12 minute read
Das Sinfonieorchester Basel kann auch Pop
SYMBIOTISCHE SINFONIE
Das Sinfonieorchester Basel entwickelt immer wieder moderne Formate, und stand auch schon mit Basler Pop-Grössen wie Anna Rossinelli auf der Bühne. Am 22. April 2022 hiess der Partner Sam Himself. Der Anlass: das BScene Musikfestival, welches dieses Jahr endlich wieder so richtig stattfinden durfte. Ein Gespräch mit dem Bassposaunisten Domenico Catalano.
Advertisement
Text: Valérie Ziegler Bilder: Benno Hunziker & Pia Clodi (Porträts)
Gut gelaunt und voller Leben springt Sam Himself für den Soundcheck auf die Bühne. Hinter ihm: das 20-köpfige Sinfonieorchester Basel. Instrumente werden gestimmt, Positionen optimiert. «Zuletzt noch die Harfe; tönt gut, wir können beginnen», hört man den Tonmeister durchs Mikrofon.
Erster Song: La Paz. Mir kommen direkt die Tränen. Hört sich schnulzig an. Ist aber wahr. So ein verstärktes Orchester, kombiniert mit Sams tiefer, eindringlicher Stimme, das hat echt was. Alleine schon die acht Violinen – wow! Ab und an wird korrigiert; Verstärker runter, dann wieder hoch, «Fippe», der Drummer, «nid abseggle, gäll!», ermahnt Sam freundlich.
Eigentlich habe ich mich auf zwei Stunden eingestellt. Doch nach knapp 30 Minuten fragt der Basler Sänger humorvoll: «Do you mind another Durchlauf of La Paz or do you prefer to chill? No worries, you sounded great, it's mostly for the singer.» So gibts also nochmals eine Runde für Sams verträumten Hit aus dem letzten Jahr, bevor das Orchester die Bühne fast schon unbemerkt wieder verlässt.
Wieso die Probe wahrlich schon fertig ist, was es bedeutet, heute mit Sam auf der Bühne zu stehen und wie man Profimusiker im Sinfonieorchester wird, erzählt mir Bassposaunist Domenico Catalano (34) im anschliessenden Gespräch.
Domenico, das war jetzt aber eine kurze Sache …
Ja, wir dachten auch, es würde länger dauern. Aber es sind halt nur vier Songs. Da muss man die Probe nicht künstlich in die Länge ziehen.
Unglaublich, dass ihr heute erst zum zweiten Mal gemeinsam mit Sam geprobt habt. Wann begann die individuelle Vorbereitung?
Ich persönlich habe vor einer Woche zum ersten Mal in die Noten geschaut. Das hört sich vielleicht verrückt-mutig an, doch ist es nicht das erste Mal, dass ich mit dem Arrangeur und Dirigenten Michael Künstle zusammenarbeite. Ich kenne seinen Schreibstil und wusste entsprechend, dass mich keine grossen Überraschungen erwarten werden.
Was ich mich immer wieder frage: Denkt man als Orchestermusiker eigentlich während dem Spielen noch was?
Gedanken mache ich mir tatsächlich nicht viele. Es handelt sich vielmehr um ein sehr aufmerksames Musizieren. Man spielt mit offenen Ohren; hört jeden Ton der Kolleg*innen. Und muss natürlich darauf achten, dass man selbst die Balance hält. Glücklicherweise kommt es im Orchester sehr selten zu schiefen Tönen.
«Wenn der Funke vom Publikum auf die Musizierenden zurückspringt, ist es unbeschreiblich. Das kann nur an Live-Konzerten passieren!»
Wie unterscheidet sich das Konzert mit Sam von einem klassischen? Darfst du heute etwas mehr ausbrechen?
Ja, irgendwie schon. Im Vergleich zu einem klassischen lässt man in einem rockigen oder poppigen Konzert kaum Pausen entstehen. Die Spielart muss also angepasst werden. Normalerweise spielen wir auch nicht stehend, sondern sitzend. Dass wir verstärkt werden, ist ebenfalls eine totale Ausnahme. In der Reithalle der Kaserne allerdings nötig. Auch das Schlagzeug aus Sams Band bringt zusätzlich Bewegung rein. So war ich in der Probe hauptsächlich damit beschäftigt, alle Musizierenden wahrzunehmen, was durch die Verstärkung ziemlich schwierig war. Entsprechend muss man sich also auf die Tonmeister verlassen. Und das sind wir uns als Orchestermusiker nicht gewohnt; wir geben ungern die Kontrolle ab, sondern bevorzugen es, möglichst viele Faktoren selbst zu beeinflussen.
Du bist nicht nur mit dem Sinfonieorchester Basel unterwegs, sondern auch mit eigenen innovativen Projekten. In welcher Welt fühlst du dich mehr zu Hause: in der klassischen oder in der improvisierten?
