Ausgabe 2/2020
pfeffer
GewĂźrz- und Kulinarikmagazin
Exotischer GewĂźrzanbau im Frankenland
Bamberger Ingwer
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber des Gewürzmagazins pfeffer ist der Fachverband der Gewürzindustrie e. V. in Bonn. Der Verband vertritt rund 90 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.
F
ür Gewürzexperten gehört der Umgang mit Exoten ja zum Tagesgeschäft; trotzdem sind wir bei diesem „Früchtchen“ ins Stutzen geraten: Es geht um frischen Ingwer aus dem Frankenland. Gibt’s den wirklich, haben wir uns gefragt. Die Antwort lautet: ja – mehr auf den Seiten 6 und 7. Fast so exotisch wie heimischer Ingwer wirkten auf uns auch Minze, Basilikum und Schnittlauch, die direkt im Supermarkt oder gar in der eigenen Küche wachsen. Vertical Farming heißt das erntefrische Zauberwort. pfeffer hat sich angeschaut, was sich deutsche Start-ups dazu haben einfallen lassen (ab Seite 10). Ein wenig gemütlicher wird es dann ab Seite 13. Wir kosten vom Christstollen, den es nun endlich wieder gibt, und lassen uns danach ein Stück Gewürzschokolade auf der Zunge zergehen. Wunderbar! Die Winterzeit hat eben auch ihre ganz eigenen Vorzüge. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele genussvolle Momente – am liebsten mit pfeffer.
IMPRESSUM:
Beste Grüße
pfeffer – das gewürzmagazin © Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 2/2020, erschienen im Oktober 2020 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151 D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de Text- und Bildredaktion: Kerstin Rubel www.kerstin-rubel.de Gestaltung: Susanne Del Din www.deldindesign.de Druck: Druckerei Kliewer (Limberg-Druck GmbH) Bildnachweis: agrilution, Aldi Süd, HEEL-Verlag, Dr. Manuela Mahn, Petromax, Shutterstock (DronG, ABf, Elena Elisseeva, Lubo Ivanko, Rawpixel.com, StudioPhotoDFlorez, Anastasiia Voloshko, New Africa, B.G. Photography, Anna Bogush, Syda Productions, raksina, Feylite, orinocoArt, Natalia van D)
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Dr. Markus Weck Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie e.V.
Inhalt
Ein Topf für alles: der Dutch Oven
Für das Draußenleben Grill & Co. 4
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Gewürze der Welt
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Mit Liebe und ganz viel Puderzucker Geschichten vom Weihnachtsstollen
Bamberger Ingwer Exotischer Gewürzanbau im Frankenland
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Expertise
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Lebensart & Geschmack
Klassisch & traditionell Traumpaare für die Winterzeit Feine Gewürzschokoladen
Keine Chance für Mogelpackungen Mit Strategie und dem richtigen Näschen: Lebensmittelfälschern auf der Spur
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Aus der Geschichte
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Kurz & knapp Aus dem Themenreich der Gewürze
Da haben wir den Salat Kräuter und Co. aus dem Gewächsschrank
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Im Gespräch Kochst Du noch oder preppst Du schon? Meal Prep im Interview: Bloggerin Lena Merz
Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de
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Grill & Co.
Ein Topf für alles: der Dutch Oven
Für das Draußenleben Ein Dutch Oven ist für draußen, für das offene Feuer gemacht. Die schwarzen Töpfe haben sich – still und heimlich – in die Outdoorküche eingeschlichen. Ihre fest verschlossene, gusseiserne Art lässt sie braten, schmoren, kochen und sogar backen. Das alles machte die DOs, wie sie als Kürzel genannt werden, zu einer ernstzunehmenden Alternative für Wintergriller.
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Grill & Co.
