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Ausgabe 2/2021

pfeffer

Gewürz- und Kulinarikmagazin

Safran aus Graubünden

Schweizer Kostbarkeiten


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber des Gewürzmagazins pfeffer ist der Fachverband der Gewürzindustrie e. V. in Bonn. Der Verband vertritt rund 90 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.

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eit Corona ist die Welt eine andere. Quasi im Fahrwasser der Pandemie kämpfen hiesige Gewürzunternehmen mit rapide ansteigenden Fracht- und Rohstoffpreisen. Wo die vielfältigen Ursachen – neben dem extrem verteuerten Transport über den Seeweg – liegen, danach sucht pfeffer auf den Seiten 8 und 9. Vielleicht blättern Sie von da aus zurück zu den Seiten 4 und 5. Dort lernen Sie Ralf Schmitt kennen; er leitet im Frankenwald ein Tropenhaus und baut neben exotischen Früchten auch Gewürze wie Chili und Kurkuma an. Eine regionale und zudem klimaneutrale Zukunftsidee? Lesen Sie selbst. Ein Gewürz, das in unseren Breiten auch ohne Glasdach auskommt, ist der Safran. pfeffer nimmt Sie mit nach Graubünden (ab Seite 6), wo eine kleine Gemeinschaft aus rund 30 Safranbauern den kostbaren Krokus kultiviert. Dabei investieren die Schweizer unendlich viel Handarbeit in ihre Naturprodukte und damit ein selten gewordenes Kapital, das für den Gewürzanbau schlechthin steht. Ganz gleich, wo er stattfindet, ohne Handarbeit geht es nicht.

IMPRESSUM: pfeffer – das gewürzmagazin © Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 2/2021, erschienen im Oktober 2021 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151 D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de

Dass die Welt der Gewürze eine globalisierte ist, auch dafür steht unsere neue pfeffer-Ausgabe: Trinken Sie mit uns einen erfrischenden Minztee in Marrakesch (ab Seite 12), kommen Sie mit auf den Weihnachtsmarkt zu einem – indischstämmigen – Punsch (ab Seite 14) oder laden Sie Silvester zum japanischen Yakiniku ein. Was das ist, lesen Sie auf den Seiten 10 und 11. Für heute die besten Grüße von

Text- und Bildredaktion: Kerstin Rubel www.kerstin-rubel.de Gestaltung: Susanne Del Din www.deldindesign.de Druck: Druckerei Kliewer (Limberg-Druck GmbH) Bildnachweis: AT-Verlag, Christian Verlag, Shutterstock (Kamira, elena moiseeva, Stepanek Photography, Brent Hofacker, Sunny Forest, Gts, Tetiana Rostopira, Philippe 1 bo, anna.q, spline_x, Opat Suvi, Artit Wongpradu, najmeh talaghi, Dionisvera, amineartdesign, Veliavik, Kolombo Castro, Rosa Frei, Phuangphet geissler, Marie Sonmez Photography, RudiErnst, Halil ibrahim mescioglu), Unsplash (Chris Yang, Mahdi Dastmard)

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Dr. Markus Weck Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie e.V.


Inhalt

Gärtnermeister Ralf Schmitt leitet Forschungsgewächshaus

Exoten der oberfränkischen Tropen Im Gespräch 4

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Gewürze der Welt

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Klassisch & traditionell

Indischer Weihnachtsmarkt Rotes Gold im Blütenkelch Winterpunsch mit exotischen Gewürzen Das teuerste Gewürz der Welt: Safran

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Expertise

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Aus der Geschichte

„Preise gehen steil nach oben“ Gewürzmarkt: rapide ansteigende Rohstoff- und Frachtkosten

Gewürzhändler im Schnee Kind des Mittelalters: Nürnberger Lebkuchen

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Grill & Co.

Was machen wir eigentlich Silvester? Yakiniku Perfekt für Gäste: japanisch grillen

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Lebensart & Geschmack Tee trinken in Marrakesch Nach Marokko mit Bloggerin Nina Soentgerath

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Kurz & knapp Aus dem Themenreich der Gewürze

Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de

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Im Gespräch

Gärtnermeister Ralf Schmitt leitet Forschungsgewächshaus

Exoten der oberfränkischen Tropen Im Frankenwald wachsen subtropische und tropische Gewürze und Früchte. Auch Süß­ wasserfische, die es gerne kuschelig warm haben, fühlen sich hier wohl. Das kann nicht sein? Doch, im „Klein Eden – Tropenhaus am Rennsteig“ gedeihen auf 3.500 Quadratmetern allerlei Exoten. Sie profitieren von der Abwärme eines benachbarten Glasherstellers. Geschäftsführer Ralf Schmitt im Interview.

