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Lorenz Schiner: Zurück in die Zukunft

Lorenz Schiners Feld ist nur fünf Hektar groß. Was er sät, weiß er am Anfang der Ackersaison selbst oft noch nicht genau. Dinkel zum Beispiel, Buchweizen oder Einkorn, Lein und Mohn. Am Ende sind es verschiedene Kulturpflanzen, die sich ergänzen und nach biodynamischen Prinzipien wachsen. Sein Wissen teilt er gerne: Auf dem Weg zu seinem Acker hat er einen kleinen Aussichtspunkt errichtet. Weil er hofft, dass ihm möglichst viele Menschen bei der Arbeit zusehen und es irgendwann machen wie er. Im Interview erzählt der 28-Jährige, warum er sich nicht als Bauer sieht und was sein Feld mit dem Klima zu tun hat.

PZ: Die Frage, warum Sie machen, was

Sie tun, hören Sie wohl oft. Warum ist es trotzdem so etwas wie Ihre Lieblingsfrage?

Lorenz Schiner: Ich habe viel darüber nachgedacht, was das größte Problem auf diesem Planeten ist. Wie wir die Natur auf den Flächen behandeln, die wir bebauen, ist ein großer Teil davon. Ich kam für mich zum Schluss, dass die Lösung im Alten liegt. Weil das Althergebrachte über Jahrtausende funktioniert hat, auch wenn es Schwankungen unterliegt. Und deshalb habe ich beschlossen, mir altes Wissen anzueignen und ein Feld zu pachten, um in der Bewirtschaftung noch mehr zu lernen. Denn wirklich lernen kannst du nur, wenn du etwas selber machst. Lorenz Schiner, Jahrgang 1994, wächst in Dietenheim auf. Ein Jahr besucht er die Gewerbeoberschule und wechselt dann an die Fachschule für Landwirtschaft in Dietenheim. Nach der Matura sammelt er Erfahrung in verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben im In- und Ausland. 2016 gründet er Terra Vitae. Mit dem Projekt will er seine Idee vom Anbau der Zukunft weitergeben. Er bestellt ein fünf Hektar großes Feld zwischen Gais und Uttenheim, hat gerade eine landwirtschaftliche Maschine entwickelt und gibt sein Wissen als Coach weiter. Schiner lebt in Bruneck. www.terravitae.it; www.schiner.com //

Es gab zuhause keine Landwirtschaft? Nein, ich bin ein Quereinsteiger. Mein Opa hatte einen großen Garten, den er mit viel Liebe bewirtschaftet hat. Dabei habe ich immer schon gerne zugeschaut. Überhaupt habe ich immer lieber beim Zuschauen und Machen gelernt, als in der Schule. Die Landwirtschaftsschule habe ich zwar besucht, danach aber im Grunde alles anders gemacht als es mir dort beigebracht wurde.

Es heißt heute ja immer wieder, dass Bauern keine Nachfolger haben. Wa-

rum war es trotzdem schwierig, überhaupt ein Feld zum Pachten zu finden?

Ich habe lange gesucht. Um die Felder wird ziemlich gekämpft. Bauern, die große Ställe und viel Großvieheinheit haben, brauchen zusätzliche Felder, um die Gülle vernichten zu können oder mit anderen Worten: um auf dem Papier in Ordnung zu sein.

Sie bewirtschaften die Fläche biodynamisch. Sehen Sie sich überhaupt als

Bauer?

Nein, gar nicht. Für mich ist das, was ich mache, eine Art Vorbereitung auf die Zukunft. Es ist ein Ort, an dem man lernen kann, wie es sein könnte.

Für Ihre Vision von Landwirtschaft haben Sie genau fünf Hektar zur Verfügung.

Das ist wenig. Wenn ich den Leuten sage, dass ein Bäcker mit meiner kompletten Ernte nicht einmal eine Woche auskommen würde, dann sind sie schockiert. Es hat ja kaum jemand eine Vorstellung, welche Mengen wir alle brauchen und wie wenig

Alleskönner: Die von Lorenz Schiner entwickelte Maschine hat einen vielversprechenden Namen. Vielfalt: Leinsamen, Mohn, Gerste, Buchweizen. Die neue „alte“ Form der Landwirtschaft kommt an.

davon wir in Südtirol selbst herstellen können. Zu allem, was ich anbaue, gibt es eine Geschichte. Ein Beispiel: Vergangenes Jahr kam jemand hier vorbei und brachte mir ein Säckchen Einkorn mit, das er übrig hatte. Er fragte mich, ob ich das nicht anbauen möchte. Und das habe ich getan. Angefangen habe ich vor sechs Jahren mit Mohn, weil Farbe für mich wichtig ist. Ich möchte, dass die Menschen auf diesen Platz aufmerksam werden und das klappt mit dem Mohn und seinen roten Blüten richtig gut. Die Leute sollen stehen bleiben, sie sollen fragen. Dieser Austausch bereichert mich. Auch wenn es manche übertreiben und sich für Fotos einfach mitten ins Feld reinstellen.

