G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER P S YC H O LO G I N N E N U N D P S YC H O LO G E N E .V. 36. JAHRGANG JULI/AUGUST 2011
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reportpsychologie W W W . B D P - V E R B A N D . D E
Frauenquote aus eignungsdiagnostischer Perspektive
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Gespr채ch mit Gerd Gigerenzer TK-Qualit채tsmonitoring zeugt vom Wert der Psychotherapie
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Maren Hiltmann, Christa Mette, Christian Montel, Heinrich Wottawa, Barbora Zimmer
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Besetzung von Führungspositionen: Eine Betrachtung von Quotenregelungen aus eignungsdiagnostischer Sicht
Z U S A M M E N F A S S U N G
Die Frage einer »gerechten« Quote von Frauen in Führungspositionen wird auf Basis der psychologischen Testfairness-Konzepte diskutiert. Empirische Basis sind die Daten zu acht beruflich relevanten Lebensmotiven/-zielen und 15 Leistungspotenzialen, die bei 8207 Männern und 12 721 Frauen kurz vor oder nach dem Studienabschluss im Zeitraum von 2003 bis 2010 erhoben wurden. Bei den Lebensmotiven und -zielen zeigt sich eine generelle Abnahme der Bedeutung von Macht. Auch Image und ethische Werte wurden bei den Männern unwichtiger, bei den Frauen stieg die Bedeutung dieser Aspekte deutlich an. Bezüglich der Leistungspotenziale wurden mit einer Cluster-Analyse vier Typen identifiziert. Im Zeitverlauf nimmt der Anteil am Typ »Potenzielle Führungskraft« im Untersuchungszeitraum bei beiden Geschlechtern deutlich ab, besonders stark bei den Männern. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen wurden in dieser Hinsicht also geringer. Dabei bestehen große Unterschiede zwischen den Fächern. Der relative Anteil von Frauen mit Führungspotenzial hat vor allem in Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften und im Lehramt deutlich zugenommen und liegt inzwischen über dem der Männer. Bei den Wirtschaftswissenschaften nahm aber der Anteil der Frauen mit Führungspotenzial gegenüber dem der Männer deutlich ab. Es wählen also zunehmend Frauen mit hohen Führungspotenzialen andere Studienfächer. Abschließend werden Schlussfolgerungen für »gerechte« Frauenquoten bei Führungskräften sowie angemessene Maßnahmen dazu diskutiert. Stichworte: Lebensziele, Motive, Karriere, berufliche Orientierung, Frauenquote, Führungskräfteentwicklung, Führungsnachwuchs, Führungspotenzial, PERLS, Personalmarketing
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A B S T R A C T
The question of an »equitable« quota of women in leadership positions is discussed based on psychological test fairness models. The empirical basis consists of data on 8 career-relevant life motivations and goals and 15 performance potentials surveyed in 8,207 men and 12,721 women just before or after graduating from university in the period from 2003 to 2010. A general decline in the importance of power among life motivations and goals is apparent. While image and ethical values also became less important to men, the importance of these aspects increased for women. For performance potentials, cluster analysis was used to identify four types. In the course of the sample period, the percentage of »potential future leader« types markedly declined for both genders, and to an especially large extent among men. Differences between men and women in this regard decreased as a consequence. However, there are great differences by discipline. The relative proportion of women with leadership potential clearly increased in particular in the natural sciences, law and education, and is now higher than that of men. In economics, however, the proportion of women with leadership potential clearly declined as compared to that of men. Apparently, women with great leadership potential are increasingly choosing different disciplines. Conclusions for »equitable« proportions of women in leadership positions and appropriate measures are discussed at the end.
