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Maria Craffonara: Einfach die Maria sein

Wenn Maria Craffonara über Musik spricht, dann ist der ganze Mensch in Bewegung. Alles fließt, alles geht ineinander über. So wie ihre Entwicklung als Künstlerin, die sich nicht so leicht einordnen lässt. Oper, Gospel, Jazz. Solo, Quartett, Ensemble. Wie vielseitig die 44-Jährige ist, können Zuhörer am 7. Mai im Kulturzentrum in Toblach erleben. Dann tritt sie mit der Formation Donauwellenreiter auf. Im PZ-Gespräch erzählt sie von Richtungswechseln, dem Klang von Bruneck und Nichtstun als Quelle der Inspiration.

PZ: Es heißt immer, dass jeder Mensch mehr Talente hat. Was wäre Ihres neben der Musik gewesen?

Maria Craffonara: Eiskunstlauf. Ich habe mit acht Jahren angefangen. Meine Freundin und ich haben uns bei den Wettkämpfen regelmäßig auf dem letzten Platz abgewechselt, was wohl auch daran lag, dass wir wenig Zeit zum Trainieren hatten. Einmal bin ich bei der Landesmeisterschaft aber Vierte geworden, das war besonders für mich.

Was hat den Reiz am Eiskunstlauf ausgemacht?

Es ist eine grandiose Kombi. Zum einen ist es ein sehr athletischer Sport, der Kraft und Ausdauer erfordert, aber da ist auch der künstlerische Aspekt. Auf Musik zu laufen, mein Thema hineinzuinterpretieren, das war mir wichtig und hat mir Spaß gemacht. Eine kleine Rolle spielte wohl auch, dass wir vor oder nach dem Training die Jungs der Hockey-Mannschaft gesehen haben… Maria Craffonara, Jahrgang 1977, wächst in Bruneck auf. Mit neun Jahren entdeckt sie die Liebe zur Violine, belegt an der Musikschule Bruneck verschiedene Kurse und fängt mit 18 Jahren eine Stimmausbildung an. Nach der Matura am Neusprachlichen Gymnasium in Bruneck studiert sie Klassik am Mozarteum in Salzburg und an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Sie singt Opern, tritt mit Hubert von Goisern auf der „Linz Europa Tour“ auf, gründet unter anderem die Formation Donauwellenreiter und steht seit 2018 dem VokalEnsemble 2000 vor. //

Wann wurde die Musik wichtiger als der Sport?

Das ging schleichend und nach einem Sportunfall, bei dem ich mir alle Bänder gerissen habe, dann doch schnell. Ich habe mit neun Jahren mit Violine angefangen und meine Pubertät dann eigentlich von Montag bis Freitag an der Musikschule verbracht. Geige, Chor, Jazzensemble, Mädchenchor, da gab es einiges zu tun. Der Mädchenchor unter der Leitung von Gretl Brugger erreichte ein erstaunliches Niveau. Wir sind mehrmals mit Claudio Abbado und den Berliner Philharmonikern aufgetreten.

Sie haben erst in der Maturaklasse mit Stimmbildung angefangen. Früher oder später beginnen: Was ist der richtige Ansatz?

Grundsätzlich würde ich sagen, je früher desto besser. Die Frage ist aber, zu welchem Zweck ich das mache. Geht es darum, dass das Kind lernt, Musik zu spüren und zu erfahren, was es heißt, miteinander zu musizieren und singen? Oder soll es dadurch zum zukünftigen Musiker gemacht werden? Ich finde, es darf nicht zu eindimensional ablaufen.

Gab es diesen einen Moment, in dem

Sie gespürt haben: Musik könnte mein

Beruf sein?

Vielleicht dieser eine: Ich stand in der Kirche

Am 7. Mai spielen die Donauwellenreiter im Kulturzentrum in Toblach. Andreas Jakwerth

ganz hinten als Mitglied im Chor. Dann setzte die Solistin ein. Und in diesem Moment dachte ich, dass ich jetzt an ihrer Stelle sein möchte. Vielleicht war es aber Lauryn Hill in Sister Act II. Ich habe den Film bestimmt 50 Mal gesehen, eine unfassbare Inspirationsquelle für mich. Oder die Gospelwochen, die mein Feuer für diese Musikrichtung entfacht haben. Auch wenn ich später feststellen musste, dass meine Stimme so gar nicht für Gospel gemacht ist.

Wie würden Sie selbst Ihre Entwicklung beschreiben?

