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Das Landestourismusentwicklungskonzept: Für und Wider im Grünen Tal

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DAS LANDESTOURISMUSENTWICKLUNGSKONZEPT Für und Wider im Grünen Tal

Wie soll die künftige Ausrichtung des Tourismus in Südtirol aussehen? Diese Frage beschäftigt Tourismusexperten, die Politik und nicht zuletzt auch die Bevölkerung seit geraumer Zeit. Freilich, der Tourismus ist hierzulande ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, aber Polemiken wie rund um das Schlagwort „Overtourism“ haben Diskussionsbedarf hinsichtlich der Grenzen des Tourismus aufgeworfen, die eine konkrete Zielsetzung und ein Zukunftsszenario auf den Plan rufen. Mit dem Landesentwicklungskonzept 2030+ will die Landesregierung nun die Weichen für eine neue Tourismuskultur stellen. Und erntet prompt massive Kritik, vor allem aus dem Pustertal.

Aber von vorne. Das Landesgesetz vom 10. Juli 2018, Nr. 9, „Raum und Landschaft“, sieht im Artikel 51, Absatz 5, Buchstabe g), die Ausarbeitung eines Landestourismusentwicklungskonzeptes vor, welches die Strategien zur Entwicklung des Tourismus beinhalten und als Grundlage für die Tourismusentwicklungskonzepte der Gemeinden dienen soll. Das Center for Advanced Studies von Eurac Research hat, federführend unter der wissenschaftlichen Projektleitung von Harald Pechlaner, in Zusammenarbeit mit IDM und anderen Forschungszentren die wissenschaftliche Grundlage für das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+ ausgearbeitet, unter anderem auf der Grundlage der in der Sitzung der Landesregierung vom 24. Februar 2021 vorgestellten Zielsetzungen und Leitlinien. Mit dem Untertitel „Ambition Lebensraum Südtirol“ zielt das Konzept auf eine nachhaltige und raumverträgliche Tourismusentwicklung ab. Tourismuslandesrat Arnold Schuler hatte den Entwurf in den beiden Sitzungen der Landesregierung am 7. und 14. Dezember vergangenen Jahres seinen Kolleg*innen vorgestellt, die anschließenden Diskussionen seien in den endgültigen Text des LTEK 2030+ eingeflossen. Am 27. Dezember hatte der Rat der Gemeinden sein entsprechendes Gutachten abgegeben, tags drauf wurde das LTEK 2030+ mit Beschluss Nr. 1154 von der Landesregierung genehmigt. So weit so gut. Doch jetzt rührt sich Protest, und der kommt vorrangig aus der Pustertaler Ecke.

OFFENER BRIEF

In einem offenen Brief an den Landeshauptmann, den Landesrat für Tourismus und ganz allgemein an die Landesregierung macht sich ein Großteil der Pustertaler Bürgermeister (25 von 26 Bürgermeister haben den Brief unterschrieben) ihrem Unmut in Bezug auf das Landestourismuskonzept Luft. Eine pauschale Regelung der Wirtschaft im Allgemeinen und des Tourismus im Besonderen sei abzulehnen, schreiben sie. Konkret werden vier Punkte angeführt, die laut Brief bereits im Genehmigungsverfahren vom Rat der Gemeinden als Bedingung für eine positive Begutachtung angeführt, jedoch im Beschluss nicht berücksichtigt worden seien.

Im Folgenden der Wortlaut genannter Punkte:

1. Autonomie der Gemeinden im Siedlungsraum

Den Gemeinden wurde von der Landesregierung im Zuge der Genehmigung des neuen Landesgesetzes für Raum und Landschaft in Aussicht gestellt, dass innerhalb der Siedlungsgrenzen die Gemeinden selbst entscheiden können, wie sich dieser Siedlungsraum entwickelt. Gerade in den historischen Ortskernen (meist A oder B Zonen) muss eine Gestaltung auch der touristischen Nutzung in allen Gemeinden möglich sein. Im Sinne der Subsidiarität macht eine landesweite Regelung, dass auch innerhalb der Siedlungsgrenzen keine neuen touristischen Betten entstehen dürfen, keinen Sinn und es muss den Gemeinden überlassen bleiben, wie sich das Gemeindegebiet auch in touristischer Hinsicht innerhalb der Siedlungsgrenze entwickelt! Den Gemeinden sollte dabei zugetraut werden hier ausgewogene Lösungen zu finden.