L I T E R A T U R Cole, N. S. (1973). Bias in selection. Journal auf Educational Measurement, 10 (4), 237-255. eligo GmbH (2010). PERLS Handbuch. Bochum, Berlin: eligo. Kirbach, C. & Montel, C. (2005). Die Internetplattform PERLS. In: W. Sarges & H. Wottawa (Hrsg.), Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren (2. Aufl., S. 879-892). Lengerich: Pabst. Kirbach, C., Montel, C., Oenning, S. & Wottawa, H. (2004). Recruiting und Assessment im Internet. Werkzeuge für eine optimierte Personalauswahl und Potenzialerkennung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Merton, R. K. (1948). The self-fulfilling prophecy. The Antioch Review, 8, 193-210. Möbus, C. (1978). Intelligenztests: Ein unlösbares Trilemma zwischen den Zielen von Gruppen, Individuen und Institutionen. Diagnostica, Band XXIV, 191-234. Stiftung Warentest (2007). Online-Tests zur Selbsteinschätzung: Eignungsprüfung im Netz. Stiftung Wartentest 3/2007. Wottawa, H., Montel, C., Mette, C., Zimmer, B. & Hiltmann, M. (in Druck). Leistungs- und Befriedigungspotenziale von Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen. Eine eligo-Studie. Wirtschaftspsychologie, 2/2011, Lengerich: Pabst.
Thema des Monats: Frauenquote • Interview mit Andrea Abele-Brehm • Literaturhinweise • Linktipps 324
Thema des Monats
Frauenquote
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www.report-psychologie.de/thema
r e p o r t psychotherapie Christine Bergmann legt Abschlussbericht vor Empfehlungen der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs
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uf der Webseite www.beauftragte-missbrauch.de können sowohl der umfangreiche Abschlussbericht der Unabhängigen Beauftragten als auch die gut lesbare Kurzfassung desselben heruntergeladen werden, die als Quelle herangezogen wurde, um die Frage zu beantworten: Welche Implikationen haben die Empfehlungen der UBSKM für die Psychotherapeutenschaft? Diesem Anliegen geht der VPP in einem ausführlichen Beitrag auf seiner Website nach, der hier kurz zusammengefasst ist. Vor dem Hintergrund der 2010 bekannt gewordenen zahlreichen Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs in Institutionen beschloss die Bundesregierung am 24. März 2010 die Einrichtung eines runden Tisches »Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich«. Mitglieder dieses runden Tisches »Sexueller Kindesmissbrauch« sind rund 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. Die Bundesregierung setzte zeitgleich eine Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) ein und berief in dieses Amt Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin a.D. Die Empfehlungen der UBSKM beruhen u.v.a. auch auf der Expertise
von 2500 Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die an einer Online-Befragung im Februar 2011 teilnahmen. Aus dieser Befragung und den Ergebnissen der Gesamtaufarbeitung ergaben sich folgende Informationen: n Die meisten der behandelten Betroffenen haben in ihrer Kindheit sexuellen Missbrauch im sozialen Nahbereich erlitten, 10 % der Betroffenen Missbrauch in Institutionen. n Der Missbrauch hatte überwiegend im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren stattgefunden. n In mehr als der Hälfte der Fälle war der Missbrauchshintergrund zu Beginn der Therapie nicht bekannt. n Betroffene müssen nach den Erkenntnissen aus der Aufarbeitung aufgrund langer und schwieriger Therapieverläufe häufig länger als andere Patientinnen bzw. Patienten auf einen Therapieplatz warten. n Die meisten Psychotherapeutinnen bzw. Psychotherapeuten gaben als allgemeine Wartezeit aller Patientinnen bzw. Patienten auf einen Therapieplatz in ihrer Praxis einen Zeitraum von drei bis fünf Monaten an. Ebenfalls viele gaben eine durchschnittliche Wartezeit von sechs bis elf Monaten an. n Die Befragung ergab, dass in der Therapie wegen sexuellen Missbrauchs neben den Richtlinienverfahren oft auch andere spezifische
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Notwendige Klärung Aus gegebenem Anlass veröffentlicht »report psychologie« an dieser Stelle drei Anmerkungen zur psychotherapeutischen Versorgung von Menschen mit schwereren Störungen im Hinblick auf den Abschlussbericht der UBSKM.