Sie ist nicht linear verlaufen oder vorhersehbar. Am Anfang meines Studiums war ich sehr auf Klassik fokussiert, habe Opernprojekte und Liederabende verfolgt. Damals war der Wunsch da, Opern zu singen. Aber das Vorsingen, um eine Rolle zu bekommen, hat mich gestresst. Ich konnte das irgendwie nicht vereinbaren, dass ich vorsingen muss, um zu beweisen, dass ich es kann. Wenn du da aber nicht mitgehst, dann bist du nicht fokussiert und damit nicht erfolgreich. Mit der Zeit wurde mir klar, dass mir diese Welt von meinem Wesen her nicht liegt. Auch, weil ich nicht nur reproduzieren wollte, sondern eigene Texte schreiben und singen. Einfach kreativer sein. Ein entscheidender Richtungswechsel war sicher meine Zeit auf der „Linz Europa Tour“.

Sie waren einen Sommer mit Hubert von Goisern unterwegs, haben die Donau bis zum Schwarzen Meer bereist, in verschiedenen Ländern Halt gemacht.

Das war einschneidend. Ich stand auf der Bühne und merkte, dass ich Violine und Gesang kombinieren kann. Bis dahin ging immer nur eines von beiden. Und ich konnte zum ersten Mal mit meiner Naturstimme singen. Das Kennenlernen von anderen Kulturen und Musikkulturen hat mich geprägt und das Bedürfnis in mir geweckt, etwas Eigenes machen zu wollen.

Wenn man sich Ihre unterschiedlichen Projekte anschaut, ist Vielseitigkeit Trumpf. Sie sind solo unterwegs und Teil der vierköpfigen Formation Donauwellenreiter, Sie haben mit VokalEnsemble 2000 den Brunecker Mädchenchor aus Schulzeiten wieder zusammengeführt, Sie kombinieren Performances mit Kunst, sind Co-Moderatorin der Klassik-Lounge auf Rai Südtirol…

Man kann mich nicht so einfach einordnen, ich weiß. Aber das möchte ich auch gar nicht. Das VokalEnsemble 2000 zum Beispiel hat sich als Frauenprojekt ergeben und hat mittlerweile auch vier feste Männerstimmen im Ensemble. Wir verstehen es als offenes, flexibles Kollektiv. Je nach Anfrage und Projekt treten wir in unterschiedlicher Besetzung auf. Ich bin die Leiterin und habe alle Freiheiten, die Projekte auszusuchen und die künstlerische Entwicklung voranzutreiben. Es ist eine Spielwiese, ein Traum. Dass ich ein Ensemble mit dieser Qualität einmal in Bruneck leiten werde, hätte ich nicht gedacht.

Am 7. Mai können Musikliebhaber die Donauwellenreiter im

Kulturzentrum in Toblach erleben.

Der Auftritt hätte bereits vor zwei Jahren stattfinden sollen, um unsere neue CD zu präsentieren. Es ist nur ein Beispiel von vielen, wie stark sich die Pandemie auf uns Künstler ausgewirkt hat.

Wie kam es zum Namen Donauwellenreiter?

Wir haben uns alle in Wien kennengelernt. Die Donau ist eine kulturelle und geografische Größe, an deren Ufer Menschen unterschiedlicher Kulturen leben. Ich finde, es ist ein inspirierendes Bild, nie zu wissen, auf welcher Welle du reitest. Es steht auch für die Leichtigkeit der Bewegungen.

Die jetzige Besetzung spielt seit 2014 zusammen. Worauf dürfen sich die Zuhörer und Zuschauer freuen?

Unser Programm hat viele tänzerische und lyrische Momente. Wir haben unseren Sound gefunden, sind sehr gereift und spielfreudig. Es gibt nicht den typischen Aufbau mit einem Lead-Instrument. Violine, Cello, Schlagzeug, Klavier: Alle sind gleichwertig, jedes Instrument übernimmt abwechselnd alle Funktionen. Und obendrauf kommt die Stimme als Farbtupfer. >>

MAI-JUNI

MAGGIO-GIUGNO

07.05. 20:00

Konzert | Concerto DONAUWELLENREITER “DELTA”

Maria Craffonara, Geige, Stimme/violino, canto Thom Castañeda, piano | Lukas Laermann, violoncello Jörg Mikula, drums

Sala Gustav Mahler Saal Ticket € 20 | 15

25.05. 20:00

Eröffnungskonzert KULTUR SOMMER Concerto d’apertura ESTATE CULTURA ALPEN & GLÜHEN

Thomas Gansch | Herbert Pixner Manu Delago | Lukas Kranzlbinder radio.string.quartett

Sala Gustav Mahler Saal Ticket € 20 | 15

VOL 10 +2

10.06.2022

YEARS

Langis.Klong OPEN AIR LaBrassBanda

Pre-Headliner: Caravãna Sun Park | Parco Ticket € 25

Kurzfristige Programmänderungen vorbehalten. / Con riserva di modifiche al programma.

