstin Rubel, Susanne Del Din Druck: diba Druck Diefenbach GmbH, Köln Bildnachweis: Historische Senfmühle Monschau Shutterstock Verlag Gräfe und Unzer Verlag Zabert Sandmann

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Dirk Radermacher Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes der Gewürzindustrie e. V.


Inhalt

Titelthema

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Traditionsreicher

Senf aus Dijon Der gelbe Schlüssel zum Schlaraffenland 6

Im Gespräch Nur für ganze Kerle Jan Spielhagen, BEEF!-Chefredakteur, über Männer am Grill

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Lebensart & Geschmack Eiscreme mit Feuer Johann Lafer setzt auf Pfeffer, Chili und Curry

10 Expertise Die deutsche Lebensmittelangst – Statistikprofessor Walter Krämer über falsche Skandale und aufgebauschte Risiken

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Aus der Geschichte Die Nase des Pharao Gewürze des alten Ägyptens

14 Wurst & Co. Eine Frage des Fingerspitzengefühls Mit Leidenschaft: Heinz-Werner Süss, Metzgermeister und neuer DFV-Präsident

15 Forschung & Technik Mit jedem Bissen gesund Griffbereite Naturheilmittel aus dem Gewürzregal

16 Kurz & knapp Meldungen aus der Welt der Gewürze

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Länderbericht

Der zum Über Jahrhunderte galt Dijon als das unangefochtene Zentrum der weltweiten Senfherstellung. Und wer sich von dieser langen Tradition und der köstlich gelben Paste in das schöne Burgund locken lässt, der findet sich, welch ein Glück, im Land der Gourmets wieder. Die deutsch-französische Freundschaft eint ihre Liebe zum flüssigen Senf. Warum? Vielleicht weil seine verdauungsfördernde Wirkung deftige Hausmannskost noch ein wenig genussvoller macht. Auf jeden Fall aber, weil er von würzig-scharf bis süßlich-mild ein wahres Geschmacksfeuerwerk abzuschießen weiß. Seine Grundsorten – scharf, mittelscharf und süß – entstehen aus braunen, gelblich weißen oder schwarzen Körnern. Deren Schärfe sich übrigens dann erst zeigt, wenn ihre Schalen geknackt sind

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und Wasser dazufließt. Natürlich kommt auch das ganze Korn zur Verwendung: in Marinaden etwa, wo es einerseits würzt, andererseits mit seiner antibakteriellen Wirkung für lange Haltbarkeit sorgt. Auch als Küchengewürz kommt es immer mal wieder in den Topf, dann aber bitte kurz vor dem Servieren, denn ab 50 Grad verliert es Aroma und Schärfe. Das Senfkorn selbst besteht übrigens zu einem Drittel aus Öl, das sich, goldgelb und mit nussigem Geschmack, leicht auspressen lässt. Überhaupt ist das Kreuzblütengewächs denkbar anspruchslos, so dass in seinen Hauptanbaugebieten, Kanada und die Ukraine, sogar aus dem Flugzeug gesät werden kann. DÜSSELDORFER BRUDER

Seinen Ursprung findet das Heil- und spätere Gewürzmittel in China. Mit den klassischen Stationen – Ägypten, Griechenland, Rom – gelangte der


Länderbericht

Traditionsreicher Senf aus Dijon

gelbe Schlüssel Schlaraffenland Senf über mittelalterliche Klöster schließlich in deutsche Gefilde. Die gelbe Paste kam hier im 18. und 19. Jahrhundert in große Mode. Doch schon seit dem Mittelalter stellten die Franzosen ihren scharfen Dijon-Senf aus schwarzen Körnern her. Da diese nur schwer und in Handarbeit zu ernten sind, haben sich heute die braunen Samen durchgesetzt. Gereinigt, aufgebrochen und von ihren Schalen befreit, werden sie mit Granitmühlen vermahlen. In Gesellschaft von Gewürzen und Verjus, dem Saft unreifer Trauben, entsteht der Tafelsenf. Da beim nicht entölten Dijon-Senf die Samenschale fehlt, fällt seine Färbung blassgelb aus. Sein deutscher Bruder ist der Düsseldorfer Löwensenf, er wird nach dem gleichen Verfahren hergestellt. Einen wirtschaftlich ganz entscheidenden Unterschied zwischen Düsseldorf und Dijon gibt es allerdings: „Moutarde de Dijon“ ist keine geschützte Herkunftsbezeichnung. Er darf in seiner traditionellen Rezeptur von jedermann und allerorten hergestellt werden. Für die Stadt hatte dies gravierende Folgen: Seit 2009 stellt Dijon keinen Senf mehr her, die letzte Fabrik schloss ihre Tore und ging in einem internationalen Lebensmittelkonzern auf. Damit fand eine jahrhundertealte Tradition ihr Ende. LANDSTRICH FÜR GOURMETS