1. Die Karenz – Legende Viele Kolleginnen und Kollegen glauben fälschlicherweise – und das wurde auch im Abschlussbericht der UBSKM bemängelt –, dass eine abgeschlossene Psychotherapie eine weitere Psychotherapie im selben Verfahren für zwei Jahre ausschließt oder es eines »Sonderantrags« bedürfe. In der Folge wird den Patien-
Behandlungsmethoden wie beispielsweise traumafokussierte Verfahren oder Kreativtherapien angewandt werden. Insgesamt ergeben sich damit aus Sicht der UBSKM für Psychotherapie die folgenden Anliegen: n Verkürzung der Wartezeiten für einen geeigneten Therapieplatz n Erhöhung der Stundenkontingente, insbesondere für komplex traumatisierte Betroffene mit schweren Missbrauchserfahrungen und ausgeprägten dissoziativen Störungen n Mehr Angebote für männliche Betroffene und in ländlichen Gebieten n Öffnung der Kassenleistungen für diverse schulenübergreifende Therapieverfahren n Mehr bedarfsorientierte soziale Betreuung neben der Therapie n Mehr psychosoziale Vernetzung und Kooperation mit Kliniken und Beratungsstellen n Mehr Aus- und Weiterbildungsangebote Aus den insgesamt erhobenen Informationen und Daten leitet die UBSKM für die Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung von Opfern sexuellen Missbrauchs u.a. konkrete Empfehlungen ab, die insgesamt angemessen und überfällig erscheinen. Im Einzelnen werden diese vom VPP aus inhaltlicher und berufspolitischer Sicht kommentiert unter: www.vpp.org/meldungen/11/110 530_missbrauch.html Jean Rossilhol, im VPP-Bundesvorstand u.a. zuständig für die freien Psychotherapeuten
ten häufig zu einem Verfahrenswechsel geraten, oder es wird mit Gesprächsziffern überbrückt. Es gibt keine solche Karenzzeit! Die Legende ist möglicherweise aus einem Absatz der PsychotherapieVereinbarung1 erwachsen. Dort heißt es: »Teil C – Durchführung der Behandlung; § 11 Antragstellung […] (4) Die Kurzzeitherapie […]: Wird Kurzzeittherapie in Langzeittherapie übergeführt, ist die bewilligte Kurzzeittherapie auf das Kontingent der Langzeittherapie anzurechnen. Die Vertragskasse hat diesen Antrag 329
2. Die Höchstgrenzen in der Richtlinienpsychotherapie gelten nur grundsätzlich In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie)2 heißt es: »[…] § 23b Bewilligungsschritte für die Verfahren gemäß § 13 (1) Folgende Bewilligungsschritte sind möglich: […] 8. Eine Überschreitung des in Nummer 1 bis 7 festgelegten Therapieumfanges ist für die folgenden Ver-
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LFV NRW wählte neuen Vorstand
m 27. Mai fand in Köln die Mitgliederversammlung des Landesfachverbandes des VPP statt. Themen waren der Praxistag des VPP im letzten Jahr mit seinen gut besuchten Workshops, die intensive Arbeit der Kammerfraktion des VPP und die Arbeit der gewählten Mitglieder in den Gremien der KVen. Anschließend wurde der Vorstand neu gewählt. Alte und neue Vorsitzende ist Uschi Gersch, Stellvertreterin Sarah Owega. Beisitzer sind Claudia Hartmann, Hanna Steinbrink, Hans-Werner Stecker. In »VPP aktuell« wird demnächst über die politischen Ziele in den nächsten drei Jahren informiert. Auch werden wir die gewählten Kolleginnen und Kollegen
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Rechtsberatung aus erster Hand vorstellen. Fragen an diese können telefonisch außer in Ferienzeiten montags bis donnerstags gestellt werden. Mehr als 50 Kolleginnen und Kollegen hatten sich bereits vor der MV in der Bezirksstelle Köln der KV getroffen, um sich vom Justiziar des BDP, Rechtsanwalt Jan Frederichs, über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Praxisabgabe, Weitergabe (ganz oder hälftig), über Jobsharing (auf Honorarbasis oder angestellt) und über die Fragen der
Praxiswertbestimmung beraten zu lassen. Nach der intensiven Diskussion hatten die Kolleginnen und Kollegen Gelegenheit, sich zu unterhalten und z.B. herauszufinden, wer abgibt, wer sucht und anderes mehr. T 02 21 – 94 33 94 85 T 059 62 – 87 75 20 (Geschäftsstelle)
