Report Psychologie 11-12/11

Page 1

G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER P S YC H O LO G I N N E N U N D P S YC H O LO G E N E .V. 36. JAHRGANG NOVEMBER/DEZEMBER 2011

11/12|2011

reportpsychologie W W W . B D P - V E R B A N D . D E

Eine Chance für Bachelors e Warm ken soc Woll

rMaste tze enplä Studi lle für a

Viele neu e Mitglied er

Eine psychol ogi gut ber sch atene Regieru ng

Schokola de

WOGE

Kürzere eiten Wartez für PTen Patient

Förderfaktoren und Hürden für Innovationen Klinische Psychologie in der DDR


Einladung zur Mitgliederversammlung in Trier Der Vorstand der Landesgruppe lädt alle Mitglieder herzlich zur ordentlichen Mitgliederversammlung am 29. Dezember 2011 in die Geschäftsstelle der Landesgruppe ein. Wir treffen uns um 18 Uhr in der Paulinstraße 111 in 54292 Trier.

TOP 5 Entlastung des Vorstandes TOP 6 Wahl des Vorstands TOP 7 Aufgaben und Projekte 2011 TOP 8 Verschiedenes Anmeldung telefonisch oder per E-Mail erbeten! T 0651 – 498 42 Richard Tank Vorsitzender

Tagesordnung: TOP 1 Begrüßung und Regularien TOP 2 Bericht des Vorstandes TOP 3 Kassenbericht TOP 4 Aussprache zu den Berichten

SCHLESWIG-HOLSTE IN

Kandidatinnen und Kandidaten des BDP bei der Schleswig-Holsteiner Kammerwahl erfolgreich Die Wahl zur 3. schleswig-holsteinischen Kammerversammlung endete am 11. Juli 2011. Juliane Dürkop, langjährige BDP-Landesgruppenvorsitzende und amtierende Kammerpräsidentin, erhielt mit deutlichem Vorsprung die meisten Stimmen. Die BDP-Kandidaten beteiligten sich an dem bewährten Wahlbündnis »KamOn« mit DGVT, GwG und Unorganisierten. Mit eindeutigen Ergebnissen wurden auch Maike Finger und Klaus Thomsen wiedergewählt. Ulrich Kruse, Schleswig-Holsteiner BDP-Urgestein, kandidierte das erste Mal und schaffte auf Anhieb den Sprung in die Kammerversammlung. Die Wähler honorierten mit dem Ergebnis eine grundsolide Kammerpolitik, die zu spürbar gesunkenen Beiträgen und gleichzeitig wachsenden Rücklagen führte. Gleichzeitig wurde die Beitragsordnung sozial gerechter gestaltet. Auf der konstituierenden Kammerversammlung am 2. September wurde Juliane Dürkop ohne Gegenkandidatur wieder zur Kammerpräsidentin gewählt. Klaus Thomsen wurde Vertreter der Niedergelassenen mit KV-Zulassung im Kammervorstand. Weitere Vorstandsmitglieder sind Bernd Schäfer (Vizepräsident, Angestellte), Detlef Deutschmann (Finanzen) und Diana 460

Will (KJP). Damit wird der Vorstand erneut ausschließlich vom »KamOn«-Wahlbündnis gestellt. Der erklärte »KamOn«-Wunsch, den Vorstand gemeinsam mit niedergelassenen KollegInnen aus Reihen des DPTV und der KJP-Verbände zu bilden, wurde enttäuscht. Wie schon vor vier Jahren gab es für diese Zurückhaltung leider keine Begründung. Juliane Dürkop, Klaus Thomsen und Ulrich Kruse haben seit Jahren Funktionen im Vorstand der BDP-Landesgruppe, in der BDP-DK und im VPP inne. Klaus Thomsen Mitglied im Vorstand der Landesgruppe