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Im Gespräch

Welche Gewürze kultivieren Sie im Tropenhaus? „Chili, Zitronengras oder Basilikum, um ein paar Beispiele zu nennen. Besonders gut gedeihen bei uns Ingwer, Galgant und Kurkuma. Für die Rhizom-Gewächse nutzen wir ein Aquaponic-System: Die Pflanzen wachsen in einer Hydrokultur, die mit dem Wasser aus der Fischzucht-Anlage versorgt wird. Es dient gleichzeitig als Dünger.“

Welche Speisefische züchten Sie? „Nilbuntbarsch und Pacús, beides Süßwasserfische, die es gerne warm haben. Sie sind Allesfresser und verspeisen unsere Fruchtabfälle. In Kürze kommt mit dem Euro­ päischen Wels noch ein einheimischer Vertreter hinzu.“ Das Tropenhaus im oberfränkischen Kleintettau nutzt die Abwärme eines benachbarten Unternehmens. Es produziert Glas und betreibt damit einen energieaufwendigen Herstellungsprozess. In Form von 38 bis 48 Grad heißem Wasser fließt die überflüssige Abwärme ins Gewächshaus. Dort herrschen Temperaturen von 23 bis 32 Grad, je nach Jahreszeit. Das UV-durchlässige Spezialdach des Produktions- und Forschungsgewächshauses nutzt zudem das Sonnenlicht, es werden keinerlei fossile Brennstoffe verbrannt. Aufgefangenes Regenwasser versorgt die Pflanzen und füllt die Fischbecken. Der Pflanzenanbau ist nahezu CO2-neutral, da auch Transportemissionen entfallen. Das abgekühlte Wasser fließt zurück zur Glasfabrik.

Wer kauft Ihre Produkte? „Gastronomen, vor allem aus der Sterneliga, aber auch Privatleute. Das Tropenhaus ist für Besucher geöffnet, viele kaufen im Anschluss gerne bei uns ein. Letztlich sind die Gewürze und Früchte, die wir ernten, aber nur ‚Abfallprodukte‘.“

Ertragreiche Papaya-Topfpflanzen, die sich – statisch sinnvoll – auf dem eigenen Flachdach verteilen lassen, bieten ihnen eine Möglichkeit.“ Im Tropenhaus gedeihen neben Papaya auch Sternfrucht, Guave, Maracuja, Jackfrucht und Zitrusfrüchte. Auch recht unbekannte Arten wie Lulo und Calamondin sind dabei. Zusammen tragen sie im Jahr sechs bis acht Tonnen Obst. Geerntet wird das ganze Jahr über und immer erst dann, wenn die Bio-Früchte wirklich reif sind.

Gibt es auch ein aktuelles Gewürz-Experiment? „Piment! Wir lassen die schwarz-roten Früchte ausreifen, gewöhnlich werden sie ja grün geerntet und dann als Gewürz getrocknet. Frisch schmecken sie wie Heidelbeeren mit einer Spur Piment im Abgang. Das Laub und die Borke eignen sich zudem zum Räuchern, auch so etwas schätzen unsere Sternegastronomen.“

Haben Sie mit einzelnen Kulturen auch schon Schiffbruch erlitten? „Auf jeden Fall. Wie sind an Ananas und Banane gescheitert. Auch Pfeffer und Vanille gestalten sich im Gewächshaus als schwierig, ebenso macht Kardamom wenig Sinn.“

Von wem bekommen Sie Ihre Forschungsaufträge? „Beispielsweise vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz, es hat ein Interesse daran, Flächenfraß zu vermeiden und vorhandene Ressourcen wie Abwärme und Regenwasser zu nutzen. Die Idee zum Tropenhaus hatte ursprünglich der Chef des benachbarten Glasherstellers Heinz-Glas. Die Anlage wurde weitgehend mit EU-Fördermitteln gebaut und 2014 eröffnet, sie befindet sich im Besitz einer gemeinnützigen Gesellschaft.“ i

Abfallprodukte? „Unsere eigentliche Aufgabe liegt in der Forschung. Das Tropenhaus dient als Demons­ trationsobjekt für industrielle Betriebe in Deutschland, die nicht wissen, was sie mit ihrer Abwärme anfangen können. Wir experimentieren für sie, wir untersuchen, welche Exoten sich in Kombination mit Abwärme sinnvoll kultivieren lassen.“