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1 Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (Psychotherapie-Vereinbarung) (Fassung vom 7. Dezember 1998), zuletzt geändert am 30. Oktober 2007); http://www.kbv.de/ rechtsquellen/2308.html 2 http://www.g-ba.de/ informationen/richtlinien/20/
3. Erstattungsverfahren In § 13 Abs. 3 SGB V heißt es: »[…] (3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 15 des Neunten Buches erstattet.« Die Praxis zeigt, dass es mitunter in dringenden Fällen schwierig sein kann, von den Krankenkassen eine Zusage zur Erstattung zeitnah zu erhalten (und ohne eine solche sollten Psychotherapeuten keine Behandlung beginnen). Wir schlagen daher vor, dass eine in der Folge der UBSKM-Empfehlungen zu schaffende Stelle auf Bundesund/oder Länderebene für Betroffene sexuellen Missbrauchs in dringenden Fällen in verbindliche Vorleistung geht, bis die Kostenerstattung zugesagt wurde. Die Betroffenen könnten so rascher und mit mehr Sicherheit ihren therapeutischen Prozess beginnen. Jean Rossilhol
fahren nur zulässig, wenn aus der Darstellung des therapeutischen Prozesses hervorgeht, dass mit der Beendigung der Therapie das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann, aber begründete Aussicht auf Erreichung des Behandlungsziels bei Fortführung der Therapie besteht. Dabei sind grundsätzlich die folgenden Höchstgrenzen einzuhalten: a) analytische Psychotherapie 300 Stunden, in Gruppen 150 Doppelstunden, b) tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie 100 Stunden, in Gruppen 80 Doppelstunden, c) Verhaltenstherapie 80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden, d) bei analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie von Kindern 150 Stunden, in Gruppen 90 Doppelstunden, bei Verhaltenstherapie von Kindern 80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden, e) bei analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie von Jugendlichen 180 Stunden, in Gruppen 90 Doppelstunden, bei Verhaltenstherapie von Jugendlichen 80 Stunden einschließlich Gruppentherapie in Doppelstunden.« Grundsätzlich heißt hier »im Grundsatz« oder »regelmäßig« – es heißt nicht »immer«. Eine begründete Verlängerung gemäß den angegebenen Kriterien ist also grundsätzlich möglich.
einem Sachverständigen zur Begutachtung vorzulegen (Gutachterverfahren). Das gleiche gilt, wenn nach Abschluss einer Therapie eine Kurzzeittherapie beantragt werden soll, es sei denn, dass zwischen dem Abschluss der Therapie und dem Zeitpunkt der Antragstellung ein Zeitraum von mehr als 2 Jahren liegt.« (Hervorhebung durch den Autor) D.h., es muss innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss einer Psychotherapie bei einer Neuaufnahme das Gutachterverfahren bei der KZT eingeleitet werden, auch wenn die Therapeutin bzw. der Therapeut sonst befreit ist von der Gutachterpflicht bei KZT. Eine LZT kann ebenso beantragt werden, der Antrag erfolgt wie üblich. Innerhalb eines halben Jahres nach Abschluss einer Psychotherapie würde es sich um eine Fortführung handeln, wenn im gleichen Verfahren weiterbehandelt werden soll.
r e p o r t spektrum
Die PHB in der klügsten Nacht des Jahres
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Rund 200 Besucher kamen ins Haus der Psychologie »Die klügste Nacht des Jahres« war das Motto der diesjährigen »Langen Nacht der Wissenschaften Berlin/Potsdam« – und die Psychologische Hochschule Berlin (PHB) war mittendrin, räumlich und zeitlich. Fast 200 Besucherinnen und Besucher fanden im Laufe des Abends den Weg ins Haus der Psychologie. An Informationsständen gab es Beratungsangebote zu den postgradualen Studiengängen Psychotherapie/Verhaltenstherapie und Psychotherapie/Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie an der PHB sowie zu den Angeboten der Psychotherapeutischen Ambulanz im Haus der Psychologie. Im Zentrum der Langen Nacht in der PHB standen Beiträge von Professoren der Hochschule. Prof. Dr. Frank Jacobi, Professor für Klinische Psychologie (Verhaltenstherapie), befasste sich mit dem zunehmenden Interesse der Öffentlichkeit an psychischen Erkrankungen in seinem Beitrag »Nehmen psychische Störungen zu?