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PROLOG ..............................................................

bz° „Leben zu retten, steht an erster Stelle! Also stürzte ich in das Zimmer meines Mitbewohners >Jan<, um ihn in Sicherheit zu bringen. Dabei dachte ich nicht daran, dass er schon zur Arbeit gefahren war. Nun hatte ich noch ca. 40 sec, um das brennende Haus zu verlassen. Da ich meine komplette Plattensammlung nicht tragen konnte, griff ich mir wahllos eine Hand voll Platten [The Clash, The Smiths, Black Sabbath, Public Enemy, ???, und Nils Holgersson] heraus. Zudem habe ich eine sehr kitschige, aber geile Madonnen-Plastik vor der Vernichtung gerettet. Dann noch schnell den orignal Hut von Happy Tom [Turbonegro-Konzert] untern Arm ge-

ed°

klemmt, und raus! That's it, sorry „Wenn mein Haus brennen würde, würde ich als Erstes sichergehen, dass alle Leute außer Gefahr sind, denn das Wichtigste für mich ist, dass keiner dabei verletzt oder getötet wird. Worauf es also ankommt: So viel Leben wie möglich zu retten!!!“

Notebook und Ficus.“


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is° „Wenn es wirklich brennt, reagiert man wahrscheinlich ganz anders, als wir es uns vorstellen. Man hat einen gewissen Instinkt, dem man folgt. Aber rein hypothetisch davon ausgegangen, dass es keine Menschen

js°

gibt, denen man helfen kann, würde ich schnell zu meiner geliebten

„Ich schlendere durch meine

Ledertasche greifen. Diese Tasche

Wohnung und gucke mich um. Tja,

habe ich vor ca. 7 Jahren im Keller

was nehme ich mit? Nicht so

meiner Eltern gefunden und seitdem

einfach. Hmm ... ersetzbar, zu schwer,

kann ich mich nicht mehr von ihr

zu gut verstaut, um es schnell zu

trennen. Ihre Vorgeschichte kenne ich

„bergen“. Die Minute ist jetzt auch

nicht, außer, dass sie irgendwann auf

schon um. Da entdecke ich ganz

dem Flohmarkt für 1 DM erworben

hinten im Regal die kleinen Urlaubs-

wurde. Ein Paar mal musste ich sie

bücher, die eine Sammlung von

zusammennähen, weil sie drohte

Eintrittskarten, Kritzeleien und kleinen

auseinanderzufallen. Häufig versuch-

Geschichten enthalten. Ja, die wä-

ten Menschen die es nicht mehr

ren wirklich unersetzlich! Dann

sehen konnten, dass ich mit einer

vielleicht noch die alten kitschigen

halb zerfledderten Tasche rumlaufe,

Sammeltassen von meiner Oma

mir andere anzudrehen. Aber

und die Kiste mit meinen Fotos und

keine Chance! Und wenn ich Glück

Daten auf CD. Sonst wär ja mein

habe, ist vielleicht mein Portmonee

ganzes Sudium weg ... Oh nee, die

und meine Kamera und wer weiß

muss unbedingt noch mit. Nur,

was noch, vom vorherigen Tag drin.

vielleicht sollte ich mir im Ernstfall

Wenn ich dann immer noch Zeit

nicht so viel Zeit lassen. Aber jetzt

habe, würde ich aus dem Bücherre-

bin ich ja vorbereitet!“

gal mein Märchenbuch, das mich seit Rumänien begleitet, schnappen und dann los!“


PROLOG ..............................................................

km° „Weißt du noch Silvester, als wir bei Katharina … Viele gute Freunde ziehen nach dem Abi in verschiedene Städte. Man sieht sich nur noch selten und dann schwelgt man gerne in Erinnerungen, weil die schließlich die Freundschaft auch über große Distanzen zusammenhalten. Dann ist es wieder ein bisschen so, als ob man bei Katharina … Oder war es doch bei

jk°

Tobias? Damit Erinnerungen authen„Ein brennendes Haus und ich muss

tisch bleiben, brauchen wir Erinne-

raus. Welcher Gegenstand sollte mir

rungsstützen wie Fotos, Briefe, Ein-

so wichtig sein, dass ich in diesem

ladungen oder alte Eintrittskarten

Moment an ihn denke und ihn samt

von schönen Ereignissen. Ersetzen

meinem Leben rette. Ich glaube, ich

lassen sich diese Erinnerungsstücke

würde zu meiner Uhr greifen, diese

nicht. Deswegen würde ich, sollte

Uhr, ein Geschenk meiner Mutter,

meine Wohnung brennen, die Kiste

schon mindestens dreißig Jahre alt,

greifen und rennen.“

nicht batteriebetrieben, sondern zum Aufziehen. Mit dieser Uhr, die mir

ok°

schon einige Male von meinem Hand-

„Brennen lassen! Denn bevor man

gelenk abrutschte, als vermisst galt,

zu lange überlegt und sein eigenes

aber immer wieder zu mir zurück fand,

Leben aufs Spiel setzt: Alle materiellen

verbinde ich viele Erinnerungen;

Besitztümer sind ersetzbar und der

meine Uhr ist zwar nur eine Uhr, aber

Mensch ist die Summe seiner Erinne-

wenn es Zeit ist, aus dem brennen-

rungen! Also rette ich das, was mir am

den Haus zu laufen, halte ich sie fest

meisten am Herzen liegt … mich.“

in meiner Hand.“


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ts°

cs°

„Ich öffne die Kiste. Es riecht nach

In dieser kleinen Kiste sind Fotos

vergangenen Zeiten. Altes Papier.

und ein Paar andere Dinge wie

Es ist ein wenig rau in der Hand.

ein Haarbüschel von meinem Vater

Gedeckte Farben. Viel braun, wenig

von 1942, Todesanzeigen von mei-

schwarz. Und dann diese Kleider.

nen Urgroßeltern und so manches

All diese Spitze. An den langen ein-

anderes. Diese Dinge haben in man-

samen Tagen der Frauen in Hand-

cherlei Hinsicht einen Wert für

arbeit entstanden. Die ganzen

mich. Sie stammen aus einem Zeit-

Haarnadeln müssen die Kopfhaut

fenster von 1902 bis ca.1960. Die

aufgespießt haben. Mit wem ist sie

meisten Menschen auf den Fotogra-

wohl zu diesem Ball gegangen?

fien durfte ich nicht mehr kennen

Kommt man auf diesen Holzbrettern

lernen. Wenigstens will ich eine Idee

wirklich einen Hang hinunter?

von ihnen haben. Mir vorstellen,

„Also ich würde als Erstes meine

Ihren Spaß hatten sie auf jeden Fall.

wer sie waren und wie sie lebten.

beiden Meerschweinchen retten. Auf-

Sonnen-creme gab es damals an-

Diese Bilder sind Zeitdokumente.

grund der Schüchternheit von Luzie

scheinend noch nicht. Ob das wohl

Manchmal kommt mir die Geschichte

(der Schrecken der Straße) kam diese

schwarz oder rot in ihren Gesichtern

wie nie gelebt vor. Aber es ist eben

allerdings nicht mit auf das Foto.

ist. Bei Schwarz-Weiß Fotografien

alles wahr. Und es gab nicht nur

Hier ist nur (Misses) Mia (Wallace) zu

lässt sich das schwer sagen. Unter

den Krieg, wie ich ihn aus der Schule

sehen. Die beiden würde ich auf

Kaiser Wilhelm gab es auf jeden Fall

und dem Fernseher kenne. Sondern

jeden Fall zuerst aus der brennenden

mehr zu feiern als 30 Jahre später.

es gab wirkliche Menschen, die

Wohnung befreien.“

Ist sein Kopf wirklich in ihrem

die Eltern meiner Eltern waren und

Ausschnitt? Mann, Mann, Mann!

so weiter. Sie hatten einen Alltag, haben von der Liebe geträumt, Apfelkuchen gegessen oder Eine auf die Finger gekriegt, weil sie sich zu Tisch nicht benommen haben. Irgendwie seltsam, dass ihre Geschichte auch meine ist und umgekehrt. Ich bin doch sehr verwurzelt im Hier und Jetzt.“


PROLOG ..............................................................