Was wäre ein aktuelles Experiment? „Wir fokussieren uns zunehmend auf einzelne Leitkulturen, zum Beispiel auf die Papaya. In unserem besten Jahr konnten wir auf 400 Quadratmetern bereits 1,5 Tonnen ernten. Bislang haben wir die Pflanzen in Erde gesetzt, jetzt testen wir auf 200 weiteren Quadratmetern Topfkulturen. Die Töpfe besitzen ein Volumen von je 90 Litern, sie lassen sich ganz gezielt mit Nährstoffen und Wasser versorgen, vor allem aber sind sie mobil. Das macht sie interessant für Unternehmen, die ihre Abwärme direkt im eigenen Gebäude verwenden möchten:

Ralf Schmitt besitzt eine betriebswirtschaftliche Ausbildung, er ist zudem Gärtnermeister für Zierpflanzenanbau und absolvierte eine Weiter­ bildung zum Gewürz-Sommelier. Das „Klein Eden – Tropenhaus am Rennsteig“ baute er als Geschäftsführer mit auf.

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Gewürze der Welt

Das teuerste Gewürz der Welt: Safran

Rotes Gold im Blütenkelch

Safran schätzt das gemäßigte Klima, im Schweizer Kanton Graubünden fühlt er sich wohl.

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Spanische Paella, schwedisches Lussekatter, französische Bouillabaisse oder italienisches Risotto Milanese – in vielen Landesküchen hinterließ Safran seine Spuren.

Die komplette Safranproduktion basiert auf Handarbeit, nicht nur bei der Ernte, auch bei der Fortpflanzung.


Gewürze der Welt

Seit 3.700 Jahren reist der Safran um die Welt. Da sein Anbau und seine Ernte unendlich viel Handarbeit beanspruchen, der Ertrag aber minimal bleibt, ist und bleibt er das teuerste Gewürz der Welt. Vielleicht fühlt sich das „rote Gold“ deshalb im Kanton Graubünden so wohl. Denn auch die Schweizer besitzen von jeher ein gutes Händchen für die kleinen, aber auch kostbaren Dinge des Lebens.

Ein unscheinbarer Flecken Land wurde über Nacht zum Blütenmeer. In Hellviolett. Zu Tausenden sind die Krokusse, im Schein des Vollmonds, aus dem Boden geschossen. Jetzt warten sie auf die ersten Sonnenstrahlen, um ihre kostbaren, tiefroten Narben preiszugeben: den Safran. Stets sind es drei Stempelfäden, manchmal aber, wenn die Blüten einer Knolle ineinanderwachsen, auch fünf – die Prinzessin – oder sechs Narben – die Königin. Lediglich ein bis drei Tage blüht der „mondsüchtige“ Krokus. Hat sich sein Kelch einmal geöffnet, bleibt er es auch in der Nacht.

verlieren diese rund 80 Prozent ihres ohnehin geringen Gewichts. Für ein Kilogramm Safran lassen bis zu 200.000 Blüten ihre Stempelfäden. Ihr Gehalt an ätherischen Ölen ist entscheidend für die spätere Qualität. Vor allem der Geruchs- und Geschmacksstoff Safranal verleiht dem Gewürz sein typisches Aroma, das erst mit dem Trocknen entsteht. Nach rund einem Jahr ist es am intensivsten. Dann schmeckt es erdig, harzig, herb, aber auch süß. Sein Duft erinnert an Rosenblüten. Kleinste Mengen genügen, um ein Gericht zu würzen und es goldgelb zu färben.

Damit nicht genug der Besonderheiten: Im Gegensatz zu vielen anderen der rund 230 weltweiten Krokusgewächse blüht der eigenwillige Crocus sativus im Herbst. Erst sprießen die Blätter, etwa vier Wochen später, ab September, folgt die Sprossachse. Rund 30 Safranproduzenten gibt es bereits in Graubünden. Sie haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, sie tauschen Erfahrungen aus und kaufen gemeinsam neue Pflanzknollen ein.

Neben Graubünden gibt es verschiedene Anbaugebiete in der Schweiz. Denn letztlich ist der Safrankrokus genügsam, mit Geduld und etwas Fingerspitzengefühl lässt er sich auch im eigenen Garten anbauen. Die mehrjährige Knollenpflanze mag gemäßigtes Klima, einen trockenen Sommer mit Temperaturen bis 40 Grad und einen feuchten Winter bis minus 20 Grad. Um den Safrananbau in der Schweiz rentabel zu gestalten, gibt es also weniger botanische als vielmehr wirtschaftliche Hindernisse: Das dortige Lohnniveau ist, verglichen mit den großen Anbaugebieten im Iran oder in Indien, hoch. i

Zur Erntezeit sammeln die Schweizer die geöffneten Blüten von Hand, dann trennen sie ihre federleichten Narben ab. Im anschließenden Trocknungsprozess

das teuerste Gewürz der Welt. Wer im Der Crocus sativusSeit ist Jahrhunderten eine antizyklische Mittelalter als Safranfälscher überführt wurde, der bezahlte mit Pflanze, seine Wachstumsphase seinem Augenlicht oder beginnt im August, seine Blütezeit im direkt mit seinem Leben. Der Straftäter wurde mitsamt der gefälschten Ware im Fluss versenkt. September – häufig zum Vollmond.

