G 3777 FACHZEITSCHRIFT DES BDP ZEITSCHRIFT DES BERUFSVERBANDES DEUTSCHER P S YC H O LO G I N N E N U N D P S YC H O LO G E N E .V. 36. JAHRGANG JANUAR 2011 Mit
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r e p o r t psychologie
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JANUAR 2011 Liebe Leserin, lieber Leser, mit Beginn dieses Jahres trete ich das Amt als Präsidentin des größten deutschen Psychologenverbandes an. Der Zeitpunkt ist schwierig angesichts noch immer zurückgehender Mitgliederzahlen und der finanziellen Schieflage, in die wir nicht zuletzt dadurch gekommen sind. Andererseits ist es ein guter Zeitpunkt, denn die Anzahl tätiger Psychologinnen und Psychologen steigt aufgrund zunehmender Absolventenzahlen kontinuierlich; wir müssen sie nur erreichen und gewinnen. Gerade in einer Zeit großer Verunsicherung durch die Umstellung auf die Bachelor- und Master-Studiengänge sollte es dem Verband gelingen, Psychologen davon zu überzeugen, dass nur ein starker BDP mit einer wachsenden Mitgliederzahl im Rücken ihre Interessen auf politischer Ebene vertreten und durchsetzen kann. Wir können nur so stark und einflussreich wie die Zahl unserer Mitglieder sein. Das ist die Botschaft, die ich auch Sie bitte in Gesprächen mit Berufskollegen offensiv hinauszutragen. Funktionieren wird das nur, wenn wir alle – und damit meine ich neben den Vorstandsmitgliedern und dem diesbezüglich bereits sehr aktiven Referenten für Fachpolitik, Fredi Lang, eine große Schar von kompetenten, aktiven Kolleginnen und Kollegen aus den Sektionen und Landesgruppen – mitwirken. Lassen Sie uns nicht nur systematisch und geballt eine stärkere Visibilität des Verbandes in die Öffentlichkeit tragen, sondern greifen Sie überall Themen auf, die Kolleginnen und Kollegen am Herzen liegen, um dabei die berufspolitischen Positionen des Verbandes deutlich zu machen. Nutzen Sie die Medien des Verbandes, lassen Sie uns aber auch gemeinsam neue Wege gehen, damit wir unsere Anliegen deutlicher und attraktiver nach außen darstellen können. Wir werden nur die Anerkennung erlangen, die wir uns täglich erarbeiten. Ein neues Jahr hat begonnen, aber für den BDP ist dies kein Neuanfang, sondern ein Neustart. Ich möchte, dass wir aus unseren Erfahrungen lernen und ein stärkeres Augenmerk auf eine gemeinsame Umsetzung von Vorhaben legen. Ich achte die Anstrengungen meiner Vorgänger auf vielen Gebieten, werde für Kontinuität sorgen, wo wir Erfolge erreicht haben, aber auch andere kreative Lösungen suchen, z.B. zu einer nachhaltigen Konsolidierung unserer Finanzen. Auf der DK wurde ich gefragt, wie ich das schaffen will. Ich bringe die Erfahrung einer erfolgreichen Unternehmerin mit vielen Kontakten in Politik und Wirtschaft ein. Ich bin stark in Verhandlungen, in Konfliktregelung und als Coach. Trotz dieses Potenzials werde ich die vor uns liegenden Aufgaben allein nicht lösen können. Ich brauche Sie, jeden Einzelnen. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung, Ihr Know-how, Ihre Mitwirkung und freue mich auf die Zusammenarbeit. Ihre Sabine Siegl Präsidentin des BDP
BD P-I N TE RN
2 Nachrichten aus den Sektionen und Landesgruppen F OK U S
8 »Ich bin dann mal off« – Über die Vergeblichkeit eines Silvesterversprechens Von Dr. Claas Triebel 9 »Smart Career« oder: Wie man seelische und körperliche Kosten der beruflichen Entwicklung minimiert FA C H W I S S E N S C H A F T L I C H E R T E I L
12 Somatopsychologie: Psychische Probleme als Folge körperlicher Funktionsstörungen Von Prof. Dr. Erich Kasten, Universität zu Lübeck 21 TBS-TK-Rezension Psychopathic Personality Inventory – Revised (PPI-R), deutsche Version PS YC HOT HE RAPI E
24 KBV erwägt Reform der Bedarfsplanung 26 Kammerwahlen in Hamburg PERSONALIA
28 Bewerber Nr. 1 war eine gute Wahl – Zum Ausscheiden von Hauptgeschäftsführer Armin Traute 29 Einer, der gern über den Tellerrand schaute: Armin Traute 30 Eine Verfechterin geistiger Freiheit Henriette Schwung S PEKTRU M
34 Unscharfe Kompetenzprofile schaden den Patienten – Interview mit Laszlo A. Pota 36 Zugang zur Psychotherapieausbildung auf der Basis des geltenden Rechts 38 Konsensusprozess zur psychosozialen Notfallversorgung nach schwieriger Annäherung abgeschlossen 39 Neuerungen beim Deutschen Psychologiepreis RU BRI K E N
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»Ich bin dann mal off« Über die Vergeblichkeit eines Silvesterversprechens
Die digitale Kränkung Im Winter 2009 wurde das Buch »Payback« des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher zum Bestseller, und die Vorstellung begann uns zu beunruhigen, dass nicht mehr wir das Internet benutzen, sondern wir zu Agenten und Informationslieferanten weltweit agierender Konzerne geworden sind: die Algorithmen von Google, Facebook, Microsoft und Apple beginnen, unser Denken zu bestimmen, die Software-Architektur unserer Computer zwingt uns zum Multitasking. Nirgendwo können wir uns mehr zurückziehen vor den Anfechtungen all der praktischen Tools, die uns kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Wir finden die Tür nicht mehr, um aus dem weltumspannenden Büro auszutreten, wir wissen nicht, wann die Arbeitszeit vorüber ist, wir sind nicht mehr Herr im eigenen Haus. Nach Kopernikus, Darwin und Freud fügen uns nun Internet und Handy die vierte, die digitale Kränkung zu. Das alles klingt furchtbar dramatisch, und ich will nicht in Abrede stellen, dass die Folgen der Digitalisierung unserer Welt zuweilen auch dramatische Ausmaße annehmen. Daran, dass ständige Erreichbarkeit per Mail und Handy Stress bedeutet, muss nicht lang gezweifelt werden. Und selbstverständlich kann man Menschen den Rat erteilen, das Handy öfter einmal auszuschalten, die Grenze zwischen Berufs- und Arbeitsleben klarer zu ziehen und sich den Arbeitstag nicht durch ständiges Beantworten belangloser E-Mails zu zerstückeln. Allein, helfen werden solche Ratschläge wenig. Sie nützen ungefähr so wenig wie der Hinweis am Ende der Kindersendung Löwenzahn, bei der Peter Lustig die jungen Zuschauer darauf hinwies, doch bitte nach Ablauf der Sendung den Fernsehapparat abzuschalten. Hat sich dadurch der Medienkonsum verändert? Nein. Sich vorzunehmen, weniger Mails zu schreiben oder weniger zu telefonieren, bringt ungefähr so wenig wie das ewige Silvesterversprechen an sich selbst, im kommenden Jahr doch etwas weniger Schokolade zu essen und sich mehr zu bewegen. Erweiterungen des Menschen Als Psychologen neigen wir dazu, die Ursachen für unser Denken und Handeln beim Individuum zu suchen 8