Eigentlich sieht man es ihm schon an: Mit seiner trutzigen Form, seinem unverwüstlichen Material besitzt der Dutch Oven etwas Ursprüngliches. Tatsächlich sind seine Ahnen, die Grapen, steinalt: Das Kochgeschirr entstand im 12. Jahrhundert, zunächst aus Keramik, später auch aus Bronze. Die Kochkessel besaßen eine breite, etwas kugelige Form und drei Füße, so dass sie direkt in Glut und Feuer stehen konnten. Zwei Henkel und ein Bügel erlaubten es zudem, den Topf an einem Kesselhaken über die Kochstelle zu hängen. Später, als im 18. Jahrhundert das Gusseisen die
Küchen eroberte, bekamen die Töpfe einen schweren, fest schließenden Deckel. Er machte sie zum Backofen, denn nun ließen sich auch heiße Kohlen auflegen, so dass sich die Hitze im Topf von mehreren Seiten aus gleichmäßig verteilen konnte. Der „Oven“ im „Dutch Oven“ erzählt immer noch von dieser Eigenschaft. Wobei das „Dutch“ einst für ausgewanderte Niederländer und auch Deutsche verwandt wurde. Sie brachten den Ofentopf mit in ihre neue Welt: in die Vereinigten Staaten, aber auch nach Südafrika und Australien. i
Geschmorter Rehwild-Eintopf Der Dutch Oven ist für vieles gemacht, ganz besonders aber für deftige Wintergerichte. Wenn draußen die Kälte knirscht, die Dämmerung in die Nacht übergeht, dann schmort dieser Wildeintopf geradezu genussvoll vor sich hin.
Zutaten: 1 kg Rehbraten
1 rote Paprika
6 Kartoffeln
250 g Champignons
150 g Sellerie
1,5 l Gemüsebrühe
4 Möhren
Salz und Pfeffer
3 Zwiebeln
Zubereitung: Rehfleisch grob schneiden, im Dutch Oven scharf anbraten und beiseitestellen. Gewürfelte Möhren, Sellerie und Kartoffeln mit der Gemüsebrühe im Topf aufkochen, anschließend die geschnittenen Paprika und Champignons hineingeben, mit Pfeffer und Salz abschmecken. Rehfleisch wieder hinzugeben und alles zusammen bei geschlossenem Topf für etwa zwei Stunden über dem Feuer kochen. Dabei zehn glühende Kohlen auf den Deckel legen. Die Menge der Zutaten ist ausgelegt für den Petromax ft9, dieser Dutch Oven macht bis zu 14 Leute satt (Verlosung auf Seite 16).
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Gewürze der Welt
Erfolgreicher Gewürzanbau im Frankenland
Ein echter Neubürger: Bamberger Ingwer Ingwer aus dem Frankenland, ja, gibt’s das denn? Manch einer mag sich verwundert die Augen gerieben haben, als er frischen „Bamberger Ingwer“ im Gemüseregal fand. Die Gewürzpflanze wächst tatsächlich nicht nur in den Tropen, sondern auch in unseren Breiten. Ein Versuchsanbau, der seit 2017 läuft, zeigt’s.
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Gewürze der Welt
Die Jungpflanzen, die aus geschnittenen Wurzelstückchen gezogen wurden, wechseln im April ins Gewächshaus oder in den beschatteten
Ingwer gilt als Alltagsgewürz der asiatischen
Folientunnel. Dort sorgt Wasser aus
Küche, die mit ihrer Frische und ihrem Aromen-
der Beregnungsanlage für hohe Luft-
reichtum auch hierzulande viele Freunde hat.
feuchtigkeit, eine zusätzliche Wärme-
Zudem gehört getrocknetes Ingwerpulver zur
zufuhr ist nicht notwendig.
traditionellen Weihnachtsbäckerei und in viele Kochwurst- und Fleischrezepte.
So sieht er aus, der frisch geerntete Bamberger Ingwer (mittleres Foto). Da in den Ursprungsländern auch die frischen Blätter Verwendung finden, experimentierten auch Bamberger Lebensmittelhandwerker mit ihnen. Ein Craftbier-Brauer entwickelte beispielsweise ein Ingwerbier.
