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Stadttheater Bruneck: Mein Freund Aurelio
STADTTHEATER BRUNECK ÖFFNET WIEDER DIE TORE Mein Freund Aurelio
Nach dem dritten Anlauf hat es nun endlich geklappt, und der bekannte Südtiroler Schauspieler Peter Mitterrutzner konnte mit „Mein Freund Aurelio“ am 14. Mai 2021 Premiere feiern. Mit diesem Stück öffnet das Stadttheater Bruneck ein Zeitfenster der Sechzigerjahre. Es stehen nicht Helden und Politiker im Fokus, sondern Menschen, die nicht politisch und keine Helden sein wollen und gerade dadurch zu Protagonisten werden.
Das Stück stammt von der Südtiroler Wissenschaftlerin und Autorin Barbara Plagg, Regie führt Ulrike Lasta. Im Laufe der Probenzeit hat sich Peter Mitterrutzner mit dem Text inhaltlich und stilistisch auseinandergesetzt und interpretiert den Theatermonolog auf seine ganz eigene Weise.
ZUM INHALT
Hans flieht aus seiner Heimat Südtirol nach München, weil er Angst vor der italienischen Polizei hat. Sein Freund Bernhard war als Mitglied des separatistischen Befreiungsschuss Südtirols verhaftet worden. Davon hat Hans nichts gewusst. In München trifft er auf einen jungen Italiener, Aurelio, der zu seinem besten Freund wird. Während in Südtirol Strommasten fliegen und Hans dort zum Fahnenflüchtling wird, weil er seinen Militärdienst nicht antritt, werden der Südtiroler und der Italiener zu Verbündeten im Ausland. Drei Jahre später kehrt Aurelio nach Italien zurück und die Freunde schwören auf ein baldiges Wiedersehen. Doch Hans‘ Briefe an den Freund bleiben unbeantwortet, Aurelios Spur verliert sich in Mailand. Während Hans vergeblich versucht seinen Freund wiederzufinden, stößt er Jahre später in den politischen Relikten der Südtirolfrage auf Aurelios dunkles Geheimnis. Die Geschichte von Hans und Bernhard beruht auf einer wahren Begebenheit. Aus der Perspektive der Gegenwart schaut Hans auf sein Leben in den Sechzigern. Stück für Stück erinnert er sich an seine Flucht, an Bernhards Tod und an seine Freundschaft zu Aurelio.
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Während des zeitgeschichtlichen Abends kreiert Peter Mitterrutzner - unsichtbar für das Publikum - ein mit Kreiden gemaltes Portrait. Das Werk, das je nach Gemütszustand des Schauspielers variiert, wird im Anschluss an den Theaterabend versteigert. Den Erlös spendet Mitterrutzner, gemeinsam mit dem Stadttheater Bruneck, an die Südtiroler Krebshilfe. // jst
INFOBOX
Weitere Informationen zu den Aufführungsterminen, zur Reservierung und ganz allgemein zum Spielplan unter www.stadttheater.eu NB: Für den Theaterbesuch (um Reservierung wird gebeten!) geltenden die aktuellen Covid-19-Regeln, die „grüne Bescheinigung“, FFP-2 Maske, AHA-Regeln //
Peter Mitterrutzner spielt als Solokünstler „Aurelio“. Silbersalz
NACHGEFRAGT EIN WICHTIGES STÜCK ZEITGESCHICHTE LEBENDIG GEMACHT
PZ-Redakteurin Judith Steinmair hat die Autorin des Stücks, Barbara Plagg, bereits im Vorfeld der Premiere zum Interview gebeten.
PZ: Wissenschaftlerin, Autorin,
Frauenrechtlerin… eine vielseitige
Barbara Plagg, die wir kennen. Nun treten Sie auch als Dramatikerin in
Erscheinung, eine neue Herausforderung, die Sie schon immer auf dem Zettel hatten?
Barbara Plagg: Ich hatte für mein Leben ehrlicherweise noch nie einen durchdachten Plan und eigentlich nichts von alledem - Wissenschaft, Frauenrecht und Autorin - auf dem Zettel. Gesellschaftliche Notwendigkeiten, richtungsweisende Begegnungen und der pure Zufall haben mich zu diesen Themen gebracht, geplant war das nicht. Allerdings habe ich schon immer gern Theater gespielt und bevor ich mich den Naturwissenschaften zugewandt habe, tatsächlich erstmal schnell noch einen Bachelor in Literaturwissenschaften an der Uni Padua abgeschlossen. Ich habe Literatur dann auch nicht komplett mit Laborarbeit ausgetauscht, sondern weiterhin Pinter und Austen gelesen, während ich Zellen inkubiert habe und ich habe zum Ausgleich Prosa geschrieben, wenn ich bei wissenschaftlichen Artikeln einen Hänger hatte. Die Literatur und das Theater sind mir also in diesem Sinne nicht ein vollständig neues Pflaster.