oder zumindest uns vor allem um das Individuum zu kümmern, wenn es um das Verändern von Denken und Handeln geht. Wenn es um die Anfechtungen des modernen Menschen durch die digitalen Medien geht, lohnt sich jedoch unbedingt ein Blick in andere Disziplinen. Ausgehen möchte ich dabei von einer ganz simplen Frage, auf die es eine ebenso simple Antwort gibt: Warum benutzen wir das Handy, das Internet und all die digitalen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte? Die zugegebenermaßen beinahe banale Antwort darauf lautet: Weil sie praktisch sind, weil sie uns das Leben erleichtern, weil wir diese Dinge inzwischen brauchen. Warum aber fällt es uns so schwer, unseren Medienkonsum einzustellen? Der Medientheoretiker Marshall McLuhan bezeichnete in den 1960er-Jahren Medien als »extensions of man«, als Erweiterungen des Menschen. Ein Medium dient McLuhan zufolge nicht dazu, etwas anderes zu ersetzen, sondern dazu, die Möglichkeiten des menschlichen Körpers zu erweitern. So ersetzt ein Fernseher in keiner Weise Augen und Ohren des Menschen, sondern erweitert die körperlichen Möglichkeiten, in die Ferne zu blicken (und zu hören). Ein Telefon ist kein Ersatz für das direkte Gespräch, sondern eine Ausdehnung der Möglichkeiten, miteinander zu sprechen. Ein Handy entbindet diese Kommunikationsmöglichkeit des Kabels, das Internet ermöglicht es uns, unterschiedliche Kanäle für die Verbreitung von Informationen und deren Aufnahme zu verwenden. Das mobile Internet stellt noch eine Eskalationsstufe dieser Erweiterungen des Menschen dar. Wozu dient nun diese Feststellung? Wichtig an der Bezeichnung von Medien als Erweiterungen des Menschen ist die Erkenntnis, dass Medien aus einem Bedürfnis von Menschen genutzt werden. Eine wesentliche Folge davon ist, dass Medien nicht dazu dienen, ein menschliches Bedürfnis zu schaffen, sondern dieses lediglich erweitern. Doch Medien erweitern nicht nur unsere Möglichkeiten zu kommunizieren, sondern auch die Möglichkeiten anderer Menschen oder Organisationen. Der flexible Mensch 1998 veröffentliche Richard Sennett sein inzwischen zum soziologischen Klassiker avanciertes Buch »Der flexible Mensch« (engl. »The corrosion of character«). Er beschrieb darin, wie der moderne Mensch durch Flexibilisierungsprozesse in der Arbeitswelt dazu gezwungen wird, sich an unterschiedlichste Bedingungen anzupassen, flexibel zu sein, und dabei Gefahr läuft, den roten Faden der eigenen Identität und stetigen Entwicklung zu verlieren. Diese Tendenz hat sich seitdem beschleunigt und verschärft. Atypische Beschäftigungen haben in den Nuller-Jahren sprunghaft zugenommen. Zeitarbeit, Teilzeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, das Hangeln von einem Projekt zum nächsten – diese Phänomene sind so selbstverständlich geworden, dass sie heute kaum mehr erwäh-
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»Das Internet ist verantwortlich dafür, dass wir uns nicht mehr konzentrieren können.« »Das Smartphone ist schuld daran, dass die Grenze zwischen Berufs- und Arbeitswelt verwischt.« »Die digitale Revolution frisst ihre Kinder und sorgt für mehr Stress und höhere Burnout-Raten.« So ungefähr lauten die kulturpessimistischen Allgemeinplätze, die man seit geraumer Zeit einnehmen darf, wenn es um neue Medien geht. Seit erstmals Studien über die Folgen ständiger Erreichbarkeit an die breitere Öffentlichkeit gelangt sind, die belegen, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dem Stand-by-Modus des Handys und dem Leiden an Schlaflosigkeit gibt.
r e p o r t fokus nenswert erscheinen. Hinzu kommen wachsende Anforderungen an die Mobilität von Menschen. 50% der arbeitenden Bevölkerung Deutschlands verfügen über Erfahrungen mit berufsbedingter Mobilität, damit also, eine Fern- oder Wochenendebeziehung führen zu müssen, als Fernpendler auf Schiene oder Straße täglich mindestens zwei Stunden lang unterwegs zu sein oder einen Teil des Jahres im Zimmer einer Hotelkette zu nächtigen. 80% der beruflich mobilen und flexiblen Menschen wünschen sich, dass dieser Zustand des Unterwegssein-Müssens nicht länger als etwa zwei Jahre andauert. Die wenigsten von ihnen erreichen dieses Ziel. Mobilität, Flexibilität und Erreichbarkeit sind großartige Errungenschaften der Moderne und funktionierten lange Zeit als Synonym für unseren Freiheitsbegriff. Inzwischen jedoch kippt die Bedeutung dieser Trias. Mobilität, Flexibilität und Erreichbarkeit stellen attraktive und zugleich unerlässliche Komponenten dessen dar, was unser Wirtschaftsleben ausmacht. Und genau aus diesem Grund gelingt es uns nicht, den Rat Peter Lustigs zu befolgen oder unseren an Silvester gefassten Vorsatz, unsere Telefon-, Internet- oder Arbeitsgewohnheiten zu verändern, im Alltag umzusetzen. Wer sich der Notwendigkeit, mobil, flexibel und erreichbar zu sein, entzieht, der verzichtet auf die Teilnahme an unserem wachstums- und wettbewerbsorientierten Wirtschaftssystem. Die meisten ziehen den Stress dem Nullwachstum vor. Meinhard Miegel hat in seinem Buch »Wohlstand ohne Wachstum« ausgeführt, dass ein grundlegendes Umdenken für eine Abkehr von dem uns eingeimpften Wachstumsdenken notwendig wäre. Eher eine Generationenfrage als ein Thema, das von vielen während ihres Erwerbslebens angegangen werden wird. Laufbahnberatung statt Offline-Modus Das Problem der technologischen Überforderung des Menschen, des Stresses, dem er sich durch die ständige Er-
reichbarkeit aussetzt, liegt nicht auf einer technologischen Ebene. Die Lösung kann nicht darin gefunden werden, die korrekte Funktionsweise des Offline-Modus herauszufinden. Es handelt sich vielmehr um eine tief greifende gesellschaftliche Veränderung, die auf das Erleben und Verhalten von uns modernen Menschen in der westlichen Welt wesentlichen Einfluss ausübt. Wenn wir unter diesen veränderten Bedingungen gesund bestehen wollen, wenn wir unsere Leistungs- und Genussfähigkeit auftrechterhalten möchten, so ist für jeden von uns eine Auseinandersetzung mit den eigenen Werten und unseren Kompetenzen notwendig. Wir müssen erkennen, was wir zu leisten imstande sind und was wir im Leben erreichen wollen. Sofern sich diese Werte und Kompetenzen mit unserem Berufsfeld decken, werden wir auch einigermaßen mit den technologischen Erfordernissen dieses Feldes umgehen können. Wenn wir uns jedoch einbilden, etwas anderes tun zu müssen, als wir eigentlich wollen und können, dann werden wir von ständiger Erreichbarkeit und den Erfordernissen, mobil, und flexibel sein zu müssen, bis zur Unkenntlichkeit verformt, dann leiden wir unter Stress und Schlaflosigkeit – und brennen aus. Bei aller soziologischen Erklärung für das Zustandekommen der Situation des modernen Menschen tut sich doch für Psychologen ein ganz wesentliches und gesellschaftlich bedeutsames Betätigungsfeld auf, das unter den Begriffen »Laufbahnberatung« und »Coaching« firmiert, aber letztlich ein viel umfassenderes Feld der psychologischen Beratung darstellt: die Bewältigung des Lebens in einer komplexer gewordenen Welt, in der sich Orientierungspunkte wie etwa generationenweise geltende normative Entwicklungsaufgaben auf dem Rückzug befinden und in der das Individuum selbst Pfeiler einschlagen muss, um den Weg in die eigene Zukunft nicht zu verfehlen. Claas Triebel
Dr. Claas Triebel (1974) ist Psychologe und Autor. Als Experte in Sachen Laufbahnberatung arbeitet er an der Universität der Bundeswehr, München, und als Gesellschafter der wissenschaftlichen Beratungsfirma »PerformPartner«. 2010 erschien sein jüngstes Buch »Mobil, flexibel, immer erreichbar – Wenn Freiheit zum Albtraum wird« bei Artemis & Winkler.
»Smart Career«
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oder: Wie man seelische und körperliche Kosten der beruflichen Entwicklung minimiert Keine Frage, unsere Gesellschaft, vor allem die Wirtschaft, ist in Bewegung geraten, in heftige Bewegung. Begleitet von Modethemen wie »Globalisierung«, »Arbeitsverdichtung«, »Ressourcenkonzentration«, »Risiko- und Innovationsbereitschaft«, überschlagen sich die Veränderungen heute manchmal regelrecht: Was gestern galt, gilt heute nicht mehr. Und ob das, was heute gilt, auch morgen noch gilt, ist höchst fraglich. Alle sind betroffen: von freien Unternehmern über Manager und Karrieremacher bis hin zu einfachen Angestellten und Berufsanfängern. Manche bemerken es früher, andere später. Und auch in der Psychotherapie, in Supervision und Coaching werden wir zunehmend mit den »seelischen Kosten der Karriere« konfrontiert. Im Psychologischen Forum Offenbach (PFO) haben wir dafür spezielle Angebote für unsere Klienten entwickelt. Schließlich ist eine gute Karriere ein Marathon und keine Ansammlung von (mehr oder weniger wahllos) aneinandergereihten Sprints.