2. Entwicklungsmöglichkeiten für strukturschwache Gebiete

Es gibt in Südtirol und auch im Pustertal touristisch stark entwickelte aber auch viele schwach entwickelte Gebiete. Eine undifferenzierte Betrachtung des ganzen Landes wird von den Pustertaler Gemeinden abgelehnt. Deshalb muss beispielsweise in strukturschwachen Gemeinden aber auch schwächeren Fraktionen in ansonsten touristisch starken Gemeinden weiterhin eine touristische Entwicklung - auch durch neue Tourismuszonen - im Siedlungsraum oder daran angrenzend möglich sein! Dies ist mit dem bestehenden Konzept in keiner Weise erreicht und es besteht die Gefahr, dass gerade in diesen Gebieten die wenigen Tourismusbetriebe unter diesen Voraussetzungen schließen werden.

3. Entwicklungsmöglichkeiten für Kleinbetriebe

Es gibt in allen Gemeinden des Pustertales Tourismusbetriebe, die für die Aufrechterhaltung der Kleinstrukturiertheit unserer Wirtschaft und für die Versorgungsfunktion der lokalen Bevölkerung eine unerlässliche Stütze sind. Für diese Betriebe ist für das wirtschaftliche Überleben und gerade bei einem Generationswechsel eine moderate Entwicklungsmöglichkeit unerlässlich. Deshalb sollen bestehende Klein- und Mittelbetriebe auch in Zukunft erweitert werden können. Auch soll Urlaub auf dem Bauernhof unter den bisher geltenden Regelungen weiterhin ohne neue Einschränkungen zum Überleben der Berglandwirtschaft möglich sein!

4. Funktionierende Übergangslösung bis zum Gemeindeplan für Raum und Landschaft

Das Landesgesetz für Raum und Landschaft und seine Durchführungsbestimmungen sind immer noch eine politische und technische Baustelle. Die Erstellung der Gemeindeentwicklungskonzepte und in der Folge der Gemeindepläne für Raum und Landschaft ist eine komplexe, planerische und politische Aufgabe. In den meisten Gemeinden wird dieser Prozess mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bis dahin braucht es auch für den Tourismus funktionierende Übergangsbestimmungen.

Im Genehmigungsprozess des Tourismuskonzeptes wurden die Anliegen und Bedenken der Gemeinden und der Bevölkerung bisher zu wenig berücksichtigt und auch die gesamtgesellschaftliche Diskussion nicht geführt. Gerade aufgrund der Coronapandemie und der insgesamt sehr unsicheren wirtschaftlichen Entwicklung – auch im Tourismus – stellt sich auch grundsätzlich die Frage ob gerade jetzt solche drastischen Maßnahmen notwendig sind. Die Forderung der Briefverfasser: Die Landesregierung möge die angeführten Argumente/Punkte berücksichtigen und folglich das Tourismuskonzept nochmals grundsätzlich überdenken. Ob und in welcher Form Änderungen erfolgen werden, ist noch offen. Auf alle Fälle hat der Brief Wellen geschlagen, und Landesrat Arnold Schuler hat in einer ersten Reaktion entsprechende Gesprächsbereitschaft signalisiert. Doch es gibt auch Zuspruch für die Bestrebung des Landes, die touristische Entwicklung nachdrücklich zu steuern und zu zügeln, wie etwa vom Heimatpflegeverband und vom Dachverband für Natur und Umweltschutz, die ihrerseits den Gegenwind der Pustertaler Bürgermeister so gar nicht gutheißen können. Die PZ hat bei den Akteuren rund um den offenen Brief und bei den bisher zum Thema stellungsbeziehenden Verbänden nachgefrag.

