3 minute read

Diskussionsabend: Wirtschaftswachstum ade?

Der 6.4.2022 stellt den diesjährigen „Earth Overshoot Day“ dar. Dies bedeutet, dass die Menschheit ihre Ressourcen für 2022 aufgebraucht hat. Der traurige Anlass unterstrich die Wichtigkeit des Diskussionsabends „Wirtschaft im Wandel“ an besagtem Datum, während der Moderator Markus Lobis, die Fachfrau für nachhaltige Entwicklung Tanya Deporta sowie der streitbare deutsche Wirtschaftsprofessor Niko Paech im UFO Bruneck die tonangebenden Figuren waren. Die Veranstaltung des Jugend- und Kulturzentrum UFO fand in Kooperation mit KVW, Zigori LAB und dem Südtiroler Netzwerk für Nachhaltigkeit und mit freundlicher Unterstützung des Bio-und Bike Hotels Steineggerhof statt.

Gouverneur Arno Kompatscher tourt derzeit ja fleißig, die Nachhaltigkeitsziele der Landesregierung vorstellend, durchs Land. Von den weiteren Entscheidungsträgern hört man diesbezüglich wenig, auch nicht wenn Georg Kaser, unser Südtiroler Klimaforscher schlechthin, wieder mal, mehr verzweifelt als drohend, den Zeigefinger erhebt, wissend dass wir gehörig spät dran sind und gerade neue Infrastrukturprojekte genauer untersucht werden müssten. Jüngst sagte Ökonom Niko Paech in einem Podcast des österreichischen „Standard“ mit Blick auf aktuelle Missstände und Konflikte: „Das globale Wirtschaftssystem basiert auf Ausnutzung von Drittstaaten und Auslagerung von Teilen der Produktion und weiteren Aspekten, doch wenn in diesem Kartenhaus eine Karte fällt, bricht das System schnell zusammen.“ Eine treffende Behauptung, die sich derzeit hautnah beobachten lässt. Am Diskussionsabend kamen dann noch weitere Ideen zum Vorschein.

DIE UNGERECHTIGKEIT DES WACHSTUMS

„Es ist gut, dass die Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft angekommen ist, der Begriff wird jedoch inflationär gebraucht und muss ganzheitlich und kritisch gedacht werden,“ stellte Tanya Deporta zu Beginn der Diskussion schnell klar. In diesem Zusammenhang warnte Niko Paech, sich zu stark am technischen Wandel festzuklammern: „Unsere moderne Freiheit wird als Freiheit begriffen, sich Wohlstand zu sichern. Oft geschieht das durch Technologie. Doch wenn die Wirtschaft nicht dauerhaft wächst, fallen durch eine Technologisierung Arbeitsplätze weg.“ Zudem basiere Technologisierung auf Kapital und das werde nur dann zur Verfügung gestellt, wenn Wachstum versprochen werde. Genau dieser ist Paech ein Dorn im Auge. Der bundesdeutsche Ökonom ist ein Vertreter der Postwachstumsökonomie, also eine Wirtschaft, die nicht das ständige Wachstum als Ziel hat. Hierfür brauche es einen kulturellen Wandel, denn das ständige Wachsen schaffe keine zusätzliche Lebensqualität, sondern mit Stress und globaler Ausbeutung eher das Gegenteil. Wirtschaftswachstum funktioniere zu häufig nur durch Schulden, die dann der Nachwelt überlassen werden. Die weltweiten Ungleichheiten unterstrich auch Daporta als ein Kernproblem, ebenso wie Extremwetterphänomene, die bekanntlich in direktem Zusammenhang mit unserem Wirtschaften stehen. Soziale Ungleichheiten nahmen während der Pandemie bekanntlich zu, da sich ja nicht jeder „wehren“ kann. Wie kann ein solches Wirtschaften ohne weiteres Wachstum aber konkret funktionieren? „Ganz konkret durch Konsumreduzierung sowie Gemeinschaftsnutzung und Reparatur essentieller Güter“, meint Niko Paech und unterstreicht, dass bereits ein bis zwei Millionen Menschen in Europa in Richtung dieser Lebensform tendieren. Im viel gescholtenen Tourismus (vor allem die An- und Abreise sowie die Art der Unterkunft sind potentielle Klimasünden) geht beispielsweise der anwesende Mitinitiator des Events Kurt Resch aus Steinegg bereits neue Wege: Bei ihm sind Bettenreduzierung und Qualitätssteigerung angesagt. Die „Nachhaltigkeitsklassiker“ der kurzen Transportwege und ökologisch wertvollen Produkte fanden auch in der Runde Anklang.

WANDEL DURCH UNS

Laut Paecht, Wirtschaftsprofessor an der Uni Siegen, kann man auch aus der Vergangenheit lernen: „Ich bin 61 Jahre und habe in der Vergangenheit bereits viel Sinnvolles erlebt. Mit dem Modernisierungs- und Wachstumswahn haben wir zuletzt aber viel Wertvolles verlernt. An Wissen mangelt es nicht, sondern an der Konsequenz des Schritte-Setzens. Wir haben verlernt, mit weniger auszukommen und oft führt unser übermäßiger Konsum gar zur Verkümmerung.“ Im österreichischen „Standard“ formulierte er diese Tendenz noch klarer: „Mittlerweile werden Menschen dazu erzogen, Maschinen zu bedienen und den Rest verlernen sie.“ Der Begriff „Konsumdeppen“ fiel hierbei ebenfalls. Einen Konsum-Gruppenzwang beobachtet das Trio ebenfalls häufig, wobei gerade der dekadente Luxus mehr und mehr keine Berechtigung habe, da er oftmals auf Ausbeutung basiert und für ökologische Schäden sorgt. Würden Luxusgüter teurer werden, so hätte die Gesamtgesellschaft laut Referenten nicht unbedingt mehr Probleme. In Zukunft müsse auf die Grundbedürfnisse der breiten Bevölkerung geschaut werden und nicht auf den Luxus weniger. Auch in Südtirol.

Interessant ist der Ansatz, nicht alle Verantwortung auf die Politik schieben zu wollen, schließlich handle diese ja im Sinn der Mehrheit (der Konsumentinnen und Konsumenten). „Nachhaltiger Wandel fängt in den Nischen durch Pioniere an, die Imitatoren, eventuell Medien und auch Wissenschaft und Politik beeinflussen. Der Impuls muss von der Zivilgesellschaft kommen,“ so der Blick von Paecht auf die Zivilgesellschaft.

This article is from: