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Ausgabe 2/2023

pfeffer

Gewürz- und Kulinarikmagazin

Das beliebteste Gewürz der Welt: Pfeffer

Aus Vietnams Hochland


Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser! Herausgeber des Gewürzmagazins pfeffer ist der Fachverband der Gewürzindustrie e. V. in Bonn. Der Verband vertritt 95 Unternehmen, die Gewürze verarbeiten und veredeln. Die deutsche Gewürzindustrie bedient private Haushalte ebenso wie Gastronomie und Handel. Gleichzeitig ist sie leistungsstarker Partner der Lebensmittelhersteller im handwerklichen und industriellen Bereich.

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s ist schon eine besondere Geschichte, die die beiden schwedischen Meeresarchäologen zu erzählen haben: Auf einem königlichen Flaggschiff, das vor über 500 Jahren vor der Südküste ihres Landes sank, entdeckten die beiden Wissenschaftler exotische Gewürze: Safran, schwarzen Pfeffer, Nelken und Ingwer. Eingelagert im Sediment des Meeresbodens widerstanden sie der Zeit. „Der Safran war immer noch leuchtend rot-orange und hat sein Aroma behalten“, berichtete Mikael Larsson, einer der beiden Archäologen, der staunenden Fachwelt. Mehr dazu auf Seite 12. Wer danach Lust hat, selbst in eines der Anbauländer zu reisen, mit denen Europa seit Jahrhunderten Gewürzhandel treibt, der darf die Seiten 6 und 7 aufschlagen. Dort geht zum Pfefferanbau nach Vietnam, einem wunderschönen Reise­ziel und zugleich ein wichtiger Produzent für das immerhin beliebteste Gewürz der Welt.

IMPRESSUM: pfeffer – das gewürzmagazin © Fachverband der Gewürzindustrie e. V., Bonn Ausgabe 2/2023, erschienen im Oktober 2023 Herausgeber: Fachverband der Gewürzindustrie e. V. Reuterstraße 151 D-53113 Bonn Telefon: (02 28) 21 61 62 Fax: (02 28) 22 94 60 E-Mail: pfeffer@gewuerzindustrie.de www.gewuerzindustrie.de

Zurück in Deutschland wird es dann höchste Zeit, die ersten Weihnachtsvorbereitungen zu treffen und damit den Gänsebraten, den es zum großen Familienfest geben soll, vorzubestellen. Was es mit dieser schönen Tradition auf sich hat, verraten die Seiten 14 und 15. Und sollte uns nach all der guten Kost der Magen drücken, treffen wir uns zu einem Absacker an der Bar. Dort wartet schon Matthias Knorr. Der Bar-Meister hält nicht nur gute Drinks bereit, sondern auch die ein oder andere Geschichte (Seiten 4 und 5). Es grüßt herzlich

Text- und Bildredaktion: Kerstin Rubel www.handmade-books.de Gestaltung: Susanne Del Din www.deldindesign.de

Dr. Markus Weck

Druck: Druckerei Kliewer (Limberg-Druck GmbH)

Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie e.V.

Bildnachweis: Fuchs Gruppe, DK Verlag (Vivi D’Angelo), Panasonic, Shutterstock (Pixel-Shot, David Tadevosian, Ekaterina Markelova, spline_x, Nguyen Quang Ngoc Tonkin, S_Photo, Tran Qui Thinh, ArtWell, Amarita, diko.photos, Civil, Sylwia Brataniec, Mephobia.Food, animicsgo, Sthansupan), Adobe-Stock (Irina)

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Inhalt

Bar-Meister Matthias Knorr und das Reich der „Mixologie“

Anis on the rocks

Im Gespräch 4

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Gewürze der Welt

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Expertise

Aus Vietnams Hochland Für mehr Aroma und guten Das beliebteste Gewürz der Welt: Pfeffer Geschmack: Kaltvermahlung Fein vermahlene Gewürze und streufähige Gewürzmischungen

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Klassisch & traditionell

Die Kraft der Gewürze Moderne Ernährungsmedizin und altes Heilwissen

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Lebensart & Geschmack

Auf einem kulinarischen „Happy Place“ Spitzenkoch Heiko Antoniewicz widmet sich den Gewürzen

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Aus der Geschichte

Schiffswrack mit 500 Jahre altem Safran Schwedische Meeresarchäologen machten mittelalterliche Gewürzfunde

Grill & Co. Gans gerne Christlicher Festbraten und ein Ausdruck von Großzügigkeit

Kurz & knapp Aus dem Themenreich der Gewürze

Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de

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Im Gespräch

Bar-Meister Matthias Knorr und das Reich der „Mixologie“

Anis on the rocks Anis ist ein Gewürz, an dem sich die Geister entzweien. Entweder liebt man sein lakritz­artiges Aroma – oder eben nicht. All die Spirituosen und Liköre, die auf „Pimpinella anisum“ basieren, scheint das nicht zu stören. Ob Ouzo oder Pastis, Raki oder Sambuca, trotz Polarisierung schafften es viele von ihnen bis zum Nationalgetränk. Barkeeper Matthias Knorr weiß, wie es um sie steht.

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Im Gespräch

Welche Rolle spielen anishaltige Drinks aktuell an der Bar? „Durch den Siegeszug des Gins erhielten

Ganz unabhängig von Anis, welche Rolle spielen Gewürze und Kräuter speziell an Ihrer Bar? „Eine

Gewürze und Kräuter allgemein eine neue, besondere Stellung. Neben Wacholderbeeren basieren die einzelnen Gin-Sorten ja auf einer Vielzahl von Botanicals, die sie letztlich auszeichnen. Dazu zählen Koriandersamen oder Angelikawurzel genauso wie Anis. In der letzten Woche habe ich beispielsweise eine Destillerie in Belgrad besucht, die einen unfiltrierten Gin mit Anis als prägender Zutat herstellt. Er trübt sich wie Pastis ein, wenn Tonic oder Wasser hinzukommen. Ein schöner Effekt – und ein Alleinstellungsmerkmal für einen Gin.“

große! Sie befeuern das kreative Potenzial und den Erfindungsreichtum aller Mixologen. Frische Minze und Basilikum gehören zum Standard, aber auch – wieder im Fahrwasser des Gins – Thymian und Rosmarin. Ich finde es auch interessant, mit Estragon oder Korianderkraut zu experimentieren. Denn Kräuter schmecken nicht nur, sie duften ja auch und steigen beim Trinken in die Nase.“

Sie sprechen den so genannten Louche-Effekt an. Was hat es damit auf sich? „Anethol, das ätherische Gewürzöl, das den Anissamen ihren lakritzartigen Geschmack verleiht, ist nur in Alkohol löslich, nicht in Wasser. Wird ein Ouzo oder Raki verdünnt, dann erhält er seine typisch milchige Farbe. Das geschieht übrigens auch, wenn Kälte – etwa in Form von Eiswürfeln – hinzukommt.“

Unter den Nationalgetränken finden sich erstaunlich viele anishaltige Spirituosen. Ich denke an den französischen Pastis, den türkischen Raki, den griechischen Ouzo oder auch den arabische Arak. Haben Sie dafür eine Erklärung? „In mediterranen Ländern ist das Anisaroma tatsächlich sehr beliebt. Ich denke, das hängt mit der Wärme zusammen, Anethol besitzt einen kühlenden, erfrischenden Effekt. Außerdem sorgt es für Appetit, das macht einen Raki oder Ouzo zum perfekten Aperitif.“

Und welche Gewürze verwenden Sie? „Zimt und Muskatnuss, beispielsweise. Eine Prise Muskat gehört für mich auf jeden Planter’s Punch, ein Cocktail, der auf Rum und Fruchtsäften basiert. Ich schreibe den Gewürzen und Kräutern, die in meinen Drinks auftauchen, übrigens eine besonders Wirkung zu: Sie sorgen an der Bar, auch wenn sich das jetzt etwas seltsam anhören mag, für einen entspannten Rausch. Ganz anders als Wodka on the rocks.“ i

Matthias Knorr, Bar-Meister und Hotelfachmann, gründete vor 20 Jahren die Barschule München. Gastronomen, aber auch Laien, können sich von ihm zum Bar-Mixer ausbilden lassen – bei entsprechender Vorbildung sogar mit IHK-Zertifikat. Knorr hält selbst mehrere Guinness-Weltrekorde, für die er beispielsweise 42 verschiedene Cocktails in einer Minute mixte.