ROBERT ALEXANDER STEGER:

Präsident Bezirksgemeinschaft Pustertal und Bürgermeister von Prettau

PZ: Stellvertretend für Ihre unterzeichnenden Kollegen, was ist zusammenfassend Ihre Kritik in Bezug auf das

Landestourismuskonzept?

Robert A. Steger: Das aktuell vorliegende Landestourismuskonzept sieht einen Bettenstopp nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf Gemeinde- und Betriebsebene vor. Laut dieser Auslegung wird es in Südtirol also keine neuen Tourismusbetriebe mehr geben, ohne Differenzierung, ob es sich um ein touristisch stark entwickeltes oder schwach entwickeltes Gebiet/ Dorf handelt. Es kann nicht der richtige Weg sein, dass wir uns a priori alle Möglichkeiten einer künftigen Entwicklung - nicht nur im Sinne des Tourismus, sondern auch zum Wohle und für die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung - durch allgemeine Verbote verbauen. Wir sind uns grundsätzlich ja alle einig darüber, dass wir keine neue Bettenhochburgen brauchen und erachten eine Bettenobergrenze auf Landesebene als durchaus sinnvoll, gleichzeitig brauchen wir aber auch Spielräume und das Anerkennen von individuellen Situationen. Gerade auch in Bezug auf Klein- und Mittelbetriebe, die ja eigentlich das Rückgrat unseres Tourismus sind, sind wir uns im Rat der Gemeinden einig, dass es eine moderate Entwicklungsmöglichkeit geben sollte. Das Schlagwort „Overtourism“ hat einfach eine Art Panikreaktion hervorgerufen, aber aus unserer Sicht handelt es sich hierbei lediglich um ein Steuerungsproblem, wie man am Beispiel Pragser Wildsee sehen kann. Dort hat die Landesfilmförderung viel Geld in die Fernsehserie „Un passo dal cielo“ investiert, und so eine Bewerbung führt dann zu Verzerrungen. Wobei das Problem im Grunde nicht selbstverschuldet ist, denn in Prags gibt es beileibe nicht zu viel Betten, im Gegenteil, viele Betriebe kämpfen ums Überleben … Was übrigens ganz allgemein in diesen schweren Zeiten der Pandemie auch für andere gilt, wir müssen erst einmal sehen, wie viele Betriebe das überstehen werden. Also bitte, in punkto Entwicklungsmöglichkeiten nicht alles über einen Kamm scheren und die eigentlich angekündigte Autonomie der Gemeinden im Siedlungsraum nicht beschneiden, sondern ihnen diesbezüglich eine sinnvolle Entscheidungsfreiheit überlassen. Und was das Landesgesetz für Raum und Landschaft betrifft und die Erstellung der Gemeindetourismuskonzepte benötigen wir entsprechende Durchführungsbestimmungen, Klärungen und grundlegende Diskussionen. Wie bitte sollen wir aufgrund dieses derzeitig vorliegenden Landestourismuskonzepts eine Gemeindetourismuskonzept erstellen? Wir können diesbezüglich ja eigentlich nur mehr von einem Tourismusrückentwicklungskonzept, Reduzierungskonzept oder Umverteilungskonzept sprechen…

Konnten Sie Ihre Bedenken/Anregungen nicht frühzeitig einbringen?

Der Vorwurf, dass wir mit unserem offenen Brief spät reagieren, können wir so nicht im Raum stehen lassen. Das Konzept in der vorliegenden Form haben die Bürgermeister*innen erst in einer Videokonferenz vor drei Wochen gesehen. Wenn Landesrat Arnold Schuler sagt, er habe im Februar 2021 das Konzept dem Rat der Gemeinden vorgestellt, so entspricht das nicht den Tatsachen. Vorgestellt wurden damals lediglich Leitlinien, es war von einem Bettenstopp auf Landesebene die Rede, diese aktuelle Undifferenziertheit war in keinster Weise vorgesehen. Das momentane Konzept wurde dem Rat der Gemeinden – bei dem ja nicht alle 116 Südtiroler Bürgermeister*innen anwesend sind - dann erst wenige Tage vor dem Beschluss der Landesregierung vorgelegt. Das Gutachten des Rats der Gemeinden war zwar positiv, das stimmt, allerdings gekoppelt an eine Liste an Auflagen/Anmerkungen, die zu berücksichtigen wären. Allgemein lässt sich also sicherlich sagen, dass die Zeit zwischen der Vorlage des Konzepts und dem Beschluss einfach zu knapp bemessen war.