Internetauftritt der Zeitschrift übersichtlicher und bedienungsfreundlicher Die Zeitschrift »report psychologie« hat ihren Internetauftritt neu gestaltet: Pünktlich zum Erscheinungstermin der letzten gedruckten Ausgabe in diesem Jahr zeigt sich die Website www.reportpsychologie.de in neuem Layout und mit verbesserter Struktur. Neben der erhöhten Übersichtlichkeit und Bedienerfreundlichkeit erwarten den Besucher der Seite einige Neuheiten (z.B. ein Online-Stellenmarkt) und attraktive Einführungsangebote. Wichtige Neuerungen Das optimierte Menü der Website ermöglicht eine leichtere Orientierung, und der Nutzer gelangt so mit wenigen Klicks zu den gesuchten Inhalten. Durch die in der Randspalte aufgelisteten Themenbereiche kann man jetzt außerdem ganz gezielt nach Beiträgen zu speziellen Themen suchen. Die Inhalte der Internetseite stellen so eine optimale Ergänzung zur gedruckten Ausgabe dar, die weiterhin zehnmal im Jahr erscheint. Für die Online-Rubriken »Thema des Monats« und »News« werden von Psychologen laufend aktuelle Studien recherchiert und Kurzbeiträge für die Website verfasst. Werbekunden haben nun außerdem die Möglichkeit, auf jeder Seite der Homepage Werbeplätze in verschiedenen Formaten zu buchen. Fortbildungsseminare, Kongresse oder psychologische Dienstleistungen können auf diese Weise an prominenter Stelle und abgestimmt auf die redaktionellen Inhalte der Website veröffentlicht werden. Noch bis zum 31. Dezember 2011 gibt es für jede neue Werbebanner-Buchung einen attraktiven Rabatt – mehr dazu online auf www.reportpsychologie.de! Fachspezifische Stellenangebote jetzt auch online Eine ganz wesentliche Neuerung bietet ein Online-Stellenmarkt für Psychologen, der ab sofort zum festen Bestandteil des Internetauftritts report-psychologie.de zählt. Ergänzend zum Stellenmarkt in der Zeit-

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

RHEINLAND-PFALZ


r e p o r t intern

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

www.report-psychologie.de in neuem Layout

schrift, können die Leser von »report psychologie« nun auch auf der Website weitere aktuelle und fachspezifische Stellenangebote abrufen. Wer ein Stellenangebot veröffentlichen möchte, ist außerdem künftig nicht mehr an den Anzeigenschluss der Zeitschrift gebunden, sondern kann seine Anzeige tagesaktuell auf die Website stellen. Betreut wird der Stellenmarkt vom Deutschen Psychologen Verlag (DPV), der die BDPMitglieder regelmäßig per E-MailInfodienst über neue Stellenange-

bote informiert. Als BDP-Mitglied kann man noch bis zum 31. Dezember 2011 ein ganz besonderes Einführungsangebot des DPV in Anspruch nehmen und sein Stellenangebot kostenfrei im neuen Online-Stellenmarkt platzieren. Mehr dazu findet man online unter www.report-psychologie.de/ stellenmarkt Anregungen sind willkommen Gestalten Sie report-psychologie.de jetzt mit! Wir freuen uns über Ihre

Meinungen, Kommentare und Anregungen zu unserer neuen Website per E-Mail, auf Twitter oder der Facebook-Seite des Berufsverbandes. Deutscher Psychologen Verlag E verlag@psychologenverlag.de www.report-psychologie.de www.report-psychologie.de/ stellenmarkt www.twitter.com/ReportPsych http://facebook.bdp-verband.de (»report psychologie« auf der BDP-Facebook-Seite) 461


Förderfaktoren und Hürden für Innovationen – das Beispiel Prävention und Gesundheitsförderung.

Thomas Kliche, Hochschule Magdeburg-Stendal, Elina Touil, Leuphana-Universität Lüneburg

466

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

WOGE

Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes


Z U S A M M E N F A S S U N G

Innovationen stoßen oft auf Umsetzungsprobleme. Ein Überblick der Hürden und Förderfaktoren kann den erfolgreichen Transfer unterstützen. Dafür wurden aus den wichtigsten Datenbanken (Cochrane Database, CINAHL, PubMed, Medline) Reviews der Jahre 2000 bis 2010 über Prävention und Gesundheitsförderung ausgewertet. 16 Reviews, davon zwölf systematische, berichteten Transferfaktoren; alle waren narrativ. Sie identifizierten mit großer Übereinstimmung 38 Faktoren für den Erfolg von Innovationen. Deutlich wurde ein Spannungsverhältnis zwischen kontextueller Anpassung (»reinvention«) und Programmtreue. Effektgrößen lagen nicht vor, die Bedeutung der einzelnen Faktoren konnte nicht vergleichend quantifiziert werden. Die Faktorenliste kann zur frühzeitigen Identifikation von Innovationsbedingungen, zur Entwicklung von Transferstrategien und von Verwertungsplänen dienen. Aufgabe künftiger Forschung ist die Klärung des Gewichts einzelner Faktoren und ihrer Konstellationen. Schlüsselbegriffe Innovation, Prävention, Gesundheitsförderung, Dissemination, Implementation, Transfer