„Ingwer ist ein Exot und trotzdem überall bekannt – wenn auch nicht in dieser unglaublichen Qualität.“ Wer von Dr. Manuela Mahn wissen möchte, warum gerade der Ingwer zum fränkischen Versuchsobjekt wurde, der erhält diese – begeisterte – Antwort. Die Gewürzexpertin begleitet mit einer wissenschaftlichen Arbeit für die Universität Salzburg den durchaus „exotischen“ Anbauversuch der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Denn eigentlich fühlt sich „Zingiber officinale“ bei tropischen Temperaturen wohl. Seinem Ursprung nach stammt das Rhizomgewächs vermutlich aus China und Indien. Dort liegen seine aktuell größten Anbaugebiete, zudem gedeiht er in den tropischen Regionen Nordafrikas, Südamerikas oder Australiens. Und nun also auch im Frankenland. Seit 2017 kultiviert ihn der Bamberger LWG-Versuchsbetrieb. Zunächst wuchsen die ökologisch angebauten Ingwerpflanzen, deren Wurzelstöcke aus Peru und Taiwan importiert wurden, im Gewächshaus. Versuchskulturen im Folientunnel und im Freiland folgten. Trotz eines heißen Sommers überzeugte Letzteres jedoch nicht. „Dafür begeisterte uns die Ernte im Gewächshaus und Folientunnel gleichermaßen“, erklärt Mahn, die auch als Dozentin, Buchautorin und Kuratorin des Deutschen Gewürzmuseums in Kulmbach arbeitet. „Das
Labor analysierte bei den geernteten Rhizomen einen hohen ätherischen Ölgehalt von drei bis vier Prozent, je nach Sorte. Die Standardwerte liegen zwischen ein und drei Prozent. Geschmacklich kann der fränkische Ingwer also absolut mithalten, er toppt sogar die Importe.“ Die Frische der regionalen Ware erkennt auch der Laie auf den ersten Blick: Die Wurzelstöcke sind prall und fest, ihre Haut hell, glatt und zart. An manchen Stücken zeigen sich grüne Triebspitzen oder ein paar frische Blätter. Das überzeugte. Auch die Kunden eines örtlichen Supermarkts, bei dem ein erster Testverkauf – für einen guten Zweck – startete: In seinem Gemüseregal lagen Bio-Ingwer aus Peru für 0,90 Euro und der „Bamberger Ingwer“ für stramme 2,50 Euro (je 100 Gramm) direkt nebeneinander. Das Ergebnis: Das teure, aber regionale Produkt war kurzerhand ausverkauft. „Den Verkaufspreis hatten wir so angesetzt, dass sich auch der Anbau für hiesige Gärtner rechnet“, erklärt Gewürzexpertin Mahn. Denn um sie geht es bei dem Anbauversuch. Heimische Gartenbaubetriebe müssen sich immer stärker spezialisieren, um nicht in der Gemüsemasse unterzugehen. Ab Herbst will ihnen die LWG fundierte Anbau- und Marketinganleitungen an die Hand geben, um regionalen Ingwer künftig selbst zu kultivieren. i
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Expertise
Safranfäden zu ernten ist eine Geduldsprobe. Keine hundert Gramm schafft ein Pflücker pro Kaum ein Gewürz erfährt aktuell so
Tag. Entsprechend kostbar –
viel Aufmerksamkeit wie Kurkuma.
und interessant für Fälscher –
Obschon es von Natur aus eine
ist die Ware.
prächtige Farbe besitzt, peppen Lebensmittelfälscher mangelhafte Ware mit Sudanfarbstoffen auf.
Mit Strategie und dem richtigen Näschen: Lebensmittelfälschern auf der Spur
Keine Chance für Mogelpackungen Lebensmittelfälschungen erhitzen die Volksseele wie kaum ein anderes Thema. Zu Recht, denn nichts kommt uns näher als das Essen, das wir uns tagtäglich einverleiben. Sogenanntes Food Fraud zu erkennen und auszusortieren, darauf sind die Labore der Gewürzindustrie spezialisiert. pfeffer hat sich umgehört.
Gewürze und Kräuter verzehren wir – verglichen mit Kaffee, Mehl und Olivenöl, die zu den meist gefälschten Nahrungsmitteln gehören – in eher kleinen Dosen. Aber genau diese sind kostbar: Viele Gewürze stammen aus exotischen Ländern, manche gedeihen nur im Wildwuchs oder werden an den entlegensten Winkeln dieser Erde in aufwendiger Handarbeit geerntet. Das macht sie zu einem wertvollen Schaffensfeld für Betrüger, die sie strecken und ersetzen, versetzen und
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falsch deklarieren wollen. Was gegen diese kriminelle Praxis ganz praktisch zu tun ist, lässt sich beim Hela Gewürzwerk in Schleswig-Holstein, das seit 115 Jahren Gewürze verarbeitet, anschaulich betrachten. Ob am Hamburger Hafen oder am heimischen Werkstor: Direkt bei der Warenannahme werden die angelieferten Säcke und Paletten in ersten Augenschein genommen. Alles sauber, schädlingsfrei und intakt? Stichproben werden gezogen und wandern ins Waren-
Expertise
Ist ein Gewürz getrocknet, zerkleinert oder pulverisiert, dann lässt sich das Auge leicht täuschen. Beispiel Oregano: Fällt die Ernte des beliebten Küchenkrauts schlecht aus, dann strecken ihn Fälscher mit zerkleinerten Olivenblättern. Ein klarer Fall von Food Fraud – und Betrug.