Das ist eine gute und schwierige Frage. Ich wurde natürlich für das klassische Sinfonieorchester ausgebildet. Doch habe ich bereits während meinem Studium stets nach einem Weg gesucht, um meinen Horizont zu erweitern. Mit eigenen Projekten versuche ich immer wieder, etwas zu produzieren, das es bisher noch nicht gab. Ich möchte das Instrument Bassposaune in ein neues Licht rücken; weg von seinem Image als klassisches Orchesterinstrument oder Teil einer Big Band. Im Orchester ist der Rahmen nämlich häufig sehr klar vorgegeben; die Möglichkeiten, da auszubrechen, bleiben eher bescheiden. Vergleichbar mit Spitzensport vielleicht: Wenn sich ein Sprinter für die Disziplin 100 Meter entscheidet, macht er nebenbei nicht noch Hochsprung. Umso schöner ist es also, dass ich mich in beiden Welten bewegen darf. Denn als Orchestermusiker möchte ich natürlich auch, wenn immer möglich, die grossen Werke spielen. Für das sind wir da. Jede Woche ist anders. Und genau diese Vielfältigkeit liebe ich so sehr an meinem Beruf.
Wann und wieso hast du dich ausgerechnet für die Posaune entschieden?
Als ich etwa sechs Jahre alt war, durfte ich an einem Brass-Konzert einem eindrücklichen Posaunisten zuschauen. Seine Art zu spielen war unglaublich lässig und virtuos. Von diesem Moment an wollte ich Posaunist werden. Ganz klar. Ich komme also nicht aus einer Musikerfamilie.
Und wann wurde die Musik zu deinem Beruf?
Dass ich professioneller Musiker werden könnte, wurde mir erst sehr spät bewusst. Ich habe verschiedene Berufe ausprobiert, doch fühlte sich nichts richtig an. Einer meiner Lehrer meinte dann mal: Studiere doch Musik! Den ganzen Tag Posaune spielen? Ich wusste gar nicht, dass das tatsächlich möglich war. Ich habe mich dann für die Hochschule in Luzern entschieden, wo es mir sofort den Ärmel reingezogen hat. Nun spiele ich bereits seit zehn Jahren im Orchester.
Wie holt ihr mit dem Sinfonieorchester Basel auch das jüngere Publikum ab?
Konzerte wie das heutige mit Sam Himself sind da sicher förderlich. Im Vergleich zu anderen Städten und Orchestern ist das Publikum in Basel grundsätzlich aber relativ jung, was sehr schön, für mich als Musiker aber nicht relevant ist. Hauptsache, ich berühre meine Zuhörer*innen!
Gibts einen musikalischen Traum, der noch nicht in Erfüllung ging?
Neben Basel kamen für mich schon immer drei andere Orchester infrage: die Berliner Philharmoniker, die Wiener Philharmoniker, oder das Gewandhausorchester Leipzig. Vor zwei Wochen war ich fürs Probespielen in Leipzig und habe es gewonnen. Ich freue mich also enorm auf die nächste Saison. Ein Traum, der wahr wird!
Wow, Glückwunsch! Was aus Basel wird dir wohl am meisten fehlen?
In Basel schätze ich vor allem die Vielfältigkeit des Kulturlebens. Diese Offenheit – es war nicht schwierig, im Basler Kulturbereich Anschluss zu finden. Und das auch genreübergreifend. Andere Städte sind da in meinen Augen durchaus verschlossener.
SINFONIEORCHESTER BASEL
Ob in eigenen Konzertreihen, im Theater Basel oder bei Gastspielen im In- und Ausland: Das Sinfonieorchester Basel begeistert – unter der Leitung vom Chefdirigenten Ivor Bolton – immer wieder aufs Neue.
Dirigent und Arrangeur Michael Künstle hat für das diesjährige BScene Musikfestival ein Konzert mit Sam Himself auf die Beine gestellt, dessen Töne direkt unter die Haut gingen. Insgesamt 20 Orchestermusiker*innen (von total 100) standen gemeinsam mit dem erfolgreichen Basler Musiker auf der Bühne.
Seit August 2020 spielt das Sinfonieorchester Basel wieder in seinem Stammhaus, dem glanzvoll renovierten Stadtcasino Basel.
SINFONIEORCHESTER BASEL Picassoplatz 2 – sinfonieorchesterbasel.ch
SYMBIOTIC SYMPHONY
The Basel symphony orchestra is constantly developing new formats, and they have already shared the stage with other pop stars from Basel, for example Anna Rossinelli. On 22 April 2022 they partnered with Sam Himself. The occasion: the BScene music festival, which could finally take place again properly this year. An interview with the bass trombonist Domenico Catalano.
In an excellent mood and full of life, Sam Himself leaps onto the stage for the sound check. Behind him: 20 musicians from Basel symphony orchestra. The instruments are being tuned; positioning improved. “And the last step, the harp; sounds good, we can begin.” the sound engineer announces through the microphone.
First song: La Paz. The tears come straight to my eyes. Sounds cheesy. But it’s true. An orchestra amplified like this, combined with Sam’s deep, powerful voice, is really something. Not least the eight violins – wow! Every now and then there are corrections to be made; amplifiers turned down, then up a bit, “Fippe” (the drummer) “don’t drift off, okay!” Sam admonishes him, but in a friendly manner. I had actually been expecting it to last two hours or so. But after only about 30 minutes, the singer from Basel enquired humorously: “Do you mind if we do another run-through of La Paz or would you prefer to chill? No worries, you sounded great, it's mostly for the singer.” So there’s another rendering of Sam’s dreamy hit from last year, before the orchestra members unobtrusively depart the stage again.