474

Fazit für die Praxis 38 Faktoren entscheiden über den Erfolg von Neuerungen. Innovationsprojekte können anhand der Faktorenliste mögliche Hürden erkunden und ihre Transferstrategie gezielt auf die Ausgangslage ausrichten. Forschungsprojekte können die Faktorenliste als Grundlage für Verwertungspläne nutzen. Psycholog/-innen können die Umsetzung ihrer neuen Programme, Projekte und Interventionsmethoden verbessern. Sie können: ■ den wirkungsentscheidenden Interventionskern, aber auch modifizierbare Programmteile zur maßgeschneiderten Umsetzung bestimmen; ■ Möglichkeiten zum risikofreien, als Qualifizierung erlebten Ausprobieren der Innovation vorbereiten; ■ Zeit für die individuelle Aneignung und organisatorische Routinebildung einplanen; ■ die Leistungen aufstellen, die die Neuerung für Organisation, Fachkräfte und Zielgruppen bringt (Kosten, Qualität, Effektivität, Erleichterungen); ■ mehrere Wege und Kostenvarianten für die Einführung erarbeiten; ■ ein Organisations-Screening auf Hürden und Hindernisse anbieten; ■ Unterstützung bereithalten (Beratung, Fortbildung, Hotline, Nutzerforen usw.); ■ zielgruppengerechte Aufbereitungen, Kanäle und Medien nutzen (für Professionen, Statusgruppen, Meinungsführer, Multiplikatoren); ■ den Transfer selbstkritisch mit formativer Evaluation begleiten. Versorgungsträgern und Forschungsförderung ist anzuraten, solche Vorkehrungen für wissensgetriebene Innovationsvorhaben zeitlich und finanziell fest einzuplanen.

A B S T R A C T

Innovations frequently encounter barriers. A synthesis of research addressing factors of implementation may support successful translation. For this purpose, reviews from the most important databases (Cochrane Database, CINAHL, PubMed, Medline) were analyzed, covering the years 2000 – 2010. 16 reviews, among them 12 systematic ones, had extracted factors of transfer. All of them were narrative. Consistently they identified 38 conditions and characteristics of successful innovations. Among them, contextual »re-invention« of interventions on the one hand and implementation fidelity on the other constituted a latent antagonism. Effect sizes of factors were not given. Thus, it was impossible to quantify the factors’ comparative importance. The list of transfer factors may be used at an early stage of projects in the identification of conditions for innovation, in the development of implementation strategies and translational planning. More research is required to shed light on the weight of specific transfer factors and their constellations for specific settings and classes of interventions. Key words Innovation, prevention, health promotion, dissemination, implementation, translation

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

2) Vollständigkeit: Einzelstudien könnten weitere Faktoren enthalten. Da Faktoren jedoch schon einbezogen wurden, falls ein einziges Review sie fand, bildet das Ergebnis den Forschungsstand ab. Tatsächlich sind fast alle Faktoren von vier und mehr Reviews belegt. Künftige Untersuchungen können nun Vorliegen und Gewicht einzelner Faktoren anhand der erarbeiteten Liste prüfen und vervollständigen. 3) Bedeutung und Muster: Da Effektgrößen fehlten, war das Gewicht einzelner Faktoren und ihrer Kombinationen nicht erkennbar. Einige könnten unwichtig, andere unabdingbar sein. Diese Schwäche kann nur durch genauere Forschungspläne behoben werden, gefolgt von Überblicksarbeiten zu Faktorenkonstellationen. 4) Innovationstypen: Die Auswertung unterschied – wie die zugrunde liegenden Reviews – nicht zwischen Interventionsformen (z.B. Personal- oder Organisationsentwicklung). Manche Faktoren könnten aber für bestimmte Innovationstypen besonders wichtig sein. Dies ist künftig empirisch zu klären. 5) Methodische Qualität: Die Güte der einbezogenen Reviews wurde nur pauschal bewertet. Genauere Auswertungen sind jedoch erst möglich, wenn genügend Ausgangsstudien Effektgrößen für Faktoren angeben. Insgesamt begründen die methodischen Einschränkungen somit keine Zweifel an den belegten Transferfaktoren. Sie verweisen aber auf die Notwendigkeit präziserer, multivariater Transferforschung zur Vervollständigung und Effektabschätzung der Faktoren und ihrer Kombinationen.


