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Bruneck: Klingende Zeiten

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Kinderrätselspaß

Kinderrätselspaß

BRUNECK Klingende Zeilen

Wenn sich StringART, das Kammerorchester des Collegium Musicum Bruneck, und die Texte der Autorinnen und Autoren des therapeutischen Workshops „Verrückte Zellen” miteinander verbinden, ist Leben im Raum. Unter der Leitung von Erich Feichter wird an zwei Terminen im Brunecker Ragenhaus die gesamte Klaviatur der Gefühle, die eine schwere Diagnose mit sich bringen kann, auf die Bühne gebracht. Ein Projekt, das die Kraft, die in jedem von uns steckt, zum Klingen bringt.

Sprachlos, gefühllos, geklemmt von alten Mustern, unfähig zu spüren. Getaucht in tiefe Schmerzen der alten Narben, wund sein und so leer. Mutig werden, frei, alte Lasten ablegen zu Neuem hin.

Diese Zeilen hat „L“ geschrieben. Sie sind ein Beispiel für die Texte, die in der therapeutischen Schreibwerkstatt entstehen. Texte, die Gefühle beschreiben. Texte, die zum Nachdenken anregen. Texte, die Mut machen. Und nun bringt ein gemeinsames Projekt Zeilen wie diese zum Klingen. Es ist eine Zusammenarbeit der besonderen Art. Schon lange hatten Psychoonkologe Anton Huber, der die Schreibwerkstatt zusammen mit Kommunikationsexpertin Michaela Falkensteiner leitet, und Musiker Erich Feichter die Idee, einmal gemeinsame Sa-

Stimmgewaltig: Marion Feichter Julia Wesely

che zu machen. „Er hat mir ein paar Texte geschickt, aber ich habe gemerkt, dass ich das von den Autoren selbst hören möchte. Da erst habe ich verstanden, wie sehr man Gelesenes unterschiedlich interpretieren kann”, sagt Feichter. Diese Erfahrung inspirierte ihn und führte zur grundsätzlichen Frage, „welche Musik mir dazu einfällt”. Abstrakt, zeitgenössisch, klassisch? Auf seiner Suche fand Feichter ganz unterschiedliche Zugänge. Das wird sich dann auch bei den zwei Konzerten widerspiegeln, die am 31. Oktober und 1. November 2022 im Ragenhaus in Bruneck stattfinden.

TEXTE OHNE GRENZEN

Mancher Text wird komplett vertont. Dann wieder wird ein Text zur Musik eingeblendet, von den Autorinnen und Autoren selbst gelesen oder von Marion Feichter live gesungen. Grenzen gibt es keine. Es klingt nach

Liebt Crossover: Erich Feichter Günther Gang

den Tönen der Samen, Norweger und Schweden, dann wird es poppig und klassisch. „Ich bin ein großer Fan des Crossover. Da kann ich mich gehen lassen”, sagt Feichter.

Sich hineintauchen – darum geht es auch in der therapeutischen Arbeit der Schreibwerkstatt „Verrückte Zellen“. 2006 gegründet gibt sie Krebspatient*innen und chronischen Schmerzpatient*innen einen Raum, in dem sie ihre Gedanken und Gefühle in Worte fassen. Es gibt keine strengen Vorgaben, wie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu ihren Texten kommen, die Herangehensweise ist genauso kreativ wie die Ergebnisse. „Wir assoziieren, arbeiten mit Wortbildern, Clustern, machen Kreativitätsübungen und nähern uns biografischem Schreiben”, erzählt Gruppenleiterin Michaela Falkensteiner. Manchmal gibt es einen Impuls, manchmal werden Thema und Methodik vorgegeben oder eine Tasche voller Gegenstände kommt auf einen Tisch, jeder pickt sich etwas heraus und schreibt darüber. Das kann ein Brief sein, ein Feuerzeug, ein Schlüsselanhänger. Mal wird die Frage in den Raum gestellt: Wann war ich extrem glücklich? Oder das provozierende Thema wie die eigene Grabrede zu schreiben. „Das ist natürlich ein Hammer”, sagt Anton Huber, „aber nur auf den ersten Blick. In der Arbeit wird dann klar, dass es dabei um die Frage geht, wie ich leben will und nicht um den Tod an sich.”

ABSTAND GEWINNEN

Über den kreativen Ansatz lernen die Teilnehmer nicht nur, ihre Gedanken zu Papier zu bringen (und die Resultate sind oft beeindruckend!), sondern auch „Abstand zu ihren Problemen zu bekommen, Kontrolle zu erhalten und zu erfahren, nicht alleine zu sein”.

StringART, das Kammerorchester des Collegium Musicum Bruneck, wird die Kompositionen von Erich Feichter spielen. Hannah Untereglsbacher

Besonders wichtig findet Huber, dass „nicht ständig um die Krankheit gekreist wird” und auch der schwarze Humor seinen Platz findet. „Der Austausch ist oft so intensiv.“ Die Krebshilfe unterstützt das Projekt von Anfang an. Paul Oberarzbacher, Präsident des Bezirks Unterpustertal, weiß, wie schwierig es manchmal ist, offen über eine Diagnose zu sprechen. „Die Schreibwerkstatt ist seit vielen Jahren ein wichtiger Bestandteil

Engagiert: Michaela Falkensteiner und Anton Huber leiten die Schreibwerkstatt. des Angebots für Betroffene. Viele drücken dabei aus, was sie bewegt, was ihnen gelingt, wovor sie Angst haben und entdecken Fähigkeiten, die sie sich nicht zugetraut hätten. Dass das Projekt jetzt auch als Teil einer musikalischen Komposition auf die Bühne gebracht wird, ist für die Betroffenen und uns eine große Freude.” StringART, das Kammerorchester des Collegium Musicum Bruneck, wird die Kompositionen von Erich Feichter spielen. Man darf gespannt sein, wie tiefgründige Gedanken in Musik übersetzt klingen. // vd

DIE TERMINE

Verrückte Zellen treffen StringART Texte der therapeutischen Schreibwerkstatt Musik: Erich Feichter Gesang: Marion Feichter Kammerorchester StringART 31. Oktober und 1. November, 20 Uhr Ragenhaus Bruneck Eintritt: 15 Euro (ermäßigt 10 Euro)

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