Das allerdings ist kein Grund, das schöne Dijon zu meiden. Denn schon der Weg dorthin, durch das

verträumte Burgund, verläuft geradezu „schlaraffenlandig“: Auf den Wiesen rechts und links grasen friedliche Charolais-Rinder, in den Ställen gackern Bresse-Hühner, in den sommerwarmen Böden wachsen kostbare Trüffeln. Auf den üppigen Weinbergen des Chablis hängen die weißen Trauben, auf denen der Côte de Beaune oder der Côte de Nuits die roten. Und so wundert es nicht, dass die traditionsreichen Landesgenüsse – wie Bœuf de Bourgogne oder Coq au Vin – von ihrem weinseeligen Saft durchdrungen sind. Von den Weinbergschnecken der Region gar nicht erst zu sprechen. Wie gut, dass der Landstrich so viel guten Käse zu bieten hat, so muss man sich auch um das Dessert nicht sorgen. Mon dieu, welch ein Fest! In der Bourgogne scheint die Zeit – wie wohltuend – ein wenig stehen geblieben zu sein. Die Landwirtschaft prägt immer noch die gesamte Region und selbst das Zentrum Dijon offenbart eine verträumte Altstadt, die gar zu den schönsten Frankreichs zählt. Sie lädt dazu ein, an ihren schmucken denkmalgeschützten Fachwerkhäusern aus dem 15. Jahrhundert entlangzuflanieren, auf ihrem quirligen Markt einzukaufen, um dann den weiteren Tag in einem Café auf der Terrasse zu vertrödeln. Natürlich in der goldenen Nachmittagssonne. Und während man so dasitzt, kann schon einmal die Frage aufkommen: Ob wohl in Dijon der Schlüssel zum Schlaraffenland vergraben liegt? ❦

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Im Gespräch

Jan Spielhagen, BEEF!-Chefredakteur, über Männer am Grill

Nur für ganze Kerle Ein Mann, ein Grill, ein Fleisch. Lässt sich das Barbecue, das größte aller Sommerthemen, wirklich auf diese simple Trilogie reduzieren? Wenn das einer wissen muss, dann Jan Spielhagen, Chefredakteur des hochglänzenden MännerKochmagazins BEEF!. Ein Grill-Gespräch mit Leidenschaft.

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Im Gespräch

Frauen kochen, Männer grillen. Stimmt das?

Ja, dann glitzern die Augen ...

„Ja, es ist ganz einfach: Männer sind gerne draußen, sie beschäftigen sich am liebsten mit Technik und etwas Handwerklichem. Außerdem benutzen sie – anders als Frauen – ihren Grill wie eine Küche.“

„Richtig, ein Auge glitzert für das Fleisch und das andere für den Grill an sich. Männer lieben einfach Technik in all ihren Details – und Profigrills bieten davon jede Menge. Außerdem sammeln Männer gerne: besondere Kochutensilien, besondere Weine, aber auch spezielles Wissen. Männer wollen immer eine Geschichte erzählen. Frauen ist so ein Fachwissen meistens egal, sie interessieren sich einfach für zu viele Dinge parallel. Männer sind gerne in einer Sache Experte – ob beim Fußball oder beim Grillen. Und natürlich hat das auch etwas mit Angeberei zu tun.“

Wie stelle ich mir das vor? „Sie benutzen ihn einfach für alles. Wir haben unsere Grillsaison am 1. Januar eröffnet. Auf dem Rost lag ein Krustenbraten und daneben stand ein großer Topf mit dem Glühwein. Für solche Zwecke hat unser Gasgrill noch ein Extra-Flämmchen. Sehr praktisch.“

Gutes Thema: Gas, Elektro, Holzkohle. Was ist des Grillens letzter Schluss? „Gas ist eindeutig auf dem Vormarsch und trotzdem wird ein Großteil der deutschen Männer immer der Holzkohle treu bleiben. Sie glauben, das Fleisch schmecke dann besser. Was im Übrigen Quatsch ist.“

Tatsächlich? „Der typische Grillgeschmack entsteht, wenn Fleischsaft auf ein extrem heißes Medium tropft, verdampft und dann wieder das Grillgut umhüllt. Was für ein Medium dabei heiß ist, ist dem Saft und dem Fleisch so ziemlich egal.“

Ist die Liebe zur Holzkohle etwas typisch Deutsches? „Ja, aber auch etwas typisch Türkisches und Kroatisches. Ganz anders sehen die Traditionen in Kanada, Amerika oder Skandinavien aus. Dort steht im Garten eher ein Gas- als ein Holzkohlegrill.“

Was kommt beim männlichen Geschlecht nun auf den Grill. In erster Linie Fleisch – oder? „Also, als Hamburger grille ich mindestens ebenso viel Fisch. Aber grundsätzlich ist es schon richtig: Männer mögen es eher deftiger als Frauen. Außerdem empfinden sie Fleisch als ihre Domäne und darin sind sie auch gerne etwas ‚lauter‘. Motto: Ich brauche heute ein ordentliches Steak!“

Würden Sie diese Persönlichkeitsbeschreibung auch beim typischen BEEF!-Leser vornehmen? „Unsere Leser sind Männer, die von Herzen gerne kochen wollen – nicht müssen. Sie freuen sich darauf wie auf ein Hobby, zu dem sie nur alle paar Wochen kommen. Dabei geht es nicht um Zeit, Gesundheit oder Haushaltskasse. Es geht um ausschweifendes und leidenschaftliches Zubereiten von ausgesuchten Lebensmitteln – mit der richtigen Technik. Und natürlich um gutes Essen und Trinken.“

Wie stelle ich mir also den perfekten Grilltag eines modernen Hobbykochs vor? „In etwa so: Drei Wochen vorher wird ein Spanferkel beim Metzger bestellt und natürlich kurz vorher persönlich abgeholt. Parallel hat der Weinhändler des Vertrauens noch ein paar ganz besondere, korrespondierende Flaschen besorgen können. Am Tag selbst geht es morgens auf den Markt, mittags klingelt dann schon der erste Freund, der beim Julienneshacken hilft, das Spanferkel begutachtet und schon mal den Wein verkostet. In dieser Art geht es dann weiter. Das präzise Handwerk, aber auch die Details mit all ihren Geschichten sind dabei entscheidend! Bis zur besonderen Pfeffermühle oder zum schwarzen Salz aus Hawaii, das dann ganz zum Schluss auf das frisch aufgeschnittene Fleisch gestreut wird. So ein Tag ist wirklich ganz wunderbar.“ ❦

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Lebensart & Geschmack Johann Lafer setzt auf Pfeffer, Chili und Curry

Eiscreme mit Feuer

Die Rezepte entstammen dem Kochbuch „ D e r g r o ß e L a f e r. D i e Kunst der einfachen Küche“ (Gräfe und Unzer).

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Lebensart & Geschmack

Was ist ein Sommer ohne Eiscreme? Sternekoch Johann Lafer kann sich das ebenso wenig vorstellen wie wir. Drei wunderbare Eisrezepte sind ihm also aus der Feder geflossen, die den Sommer 2012 gewiss ein bisschen „heißer“ machen.