ab° „Am liebsten würde ich meine ganzen Sachen aus der Wohnung retten, vor allem die, die ich ausgeliehen habe. Aber realistisch gesehen wäre das unmöglich. Deswegen schnappe ich meine Schwester und das Album mit unseren Kinderfotos, die unersetzlich sind. Die „Holzente” auf vier Rädern, die meiner Erinnerung nach mit den Flügeln beim Rollen geflattert hat. Mein roter Herzventilator, der mich an die 12 Quadratmeter Studentenwohnheimzimmer erinnert. Stickig-stinkig, aber meine ersten eigenen 4 Wände.“

sz° „Aus der brennenden Wohnung flüchte ich mit meinen zwei Wellensittichen und Fotoalben aus meiner Kindheit und Jugend. Das Leben als höchstes Gut und manche Erinnerungen, konserviert in Bildern, muss bewahrt werden.“


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kb° „Als Erstes würde ich natürlich zusehen, dass die Menschen, die mir etwas bedeuten, in Sicherheit sind! Ich würde aber auch die Dinge retten, die für mich unersetz-

ms°

bar sind, wie zum Beispiel das Fotoalbum mit meinen Kinderfotos,

„Unter dem Arm, voll gestopfte

die Briefe, die ich vor einiger Zeit

Kisten mit Fotografien, die ich niemals

von lieben Menschen bekom-

missen möchte. Erinnerungen, die

men habe, und meine alte, verfilzte

ich mir immer wieder anschaue, und

Stoffkatze, die ich als Kind bei

jedes Mal ist es wie eine Zeitreise

einem Wettbewerb für das schönste

zurück. Die Geschichten und die Men-

Kostüm gewann und mit der ich

schen, die sich dahinter befinden,

viele schöne Erinnerungen an meine

sind ein Teil von mir und wenn ich mir

Kindheit verknüpfe.“

die Fotos nicht mehr anschauen könnte, hätte ich Angst, einige dieser schönen Ereignisse zu vergessen. Neben den Kisten halte ich eine Ansammlung von persönlichen Briefen und in der Hand, einen kleinen, grünen, hässlichen Stofffrosch, den mir ein besonders wichtiger Mensch geschenkt hat, damit ich, egal wo, niemals alleine bin. Wenn ich dann noch Zeit hätte, würde ich noch die restlichen Fotoalben, meine alten Dr. Martens, und wenn dann noch Zeit ist, die Kiste mit Zeichnungen, Modellen und anderen Arbeiten aus dem Studium, retten.“

Ileana Soana Gestaltung


ZEITWERT ..............................................................

Ionische N

Vorzeit

600 Mio. – 500 Mio. v. Chr._Kambrium

440 Mio. – 400 Mio. v. Chr._Silur 400 Mio. – 345 Mio. v. Chr._Devon 345 Mio. – 305 Mio. v. Chr._Unterkarbon 305 Mio. – 265 Mio. v. Chr._Oberkarbon 265 Mio. – 220 Mio. v. Chr._Perm 220 Mio. – 180 Mio. v. Chr._Trias 180 Mio. – 135 Mio. v. Chr._Jura 135 Mio. – 110 Mio. v. Chr._Unterkreide 110 Mio. – 70 Mio. v. Chr._Oberkreide

500 S4 400 Plat Demokrit 185 v. Chr. – 109 v. Chr._Panaitios

200 v. Chr. – 500 n. Chr._Römer und andere

500 v. Chr._Griechen

2500 v. Chr._Ägypten und Mesopotamien

4000 v. Chr_Stein, Bronze und Eisenzeit

70 Mio. – 0 Mio. v. Chr._Tertiär

350 Diogen 135 v. Chr. – 50 v. Chr._Poseidonios

500 Mio. – 440 Mio. v. Chr._Ordovizium

Aristoteles 3

300

Epikur

281 – 208 Chrysippos

150 100

C


0

r 342 – 270 200

s

enes 390 – 323 s 384 – 322

Zenon 333 – 262 Kleanthes 331 – 232

Cicero 106 – 43

Seneca 4 v.Chr. – 65 n.Chr.

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14 n. Chr._Tod des Augustus

8 n. Chr._Ovid, Metamorphoses

2_Augustus Pater Patriae. Augustus-Forum

ca. 1_Ovid, Ars amatoria

8_Horazens Tod

17_Saecularfeier; Horazens Carmen saeculare 13 – 9_Ara Pacis

18_Lex Iulia de maritandis ordinibus

19 (spätestens 17)_Tod Vergils und Tibulls

20_Horaz, Episteln, Buch 1

23_Tod des Marcellus. Horaz, Carmina, Buch 1 – 3

26_Selbstmord des Cornelius Gallus

28_Weihung des Apollotempels auf dem Palatin 27_ Augustus-Titel. Agrippa beginnt den Bau des Pantheons

ca. 29 – 19_Vergils Aeneis

31_Schlacht bei Actium

42 – 35_Vergils Eklogen 41 – 40_Perusinischer Krieg ca. 39 – 29_Vergils Georgica

42_Schlacht bei Philippi

ca. 43 v. Chr. – 14 n. Chr._Augusteische Zeit

97 v. Chr. – 54 v. Chr._Lucretius

Pythagoras 570 – 500 Heraklit 550 – 480 450 Sophisten Sokrates 470 – 399 aton 427 – 347 460 – 370

Naturphilosophen RHIZOM 02 12 | 13


[1] Ita fac, mi Lucili: vindica te tibi, et t e subripiebatur aut excidebat collige etser quaedam tempora eripiuntur nobis, qu a Turpissima tamen est iactura quae perne magna pars vitae e labitur male agent aliud agentibus. [2] Quem mihi dabis qu

500 - 1000_Etrusker und andere

Er verfasste nicht nur ein vielseitiges Werk in Prosa, sondern auch Dichtung. Er war der vielseitigste Autor der frühen Kaiserzeit, der als Stoiker ebenso Trost- und Mahnschriften, Abhandlungen und Briefe wie Tragödien und eine Satire geschrieben hat. Wenn er über die Zeiten hinweg auch vor allem durch seine philosophischen Schriften gewirkt hat und weiterhin Wirkung erzielt, so haben doch auch seine Tragödien seit Beginn der Neuzeit das europäische Drama, insbesondere in den romanischen Ländern, stark beeinflusst. In ihnen zeigt er auf, zu welch grausamen Handlungen Menschen fähig sind, die von einer unheilvollen Lust am Bösen angetrieben werden. Hierzu wählte er große Gestalten der griechischen Tragödie wie Medea oder Ödipus aus. Während er sich in der Wahl der Stoffe der Tradition verpflichtet fühlte, charakterisierte er seine Gestalten entsprechend dem Geschmack der Zeit. Durch die Darstellung von affektbetonten, oftmals schaurigen Handlungen wollte er die Leser beeindrucken.

65 n. Chr._Seneca entging der Hinrichtung durch Selbstmord

65 n. Chr._Nero beschuldigt Seneca der Verschwörung und verurteilt ihn zum Tode

62 n. Chr._Seneca zieht sich aus der Politk zurück

54 n.Chr._Seneca übernahm die Verwaltung des Römischen Reiches, da Nero für die Regierung noch zu jung war. Die Zeit unter Seneca (5 Jahre) galten als eine goldenen Zeit

Seneca

aestimet, qui intelleg mortem prospicimus: aetatis retro est mors scribis, omnes horas c pendeas, si hodierno transcurrit. Omnia, Luc est; in huius rei unius nos misit, ex qua exp mortalium est ut q reparabilia, imputari s iudicet quicquam deb unum est quod ne gr gabis fortasse quid eg ingenue: quod apud lu constat impensae. No perdam et quare paupertatis meae red suo vitio ad inopiam re [5] Quid ergo est? non superest sat est; tu ta incipies. Nam ut visum in fundo est'; non enim remanet.Vale. SENECA, E


t empus quod adhuc aut auferebatur aut serva. Persuade tibi hoc sic esse ut scribo: u aedam subducuntur, quaedam effluunt. neglegentiam fit. Et si volueris attendere, ntibus, maxima nihil agentibus, tota vita

qui aliquod pretium tempori ponat,qui diem egat se cotidie mori? In hoc enim faquod us: magna pars eius iam praeterit; quiquid ors tenet. Fac ergo, mi Lucili, quod facere te s complectere; sic fiet ut minus ex crastino no manum inieceris. [3] Dum differtur vita Lucili, aliena sunt, tempus tantum nostrum Vom Wert der Zeit us fugacis ac lubricae possessionem natura expellit quicumque vult. Et tanta stultitia quae minima et vilissima sunt, certe ri sibi cum impetravere patiantur, nemo se ebere qui tempus accepit, cum interim hoc gratus quidem potest reddere.[4] Interro ego faciam qui tibi ista praecipio. Fatebor luxuriosum sed diligentem evenit,ratio mihi Non possum dicere nihil perdere, sed quid e et quemadmodum dicam; causas eddam. Sed evenit mihi quod plerisque non m redactis: omnes ignoscunt,nemosuccurrit. non puto pauperem cui quantulumcumque tamen malo serves tua, et bono tempore um est maioribus nostris, 'sera parsimonia nim tantum minimum in imo sed pessimum Aus: Michael von Albrecht_Meister römischer Prosa. Von Cato bis Apuleius

