Leseprobe Report Psychologie 10/11

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G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER P S YC H O LO G I N N E N U N D P S YC H O LO G E N E .V. 36. JAHRGANG OKTOBER 2011

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reportpsychologie W W W . B D P - V E R B A N D . D E

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Das Eule-Lerche-Prinzip

Vertragsbruch zwischen den Generationen Was tun bei Kritik im Internet?


Das Eule-Lerche-Prinzip:

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Elisabeth Hahn, Universität des Saarlandes Franzis Preckel, Universität Trier Frank M. Spinath, Universität des Saarlandes

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Der Zusammenhang von Chronotyp, Persönlichkeit, Intelligenz und akademischer Leistung


sammenhang auch nach der Kontrolle von Geschlecht, Persönlichkeitseigenschaften, Intelligenz und Leistungsmotivation bestehen blieb. Ein Artikel in dem Wissensmagazin »Scinexx« wählte in diesem Zusammenhang die Überschrift »Schule benachteiligt Eulen« und beschrieb damit das deutsche Schulsystem als ein System, das auf Frühaufsteher zugeschnitten ist. Dieser Nachteil betrifft, wie bereits ausgeführt, insbesondere Jugendliche während und nach der Pubertät. In diesem Lebensabschnitt richten viele ihre »innere Uhr« auf die Abendstunden aus und stoßen dadurch in der Schule auf Schwierigkeiten. Frühaufsteher machen laut einer Studie von Randler und Frech (2006) ein deutlich besseres Abitur als Langschläfer. Eine Begründung sieht Randler darin, dass Morgentypen genau dann geprüft werden, wenn sie physisch und kognitiv besonders leistungsfähig sind, während Abendtypen ihr Leistungshoch beispielsweise während der Abiturprüfung am Morgen noch nicht erreicht haben. Es könnten also Synchronizitätseffekte sein, die für die besseren Leistungen der Frühaufsteher verantwortlich sind. Gleichzeitig könnte das Schlafdefizit der Eulen verantwortlich sein für deren schlechtere Leistung im Schulall-

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tag. An dieser Stelle wird häufig der Einwand vorgebracht, dass die betreffenden Kinder doch einfach früher ins Bett gehen könnten, jedoch genau das gelingt Abendtypen nicht gut. Selbst wenn sie sich zwingen würden, abends früher schlafen zu gehen, um dem Schlafdefizit am Morgen entgegenzuwirken, würde ihnen das Einschlafen schwerfallen. Gemäß ihrer inneren Uhr sind sie einfach noch nicht müde. Der Abendtyp muss also morgens trotz seines Rhythmus früh aufstehen und kann dem resultierenden Schlafdefizit nicht effektiv entgegenwirken. Gleichzeitig könnten niedrigere Werte in Bezug auf die Gewissenhaftigkeit einen weiteren Faktor darstellen, welcher den negativen Effekt auf schulische Leistungen erklärt. Auch hier sind weitere Forschungsarbeiten vonnöten, insbesondere auch Studien, die bereits im Grundschulalter einsetzen und das Zusammenspiel von Chronotyp, Persönlichkeit und akademischer Leistung im Längsschnitt betrachten. Darüber hinaus könnte eine Berücksichtigung möglicher vermittelnder Faktoren, wie beispielsweise unterschiedliche Coping-Strategien, ein besseres Verständnis für den Zusammenhang zwischen dem Chronotyp und akademischen Leistungen liefern.