ERDBEER-PFEFFER-EIS

Für 750 ml: 1 EL grüner eingelegter Pfeffer, 500 g reife Erdbeeren, 250 ml Milch, 250 ml Schlagsahne, 100 g Zucker, 2 Eier (Größe M), 2 Eigelbe (Größe M) Den Pfeffer hacken. Die Erdbeeren unter fließendem Wasser abbrausen, gut abtropfen lassen, putzen und vierteln. Milch mit dem Pfeffer in einen Topf geben, die Sahne zugießen. Zucker in die Sahnemischung streuen und aufkochen. Eier und Eigelbe mit einem Schneebesen in einer großen Schlagschüssel verrühren. Die Schüssel auf ein heißes Wasserbad setzen. Die heiße Pfeffersahne unter ständigem Rühren zu den Eiern gießen. Die Masse über dem heißen Wasserbad dickschaumig aufschlagen.* Die Eismasse von dem Wasserbad nehmen, die Erdbeeren zufügen, mit einem Pürierstab fein mixen und durch ein Sieb in eine Schüssel gießen. Die Eismasse in einer Eismaschine cremig gefrieren.

C U R RY- K O K O S - E I S

Für 750 ml: 250 ml Milch, 250 ml Kokosmilch, 100 g Zucker, 1 EL Currypulver, 2 Eier (Größe M), 2 Eigelbe (Größe M) Milch, Kokosmilch, Zucker und Currypulver in einem Topf aufkochen. Eier und Eigelbe mit einem Schneebesen in einer großen Schlagschüssel verrühren. Die Schüssel auf ein heißes Wasserbad setzen.

Die Milch unter ständigem Rühren zu den Eiern gießen. Die Masse über dem heißen Wasserbad dickschaumig aufschlagen.* Die Eismasse von dem Wasserbad nehmen und durch ein Sieb in eine Schüssel gießen. In einer Eismaschine cremig gefrieren.

SCHOKOLADEN-CHILI-EIS

Für 750 ml: 100 g Zartbitterschokolade, 1 kleine rote Chilischote (getrocknet), 250 ml Milch, 100 g Zucker, 250 ml Schlagsahne, 2 Eier (Größe M), 2 Eigelbe (Größe M) Die Schokolade fein hacken. Chilischote aufbrechen, Kerne entfernen und fein hacken. Milch mit Chili, Zucker und Sahne in einem Topf aufkochen. Eier und Eigelbe mit einem Schneebesen in einer großen Schlagschüssel verrühren. Die Schüssel auf ein heißes Wasserbad setzen. Die heiße Chilisahne unter ständigem Rühren zu den Eiern gießen. Die Masse über dem heißen Wasserbad dickschaumig aufschlagen.* Die Eismasse vom Wasserbad nehmen, gehackte Schokolade unter Rühren darin auflösen. Die Masse durch ein Sieb in eine Schüssel gießen und in einer Eismaschine cremig gefrieren. ❦

* Bei einer Temperatur von 70 bis 80 Grad bindet die EiSahne-Mischung. Die Konsistenz der aufgeschlagenen Masse prüfen, indem man mit einem Löffel durch die Masse zieht. Wenn sich beim Pusten auf dem Löffelrücken eine „Rose“ bildet, ist die richtige Konsistenz erreicht.

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Expertise Statistikprofessor Walter Krämer über falsche Skandale und aufgebauschte Risiken

Die deutsche

Lebensmi Angst, Panik, Aufregung. In diesen Disziplinen sind die Deutschen und ihre Medien Europameister. Das jedenfalls sagt Walter Krämer, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Seine Forschungsbilanz: Die deutschen Medien sind Spitzenreiter, wenn es darum geht, Risiken und Gefahren herauszustellen und damit Angst zu machen. Und: Das deutsche Publikum ist überproportional dazu bereit, auch wirklich Angst zu haben.

Ob Eier, Gurken, Zimtsterne, Rinder-, Schweineoder wahlweise Hühnerfleisch. „Lebensmittelskandale werden gerade hierzulande aufgebauscht und Gesundheitsrisiken medial übertrieben“, ahnte Walter Krämer schon lange, dann machte er sich an die wissenschaftliche Arbeit: Er wertete über elf Jahre die Berichterstattung großer englischer, französischer, italienischer, spanischer, polnischer und deutscher Tageszeitungen aus, indem er elektronische Archive nach Angstvokabeln wie „BSE“ oder „dioxinbelastet“ durchsuchte. Sein Ergebnis: Die deutsche Presse bemühte Vokabeln dieser Art doppelt bis viermal so häufig wie andere europäische Medien. Wer jetzt „typisch Boulevard“ denkt, hat weit gefehlt: „Die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau publizierten drei- bis viermal mehr Angstmeldungen als El País in Spanien, Le Figaro in Frankreich oder La Repubblica in Italien“, zählt Krämer auf, der außerdem in dem Konjunk-

