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MENSCHEN IM PORTRAIT
MATTHIAS ENGL „Fleisch ist mein Hobby“
Inklusion ist ein großes Wort. An der Landeshotelfachschule Bruneck wird Inklusion gelebt. Zehn Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung besuchen die Schule und bereichern sie mit ihrem Sein. Maturant Matthias Engl ist einer von ihnen. Mit vier Mitschüler*innen hat er ein besonderes Projekt auf die Beine gestellt. Die fünf Mitglieder der Eventmanagementgruppe haben geschnippelt, gebrutzelt und gekocht und mit „Meina Köchrezepte” ein auf die Bedürfnisse für Menschen mit Behinderung zugeschnittenes Kochbuch herausgegeben.
Matthias Engl und sein Klassenkamerad und Freund Fabian Plaikner sitzen im Speisesaal der Landeshotelfachschule. Die beiden sind seit der Mittelschule ein unschlagbares Team, wie Katrin Erlacher erzählt. Die Mitarbeiterin für Integration weiß, wie schwierig für Jugendliche mit Behinderung die Schulwahl nach der Mittelschule mitunter sein kann. Als sie mit Matthias die Landeshotelfachschule angeschaut hat, meinte er gleich: „Hier will ich bleiben.“
Warum hast du dich für die Landeshotelfachschule entschieden?
Matthias: Hier gibt es meine Lieblingsfächer. Italienisch, Französisch, Englisch. Und ich rede gerne Teldrarisch und das mache ich hier auch. Ich bin so gerne hier.
Fabian, was gefällt dir an der Schule?
Sport. Geschichte weniger, weil der Erste Weltkrieg gefällt mir nicht. RWK, das ist Rechtswirtschaftskunde, ist gut. Da ist einfach ein netter Lehrer. Das ist das Oachale fan Toule.
Matthias, mit einer Gruppe von Mitschülerinnen und Mitschülern hast du ein tolles Projekt auf die Beine gestellt. Kochst du gerne?
Matthias Engl, Jahrgang 2001, wächst die ersten Lebensjahre in Kasern auf und zieht dann mit seiner Familie nach Pfalzen. In seiner Freizeit fährt er gerne mit seinem Fahrrad, hört Musik, spielt Ziehharmonika und mag „Schuichplattl“. Matthias ist gerne unterwegs – mit Freunden, auf einer Party oder auf Reisen. Mit seinem sonnigen Gemüt schafft er es, den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Unter meinakoechrezepte@gmail.com kann die Rezeptsammlung als PDF-Datei kostenfrei bestellt werden. //
Ich arbeite mit meiner Gruppe und koche meine Lieblingsgerichte, die mir schmecken. Schnitzel mit Pommes und Röstkartoffeln.
Bei der Powerpointpräsentation im
Rahmen der Maturaprüfung wirst du aber ein anderes Rezept vorstellen?
Ja, genau. Reisfleisch, das mag ich sehr gerne. Und dazu Salat und Tomaten, das muss sein. Fleisch ist mein Hobby. Das esse ich für mein Leben gern.
Und Süßes auch?
Seit dem 12. Februar, Fabians Geburtstag, muss ich da aufpassen. Da musste ich in die Pädiatrie nach Bozen. Da ist herausgekommen, dass ich Diabetes habe. Da musste ich lange im Krankenhaus bleiben. Den Fabian habe ich umarmt, als ich ihn wieder gesehen habe.
Matthias hat Diabetes und Zöliakie. Um auf seine besonderen Bedürfnisse einzugehen, haben seine Mitschüler*innen sämtliche Rezepte der Kochsammlung glutenfrei erstellt und statt Zucker Birkenzucker verwendet. Das Buch ist Matthias Idee. Die Illustrationen hat seine Schwester Sandra gestaltet. Und für das Projekt haben die zehn Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigung ihre jeweiligen Lieblingsrezepte beigesteuert.
Fabian, was isst du gerne?