Woher stammt dieser weiße Pfeffer? Regionalität spielt bei Lebensmitteln eine immer größere Rolle – und damit die Isotopenanalyse. Mit dieser Technologie, die gerade stark im Kommen ist, lässt sich die Herkunft von Gewürzen leicht nachweisen. „Einer unserer Kunden wirbt beispielsweise mit Pfeffer aus Vietnam“, erklärt die Lebensmittel-Technologin Ute Sasse, „dass unsere Ware tatsächlich aus diesem Anbaugebiet stammt, kann die Isotopenanalyse beweisen.“
eingangslabor zu Ute Sasse. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie und leitet seit sieben Jahren die Hela-Qualitätskontrolle. In ihrem 14-köpfigen Team arbeiten Lebensmittelchemiker, Laboranten, Chemisch-, Medizinisch- und Biologisch-technische Assistenten. „Aussehen, Geruch und Geschmack checken wir bei jeder Charge“, erklärt sie. Alle weiteren Kategorien gibt ein Prüfplan vor. „Je nach Ware bestimmen wir den ätherischen Ölgehalt oder die Feuchte, die bei einem Zuviel Schimmelbildung ermöglichen würde.“ Auch mikrobiologische Untersuchungen sind hausintern möglich; wird es zu anspruchsvoll, gehen die Proben in ein externes Labor – etwa dann, wenn Rückstände von Pestiziden oder Schwermetallen zu analysieren sind. Entsprechen schließlich alle erhobenen Messdaten den Richt- und Warnwerten der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie, gibt Sasse grünes Licht: Die „Quarantänezeit“ ist vorüber und die Ware wandert weiter in die Produktion. Nur sehr selten kommt es vor, dass Sasse ihr Veto einlegen muss. „Zu unseren Lieferanten und Gewürzimporteuren pflegen wir langjährige Beziehungen und schätzen, dass auch deren Qualitätssicherung gut funktioniert“, erklärt sie. „Typische Fälle von Food Fraud laufen bei uns gar nicht erst auf.“ Trotzdem ist auf dem Markt einiges los: Chili-, Paprika- oder Kurkumapulver werden mit nicht deklarierten Sudanfarbstoffen aufgepeppt, gerebelter Oregano wird mit getrockneten Olivenbaumblättern verschnitten oder teurer Safran
durch Färberdistel ersetzt. „Für uns ist so etwas unvorstellbar“, Sasse schüttelt den Kopf. „Wir beziehen beispielsweise unseren Safran, ob als Rohware oder gemahlen, seit Jahren von einem Lieferanten und die Ware ist exzellent.“ Trotzdem gibt es Momente, in denen Sasse hellhörig wird. Etwa dann, wenn Schleuderpreise ausgerufen werden. „Aus eigenem Interesse überprüfen wir manchmal Gewürzproben, die unsere Kollegen von Kunden mitbringen.“ Sie berichtet von gemahlenem weißen Pfeffer, der nicht nur durch seine seltsame Farbe auffiel, sondern auch durch seinen CapsaicinGehalt. Dieser Wirkstoff macht den Chili scharf, nicht aber den Pfeffer – ein klarer Fall von Fälschung. Und Sasse erinnert sich an ein billiges Muskatnusspulver: „Es besaß nur halb so viel ätherisches Öl wie unsere Ware und damit auch nur die halbe Würzkraft. Seine pulvrige Konsistenz ließ vermuten, dass Schale mitverarbeitet wurde.“ Wer billig kauft, kauft eben zweimal – selten hat diese alte Kaufmannsweisheit besser gepasst. „Wobei“, so räumt Sasse ein, „bei allen Lebensmittelfälschungen gilt: Man kann nur das finden, wonach man auch sucht. Letztlich läuft das Labor den Fälschern immer ein wenig hinterher.“ Was dagegen hilft? „Lange Erfahrung und auch das richtige Näschen.“ i
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Lebensart & Geschmack
Essbare Blüten und Blütenblätter
Kräuter und Co. aus dem Gewächsschrank
Da haben wir den Salat
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Lebensart & Geschmack
Egal ob sie Urban, Indoor oder Vertical Farming heißen, sie alle wollen Lebensmittel dorthin bringen, wo sie konsumiert werden: in die Stadt, in den Supermarkt, in die eigene Küche. Gründe dafür gibt es viele. Gesunde Frische etwa, kurze Transportwege, geringer Wasserverbrauch, konstante Wachstumsverläufe – befreit von Wetter und Schädlingen. Auch deutsche Startups haben sich auf den Weg zum Verbraucher gemacht.