Neben den harten, alkoholreichen Drinks gibt es ja auch noch die Anisées, die Liköre auf Anisbasis. In Spanien den Anisado oder in Frankreich den Anisette. „Und nicht zu vergessen: in Italien den Sambuca. Er ist an der Bar nach wie vor ein Dauerbrenner. Das Trinkritual – mit Kaffeebohne und Anzünden – mögen viele und die Kombination aus Bitternoten und lakritzartiger Süße macht Spaß. Wir haben dem Ganzen ein bisschen mehr Klasse gegeben und daraus einen Espresso-Martini mit Sambuca entwickelt. Ein wirklich schöner Drink.“

Bei welchen Rezepturen setzen Sie noch auf Anis-Aromen? „Etwa beim Sazerac, einem Bar-Klassiker. Sein Glas wird mit einem Hauch Absinth aviniert, also befeuchtet. Auch ein Ritual.“

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Gewürze der Welt

Das beliebteste Gewürz der Welt: Pfeffer

Aus Vietnams Hochland Die ländlichen Gebiete Vietnams leben noch immer von der traditionellen Landwirtschaft, die eng mit den Jahreszeiten und den natürlichen Kreisläufen verbunden ist. Im Hochland gedeihen nicht nur Reis und Kaffee, sondern auch das beliebteste Gewürz der Welt: Pfeffer.

Nicht nur ein Traum für Touristen, sondern auch für Feinschmecker: Auf der vietnamesischen Insel Phu Quoc (rechts im Bild) gedeiht ein gleich­namiger schwarzer Pfeffer, der für seine prickelnde Schärfe bekannt ist.

Pfeffer ist ein Universalgewürz. Seine aromatische Schärfe, für die besonders die schwarzen Körner bekannt sind, stammt vom Wirkstoff Piperin.

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Der erloschene Vulkan Chu Dang Ya bietet fruchtbare Böden (großes Bild). Er liegt in der niederschlagsreichen Provinz Gia Lai, einem der Hauptan­ baugebiete von Pfeffer.


Gewürze der Welt

Das Einzigartige an Pfeffer ist, und das will direkt gesagt sein, dass dieses Gewürz in verschiedenen Farben, Reifestufen und damit Aromaarten zu haben ist: schwarz, weiß, grün oder im seltensten Falle rot. Alle Pfefferkörner stammen von ein und derselben Pflanze. Nur Erntezeitpunkt und spätere Verarbeitung unterscheiden sich. So pflücken die vietnamesischen Bauern, um beispielsweise schwarzen Pfeffer, den weltweiten Liebling, zu produzieren, die unreifen, noch grünen Beeren. Diese trocknen an der Sonne, schrumpeln dort ein und bilden aus ihrem Fruchtfleisch eine dunkle, runzelige Schale. Beim weißen Pfeffer hingegen reifen die Beeren, bis sie rot aus dem dichten Blattwerk herausleuchten. Erst dann ist Erntezeit. Das Fleisch der Früchte wird mechanisch oder durch Einweichen abgelöst, übrig bleibt das helle Samenkorn: der weiße Pfeffer.

tropisches bis subtropisches Klima herrscht, fällt es in den niederschlagreichen Provinzen Dak Lak, Gia Lai und Binh Phuoc gemäßigt aus. Die Böden hier sind nährstoffreich und gut durchlässig.

Vietnam besitzt neben Indonesien, Indien, Brasilien und Malaysia die weltweit wichtigsten Hauptanbaugebiete von „Piper nigrum“, einer strauchartigen Pflanze, die ursprünglich aus Indien stammt. Ihre älteste Gewürzform – der schwarze Pfeffer – ist seit der Antike bekannt. Der Pfefferanbau in Vietnam reicht dagegen „nur“ bis ins 17. Jahrhundert zurück. Dafür bieten seine hügeligen Hochlandregionen, die an Kambodscha und Laos grenzen, perfekte Wachstumsbedingungen. Während in anderen Landesteilen

Eine besondere Spielart des vietnamesischen Pfeffers gedeiht jedoch nicht im Hochland, sondern auf der größten Insel des Landes, auf Phu Quoc. Aus ihren Pfeffergärten stammt der rare, prickelnd scharfe und damit schwarze „Inselpfeffer“. Der Phu-QuocPfeffer gilt als Geheimtipp unter Feinschmeckern. Ansonsten ist die „Smaragd-Insel“, die überirdisch schön im Golf von Thailand liegt, ein Highlight für Touristen, die sich an ihren palmengesäumten Sandstränden tummeln. i

Frisch, Ähnlich gefroren, einer luftWeinrebe oder gefriergenimmt trocknet: der Pfefferstrauch Dill kennt viele die Wege Qualität in unsere von Küchen. Boden, SeiKlima es alsund Küchenkraut Landschaft oder auf und auch gibt alsdas Dillsamen. „Terroir“ an seine Früchte weiter.