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Expertise

Essbare Blüten und Blütenblätter

Gewürzmarkt: rapide ansteigende Rohstoff- und Frachtkosten

„Preise gehen steil nach oben“ Wer Waren auf dem Seeweg transportiert, der hat derzeit ein Problem: Die vorherrschende Container-Knappheit ließ Frachtkosten in nicht gekannte Höhen schießen. Auch Unternehmen der hiesigen Gewürzindustrie, die zumeist Waren aus tropischen Anbaugebieten importieren, geraten immer mehr unter Druck. Sie leiden zudem an weltweit anziehenden Rohstoffpreisen. Die Ursachen sind vielfältig.

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Expertise

Nach einer Mitgliederumfrage zur „Preissteigerung von Gewürzen“, zu der der Fachverband der Gewürzindustrie im August aufrief, stiegen die Frachtkosten seit Jahresanfang 2020 um durchschnittlich 520 Prozent. Als Gründe wurden vor allem die bekannte Container-Knappheit genannt, aber auch mangelnde Frachtkapazitäten, gestaute oder komplett gesperrte Häfen und andere Folgen der Pandemie. „Gerade im asiatischen Raum, speziell in China, sind wir froh, wenn unsere Ladung überhaupt auf einen Frachter gelangt“, berichtet Thomas Friedrich, Einkaufsleiter eines großen deutschen Gewürzveredlers. „Unsere Naturprodukte konkurrieren mit hochpreisigen Computer- oder Technikteilen, so sind wir gezwungen, jeden Preis, der aufgerufen wird, zu zahlen“, erzählt er weiter. „Ansonsten bleibt die Ware eben da.“ Während der Frachtkostenanteil bei einer Tonne Knob­lauch beispielsweise im letzten Jahr noch bei drei Prozent gelegen hätte, so ist er mittlerweile bei 20 Prozent angekommen. „Fragen Sie nicht nach der weiteren Entwicklung, die ist eine Wundertüte. Wir stehen in einem extremen internationalen Beschaffungswettbewerb und sehen kein Licht am Ende des Tunnels.“ Mit einer Entspannung rechnen auch die Teilnehmer der Umfrage nicht vor Mitte 2022. Sie verzeichnen stattdessen auch bei den Rohwaren, bei Gewürzen und Kräutern, erhebliche Preissteigerungen: Die häufigsten Angaben, die seitens des Fachverbands gemacht wurden, liegen zwischen 20 und 50 Prozent, aber auch 100 Prozent sind dabei. Tendenz: weiter steigend. „Eigentlich sind alle Gewürze betroffen. Die Steigerungen sind unterschiedlich, aber es gibt kaum ein Gewürz, welches keine Preissteigerung erfuhr“, heißt es in einem Kommentar. Und genau hier liegt die Besonderheit der gegenwärtigen Situation: Wenn früher ein Produkt, eine Anbauregion betroffen war, dann ist es jetzt – nahezu – die ganze Welt. „Die Preise gehen steil nach oben und das auf breitester Front“, bestätigt auch Friedrich. „Ich bin seit über zehn Jahren dabei, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