r e p o r t spektrum

DIN und ISO im Vergleich Interview mit Prof. Dr. Lutz Hornke Im Oktober ist die ISO 10 667 zur Eignungsbeurteilung veröffentlicht worden. Nun liegt also eine internationale Norm für eine Dienstleistung vor, die in Deutschland – wenn sie gut gemacht wird – schon seit Jahren einer deutschen Norm, der DIN 33 430, folgt. Wozu bedurfte es der ISO? Bei der DIN handelt es sich um eine Norm für den deutschen Sprachraum und das deutsche Rechtssystem, veröffentlicht in deutscher Sprache. Die ISO entsprang dem Wunsch von Industriestaaten und Schwellenländern nach international gültigen und anerkannten Richtlinien bei der Personalbeurteilung in Unternehmen und Organisationen. Das hat auch etwas mit global agierenden Unternehmen zu tun und mit der steigenden Zahl von Bewerbern ganz unterschiedlicher Nationalitäten. Wie groß sind die Unterschiede zwischen beiden Normen? Die jetzt vom ISO-Sekretariat in Genf veröffentlichte internationale Norm basiert auf der englischen Übersetzung der DIN 33 430. Insofern gibt es viele Gemeinsamkeiten. Allerdings gibt es auch eine ganze Reihe von Unterschieden, die zum Teil daraus resultieren, dass man eine international gültige Norm allgemeiner fassen musste und dass seit Verabschiedung unserer DIN neun Jahre vergangen sind. In der ISO sind also auch praktische Erfahrungen mit der DIN bereits verarbeitet. Anders als in der DIN werden in der ISO die Rollen von Auftraggeber und Auftragnehmer, also einem Unternehmer, der Personalbeurteilung in Anspruch nehmen will, und einem internen oder externen Dienstleister, angesprochen. Das kann hilfreich für die Vertragsvorbereitung, -gestaltung und -erfüllung sein.

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

Welche Staaten haben an dem Prozess teilgenommen? An der Erarbeitung, die insgesamt vier Jahre gedauert hat, haben alle skandinavischen Länder, Großbritannien, die Niederlande, Spanien, Italien und die USA teilgenommen, außerdem China und aus Afrika Kenia. Die Staaten waren durch Vertreter ihrer Normungsinstitute und zum Teil durch zusätzliche Experten vertreten, darunter so namhafte wie Wayne Camara, der Forschungsdirektor des College Board in New York, das in den USA Hochschulzulassungstests organisiert. Inwiefern können z.B. Entwicklungsländer von ihr profitieren, in denen die Rahmenbedingungen für eine solche ISO-Norm noch längst nicht vorhanden sind? Auch für sie ist die Norm ein Leitfaden, um Leid zu verhindern. Ich sehe in ihr bisweilen mehr ein »ecucational document« als ein Rechtsdokument. Die ISO-Norm regt an, Eignungsbeurteilungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik angemessen zu ordnen.