Ideal für die Pfefferpflanze, denn sie ist ein anspruchsvolles Gewächs, das gute Wachstumsbedingungen, reichlich Sonne und sorgsame Pflege verlangt. Sieben bis acht Monate reifen ihre Beeren, die sich aus weißen Blüten entwickeln. Ehe die Bauern aber erste Früchte von einer neuen Anpflanzung ernten können, vergehen drei bis vier Jahre voller Arbeit, erst dann bildet der Gewürzstrauch sie aus. Im siebten und achten Jahr steht die Pflanze in vollem Ertrag und liefert drei bis fünf Kilogramm Beeren. In einem gesunden Pfeffergarten werden die Sträucher 15 bis 20 Jahre alt.

Auch wenn die weltweite Nachfrage nach schwarzem Pfeffer groß ist, produziert und exportiert Vietnam auch den weißen Pfeffer.

„Piper nigrum“ ist eine bis zu zehn Meter hohe Kletterpflanze, die an Bäumen, Stangen und anderen Trägersystemen emporrankt.

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Klassisch & traditionell

„Auch die Gewürzindustrie weiß um die Wirkungen, die Kräutern und Gewürzen seit jeher zugeschrieben werden. Das Lebensmittelrecht verlangt allerdings, dass werbliche Aussagen mit Gesundheitsbezug von der Europäischen Kommission zugelassen werden müssen. Die Europäische Behörde für Lebensmittel­sicherheit mit Sitz in Parma hat die Aufgabe, die Wissenschaftlichkeit solcher Aussagen zu überprüfen. Der Behörde liegen zahlreiche Anträge zu Botanicals, unter anderem zu Kurkuma, vor, die sich noch in der Bearbeitung befinden. Das Ergebnis wird mit Spannung erwartet.“ Dr. Markus Weck, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie e.V

Die ayurvedische „Goldene Milch“ gehört seit Jahrhunderten zur Erfahrungsmedizin. Sie basiert auf Kurkuma, einem Gewürz, das die moderne Wissenschaft im Fokus hat.

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Klassisch & traditionell

Moderne Ernährungsmedizin und altes Heilwissen

Die Kraft der Gewürze Im Winter kehren sie mit aller Selbstverständlichkeit zu uns zurück: die Kräutertees und Hustenelixiere, die Ingwershots und Salbeibonbons. Kräuter und Gewürze finden sich von jeher nicht nur in unserer Küche, sondern auch in unserer Hausapotheke. Ob an ihrer traditionell bekundeten Heilkraft etwas dran ist, beantwortet die moderne Ernährungsmedizin.

„Heilpflanzen wie Kurkuma oder Ingwer wirken entzündungshemmend“, erklärt Ernährungsmediziner Prof. Dr. Andreas Michalsen, „nicht so stark wie Ibuprofen oder Cortison, aber sie wirken – und haben gleichzeitig günstige Wirkungen auf das psychische Befinden und den Blutzucker- und Cholesterinspiegel.“ Michalsen, der auch als Sachbuchautor aktiv ist, hat sich intensiv mit Gewürz- und Heilpflanzen auseinandergesetzt. „Die meisten Gewürze und grünen Kräuter haben entzündungshemmende Wirkungen. Fügen Sie Gewürzmischungen aus Kreuzkümmel, Koriander und Muskat auch noch Kurkuma und Ingwer hinzu, diese sind sogar noch wirksamer als die anderen drei“, empfiehlt er etwa in seinem neuesten Werk, den „Die Natur-Docs“ (Insel Verlag), benannt nach der gleichnamigen NDR-Visite-Serie, bei der er mitwirkt. „Auch Bockshornklee und Kardamom sind entzündungshemmend. Und auch Chili ist ein Heilmittel! Nicht jeder mag die Schärfe von Chili, aber immer mehr Studien weisen auf das entzündungshemmende Potenzial und auch auf eine gute Wirkung auf den Stoffwechsel hin.“ Für den Internisten, der als Professor für Klinische Naturheilkunde der Charité Berlin und Chefarzt der Abteilung Innere Medizin und Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin forscht, lehrt und behandelt, gehören Gewürze zum Tagewerk. Eines fällt dabei besonders auf: „Kurkuma ist eine erstaunlich breit wirkende Heilpflanze. Nicht nur hilft sie bei Ge-