Kritik kommt in erster Linie aus der Ecke Pustertal? Wie ist das zu erklären?

Das stimmt so nicht. Mir liegt beispielsweise ein Positionspapier der SVP/Bezirk Vinschgau vor, in welchem sie sich für die gleichen Anliegen aussprechen. Und andere Bürgermeisterkolleg*innen sprechen halt unmittelbar mit dem Landesrat, ohne es öffentlich zu machen. Fakt ist, dass sich landesweit die Stimmung unter den Kolleg*innen mit unserer Auffassung deckt. Als touristisch vielleicht wichtigster Bezirk können wir getrost eine Vorreiterrolle einnehmen und auch für die schwächeren Tourismusgebiete eine Lanze brechen im Sinne der Feststellung, dass nicht das ganze Land touristisch hoch entwickelt ist und Neuerungen nirgends mehr notwendig sind. Zugegeben, vielleicht sind wir Pusterer in diesem Fall die lautesten, aber man muss halt auch laut schreien, da wir von Bozen ja so weit weg sind…

Zuversichtlich, dass Sie das Ruder entsprechend Ihren Forderungen noch rumreißen können?

Durchaus. Nächste Woche ist ein Treffen mit Landesrat Arnold Schuler anberaumt, im Rahmen dessen wir schauen, ob wir Möglichkeit und Lösungen für unsere vorgebrachten Punkte finden. Das Konzept hat ja so gesehen keine Rechtswirksamkeit, schlussendlich entscheidet natürlich die Landesregierung beziehungsweise der Landtag, aber wir als Gemeinden müssen dann für die Umsetzung sorgen. Wichtig ist also, dass wir alle an einem Strang ziehen, dass das Land bei solchen Entscheidungen die Gemeinden und somit auch die Bevölkerung miteinbezieht, und dass auch die Kommunikation passt. >>

PZ: Es hat Kritik gehagelt am Landestourismuskonzept von den Pustertaler

Gemeinden – überrascht?

Arnold Schuler: Ich bin schon sehr verwundert, vor allem über den Zeitpunkt dieser Kritik. Die Leitlinien zum Konzept hatten wir bereits vor einem Jahr beschlossen und in einer Pressekonferenz öffentlich vorgestellt. Ich hatte den Rat der Gemeinden, also die Vertretung der Bürgermeister, damals vor dem Beschluss der Landesregierung informiert. Das war am 19. Februar 2021. Folglich wurde im letzten Jahr eine Vertretung der Bürgermeister und Bürgermeisterinnen immer wieder in den Prozess eingebunden.

Wurden die Argumente und Einwürfe des Rats der Gemeinden überhört?

In den Stellungnahmen zum Entwurf vom Dezember ging es vor allem um die Entwicklungsmöglichkeiten von Kleinbetrieben. Diese Forderung kommt pauschal einer Aufstockung von bis zu 50.000 Betten gleich. Das ist in diesem Ausmaß keinesfalls möglich. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass man in einer ersten Anwendung der Leitlinien den Gemeinden entsprechend Betten für diese Betriebe zuweist, die in den nächsten Jahren mit den frei werdenden Betten ausgeglichen werden müssen. Dies, damit eine Entwicklung der kleinen Betriebe in naher Zukunft gegeben ist.

In einer ersten Reaktion auf den offenen Brief aus dem Pustertal haben

Sie Gesprächsbereitschaft signalisiert und betont, dass es sich um ein Konzept handle und dass es Spielräume bei der Umsetzung gäbe – was bedeutet das jetzt konkret?