Gab es mit der DIN 33430 vergleichbare Normen auch schon anderswo? Im engeren Sinne nicht, aber es existierten teilweise Gesetze. In Italien, Finnland und Dänemark z.B. besteht eine viel engere Rechtsbindung psychologischer Tätigkeiten, als wir sie kennen. In Großbritannien ist das Diagnostizeren anhand von ständig evaluierten Instrumenten sehr gut etabliert. Die British Psychological Society organisiert eine Lizenz für berufliche Eignungsdiagnostik, die eingetragene Psychologen, aber auch Angehörige einschlägiger Berufe in verschiedenen Abstufungen erwerben können. Wie erklären Sie den Widerspruch, dass Deutschland als erstes Land eine Norm hatte, in der Anwendung von professionellen Eignungsbeurteilungen aber weit hinter z.B. den USA und Großbritanien zurückliegt? Das ist schon etwas skurril. Es liegt vermutlich an unserer Mentalität. Wir wünschen uns in Deutschland eine Ordnung im Sinne einer Norm, um unser Handeln daran messen zu können und nicht nur fallorientiert vorzugehen. Es hat auch etwas mit dem Rechtssystem zu tun. Unseres ist kodifiziert; deswegen liegen uns auch solche Kodifizierungen näher. In anderen Ländern gibt es Präzedenzbeurteilungen; Fälle werden auf ihre Analogie zu vorangegangenen betrachtet und entschieden. Es ist aber nicht so, dass nur die Deutschen Guidelines in den europäischen und internationalen Prozess hineingetragen haben. Auch Dave Bertram aus Großbritannien hat das in der EFPA in anderen Kontexten wiederholt getan. Und die US-Amerikaner haben bereits in den 1950er-Jahren Leitlinien zur Testanwendung im weiteren Sinne ausgearbeitet. Wir könnten sogar noch weiter zurückgehen: Bereits 1912 wurde zur damaligen Rekrutenbeurteilung ein Prozess entwickelt, der wiederholbar war und in den angelernte Hilfskräfte eingebunden werden konnten. Diese Guidelines sind weniger Rechtsdokumente als Leitfäden für ein Vorgehen mit dem Ziel, nichts zu vergessen, nichts falsch zu machen und eigene wie etablierte Regeln einzuhalten. So gesehen sind solche Normen viel besser zu verstehen; es geht weniger darum, vor Gericht mit seinem Tun bestehen zu können. Bedeutet die Veröffentlichung der ISO 10 667, dass sich Psychologen und andere mit der Personalauswahl Befassten nun einer speziellen Fortbildung unterziehen müssen? Es lohnt sich, sich mit der ISO vertraut zu machen, das ist schon eine Art der Fortbildung. Sie ist der internationale Standard für eine weltweite Eignungsbeurteilung bei Unternehmen und Organisationen. Die DIN bleibt aber die Norm, die an Bedürfnissen im deutschen Sprachraum, an unseren Ressourcen und Rahmenbedingungen ausgerichtet ist. Zu ihr gibt es auch organisierte Fortbildungsangebote, die Praktikern helfen sollen, ein Normwerk in ein praktikables Gewerk umzusetzen. Die DIN 33 430 wird in den kommenden Jahren überarbeitet. Optimal ist es, beide zu kennen und sich dann den eigenen Leitfaden für Eignungsbeurteilungen zu erarbeiten und entsprechend zu gestalten. Fortbildungen können nie schaden, zwingend erforderlich sind spezielle Veranstaltungen zur ISO nicht. Das Gespräch führte Christa Schaffmann. 487

Professor Lutz F. Hornke hatte 25 Jahre an der RWTH Aachen University den Lehrstuhl für Betriebs- und Organisationspsychologie inne. Seine Arbeiten befassten sich u.a. mit dem computergestützten adaptiven Testen ebenso wie mit der Hinführung von Studieninteressierten zum erfolgreichen Studienstart durch die von ihm konzipierten Self-Assessments. Über mehr als ein Jahrzehnt moderierte er als Obmann sowohl die DIN-33 430- und die ISO-10 667-Diskussionen. Seit 9/2010 ist er im Ruhestand, aber immer noch ziemlich unruhig und weiter um eine gute Qualität psychologischer Diagnostik bemüht.


Zur Geschichte der Klinischen Psychologie in der DDR1 Hans-Dieter Rösler Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Universität Rostock

492

heitswesen von 1959 und 1988. Im Gegensatz zu den Ärzten fehlten den Klinischen Psychologen damit gesetzlich festgelegte Rechte und Pflichten. Wachsende Einsatzgebiete und Kompetenzen Erstes und bis zum Ende der DDR dominierendes Berufsfeld waren die Nervenkliniken, gefolgt von Kliniken der inneren Medizin, Kinderheilkunde, Neurochirurgie und anderer medizinischer Fächer mit ihren Ambulanzen. Mit dem Ausbau des Gesundheits- und Sozialwesens und einer zunehmenden Zahl von Absolventen des Psychologiestudiums kamen im Laufe der Zeit Rehabilitationskliniken, geriatrische Einrichtungen, Beratungsstellen für Alkoholiker, Erziehungs-, Ehe- und Sexualfragen hinzu. Freie Niederlassungen gab es nicht, wobei sich die Psychologen hierin nicht von den Ärzten unterschieden. Das breiter werdende Einsatzspektrum erweiterte die Kompetenzen des Klinischen Psychologen. So folgte der bloßen Erstellung psychodiagnostischer Befunde bei dürftigem, meist nicht normiertem Inventar bald die Einbeziehung in die Diagnosestellung, womit vor allem Vertiefungen und Erweiterungen der differenziellen ärztlichen Diagnose gemeint waren (Wendt, 1967; Krauss, 1979). Diese Erweiterungen wurden erst durch die Übernahme und Adaptation neuer, standardisierter Leistungs- und Persönlichkeitstests aus der BRD und dem westlichen Ausland sowie die spätere Konstruktion eigener Prüfverfahren möglich. Darüber hinaus eigneten sich die neuen Verfahren auch zur Kontrolle von Behandlungsverläufen und der Wirkungen von Psychopharmaka. Strittig blieb lange Zeit die Mitwirkung des Klinischen Psychologen bei der Behandlung von Patienten. Einerseits wurde sie strikt abgelehnt, denn »Heilung ist immer ärztliche Aufgabe« (Protokoll, 1957, S. 254). Andererseits wollte man den Psychologen schon vorher die Beratung in Erziehungs- und Lebensfragen als Psychagogik oder soziale Therapie zuerkennen und ihnen die Leitung von Gruppengesprächen mit Patienten übertragen (Müller-Hegemann, 1957; Hollmann & Hantel, 1948). Nach der Schaffung von Ausbildungsmöglichkeiten für bestimmte Formen der Psychotherapie durch die Gesellschaften für ärztliche Psychotherapie der DDR (ab 1960) und für Psychologie der DDR (ab 1962) sowie im Direktstudium für Klinische Psychologie (ab 1963) wurde Ende der 1960er-Jahre die Zulassung von Psychologen zur Psychotherapie in Zusammenarbeit mit dem Arzt, d.h. in von ihm geleiteten Einrichtungen, möglich. Doch schon kurze Zeit später wurden dort die Psychotherapien überwiegend von Psychologen durchgeführt, wie eine Umfrage bei den ärztlichen und psychologischen Mitgliedern der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie 1973 ergab. In Rehabilitationseinrichtungen wurde

reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

Im folgenden Beitrag wird die Etablierung der Klinischen Psychologie in der Deutschen Demokratischen Republik dargestellt. Dabei ging ihre Entwicklung als Beruf der als Wissenschaft voraus, bis beide Aspekte nicht mehr zu trennen waren und den Schwerpunkt der angewandten Psychologie in der DDR bildeKontakt ten. In der Printausgabe von »report psychologie« konProf. em. Dr. zentrieren wir uns aus Platzgründen auf die Entwicklung Hans-Dieter Rösler Institut für Medizinials Beruf. Den wesentlich ausführlicheren Text, in dem sche Psychologie und auch die Entwicklung der Wissenschaft dargestellt wird, Medizinische Soziologie samt Quellenangaben können Mitglieder und AbonUniversität Rostock Postfach 10 08 88 nenten im »report«-Archiv im Internet nachlesen. 18055 Rostock Die Absolventen des 1941 in Deutschland eingeführten E hans-dieter. roesler@uni-rostock.de Diplom-Studiums Psychologie mussten sich nach dem Kriege ihr Berufsfeld in den Gesundheitseinrichtungen der DDR ohne Anleitung erst erschließen. Dabei standen junge Psychologen berufs- und lebenserfahrenen Ärzten gegenüber, die sie zunächst als Hilfskräfte oder Konkurrenten ansahen, ehe sich eine kollegiale Partnerschaft durchsetzte. In den 1950er-Jahren lösten Publikationen der ersten Klinischen Psychologen eine Diskussion über ihren Beitrag in der Medizin aus (Meyerhoff, 1950; Billenkamp, 1954; Bauer, 1955). Auf einer von der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie der DDR veranstalteten Tagung über die Tätigkeit des Psychologen in medizinischen Einrichtungen wurden dann die begrenzten Möglichkeiten seiner Arbeit kontrovers erörtert. Als »Gehilfe des Arztes« werde ihm eine »ungewöhnliche Bescheidenheit« abverlangt (Protokoll, 1957, S. 255). Streitpunkte blieben die Mitarbeit bei der Diagnosestellung und Behandlung sowie die Verantwortung für den psychischen Normal- oder auch Grenzbereich (Müller-Hegemann, 1957; Katzenstein, 1957a, b). Deren Lösung war wegen der größeren Patientennähe des Psychologen schwieriger als bei den Chemikern, Physikern oder Biologen in der Klinik und wurde in der Folgezeit von beiden Seiten immer wieder neu behandelt (Kleinsorge, 1967; Starke, 1971; Kreyssig, 1979; Hennig & Gunkel, 1980; Jährig, 1981). Die anfängliche Annahme, dass der Psychologe als »Lückenbüßer« des Ärztemangels der Nachkriegszeit bei besserer ärztlicher Versorgung nicht mehr benötigt werde, erwies sich als Irrtum. Mit zunehmender Beachtung psychischer Bedingungen des Krankheitsgeschehens ließ sich der psychologische Beitrag nicht aus dem medizinischen Handeln heraushalten. So stieg die Zahl der Klinischen Psychologen bis 1990 kontinuierlich an, ohne dass der steigende Bedarf befriedigt werden konnte. Doch gab es für die psychologische Tätigkeit keine anderen rechtlichen Regelungen 1 Ich danke Dorothea außer ihrer Nennung im Rahmenkollektivvertrag für das Roether und Olaf Reis für Gesundheitswesen von 1953 und im Gehaltsabkommen Anregungen zum Manuskriptentwurf. über die Vergütung für Hochschulkader im GesundAutor


r e p o r t spektrum sogar angestrebt, dass der Psychologe neben Diagnostik und Therapie auch leitende Funktionen übernahm (Katzenstein & Presber, 1975). Als forensischer Gutachter lieferte der Klinische Psychologe zunächst nur Zusatzbefunde zum Gutachten des Psychiaters. So blieb es auch für erwachsene Straftäter. Für jugendliche Delinquenten wurde 1968 die Kollegialbegutachtung der Schuldfähigkeit eingeführt, wobei die bloße Begutachtung des Entwicklungsstandes der Persönlichkeit wie auch die der Glaubwürdigkeit minderjähriger Zeugen durch den Psychologen allein erfolgte. Hierfür konnte ihm ab 1971 von der Gesellschaft für Psychologie der DDR die Anerkennung als forensisch-psychologischer Sachverständiger erteilt werden, nachdem die Arbeitsgemeinschaft für Forensische Psychologie der Gesellschaft für Psychologie die vom Bewerber eingereichten Gutachten und in einem Gespräch seine Kenntnis der von ihr dazu vermittelten Grundsätze geprüft hatte. Forensische Gutachten wurden nur auf Anforderung der Justiz- und Sicherheitsorgane und nur aus staatlichen Einrichtungen erstattet (Schmidt & Kasielke, 1965; Werner, 1978). Angleichung des Grundgehalts von Ärzten und Psychologen 1954 schlossen sich ca. 30 Klinische Psychologen zur »Arbeitsgemeinschaft der Psychologen im Gesundheitswesen der DDR« zusammen. Sie delegierten ihren Leiter in den 1958 beim Gesundheitsministerium eingerichteten »Fachausschuss für nichtmedizinische Hochschulkader im Gesundheitswesen«, damit er dort arbeits- und tarifrechtliche Fragen regeln konnte. So wurde erreicht, dass Êmit dem über Ê Ê Gehaltsabkommen Ê die Vergütung der Hochschulkader im Gesundheitswesen von 1959 Ê Psychologen Êim Grundgehalt den Ärzten gleichgestellt wurden,Ê denen LeiÊ Ê Ê freilich Ê Ê Facharzt-, Ê Ê Dienstzuschläge vorbehalten blieben. tungs- und