lenkschmerzen und Gelenkentzündungen, Studien haben inzwischen auch einen antidepressiven Effekt belegt. Da viele Menschen aufgrund ihrer chronischen Schmerzen auch unter depressiven Verstimmungen leiden, ergibt sich hier eine geeignete Kombination“, führt der Naturkundler aus. „Neuere Studien verweisen zudem auf eine günstige Wirkung von Kurkuma oder dem Hauptinhaltsstoff Curcumin bei Darmentzündungen und Verdauungsproblemen, eine mögliche präventive Wirkung auf Demenz sowie eine günstige Wirkung auf die Blutzuckerregulation bei beginnendem Diabetes Typ 2.“ Zur Selbstbehandlung empfiehlt er, „einen halben bis ganzen Teelöffel Kurkuma (etwa 1,5 bis 3 Gramm) pro Tag am besten mit etwas Öl und Pfeffer einzunehmen.“ Da die Bevölkerung in Südindien etwa drei Gramm Kurkuma pro Tag mit der Nahrung verzehre, ließe sich rückschließen, dass diese Dosis auch dauerhaft verträglich sei. „Wichtig zu wissen ist, dass Kurkuma allein nur zu etwa fünf Prozent über den Magen in das Blut aufgenommen werden kann. Eine deutlich bessere Aufnahme in den Körper erreicht man durch Zugabe von Pfeffer und Fett. Insofern sind Curry-Gewürzmischungen, in denen Pfeffer natürlicherweise enthalten ist, sowie das Zubereiten und Kochen mit Ölen oder Ghee eine geschickte Tradition, um die medizinische Wirkung von Kurkuma zu erhöhen.“ i

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Lebensart & Geschmack

Spitzenkoch Heiko Antoniewicz widmet sich den Gewürzen

Auf einem kulinarischen „Happy Place“

Heiko Antoniewicz, preis­ gekrönt und international anerkannt, setzt ihnen in seinem neuen Kochbuch „Gewürze“ (DK Verlag) ein Denkmal. 10


Lebensart & Geschmack

„Mein Gewürzregal umfasst mehr als 180 verschiedene Gewürze“, gesteht Heiko Antoniewicz, denn er lebt in einer „Welt voller Aromenbilder.“ Der Spitzenkoch hatte sich zunächst in der avant­gardistischen Küche – er gilt als Pionier der Molekularküche – einen Namen gemacht. Jetzt widmet sich der Kochbuchautor ganz den Gewürzen. Seine Fähigkeit, komplexe Geschmacks­profile zu erschaffen, macht ihn erneut zu einem Meister seines Fachs. Das beweist das multikulturelle Rezept, das pfeffer an dieser Stelle abdrucken darf, aufs Schönste.

Kalbsrücken mit Schwarzkümmelkruste und Linsen Zutaten für den Kalbsrücken: 500 g Kalbsrücken 30 ml Olivenöl 60 g Butter 5 g Schwarzkümmel,

Zubereitung: Den Backofen auf 80 °C vorheizen. Den Kalbsrücken parieren und binden. In einem Bräter in dem Olivenöl anbraten und im Ofen etwa 1 Stunde auf eine Kerntemperatur von 54 °C garen. Das Band entfernen. Die Grillfunktion des Ofens einstellen. Die Butter aufschäumen und den Schwarzkümmel einstreuen, mit Salz würzen und das Panko hinzugeben. Den Kerbel fein hacken und mit den Apfelwürfeln unterheben. Die Masse auf dem Kalbsrücken verteilen und das Fleisch unter dem Backofengrill 2 Minuten überbacken.

fein gemörsert Salz 100 g Panko* ½ Bund Kerbel 1 Apfel (Granny Smith), in feine Würfel geschnitten Zutaten für die Linsen: 100 g Beluga-Linsen 10 g Olivenöl 40 g feine Gemüsewürfel (Lauch, Sellerie und Karotte) 4 g Dukkah** 5 g Salz

Am Vortag die Beluga-Linsen mit Wasser bedecken und 24 Stunden im Kühlschrank quellen lassen. Das Olivenöl erhitzen und die Gemüsewürfel mit Linsen und Dukkah anschwitzen. 800 ml Wasser angießen, Salz, Gemüsebrühe, Currypaste und Kaffir-Limettenblätter hinzufügen. Aufkochen, mit einem Backpapier abdecken und 20 Minuten simmern lassen, bis die Linsen gar sind, aber noch leichten Biss haben. Zum Servieren den Kalbsrücken aufschneiden und aufstellen. Die Linsen daneben arrangieren. *Paniermehl aus der japanischen Küche **Ägyptische Gewürzmischung

2 g gekörnte Bio-Gemüsebrühe 50 g grüne Currypaste 4 Kaffir-Limettenblätter

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Aus der Geschichte

Schwedische Meeresarchäologen machten mittelalterliche Gewürzfunde

Schiffswrack mit 500 Jahre altem Safran Zwei Meeresarchäologen der Universität Lund haben auf dem königlichen Flaggschiff „Gribshunden“, das 1495 vor der Südküste Schwedens sank, einen spektakulären Fund gemacht: Sie entdeckten exotische Gewürze wie Safran, schwarzen Pfeffer, Nelken und Ingwer. Eingelagert im Sediment des Meeresbodens blieben sie 500 Jahre lang erhalten.