Im Einklang: Die Donauwellenreiter zu viert am Flügel im Wiener Porgy&Bess während einer CD-Präsentation. Georg Cizek Graf

Ladinisch ist in Ihrer Musik ein wiederkehrendes Element. Wie erklären

Sie sich die Fülle an begabten Künstlern aus dem Gadertal?

Das Gadertal war lange relativ abgeschottet. Die Menschen haben viel Zeit in den Stuben verbracht, Hausmusik gemacht und ihre Geschichten weitererzählt. Das hat immer viel Platz für Musik gelassen. Ich denke, die Bergkulisse spielt auch eine Rolle. So nah am Berg zu leben, macht etwas mit einem.

Über 20 Jahre war Wien Ihr fixer Lebenspunkt. Ein Kontrastprogramm zum Leben in den Bergen?

Absolut. Seit der Pandemie verbringe ich wieder mehr Zeit in Bruneck und genieße es total. Hier bin ich einfach die Maria und nicht den ganzen Tag von Künstlerinnen und Musikern umgeben. Es ist weniger Druck da. Ich muss nicht ständig beweisen, dass ich tolle Projekte am Laufen habe, wie es in einem Künstlerambiente oft der Fall

Wir suchen Mitarbeiter für Produktion u. Montage ist. Hier lässt sich Berufliches von Privatem viel leichter trennen.

Wie klingt Bruneck?

Sehr divers. Da ist zum einen das starke Rauschen des Waldes, der Wind, der in die Lärchen fährt. Die ruhige Umgebung um die Stadt herum. Und dann das Brunecker Zentrum, mit seiner wahrscheinlich zu starken Mobilität, die Hektik, das Wuseln der Touristen. Das ist der Drive, den ich höre.

Woher kommt die Inspiration?

Vom Nichtstun. Ich brauche Leerläufe, kann stundenlang einfach nur irgendwo sitzen, das Leben vorbeiziehen lassen und beobachten. Auch Bewegung ist wichtig. Wenn ich zu lange am selben Ort bin, werde ich unruhig. Inspiration bedeutet auch, alleine in der Natur unterwegs zu sein. Und dann brauche ich natürlich auch die Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Material von anderen Musikern.

Sie haben mal gesagt, man dürfe Ihnen alles nehmen, außer die Musik von Arvo Pärt. Was hat er, was andere nicht haben?

Sein Stil ist so prägnant und unverkennbar. Er schafft es, mit übereinandergeschichteten Klängen intensive Stimmungen zu erzeugen. Obwohl wenig passiert, hat seine Musik einen unglaublichen Sog. Er hat einen zeitlosen, sinnlichen Stil entwickelt, der einfach in Haut und Knochen fährt.

Ab wann haben Sie gemerkt: Ich bin frei zu tun, was ich will?

In der Jugend hatte ich immer das Gefühl, beengende Lektionen zu lernen. Das Schulsystem ist auf Optimierung ausgerichtet, die Uni auch. Ich musste erst lernen, dass ich mir meinen eigenen Kosmos, mein eigenes System erschaffen kann.

Unterrichten Sie?

Ja, aber nur an einem Nachmittag. Ich könnte mehr machen. Aber etwas Festes zu haben, birgt für kreative Menschen Gefahr, sich zu sehr darauf festzulegen und dann nicht wieder da rauszukommen.

Kein Problem damit, nicht langfristig planen zu können?

Ich konnte den Stress des Vorsingens nicht aushalten, aber keinen Plan für die nächsten 20 Jahre zu haben, ist kein Problem für mich. Am Ende geht es ja auch darum, welche Anforderungen du an dich und deinen Lebensstil stellst. Sicher, wenn du zwei Autos fährst und viermal im Jahr Langstrecke in den Urlaub fliegen willst, dann wäre es schwierig… Ich mache das nun seit 2006, eine Grundstabilität hat sich eingestellt. Ich fühle mich mit dem, was ich mache, sicherer als je zuvor.

// Interview: Verena Duregger

TERMIN

Am 7. Mai spielt Maria Craffonara mit ihrer Formation Donauwellenreiter das Programm Delta im Gustav-

Mahler-Saal im Kulturzentrum in Toblach.Beginn: 20 Uhr.

www.donauwellenreiter.com //

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