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tiv „könnte“ ein Stilmittel der Panikmache erkannte, hinter dem sich der sogenannte Qualitätsjournalismus viel zu oft verstecke. „Könnte krebserregend sein, könnte im Verdacht stehen, könnte die Gesundheit gefährden – Formulierungen dieser Art schüren oft grundlose Angst.“ S Z E N E N A U S D E M U RWA L D

Besonders Lebensmittel stehen im Angstfokus der Deutschen und ihrer Medien. Nicht ohne berechtigten Grund: Die Sorge, eine giftige Beere oder einen ungenießbaren Pilz zu verzehren, sitzt fest in unseren Genen und stammt aus fernen Urwaldzeiten. Mit denen lässt sich auch unser Unvermögen begründen, mit Zahlen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen adäquat umzugehen. „Wenn wir von drei Pikogramm Dioxin sprechen, dann sind drei Billionstel Gramm gemeint. Eine unvorstellbar kleine Menge, aber aus der Zahl Drei leiten wir eine gewisse greifbare Größenordnung für uns ab.“ Gleichzeitig werden die modernen Analysemetho-


Expertise

ittelangst den immer feiner und so entstehen stetig neue Messwerte, die zu vermelden sind. Schon „ein Zuckerwürfel, aufgelöst im Starnberger See, wäre heute ohne jeden Zweifel nachzuweisen“. Der allerdings wäre nur halb so schlimm, wirklich ins Gewicht fallen würde eine künstliche Substanz, denn die gilt generell als schädlich. So setzt bei vielen Zeitgenossen das Denken aus, sobald sie nur den Namen einer unverständlich klingenden chemischen Zusammensetzung hören. Und sei es auch nur Dihydrogenmonoxid – was nichts anders als H2O, also Wasser ist.

Erklärungen und findet sie beispielsweise im deutschen Bauchgefühl. Diesem traue der Teutone – ob seiner romantischen Herkunft im Dichterland – besonders gerne, obgleich es ihn angesichts von Pikogramm und Dioxin in die abstrakte Irre führe. Der Wissenschaftler Krämer setzt lieber auf Aufklärung und Vernunft. Und auf praktisch gesunden Menschenverstand. Sein Tipp für den nächsten medialen Supergau: „Fragen Sie sich: Wird gemeldet, wie viel Gift gefunden wurde und ab wann es gefährlich wird? Wenn nicht, sofort in den Papierkorb damit.“ ❦

TEUTONEN MIT BAUCHGEFÜHL

Völlig unproportional zur aufgeregten Angst, vergiftet zu werden, verhält sich die Lässigkeit, mit der vermeidbare Todesfälle stoisch hingenommen werden: Pro Jahr sterben beispielsweise fast 50.000 Menschen aufgrund von zu viel Alkoholkonsum und etwas mehr noch nach zu viel Tabakgenuss. Dagegen: „Bis heute ist an BSE in Deutschland noch kein einziger Mensch gestorben, aber die dadurch verursachte Panik hat uns Steuerzahler rund eine Milliarde Euro und zahlreiche Landwirte das Vermögen gekostet; in England haben sich 150 Farmer umgebracht.“ Übrigens in einem Land, das am meisten unter der BSE-Krise litt, deren Medien aber weniger darüber berichteten als unsere. Woher kommt nun aber die weltbekannte „German Angst“? Auch hier sucht Walter Krämer nach

We r w e i t e r l e s e n m ö c h t e , d e r g r e i f e z u m B u c h v o n Wa l t e r K r ä m e r : „ D i e A n g s t d e r Wo c h e . Wa r u m w i r u n s v o r d e n f a l s c h e n D i n g e n f ü r c h t e n “ ( P i p e r Ve r l a g ) .

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Aus der Geschichte

Die duftenden Gewürze des alten Ägyptens

Die Nase des Pharao Welche Gewürze kannte das pharaonische Ägypten? Zahlreiche Gewürze und Kräuter sind in erhaltenen Lebensmittelrechnungen aufgeführt, aber ihre altägyptischen Pflanzennamen sind uns unbekannt. So verhüllt uns vieles der Schleier der Geschichte. Aber nicht alles.