Recht so, mein Lucilius: Nimm dein Leben für Dich selbst in Anspruch und halte deine Zeit sorgfältig zusammen, die dir bisher weggenommen oder heimlich entwendet wurde oder entglitt. Sei überzeugt, dass es sich so verhält , wie ich schreibe: Manche Stunden werden uns entrissen, manche heimlich entzogen, manche entschwinden uns. Am schimpflichsten ist freilich der Verlust aus Nachlässigkeit. Und wenn du acht geben willst: ein großer Teil unseres Lebens entrinnt uns, indem wir Schlechtes tun, der größte Teil, indem wir nichts tun. Wen kannst du mir nennen, der der Zeit einen wirklichen Wert beimißt, der den Tag zu schätzen weiß, der begreift, dass er täglich stirbt? Darin nämlich täuschen wir uns, dass wir den Tod vor uns sehen: Ein großer Teil von ihm ist schon vergangen. Alles, was von unserer Lebenszeit hinter uns liegt, hat der Tod. Tu also, mein …, was du, wie du

schreibst bereits tust: Ergreife Besitz von allen Stunden. So wirst du vom morgigen Tag weniger abhängen, wenn du auf den heutigen die Hand gelegt hast. Während man das Leben aufschiebt, eilt es vorüber. Alles, mein …, gehört anderen, nur die Zeit uns. Die Natur hat uns in den Besitz dieser einen dahinschwindenden, flüchtigen Sache gesetzt, aus dem uns vertreiben kann, wer immer es will. Und so groß ist die Torheit der Menschen, dass sie sogar die kleinsten und wertlosesten Dinge, die man doch sicher wieder ersetzen kann, als Schuld aufrechnen lassen, wenn sie sie von jemand erlangt haben, dass aber niemand glaubt, er sei etwas schuldig, der Zeit bekommen hat, wo doch dies das Einzige ist, was er nicht zurückgeben kann, selbst wenn er dankbar ist. Du wirst vielleicht fragen, was ich denn tue, der ich dir diese Vorschriften mache. Ich will es dir offen bekennen: Was

bei einem Mann geschieht, der zwar auf großem Fuße lebt, aber gewissenhaft ist: Die Buchführung über meine Ausgaben ist in Ordnung. Ich kann nicht behaupten, dass ich nichts verliere, aber ich werde sagen, was ich verliere, warum und wie; ich werde über die Ursachen meiner Armut Rechenschaft ablegen. Aber letzten Endes geht es mir wie den meisten, die ohne eigene Schuld mittellos geworden sind: Alle zeigen Verständnis, aber keiner kommt zu Hilfe. Was hat es also damit auf sich? Ich halte den nicht für arm, dem das bisschen, was ihm bleibt, genügt. Dass du aber das Deine bewahrst, das will ich lieber; und du wirst zur rechten Zeit anfangen, denn, wie unsere Vorfahren meinten: Zu spät kommt die Sparsamkeit, wenn man auf dem Grunde angelangt ist. Denn nicht nur das Wenigste, sondern auch das Schlechteste bleibt ganz unten zurück. Leb wohl.

A, EPISTULAE MORALES AD LUCILIUM 1

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550

700

600 Walter

Motette

Percifal/Parsival

Dreistimmigkeit

Carmina Burana

Arabesken

Karl V. Martin Luther

Giovanni Gabrieli

Bonner Münster

Die Päpste

Manessische Handschrift

Vokalpolyphonie

Kirchenmusik zur Repräsentation

Die Medici

Tenor und Cantus Francois Villon

1270 – 1450/1500_Spätmittelhochdeutsche Literatur

Ars Antiqua

Oswald

Hildegard von Bingen

Opera

J. S. Bach

1797 – 1848_Vormärz

Wolfgang Amadeus Mozart

Annette von Droste-Hülshoff Robert Schumann Fanny Hensel Clara Schumann Ludwig Uhland Heinrich Heine Franz Schubert Joseph Freiherr von Eichendorf

Ludwig van Beethoven

Johann Wolfgang von Goethe

Friedrich Schiller

Wenn ich es jemandem erklären will, der fragt, weiß ich es nicht.

1749 – 1827_Klassik , Sturm und Drang

Sinfonia

1600 – 1720_Frühe Neuzeit II_Barock-Literatur

Monteverdi und die Oper Monodie

Unsere Zeit ist so aufregend, dass man die Menschen eigentlich nur noch mit Langeweile schocken kann.

1720 – 1800_Frühe Neuzeit III_Literatur der Aufklärung und des Sturm und Drang

Gotthold Ephraim Lessing

1650 – 1750_Spätbarock

Martin Opitz

Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand fragt, weiß ich es.

1550 – 1650_Frühbarock

Augustinus 354 – 430

Heinrich Schütz

200

Grimmelshausen

250

Samuel Beckett

150

um 1500 – 1600_Frühe Neuzeit I_Literatur des Humanismus und der Reformationszeit

1500 – 1558_Spätrenaissance

Familie Fugger

Figurasatz

Bicinium

Gregorianik

Ars Nova

Maria Laach

Kölner Dom

1400 – 1500_Renaissance

1300 – 1400_Gotik

1200 – 1300_Romanik

1170 – 1250_Spätmittelalter

Boethius 480 – 524

Kreuzzüge

Hochmittelalter

1000 – 1170_Frühmittelalter

1070 – 1270_Mittelhochdeutsche Literatur

350

Guido von Arezzo

450 Antiphonale Praxis

400

700 – 1070_Althochdeutsche Sprachdenkmäler

Confessiones, XI 14

ZEITWERT ..............................................................

Epiktet 50 – 138

Marc Aurel 121 – 180

Dreifach ist der Zug der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft herangezogen, pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, ewig still steht die Vergangenheit.


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Woodstock

Frank Zappa

1960 – 1969_Sechziger

Rock ´n Roll

Stones

Beatles

Kommune

Aus: Anthony Grafton, Cardanos Cosmos, Berlin 1999, S. 8

Nichts unter allen Dingen ist ihr eigen, und doch ist alles in ihr; und sie ist immer bei allem. Sie schafft alles und vernichtet alles, aus ihr entspringt das Leben, aber auch der Tod. So lang sie sich in der Erwartung dehnt, so kurz ist sie in der Erinnerung. Obwohl sie uns ständig begleitet, bleibt sie uns immer fremd. Und obwohl es so viel davon gibt, ist jeder Augenblick unwiederbringlich und unersetzlich. Daher ist der Verlust an Zeit bedeutender und zugleich gewöhnlicher als irgendein anderer Verlust, den wir erleiden können.

Brecht

1950 – 1959_Fünfziger

Wolfgang Borchert

Heinrich Böll

Karlhein Stockhausen

Papa

Günter Grass

1945 – 1949_Nachkriegszeit

1933 – 1945_NS-Zeit

Carl Orff

Paul Klee

Mama

Kurt Tucholsky

Stephen Hawking

Comedian Harmonists Oma Edith

Mascha Kaléko

Leonard Bernstein Berio

Astrid Lindgren

Opa Wilhelm Karlheinz Stockhausen

1921 – 1932_Berlin und Weimar

1900 – 2000_Zwanzigstes Jahrhundert

Vincent van Gogh

1890 – 1930_Expressionismus

Wir können sehen wie eine Tasse vom Tisch fällt und in Scherben geht, aber wir werden niemals sehen, wie sich eine Tasse zusammenfügt und auf den Tisch zurückspringt. Diese Zunahme der Unordnung oder Entropie unterscheidet die Vergangenheit von der Zukunft und verleiht der Zeit auf diese Weise eine Richtung.

Michael Ende

Erich Kästner

Egon Schiele Igor Strawinsky

Thomas Mann

1890 – 1918_Kaiserzeit

Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit.

Else Lasker-Schüler

Emil Nolde

Erich Kästner

Gustav Mahler

1840 – 1870_Spätromantik

Gustav Klimt

Arthur Honegger

1870 – 1920_Fin de siécle / Jugendstil

Arnold Böcklin

Mein Reich ist klein und unbeschreitbar weit. Ich bin die Zeit. Ich bin die Zeit, die schleicht und eilt, die Wunden schlägt und Wunden heilt. Habe weder Herz noch Augenlicht. Ich trenn die Guten und Bösen nicht. Ich hasse keinen, keiner tut mir leid. Ich bin die Zeit.