A B S T R A C T

Von den Pflanzen über die Tiere bis hin zum Menschen, bei allen tickt eine »innere Uhr«, und bei jedem tickt sie etwas anders. Nicht nur der Job bestimmt somit, wann wir aufstehen und aktiv sind, sondern ebenso unsere biologische innere Uhr. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bezeichnen diese individuelle Präferenz als Chronotyp und unterscheiden Morgen- und Abendtypen. Abschließend bleibt festzuhalten: Der Ê Ê Ê Chronotyp ist mit den beiden Kernbereichen der differenziellen Ê Psychologie, Persönlichkeit (Big Five) und Intelligenz, Ê Êkorreliert Ê Ê Ê und Ê zeigt darüber hinaus systematische Zusammenhänge zu akademischer Leistung. Während eine stärkere Präferenz für den Morgentyp positive Zusammenhänge zur Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und schulischen Leistungen aufweist, korreliert eine stärkere Orientierung zum Abendtyp posiÊ tiv mit Extraversion und kognitiven Fähigkeiten. Dieses Ê Ê Befundmuster weist den Chronotyp als hochinteressantes und psychologisch relevantes Konstrukt sowohl für Fragen der grundlagenorientierten als auch der anwendungsbezogenen Forschung aus.

There is a circadian clock ticking for plants, animals, and humans – and it ticks differently for all of us. Not only the alarm clock or the job control determines when we get up and when we are active but also our internal biological clock. Scientists call this type of individual preference chronotype and they distinguish between morning and evening types. Chronotype correlates with the two main research areas of differential psychology, personality (Big Five) and intelligence, and shows systematic relationships to academic performance, as well. A greater preference for morningness indicates positive correlations to conscientiousness, agreeableness, and academic performance, whereas a stronger orientation to eveningness is positively correlated with extraversion and cognitive abilities. This pattern demonstrates, that chronotype is a highly interesting and psychologically relevant construct for both, questions of basic research and applied research.

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Früherkennung von Auffälligkeiten möglich? (cs) Kann man leichte Entwicklungsauffälligkeiten bereits im ersten Lebensjahr zuverlässig diagnostizieren? Dieser Frage gehen Wissenschaftler des Zentrums für Kinder- und

Wer, wenn nicht wir? BDP-Workshop in Frankfurt/Main

Jugendmedizin Heidelberg nach. Jedes zehnte Kind in

verständigt sich über Projekte zur Verbesserung

Deutschland kommt als Frühchen zur Welt und trägt damit

der Situation von Psychologiestudierenden

ein höheres Risiko für Entwicklungsprobleme als reif

lung. Während schwere Störungen inzwischen zuverlässig im Laufe des ersten Lebensjahres diagnostiziert werden können, gibt es bisher keine etablierte Methode zur Früherkennung der leichten Auffälligkeiten. »Eine frühe Diagnose ist allerdings wichtig, um betroffene Kinder, die z.B. an einer Aufmerksamkeitsstörung leiden, von Anfang an optimal fördern zu können«, erklärt Professor Joachim Pietz von der Klinik für Neuropädiatrie in Heidelberg. Hier setzt die Forschung an: Sie baut auf verschiedenen experimentellen Methoden auf, die bereits seit mehreren Jahren erprobt werden. Ein Ansatz ist die Analyse der spontanen Bewegungen bei Säuglingen im korrigierten Alter von drei Monaten. Die zweite Methode ist die sogenannte Blickzeitanalyse. »Wir gehen davon aus, dass in diesem frühen Alter die motorische und die geistige Entwicklung noch eng miteinander verknüpft sind«, erklärt Dr. DiplomPsychologin Gitta Reuner. »Daher wollen wir in diesem Projekt prüfen, ob die Analyse der Motorik und der Blickzeit Hinweise auf leichte Störungen der kognitiven Entwicklung bei Säuglingen geben kann. Außerdem untersuchen wir, wie frühe Auffälligkeiten in den motorischen Mustern mit der späteren geistigen Entwicklung zusammenhängen.«

Der Workshop, zu dem die Sektionen Aus-, Fort- und Weiterbildung (AFW) und Angestellte und beamtete Psychologen (ABP) Vertreter der BV Studierende, des DK-Vorstands und den Fachreferenten des Verbands nach Frankfurt/Main eingeladen hatten, hatte sich zum Ziel gesetzt, für BachelorStudierende und -Absolventen Angebote des BDP zu entwickeln, sie über Ausbildungs- und Berufsperspektiven zu informieren und ihnen im BDP eine Heimat zu geben. Behandelt wurden folgende Aspekte: n Situation von Studierenden und Absolventen im Studium und beim Berufseinstieg n Einrichtung eines Forums im Internet, in dem Informationen vermittelt und Erfahrungen ausgetauscht werden können n Öffentlichkeitsarbeit in Form von Vorträgen und Tagungen zum BSc