Von entscheidender Bedeutung war der Geruch: beim Kümmel oder auch beim seltenen Pfeffer.

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Aus der Geschichte

Altägyptische Heilmittel: Thymian, Wermut, Koriander.

Theben, Winter 1872/73: Der deutsche Ägyptologe Georg Ebers kauft im Antikhandel eine Papyrusrolle – und macht eine sensationelle Entdeckung. Auf den 18 Metern Papyrus sind über 800 altägyptische Heilmittelrezepte aufgelistet. Der Text entstand 1550 v. Chr., wobei einzelne seiner Teile auf sehr viel älteren Vorlagen beruhen, die vermutlich immer wieder kopiert wurden. Bis heute ist nicht bekannt, ob die Rolle aus einem Privathaus stammt oder aus der Bibliothek eines Lebenshauses, so nannte man Tempeln angegliederte Gebäude, in denen der akademische Nachwuchs untergebracht war. Viele der Rezepturen bauen auf Gewürzen auf. So sollten Wacholderbeeren den Harn treiben und Kumin die Verdauung verbessern. Kreuzkümmel galt als krampflösend und Sellerie als entzündungshemmend. Auch Anis, Bockshornklee, Fenchel, Kalmus, Kardamom, Koriander, Knoblauch, Kümmel, Minze, Mohn, Safran, Senf, Sesam, Thymian und Wermut sind auf der Ebers-Papyrusrolle genannt.

A R O M AT I S C H E W I E D E R E RW E C K U N G

Gewürze und Kräuter, die nicht nur im Krankheitsfalle von Bedeutung waren. Denn fruchtete die Behandlung nicht und verstarb – im ärgsten Falle – der Patient, kamen sie wieder zum Einsatz. Ihren aromatischen Duft schätzten die Einbalsamierer

etwa in ihren Salbölen, die neben Bienenwachs und Harz auch Selleriesamen und Wacholderbeeren enthielten. Da auch wohlriechendes „Füllmaterial“ eingesetzt wurde, konnten Archäologen in der Mumie des Pharao Ramses II. – genauer: in seiner Nase – eine überraschende Entdeckung machen: Pfefferkörner. Sie sind bis heute die einzigen, die aus vorrömischer Zeit in Ägypten gefunden werden konnten. Zu Ramses Zeiten müssen sie aus Indien importiert worden und eine exquisite Kostbarkeit gewesen sein, deren Duft nur ganz wenige Nasen zu riechen bekamen. Die Gewürze Ägyptens besaßen vor allem eine religiöse Bedeutung. Ging es doch darum, den Verstorbenen im Jenseits wieder zu beleben. Intensive, wohltuende Düfte sollten dabei helfen. So griffen auch die altägyptischen Kranzbinder gerne zur wild wachsenden Minze, zum Sellerie oder zum Dill, der aus Palästina eingeführt worden war. Die so entstandenen Girlanden schmückten die Mumien bei ihrem Einzug in das Totenreich. Dort wünschte man ihnen ein Leben, das dem im Diesseits entsprach. Materiell sicherten dies Grabbeigaben und – mehr ideell – Produktdarstellungen auf den Grabwänden. Und so sind auch Wacholderbeeren, Bockshornklee, Kumin, Koriander oder Knoblauch hier zu sehen. ❦

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Wurst & Co. Mit Leidenschaft: Heinz-Werner Süss, Metzgermeister und neuer DFV-Präsident

Eine Frage des Fingerspitzengefühls Eine Wurst ohne Geschmack ist wie ein Fußballspiel ohne Tor. Seit Herbst 2011 ist Heinz-Werner Süss neuer Präsident des Deutschen Fleischer-Verbands (DFV), dem rund 16.000 selbstständige Fleischereien angehören. Ein Metzgermeister aus Leidenschaft, der auf individuelle Produkte setzt, die garantiert ins Tor gehen.