«. Ganz gemäß dem Motto, an Studierende der PHB auch jenseits der inhaltlichen Ausbildung kontinuierlich Aufgaben wissenschaftlicher Natur zu vergeben, wurden die Hauptvorträge dazu von Steffi Kirchhoff, einer Teilnehmerin des VT-Studiengangs, vorbereitet und gehalten. In der anschließenden angeregten Diskussion wurde wieder deutlich, dass die Bedeutung psychischer Störungen zugenommen hat, de facto eine Unterversorgung besteht und dass – auch wenn in Bevölkerungsstudien keine dramatischen Anstiege der Prävalenz zu verzeichnen sind – Handlungsbedarf unbedingt gegeben ist (z.B. hinsichtlich der Bedarfsplanung). Unter dem Titel »Brainstorming – Brainwriting – Brainwalking« demonstrierte Prof. Dr. Siegfried Preiser nach einem kurzen Überblick über psychologische Modellvorstellungen zur Kreativität die bekannten Methoden Brainstorming und Brainwriting sowie deren Beschränkungen. Als erfolgversprechende Alternative praktizierte er eine von ihm Brain-
walking genannte Kreativitätstechnik. Dabei wird eine Vielzahl von Fragestellungen auf Flipchartbögen in Räumen, Gängen und Fahrstühlen verteilt und von den Teilnehmenden simultan bearbeitet, d.h., die Anwesenden wandern von Thema zu Thema, notieren ihre Einfälle als Ideenliste oder Mindmap, lassen sich von den bereits geschriebenen Ideen zu weiterführenden Vorschlägen anregen. Unter anderem wurden folgende Fragen bearbeitet: Wie kann erreicht werden, n dass das Leben interessanter wird? n dass lebenslanges Lernen zur Selbstverständlichkeit wird? n dass in der Schule Kreativität gefördert wird? n dass es keine Schulversager gibt? n dass die Schule Erfolgserfahrungen vermittelt? Dass die Methode auch mit 50 gleichzeitig aktiven Teilnehmern funktioniert, zeigte beispielhaft die nach nur zehn Minuten gut gefüllte Ideensammlung zum Thema »Wie kann erreicht werden, dass Kinder aus Migrantenfamilien bessere Startchancen in der Schule haben?«: n Verbindliche Deutschkurse im Kindergarten n Förderung der Muttersprache als Basis für weiteren Spracherwerb n Mehrsprachiger Unterricht n Kindertausch mit Nicht-Migranten-Familien – Patenschaften der Eltern zusammen mit Kindern n Kinderlieder lernen, singen, gemeinsam musizieren, auch in der Muttersprache n Lernpatenschaften mit älteren Schülern, auch schon in der Vorschule n Migranten mit Bildungserfolgen als Vorbilder herausstellen n Sportler und Musiker mit Migrationshintergrund als Modelle n Hausaufgabenbetreuung n Eventuelle Skepsis bei Eltern abbauen n Eltern einladen, sich mal Unterricht oder Hausaufgabenbetreuung anzuschauen n Regelmäßige interkulturelle Weiterbildung der Lehrer n Musik- und Kochgruppen
n Den Familien möglichst viele deut-
sche Bilderbücher schenken für zu Hause Wie kann erreicht werden, dass lebenslanges Lernen zur Selbstverständlichkeit wird? n Zugang zu Bildungsangeboten n Freier Zugang zu Fachliteratur n Kreative Angebote nicht nur für Kinder n Schon in der Schule Lust aufs Lernen vermitteln n Lange Nächte der Weiterbildung mit interessanten Themenangeboten n Regelmäßige Freistellung von Mitarbeitern für Weiterbildung n Interessante Kurzinfos, die am Arbeitsplatz-PC abgerufen werden können Wie kann erreicht werden, dass in der Schule Kreativität gefördert wird? n Experimentieren, praktische Überprüfungen ermöglichen n Regelmäßige Weiterbildung der Lehrer und der Mitarbeiter der Schulbehörde n Häufiges Auswechseln der Lehrer n Künstler, Autoren, Wissenschaftler für Projekte in die Schule einladen n Auslachen unterbinden n Mehr Projektarbeit n Utopische Fragestellungen bearbeiten lassen n Zu neugierigen Fragen ermutigen n Vielfältige Kontakte in die Umwelt: Natur, Firmen, Behörden, Theater n Fehler und Sackgassen als Lernchance verstehen Siegfried Preiser, Frank Jacobi
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