„Zudem steigt die weltweite Nachfrage nach Gewürzen, gerade im asiatischen Raum, und das Angebot hält nicht mit“, erklärt Friedrich. Stattdessen führe der wachsende Wohlstand in den Erzeugerländern zu einem spürbaren Arbeitskräftemangel. „Ich erinnere mich noch gut an meinen letzten Aufenthalt auf den Bangka Island im Indischen Ozean“, führt er an einem Beispiel aus. „Noch vor ein paar Jahren wuchs dort Pfeffer in großen Mengen, viele Einheimische arbeiteten auf den traditionell bewirtschafteten Plantagen. Heute will kaum noch jemand Pfeffer pflücken, die neuen Jobs, die außerhalb der Landwirtschaft entstanden sind, ziehen die Leute ab.“ Gewürzanbau basiert aber per se auf Handarbeit, gerade in den Tropen, Maschineneinsatz wie etwa im Getreideanbau ist nicht möglich. Wenn es um Flächenverteilung geht, haben die sensiblen Naturprodukte leicht das Nachsehen. „Die heutigen Farmer verhalten sich wie Geschäftsleute“, weiß der Gewürzexperte, „da wird genau auf den Markt geschaut.“ Gleiches gelte auch für die Exporteure. Aktuelles Beispiel: Senfkörner. In vermahlener Form gehören sie in viele Currys und andere Gewürzmischungen. „Durch die verheerenden Waldbrände in Kanada fehlen uns enorme Mengen“, erklärt Friedrich, „was dazu führt, dass die Osteuropäer ihre Ernte zurückhalten. Sie bauen bewusst Marktdruck auf.“ Denn neben Kanada liegen in Osteuropa die weltweit größten Anbauflächen für Senf. „Das ist Globalisierung.“ Für Friedrich ist der gesamte Gewürzmarkt volatil ge­ worden, unbeständig und extrem, wie das Wetter. Wobei: „Noch sind die Regale voll, noch gibt es keine Ausfälle.“ Dass es so bleibt, daran arbeiten er und seine Branchenkollegen jeden Tag mit deutlich zunehmendem Aufwand. „Trotzdem werden die Preissteigerungen am Ende des Tages die Verbraucher zahlen müssen, daran führt kein Weg vorbei.“ i

Die Ursachen, die die Rohstoffpreise in die Höhe treiben, fallen – so besagte Umfrage – absolut vielfältig aus: steigende Lohn- und Energiekosten, ein corona­ bedingter Mangel an Erntehelfern (Reiseverbote für Wanderarbeiter), Ernteausfälle durch extreme Hitze, Trockenheit und Brände im Zuge des Klimawandels, aufwendige Anbau- und Analyseverfahren infolge strenger lebensmittelrechtlicher EU-Vorgaben, Spekulationen – um nur einige Beispiele zu nennen. Ein erheblich gestiegener Aufwand für Verpackungsmaterialien und die unternehmenseigene Energieversorgung kommen noch obendrauf.

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Grill & Co.

Essbare Blüten und Blütenblätter

Perfekt für Gäste: japanisch grillen

Was machen wir eigentlich Silvester? Yakiniku

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Grill & Co.

Auf dem kleinen Tischgrill brutzeln fein aufgeschnittene Fleischscheiben. Blitzschnell sind sie gar und dabei immer noch herrlich saftig. Von allen Seiten greifen Essstäbchen danach und – ebenso blitzschnell – sind die kleinen Fleischstücke verschwunden. Bei Yakiniku, der japanischen Form des Grillens, dürfen alle mitmachen. Perfekt für einen langen, gemütlichen Silvesterabend.

Rein technisch betrachtet braucht Yakiniku nicht viel: einen Tischgrill mit feinmaschigem Rost, traditionell mit Kohle befeuert, zeitgemäß mit Gas oder Strom betrieben. Dünn aufgeschnittenes Fleisch, vom Rind oder Schwein, leicht gesalzen, nicht mariniert. Dazu gibt es Tare: Dips, in die die fertig gegrillten Stücke kurz getunkt werden, um dann im Mund zu verschwinden. Tare basiert auf Miso, Mirin oder Sojasauce, abgeschmeckt mit Wasabi und Zitrone, Ingwer oder Knoblauch, garniert mit Sesamsaat. Als Japantypisches Gemüse empfehlen sich dazu Edamame, Kohlsalat, eingelegtes Kimchi oder verschiedene Gurkensnacks. So viel zum Äußeren. Will man Yakiniku aber verstehen, dann braucht es mehr als Utensilien und Zutaten – es braucht einen Blick in die Geschichte: 1.000 Jahre lang war es den allermeisten Japanern untersagt, Fleisch zu essen. Herrscher Temmu erklärte das Verbot, das sich auf dem Buddhismus gründete, erstmals im Jahre 675, es hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Bis dahin lieferten japanische Rinder allein ihre Zugkraft, auch ihre Milch wurde nicht getrunken. Kam tierisches Protein auf den Teller, dann stammte es von Walen und anderen Meeresbewohnern, ihr Verzehr war im Inselstaat gestattet.