Sie als Pfälzer können uns bestimmt das Geheimnis des original Pfälzer Saumagens verraten ... „Saumagen ist natürlich eine wunderbare regionale Spezialität und die Lieblingsspeise von Altkanzler Helmut Kohl. Majoran, Muskat, Pfeffer, Salz – das sind seine klassischen Gewürze. Jeder Metzger hat dann aber noch seine eigenen Kniffe. Bei uns gehört etwa ganz klein geschnittener Lauch in den Saumagen und zwei, drei Geheimnisse, die ich aber nicht verraten kann.“

Diese „Geheimnisse“ bedeuten ja Individualität. Wie wichtig sind sie für Ihr Handwerk? „Sie sind das Herzstück. Denn was nicht passieren darf, ist, dass die Wurst in Hamburg genauso schmeckt wie in München. Dann gute Nacht, Metzgerhandwerk. Ich rate meinen Kollegen immer, auch alte Rezepturen zu verändern. Seit einem Jahr haben wir zum Beispiel eine grobe Bratwurst im Programm, da hätte vor zehn Jahren noch jeder die Hände über den Kopf zusammengeschlagen. ‚Riesling-Peitsche‘ heißt sie, auf 50 Kilogramm Fleisch kommen fünf Liter trockener Riesling. Außerdem Chili für eine ordentliche Schärfe.“

Honorieren Ihre Kunden Ihren Ideenreichtum? „Natürlich kosten gute Zutaten und Gewürze etwas. Aber wo ich nichts reinstecke, da kommt auch nichts raus. Wenn ich investiere, dann doch

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in guten Geschmack. Am Schluss sind es die Genießer, die bei uns kaufen, und nicht die, bei denen ein gutes Schnitzel vor allem links und rechts über den Teller hängen muss.“

Wie wichtig sind Ihnen als Metzgermeister Gewürze? „Gewürze machen es mir besonders leicht, meinen Waren eine ganz eigene Note zu geben. Ich rate dazu, mit den Zutaten zu spielen, etwas auszuprobieren, Fingerspitzengefühl zu zeigen. Wir haben so wunderbares Material, der Kreativität sind fast keine Grenzen gesetzt. Der Nachwuchs bei den DFV-Wettbewerben zeigt es uns immer wieder.“

Was haben Sie sich für Ihre Zeit als DFVPräsident vorgenommen? „Mein Ziel ist es, erprobtes Wissen an meine Berufskollegen weiterzugeben. Ich komme aus der Praxis und werde auch zukünftig in unserem Betrieb mitarbeiten – da weiß man einfach, wovon man spricht.“ ❦

Heinz-Werner Süss bewirtschaftet einen Familienbetrieb, der seit 110 Jahren besteht und heute sechs Filialen mit 45 Mitarbeitern besitzt. Neben seiner Frau unterstützen ihn seine beiden Töchter, die 2013 – zum 40. Berufsjubiläum des Vaters – das Geschäft übernehmen werden. Stammsitz der Metzgerei Süss ist Weisenheim am Sand in der Pfalz. www.metzgerei-suess.net


Forschung & Technik Griffbereite Naturheilmittel aus dem Gewürzregal

Mit jedem Bissen gesund Husten, Zahnschmerzen, Kopfweh. Gegen alltägliche Gebrechen ist ein Kraut gewachsen. Manchmal auch eine Tüte Chili-Chips, denn der feurige Inhaltsstoff Capsaicin wirkt blutdrucksenkend. Drei weitere, ganz alltägliche Wirkstoffe im Licht der Wissenschaft.

INGWER: GINGEROLE

Ingwer verdankt seinen typischen Geschmack – unter anderem – dem Scharfstoff Gingerole. In seiner chemischen Struktur ähnelt er dem Schmerzmittel Aspirin. Ingwer kann daher nicht nur bei Migräne helfen, die Wurzel hemmt – wie Aspirin – die Zusammenballung von Thrombozyten. Das wiederum kann das Risiko von Blutgefäßverengungen reduzieren und helfen, den daraus folgenden Krankheiten, wie etwa Schlaganfall oder Thrombose, vorzubeugen. GEWÜRZNELKE: EUGENOL