Den Mohn ernten Sie schon mal per

Hand. Und Maschinen?

Es stehen hier zwar auch zwei alte Maschinen herum, aber die sind meistens kaputt. Deshalb ist oft Handarbeit angesagt, bei der mir gute Freunde helfen. Natürlich braucht es die Maschinen auch. Ich habe alte gekauft, die sonst auf dem Schrottplatz gelandet wären. Es ist nicht so, dass ich in die Zeit vor Maschinen als Hilfsmittel zurück möchte… Mit meinem Vater habe ich selbst eine Maschine entwickelt, die den Anbau aller Kulturen, die ich habe, schafft. Sie heißt Alleskönner, weil sie ökonomischer, vielfältiger, boden- und ressourcenschonender ist als die gängigen Systeme für den Anbau in kleinen Betrieben. Ein Feld mit nur einer Maschine bestellen zu können, das heißt für mich in die Zukunft denken.

Aus diesem Feld ist viel entstanden.

Ich wurde so oft gefragt, warum ich das mache und wie ich es mache. Da kam ich auf die Idee, mein Wissen in Coachings weiterzugeben. Ich habe es damals ja auch von anderen gelernt. Nach der Schule war ich eine Zeit auf einem Betrieb in Niederösterreich. Da war es ganz normal, dass verschiedene Kulturen angebaut werden. In Südtirol ist das ja alles noch eher die Ausnahme.

Was ist Landwirtschaft heute?

Ein Wirtschaftssystem. Der Boden ist nicht in erster Linie dafür da, um Lebensmittel zu pro-

Ausgewogen: Die Ernte wird für den Verkauf abgepackt und hergerichtet.

duzieren, er ist Trägerkultur für die Produkte der Wirtschaft, damit mehr Masse entsteht.

Reden wir über Geld…

Kann man davon leben? Noch so eine beliebte Frage.

Sie haben 2016 angefangen. Also ja?

Ob man von etwas leben kann, hängt immer von den eigenen Vorstellungen und Bedürfnissen ab. Lebensmittel stelle ich zum Großteil selbst her. Vom Speiseöl bis zum Mohn als Süßungsmittel oder Fleisch, weil ich hier Weideschweine halte. Als Pächter ist es natürlich etwas schwieriger, weil die Pacht zu bezahlen ist. Und Corona hat es nicht einfacher gemacht. Meine Abnehmer sind Restaurants, das war natürlich in den vergangenen eineinhalb Jahren schwierig. Aber ich bin immer noch da.

Was ist Ihr Ziel?

Erst letzthin kam ein Restaurantbesitzer und fragte mich, ob ich für ihn auf einem Hektar Gerste anbaue. Aber ich habe ja insgesamt nur fünf… Ich will nicht mehr anbauen, sondern zeigen, wie und dass es geht. Mein Ziel ist, dass möglichst viele es so machen wie ich.

Reinigung nach alter Tradition: Schiner gibt Buchweizen in die Windmühle.

Viele schöne Momente. Vor allem die Begegnungen mit den Menschen sind toll. Die guten Fragen und die blöden genauso. Machst du aus deinem Mohn Opium? Meine Güte, wie oft ich diese Frage gehört habe! Auch beliebt: Hast du das Feld immer noch?

Sie bauen ihre Kulturen dort nach biodynamischen Prinzipien an.

Ich mache es so, wie es die Natur vorgibt. Gespritzt wird nur mit natürlichen Mitteln. Wenn der Boden Impulse braucht, um die ganzen Prozesse zu steuern, dann nehme ich die Biodynamik mit ihren Präparaten her. Damit erziele ich gute Ergebnisse.

Ihr Projekt heißt Terra Vitae. Weil der

Boden Leben ist?

Für mich heißt das: Alles Leben braucht den Boden und der Boden braucht das Leben. Es geht um die Gesundheit des Bodens, dann funktioniert das Leben, von allem. Ich betreibe auf dieser Fläche ja Humusaufbau. Humus bindet Kohlendioxid. Wenn wir vom CO2-Problem sprechen, dann reden alle von Autos und Fabriken. Das größte Problem ist aber der Acker. Wenn du es da anders machst, dann hast du innerhalb von zehn Jahren die größten Fortschritte gemacht, um das Klima zu retten.

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