Die Studie ist auf zwei Jahre ausgelegt. In dieser Zeit werden 200 Kinder, bei denen bereits eine Blickzeitanalyse durchgeführt wurde, nachuntersucht. So wollen die Wissenschaftler klären, wie aussagekräftig die Ergebnisse für die spätere Entwicklung der Kinder sind. In einem weiteren Studienzweig analysiert das Team zunächst die Spontanmotorik und später die Blickzeit ehemaliger Frühchen und vergleicht diese Ergebnisse mit dem Abschneiden der Kinder in einem Entwicklungstest.

Stifterbriefe helfen bei der Nachwuchsförderung Auch dieses Jahr besteht die Möglichkeit, Stifterbriefe zu erwerben und damit die Förderung besonders talentierter Studierender im Hauptfach Psychologie zu unterstützen. Den »Silbernen Stifterbrief« erhalten Spender und Spenderinnen, die an die Stiftung EUR 250,überweisen, den »Goldenen Stifterbrief« erhält, wer EUR 500,überweist. Diese Spenden dienen ausschließlich der Erhöhung des Stiftungskapitals, die Zinsen werden nur für Stipendien verwendet. Selbstverständlich sind auch Einzelspenden in beliebiger Höhe möglich. Die Studienstiftung ist für jede finanzielle Unterstützung dankbar. Seit 1994 vergibt die Studienstiftung Deutscher Psychologen e.V. Stipendien an Studierende im Hauptfach Psychologie. Die Studienstiftung ist als gemeinnützige Einrichtung anerkannt. Spenden sind steuerlich absetzbar. Studienstiftung: Konto-Nummer 045 815 099, Kreissparkasse Köln, BLZ 370 502 99

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Zur Situation im Studium Umfragen und Gespräche ergeben, dass Studierende in Bachelor-Studiengängen mit dem Hauptfach Psychologie (BScPsych) im Prinzip die gleichen Probleme benennen, die aus dem Diplom-Studiengang bekannt sind: Studieninhalte bzw. -schwerpunkte, Studienbedingungen und Maßstäbe der Bewertung von Studienleistungen unterscheiden sich von Studienort zu Studienort. Genauere Informationen darüber sind schwer zu bekommen und wären überdies wegen fehlender Freiheitsgrade bei der Studienortswahl (n.c.) kaum verwertbar. Für den BScPsych potenzieren sich diese Probleme: Die Konkurrenz um eine insgesamt zu geringe Zahl von Studienplätzen entsteht nicht nur beim ersten Einstieg in einen Psychologie-Studiengang, sondern auch für die Weiterqualifizierung zum Master of Science (MSc), ggf. ein drittes Mal für die Aufnahme in einen Weiterbildungsstudiengang Psychotherapie. Die Angebote an