Neben den Sonnenseiten der »Top-Jobs« – Gehälter und Einkommen, die sich im sechsstelligen Bereich bewegen, Prestige, Ansehen, Macht, weiträumige Gestaltungsfreiheit – kommen irgendwann auch die Schattenseiten ins Blickfeld. Und so viel sollte jedem klar sein: Geschenkt bekommt man nichts auf der Karriereleiter oder im Karrierenetzwerk. So kann die für viele Berufe notwendige Selbstdisziplin leicht in Selbstverleugnung umschlagen. Übertriebene Außenorientierung und exzessive Anpassung führen mitunter zu chronifiziertem Fassadenverhalten (»stoßfest, bruchsicher, formschön und abwaschbar«). Andere Aspekte des Lebens – neben dem Beruf – werden vernachlässigt. Kurzfristig können olympiareife Leistungen erbracht werden, langfristig aber droht eine Bauchlandung. Chronischer Stress »Der Zwang nimmt ab, aber der Druck nimmt zu«, sagte mir unlängst ein Coachingklient und meinte damit, dass ei9
Literatur Gross, Werner (Hrsg.): »... aber nicht um jeden Preis – Karriere und Lebensglück« Freiburg 2010; Kreuz-Verlag Wagner-Link, Angelika: Verhaltenstraining zur Stressbewältigung. Arbeitsbuch für Therapeuten und Trainer; Vollständig überarbeitete Neuauflage mit CD; Klett-Cotta 2010
Kontakt Dipl. Psych. Werner Gross Psychologisches Forum Offenbach (PFO) Bismarckstr. 98 63065 Offenbach/Main T 069 – 82 36 96 36 E pfo-mail@t-online.de www.pfo-online.de
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Erich Kasten Universität zu Lübeck
WOGE
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Somatopsychologie: Psychische Probleme als Folge körperlicher Funktionsstörungen
r e p o r t fachwissenschaftlicherteil
TBS-TK
TBS-TK Rezension
Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R)
Testbeurteilungssystem – Testkuratorium Rezension der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen
D i r k H a l l n e r, M o n i k a H as e n b r i n g Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Ruhr-Universität Bochum Jürgen Hoyer, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
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Allgemeine Informationen über den Test, Beschreibung des Tests und seiner diagnostischen Zielsetzung Die deutsche Version des PPI-R basiert auf der englischen Originalfassung von Lilienfeld und Widows (Lilienfeld, S. O. & Widows, M. R. [2005]. Psychopathic Personality Inventory Revised [PPI-R]. Professional Manual. Lutz, F. L: Psychological Assessment Resources), welche zur Erfassung der Psychopathie als Persönlichkeitskonstrukt konstruiert wurde. Es handelt sich um ein Selbstbeschreibungsinstrument mit 154 Items. Der Test kann als Einzel- und Gruppentest von geschultem Personal durchgeführt werden; die Durchführungszeit wird mit bis zu 45 Minuten angegeben. Der Schwerpunkt der derzeitig möglichen Anwendungen des Verfahrens liegt in der forensischen und klinischen Forschung, aufgrund ausstehender Validitätsuntersuchungen jedoch weniger in der forensischen Begutachtung. Psychopathie wird auf acht Skalen erfasst (Schuldexternalisierung, rebellische Risikofreude, Stressimmunität, sozialer Einfluss, Kaltherzigkeit, machiavellistischer Egoismus, sorglose Planlosigkeit, Furchtlosigkeit), hinzu kommt eine Lügenskala (unaufrichtige Beantwortung). Zur deutschen Version gibt es erste Befunde zur Reliabilität und Validität, vornehmlich an Studenten und einer kleineren Stichprobe des Maßregelvollzugs. Theoretische Grundlagen als Ausgangspunkt der Testkonstruktion Der PPI-R übernimmt die Psychopathiekonzepte von Cleckley und Hare. Grundlegend für die Skalenkonstruktion ist Checkleys Definition eines psychopathischen Menschen, der oberflächlich charmant, egozentrisch, unverbindlich und unehrlich ist, keine Reue zeigt, auch bei objektiver Bedrohung furchtlos ist und unfähig ist, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen. Aufgrund der in herkömmlichen diagnostischen Verfahren fehlenden graduellen Abstufung von Psychopathie und deren ausschließlicher Beurteilung mit Hilfe von Fremdeinschätzungen entwickelten sich im englischen Sprachraum Selbstbeurteilungsverfahren der Psychopathie. Die graduelle Messung des Konstrukts erlaubte in der Forschung die Anwendung des PPI-R auch bei gesunden Probandengruppen. Die Originalfassung des PPI-R wurde von den Autoren übersetzt, und die Struktur der Originalfassung des PPI-R wurde faktorenanalytisch repliziert.
Objektivität Die Voraussetzungen hinsichtlich der fachlichen Qualifikation des Untersuchers sowie zur Untersuchungssituation werden spezifiziert. Die Hinweise zur Durchführung des Tests enthalten mehrere Anweisungen zur motivationalen Beeinflussung des Testkandidaten, z.B.: »Der Testleiter sollte versuchen, bei den Probanden eine möglichst positive Einstellung gegenüber dem Test herzustellen.« Es ist somit anzunehmen, dass aufgrund der Interpretation und der Umsetzung dieser Instruktionen die Variabilität über verschiedene Testleiter hinweg zunimmt und die Beantwortung der Items beeinflusst, welches zu einer Verringerung der Durchführungsobjektivität führen kann. Die Auswertungs- und Interpretationsobjektivität des PPI-R können aufgrund der Gestaltung der Testmaterialien und der verständlichen Darstellungen im Testmanual zunächst angenommen werden. Einschränkungen ergeben sich bei der Auswertungsobjektivität, da Hinweise zum Umgang mit ausgelassenen Antworten und die Angabe der Grenzen fehlen, ab wann von einer Interpretation des PPI-R abgeraten werden muss. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass bei »Unaufrichtiger Beantwortung« mit T > 60 die Auswertung des PPI-R fraglich ist. Hinsichtlich der Interpretationsobjektivität finden sich kurze Beschreibungen der einzelnen Skalen; Beispiele zur Interpretation und Integration der Skalenwerte fehlen allerdings. Normierung (Eichung) Für den PPI-R in deutscher Übersetzung liegen TWerte (auch umgewandelt in Prozentränge) einer studentischen Stichprobe im Altersbereich von 18 bis 25 Jahren und differenziert nach Geschlecht (N = 352) vor. Die Normtabellen existieren sowohl für den Gesamtwert »Psychopathie« als auch für die acht Skalen des PPI-R; klinische Normgruppen stehen noch aus. Zusätzlich ist auch eine Normtabelle zur Bewertung der »Unaufrichtigen Beantwortung« enthalten. Die Testautoren halten die Anwendbarkeit bei älteren Probanden für möglich und verweisen bei jugendlichen Probanden auf noch ausstehende Validierungen. Untersuchungen zur Altersstabilität der Testskalen im Erwachsenenalter werden nicht berichtet. 21
PPI-R
Die TBS-TK-Anforderungen sind erfüllt voll
Testbeurteilungssystem – Testkuratorium der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen
weitgehend
Allgemeine Informationen, Beschreibung und diagnostische Zielsetzung
nicht
• • •
Objektivität Zuverlässigkeit Validität
teilweise
•
• • •