Camille Claudel

Anton Bruckner

Claude Monet

1840 – 1870_Impressionismus

1797 – 1856_Frühromantik

Edouard Manet

Richard Wagner

Johannes Brahms

Johann Wolfgang von Goethe

Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit sind uns ein Buch mit sieben Siegeln. Was Ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grunde unser eigner Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln.


Nina

2006_

Luca Antoine

Sex

heute

sie

wir du

Madonna

ich

Angela Merkel

Schröder

Kalter Krieg

Gordon

Amerikanismus Schmiddi Diana Linda

Pink Floyd

Bruce Springsteen

Maurice Grunge

Yes

Kagel

betriebszeiten zeit zeit schlafenszeit schonzeit schulzeit studienzeit siegerzeit silberhochzeit sommerzeit sonnenzeit sonntagszeitung spielzeit stammzeit standardzeit standzeit startzeit zeit steinzeit sternzeit stillzeit stückzeitakkord systemzeit sturmzeit spargelzeit sperrzeit strafzeit sprechzeiten stempelzeit zeit schnupfenzeit abendzeit auszeit abendzeitung abfahrtszeit zeit zeit abflugszeit abrechnungszeiten abschreibungszeitraum allerödzeit altersteilzeit altsteinzeit amtszeit anbetungszeiten anfangszeiten ankunftszeit arbeitszeit arbeitszeitkonto vorwärmzeit arbeitszeitvermittlung arbeitszeitvertrag atomzeit atomzeitalter auftauzeit ausbildungszeit ausfallzeiten ausführungszeit auslaufzeit adventszeit amtszeit aufklärungszeit ankunftszeit eiszeit ortszeit osterzeit öffnungszeiten oberkreidezeit jagdzeitenverordnung jahreszeit jungsteinzeit jederzeit jurazeit garantiezeit garzeit gedenkzeit geniezeit gerinnungszeit gezeiten zeittakt zeit gezeitenarme gezeitenkraftwerk gezeitenkräfte gezeitenreibung gezeitenströmung glanzzeit gleichzeitig gleitzeit goldhochzeit grippezeit geschäftszeiten glanzzeit wahlzeit warmzeit zeit wartezeit wassermannzeitalter wehrdienstzeit weichseleiszeit weihnachtszeit weltzeit weltzeituhr wiederbeschaffungszeit zeit wikingerzeit winterzeit wochenzeitung würmeiszeit weckzeit mahlzeit maschinenzeitalter mehrzeitformen melkzeit mittagszeit mittelsteinzeit metallsteinzeit morgenzeit morgenzeitung muromachi-zeit nachhallzeit nachkühlzeit nachlaufzeit nachtzeit nara-zeit nationalzeit nebenzeit neuzeit normalzeit nachkriegszeit nacheiszeit parkzeit pausenzeit perihelzeit periodenzeit pflanzzeit pluvialzeit probezeit produktionszeit fachzeitschrift zeit fahrzeit familienzeitschrift fastenzeit fehlzeiten feldzeit ferienzeit feststellungszeitpunkt flugzeit freizeit freizeitpark freudenzeit friedenszeiten frühzeit frühzeitig fütterungszeit ferienzeit tageszeit tageszeitung taktzeit tauchzeit teilzeit teilzeitbeschäftigter todeszeitpunkt tragzeit trockenzeit trocknungszeit traumzeit teezeit trauerzeit raum-zeit-gefüge raum-zeit-kontinuum raum-zeit-krümmung raumzeit reaktionszeit rechtzeitig refresh-zeiten regelstudienzeit regenzeit regierungszeit reifezeit reisezeit restlaufzeit restzeit richtzeit rollzeit rotationszeit ruhezeit rundenzeit rüstzeit reformationszeit refraktärzeit uhrzeit ultrakurzzeitgedächtnis umlaufzeit unterbrechungszeit unterrichtszeit unzeit urlaubszeit urnenfelderzeit urzeit übungszeit vorlaufzeit unterkreidezeit hafenzeit halbwertszeit halbzeit hallstattzeit haltezeit hauptreisezeit hauptwaschzeit heian-zeit herbstzeitlose hilfszeitwort hochzeit hubble-zeit hungerszeiten laufzeit zeit ladenschlusszeiten lagerzeit landeszeit Landezeit langzeitgedächtnis langzeitparker latenzzeit laufzeit laufzeiteffekt laufzeitfehler laufzeitröhren lebenszeit lehrzeit leidenszeit lichtzeit zeit liegezeit leerzeit lieferzeit inkubationszeit innovationszeit zeit zeitabbruch zeitabgleich zeitablauf zeitakkord zeitalter zeitansage zeitarbeit zeitartig zeitaufteilung zeitbegriff zeitbeschränkung echtzeitverfahren eigenzeit einheitszeit erziehungszeiten einlaufzeiten einwirkzeit eisenbahnzeit eisenzeit eiszeit elementarzeit elternzeit empfängniszeit endzeit endzeitalter zeit zeit zeit zeitbestimmung zeitblase zeitbombe zeitbrücke zeitdauer zeitdilatation zeitdruck zeiteinheit zeiteinteilung zeitempfinden zeiten zeitenfolge zeitenwende zeiterfassung zeiterscheinung zeit entstehungszeitraum entwicklungszeit ephemeridenzeit erdzeitalter erntezeit ersatzzeiten erziehungszeiten kaiserzeit kalkulationszeitpunkt kaltzeit kampfzeit karenzzeit karnevalszeit zeit zeitersparnis zeitfahren zeitfehler zeitfenster zeitform zeitfrage zeitfrist zeitgeber zeitgefüge zeitgefühl zeitgeist zeitgeisterscheinung zeitgemäß zeitgenosse zeitgeschehen zeitgeschichte kernzeit kinderzeit kochzeit kontaktzeit kriegszeiten kupferzeit kurzzeitgedächtnis kurzzeitparker kurzzeitphysik kaffeezeit kurzzeitig kinozeiten kündigungszeitpunkt kaltzeit kontaktzeit zeit zeitgesteuert zeitgewinn zeitgleich zeitgleichung zeitgrenze zeitkarte zeitkonto zeitkritik zeitkritisch zeitlich zeitlimit zeitlohn zeitlos zeitlose zeitlupe zeitmanagement zeitmaschine zeitmaß kreidezeit bauzeit bearbeitungszeit bedenkzeit behandlungszeit beitragszeiten belegzeiten belichtungszeit bemessungszeitraum berechnungszeitraum bereitschaftszeit besuchszeiten zeit zeitmessung zeitnehmer zeitparadoxon zeitperiode zeitplan zeitpunkt zeitraffer zeitraum zeitrechnung zeitreihen zeitreihenfolge zeitreise zeitrelais zeitrente zeitreserve zeitschalter vorzeitig betriebszeit bewährungszeit bezugszeitpunkt blockzeit bordzeit brennzeit bronzezeit brotzeit brunftzeit balzzeit bearbeitungszeit backzeit beatmungszeit besuchszeiten brutzeit zeit zeit zeit zeitschaltuhr zeitschiene zeitschleife zeitschloss zeitschrift zeitschritt zeitsignaturen zeitsinn zeitskala zeitsoldat zeitspanne zeitspiel zeitsprung zeitstrafe zeitstrahl zeittafel zeittakt zeitblase betriebszeiten zeit zeit schlafenszeit schonzeit schulzeit studienzeit siegerzeit silberhochzeit sommerzeit sonnenzeit sonntagszeitung spielzeit stammzeit standardzeit standzeit startzeit zeit zeitumkehr zeitumstellung zeitung zeitvergleich zeitverlust zeitverschiebung zeitverschwendung zeitversetzt zeitvertrag zeitvertreib zeitverzug zeitvorgabe zeitvorsprung zeitvortrag zeit zeit steinzeit sternzeit stillzeit stückzeitakkord systemzeit sturmzeit spargelzeit sperrzeit strafzeit sprechzeiten stempelzeit zeit schnupfenzeit abendzeit auszeit abendzeitung abfahrtszeit zeit zeit zeitwaage zeitweilig zeitweise zeitwert zeitwort zeitzeichen zeitzeuge zeitzonen zeitzünder zeitüberbrückung zeitüberlauf zeitüberschneidung zeitüberschreitung zerfallszeit ziehungszeiten abflugszeit abrechnungszeiten abschreibungszeitraum allerödzeit altersteilzeit altsteinzeit amtszeit anbetungszeiten anfangszeiten ankunftszeit arbeitszeit arbeitszeitkonto vorwärmzeit zirkulationszeit zonenzeit zugriffszeit zulu-zeit zwischeneiszeit zwischenzeitlich zündzeitpunkt verdopplungszeit verfallszeit verschlusszeit versicherungszeiten verteilzeit vertragslaufzeit arbeitszeitvermittlung arbeitszeitvertrag atomzeit atomzeitalter auftauzeit ausbildungszeit ausfallzeiten ausführungszeit auslaufzeit adventszeit amtszeit aufklärungszeit ankunftszeit eiszeit verweilzeit verzögerungszeit volkszeitung vollzeit vollzeitbeschäftigung vorlaufzeit vorwaschzeit vorwärmzeit vorzeitig vorlesungszeiten ortszeit osterzeit öffnungszeiten oberkreidezeit jagdzeitenverordnung jahreszeit jungsteinzeit jederzeit jurazeit garantiezeit garzeit gedenkzeit geniezeit gerinnungszeit gezeiten zeittakt zeit gezeitenarme gezeitenkraftwerk gezeitenkräfte gezeitenreibung gezeitenströmung glanzzeit gleichzeitig gleitzeit goldhochzeit grippezeit geschäftszeiten glanzzeit wahlzeit warmzeit zeit wartezeit wassermannzeitalter wehrdienstzeit weichseleiszeit weihnachtszeit weltzeit weltzeituhr wiederbeschaffungszeitwert wikingerzeit winterzeit wochenzeitung würmeiszeit weckzeit mahlzeit maschinenzeitalter mehrzeitformen melkzeit mittagszeit mittelsteinzeit metallsteinzeit morgenzeit morgenzeitung muromachi-zeit nachhallzeit nachkühlzeit nachlaufzeit nachtzeit nara-zeit nationalzeit nebenzeit neuzeit normalzeit nachkriegszeit nacheiszeit parkzeit pausenzeit perihelzeit periodenzeit pflanzzeit pluvialzeit probezeit produktionszeit fachzeitschrift zeit