dies jedoch im 13. Jahrhundert auf und es sollte nicht lange dauern, bis das Land eine hohe Grillkultur entwickelte“, erklärt der Blogger Jonas Cramby in seinem Rezeptbuch „Japanisch Grillen“, einem Standardwerk. Rauchfahnen des koreanischen BBQs mögen weit über das Meer geweht haben, jedenfalls erglühten auch in Japan die Grillroste, sobald das Fleischverbot erlosch. Besonders rege geschah dies in Osaka, im Stadtteil Tsuruhashi, in dem die koreanischen Einwanderer lebten. Von hieraus breitete sich die Fleischzubereitung über das ganze Land aus, sie bekam eigene, japanische Züge – Yakiniku wurde geboren. Denn entsprechend der buddhistischen Philosophie galt es, alle Tätigkeiten, ganz besonders die Zubereitung von Speisen, bewusst zu praktizieren. Was auch blieb, war der Respekt vor dem Lebewesen. „Bis heute stellen japanische Schlachter Monumente für Tiere auf und man isst nur kleine Stücke, diese aber in höchster Qualität“, so Cramby. Wer bei seiner Fleischwahl also zum japanisch stämmigen Wagyu greift, der spürt zwar ein derbes Loch in seinem Portemonnaie, handelt aber ganz im Sinne des Yakiniku. So geht es bei der japanischen Art zu grillen auch nicht darum, möglichst schnell satt zu werden, sondern sich Zeit zu nehmen – zum Genuss, zum Gespräch, zum gemeinsamen Trinken. i

Auch im benachbarten Korea herrschte zunächst Fleischverbot. „Die mongolischen Einwanderer hoben

In japanischen Restaurants können die Gäste selbst Hand anlegen: Zutaten und Yakiniku-Grill stehen auf den Tischen bereit.

Auch Beilagen wie Edamame kommen auf den Grill.

Yakitori, das Grillen von Fleischspießchen auf einem langge­ streckten Kohlegrill, ist eine weitere Spielart der japanischen Grillkunst.

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Lebensart & Geschmack

Nach Marokko mit Bloggerin Nina Soentgerath

Tee trinken in Marrakesch Sie hat Fernweh im Bauch: Nina Soentgerath bloggt auf www.reisehappen.de über ferne Länder und fremde Genüsse. Dabei entstand so viel Köstliches, dass es zwischen zwei Buchdeckel musste: Mit „Holiday Kitchen“ brachte die Autorin ihr erstes Kochbuch heraus. pfeffer ließ sich davon inspirieren und druckt ihren leicht gekürzten Reisebericht nach Marokko.

Die marokkanische Nanaminze ist milder als Pfefferminze.

„Die besten Rezepte gegen Fernweh“ packte Bloggerin Nina Soentgerath in ein Koch- und Reisebuch (Christian Verlag). Dazu schaut sie nicht nur in die Kochtöpfe Marokkos, sondern bereiste – fast – die ganze Welt.

Ein Traum von Tausendundeiner Nacht: Der prachtvolle Bahia-Palast in Marrakesch besitzt über 160 Räume. Eine Besichtigung braucht ihre Zeit.

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Lebensart & Geschmack

„Die marokkanische Küche ist geprägt durch berberische und arabische Einflüsse und hat daher viele Gemeinsamkeiten mit der Küche im gesamten Maghreb. Darüber hinaus findet man aber bedingt durch die geografische Nähe auch spanische sowie französische Einflüsse. Sie lebt von den ausgezeichneten frischen Produkten: der marokkanischen Nanaminze, frischem Gemüse aus dem Atlasgebirge, feinen Oliven, Safran aus Taliouine, Datteln aus Tata, Honig aus Imouzzer, saftigen Granatäpfeln und Feigen, Orangenblütenwasser und den zahlreichen Gewürzen, wie Kreuzkümmel, Koriander, Zimt und Ingwer, sowie der marokkanischen Gewürzmischung Ras el-Hanout, die aus rund 30 verschiedenen gemahlenen Gewürzen besteht. Wer die marokkanische Küche wirklich kosten möchte, dem empfehle ich einen Besuch des Djemaa el Fna, Markt und vibrierendes Herz der Altstadt von Marrakesch und vermutlich der bekannteste, aber auch verrückteste Platz in ganz Afrika. Vor 1.000 Jahren machten hier die Nomaden mit ihren Kamelkarawa-

nen halt, um ihren Geschäften in den Souks nachzugehen. Abends, sobald die Sonne hinter dem Atlasgebirge verschwindet, verwandelt sich der Djemaa el Fna. Dann werden auf dem Platz in erstaunlicher Geschwindigkeit Hunderte Garküchen aufgebaut. Es beginnt herrlich nach gegrilltem Fisch, Kebab und Kefta, Schnecken, Tajines und Couscous zu duften, man kann von einem Stand zum anderen schlendern und die verschiedenen Köstlichkeiten probieren. Ich liebe es, mich durch die belebten Souks treiben zu lassen und all die betörenden exotischen Düfte aufzusaugen. Ich liebe es, die bunten Wollknäuel am Souk Sebbaghine, dem Souk der Färber, zu bewundern. Ich liebe es, mir am Djemaa el Fna einen frisch gepressten Orangensaft zu kaufen und anschließend durch den prachtvollen maurischen Bahia-Palast zu schlendern oder die Störche im El-Badi-Palast zu beobachten. Und ich liebe es, einen dampfend heißen Thé à la Menthe auf der Dachterrasse des Maison de la Photographie zu trinken und dabei den Ausblick über die roten Dächer von Marrakesch und das verschneite Atlasgebirge zu genießen. i