Zuverlässigkeit (Reliabilität, Messgenauigkeit) Das Testmanual weist die Ergebnisse zur internen Konsistenz des Gesamttests und zu den Testskalen des PPIR aus. Die zugrunde liegende Stichprobe wird nicht berichtet. Die interne Konsistenz des Gesamttests kann mit α = 0,85 als ausreichend betrachtet werden, während die internen Konsistenzen der jeweiligen Testskalen nur teilweise ein ausreichendes Niveau erreichen. Die Spanne der internen Konsistenzen variiert von α = 0,65 (»Unaufrichtige Beantwortung«) bis α = 0,88 (»Schuldexternalisierung«). Neben der Skala »Unaufrichtige Beantwortung« zeigen vier weitere Skalen interne Konsistenzen kleiner 0,80. Die Item-Trennschärfen der jeweiligen Testskalen liegen im Bereich von 0,01 bis 0,79. Zugunsten der Vergleichbarkeit mit der Originalversion des Tests verzichteten die Testautoren auf die Streichung einiger Items, welches aber aufgrund der zu erwartenden Verbesserung der Reliabilitätsschätzungen notwendig erscheint. Angaben zur Retestreliabilität fehlen. Gültigkeit (Validität) Die Inhaltsvalidität wird aus der in Wortlaut und Bedeutung möglichst kongruenten Überführung des deutschen PPI-R aus der englischsprachigen Originalversion abgeleitet, jedoch nicht näher erläutert. Die faktorielle Validität ist aufgrund der mitgeteilten Informationen nicht sicher beurteilbar. Zur Überprüfung der Konstruktvalidität des PPI-R wurden die Mittelwertsunterschiede der Testskalen einer studentischen Gruppe gegen eine forensische Stichprobe getestet. Aufgrund von Diskrepanzen zwischen textlichen und tabellarischen Darstellungen sind die Ergebnisse nicht eindeutig nachvollziehbar. Mindestens fünf der zur Überprüfung berechneten t-Tests weisen auf hypothesenkonforme Ergebnisse hin, während in zwei Skalen (»Kaltherzigkeit« und »Sozialer Einfluss«) die studentische Gruppe höhere Werte erreichte. Diese hypothesenkonträren Befunde werden nicht diskutiert. Es werden signifikante Korrelationen einzelner Testskalen mit anderen Selbstbeurteilungsinstrumenten (Trait-Angst, STAI; soziale Erwünschtheit, SDS; soziale Ängstlichkeit, SPAI) berichtet. Die konvergente Validität des Gesamttestwertes mit dem Kieler Psychopathie Inventar – Revision (KPI-R) wird mit r = 0,78 angegeben. Darüber hinaus korrelieren mehrere Testskalen des PPI-R mit mehreren 22
anderen Testskalen des KPI-R. Ebenfalls konnten für die Skalen »Kaltherzigkeit«, »Sorglose Planlosigkeit«, »Rebellische Risikofreude« und »Persönliches Leid« signifikante Korrelationen zu Faktoren des Saarbrücker Persönlichkeitsfragebogens (SPF) gefunden werden. Die zugrunde liegende Stichprobe kann allerdings nicht ermittelt werden. Ein Befund zur Kriteriumsvalidität (drei der acht Skalen des PPI-R sagen Verhalten in einem »Gefangenendilemma-Spiel« vorher) wurde kürzlich publiziert (Mokros, A. et al. [2008]. Diminished cooperativeness of psychopaths in a prisoner's dilemma game yields higher rewards. Journal of Abnormal Psychology 117, 406-413). Weitere Befunde zur Kriteriumsvalidität (insbesondere zur Übereinstimmung mit auf Fremdeinschätzung beruhenden Standardmaßen der Psychopathie) sind dringend erforderlich. Empirische Belege für die prognostische Validität fehlen. Weitere Gütekriterien (Störanfälligkeit, Unverfälschbarkeit und Skalierung) Zur Kontrolle der Verfälschbarkeit enthält das PPI-R eine Skala mit 23 Items, welche »systematisches Ankreuzen oder Manipulationsversuche« aufdecken soll. Durch die geringe Reliabilität dieser Skala ist die Zuverlässigkeit der Kontrolle allerdings beschränkt. Da gerade von hoch psychopathischen Menschen behauptet wird, dass sie die Tendenz haben, häufig zu lügen und manipulativ zu sein, können hohe Werte auf der Psychopathieskala (außer allenfalls in anonymen Untersuchungen) nur von ehrlichen Menschen oder Simulanten, aber nicht von Psychopathen erreicht werden, was aber ein Widerspruch in sich selbst ist. Zur Manipulierbarkeit und Validität dieser Lügenskala finden sich keine ausreichenden Angaben, womit das angesprochene Paradoxon nicht überzeugend beherrscht wird. Zur Minimierung der Antworttendenz in Richtung sozialer Erwünschtheit finden sich Hinweise zur Instruktion der Probanden. Durch negierte Item-Formulierungen kann es zu Falschantworten kommen, was die Handhabbarkeit einschränkt. Abschlussbewertung/Empfehlung Die bislang vorliegende deutsche Version des PPI-R ist ein neues Instrument zur graduellen Messung von Aspekten der Psychopathie mit Hilfe eines Selbstbeurteilungsverfahrens, welches die diagnostischen Möglichkeiten in der klinischen Psychologie und Forensik erweitern soll. Die Vergleichbarkeit des Instruments mit der englischen Originalfassung lässt eine Verwendbarkeit besonders in Forschungskontexten erwarten. In diesem Rahmen könnten Verbesserungen der bislang unzulänglichen Durchführungsobjektivität erarbeitet und Überprüfungen der Skalenkonstruktion im Hinblick auf die teilweise schwachen Reliabilitätsschätzungen durchgeführt werden. Ebenfalls stehen noch Untersuchungen zur prognostischen Validität des Verfahrens in klinischen und forensischen Populationen aus. Hierzu scheint ergänzend eine Überarbeitung der Skala »Unaufrichtige Beantwortung« aufgrund der teilweise fehlenden Item-Trennschärfen notwendig. Einschränkend gilt ferner, dass die Ergebnisse zur Faktorkongruenz nur oberflächlich berichtet werden. Untersuchun-
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r e p o r t fachwissenschaftlicherteil gen zur Altersstabilität der Testskalen und der Faktorenlösung wären für die Verwendbarkeit des PPI-R in gutachterlichen Kontexten eine wichtige Grundlage; ein Einsatz in diesem Bereich scheint auf dem derzeitigen Entwicklungsstand des Verfahrens noch nicht möglich. Verbesserungen für eine revidierte Form sind durch die Testautoren bereits angekündigt worden und sollen besonders die Testnormierung und die Gütekriterien betreffen. In der Praxis der klinischen und forensischen Diagnostik ist momentan der Einsatz von validierten Fremdeinschätzungsskalen, insbesondere im Prognosebereich, weiter unverzichtbar und der diagnostische Zugewinn durch die PPI-R noch fragwürdig, wenngleich einige Arbeiten bereits auf eine Validität der Selbstberichtsskalen hinweisen. Diese Testrezension wurde im Auftrag des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (DGPs und BDP) gemäß den TBS-TK-Richtlinien (Testkuratorium, 2009, 2010) erstellt. Testkuratorium. (2009). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Report Psychologie, 34, 470-478. Testkuratorium. (2010). TBS-TK. Testbeurteilungssystem des Testkuratoriums der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen. Revidierte Fassung vom 09. September 2009. Psychologische Rundschau, 61, 52-56.
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Alpers, G. W. & Eisenbarth, H. (2008). Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R). Göttingen: Hogrefe.
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Test komplett: 66 €. Manual: 48 €. 25 Fragebogen: 40 €. 50 Auswertungsbogen: 19 €.
Bitte zitieren Sie diesen Artikel wie folgt: Hallner, D., Hasenbring, M. & Hoyer, J. (2010). TBS-TK Rezension: »Psychopathic Personality Inventory – Revised, Deutsche Version (PPI-R)«. Report Psychologie, 36. Jahrgang, Heft 1, S. 23-25.
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Ein Blick ins Service-Scheckheft lohnt (ij) Auch in diesem Jahr bietet der BDP seinen Mitgliedern konkrete Unterstützung im Berufsalltag. Das (dieser Ausgabe beiliegende) Service-Scheckheft, das nun in der siebten Auflage vorliegt, ist der beste Beweis dafür. Neben zahlreichen bewährten Leistungen gibt es interessante neue Angebote, bei denen Mitglieder von geldwerten Vorteilen profitieren können. Sie sind darüber hinaus eingeladen, den
Unscharfe Kompetenzprofile schaden den Patienten BDP will Qualität der Ausbildung erhöhen und Versorgung verbessern
Mitgliederbereich unserer Webseite zu besuchen. Unter www.bdponline.de stehen im »Marktplatz« noch mehr exklusive Angebote. Sollte das Service-Scheckheft in einer Ausgabe wider Erwarten fehlen, genügt ein Anruf beim Mitgliederservice: T 030 – 209 166 662.