vorzeit betriebszeit bewährungszeit bezugszeitpunkt bordzeit brennzeit bronzezeit brotzeit brunftzeit balzzeit bearbeitungszeit backzeit beatmungszeit besuchszeiten brutzeit zeit zeit zeit

1980-2002_Neo

ich

1970 – 1979_Siebziger

Dirk

APO

ZEITWERT ..............................................................


jetztzeit

vorlaufzeit vorwaschzeit vorwärmzeit vorzeitig vorlesungszeiten bereitschaftszeit besuchszeiten zeit jahreszeit freizeit

verweilzeit verzögerungszeit volkszeitung vollzeit vollzeitbeschäftigung

zeiterfallszeit verschlusszeit versicherungszeiten verteilzeit vertragslaufzeit

kernzeit kinderzeit kochzeit kontaktzeit kriegszeiten kupferzeit kurzzeitgedächtnis kurzzeitparker kurzzeitphysik kaffeezeit kurzzeitig kinozeiten kündigungszeitpunkt kontaktzeit zeit zeit

entstehungszeitraum entwicklungszeit ephemeridenzeit erdzeitalter erntezeit ersatzzeiten erziehungszeiten kaiserzeit kalkulationszeitpunkt kaltzeit kampfzeit karenzzeit karnevalszeit zeit

verweilzeit verzögerungszeit volkszeitung vollzeit vollzeitbeschäftigung vorlaufzeit vorwaschzeit vorwärmzeit vorzeitig vorlesungszeiten bereitschaftszeit besuchszeiten zeit jahreszeit freizeit entstehungszeitraum entwicklungszeit ephemeridenzeit erdzeitalter erntezeit ersatzzeiten erziehungszeiten kaiserzeit kalkulationszeitpunkt kaltzeit kampfzeit karenzzeit karnevalszeit zeit kernzeit kinderzeit kochzeit kontaktzeit kriegszeiten kupferzeit kurzzeitgedächtnis kurzzeitparker kurzzeitphysik kaffeezeit kurzzeitig kinozeiten kündigungszeitpunkt kaltzeit kontaktzeit zeit kreidezeit bauzeit bearbeitungszeit bedenkzeit behandlungszeit beitragszeiten belegzeiten belichtungszeit bemessungszeitraum berechnungszeitraum bereitschaftszeit besuchszeiten zeit

mahlzeit maschinenzeitalter mehrzeitformen melkzeit mittagszeit mittelsteinzeit metallsteinzeit morgenzeit morgenzeitung muromachi-zeit nachhallzeit nachkühlzeit nachlaufzeit nachtzeit nara-zeit nationalzeit nebenzeit neuzeit normalzeit nachkriegszeit nacheiszeit parkzeit pausenzeit perihelzeit periodenzeit pflanzzeit pluvialzeit probezeit produktionszeit fachzeitschrift zeit fahrzeit familienzeitschrift fastenzeit fehlzeiten feldzeit ferienzeit feststellungszeitpunkt flugzeit freizeit freizeitpark freudenzeit friedenszeiten frühzeit frühzeitig fütterungszeit ferienzeit tageszeit tageszeitung taktzeit tauchzeit teilzeit teilzeitbeschäftigter todeszeitpunkt tragzeit trockenzeit trocknungszeit traumzeit teezeit trauerzeit raum-zeit-gefüge raum-zeit-kontinuum raum-zeit-krümmung raumzeit reaktionszeit rechtzeitig refresh-zeiten regelstudienzeit regenzeit regierungszeit reifezeit reisezeit restlaufzeit restzeit richtzeit rollzeit rotationszeit ruhezeit rundenzeit rüstzeit reformationszeit refraktärzeit uhrzeit ultrakurzzeitgedächtnis umlaufzeit unterbrechungszeit unterrichtszeit unzeit urlaubszeit urnenfelderzeit urzeit übungszeit vorlaufzeit unterkreidezeit hafenzeit halbwertszeit halbzeit hallstattzeit haltezeit hauptreisezeit hauptwaschzeit heian-zeit herbstzeitlose hilfszeitwort hochzeit hubble-zeit hungerszeiten laufzeit zeit ladenschlusszeiten lagerzeit landeszeitl landezeit langzeitgedächtnis langzeitparker latenzzeit laufzeit laufzeiteffekt laufzeitfehler laufzeitröhren lebenszeit lehrzeit leidenszeit lichtzeit zeit liegezeit leerzeit lieferzeit inkubationszeit innovationszeit zeit zeitabbruch zeitabgleich zeitablauf zeitakkord zeitalter zeitansage zeitarbeit zeitartig zeitaufteilung zeitbegriff zeitbeschränkung zeitbestimmung zeitblase zeitbombe zeitbrücke zeitdauer zeitdilatation zeitdruck zeiteinheit zeiteinteilung zeitempfinden zeiten zeitenfolge zeitenwende zeiterfassung zeiterscheinung zeit zeitersparnis zeitfahren zeitfehler zeitfenster zeitform zeitfrage zeitfrist zeitgeber zeitgefüge zeitgefühl zeitgeist zeitgeisterscheinung zeitgemäß zeitgenosse zeitgeschehen zeitgeschichte zeitgesteuert zeitgewinn zeitgleich zeitgleichung zeitgrenze zeitkarte zeitkonto zeitkritik zeitkritisch zeitlich zeitlimit zeitlohn zeitlos zeitlose zeitlupe zeitmanagement zeitmaschine zeitmaß zeitmessung zeitnehmer zeitparadoxon zeitperiode zeitplan zeitpunkt zeitraffer zeitraum zeitrechnung zeitreihen zeitreihenfolge zeitreise zeitrelais zeitrente zeitreserve zeitschalter vorzeitig zeitschaltuhr zeitschiene zeitschleife zeitschloss zeitschrift zeitschritt zeitsignaturen zeitsinn zeitskala zeitsoldat zeitspanne zeitspiel zeitsprung zeitstrafe zeitstrahl zeittafel zeittakt zeitblase zeitumkehr zeitumstellung zeitung zeitvergleich zeitverlust zeitverschiebung zeitverschwendung zeitversetzt zeitvertrag zeitvertreib zeitverzug zeitvorgabe zeitvorsprung zeitvortrag zeit zeit zeitwaage zeitweilig zeitweise zeitwert zeitwort zeitzeichen zeitzeuge zeitzonen zeitzünder zeitüberbrückung zeitüberlauf zeitüberschneidung zeitüberschreitung zerfallszeit ziehungszeiten zirkulationszeit zonenzeit zugriffszeit zulu-zeit zwischeneiszeit zwischenzeitlich zündzeitpunkt verdopplungszeit verfallszeit verschlusszeit versicherungszeiten verteilzeit vertragslaufzeit

RHIZOM 02 18 | 19

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Sabine Zimmermann Text, Bild & Gestaltung


schwarz wie der Teufel heiß wie die Hölle rein wie ein Engel süß wie die Liebe So

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RHIZOM 02 26 | 27

Der Kaffee hat eine lange Vergangenheit, die durch Sagen,Wahrheiten und Halbwahrheiten begleitet wurde. Es ist allerdings nicht entgültig geklärt, wo sein Ursprung liegt. Die Ureinwohner zermahlten die Kaffeekirschen zu einem Brei und fügten ihm tierisches Fett zu. Die Masse wurde zu kleinen Bällen geformt und verlieh den Kriegern Energie für den Kampf. Zu dieser Zeit wurde die anregende Eigenschaft des Kaffees auf religiöse Ursprünge zurückgeführt. Dem Getränk,das vorerst Priestern und Ärzten vorbehalten war,haftete etwas Mystisches und Geheimnisvolles an. Es gibt zwei bekannte Legenden zu der Entdeckung der geheimnisvollen Kaffeebohne. Der ersten Legende nach beobachtete ein Ziegenhirte, dass seine Herde nach dem Genuss roter Kirschen einer wilden Kaffeepflanze lebhafter wurde. Nachdem er die Kirschen selbst probiert hatte und die stimulierende Wirkung des Kaffees langsam einsetzte, sahen Mönche den Hirten mit seinen Ziegen tanzen. Bald danach begannen die Mönche die Kaffeebohnen aufzukochen – sie verwendeten das Gebräu, um während der nächtelangen Gebete und Zeremonien wach zu bleiben. Der zweiten Legende nach wurde ein islamisches Ordensmitglied von seinen Feinden in die Wüste verdammt. Im verwirrten Zustand hörte der Mann eine Stimme, die ihm befahl die Früchte einer nahe gelegenen Kaffeepflanze zu essen. Zuerst versuchte er die Bohnen im Wasser aufzuweichen, aber als er scheiterte, trank er die Flüssigkeit einfach. Überzeugt davon, dass sein Überleben und seine Kraft ein Zeichen Allahs war, kehrte er zu seinen Leuten zurück und verbreitete seinen Glauben und das Rezept. Wissenschaftler nehmen an, dass der Kaffee aus der abesinischen Provinz Kaffa im heutigen Äthiopien stammt. Jedoch ging, so nimmt man an, die Verbreitung von Arabien aus. Arabien mit seiner Hauptstadt Mekka, dem Zentrum des Islams, wurde somit zur zweiten Heimat des Kaffees. Die Araber gaben ihm auch einen eigenen Namen. Sie bezeichneten das Getränk als „Gahwa“, was so viel wie „das Erregende, Aufstrebende“ bedeutet. Die Türken machten daraus „Kahve“. Und da gläubigen Muslimen der Genuss von alkoholischen Getränken streng untersagt ist, wichen sie gerne auf Kaffee aus, der als ähnlich belebend wie Wein empfunden wurde. Als Kaffee sich in Europa verbreitete, wurde er daher auch „arabischer Wein“ genannt. Die Kultivierung von Kaffee begann im 15. Jahrhundert. Jahrhundertelang war der Jemen die einzige Bezugsquelle für die restliche Welt. Die Nachfrage war groß und die Kaffeebohnen, die das Land über Jemens Hafen Mocha, das heutige Al Mukha verließen, wurden stark überwacht. Keine fruchtbare Pflanze durfte das Land verlassen. Trotz dieser strengen Regelungen gelang es islamischen Pilgern, die nach Mekka zogen, Kaffeepflanzen in ihre Heimat zu schmuggeln. So wurde Kaffee bald auf dem indischen Subkontinent heimisch.Der Kaffee gelangte über Venedig nach Europa, wo Handelsflotten entlang der so genannten „Gewürzroute“ Parfum,Tee,Farbstoffe und Stoffe mit arabischen Händlern austauschten.Viele europäische Händler,die Kaffee weit weg von zu Hause kennen und schätzen gelernt hatten, brachten ihn von ihren Reisen nach Europa mit. Mit der steigenden Nachfrage nach Kaffee wurde klar, dass er auch außerhalb seines Ursprungslandes angebaut werden musste. Im 17. Jahrhundert begannen die Niederländer Kaffee in ihren indonesischen Kolonien anzubauen und die Franzosen waren die Ersten, die Kaffee auf dem amerikanischen Kontinent kultivierten. Heute ist Kaffee nach Erdöl die meistgehandelte Ware der Welt!

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SACHWERT ..............................................................

Der Kaffeebaum hat mit Sicherheit schon in Frühzeiten existiert, geblüht und Früchte getragen. Allerdings dauerte es eine ganze Zeit bis zur Veredlung der Kaffeebohne durch den Röstprozess. Eine andere Art der Veredelung hat seine eigene und besondere Geschichte. Sie begann Anfang der neunziger Jahre im Dschungel Indonesiens, auf den Inseln Sumatra, Java und Sulavesi. Dort sind die Palmenroller beheimatet, auch als Fleckenmusang bekannt. Sie sind eine Unterart der Zibetkatzen aus der Familie der Schleichkatzen. Diese nachtaktiven Baumbewohner galten zunächst als Ernteschädlinge, da sie gerne in den Plantagen und Obstgärten schmausen gingen. Mit größter Vorliebe kletterten sie auf die Kaffeebäume um die besonders reifen Kaffeekirschen zu verspeisen. Sie sind allerdings nicht in der Lage die harten Bohnen zu verdauen und somit scheiden sie diese unversehrt aus. Aus der Notlage heraus sammelten die Kaffeebauern die unverdauten „Reste“ vom Erdboden auf, säuberten und rösteten sie anschließend. Die Suche nach den begehrten Ausscheidungen ist nicht schwer, denn die Katze verrichtet ihre Geschäfte immer an der gleichen Stelle. So entstand die Kaffeesorte Namens Kopi Luwak. Das Wort Kopi steht für Kaffee und als Luwak werden die Tiere bezeichnet, die, wie beschrieben, an der Produktion des Kaffees beteiligt sind. Auch auf dem internationalen Markt werden die Bohnen angeboten. In Vietnam,dem weltweit zweitgrößten Kaffeeproduzenten, bietet die Rösterei Trung Nguyen eine Mischung an, in der Zibetbohnen enthalten sind. Auf den Philippinen gehörte eine Zibetmischung zum Sortiment des Old Manila Coffee Haus,doch gingen die Lieferungen in letzter Zeit zurück,wie Finanzchefin Ellen Tuason erklärt: „Einige unserer Kunden hielten die Sorte für ein potenzsteigerndes Mittel, sie riecht stark nach Kaffee, aber anders. Sie hat einen besonderen Geruch und Geschmack“. Sowohl der besondere Geschmack als auch die Geschichte, die dahinter steckt, sorgen für die Vermarktung des Kopi Luwak. Mitunter drückt auch der Preis die Besonderheit dieser Kaffeesorte aus, denn das Kilo Bohnen kostet bis zu 1000 Euro. Aber wenn man bedenkt, dass pro Jahr nur rund 200 Kilogramm der begehrten Kopi-Luwak-Bohnen auf den Weltmarkt kommen,ist der Preis auch gerechtfertigt.Schließlich ist die Mitarbeit der Schleichkatze hier unerlässlich. In der westkanadischen Küstenstadt Vancouver reißen sich die Kaffeeverrückten um Kopi Luwak. 600 kanadische Doller kostet ein Pfund dieser Sorte.„Für die Leute ist es ein Statussymbol“ meint Leana Ring,Leiterin des Supermarktes Urban Fare in Vancouver. Als der für Urban Fare verantwortliche Marketingfachmann Nic Roggeman von dem exotischsten Kaffee der Welt hörte, hielt er es für einen Scherz. Mittlerweile beschreibt er ihn als „sehr würzig mit einem leichten Karamellgeschmack“. Andere entdecken Untertöne von Dschungel und Schokolade.Jedenfalls war die erste Lieferung bei Urban Fare nach einer Woche ausverkauft.