„Es war eine echte Überraschung, wie gut die Gewürze konserviert waren. Der Safran war immer noch leuchtend rot-orange und hat sein Aroma behalten“, berichtete Mikael Larsson, einer der beiden beteiligten Meeresarchäologen. „Wir trauten unseren Augen nicht, als wir den Safran fanden.“ Aber nicht nur die Augen der Wissenschaftler erlebten ihr „rot-oranges“ Wunder, sie bekamen auch Verblüffendes vor die

Nase: Als die Forscher einen 500 Jahre alten Safranklumpen in Wasser lösten, gab er immer noch seinen typischen Geruch von sich. Dass die Fundstücke so gut erhalten blieben, führen die Forscher auf die besondere Meeresumgebung der Ostsee zurück, die mit ihrem geringen Salzgehalt und ihrer niedrigen Temperatur das Pflanzenmaterial konservierte. So hatte die Gribshunden neben Gewürzen auch heimische Kräuter, Früchte oder Nüsse geladen, insgesamt 40 verschiedene Pflanzenarten. Es waren jedoch die exotischen Spezereien, die für Aufsehen in der archäologischen Fachwelt sorgten, wurden doch einige von ihnen – etwa der Safran – nie zuvor in Nordeuropa gefunden. Nach Larsson erlauben sie daher „unschätzbare Einblicke in das soziale und physische Leben der mittelalterlichen Elite“. Denn einst galt die Gribshunden als Flaggschiff Königs Johann I. (1455 – 1513), der neben Dänemark auch Schweden und Norwegen regierte. Mit Hilfe der Gewürze konnte er zeigen, dass sein nordisches Herrschaftsgebiet keinesfalls zum Hinterland gehörte. Nein, sein Reich trieb internationalen Handel – die gefundenen Nelken stammten beispielsweise aus Indonesien – und wusste durchaus, den höfischen Trends des europäischen Kontinents zu folgen. Das war und ist die Botschaft, die bis heute jeder einzelne Safranfaden transportiert. i

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Expertise

Fein vermahlene Gewürze und streufähige Gewürzmischungen

Für mehr Aroma und guten Geschmack: Kaltvermahlung Zart wie Puderzucker fällt das Currypulver in den Wok, federleicht rieseln die „Herbes de Provence“ auf das mediterrane Gemüse. Dass Gewürzmischungen fein vermahlen, streufähig und doch aromaintensiv daherkommen, sind wir gewohnt. Jedoch bei genauerer Betrachtung zeigt sich darin ein technologisches Kunststück. Möglich gemacht durch die aromaschonende Kaltvermahlung der modernen Gewürzindustrie.

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: brüchige Zimtstangen, zarte Koriandersamen, spröde Rosmarinnadeln, getrocknete Lorbeerblätter, ölige Gewürznelken und beinharte Muskatnüsse. „Als Mahlgut haben sie alle wenig gemeinsam“, findet auch Lebensmitteltechnologe Raphael Sperberg, „außer, dass sie zu den Gewürzen zählen.“ Aus dem Blickwinkel der mechanischen Weiterverarbeitung gehören Gewürze zur Königsklasse. Denn nicht nur ihre Beschaffenheiten sind komplex, sie reagieren auch alle empfindlich auf Hitze. Ihre ätherischen Gewürzöle verflüchtigen sich bei hohen Temperaturen und damit das, was diese Naturprodukte so kostbar macht: ihr Aroma. Ihr Geschmack. Um beide zu bewahren, setzt die Gewürzindustrie auf fortschrittliche Kaltvermahlungs-Technologie. Mit Hilfe von zugeführtem Stickstoff, Kohlendioxid oder Luft, die auf wenige Grade heruntergekühlt wird, lässt sich eine moderne Prallmühle, die mit 5.000 bis 17.000 Umdrehungen pro Minute läuft, aromasicher betreiben. Unterm Strich bleiben so 30 bis 40 Prozent mehr ätherische Öle erhalten, nachteilige Oxidationsprozesse werden verhindert.