Rückgang von Suiziden in Deutschland (cs) In den letzten 30 Jahren gab es einen Rückgang der Zahl der Suizide in Deutschland von 18 000 auf zirka 9 400, mit stärkstem Rückgang in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. Diese Zahlen wurden beim
Anlässlich vieler Nachfragen aus der Bundesvereinigung Psychologiestudierender im BDP sowie einer ganzen Reihe von Anrufen aus der Bevölkerung bei der Chefredaktion hat »report psychologie« im November den damaligen Vizepräsidenten des Verbandes, Laszlo A. Pota, zum Thema Psychotherapieausbildung und Novellierung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) befragt.
7. Europäischen Depressionstag im Oktober 2010 in Berlin mitgeteilt. Einer der wichtigsten Gründe für diesen starken Rückgang dürfte die bessere Versorgung depressiv Erkrankter sein. Trotz dieser Fortschritte werden auch heute noch weniger als zehn Prozent der zirka vier Millionen depressiv Erkrankten in Deutschland optimal behandelt, so schätzen Experten. »Dies ist ein nicht tolerierbarer Zustand, da Depressionen schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankungen sind und wirksame Behandlungen wie Antidepressiva und kognitive Verhaltenstherapie zur Verfügung stehen«, sagte Prof. Dr. Ulrich Hegerl, Direktor Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität Leipzig, anlässlich der Veranstaltung.
Freie Berufe haben größten Anteil ausländischer Auszubildenden (cs) Auch die freien Berufe werden künftig angesichts des demografischen Wandels das Potenzial von Jugendlichen mit Migrationshintergrund noch stärker erschließen müssen, um ihre Ausbildungsstellen besetzen zu können. Vieles sei jedoch
Studenten wirken zum Teil verwirrt und besorgt, bereits im Beruf stehende Psychologen aus Wissenschaft und Praxis geben ihnen unterschiedliche, zum Teil einander widersprechende Antworten, wie denn künftig die Psychotherapieausbildung aussehen soll/wird, wer zugangsberechtigt sein wird und wer nicht. Woher kommt diese Verwirrung? Hintergrund für die Verwirrung ist der Unterschied zwischen aktueller Rechtslage und den Vorstellungen der verschiedenen Akteure. Im Rahmen des vom BMG beauftragten Forschungsgutachtens wurden verschiedene von der aktuellen Regelung stark abweichende Modelle präsentiert und diskutiert. Ein häufig vorgebrachtes Argument war die angeblich aufgrund der Einführung der neuen Studiengänge entstandene Unsicherheit bezüglich der künftigen Zugangskriterien. Seitdem herrscht breite Verwirrung darüber, welche rechtlichen Kriterien aktuell gelten und welche anderen ab wann gelten könnten. Häufig nehmen Praktiker, Studierende und Lehrende an, dass einzelne Vorschläge schon jetzt oder zumindest in naher Zukunft die Zugangsrealität darstellen. Psychologiestudierende befürchten, dass sie im Rahmen einer deutlichen Erhöhung der Anteile in klinischer Psychologie auf 30 oder 50 Leistungspunkte nicht nur eine inhaltliche Verdoppelung in der Ausbildung haben würden, sondern aufgrund ihres Studienwegs mit Basisfach klinischer Psychologie gar keinen Zugang erhalten.
Abstand größten Anteil ausländischer Auszubildenden unter allen Ausbildungsbereichen. Aus Perspektive der Jugendlichen ist festzuhalten, dass 13 Prozent der mit Ausländern besetzten Ausbildungsplätze in den Zuständigkeitsbereich der freien Berufe fallen. Gerade in den sensiblen Bereichen der freien Berufe mit direktem Kontakt zu Patient, Klient, Mandant oder Kunde wird seit jeher Wert auf eine kulturelle, ethnische sowie ethische Balance gelegt. Indem sie Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Perspektive bieten, tragen sie alle auch in dieser Sicht gesellschaftspolitische Verantwortung. Damit verknüpft sind zweifelsfrei ganz
Gibt es unter den vielen Vorschlägen und Überlegungen auch die, dass gleich nach dem Bachelor eine PT-Ausbildung zugelassen werden sollte? Aufgrund von Gerichtsurteilen haben die Länder die weite Interpretation des Zugangs im Sinne der Aufnahme von Behindertenpädagogik, Religionspädagogik und anderen speziellen Studiengängen im Bereich der Sozialwissenschaften geändert. Im Forschungsgutachten wird jedoch ein entgegengesetzter Vorschlag gemacht, der letztlich dazu führen würde, dass das Vorwissen und die Vorkenntnisse sehr unterschiedlich wären. Der allen gemeinsame Kern des Wissens würde – wenn man den Vorstellungen der Gutachter folgte – auf ein bis zwei Jahre Hochschulstudium mit Kernthemen der Psychologie plus der theoretischen und praktischen Anteile in der Weiterbildung schrumpfen. Dadurch würden die Kompetenzprofile sehr stark schwanken, ohne dass dies in der Berufsbezeichnung erkennbar wäre.
praktische Gründe. Denn die mitgebrachten Sprachkenntnisse sind eine Bereicherung für die Praxen, Kanzleien, Büros und Apotheken. Allerdings werde es zunehmend schwieriger, für anspruchsvolle Ausbildungsberufe geeignete Jugendliche zu finden.
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Welche Politik verfolgen die, die die BDP-Position nicht teilen? Obwohl sich erstens das Profil der psychologischen Psychotherapeuten qualitativ sehr gut bewährt, zweitens im Bereich der Qualität in der Kinderund Jugendlichenpsychotherapie, bezogen auf Pädagogen, auch Kritik
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bereits erreicht, so BFB-Präsident Dr. Ulrich Oesingmann. Die freien Berufe haben mit 8,1 Prozent den mit
r e p o r t spektrum durch die Supervisoren formuliert wird und drittens sich die Abschlussnoten Letzterer stark von denen der psychologischen Psychotherapeuten unterscheiden, wurde und wird von einigen Seiten weiter darauf hingearbeitet, das Niveau an Sozialpädagogen anzugleichen und diese dadurch zu integrieren. Die als Vertrauensschutz für den damals besonderen Studiengang »Psychagogen« eingeführte Zugangsregelung wird heute fälschlicherweise im Kontext angeblich vorhandener besonderer Kenntnisse aller Pädagogen im Kinder- und Jugendbereich dargestellt. Wenn man die Anteile an pädagogischer Psychologie, Entwicklungspsychologie und die auf Kinder bezogenen Themen in allgemeiner Psychologie, Persönlichkeitspsychologie in klinischer Psychologie im Psychologiestudium dazu vergleichend betrachtet, ist die behauptete besondere Kompetenz für diese Zielgruppe allerdings nicht nachvollziehbar.