Studienplätzen für MScPsych und die Aufnahmekriterien dafür sind noch unübersichtlicher als für BScPsych; für den Zugang zu einer Psychotherapieausbildung gilt Ähnliches. Erschwerend kommt hinzu, dass es außer der von der DGPs empfohlenen Zeitstruktur (sechs Semester BSc plus vier Semester MSc) an einigen Unis (insbesondere in BadenWürttemberg) das Modell acht Semester BSc plus zwei Semester MSc gibt. Zusätzlichen Konkurrenzdruck verursacht die Fern-Uni Hagen, die eine große Zahl von BScPsych ausbildet, aber kein Studienangebot für MScPsych bereitstellt. Im Vergleich mit den Studierenden in Diplom-Studiengängen zeigen sich BscPsych-Studierende deshalb in stärkerem Maße verunsichert, ob sie ihr gewünschtes Studienziel erreichen können, und berichten über eine Verschlechterung des Studienklimas (Konkurrenz statt Kooperation). Hinzu kommt die in allen Fächern beklagte Erhöhung des Zeitund Leistungsdrucks bei gleichzeitigem Verlust von Freiheitsgraden bei der Studiengestaltung (z.B. Auslandssemester, Praktika). Zu den Berufsaussichten Der BSc wird vom Gesetzgeber zwar als berufsqualifizierend definiert, konkrete Berufsbilder fehlen jedoch noch weitgehend. Der BDP hat Vorschläge erarbeitet, bei Arbeitgebern sind BScPsych – soweit sie überhaupt bekannt sind – aber noch nicht in Stellenplänen verankert. Versuche, berufstätige BScPsych ausfindig zu machen und zum Workshop einzuladen, führten nicht zum Erfolg. Die wenigen, die gefunden wurden, berichteten von sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedingungen ihrer Tätigkeit. Alles deutet darauf hin, dass ein sehr hoher Anteil an BScPsych eine Weiterqualifizierung zum MSc an-

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geborene Kinder. Gemeint sind damit leichte bis schwere Beeinträchtigungen der Bewegung oder geistigen Entwick-


r e p o r t spektrum

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strebt. Das gilt vor allem für diejenigen, die das Studium direkt nach dem Abitur aufgenommen haben. Etwas anders könnte sich die Situation für BScPsych darstellen, die bereits eine Berufsausbildung oder einen Studienabschluss in einem anderen Fach haben. Für die im Bachelor/Master-Modell angelegte Möglichkeit, ein MasterStudium erst nach einigen Jahren Berufserfahrung und/oder berufsbegleitend zu absolvieren, fehlt es bisher an Angeboten und Vorbildern. Weiter kompliziert wird die Situation auf dem Arbeitsmarkt durch eine zunehmende Zahl von Kombinationsstudiengängen mit unterschiedlich hohem Psychologie-Anteil sowie durch nicht konsekutive interdisziplinäre Master-Programme. Zur Verunsicherung trägt auch der EU-Qualifikationsrahmen bei. Die Position des BDP, eine fünfjährige Ausbildung mit einem Mindestanteil an Psychologie im Curriculum zur Voraussetzung für eine Anerkennung als Psychologe zu machen, ist als Maßnahme zur Qualitätssicherung und zum Schutz vor schlechter ausgebildeter Konkurrenz aus anderen Ländern generell akzeptiert. Im Einzelfall sehen BScPsych ihre Einstufung als (noch) Nichtpsychologen aber als Härte oder sogar Diskriminierung an. Projekte zur Verbesserung der Lage Es besteht Übereinstimmung, dass der BDP zu einer Verbesserung der objektiven Situation von BScPsych nur langfristig und in Kooperation mit anderen Verbänden (insbesondere DGPs) und Institutionen beitragen kann. Dies betrifft das Studium (hinreichendes Platzangebot, die Angleichung von Studienbedingungen, die Erleichterung von Ortsund Programmwechseln, aber auch gezielte Angebote zur Weiterqualifikation/Brückenkurse) und den Arbeitsmarkt. Kurzfristig sollen zunächst Angebote erarbeitet werden, die zu einer besseren Information und Vernetzung von BScPsych beitragen und damit zur Verbesserung ihrer Kompetenzen zur Bewältigung der Situation. Dazu sind vorgesehen:

n Projekt »Informationen bündeln, Diskussionsforum schaffen« Die bisher an verschiedenen Stellen vom BDP bereitgestellten Informationen sollen zu einem Reader gebündelt werden, und FAQs zusammengestellt und fortlaufend aktualisiert werden. Geprüft wird die Möglichkeit der Einrichtung eines Chatrooms. Federführend ist der Referent für Fachpolitik, Fredi Lang; unterstützt wird er von Dr. Gislinde Bovet (AFW), Elisabeth Götzinger (ABP) und der BV Studierende. n Projekt »Berufserfahrungen von BScPsych sammeln und auswerten« Mit den bisher ausfindig gemachten berufstätigen BScPsych sollen strukturierte Interviews geführt werden (berufliche Biografie, soziales Umfeld, Motivation für den Berufseintritt). Zusätzlich sollen fortgeschrittene BScPsych-Studierende zu ihren Perspektiven befragt werden. Gislinde Bovet, Stefan Dutke und Gerhardt Bachmann (AFW) arbeiten daran. n Projekt »Organisation von Vorträgen/ Tagungen« Aufgaben: Erstellen einer Präsentation, Gewinnung von Referenten, Organisation von Vorträgen. Dabei sollen Gesamtverband, Sektionen und Studierende eng zusammenarbeiten, die Veranstaltungen evaluieren und die Unterlagen regelmäßig fortschreiben. Federführend ist Ulrike Hess (DK-Vorstand); die BV Studierende und die Bundesgeschäftsstelle wirken mit. Die Teilnehmer des Workshops hoffen auf eine Beteiligung möglichst vieler BDP-Mitglieder an diesen Vorhaben. Die Teilnehmer des Workshops appellieren an die Mitglieder, Bachelor-Studierenden und -Absolventen, den Weg in eine erfolgreiche berufliche Zukunft als Psychologen zu ebnen und damit auch die Zukunft des BDP zu sichern. Die genannten Ansprechpartner freuen sich auf Vorschläge und Angebote zur Kooperation. Inge Lindner, Sektion AFW

Ruhe im Hirnareal verbessert Gedächtnis (cs) Wer sich ein paar Hundert Bilder ansieht, wird sich später an manche erinnern können, andere hingegen vergessen haben. Welche davon betroffen sind, lässt sich bereits an der Hirnaktivität kurz vor Betrachten eines Bildes erkennen, wie Forscher herausgefunden haben. Kennt man die entscheidenden Aktivitätsmuster, lässt sich damit sogar die Gedächtnisleistung merklich steigern. Die Forscher um Julie Yoo vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts) baten ihre Probanden, 250 Landschaftsaufnahmen für jeweils wenige Sekunden anzuschauen und sich möglichst viele der Fotos zu merken. Dabei untersuchten sie die Hirnaktivität der Probanden mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie. Es ergab sich ein klarer Zusammenhang: Sank die Aktivität einer bestimmten Hirnregion vor der Präsentation des Bilds, erinnerte sich der Proband später mit höherer Wahrscheinlichkeit an das Bild. Die Wissenschaftler hatten sich dabei auf eine Hirnregion konzentriert – den parahippocampalen Kortex –, die maßgeblich daran beteiligt ist, szenische Informationen abzuspeichern. Sind die Neurone in diesem Gebiet sehr aktiv, verhindert dies offenbar ein erfolgreiches Ablegen im Langzeitgedächtnis. Im zweiten Teil ihres Experiments präsentierten Yoo und Kollegen ihren im Scanner liegenden Probanden immer nur dann ein Bild, wenn sich die Hirnaktivität auf ein günstiges Niveau eingependelt hatte. Bei anschließenden Wiedererkennenstests konnten sich diese Testpersonen signifikant mehr Fotos merken: Sie schnitten im Mittel um 30 Prozent besser ab.

Edition des wissenschaftlichen Briefwechsels von Wundt im Internet (cs) Wissenschaftler des Instituts für Psychologie der Universität Leipzig haben erstmals eine Edition des wissenschaftlichen Briefwechsels von Wilhelm Maximilian Wundt erstellt. Sie ist ab sofort im Internet einsehbar. Wundt, der 1879 in Leipzig das erste Institut für experimentelle Psychologie gegründet hat, zählt zu den großen Gelehrten seiner Epoche. Die erste Edition soll in den kommenden Jahren noch komplettiert werden. Bisher sind etwas mehr als 1200 Briefe seines wissenschaftlichen Nachlasses digitalisiert, etwa 300 davon transkribiert, sowie chronologisch und exemplarisch nach Adressaten und strukturell nach angesprochenen Themen klassifiziert.