Doch die aromaschonende Vermahlung von Gewürzen verlangt viel Know-how und Erfahrung. Denn die Mahlbarkeit der sensiblen Naturprodukte verändert sich nicht von Muskatnuss zu Koriandersamen, sie variiert auch innerhalb ein und dergleichen Sorte – je nach Ernte, Anbaugebiet oder klimatischen Begebenheiten. „Ich erinnere mich beispielsweise an einen ungewöhnlichen schwarzen Pfeffer, den ein französischer Gewürzveredler mitbrachte“, berichtet Sperberg, der das Anwendungstechnikum des Maschinenbauunternehmens Gebr. Jehmlich leitet, das seit über 100 Jahren auf Zerkleinerungstechnik spezialisiert ist. „Die Pfefferkörner waren so ölhaltig, dass sie sich mit den üblichen Standardparametern einfach nicht verarbeiten ließen.“ Das Mahlgut verklebte, es kam zu massiven Anhaftungen in der Maschine, was die anschließende Reinigung erschwerte. Sperberg variierte die möglichen Parameter – Drehzahl, Siebeinsätze, Mahlwerkzeuge – bis er auch mit diesem Sonderfall zufrieden sein konnte: „Sehr feine Produktqualität bei gleichzeitig niedrigem und damit aromaschonendem Energieeintrag.“ i

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Grill & Co.

Christlicher Festbraten und ein Ausdruck von Großzügigkeit

Gans gerne Am 11. November beginnt die Saison der Martins- und Weihnachts­ gänse. Das edle Geflügel steht wie kein zweites Gericht für die Advents- und Weihnachtszeit. Wie schön, dass es genug Größe mitbringt, um auch Familie und Freunde satt zu machen.

Gewürze als Beigabe: Die Gans besitzt im Geflügelvergleich einen recht hohen Fettanteil, das macht ihr Fleisch schmackhaft und ihre Haut unnachahmlich kross. Ihr dunkles, so charakteristisches Fleisch rührt von einem höheren Gehalt an Myoglobin, einem Muskelprotein, her. Gänse werden im Allgemeinen im Freilauf gehalten, sie sind aktiver als anderes Geflügel und ihr Fleisch schmeckt aromatischer. Neben Fleur de Sel lässt es sich mit Rosmarin, Majoran oder Beifuß veredeln. Wer experimentierfreudig ist, kann auch einmal Fichtennadeln versuchen. Für die Füllung des Bauchraums bieten sich saftig-süße Orangen an, aber auch Esskastanien, Zwiebeln oder Äpfel, kombiniert mit Trockenpflaumen und weihnachtlichen Gewürzen.

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Grill & Co.

Christliche Tradition: Die Martinsgans, die dem christlichen Heiligen Martin von Tours (316/317 – 397) geehrt wurde, diente der Weihnachtsgans vermutlich als Vorbild. Bis heute erzählt man sich die Geschichte, wie der heilige, für seine Mildtätigkeit bekannte Martin seinen Umhang zerteilte und eine Hälfe einem frierenden Bettler schenkte. Der Legende wird am 11. November gedacht, wenn Kinder bunte Laternen anzünden und – angeführt von einem Reiter auf einem weißen Pferd – durch die Straßen ziehen. Der Brauch, zu Ehren des Heiligen Martins anschließend ein Festmahl zu geben, entwickelte sich in verschiedenen europäischen Ländern. Die kostbare Gans, einst ein rarer Besitz weniger Bauern, symbolisierte also nicht nur Martins Großzügigkeit.

Großzügig zu Gästen: Einen Fest­

braten teilt man sich traditionell mit anderen, mit der Familie oder lieben Freunden, die zu Besuch kommen. Da jedes Huhn vor so vielen hungrigen Mäulern kapitulieren würde, konnte sich, ganz prag­matisch, die Gans auf dem Weihnachtstisch breit machen. Sie symbolisiert Gastfreundschaft und Freigiebigkeit allein durch ihre Größe.

Kulinarisch verheiratet: Im deutschsprachi-

gen Raum wird ein Gänsebraten liebend gerne mit Rotkohl oder Blaukraut, mit Knödeln oder Klößen „verheiratet“, gekrönt von einer sämig abgebundenen Sauce. Die Elsässer dagegen schwören, wie könnte es auch anders sein, auf ihr „Choucroute“, ihr Sauerkraut, während die Schweden ihren Gästen Rosenkohl und Apfelkompott servieren.