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Wie lässt sich durch eine mögliche Neuregelung der PT-Ausbildung eine Verbesserung der Situation sowohl bezüglich der Qualität als auch der Versorgungssituation erreichen? Oder ist Letzteres nach der Erhöhung der KJP-Quote kein Problem mehr? Wenn die Zugangskriterien auch für KJP mehr Kompetenzen im Bereich der Diagnostik, der Methoden, der allgemeinen Psychologie und der Persönlichkeitspsychologie vorsehen würden, könnte eine deutliche Qualitätsverbesserung erzielt werden. Die Versorgungssituation könnte durch eine Änderung der Bedarfsplanung oder eine stärkere Berücksichtigung der Kollegen mit Doppelapprobation verbessert werden, da die Behandlung von Kindern meistens nur in der Hälfte der Wochenarbeitszeit möglich ist. Die Erhöhung der KJP-Quote verringert daher – anders als häufig behauptet – den Gesamtversorgungsgrad, indem ein voller Sitz für Erwachsene durch einen nur halb auszufüllenden für Kinder und Jugendliche ausgetauscht wird. Es gibt daneben das Problem, dass die am Geschehen oft nicht ganz unschuldigen Eltern, aber auch andere Erwachsene von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten ohne entsprechende Fachkunde (mit) behandelt werden und Kassen dies sogar bei der Abrechnung akzeptieren. Ganz absurd ist auf diesem Hintergrund die Tatsache, dass die KV mit dem Argument besonderer Kompetenz die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten den Psychologen mit Doppelapprobation vorzieht, auch ungeachtet eines höheren Approbationsalters. Wenn die Kompetenzen fair bewertet werden und es primär um die Verbesserung der Versorgung gehen würde, müsste eigentlich eine Bevorzugung der vertiefter ausgebildeten psychologischen Psychotherapeuten mit zusätzlicher KJP-Fachkunde erfolgen. In beiden Berufsgruppen warten allerdings genügend Berufsangehörige darauf, frei werdende Sitze einzunehmen beziehungsweise die Unterversorgung durch Kostenerstattung abzubauen. Am Nachwuchs mangelt es nicht. Wo kollidieren Gruppeninteressen womöglich mit dem Interesse der Verbraucher bzw. Patienten? Als gemeinsam zu verfolgendes Ziel wird häufig eine Vereinheitlichung des Berufsbildes genannt. Es stellt sich jedoch die Frage: Auf welchem Niveau? Im Sinne des Verbraucherschutzes und der Erhaltung des Facharztstatus liegt es sicher im Interesse aller jetzigen und zukünftigen Psychotherapeuten, den erreichten Status der selbstständigen Ausübung und der direkten Abrechnung weiter zu erhalten. Eine Anhebung der Eingangsqualifikation für Pädagogen ist m.E. zur Erreichung dieser Ziele zwingend. Seitens der (Fach-)Hochschulen und der Berufsverbände im sozialen Bereich
werden zum Teil sachfremde Argumente und Kriterien wie im Vergleich zu Psychologen angeblich besondere Kenntnisse der Absolventen des Studiums sozialer Arbeit beim Thema Armut und in der Sozialisation angeführt. Die Fachhochschulen fürchten, nicht ausreichend Master-Plätze zur Verfügung stellen zu können, und die anderen Berufsverbände wehren sich gegen die Etablierung höherer Anforderungen an ihre Mitglieder. Dies ist jedoch problematisch, wenn man bedenkt, dass die pädagogische Psychologie an den psychologischen Instituten die neuen Wissensbestände bereitstellt, die dann mit einiger Verzögerung in die Curricula von sozialer Arbeit und Pädagogik und schließlich in die Berufspraxis einfließen. Durch die Debatte über die PT-Ausbildung sind andere Aspekte einer Novellierung des PsychThG anscheinend in den Hintergrund getreten. An welchen Stellen sehen Sie diese? Der BDP hat schon im Jahr 2003 auf 15 Seiten eine Reihe von zu ändernden Punkten in einem Brief an das BMG formuliert. Dies betrifft beispielsweise die Zusammensetzung des wissenschaftlichen Beirates, bei dem Ärzte über die Bedingungen für die Therapie von Psychologischen Psychotherapeuten mitentscheiden. Das betrifft außerdem die Stellung und Vergütung der Psychotherapeutinnen in Ausbildung, die Anrechnung von Theorie aus dem Studium sowie von praktischen Erfahrungen, die vor der Ausbildung lagen. Wichtig wären auch die Verkürzung des sogenannten Psychiatriejahres und eine entsprechende Erhöhung der Stunden im ambulanten Bereich, die Öffnung für Therapieverfahren über die Richtlinienverfahren hinaus, die Anrechnung von Erziehungszeiten in den Übergangsbestimmungen, die Änderung der Bedarfsplanung und des Bewertungsmaßstabes, und man könnte noch einiges mehr nennen. Die Antwort damals lautete, man wolle das Gesetz noch eine Weile erproben, um möglichen Änderungsbedarf zu prüfen. Sind Ihnen aus dem zuständigen Ministerium Positionen bekannt, die ahnen lassen, in welche Richtung es zumindest im Punkt Psychotherapieausbildung voraussichtlich gehen wird? Das ist schwer einzuschätzen. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass die Politik eher daran interessiert ist, das Niveau und damit auch die Gehälter und die Honorare abzusenken. Diesen Eindruck habe ich jedenfalls in einem Gespräch mit dem Gesundheitsminister (s.a. »Medizindominanz statt Teamarbeit«, S. 39), vor allem aber in vorangegangenen Gesprächen mit Gesundheitspolitikern gewonnen. Die Deutsche Gesellschaft und der BDP wollen ähnlich wie das europäische Dach der Psychologenvereinigungen EFPA die hohe Kompetenz und damit auch die Mobilität innerhalb Europas erhalten. Es ist damit zu rechnen, dass bei einer Novellierung auch die Organe der Ärzteschaft ihren Einfluss geltend machen werden. In der Vergangenheit haben sich einige Arztgruppen kritisch gegenüber der neuen Profession und den Bedingungen, unter denen sie zeitgebunden und damit für weniger Patienten psychotherapeutische Versorgung erbringt, geäußert. Das Interview führte Christa Schaffmann.
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(cs) Für den Georg-Gottlob-Studienpreis sind in der Bundesgeschäftsstelle des BDP mehr als 50 Bewerbungen eingegangen. Die Themen der eingereichten Arbeiten sind überwiegend der klinischen, der pädagogischen und der Wirtschaftspsychologie zuzuordnen. Mehrere Bewerber befassen sich in ihren Arbeiten mit der möglichen Förderung von Kindern, problematischem Verhalten von Jugendlichen sowie mit Belastung, Beanspruchung und Erholung von Arbeitnehmern. Alle Arbeiten wurden der Jury zur Begutachtung übermittelt; sie traf eine Vorauswahl von 20 Bewerbern. Diese werden nun von Jury-Mitgliedern aufgesucht, um sie persönlich kennenzulernen. Mitglieder der Jury sind Prof. Dr. Hans-Werner Bierhoff, Bochum, Prof. Dr. Christian Loffing, Essen, Dipl.-Psych. Gertraud Richardt, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, und Hildegard Gottlob, geschäftsführende Vorsitzende und Stifterin der Georg-Gottlob-Stiftung. Die Jury wird ihre Arbeit bis etwa Ende Februar abschließen und jene Bewerber, die in die engere Wahl für die Auszeichnung gekommen sind, zu einer Präsentation einladen. Bei dieser Gelegenheit fällt die endgültige Entscheidung, und es findet die Preisverleihung statt.
Studie zeugt von verändertem Spielverhalten (cs) 24 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren spielen Computer- und Videospiele. Das hat die Repräsentativstudie »GameStat« der Universität Hohenheim ergeben, für die 2010 über 4500 Personen telefonisch befragt wurden. Sie zeugt von einem veränderten Spielverhalten. So befinden sich unter den Gamern überraschend viele Erwachsene: 22 Prozent der Erwachsenen spielen Computer- und Videospiele. Inzwischen finden sich noch bis zum Alter von 50 Jahren relevante Spielergruppen. Viele Spieler ziehen gemeinsames Spielen dem klassischen »Single Player« vor. Zwar spielt ein Großteil der Gamer auch manchmal allein gegen den Computer (81 Prozent), aber ausschließlich tun dies nur 29 Prozent der Befragten. Entgegen der üblichen Annahme sind nicht die Jüngeren die Alleinspieler, sondern die Älteren, so wurde zudem festgestellt. Ein Blick in die Bildungsgruppen zeigt: Unter den Personen mit einem niedrigen Bildungsabschluss (unterhalb mittlerer Reife) finden sich nur 19 Prozent Computer- und Videospieler, unter denen mit mittlerer Reife 22 Prozent, unter jenen mit Abitur 29 Prozent. Erst Personen mit Hochschulabschluss spielen wieder deutlich weniger. Ihr Anteil liegt bei 19 Prozent. Eine klassische Vorstellung vom Gaming kann die Studie hingegen nicht ganz widerlegen: Die Gamer sind immer noch in der Mehrzahl männlich. Allerdings gibt es inzwischen durchaus bemerkenswerte Anteile an Spielerinnen: So spielen 30 Prozent aller befragten Männer Computer- und Videospiele, bei den Frauen sind es immerhin 19 Prozent.