Ê Ê Fachvertretung und Berufsethik Ê Ê Ab 1960 erfolgte die Interessenvertretung durch die Gründung wissenschaftlicher Gesellschaften und GreÊ Ê Ê mien: Ê Ê Ê ■ Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie der DDR (1960), ■ Gesellschaft für Psychologie der DDR (1962), mit ihren Sektionen Klinische Psychologie im Kontakt

mit der Sektion medizinische Psychologie der für Psychiatrie und Neurologie der DDR (1949) und dem ■ Wissenschaftlichen Rat für Psychologie der DDR (1977). Klinische Psychologen waren Mitglieder in allen vier Verbänden und in deren Vorständen dauernd oder zeitweilig vertreten. In der Gesellschaft für Psychologie stellten sie die Mehrheit der Mitglieder, den stellvertretenden Vorsitzenden und die Leiter der Sektion Klinische Psychologie, der Arbeitsgemeinschaften für Klinische Psychodiagnostik, Rehabilitationspsychologie, Partnerschafts- und Familientherapie, Verhaltenstherapie, Gesprächspsychotherapie, Psychohygiene und Prophylaxe und für Forensische Psychologie. In der Gesellschaft für ärztliche Psychotherapie (ab 1989 Gesellschaft für Psychotherapie, Psychosomatik und medizinische Psychologie) stellten Klinische Psychologen die Hälfte der Mitglieder, die Leiter der Sektionen Klinische Psychologie, für Verhaltenstherapie und für Gesprächspsychotherapie (Letztere in Personalunion mit der Gesellschaft für Psychologie), der Arbeitsgemeinschaft Katathymes Bilderleben und von 1976 bis 1988 den Vorsitzenden. Aufgaben der wissenschaftlichen Gesellschaften waren die Förderung wissenschaftlichen Lebens durch Zusammenführung von Forschern, Ausbildern und Praktikern und die Fortbildung ihrer Mitglieder. Die berufsständische Vertretung oblag hingegen der Gewerkschaft (FDGB). Infolgedessen gab es keine besondere Berufsordnung für Psychologen und auch kein Ehrengericht zur Ahndung von deren Nichteinhaltung. Klinische Psychologen unterlagen der Rahmenkrankenhausordnung mit den darin festgelegten Pflichten. Verstöße dagegen wurden disziplinarisch bzw. strafrechtlich (Schweigepflicht) verfolgt (Gürtler et al., 1982). Die psychologische Berufsethik war in den Statuten der Gesellschaft für Psychologie nach dem allgemeinen Hinweis auf die Grundsätze der sozialistischen Ethik und Moral nicht weiter expliziert worden. In der politischen Orientierung folgte die Klinische Psychologie den »Beschlüssen von Partei und Regierung« zum Ausbau des sozialistischen Gesundheits- und Sozialwesens. Ihre ideologische Ausrichtung blieb dabei zurückhaltend. ■ Gesellschaft

-ÕV Ì]Ê i«ÀiÃÃ ]Ê }ÃÌ]Ê ÕÀ ÕÌ reportpsychologie ‹36› 11/12|2011

<ÕÀØV Ã iLi iÀ>ÌÕ } Õ ` v À >Ì

änää ÎÓ ÓÓ ÎÓ Ó

- v ÀÌ>Õv > i q >ÕV > ÕÌi À> i ÌÃÃÌ>` Õ ° V Ìi à Ûi Õ ` ` Û `Õi i / iÀ>« i vØÀ *À Û>Ì ÛiÀà V iÀÌi Õ ` i viLiÀiV Ì }Ìi° 7 À i vi Li `iÀ BÀÕ } `iÀ ÃÌi ØLiÀ > i°

­ ÃÌi vÀi ®

1 ÃiÀiÊ«À Û>Ìi Ê ÕÌ À> i BÕÃiÀ\ -V Ü>ÀâÜ> `]Ê7iÃiÀLiÀ} > `] iÀ É À> `i LÕÀ} ÜÜÜ° LiÀLiÀ} i °`i 493


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.