Gans viel Erinnerung: In zahlreichen Familien existieren Weihnachtsgans-Rezepte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Eine schöne Tradition, denn im Geschmack liegt viel Erinnerung. Wer sich erstmals an den Festtagsbraten herantraut – und vielleicht eine neue Familientradition begründen möchte –, der sollte, neben einem großen Bräter, reichlich Zeit mitbringen. Denn bei Niedrigtemperatur, über viele Stunden im Ofen gegart, wird das Fleisch butterweich und saftig. Wer der Gans trotzdem eine krosse Haut verpassen möchte, heizt kurz vorm Schluss die Grillfunktion an.

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Kurz & knapp

Frischekick zu gewinnen Ein Karotten-Apfel-Drink am Mor­ gen, ein gesunder Ingwershot zwischendurch und nach dem Lunch ein erfrischendes Zitronensorbet mit Minze. Mit seinen beiden Spezialeinsätzen verarbeitet der Slow Juicer von Panasonic alles, was schmeckt und was uns guttut: Obst, Gemüse, weiche Kräuter, aber auch harte Nüsse, Samen und Gewürze. Aus ihnen zaubert das Multitalent Säfte, Sorbets oder Frozen Joghurts. Eine langsam – und glücklicherweise recht leise – drehende Pressschnecke sorgt dafür, dass alle wertvollen Vitamine, Enzyme und Mineralstoffe aus den Lebensmitteln erhalten bleiben. Wer den Slow Juicer MJ-L700 im Wert von 269 Euro gewinnen möchte, schickt bitte eine Mail mit kompletter Adresse und Telefonnummer an pfeffer@­ gewuerzindustrie.de (Einsendeschluss: 31. Januar 2024). Stichwort: Slow Juicer. Teilnahmebedingungen unter: pfeffer-magazin.de/gewinnspiele In der letzten Ausgabe verloste pfeffer drei Buchpakete aus dem Heel Verlag. In jedem steckte „Einfach genial Grillen“ und „Einfach genial Grillen – Vegetarisch“ von Oliver Sievers. Gewonnen haben Waltraud Daschner, Birgit Stoeckmann und Jana Mitric. Herzlichen Glückwunsch!

Klein, aber fein Zitwer Familienzugehörigkeit: recht unbekannte Schwester von Ingwer und Kurkuma, ein ursprünglich aus Indien stammendes Ingwer­gewächs Zweitnamen: Zitwerwurzel oder Weiße Kurkuma (Curcuma zedo­ aria/Curcuma zerumbeth) Geschmack: Aroma erinnert an Ingwer und Mango, es besitzt einen scharf-bitteren Nachgeschmack. Verwendung: traditionelles Heilmittel und Gewürz, etwa in Currypasten oder zum Einlegen von Obst und Gemüse. In Thailand werden die jungen Wurzelstöcke wie Gemüse verzehrt. Kennzeichen: verzweigte Rhizome, die sich am Fuße einer krautigen, bis zu einem Meter hohen Pflanze mit prächtigem Blütenstand entwickeln

Kleine Warenkunde: Pfeffer Piper nigrum, der Pfefferstrauch, ist so ergiebig wie keine zweite Gewürzpflanze: Aus seinen Beeren, die an einer langen Rispe heranwachsen, lassen sich sowohl schwarze, weiße, grüne als auch rote Pfefferkörner gewinnen. Für schwarzen und grünen Pfeffer werden die noch unreifen Beeren gepflückt und verarbeitet. Während sie für den scharfen schwarzen Pfeffer an der Sonne trocknen und sich dabei dunkel verfärben, werden sie für den milden grünen Pfeffer frisch in Salzwasser eingelegt, fermentiert oder (gefrier-)getrocknet. Die ursprünglich grüne Farbe bleibt erhalten. Weiße und rote Pfefferkörner basieren dagegen auf den roten, ausgereiften Früchten. Weißer Pfeffer entsteht durch das Entfernen der äußeren Schale. Der Steinkern, der übrig bleibt, wird ebenfalls an der Sonne getrocknet und bleicht weißlich aus. Ein rares Gut ist der rote Pfeffer, nicht zu verwechseln mit rosa Pfefferbeeren, die vom Brasilianischen Pfefferbaum (Schinus terebinthifolia) stammen und damit von einer gänzlich anderen botanischen Art. Außer ihrer Namensähnlichkeit haben beide nichts gemein. Die echten roten Pfefferkörner entstehen aus ungeschälten Pfefferbeeren, die – wie beim grünen Pfeffer auch – in einer Lake eingelegt werden. Selten gibt es roten Pfeffer auch in getrockneter Form zu kaufen, etwa den aus Kambodscha stammender Kampot-Pfeffer. i

Noch mehr pfeffer Das Online-Magazin findet sich unter www.pfeffer-magazin.de


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