www.uni-leipzig.de/~wundtbriefe

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Vertragsbruch zwischen den Generationen Hintergründe jugendlicher Gewaltbereitschaft

Das Thema »Jugend und Gewalt« war schon vor Jahren, in den 90ern, mehrfach Aufmacher in den Medien. Es verband sich mit Berichten über wachsende Ausländerfeindlichkeit, den Gewalttätigkeiten von Lichtenhagen und anderenorts, den Attentaten von Mölln und Solingen. Die Akteure waren hier fast nur Jugendliche, die in ihrem Handeln ein erschreckendes, von vielen ungeahntes Maß an Gewalt zeigten. Eine Untersuchung über Gewalt und ihre Ursachen an Hamburger Schulen ergab ganz ähnliche Erklärungsversuche, wie wir sie heute lesen. Elternverbände forderten ihre Mitglieder auf, nicht mehr weg –, sondern endlich stärker hinzuschauen. Eltern selbst machten inaktive und reaktionslose, quasi durch ihre eigenen 68er- Traditionen gelähmte Lehrer verantwortlich für aggressive Schüler im Unterricht. Die Polizei schlug vor, zu filtern (das Wort »selektieren« wurde nicht benutzt) und mit Sanktionen wie natürlich auch therapeutischen Maßnahmen zu helfen. (»Gerade noch die Kurve gekriegt«, hätten damals Jugendliche gesagt.) Kultusminister forderten mehr Angebote für Schüler am Nachmittag nach dem Motto: »Wer was zu tun hat, kommt nicht so leicht auf dumme Gedanken.« Vielleicht ein kluger Gedanke. Die GEW plädierte für eine neue Kinder- und Jugendpolitik mit einem System die Familien ergänzender Erziehung und vielfältigen Freizeitmöglichkeiten. Psychologen erkannten (zum wievielten Mal?) den zu hohen Leistungsdruck in dieser unserer Gesellschaft, prangerten Ellenbogenmentalität und Egoismus an und verlangten für die Kids Freiräume zur Selbstauseinandersetzung (das Leben eine einzige Selbsterfahrungsgruppe unter Anleitung erfahrener Therapeuten?). Lehrer schließlich konstatierten die Gewaltzunahme, beklagten ihre schlechte pädagogische Ausbildung in dieser Hinsicht und wünschten sich didaktische Aufrüstung, um dem Problem besser entgegentreten zu können. Jeder Standpunkt war für sich gesehen so falsch nicht. Aber die vereinzelten Diskussionen fanden nicht zum großen Zusammenhang, sie kreisten um den heißen Brei. Auch die seriöse Wissenschaft hatte sich des Themas bemächtigt; zahlreiche Untersuchungen, zum Beispiel des Deutschen Jugendinstituts oder aus dem Bielefelder universitären Großraum, waren erschienen. Allen gemeinsam war sorgfältiges Arbeiten, differenziertes Bemühen um Klärung nicht zu einfacher Fragestellungen und nicht zuletzt der Anspruch, mit repräsentativen Stichproben umzugehen. Auch das war so falsch nicht, im Gegenteil: Eine Fülle fundierter Daten stand zur Verfügung, warf weitere Fragen auf, vielleicht für weitere Untersuchungen? Die Ereignisse im August in England bringen mich dazu, erneut anzuregen, einen anderen Weg zu gehen, sich der 432