Das Landestourismusentwicklungskonzept ist seit Ende Dezember genehmigt. Nun geht es darum, die gesetzlichen Anpassungen vorzunehmen. Wir feilen derzeit an den Änderungen der Gesetze und Verordnungen, die voraussichtlich im April oder Mai im Landtag zur Behandlung kommen. Dabei besteht nach wie vor die Möglichkeit sich in der Umsetzung des Konzeptes einzubringen, um gemeinsam den Tourismus unseres Landes in eine gute Zukunft zu führen und vor allem der nächsten Generation eine gute Perspektive zu bieten unter dem Motto des Tourismusentwicklungskonzeptes: „Ambition Lebensraum Südtirol – auf dem Weg zu einer neuen Tourismuskultur“.

JUDITH RAINER SCHWIENBACHER: Obfrau HGV-Bezirk Pustertal/Gadertal

PZ: Fast alle Pustertaler Bürgermeister haben in einem offenen Brief einige Punkte des im Dezember genehmigten Tourismuslandeskonzepts heftig kritisiert – wie steht der HGV Bezirk

Pustertal dazu?

Judith Rainer Schwienbacher: Ich möchte vorausschicken, dass das Landestourismusentwicklungskonzept inhaltlich eine fundierte und brauchbare Studie für die zukünftige Tourismusentwicklung in unserem Land ist. Im HGV sind wir der Meinung und haben dies bereits vor Monaten deponiert, dass es sehr wohl einiger Maßnahmen bedarf, um die Entwicklung des Tourismus zu lenken. Ganz klar haben wir uns z.B. gegen neue Hotels auf der sog. Grünen Wiese ausgesprochen. Immer aber haben wir darauf gepocht, den bestehenden Klein- und Mittelbetrieben die nötige Entwicklungsmöglichkeit zu garantieren. Schließlich brauchen unsere Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer eine Entfaltungsperspektive. Weiters sind wir überzeugt, dass Investitionen in die Qualität weiterhin erlaubt werden müssen. Genau bei der Qualität können wir uns nämlich von unseren Konkurrenz-Regionen abheben. Es sollte verhindert werden, dass Südtirols Gastbetriebe allmählich veralten und somit bei den Gästen unattraktiv werden, unabhängig davon, ob sie sich in strukturschwachen oder stark entwickelten Gemeinden befinden.

Was sind Ihre Befürchtungen in Bezug auf die Umsetzung des LTEK 2030+?

Die Diskussion konzentriert sich momentan auf den Stopp von weiteren Betten. Sie sollte aber keinesfalls hier enden. Es geht im LTEK um viel mehr; es geht zum Beispiel um Ortskernentwicklung, um Hotspotmanagement, um leistbaren Lebensraum für die Einheimischen, um Zweitwohnungstourismus, um Mitarbeiterunterkünfte, um Tagestourismus. All dies kann man gemeinsam mit einer ehrlichen Sorge um unsere Natur unter dem Begriff Nachhaltigkeit zusammenfassen. Bettenstopp ist nicht das Zauberwort zur Lösung all dieser Problematiken. Hier bedarf es einer tiefgründigeren Lösungssuche und -findung. Das Wort sagt es ja bereits: Es geht um TourismusENTWICKLUNG.

Stichwort „Bettenstopp“ – Ist das der tatsächliche Stein des Anstoßes?

Die in den Medien zugespitzte Diskussion auf Bettenstopp, Grenzen erreicht, Einschränkungen im gewerblichen Bereich, keine oder kaum welche Beschränkungen im nichtgewerblichen Bereich haben bei unseren Mitgliedern letzthin für enormen Unmut und Unverständnis gesorgt. Schließlich gehen wir als meistgeschädigte Branche aus zwei Jahren Pandemie heraus. Ich ersuche um Verständnis für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereits besorgt und alarmiert waren und sich nun durch die Debatte über „Bettenstopp“ einer noch größeren Unsicherheit für die Zukunft gegenüber sehen. Von unseren Betriebsnachfolgerinnen und Betriebsnachfolgern ganz zu schweigen. Wie sollen diese in unsere Betriebe einsteigen, wenn sie nur beschränkte oder vielleicht auch keine Entwicklungschancen mehr haben. Außerdem sollte schon Gleichbehandlung für alle touristischen Anbieter gelten.