Das nordafrikanische Ras el-Hanout kann bis zu 30 verschiedene Gewürze vereinen. Die Gewürzmischung ist auch für Marokko typisch.

Farbenfroh und handgewebt: marokkanische Stoffe.

Der marokkanische Gewürzanbau ist nicht nur für Minze, sondern auch für seinen besonders aromatischen Rosmarin bekannt.

Der Souk in der Medina von Marrakesch gilt als der größte Basar Afrikas.

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Klassisch & traditionell

Winterpunsch mit exotischen Gewürzen

Indischer Weihnachtsmarkt Die Herkunftsgeschichte zahlloser Gewürze führt nach Indien. So verwundert es nicht, dass auch einige Speisen und Getränke, die wir längst eingemeindet haben, indische Wurzeln besitzen. Ein typischer Vertreter dieser Art ist auf deutschen Weihnachtsmärkten anzutreffen: der Punsch.

Das Wort Punsch leitet sich ab von „pantsch“, was auf Hindi „fünf“ bedeutet. Denn fünf Zutaten besitzt das indische Traditionsgetränk: Tee, Zitronen, Zucker, Gewürze und Arrak, eine hochprozentige Spirituose, die aus Reismaische, Palmsaft oder Zuckerrohr destilliert wird und geschmacklich zwischen Rum und Whisky rangiert. Den „Pantsch“ brachten englische Seefahrer im 17. Jahrhundert mit nach Europa. Sie bereisten Indien im Auftrag der Britischen Ostindien-Kompanie, einer mächtigen Kaufmannsgesellschaft. In ihrem Gepäck befanden sich – neben besagtem Arrak – auch alle Gewürze, deren es bedurfte, um die Neuentdeckung abzuschmecken: Zimt, Ingwer, Koriander, Anis, Sternanis, Kardamom, Pfeffer oder Vanille. In Deutschland lief der Punsch um 1900 zur Höchstform auf, wurde es doch große Mode, das neue Jahr mit einem Silvesterpunsch zu begrüßen. In einem Kochbuch aus dem Jahr 1903 findet sich folgendes Rezept: „Man reibt das Gelbe von 4 Zitronen an Zu-

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cker ab, brüht 8 Gr. feinen Schwarzthee mit 1,5 l kochendem Wasser ab, drückt den Saft der Zitronen dazu, gießt den Tee durch ein Tüchlein in eine Pfanne, legt den Zucker, an welchem die Zitronen abgerieben wurden, hinein und gießt ¼ l Arrak dazu. Nun deckt man die Pfanne zu und läßt den Punsch über dem Feuer anziehen, bis er ins Sieden kommt; dann wird er sogleich durch eine Serviette in die Punschterrine geschüttet und serviert.“ In anderen, modernen Rezepten wird Arrak durch Rum, Weinbrand oder Wein ersetzt. Außerdem gesellten sich zahllose Varianten zu dem Klassiker: die Feuerzangenbowle etwa, die sich spätestens seit der gleichnamigen Verfilmung mit Heinz Rühmann großer Bekanntheit erfreute, der Eierpunsch, der alkoholfreie Kinderpunsch oder auch der nordfriesische Teepunsch, ein heißes Getränk aus dünnem Tee und Köm, einem Kümmelschnaps. i


Aus der Geschichte

Kind des Mittelalters: Nürnberger Lebkuchen

Gewürzhändler im Schnee Zimt, Nelken, Kardamom, Piment, Anis, Ingwer, Koriander, Macis. Ein exotisches Gewürzfeuerwerk fackelt der Nürnberger Lebkuchen ab. Dabei fällt seine Entstehungslegende in die Winterzeit, so wie es sich für ein anständiges Weihnachtsgebäck wohl auch gehört.

