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SOZIALES & GESUNDHEIT TITELTHEMA

DAS LANDESTOURISMUSENT WICKLUNGSKONZEPT

Für und Wider im Grünen Tal Wie soll die künftige Ausrichtung des Tourismus in Südtirol aussehen? Diese Frage beschäftigt Tourismusexperten, die Politik und nicht zuletzt auch die Bevölkerung seit geraumer Zeit. Freilich, der Tourismus ist hierzulande ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, aber Polemiken wie rund um das Schlagwort „Overtourism“ haben Diskussionsbedarf hinsichtlich der Grenzen des Tourismus aufgeworfen, die eine konkrete Zielsetzung und ein Zukunftsszenario auf den Plan rufen. Mit dem Landesentwicklungskonzept 2030+ will die Landesregierung nun die Weichen für eine neue Tourismuskultur stellen. Und erntet prompt massive Kritik, vor allem aus dem Pustertal.

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ber von vorne. Das Landesgesetz vom 10. Juli 2018, Nr. 9, „Raum und Landschaft“, sieht im Artikel 51, Absatz 5, Buchstabe g), die Ausarbeitung eines Landestourismusentwicklungskonzeptes vor, welches die Strategien zur Entwicklung des Tourismus beinhalten und als Grundlage für die Tourismusentwicklungskonzepte der Gemeinden dienen soll. Das Center for Advanced Studies von Eurac Research hat, federführend unter der wissenschaftlichen Projektleitung von Harald Pechlaner, in Zusammenarbeit mit IDM und anderen Forschungszentren die wissenschaftliche Grundlage für das Landestourismusentwicklungskonzept (LTEK) 2030+ ausgearbeitet, unter anderem auf der Grundlage der in der Sitzung der Landesregierung vom 24. Februar 2021 vorgestellten Zielsetzungen und Leitlinien. Mit dem Untertitel „Ambition Lebensraum Südtirol“ zielt das Konzept auf eine nachhaltige und raumverträgliche Tourismusentwicklung ab. Tourismuslandesrat Arnold Schuler hatte den Entwurf in den beiden Sitzungen der Landesregierung am 7. und 14. Dezember vergangenen Jahres seinen Kolleg*innen vorgestellt, die anschließenden Diskussionen seien in den endgültigen Text des LTEK 2030+ eingeflossen. Am 27. Dezember hatte der Rat der Gemeinden sein entsprechendes Gutachten abgegeben, tags drauf wurde das LTEK 2030+ mit Beschluss Nr. 1154 von der Landesregierung genehmigt. So weit so gut. Doch jetzt rührt sich Protest, und der kommt vorrangig aus der Pustertaler Ecke.

OFFENER BRIEF

In einem offenen Brief an den Landeshauptmann, den Landesrat für Tourismus und ganz allgemein an die Landesregierung macht sich ein Großteil der Pustertaler Bürgermeister (25 von 26 Bürgermeister haben den Brief unterschrieben) ihrem Un4

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mut in Bezug auf das Landestourismuskonzept Luft. Eine pauschale Regelung der Wirtschaft im Allgemeinen und des Tourismus im Besonderen sei abzulehnen, schreiben sie. Konkret werden vier Punkte angeführt, die laut Brief bereits im Genehmigungsverfahren vom Rat der Gemeinden als Bedingung für eine positive Begutachtung angeführt, jedoch im Beschluss nicht berücksichtigt worden seien.

cheren Fraktionen in ansonsten touristisch starken Gemeinden weiterhin eine touristische Entwicklung - auch durch neue Tourismuszonen - im Siedlungsraum oder daran angrenzend möglich sein! Dies ist mit dem bestehenden Konzept in keiner Weise erreicht und es besteht die Gefahr, dass gerade in diesen Gebieten die wenigen Tourismusbetriebe unter diesen Voraussetzungen schließen werden.

Im Folgenden der Wortlaut genannter Punkte: 1. Autonomie der Gemeinden im Siedlungsraum Den Gemeinden wurde von der Landesregierung im Zuge der Genehmigung des neuen Landesgesetzes für Raum und Landschaft in Aussicht gestellt, dass innerhalb der Siedlungsgrenzen die Gemeinden selbst entscheiden können, wie sich dieser Siedlungsraum entwickelt. Gerade in den historischen Ortskernen (meist A oder B Zonen) muss eine Gestaltung auch der touristischen Nutzung in allen Gemeinden möglich sein. Im Sinne der Subsidiarität macht eine landesweite Regelung, dass auch innerhalb der Siedlungsgrenzen keine neuen touristischen Betten entstehen dürfen, keinen Sinn und es muss den Gemeinden überlassen bleiben, wie sich das Gemeindegebiet auch in touristischer Hinsicht innerhalb der Siedlungsgrenze entwickelt! Den Gemeinden sollte dabei zugetraut werden hier ausgewogene Lösungen zu finden.

3. Entwicklungsmöglichkeiten für Kleinbetriebe Es gibt in allen Gemeinden des Pustertales Tourismusbetriebe, die für die Aufrechterhaltung der Kleinstrukturiertheit unserer Wirtschaft und für die Versorgungsfunktion der lokalen Bevölkerung eine unerlässliche Stütze sind. Für diese Betriebe ist für das wirtschaftliche Überleben und gerade bei einem Generationswechsel eine moderate Entwicklungsmöglichkeit unerlässlich. Deshalb sollen bestehende Klein- und Mittelbetriebe auch in Zukunft erweitert werden können. Auch soll Urlaub auf dem Bauernhof unter den bisher geltenden Regelungen weiterhin ohne neue Einschränkungen zum Überleben der Berglandwirtschaft möglich sein!

2. Entwicklungsmöglichkeiten für strukturschwache Gebiete Es gibt in Südtirol und auch im Pustertal touristisch stark entwickelte aber auch viele schwach entwickelte Gebiete. Eine undifferenzierte Betrachtung des ganzen Landes wird von den Pustertaler Gemeinden abgelehnt. Deshalb muss beispielsweise in strukturschwachen Gemeinden aber auch schwä-

4. Funktionierende Übergangslösung bis zum Gemeindeplan für Raum und Landschaft Das Landesgesetz für Raum und Landschaft und seine Durchführungsbestimmungen sind immer noch eine politische und technische Baustelle. Die Erstellung der Gemeindeentwicklungskonzepte und in der Folge der Gemeindepläne für Raum und Landschaft ist eine komplexe, planerische und politische Aufgabe. In den meisten Gemeinden wird dieser Prozess mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bis dahin braucht es auch für den Tourismus funktionierende Übergangsbestimmungen.


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