Wiener Schnitzel zum Beispiel und Pizza. Und Tartar mag ich auch, aber das ist im Kochbuch nicht drinnen. Die Kochrezepte sind Matthias Projekt. Ich habe mit ei-
Rezepte erstellen, einkaufen, kochen, fotografieren: Das Kochbuch hat viel Arbeit und Spaß gemacht. „Wir haben von morgens bis abends gelacht“, sagt Mara Pramstaller (r.).
ner Gruppe einen Plan mit Lieblingsorten in und um Bruneck erstellt.
Was ist denn dein Lieblingsort?
Die Beach in St. Georgen (lacht).
Wie ist das für euch, mit anderen Mitschülern ein Projekt zu machen?
Bärig, mit den anderen zu arbeiten in der Klasse. Sie helfen uns viel.
Matthias: Meine Gruppe ist zu mir heimgekommen. Nach der Begrüßung haben wir gleich angefangen zu kochen. Zwei haben den Tisch hergerichtet und die Tischdecke auf den Tisch gelegt. Wir haben mit dem ersten Gericht angefangen, das war Reisfleisch. Da haben wir Olivenöl in die Pfanne gegeben zum Fleisch, mit Wasser aufgegossen und verrührt. Und dann Tomatenmark dazugegeben und Reis hinein und dann zum Schluss gegessen. Das hat gut geschmeckt. Bei Mara haben wir auch gekocht. Mara: Für uns ist vieles logisch, aber für Menschen mit Behinderung nicht. Damit sie die Rezepte einfacher nachkochen können, haben wir die Mengen mit Joghurtbechern und Löffeln gemessen, weil wir gesehen haben, dass das für Matthias leichter ist. Wir mussten die Rezepte dann dementsprechend umwandeln. Beim Kochen haben wir von morgens bis abends nur gelacht. Es war schön.
Mara Pramstaller und Annalena Hofer sind zwei der Schülerinnen, die das Projekt mit Matthias auf die Beine gestellt haben. Sie sind zum Interview dazugekommen. Während sie von ihren Erfahrungen erzählen, wuseln ein paar Schüler*innen mit Beeinträchtigung im Speisesaal im Hintergrund herum. Sie sind gerade dabei, einen Tisch zu decken. Die Arbeit am Kochbuch war eine Bereicherung, sagen beide.
Wie ist es für euch, mit
Matthias und Fabian die Schulbank zu drücken?
Annalena: Ich kenne es nicht mehr anders. Es würde etwas fehlen, wenn wir sie nicht in der Klasse hätten. Man hat Spaß mit ihnen und braucht sie und kann sie nicht mehr wegdenken. Sie sind viel gelassener und regen sich nicht gleich auf. Sie lockern uns auf.
Lieblingsrezepte mal zehn: Im Kochbuch verraten Julie, Jan, Andreas, Nicolas, Anna Maria, Felix, Luis, Thomas, Matthias und FaZehn Schüler*innen mit Bebian, was sie am liebsten essen. einträchtigung in einer Schule – das ist viel. werden herzlich aufgenommen. Das ist vor Warum besuchen sie so gerne die Landesho- allem der Direktorin Marlene Kranebitter zu telfachschule? „Sie lernen fürs Leben und verdanken, die ein positives Umfeld für sie geschaffen hat”, sagt Katrin Erlacher. Normalerweise dürfen die Jugendlichen nur bis zum Abschluss der 4. Klasse in der Schule bleiben. Bei Matthias und Fabian wurde heuer aufgrund von Covid-19 eine Ausnahme gemacht. Marlene Kranebitter setzt sich sehr dafür ein, dass auch in Zukunft das 5. Schuljahr garantiert wird.
Fabian und Matthias wissen schon, was sie nach der Matura machen werden. „Ich verlasse die Schule als Kellner“, sagt Fabian. Er hat eine Stelle im Sporthotel Winkler in Stefansdorf angeboten bekommen und weiß, worauf es bei einem Kellner ankommt. „Freundlichkeit.“ Matthias bleibt der Landeshotelfachschule Bruneck noch länger erhalten. Er wird ab Herbst Post austragen, bei der Wäsche helfen und Kaffee kochen. „Ich freue mich schon“, sagt er.