Das ätherische Öl der Gewürznelke besteht zu rund 90 Prozent aus Eugenol. Deshalb kann das Lutschen oder Kauen einer Gewürznelke bei Zahnschmerzen helfen. Eugenol wirkt innerhalb von Minuten örtlich betäubend und antibakteriell, deshalb war es lange Zeit in Zahnfüllungen zu finden. Eine Studie kuwaitischer Zahnmediziner zeigt, dass Nelkenöl ebenso effektiv wie ein gängiges Lokalanästhetikum wirkt. THYMIAN: THYMOL

Das stark antimikrobiell wirkende Thymol ist ein Klassiker in vielen Erkältungsmitteln. Wie weitere Extrakte der Thymianblätter und -blüten kann es gegen hartnäckigen Husten helfen. Eine Studie mit Bronchitis-Patienten untersuchte beispielsweise die Wirkung eines Kombinationspräparats aus Thymian und Primelwurzel. Bis zum neunten Tag reduzieren sich die Hustenanfälle um fast 70 Prozent. Zwei Tage früher als eine Kontrollgruppe, die ein Placebo bekam, fühlten sich die Patienten außerdem wieder besser. ❦

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Kurz & knapp

GEWINN

Schuhbecks Reise in die We l t d e r G e w ü r z e Alfons Schuhbeck hat sich auf die Reise gemacht: zu den Ursprüngen der Gewürze nach Marokko, Syrien, Israel, in den Libanon und in die Türkei. Von diesen Ländern erzählt sein neues, reich bebildertes Koch- und Lesebuch „Meine Reise in die Welt der Gewürze“ (Verlag Zabert Sandmann). Auf rund 400 Seiten kombiniert er seine Reiseberichte mit 150 regionalen Rezepten, die der Sternekoch jedoch auf den europäischen Geschmack zuschnitt. Eine friedvoll-kulinarische Annäherung.

„pfeffer“ verlost drei Bücher.

Ein Ausflug in die alte Zeit: die Historische Senfmühle Monschau Einem Senfmüller über die Schulter zu schauen, ist heute ein seltenes Vergnügen. Möglich ist es in der Historischen Senfmühle Monschau. Zwischen alten BasaltLava-Mühlsteinen wird wie in alter Zeit Moutarde de Montjoie, der Monschauer Senf, hergestellt. Ein Handwerk in drei Arbeitsschritten: zunächst das Einmaischen, dann das doppelte kalte Vermahlen. Heraus kommen 20 Sorten im Steinzeugtopf, die im benachbarten Senflädchen sogleich verkostet werden können. Da geht es scharf zur Sache – mit grünem Pfeffer, Chili oder Meerrettich – und auch süß – Honig-Mohn, Orange und Feige.

Wer ein Exemplar gewinnen möchte, der schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de. Stichwort: Alfons Schuhbeck (Einsendeschluss: 1. Juli 2012). Viel Glück! In der letzten Ausgabe verloste „pfeffer“ drei Rezeptbücher „Gewürze & Aromen“ von Donna Hay. Gewonnen haben Elke Obermüller, Björn Dreizler und Karin Hartnagel. Zwei Tickets für das neue Musical „Kein Pardon“ gewannen außerdem Anna und Adrian Seufert. Herzlichen Glückwunsch!

P Alle bisherigen „pfeffer“-Ausgaben im Web-Archiv: www.gewuerzindustrie.de/pfeffer

Was der Moutarde de Montjoie in der Küche so alles kann, zeigt das liebevoll renovierte Restaurant Schnabuleum, das sich ebenfalls auf dem historischen Firmengelände befindet. Die Senfmühle gründete 1882 Clemens August Breuer gemeinsam mit seinem Bruder. Auch heute liegt der kleine Betrieb, der in Handarbeit nicht mehr als 400 Kilogramm am Tag produzieren kann, in Familienhand. Mehr Infos zu Führungen und Öffnungszeiten unter: www.senfmuehle.de

Senfschatzkistchen zu gewinnen!

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GEWINN

„pfeffer“ verlost drei hölzerne Senfschatzkistchen aus Monschau. Sie enthalten je ein Glas „Freche Senffrüchtchen“ und einen Steinguttopf „Kaisersenf anno 1896“, ein grober Rotisseursenf, der nach einem alten Rezept vom Ururgroßvater entsteht. Angehende Gewinner schicken bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de. Stichwort: Senfmühle (Einsendeschluss: 1. Juli 2012). Viel Glück!


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