In den vergangenen Jahren haben sich auch verstärkt sanfte Tourismusformen im Pustertal herausgebildet. Da gilt es verstärkt anzusetzen. wisthaler

ALBERT WILLEIT: Obmann Heimatpflegeverband Pustertal

PZ: Unlängst hat es in Form eines offenen Briefs der Pustertaler Bürgermeister an die Landesregierung Kritik am

Landestourismusentwicklungskonzept 2030+ gegeben – aus Ihren Reihen kam hingegen zunächst einmal Lob für den voraussichtlichen Weg…

Albert Willeit: Grundsätzlich sind wir mit der restriktiveren Ausrichtung des LTEK einverstanden, auch weil wir immer wieder korrigierende Maßnahmen zum Massentourismus und zum ausufernden Hotelbauboom gefordert hatten. Allerdings hängt es nun sehr von den Durchführungsbestimmungen ab, ob man eine wesentliche Verbesserung der heutigen Situation tatsächlich will oder ob das LTEK durch die Einflussnahme von zu vielen Privatinteressen gänzlich verwässert wird.

Die Geister scheiden sich einmal mehr in Bezug auf das Thema „Bettenobergrenze“ – wie sehen Sie die diesbezügliche Diskussion?

Das LTEK sieht zwar eine Bettenobergrenze vor, bereits genehmigte Projekte können aber trotzdem realisiert werden, was viele Tausende weiterer Betten möglich macht. Außerdem gilt der Bettenstopp beim Urlaub am Bauernhof nicht, was nicht schlüssig ist. Zudem können bei Betriebsauflösungen, die relativ häufig sind, frei werdende Betten anderen Betrieben und strukturschwachen Gebieten zugewiesen werden. Das LTEK sieht also flexible Grenzen vor und ist somit von einem sinnvollen „Bettenstopp“ doch weiter entfernt.

In einer gemeinsamen Presseaussendung des Dachverbands für Natur- und

Umweltschutz und des Heimatpflegeverbands Südtirol wird den Bürgermeistern des Pustertals vorgeworfen, den Ernst der Lage zu verkennen – inwiefern?

Manche Bürgermeister und andere Kritiker des LTEK verkennen offensichtlich die Notwendigkeit, die touristische Entwicklung jetzt nachdrücklich zu steuern und ernsthaft zu zügeln. Eine Eindämmung des immer Mehr ist im Hinblick auf den Erhalt der Landschaft und der Natur, auf das Klima und die wahrhaftige Nachhaltigkeit, auf die Lebensqualität der Südtirolerinnen sowie Südtiroler und nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte ein Gebot der Zukunft. Wir alle sehen, dass die Folgen des zunehmenden touristischen Individualverkehrs Staus sind, denen man irrigerweise mit landschaftsfressenden Straßenausbauten begegnen will, welche aber noch mehr Verkehr anziehen. Stattdessen soll die Anreise der Gäste mittels öffentlicher Verkehrsmittel stärker gefördert werden.

Gibt es Ihrer Meinung nach noch offene wichtige Baustellen beim Landestourismusentwicklungskonzept? Welche?

Dringend notwendig ist ein radikales Einschreiten zur Eindämmung von Airbnb und von Zweitwohnungen, besonders in den Tourismushochburgen. Diese Zehntausende Betten sind noch gar nicht mitgezählt und diese bringen kaum Wertschöpfung. Im Gegenteil, diese fördern massiv die Bauspekulation und den Bau von oft leeren Geisterbauten für Touristen und verhindern damit bezahlbaren Wohnraum für die einheimische Bevölkerung und das Fortbestehen von kleinen Gastbetrieben, welche gerade für lebenswerte und belebte Orte äußerst wichtig sind. Zudem muss Südtirols Tourismus endlich klimagerecht und ressourcenschonend gestaltet werden, da er laut EURAC-Studie für ca. 18 Prozent der CO-2-Emissionen ver-