RHIZOM 02 28 | 29

William Shakespeare

Jedes Ding wird mit mehr Genuss gejagt als

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SACHWERT ..............................................................

genossen

Wodurch entsteht nun der einzigartige Geschmack und das Aroma? Das Gleiche hat sich der Lebensmittelchemiker Massimo Marcone von der University of Guelph in der Kanadischen Provinz Ontario gefragt. „Wenn Kaffeekirschen durch den Verdauungstrakt geschickt werden, durchlaufen sie praktisch einen Nassprozess“, erklärt Markone. „Im Magen werden sie angesäuert und schließlich durch die natürliche Mikroflora im Darm, hauptsächlich Milchsäurebakterien, fermentiert. Das dürfte den einzigartigen Geschmack erklären“. Er untersuchte die Kopi-Luwak-Bohnen bei 10.000facher Vergrößerung und entdeckte winzige Kratzer auf ihrer Oberfläche, die bei der herkömmlichen Bohne fehlten. Marcone fand heraus, dass die Verdauungsenzyme Proteine abbauen, die im Darm teilweise aus den Bohnen herausgelöst werden. „Da nicht nur Koffein, sondern auch die Proteine Kaffee bitter machen, ergibt eine geringere Menge an Proteinen einen milderen Kaffee“. Die verbleibenden Abbauprodukte produzieren während des Röstvorgangs zusätzliche Aromastoffe. Genau das schätzen die Kopi-LuwakFans an ihrem Lieblingsgetränk. Kopi Luwak ist also keineswegs nur ein Marketing-Gag. „Die chemische Analyse zeigt uns,warum dieser Kaffee anders schmeckt“, sagt Marcone.Zudem bietet das Aromaprofil eine Möglichkeit,Kaffeebohnen zu identifizieren, „die eindeutig durch den Darm einer Schleichkatze gegangen sind“.Denn die Bohnen, die als Kopi Luwak angeboten werden, sind bis zu 50 Prozent gewöhnliche Kaffeebohnen. Diese Art der Nassfermentierung ist der Kaffeeindustrie schon längst bekannt. Dabei werden die Kaffeekirschen eingeweicht; Bakterien auf den Kirschen zersetzen dann das Fruchtfleisch. So entsteht ein besseres Aroma als bei der üblichen Trockenfermentierung. Sogar die beteiligten Mikroorganismen – Milchsäurebakterien seien bei der nassen Fermentierung die gleichen wie im Magen der Schleichkatzen. Dennoch hält Macone eine Kopi-Luwak-Kopie für wenig erstrebenswert. Man würde dann nicht mehr damit angeben können, dass man den seltensten und teuersten Kaffee der Welt trinkt.

Säure Eiweiße Fettstoffe Mineralstoffe Alkaloise (Koffein) Kohlenhydrate Aromastoffe Wasser


RHIZOM 02 30 | 31

17,8 % für Händler und Röster

44,9 % für Steuern, Zölle und Frachtkosten 8,5 % für Plantagenbesitzer

23,7 % für den Einzelhandel

5,1 % für Löhne der Arbeiter

Anna Bratzel Text, Bild & Gestaltung

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WERTVORSTELLUNG ..............................................................

fremde

nahe

ferne

Geister sprechen und zeigen sich, Gott setzt Zeichen, Eltern werden zur richtenden Instanz, Heimat wird zur Sehnsucht, schwarze Katzen bringen Unglück und der Mensch lebt weiter. Die in einer Gesellschaft entwickelten Richtlinien oder Zielvorstellungen bilden zusammen ihr Wertesystem. Jede Kultur hat ihre eigenen Wertvorstellungen und somit ihr eigenes Wertesystem. Andere Länder mit anderen Kulturen und anderen Werten. Haben wir eine Vorstellung davon? Pei-Yu aus Taiwan, Alex aus Peru und Ewelina aus Russland erzählten mir über kulturell geprägte, aber auch eigene persönliche Werte.

Peru, amtl. Republik Peru, liegt in Südamerika an der Küste des Pazifischen Ozeans. In Peru leben ca. 24, 8 Mio. Menschen, davon sind 47% Indianer, 32% Mestizen und 12% Weiße. Die Hauptstadt ist Lima, mit ca. 7,8 Mio. Einwohnern. Gesprochene Sprachen sind Spanisch, Ketschua, und Aymará. Das heutige Peru war das Kernland des Inkareiches (1450-1532), welches von Francisco Pizarro 1532/33 erobert wurde. Erst 1821 wurde die Unabhängigkeit von Spanien ausgerufen. Die Kultur ist einerseits geprägt durch die spanischen Eroberer und den von ihnen mitgebrachten Werten. Andererseits sind besonders in den ländlichen Gebieten viele Traditionen erhalten geblieben. Etwa 95% der Peruaner sind katholisch, eine Folge der teilweise zwangsweisen Missionierung durch die Eroberer. In der Auslebung des Glaubens werden christliche Rituale und Ur-Traditionen vermischt.


RHIZOM 02 40 | 41

Russland, amtl. Russische Föderation-Russland, liegt in Osteuropa und Nordasien und ist der flächenmäßig größte Staat der Erde. Er ist ein Vielvölkerstaat mit ca. 143 Mio. Einwohnern. Ca. 8,3 Mio. leben in der Hauptstadt, Moskau. Die Bevölkerung besteht aus ca. 80% Russen und noch fast 100 anderen Völker. Der größte Teil der Bevölkerung ist russisch-othodox und die Amtssprache ist Russisch. Seit 1991, dem Ende der Sowjetrepublik, ist Russland eine Föderale präsidiale Republik.

Taiwan, amtl. Republik China, ist eine Insel im Pazifik, östlich vor der Küste der Volksrepublik China. Taiwan ist ein chinesischer Staat. Die Einwohnerzahl beträgt ca. 22,3 Mio. Menschen. Davon leben 2,5 Mio. in der Hauptstadt,Taipei. Die Bevölkerung besteht aus 84% Taiwanesen und 14% Festlandchinesen, unter anderem. Die Amtssprache ist chinesisch und die meist gelebte Religion ist der Daoismus und der Buddhismus. International wird die unabhängige Insel nur von wenigen Regierungen als Staat anerkannt. Die Volksrepublik China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz. Taiwan ist im Gegensatz zu der Volksrepublik China schon länger eine Demokratie.

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Taiwan, Taipei Pei-Yu hat noch nie jemanden kennen gelernt, der denselben Namen wie sie hat. In Taiwan setzt man die Namen aus beliebigen Wรถrtern zusammen. Man gibt seinem Kind einen Namen, der aussagt, was man sich von dem Kind erhofft.

WERTVORSTELLUNG ..............................................................

Knospe

RHIZOM 02 000 | 002

Pei-Yu schรถne Jade


Aus ihren Erfahrungen hat sie den Eindruck gewonnen, dass Familie und Freunde für junge Leute in Deutschland gleichermaßen wichtig sind. In Taiwan ist es anders. Dort spielt die Familie die wichtigste Rolle. Die Kinder, in der Regel der älteste Sohn, tragen die Verantwortung für die Familie. Sie als Einzelkind ist selbst zuständig für ihre Eltern. In der taiwanesischen Kultur gibt es ein Wort, welches im Deutschen oderEnglischen nicht existiert. Dieses Wort, „Xiao“ ausgesprochen, bedeutet die gute Einstellung gegenüber den Eltern. Darunter versteht man, dass die Kinder nicht nur für die finanzielle Unterstützung, sondern auch für eine liebevolle und herzliche Versorgung der Eltern im Alter zuständig sind. Der Wert der Familie als Wichtigstes im Leben führt dazu, dass die Meinung der Eltern im Normalfall ehrfürchtig respektiert wird. Es kann dazu kommen, dass man eigene Wünsche aufgrund der Familie verdrängt oder ignoriert. PeiYu verzichtete zwischen dem 13. und dem 17. Lebensjahr auf ihr größtes Hobby, das Zeichnen. Ihre Eltern waren dagegen. Sie dachten, dass sie vom Zeichnen nicht leben kann. Inzwischen „darf“ sie zeichnen und malen. Sie versteht gar nicht, warum sie damals so gehorsam war und auf ihren Traum verzichtet hat. In Taiwan ist die Meinung der Eltern sehr wertvoll. Falls sie nicht eingehalten wird, kann es zu einem Familienbruch kommen. In der Vergangenheit war diese Tradition noch stärker ausgeprägt. Für Pei-Yu hat die Bedeutung von „Xiao“ im Leben seine Vor- und Nachteile. Die älteren Leute werden bei uns, wie ich finde, besser versorgt. Andererseits sind die jungen Menschen aufgrund der engeren Beziehung zu ihren Eltern nicht so selbstständig wie die jungen Leute hier. In Deutschland ist man mutiger, die eigenen Gedanken auszudrücken, und ich finde das sehr gut. Es ist ein Zeichen dafür, dass man keine Angst hat.