Er sieht aus wie ein verglaster Kühlschrank, illuminiert von violettem Kunstlicht, eingebaut in die Kochinsel einer nicht ganz billigen Designerküche. Die Rede ist vom Plantcube, ein Indoor-Gewächsschrank, den das Münchner Start-up Agrilution entwickelt hat. In dem „Smart-Home-Gemüsegarten“ wachsen die Pflanzen auf übereinanderliegenden Etagen: Salate, Kräuter, aromastarke Keimlinge von Karotten oder Radieschen. Eine App verrät, wann es an der Zeit ist, zu ernten oder die nächste Saatmatte einzulegen. Biologisches Vorwissen oder einen grünen Daumen brauchen die In-den-eigenen-vier-Wänden-Gärtner nicht. Die Pflanzenversorgung mit Wasser und Nährstoffen geschieht vollautomatisch. Energiearme LEDs ersetzen das Sonnenlicht und besitzen ein ausgeklügeltes „Lichtrezept“: Je nach Zusammensetzung verändern sich die pflanzlichen Inhaltsstoffe und damit der Geschmack. Das richtige Licht gilt als zentrales Thema des Vertical Farmings und so kooperiert – neben dem Küchen- und Haushaltsgerätehersteller Miele – auch der Leuchtenhersteller Osram bereits mit Agrilution.
Auch neoFarms, ein Start-up aus Hannover, zielt auf ernährungs- und designbewusste Großstädter, wahlweise auch auf stylische Restaurants, die in vollautomatisierten Gewächsschränken eigene Lebensmittel anbauen möchten. Preisgünstig ist diese Form der Selbstversorgung freilich nicht: Knapp 3.000 Euro kostet beispielsweise der Plantcube. In Centbeträgen kalkuliert dagegen das Berliner Unternehmen Infarm. Bis Jahresende will es zwölf Aldi Süd-Filialen mit verglasten, zwei Quadratmeter großen Gewächsschränken bestücken. In jedem von ihnen sollen pro Jahr 8.000 frische Kräuter wachsen: Minze, Basilikum, Koriander, Schnittlauch und andere. 99 Cent kosten sie im Verkauf. Indoor Farming kann also auch Discounter. Zumal Infarm 300 weitere Aldi-Filialen in Kürze mit erntefrischen Kräutern versorgen will, die nicht im Geschäft, wohl aber in nah gelegenen Growing Centern gedeihen. Dabei benötigt die einzelne Pflanze, so Unternehmensangaben, 99,5 Prozent weniger Platz als in der konventionellen Landwirtschaft, verbraucht 95 Prozent weniger Wasser und verkürzt die Transportwege um 90 Prozent. i
Neben Aldi Süd versuchen sich
In den Gewächsschränken
auch Metro und Edeka mit smart
gedeihen neben Basilikum auch
angebauten Infarm-Kräutern.
Minze, Koriander oder Schnittlauch.
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Im Gespräch
Meal Prep im Interview: Bloggerin Lena Merz
Kochst Du noch oder preppst Du schon? Einmal kochen, tagelang genießen – das ist die zeitsparende Meal Prep-Formel. Was genau hinter der neuen Form der alten Essensvorbereitung – wie langweilig das schon klingt – steckt, verrät die Bloggerin, Rezeptbuchautorin und begeisterte Meal Prep-Köchin Lena Merz. In ihrer fröhlichen Art rät sie übrigens dazu, weniger dem Trend, sondern mehr sich selbst zu folgen. Also: alles ganz entspannt.