PZ Nr. 25 vom 20.12.2021 Diese Tonlage zu Weihnachten aus dem Munde eines Stadt-Theater Direktors war nicht wunschzettel-reif! Trotzdem ist es interessant, die „Christkindlwünsche“ von Personen aus dem öffentlichen Leben kennen zu lernen. Einer sicher nicht geringen Zahl von Bürgern hier bei uns „ein bisschen Hirn“ zu wünschen und diese in die Ecke von „Schwurbler, Reichsbürger und No-Vax-Fanatikern“ zu drängen, ist nicht hilfreich! Dass ein allzeit geachteter und geschätzter Stadttheaterdirektor Gedanken zum Corona-Thema mit dieser Schärfe formuliert, ist ungewöhnlich. Verbale Heißsporne, nein danke! Ich möchte an Objektivität und Fairness im Umgang miteinander appellieren: Es gibt eine unübersehbare Gruppe von Ärzten, Wissenschaftlern, Professoren verschiedenster Universitäten und Fachrichtungen. Sie sind unisono im Besitz von evidenzbasierten empirischen Studien. Sie zu ignorieren hat Konflikte erzeugt und führt zur Spaltung der Gesellschaft, wie wir es seit 25 Monaten erleben. Grundsätzlich soll die Devise gelten, miteinander zu sprechen und nicht übereinander! Jeder Konflikt ist diskussionswürdig nach dem juristischen Grundsatz: AUDITUR ET ALTERA PARS! Kognitive Intelligenz ist willkommen, Diffamierung Andersdenkender ist unerwünscht! Stimmen von Dr. Bonelli, Reitschuster, Dr. Ganser, Prof. Dr. Maaz, Dr. Wodarg, Prof. Dr. Bhagdi, Kaiser, Prof. Dr. Schubert, um nur einige zu nennen, sind inhaltlich sehr deutlich, aber gemäßigt. Eine mediale Inflation mit „Gänsbacher“- Beiträgen ist nicht studienrelevant! Gerade einem Theater-Direktor ist die Kraft der Sprache bekannt. Das wissen schon Hip-HopKünstler wie Amewu: „Wörter haben Macht“. Also, behutsam damit umgehen!

Dr. Gebhardt Jahns · St. Lorenzen

Tschurtschenthalerpark-Platz: ein angemessenes Projekt?

Der Tschurtschenthalerpark fristet schon lange Zeit ein eher bedauernswertes Dasein, vom einstigen Grün kaum noch etwas übrig, sporadisch für Feste u. ä. genutzt, ansonsten staubig, grau und, wenn man nicht achtgibt, sehr schnell einmal in einen „informellen“ Parkplatz umfunktioniert. Dass eine Neugestaltung notwendig ist, steht außer Zweifel. Dass dazu speziell bei den Vereinen verschiedene Anregungen und Erfordernisse zur künftigen Nutzung erhoben wurden und ein Ideenwettbewerb durchgeführt wurde, haben wir selbstverständlich unterstützt. Inzwischen sind einige Jahre vergangen, es gab nie Geld, hieß es, nun scheint es Geld zu geben, aus staatlichen Mitteln, und was am Ende herausgekommen ist, sieht wieder einmal sehr nach einer “Brunecker Lösung” aus. Unsere Stadt weist ja durchaus viele Vorzüge auf, aber mit Bescheidenheit und Augenmaß tut man sich zuweilen schwer hier. So soll jetzt aus dem Ex-Park ein Platz werden mit allerhand Infrastruktur, Kostenpunkt über vier Millionen. Es fragt sich, ob der Aufwand angemessen ist. Der Eindruck ist eher, dass man mit der Dimensionierung großzügig war, weil man staatliche Mittel in Aussicht hat, jedenfalls ist das Projekt seit dem Ideenwettbewerb ordentlich gewachsen. Bei öffentlichem Geld sollte man sich aber, unabhängig davon, aus welchem Topf es kommt, immer die Frage stellen, ob sich die Ausgaben in vertretbarem Rahmen halten zu dem, was man bezweckt. Durchgehende Pflasterung, ein mobiles Überdachungssystem mit einer vermutlich komplizierten Mechanik, das auf den Plänen gut aussehen mag, seine Praxistauglichkeit und Zuverlässigkeit aber erst beweisen muss, außerdem stellt sich die Frage der Instandhaltung. Eine funktionsfähige Küche dürfte keine Unsummen kosten, auch der Pavillon. Das Ganze für eine überschaubare Zahl an Veranstaltungen. Das vorgesehene Grün ist hauptsächlich mobiler Art, wie wohnlich der Platz in der real existierenden Welt sein wird, ist auch erst zu sehen. Ein großes Projekt auf einem kleinen Platz, auf jeden Fall. Weniger wäre besser, nach unserer Meinung - so können wir das nicht mittragen. Zur Nachhaltigkeit gehört auch und vor allem das Wort “weniger”, auch wenn das oft und gerne vergessen wird.