In the interview that follows, Domenico Catalano (34), the bass trombonist, tells me why the rehearsal was over so quickly, what being on stage with Sam today signifies and how to become a professional musician in a symphony orchestra.
Domenico, that was over pretty quickly …
Yes, we thought it would take longer too. But it’s only four songs. You don’t have to drag the rehearsal out if it’s not necessary.
It’s incredible that today was only the second time you rehearsed together with Sam. When did you begin rehearsing by yourselves?
I personally only looked at the score for the first time a week ago. That might sound ridiculously overconfident, but it’s not the first time that I have worked with the arranger and director, Michael Künstle. I’m familiar with his style of writing, so I knew I was not in for any nasty surprises.
What I always wonder is: when you are a musician playing in an orchestra, are you thinking about anything while you’re playing?
No, I really don’t think about anything much. It’s more about being extremely concentrated on playing the music. You play with open ears; you hear every note your colleagues are playing. And of course, you have to make sure that you keep in tune yourself. Luckily, it’s extremely rare for notes to be off-key in the orchestra.
How does your concert with Sam differ from a classical concert? Are you a bit freer in how you play today?
Yes, in a way I suppose. In a rock or pop concert, compared to a classical concert, there are hardly any lulls in the music. You have to adapt the way you play. And usually we don’t play standing up, but sitting down. The fact that we are being amplified is also a complete exception. But where we’re playing, in the Reithalle at the Kaserne, it is necessary. And the percussion from Sam’s band brings an added swing to the whole thing too. During the rehearsal, I was mainly busy trying to be aware of what all the musicians were doing, which was very difficult because of the amplification. This means you have to rely on the sound engineers. And as orchestra players we are not used to that; we don’t like handing over control to someone else, we prefer to influence as many factors as possible ourselves.
You are not only on the road with the Basel symphony orchestra, you also have your own innovative projects. Where do you feel more at home, in the world of classical music or of improvisation?
That’s a good question, but a difficult one. Of course, I was trained to play in a classical symphony orchestra. But even while I was still studying, I was always looking for ways of broadening my horizon. With my own projects, I am always trying to do something that has never been done before. I would like to present the bass trombone as an instrument in a different light; away from its image as a classical orchestra instrument or as part of a big band. In an orchestra, the framework is usually very clearly specified; the opportunities it offers to break out of the mould are pretty limited, a bit like high-performance sport perhaps: when a sprinter decides to compete in the 100 metre sprint, he doesn’t train to compete in the high-jump at the same time. So it is especially nice that I can participate in both worlds. As an orchestra musician, of course, I want to perform the great works as often as possible. That’s why we’re here. Each week is different. And it’s precisely this variety that I love so much about my profession.
When and why did you choose to learn the trombone, of all instruments? When I was about six years old, I was lucky enough to witness a really impressive trombonist playing at a brass band concert. The way he played was incredibly relaxed but perfect. From that moment on, I wanted to be a trombonist. No question. It’s not that I come from a family of musicians.
And when did music become your profession? I only realised that I could become a professional musician quite late in the day. I tried out a few different professions, but none of them felt right. Then one of my teachers said: Why don’t you study music? You can play trombone all day then. I didn’t even know that that was an actual option. I decided I wanted to attend the music academy in Lucerne, and I was hooked straight away. I’ve already been playing in the orchestra for ten years now.
How does the Basel symphony orchestra manage to reach a younger audience too? Concerts like this one today with Sam Himself certainly help. But the audience in Basel, in comparison to other towns and orchestras, is basically relatively young anyway, which is lovely, but not relevant for me as a musician. For me most important thing is that I move my audience!
Do you have a musical dream that hasn’t come true yet? Well besides Basel, there were always three other orchestras that came into question as far as I was concerned: the Berlin Philharmonic, the Vienna Philharmonic, and the Gewandhaus orchestra in Leipzig. Two weeks ago, I auditioned in Leipzig and I won. And now I am really looking forward to the next season. A dream that came true! Wow, congratulations! What will you miss most about Basel? What I appreciate the most in Basel is the diversity in its cultural life. Its openness – it was really not difficult to connect up in Basel’s cultural circles. And that includes between the different genres. As far as I have seen, other cities are much more reserved.
BASEL SYMPHONY O RCHESTRA
In their own series of concerts, at Basel’s theatre, or in guest performances in Switzerland and abroad: Basel symphony orchestra – under the direction of its lead conductor, Ivor Bolton –enthrals its audiences, again and again.
The conductor and arranger Michael Künstle organised a concert together with Sam Himself at this year’s BScene music festival, which really got under the skin. In all, 20 orchestra musicians (of a total 100) appeared on stage with the successful musician from Basel.
Basel symphony orchestra has been playing at its own historic premises again since August 2020, namely the superbly renovated Stadtcasino Basel.