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Verunsicherung meist ohne Not Zugang zur Psychotherapieausbildung auf der Basis des geltenden Rechts Kann ich mit meinem Bachelor-Abschluss in Psychologie künftig Psychotherapeut werden? Kann ich mit jedem Psychologie-Master Psychotherapeut werden? Werde ich in der Ausbildung womöglich neben Menschen sitzen, die gar nicht Psychologie studiert haben? Diese und andere Fragen bewegen derzeit viele Studentinnen und Studenten der Psychologie. Antworten fallen der Mehrheit praktizierender Diplom-Psychologen ebenso schwer wie ihren wissenschaftlich tätigen Kollegen. Dazu beigetragen haben verschiedene Vorschläge zur Neuregelung der Zugangsvoraussetzungen für eine Psychotherapieausbildung, die in den zurückliegenden Jahren durch das Forschungsgutachten, Kammern und Fachgesellschaften vorgelegt worden sind. Es besteht Verwirrung im Hinblick auf die Gültigkeit dieser Vorschläge und ihr mögliches Inkrafttreten. Die zur fachöffentlichen Diskussion vorgelegten Konzepte und Tabellen mit Fächern und Leistungspunkten stellen jedoch lediglich Vorschläge von Verbänden für eine Neuregelung der Psychotherapieausbildung dar. Ob, wann und wie eine Gesetzgebung erfolgt, ist offen; das Bundesministerium für Gesundheit hat sich im Oktober 2010 diesbezüglich zurückhaltend geäußert. Diplom entspricht Bachelor plus Master Der Maßstab zur Interpretation des Gesetzestextes und der daraus folgenden Kriterien ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und den bei seinem Inkrafttreten gültigen Regelungen. Wenn also von einem »Studium der Psychologie« die Rede ist, handelt es sich um das damals einzig vorhandene Psychologiestudium nach der Rahmenprüfungsordnung von 1987. Da Bachelor- und Master-Studiengänge der Psychologie zur Sicherung der internationalen Vergleichbarkeit nach Vorgaben der Kultusministerkonferenz nicht schlechter sein dürfen als die vorher bestehenden Studienprogramme, sollte es eigentlich im Hinblick auf die Vergleichbar-
keit des alten Diplom-Abschlusses mit den neuen Abschlüssen keine Probleme geben. Der Zugang zur Psychotherapieausbildung ist am Maßstab des Diploms zu prüfen und zu gewähren. Eine konkrete Unsicherheit im Hinblick auf die Zulassungskriterien zur Psychotherapieausbildung besteht rechtlich gesehen also nicht. Solange das Gesetz nicht geändert ist, muss die darin enthaltene Formulierung »ein Studium der Psychologie (Kriterium 1), in dem das Fach Klinische Psychologie eingeschlossen ist (Kriterium 2)« nach der Rahmenprüfungsordnung (RPO) von 1987 interpretiert werden. In konkreter Ausdeutung der RPO bedeutet dies, dass die Klinische Psychologie als Basisfach mindestens sechs Semesterwochenstunden und Prüfungsleistungen umfassen muss, d.h., ca. zehn Leistungspunkte sind als unterer Wert anzusetzen, der in einem fünfjährigen Studium der Psychologie enthalten sein muss. Das Studium der Psychologie bemisst sich an den Prüfungsfächern im Grund- und Hauptstudium sowie einem Praktikum (einschließlich Abschlussarbeit) von sechs Monaten und einem entsprechendem Anteil an Psychologie. Die neuen Bachelor- und Master-Studiengänge, die den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) entsprechen, erfüllen das Kriterium »Studium der Psychologie«. Probleme kann es in der Realität dennoch geben Die beschriebenen Kriterien stellen jedoch nur die rechtliche Hürde zur Erteilung der Approbation im Anschluss an die gesetzeskonforme Ausbildung dar. Es ist zu unterscheiden zwischen den rein rechtlichen und den realen Möglichkeiten. So ist es beispielsweise denkbar, dass ein Bewerber nicht genommen wird, weil er nach seinem Bachelor-Studiengang mit ausreichend Kreditpunkten in Klinischer Psychologie einen Master beispielsweise in Wirtschaftpsychologie gemacht hat und das Ausbildungsinstitut deshalb einen anderen Bewerber mit klinischem Schwerpunkt auch im Master vorzieht. In-
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Jury prüft eingereichte Arbeiten für den Georg-Gottlob-Studienpreis
r e p o r t spektrum wiefern ausreichende Kapazitäten angeboten werden, sodass diese reale Hürde keine Rolle mehr spielt, bleibt offen. Bei möglicher Gesetzesänderung greift Übergangsregelung In der Regel wird bei einer Veränderung bestehender Gesetze Vertrauensschutz gewährt, das heißt, eine Übergangsregelung wird in Kraft gesetzt für diejenigen, die im Vertrauen auf die alte Regelung ihre Ausbildung geplant haben. Meistens betragen die Übergangsfristen fünf bis zehn Jahre,
sodass Studierende von heute auf Basis der bestehenden Regelungen planen können. Zudem ist zu erwähnen, dass der aktuell von der DGPs empfohlene und in den Kammern diskutierte Vorschlag Möglichkeiten enthält, fehlende Inhalte durch Brückenkurse im Rahmen einer neu geregelten Ausbildung zu erwerben. Fredi Lang
Gerichtsurteil in Sachen Rundfunkgebührenpflicht für internetfähige PCs (cs) Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in drei Fällen entschieden, dass für internetfähige PCs Rundfunkgebühren zu zahlen sind. Die Rundfunkanstalten halten die Besitzer von internetfähigen PCs für gebührenpflichtig, weil sich mit diesen Geräten Sendungen empfangen lassen, die mit sogenannten Livestream in das Internet eingespeist werden. Im Rahmen der ZweitgeräteBefreiung wird die Rundfunkgebühr allerdings nicht verlangt, wenn der Besitzer bereits über ein angemeldetes herkömmliches Rundfunkgerät in derselben Wohnung oder demselben Betrieb verfügt. Die Kläger waren zwei Rechtsanwälte und ein Student, die in ihren Büros bzw. in der Wohnung kein angemeldetes Rundfunkgerät bereithielten, aber
Medizindominanz statt Teamarbeit
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Politische Gespräche am Rande des Empfangs der Drogenbeauftragten Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), gab am 10. November 2010 in der » Kalkscheune« in Berlin ihren Jahresempfang. Laszlo Pota, zu diesem Zeitpunkt Vizepräsident des BDP, nutzte die Veranstaltung zu politischen Kontakten und Gesprächen sowohl mit der Drogenbeauftragten und ihrem persönlichen Referenten als auch mit Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Er griff dabei die Einschätzung von Mechthild Dyckmans auf, wonach die von Sucht betroffenen Kinder und Jugendlichen immer jünger werden und die Experimente mit Alkohol, Computer- bzw. Spielsucht mehr und mehr selbstgefährdend sind. Dyckmans hatte sich in ihrer Rede von den Erwachsenen eine deutlich stärkere Vorbildwirkung gewünscht und sich für eine bessere Finanzierung von Projekten zur Prävention ausgesprochen. Im persönlichen Gespräch mit ihr ging es dann um Projekte, bei denen betroffene Jugendliche in Schulen und Freizeitheimen andere von Drogen abhalten bzw. sie davor warnen. Das seit 18 Jahren bestehende » COME IN!«, wo Laszlo Pota selbst arbeitet, war ihr wohlbekannt. Mit Philipp Rösler ging Laszlo Pota in die Diskussion um ebensolche Projekte, die von ihm »vermedizinalisert« werden, und sprach sich für eine bessere Vernetzung mit der Gemeindepsychologie aus. Rösler dagegen setzt
auf Gesundheitszentren und Gemeindepsychiatrie. Da er in seinen Ausführungen wiederholt der Ärzteschaft dankte, lenkte Pota im Gespräch mit ihm die Aufmerksamkeit auch auf Psychologen und Psychotherapeuten. Rösler erkannte deren Leistungen an, blieb aber bei seiner Position, dass die Ärzteschaft eine besondere Verantwortung für eine bessere Versorgung trage. Nach der Novellierung des Psychotherapeutengesetzes gefragt, erklärte Rösler, man sei noch in der Forschungs- und Erhebungsphase. Erst wenn alle Daten und Vorschläge ausgewertet seien, werde es unter Berücksichtigung modernsten medizinischen Wissens angemessene Lösungen geben. Der BDP-Vize gewann den Eindruck, dass es dem Bundesgesundheitsminister ganz klar um die Medizin und seinen Berufstand an der Spitze einer hierarchischen Pyramide geht statt um heterogene Teamarbeit. Die gerade verabschiedete Gesundheitsreform bezeichnete als die fortschrittlichste Gesundheitsreform der Bundesrepublik.
dort jeweils internetfähige PCs besaßen. Der 6. Senat hat die Revisionen der drei Kläger gegen abschlägige Urteile der Vorinstanzen zurückgewiesen: Bei internetfähigen PCs handelt es sich um Rundfunkempfangsgeräte im Sinn des Rundfunkgebührenstaatsvertrags. Für die Gebührenpflicht kommt es nach dessen Regelungen lediglich darauf an, ob die Geräte zum Empfang bereitgehalten werden, nicht aber darauf, ob der Inhaber tatsächlich Radio- bzw. Fernsehsendungen mit dem Rechner empfängt. Ebenso wenig ist es erheblich, ob der PC mit dem Internet verbunden ist, wenn er technisch nur überhaupt dazu in der Lage ist. Der Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz verlangt für das Abgabenrecht, dass die Gebührenpflichtigen durch ein Gebührengesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Gebührengrundlage nach sich ziehen. Die Rundfunkanstalten können an der Gebührenpflichtigkeit von internetfähigen PCs daher auf Dauer nur festhalten, wenn diese sich auch tatsächlich durchsetzen lässt. Insoweit wird der Gesetzgeber die Entwicklung zu beobachten haben.