Hanspeter Niederkofler · Grüne Bruneck

Sprache bestimmt unser Denken auf die vielfältigste Art und Weise – im Kern bestimmt sie unsere Identität, wie wenig sonst. Deren Erhalt und tagtäglicher Gebrauch ist mit einer der Hauptgründe, dass wir als Minderheit innerhalb einer Minderheit auch heute noch als Ladinerinnen und Ladiner so erfolgreich dastehen. Es ist wichtig, das anlässlich des Tages der Muttersprache am 21.02.2022 klar aufzuzeigen. Denn die Muttersprache ist weit mehr als ein reines Verständigungsmittel: Sprache

Ladinisch als Existenzgrundlage schafft eine geistige, eine kulturelle Heimat, Sprache ist identitätsstiftend, sie bestimmt und prägt unser Denken und das von klein auf bis ins hohe Alter. Der Einfluss von Sprache beschränkt sich damit offensichtlich nicht nur auf die einzelne Person. Sie ist Existenzgrundlage für die Kultur, das Selbstverständnis und damit auch für den Erhalt und unseren Fortbestand. Tage, wie der internationale Tag der Muttersprache bilden wichtige Besinnungspunkte für unser geschichtliches Gedächtnis. Sie mahnen dazu, auch die restlichen 364 Tage des Jahres selbstbewusst Gebrauch von unserer Sprache zu machen und die damit verbundenen Rechte, wenn nötig, einzufordern. Ein permanentes Schlüsselmoment ist dabei, dass wir darum bemüht sind den kommenden Generationen das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Muttersprache mitzugeben. Gelingt dies -und wir können hier zuversichtlich sein- schreiben wir an unserer Erfolgsgeschichte als ladinische Minderheit weiter.

Daniel Alfreider

Landeshauptmann-Stellvertreter

SCHRÄGES IN SCHRÄGSCHRIFT

Die Schwedin Sara Hector holte sich bei den olympischen Spielen in Peking Gold; sie gewann dort den Riesentorlauf. Auch bei uns zog sie nicht spurlos vorbei, als im Januar der Weltcup in St. Vigil Station machte und die Schwedin dort den RTL gewann.

Sara Hector schaffte dabei etwas absolut Wunderbares: Laut Medien (z.B. ORF, ST Heute, Rai Südtirol, Tiroler Tageszeitung und den Dolomiten vom Heimatverlag) gewann die Schwedin den „Riesentorlauf am Kronplatz“, obschon dort gar keiner stattfand. Hector absolvierte ihren siegreichen Lauf nämlich auf der ERTA-Piste am Piz de Plaia, dem Gegenhang zum Kronplatz. Im Unterschied zu den vorher erwähnten Medien, wussten die Reporter von TG Regione und Rai Ladinia die Berge dies- und jenseits des Vigiler Baches sehr wohl auseinanderzuhalten und richtig zu bezeichnen. Zu Fakt und Fake: Insbesondere Journalisten sollten nichts sagen, was nicht wahr ist; alles was wahr ist, können sie ohnehin nicht sagen. Das übersteigt ihre Möglichkeiten. // wp

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