Ein strenger Winter im Mittelalter. Nürnberg lag gefangen in Eis und Schnee, zitterte unter frostigen Temperaturen, die jeden und alles festsetzten. Auch die Gewürzhändler, deren Handelsrouten sich in der fränkischen Stadt kreuzten. Vielleicht vertrieben sie sich nur ein wenig Zeit, vielleicht hatte plötzlich einer die zündende Idee: Die eingeschneiten Händler erfanden den Lebkuchen. Die entscheidenden Gewürze fanden sie in ihrem eigenen Gepäck und in den nahen Wäldern: Honig. Nirgendwo gab es größere Mengen als in und um Nürnberg. Die Honig verarbeitende Zunft, die Lebzelter, braute aus dem Waldbienenhonig Met, produzierte Kerzen und eben Gebäck. Der Siegeszug der Zuckerrübe, der erst im 19. Jahrhundert beginnen sollte, ließ noch lange auf sich warten. Noch war jede Süße, die die

Zunge zu kitzeln vermochte, kostbar. Und noch liefen die Lebzelter den Bäckern den Rang ab, war es doch ihre Zunft, die den lang haltbaren Lebkuchen – per Polizeiverordnung – herstellen durfte. Der erste Nürnberger Lebküchner wird im Jahr 1395 urkundlich erwähnt. Auf der Zutatenliste eines traditionellen Originals gehörten neben besagtem Honig und exotischen Gewürzen auch Pottasche und Hirschhornsalz. Sie sorgten für Geschmack und lockeren Teig. Was auch nicht fehlen durfte, waren Mandeln, Hasel- oder Walnüsse. Bis zu 25 Prozent sind es bei dem feinen Oblaten-Elisenlebkuchen. Der feine Nürnberger Lebkuchen ist eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Je nach Rezeptur kommen noch Orangeat, Zitronat und Marzipan hinzu. i

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Kurz & knapp

„Rotes Gold“ zu gewinnen Die Schweizer Safran-Bauern Sandra und Urs Durrer haben ihre Felder verlassen und sich an den Schreibtisch gesetzt. Herausgekommen ist das Buch „Safran – Das rote Gold“ (39,90 Euro, AT-Verlag). In ihm geht es um die Herkunft der Gewürzpflanze, um Botanik, Anbaugebiete und Handel, aber auch um die Verwendung des Safrans, etwa in der Färberei, Medizin, Kosmetik und Kulinarik. Mit Rezepten und Porträts von anderen Produzenten runden die Durrers ihr schwergewichtiges Werk ab. Das Buch wurde mit bislang sechs Preisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Buchpreis der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft. pfeffer verlost drei Exemplare. Wer eines gewinnen möchte, schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de (Einsendeschluss: 31. Januar 2022). Stichwort: Safran. Teilnahmebedingungen unter: pfeffer-magazin.de/gewinnspiele i

Meerrettich gegen Krankenhauskeime Die Heilkunde nutzt Meerrettich seit Jahrhunderten. Im Fahrwasser gesundheitsgefährlicher Krankenhauskeime geriet die Staude, speziell ihre dicke Wurzel, jetzt ins Licht der modernen Wissenschaft. Denn was Keime wie Staphylococcus aureus (MRSA) so bedrohlich macht, ist ihre Resistenz gegen die meisten gut verträglichen Antibiotika. Auch Naturstoffe, etwa die Senföle der Meerrettichwurzel, sind antibakteriell wirksam. Eine Studie des Universitätsklinikums Freiburg zeigte beispielsweise, dass sich ein Senfölpulver aus Kapuzinerkresse und Meerrettich bei 13 Bakterienarten keimhemmend auswirkt, sogar bei MRSA. Da sich die Senföle in unserem Körper vorwiegend in Harnblase und Lunge anreichern, können sie bei bakteriellen Atemwegsund Harnwegsinfektionen eine gut verträgliche Alternative darstellen. Der Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise kürte den Meerrettich (Armoracia rusticana) zur Heilpflanze des Jahres 2021. i

Klein, aber fein Zatar Ursprung: Gewürzmischung der nordafrikanischen Küche In der letzten Ausgabe verloste pfeffer drei Pizza- und Brotbacksteine von Pimotti. Freuen dürfen sich die Gewinner Johann Haß, Andrea Schrader und Ivana Kristo. Herzlichen Glückwunsch!

Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de

Namensgebung: Das arabische Wort Zatar oder Zahtar bedeutet wilder Thymian. Grundbestandteile: verschiedene, wilde Thymianarten, geröstete Sesamsamen, Sumach, Salz Traditionelle Verwendung: Gewürzmischung mit Olivenöl zäh anrühren und vor dem Backen auf ein Fladenbrot streichen. Küchenidee: Mit Zatar gewürzter Joghurt schmeckt als Gemüse-Dip oder zum Grillfleisch.


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