„Mein Freund Aurelio“ basiert auf einer wahren Geschichte, die Sie zunächst als Theatermonolog umgesetzt haben, der sich dann im Zuge der Proben weiterentwickelt und verändert hat – das Ergebnis ist also quasi eine Gemeinschaftsarbeit zwischen Ihnen als Autorin und Peter Mitterrutzner als Schauspieler?
Das eine ist meine Textfassung, das andere ist das, was Peter Mitterrutzner daraus macht: Er hat sich den Text „mundgerecht“, wie er es nennt, aufbereitet und als Schauspieler mit dem Monolog gearbeitet. Gerade bei so langen Theatermonologen ist eine Auseinandersetzung des Schauspielers mit dem Text essentiell. In meiner Textversion kommt beispielsweise auch Hans’ Tochter Elisabeth als Protagonistin vor, in der Bühnenversion steht Peter Mitterrutzner alleine auf
Die Autorin des Stücks, Barbara Plagg.
den Brettern. Ich bin also als Autorin mindestens ebenso gespannt auf die Premiere wie das restliche Publikum. :-)
Das Stück spielt in einer für Südtirol sehr schwierigen Zeit, den Sechzigern und sogenannten Bombenjahren, eine Zeit, die Sie ja nicht unmittelbar erlebt haben, trotzdem – oder gerade deshalb – eine für Sie spannende Aufarbeitung?
In meiner Arbeit am Klinikum München in der Gedächtnissprechstunde habe ich jahrelang mit Alzheimer-Patientinnen und Patienten gearbeitet, bei denen die länger zurückliegende Vergangenheit (zumindest in der ersten Krankheitsphase) gut konserviert war und ich habe bemerkenswerte Gespräche mit der letzten Generation, die den Krieg und die Nachkriegszeit bewusst erlebt hatte, geführt. Für mich haben diese ausufernden „Anamnesegespräche“ über die Vergangenheit viel deutsche Gegenwart erklärt und das gleiche gilt für „Aurelio“: Ich habe die Sechziger nicht erlebt, aber gerade so eine spezielle Region wie Südtirol kann man nur aus dem historischen Kontext, aus dem sie gewachsen ist, verstehen. Der Blick zurück hat immer auch viel mit einem Begreifen der Gegenwart zu tun.
Und nun, Blut geleckt? Dürfen wir künftig auf weitere Theaterstücke aus Ihrer Feder gespannt sein?
Ich habe bereits letztes Jahr nach dem Mord an Barbara Rauch aus einer großen Wut und Ohnmacht heraus ein Stück geschrieben. Im Stück „Eva - Eine Anklage“ wird in einer Kleinstadt eine Frau von einem Mann ermordet. „Eva“, das Mordopfer, fügt sich nahtlos in die Femizid-Statistik Italiens ein, wo jeden dritten Tag eine Frau durch die Hand eines Mannes sterben muss. Der Täter sitzt bereits in Haft, dennoch kommt zur Überraschung der Bewohner*innen ein Inspektor — trotz aller Tragik übrigens eine sarkastische und schlagfertige Figur — in die Stadt und ermittelt. Sukzessive deckt dieser Inspektor bis zu einem fulminanten Ende auf, welche Rolle einzelne Personen und Institutionen dem Mord an Eva den Boden bereitet haben. Das Stadttheater Bruneck ist bereits am Planen für die Umsetzung. Besonders freut mich, dass ein deutscher Verlag Interesse bekundet hat, die „Eva“ zu verlegen. Für mich ist das ein ganz wichtiges Stück, das ich lieber nie geschrieben hätte und von dem ich hoffe, dass es eines Tages nicht mehr aufgeführt werden muss. Das Stück ist in Gedenken an Barbara geschrieben worden und ihrer Schwester Anna Rauch gewidmet. Ob es weitere Stücke aus meiner Feder gibt, hängt davon ab, ob ich wieder in schlaflosen Nächten ein Thema verarbeiten muss. Ich hoffe also eigentlich nicht... //