gewalttätigen Jugend nicht ganz so wissenschaftlich-seriös oder aus der Sicht partikulärer Standpunkte anzunähern. Aufregend wie gefährlich daran ist, dass wir dieser Jugend wirklich begegnen müssen, sie gegebenenfalls sogar begreifen oder verstehen werden und dass wir allesamt dabei mit unserer gewiss nicht geringen Berufsund Lebenserfahrung arbeiten können. Unausweichlich wird auch sein, Aspekte unserer eigenen Jugend abzugleichen mit dem, was Jugend heute heißt. Unstrittig ist wohl, dass bei unseren Jugendlichen kein Gewalt erzeugender Gensprung aufgrund erhöhter Sonnenfleckentätigkeit oder wegen Fukushima stattgefunden hat; exogene Faktoren können wir ausschließen. Diese Abklärung ist ebenso banal wie wichtig. Damit kommen wir geradewegs und ohne Umwege zum Einstieg in die Erkenntnis, dass in dem überaus komplexen und komplizierten System des Miteinanderlebens, das wir Gesellschaft nennen, zunehmende Gewalttätigkeit von Jugendlichen nur endogene Gründe haben kann. Generell lässt sich sagen, dass im erwünschten wie im unerwünschten Verhalten von Kindern und Jugendlichen immer der Zustand einer Gesellschaft abgebildet wird. Jugend ist Indikator für Verwerfungen und Brüche in der kollektiven Struktur, reagiert dabei äußerst sensibel und intensiv. Es ist das schon immer ausgeübte Vorrecht junger Menschen, das Regelsystem ihrer Gesellschaft mit seinen Normen, Werten und Zielvorstellungen zu hinterfragen und damit Bewährtes von Überholtem zu trennen, Vorschläge für Innovationen zu machen und sich letztlich mit diesem Prozess konstruktiv in die Lebensumstände zu integrieren. Jugendliche kommen, wenn man sie nicht schon früh frustriert, mit hohem moralischen Standard auf die Erwachsenenwelt zu. Sie messen und bewerten für Erwachsene oft überzogen den vor ihnen liegenden Lebensabschnitt aus ihrer Sicht. Was das heißt, sagt besser als tausend Worte ein kleines Märchen, nachzulesen in der Sammlung der Gebrüder Grimm – wenn es auch manchem bekannt sein sollte. Lassen wir es in seiner alten Schreibweise auf uns wirken: Der alte Großvater und der Enkel Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floss ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen. Da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass. Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er aber sagte nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus musste er nun essen. Wie sie da so

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Große Teile dieses Textes entstanden vor mehr als zwölf Jahren. Ich musste ihn nicht stark umschreiben, lediglich an einigen Stellen die Gegenwarts- mit der Vergangenheitsform tauschen und Tschernobyl durch Fukushima ersetzen. Das Wesentliche hat sich nicht geändert.


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r e p o r t spektrum sitzen, trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. »Was machst du da?«, fragte der Vater. »Ich mache ein Tröglein«, antwortete das Kind, »daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.« Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten den alten Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mit essen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete. (Aus: Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Grimm, Göttingen 1840, 4. Auflage, 1. Band). Horst Petri schreibt in seinem Buch »Umweltzerstörung und die seelische Entwicklung unserer Kinder« (Kreuz, Zürich 1992) unter dem Stichwort »Vergiftung der Kindheit« unter anderem von »desintegriertem Sozialverhalten der jungen Generation und einem beunruhigenden Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust gegenüber Erwachsenen und speziell den politisch Verantwortlichen«. Wir wissen aus vielen Befragungen, ich aus meiner alltäglichen Therapie- und Beratungspraxis, dass Kinder keine naiven Wesen sind, die in einer heilen PumuckelWelt leben. Sie sind stattdessen meist recht gut informiert über die Schattenseiten, kennen das Böse nicht aus den grimmschen Märchen, sondern aus der »Tagesschau«. Die negativ erlebte und real auch so existente Umwelt kann in der Binnenwelt kindlicher Psyche zu Identitäts- und Entwicklungsstörungen führen, sich zum Beispiel in der viel diskutierten »Umwelt- und Zukunftsangst« von Kindern und Jugendlichen ausdrücken. Kinder erleben zu Recht die vielfältige Bedrohung und Zerstörung der Umwelt als Angriff auf ihre Zukunft. Zu ihrem archaischen Verständnis des Generationenvertrags gehört, auch wenn sie es nicht so formulieren, der Schutz ihrer Grundrechte auf Leben, Gesundheit, Entwicklung und Zukunft durch die Erwachsenen. Diese Loyalitätsverpflichtung gegenüber ihren Kindern hat die Erwachsenengeneration seit Jahrzehnten sträflich vernachlässigt, im direkten Wortsinn. Der Bruch ungeschriebener, gerade deswegen aber moralisch hoch wirksamer Verträge zwischen den Generationen kann bei den Betrogenen Rachegefühle und Vergeltungsaggressionen produzieren. Ein Potenzial an Wut und Gewalt, das sich fast beliebig gegen sich selbst, Altersgenossen, die andere Generation oder leicht zu fokussierende Randgruppen der Gesellschaft richten kann, entsteht. »Was soll ich euch achten, wenn ihr mich nicht achtet«, war die Antwort eines Jugendlichen auf die entsprechende Frage. Die Problematik jugendlicher Gewalt verlangt von uns Beratern und Therapeutinnen nicht nur, nach draußen zu gehen statt überholter »Komm-Struktur«, sondern noch viel mehr. Wir werden nicht umhinkönnen, unser (doch wohl hoffentlich vorhandenes) gesellschaftspolitisches Denken und Handeln auch in unserer Arbeit deutlich werden zu lassen. Wir haben auch die Aufgabe, neben aller therapeutisch notwendigen Akzeptanz und Toleranz für die Palette menschlicher Äußerungsformen, auf Defizite kollektiver Entwicklung und die psychische Gefährdung einer ganzen Generation hinzuweisen und Lösungsvorschläge zu machen.