Was kommt heute bei Ihnen auf den Tisch? „Ich bereite gerade eine Quiche mit vier unterschiedlichen Belägen vor. Durch die verschiedenen Geschmacksrichtungen schmeckt sie auch mehrere Tage. Heute früh gab es Bircher Müsli, das koche ich auch vor, auch wenn die Zubereitung nur fünf Minuten dauert. Genug Zeit, um nebenher noch einen Smoothie zu mixen, der ist super für unterwegs.“
Das hört sich stark nach Meal Prep an. Wie sind Sie dazu gekommen? „Durch meine Freunde. Sie beschwerten sich ständig, dass sie neben ihrem Job keine Zeit zum Kochen finden würden und nur noch essen gingen. So etwas geht ins Geld, selbst bei Fast Food, und ist, wenn ich an die typische Kantinenküche denke, weder lecker noch wirklich gesund. Ich habe nach Lösungen gesucht und irgendwann Meal Prep entdeckt, damals schon ein Riesentrend in den USA. Es geht darum, die Hauptzutaten für verschiedene Gerichte vorzubereiten, so dass sie sich an mehreren Tagen zeitsparend variieren lassen.“
Haben Sie ein Beispiel? „Aus vorgegartem Couscous, der gestern als Beilage zu einem Curry diente, lässt sich heute ein Salat mischen oder er wird zu Gemüsebratlingen. Beides lässt sich gut mit ins Büro nehmen. Das Prinzip ist: Immer ein bisschen mehr kochen und
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dabei vorausplanen. Das gilt auch für alle Suppen, Eintöpfe oder Saucen, sie lassen sich portionsweise einfrieren. Und ob ich einen kleinen oder großen Topf voll koche, macht zeitlich keinen Unterschied.“
Was raten Sie Meal Prep-Neueinsteigern? „Manche Meal Prepper organisieren ihre ganze Woche durch, ich würde mit ein paar Tagen anfangen. Beim Planen achte ich darauf, worauf ich Lust habe, was gesund ist und mir guttut. Außerdem gehe ich mit Einkaufszettel ins Geschäft, so kaufe ich nur das, was ich auch wirklich verbrauche. Fürs Einkaufen gibt es übrigens einen wertvollen Leitsatz: Je kürzer die Zutatenliste ist, die auf einem Lebensmittel aufgedruckt ist, desto gesünder – und auch kostengünstiger – ist es. Auf einem Netz Kartoffeln steht nichts anderes als Kartoffeln. Fertig.“ i
Die Meal Prep-Kochbücher von Lena Merz sind im GU Verlag erschienen. Wer sich für das Thema interessiert, der findet unter lenamerz.de einen guten Einstieg mit Rezepten und Tipps für den eigenen Wochenplan oder das notwendige Equipment.
Aus der Geschichte
Geschichten vom Weihnachtsstollen
Mit Liebe und ganz viel Puderzucker Bergleuten soll der „Stollen“ einst als Proviant gedient haben. Bleibt das Gebäck doch lange frisch und saftig, auch unter Tage. Wer das Geschichtsbuch des Weihnachtsstollens aufschlägt, der stolpert über so manche Anekdote. Die ein oder andere sei nun erzählt.
100 Teile Mehl, mindestens 50 Teile Butter, 65 Teile Sultaninen, 20 Teile Orangeat oder Zitronat, 15 Teile Mandeln. Das sind die Eckdaten eines echten und markenrechtlich geschützten Dresdner Christoder Weihnachtsstollens, der nur im Großraum Dresden hergestellt werden darf. Ein echter Kraftprotz. So gehaltvoll, wie das Hefegebäck heute daherkommt, war es aber nicht alle Tage. Seine ruhmreiche Geschichte beginnt der Weihnachtsstollen als schlichtes, mittelalterliches Fastengebäck, das lediglich aus Mehl, Hefe und Wasser bestand. Von Eiern, Milch, Butter oder gar von Sultaninen keine Spur. Erst mit den Jahrhunderten wurde das Grundrezept immer weiter ausgebaut. Das ging so weit, dass sich der sächsische Kurfürst August der Star-
ke – ein offensichtlicher Stollen-Liebhaber – von seiner Bäckerzunft eine Superlative wünschte: Aus 3.600 Eiern, 326 Kannen Milch, 20 Zentnern Weizenmehl entstand ein 1,8 Tonnen schweres Ungetüm. 1730 servierte August diesen Vorläufer des Dresdner Christstollens auf einem „Lustlager“. Aber nicht nur in Dresden, sondern überall in Deutschland gehört ein Stollen zur Weihnachtszeit. Seine Varianten – verfeinert mit Gewürzen wie Kardamom und Zimt, mit Mohn oder Marzipan – kennen keine Grenzen. Viele Familien backen bis heute ihren eigenen Weihnachtsstollen, nicht selten nach altem Traditionsrezept. Dabei soll seine brotähnliche Form – und nicht zuletzt seine dicke weiße Puderzuckerschicht – ürigens an das gewickelte Christkind erinnern. i
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Klassisch & traditionell
Feine Gewürzschokoladen
Traumpaare für die Winterzeit In der dunklen Jahreszeit brauchen wir dann und wann einen kleinen Lichtblick. Am besten einen süßen, der langsam und aromatisch auf der Zunge zergeht. Die Rede ist von Gewürzschokoladen: in Tafelform gegossene Traumpaare, die immer kreativer daherkommen.
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Klassisch & traditionell
Mit einer edlen Schokolade verhält es sich wie mit einem guten Wein: Der Boden, das Terroir, auf dem die Kakaobohnen gedeihen, prägt das spätere Produkt, verleiht ihm seinen typischen Charakter. Diesen im Detail herauszuschmecken und mit den genau richtigen Gewürzen zu verfeinern, ist gewiss eine Aufgabe für geschulte Gaumen, ihn jedoch zu genießen etwas für jedermann. Eine Edelbitter-Schokolade, die mit echtem Kardamom, mit aromatischem Zimt verfeinert wurde, erklärt sich von selbst. Ebenso wie eine sahnige, zartschmelzende Milchschokolade, verfeinert mit Bourbon-Vanille oder Tonkabohne.
Neben diesen Klassikern, die sich in jedem gut sortierten Schokoladenregal aufreihen, finden sich dort auch Exoten: Sternanis und Pfeffer, Chili oder Ingwer. Sie als feine Noten dezent zu verarbeiten, gehört zur Kunst eines Chocolatiers. Er weiß eine fein nuancierte Grundschokolade mit genau dem Gewürz zu kombinieren, das beide zum Traumpaar macht. Und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Eine knackige weiße Schokolade, veredelt mit marokkanischer Minze, passt auch in den Sommer – natürlich nur, wenn sie nicht vorher vernascht wird. i
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Kurz & knapp
Für Gewinner: Dutch Oven
Immer und überall: www.pfeffer-magazin.de
pfeffer verlost einen gusseisernen Dutch Oven, den Petromax ft9 – ein echter Klassiker (petromax-shop.de). Der 15 Kilogramm schwere Topf (Bild oben) macht bis zu 14 Leute satt, ganze acht Liter passen in ihn hinein. Wer ihn gewinnen möchte, der schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@gewuerzindustrie.de (Einsendeschluss: 31. Januar 2021). Stichwort: Dutch Oven. Teilnahmebedingungen unter: pfeffer-magazin.de/gewinnspiele i Das Gewürz- und Kulinarikmagazin pfeffer ist auch online unterwegs: Unter pfeffer-magazin.de versammeln sich seit Oktober 2019 alle Themen ausgabenübergreifend. Das Online-Magazin läuft auf dem Smartphone ebenso wie auf dem Laptop oder Tablet. i
Eine Frage der Bourbon-Vanille Was ist Bourbon-Vanille? Wie viel Bekanntheit besitzt sie und worin liegt ihre Besonderheit? Das Marktforschungsinstitut Ipsos Observer ging diesen Fragen 2019 mit einer repräsentativen Erhebung, an der 1.000 Verbraucher teilnahmen, auf den Grund. Das Ergebnis: Bourbon-Vanille besitzt einen hohen Bekanntheitsgrad, drei Viertel der Befragten kennen diese Herkunftsbezeichnung. Bei Personen, die häufig kochen oder backen, liegt die Bekanntheit sogar bei 85 Prozent. In der letzten Ausgabe verloste pfeffer den Eiscremebereiter „Schneeflöckchen“ von Klarstein. Freuen kann sich die Gewinnerin Isabel Stifter. Herzlichen Glückwunsch!
Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de
Dabei verbinden Verbraucher mit dem Namen eine Reihe von qualitativen Erwartungen – etwa eine bestimmte Art der Vanille oder „echte Vanille“. Aber nur ein sehr kleiner Teil der Befragten weiß, dass der Name „Bourbon“ einen geografischen Bezug hat, geschweige denn, welchen. Die „Île Bourbon“, heute Réunion, prägte einst den Namen für die geschmacksintensive Bourbon-Vanille, die heute aber auch aus Madagaskar oder den Komoren stammen kann. Die Studie wurde vom Fachverband der Gewürzindustrie beauftragt. i