Stifterbriefe helfen bei der Nachwuchsförderung Auch dieses Jahr besteht die Möglichkeit, Stifterbriefe zu erwerben und damit die Förderung besonders talentierter Studierender im Hauptfach Psychologie zu unterstützen. Den »Silbernen Stifterbrief« erhalten Spender und Spenderinnen, die an die Stiftung EUR 250,überweisen, den »Goldenen Stifterbrief« erhält, wer EUR 500,überweist. Diese Spenden dienen ausschließlich der Erhöhung des Stiftungskapitals, die Zinsen werden nur für Stipendien verwendet. Selbstverständlich sind auch Einzelspenden in beliebiger Höhe möglich. Die Studienstiftung ist für jede finanzielle Unterstützung dankbar. Seit 1994 vergibt die Studienstiftung Deutscher Psychologen e.V. Stipendien an Studierende im Hauptfach Psychologie. Die Studienstiftung ist als gemeinnützige Einrichtung anerkannt. Spenden sind steuerlich absetzbar. Studienstiftung: Konto-Nummer 045 815 099, Kreissparkasse Köln, BLZ 370 502 99
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(cs) Wissenschaftler und Therapeuten haben jetzt an der Universität Witten/Herdecke den Fachverband für Biografiearbeit e.V. (FaBiA) gegründet. Der Fachverband hat es sich zum Ziel gesetzt, Biografiearbeit in Deutschland im Bereich Praxis und Wissenschaft zu fördern und Qualitätsstandards zu entwickeln. In der aus diesem Anlass veröffentlichten Pressemitteilung heißt es: Anders als noch im vergangenen Jahrhundert sind die Biografien von Menschen individueller und brüchiger geworden. Was in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts überwiegend für Frauen zutraf, gilt jetzt auch beinahe durchgängig für Männer: Die Erwerbsbiografie der meisten Menschen in unserer westlichen Kultur ist von zahlreichen Wechseln und Zeiten der Arbeitslosigkeit geprägt. Die Notwendigkeit, sich selbst zu »erfinden« und die Erfahrungen des eigenen Lebens, insbesondere der Brüche, sinnvoll in das Ganze der Identität einzuordnen, ist heute notwendiger denn je. Daher ist Biografiearbeit heute in den unterschiedlichsten Kontexten von großer existenzieller Bedeutung. Biografiearbeit bietet eine schöpferische Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben oder Aspekten davon, in der Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft miteinander verknüpft werden. Der Begriff »Biografiearbeit« ist ein Sammelbegriff für viele verschiedene Formen professionell und wissenschaftlich unterstützter Erinnerungsarbeit. Dies geschieht zum einen im Kontext von Psychotherapie, aber auch in der Rekonstruktion von Lebensgeschichten im Rahmen von Projekten oder in der biografischen Forschung. Über die wissenschaftliche Biografieforschung hinaus spielt Biografiearbeit heute eine Rolle in zahlreichen Berufsfeldern, sei es im Bereich der Seniorenarbeit, in der Trauerbegleitung, in der sich ausweitenden Arbeit mit Pflegefamilien oder im Bereich der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Im klinischen Bereich und in der therapeutischen Arbeit hilft sie bei der Suche nach der Entstehung und Bedeutung von Symptomen und kann heilende Prozesse unterstützen. Angeleitete, bewusste Biografiearbeit setzt Wissen und eine Haltung der Achtsamkeit voraus. Wer sich auf sie einlässt, setzt Prozesse in Gang, die das Leben verändern. Daher ist ein bestimmtes Maß an Professionalität zum Schutz des Gegenübers und zum Selbstschutz eine Notwendigkeit. Als Vorsitzende des Verbandes, der seinen Sitz in Kassel hat, wurde Herta Schindler (systemische Lehrtherapeutin, Systemisches Institut Kassel) von den Gründungsmitgliedern gewählt. Ansprechpartnerin an der Universität Witten/Herdecke ist Dr. Christina Erdmann:
T 02302-926-535 E christina.erdmann@uni-wh.de
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Schwierige Annäherung Konsensusprozess zur psychosozialen Notfallversorgung abgeschlossen Am 10. November mündete eine dreijährige intensive Diskussion in eine Reihe von Empfehlungen zur psychosozialen Notfallversorgung. Mehr als 80 Teilnehmer tauschten über 700 Mails aus und fanden in zehn eintägigen Treffen und drei Konsensuskonferenzen Kompromisse in Form von 25 Empfehlungen in sechs Themenfeldern. Die Empfehlungen der letzten Phase 2009 bis 2010 werden im Frühjahr 2011 vom Bundesamt für Katastrophenschutz publiziert. Unter www.bbk.bund.de können die Themen und eine Liste der Teilnehmer, die sich aus einem breiten Spektrum von Hilfsorganisationen, Feuerwehr, Behörden, Wissenschaft, Verbänden und anderen zusammensetzte, eingesehen werden. Keine Einigung hinsichtlich fachlicher Kompetenzen Im Lauf des Prozesses näherten sich die heterogenen Vorstellungen zu Versorgungsqualität und erforderlichen Kompetenzen der Helfergruppen an. Hinsichtlich der Beschreibung fachlicher Kompetenzen, z.B. für Leitungsfunktionen im Stab, wie sie ein leitender Notfallpsychologe bei Großschadensereignissen erfüllen würde, konnte zwischen Vertretern aus Feuerwehr, Seelsorge, Psychologie, und Psychotherapie Übereinkunft erzielt werden, sodass es bei eher formalen und allgemeinen Beschreibungen blieb. Im Vergleich zu der sehr hohen Heterogenität der anderen Curricula und Aufgabenzuweisungen zu Beginn des Prozesses sind jedoch deutliche Verbesserungen zu verzeichnen, auch wenn aus psychologischer Sicht mehr Qualität wünschenswert ist. BDP unterstützt Kompromiss als Schritt in die richtige Richtung Die Reichweite der Empfehlungen ist im Rahmen der Zuständigkeit des BBK auf die Gefahrenabwehr bei Großschadenslagen bezogen. Zum Ende des dreijährigen Prozesses wurde in einem vom BBK beauf-
tragten Rechtsgutachten festgestellt, dass im Unterschied zur medizinischen Versorgung bei extremen Ereignissen die notfallpsychologische Versorgung keine Pflichtaufgabe der zuständigen Regionen darstellt. Die Ergebnisse werden von den unterzeichnenden Organisationen als Standard für Großschadenslagen freiwillig akzeptiert. Die als Leitlinien bezeichnete Ergebnisse sind ab 2009 in einem sogenannten modifizierten Delphi-Verfahren erarbeitet worden. Die bei solchen Verfahren üblichen FeedbackSchleifen wurden durch eine Art Meinungsbildung im Rahmen der Diskussion in der Großgruppe ersetzt. Während die Bundespsychotherapeutenkammer diese Empfehlungen nicht unterzeichnete, werden die Kompromisse auch vom BDP im Sinne der Unterstützung eines Schrittes in die richtige Richtung mitgetragen. Für die Erledigung verbliebener Aufgabenstellungen wie z.B. der Entwicklung und Abstimmung von Evaluationskriterien und Dokumentationsbögen für die Helfer sollen wie bisher Aufträge an im Arbeitsbereich einschlägig vorgebildete Wissenschaftler vergeben werden. Fredi Lang
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In Biografien erfinden Menschen sich selbst