Es wäre fatal, das menschliche Miteinander der herkömmlichen Politik zu überlassen. Sie ist, wie man ja sieht, damit überfordert, braucht Impulse und persönliches Engagement aus einer Berufsgruppe, die wie keine andere kompetent sein sollte, das Zusammenleben von Menschen individuell wie kollektiv zu verstehen, Entwicklungen zu prognostizieren und konstruktiv zu gestalten. Es gilt, eine neue Diskussion über Normen und Werte einer Gesellschaft, über Maßstäbe gemeinsamen Lebens zu initiieren, zu begleiten, an ihr zu partizipieren. Kinder und Jugendliche werfen mit ihrem gewalttätigen Verhalten Fragen auf, die nur als praktische Umsetzung in die Lebensumstände beantwortet werden können. Der Klient »Familie« (Kinder, Jugendliche, Eltern) braucht gesellschaftlich real existente Beraterinnen und Berater (Jungen vor allem die männliche Form!). In Thesenform heißt das: 1. Jugendliche heute sind nicht defizitärer, radikaler oder absonderlicher als Jugendliche früher. 2. Die Lebenssituation heute ist defizitärer, bedrohlicher und bedrückender als die mancher Generation zuvor. 3. Der archaische Generationenvertrag ist von den Erwachsenen mehrfach verletzt worden: ökologisch, ökonomisch und nicht zuletzt im komplexen gesellschaftlichen Wertesystem. 4. Auf die existenzielle Bedrohung ihrer positiven Perspektiven reagieren Jugendliche aggressiv gegen sich und andere. Diese »Notwehrreaktion« ist oft zugleich illegal und in einem anderen Verständnis legitim, auf jeden Fall ein Warnsignal für die Elterngeneration. 5. Wenn Jugendliche ihre Zukunft durch Verantwortungsflucht der älteren Generation beschädigt sehen, dann ist auch die Gegenwart der Verantwortungsträger beschädigt und defizitär. 6. Beide Unterzeichnerseiten des Generationenvertrages hätten somit ein hohes Motiv, den gesellschaftlichen Konflikt gemeinsam zu lösen. 7. Auf jugendliche Aggression müssen die Älteren antworten mit einer kritischen Reflexion ihrer eigenen Vergangenheit und der daraus folgenden, so folgenschweren Konstruktion ihrer Gegenwart. Ein letzter Satz: Ein Bumerang kann nun mal nicht anders, als zurückzukehren. Die Kunst besteht darin, ihn zu fangen, ohne von ihm erschlagen zu werden. Dr. Klaus Neumann BDP-Präsidiumsbeauftragter für Kindeswohl und Kinderrechte

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