Die Religion, die in Taiwan am meisten gelebt wird, ist eine Mischung aus Buddhismus und Daoismus. Nur 5% der Bevölkerung sind katholisch oder evangelisch. Pei-Yu ist evangelisch. Sie kam mit ca. 12 Jahren, nach dem Tod ihrer Großmutter zu dem Glauben. Hierzu erzählte sie mir eine kleine Geschichte: Meine Oma litt an Alzheimer. In dieser Zeit hofften meine Eltern, selbst evangelisch, dass sie auch dem christlichen Glauben beitreten würde. Sie haben vor ihrem Bett das Evangelium gelesen. Dann haben sie meine Oma gefragt: „Möchtest du diesen Gott akzeptieren und an ihn glauben?“ Daraufhin hat sie „ja“ gesagt. Wir waren aber alle nicht sicher, ob sie es wirklich so meinte, weil sie zu dieser Zeit ihre eigene Tochter, also meine Mutter, nicht erkennen konnte. Als sie gestorben war, kam die ganze Familie zusammen, um eine in Taiwan typische Zeremonie durchzuführen. Diese soll dem Toten ermöglichen, aus dem Kreislauf der Wiedergeburt zu entkommen, um ins Nirvana zu gelangen. Es kommen buddhistische Mönche, die Schriften lesen. Beim Lesen werden zwei Bretter aus Holz verwendet, um mit dem Verstorbenen zu kommunizieren. Sie fragten meine Oma: „Hast du die Texte gehört? Du sollst gehen, wohin du gehen sollst. Hast du das gehört?“ und die Bretter werden auf den Boden geworfen. Wenn ein Brett nach oben und eines nach unten zeigt, ist das ein gutes Zeichen, wenn beide nach oben zeigen, bedeutet es, dass man die Götter später fragen soll, und wenn beide nach unten zeigen, ist das ein schlechtes Zeichen. Bei dieser Zeremonie hat man einen ganzen Nachmittag nur die negative Antwort erhalten, obwohl alle, außer meinen Eltern, versucht haben, diese Bretter zu werfen. Rein mathematisch überlegt ist das ziemlich unwahrscheinlich. Wir wurden sogar für kurze Zeit aufgrund der möglichen christlichen Beeinflussung von der Zeremonie weggeschickt. Die Antwort der Bretter war immer noch negativ. In dieser Zeit beteten wir für meine Oma, dass sie bei Gott ist. Als meine Mutter die Bretter werfen sollte, betete sie dabei: „Lieber Gott, wenn meine Mutter bei dir ist, dann zeig es mir.“ Die Antwort der Bretter war positiv. Für Pei-Yu war es eine bemerkenswerte Erfahrung und ab diesem Zeitpunkt hatte sie Interesse an der Bibel. Seitdem begleitet sie der christliche Glaube. Der Glaubensunterschied zwischen ihr und den meisten anderen führt manchmal zu leichten Kommunikationsproble-men. Ihre beste Freundin ist z.B. nicht christlich. Wenn sie Probleme hat, betet sie nicht, sie geht zur Hellseherin. Der Besuch bei einer Hellseherin ist in Taiwan alltäglich. Diese stellt die Verbindung zu Geistern her. Bei uns ehrt man nicht nur die Götter, sondern auch die Gespenster. Man glaubt positive Energien von Geistern zu erhalten und somit Hilfe für eine Entscheidung. Sogar die Polizei sucht in Mordermittlungen Antworten bei Geistern und findet sie auch. Es hört sich zwar unglaublich an, aber es ist sehr oft so, dass, wenn jemand ermordet wurde, ein Familienmitglied von dem Toten träumt. Der Tote sagt ihm, wo sein Körper liegt. So erfährt die Polizei, wo die Leiche sein könnte und findet sie an genau jenem Ort aus dem Traum. Das ist in Taiwan normal.

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Symbol für christlichen Glauben, welches schon im Urchristentum gebraucht wurde.

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Symbol für Gespenst in Taiwan.

Chinesisches Zeichen für Xiao = „gute Einstellung gegenüber den Eltern.”

Pei-Yu, 26, kommt aus der Hauptstadt von Taiwan, aus Taipei. Nach abgeschlossenem Studium der deutschen Literatur entschied sie sich nach Deutschland zu kommen, um zu promovieren. Ein Doktortitel, in einem europäischen Land absolviert, hat in Taiwan einen größeren Wert als ein nationaler Doktortitel. Die Entscheidung fiel auf Münster, weil sie die Stadt mag. Mit 19 Jahren verbrachte sie bereits 6 Monate hier.


Peru, Lima

Alex Die Sonne, als Symbol für Leben, Freude und als ein Gesicht von Gott.

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Der Kondor als Symbol des Hinaufstrebens im Sinne von Spiritualität. Er ist einer der größten Vögel der Erde und lebt hauptsächlich im südamerikanischen Andengebirge. Sein Körper hat eine Länge von 1,1 Meter, und kann ein Gewicht von 12 Kilogramm erreichen. Seine Flügelspannweite beträgt 3,25 Meter. Der Kondor gehört zu den bedrohten Arten auf dieser Erde.

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WERTVORSTELLUNG ..............................................................

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Alex, 23, kommt aus der Hauptstadt von Peru, aus Lima. Dort studierte er bildende Kunst. 2001 kam er nach Deutschland und seit 2003 studiert er Fotografie in Münster.

Teil eines Plakates, Joseph, Maria und Jesus in Indianerkluft darstellend.

Es ist etwas, was auch zu mir gehört, Glauben, Daran-Denken, Nicht-unbedingt-Beschäftigen. Es ist das, was Alex von zu Hause, aus Peru, mitgebracht hat, der Glaube an das Spirituelle. Schon in früher Kindheit hatte Alex eine Begegnung mit einem Geist. Viele Menschen in Südamerika haben solche Erfahrungen. Man hat das Gefühl, die Zeit bleibt stehen, es ist wie im Traum. Alex denkt, dass Geister als Energie wahrnehmbar sind. Wenn eine Person stirbt, dann stirbt der Körper, aber die Energie bleibt. Ich weiß nicht in welchem Zustand. Ich denke diese Energie verbindet sich mit der Energie vom ganzen Universum. In irgendeiner Form ist diese Energie immer da. Von Energien kann man viel lernen. Man hat vielleicht mehr Vertrauen in das Leben, an das Geschehen. Manchmal passieren Sachen und wir beschweren uns immer, dass das passiert ist. Am Ende merkt man, dass es eigentlich das Beste war, auch wenn ein Gefühl von Angst gegenüber den Geistern nicht unterdrückt werden kann. Warum Süd- und Mittelamerika Orte sind, an denen man verstärkt diese Kräfte finden kann, weiß er nicht. Er vermutet, dass es mit der zum Teil noch unberührten Natur und vielleicht mit der späten Zivilisierung der Menschen zu tun hat. Die größte Bevölkerungsgruppe in Peru sind traditionelle Katholiken. Das Interessante ist, dass sich eine Durchmischung der traditionellen Religion mit dem Katholizismus vollzog, als die Spanier Peru eroberten und ihre Religion der einheimischen Bevölkerung aufzwangen. Es gibt viele Symbole, die beide Seiten der Religionen in sich tragen. Ich bin auch gläubig, aber ich glaube nicht an die katholische Kirche als Institution, ich glaube an das, was dahinter steckt. In dieser Institution sind ganz viele Menschen und die Menschen machen Fehler und haben Fehler gemacht. Deswegen kann ich nicht sagen, dass ich an sie glaube und machen werde, was sie mir sagen. Ich glaube an Gott. Abgesehen von der Spiritualität in Bezug auf Geister, Energien und in Bezug auf Gott, spielt die Heimat für Alex eine wichtige Rolle. Nachdem ich in Deutschland mein Studium angefangen habe, ließ ich mich beim ersten Peru-Aufenthalt tätowieren. Ich wollte etwas an mir haben, was ich immer trage, immer sehen kann und mich immer an meine Heimat und diese Gedanken erinnert. Es sind zwei Symbole, die ganz viel zu tun haben mit dem Glauben von alten Indianern. Das Erste ist die Sonne1. Diese ist bei uns maskulin. Sie ist der Vater Gott. Das zweite Motiv ist der Kondor 2, ein Vogel, der bei uns eine symbolische Bedeutung hat. Die Tätowierungen sind Zeichnungen, die zu diesem Glauben gehören. Die Sonne ist erstens ganz wichtig für das Leben, strahlt Freude aus und ist ein Gesicht von Gott. Der Kondor ist ein Symbol dafür, dass du immer nach oben gehen kannst. Oben kannst du alles sehen und die höchste Stufe erreichen. Es geht nicht unbedingt um Optimismus, sondern mehr um Spiritualität. Peru ist sehr interessant, weil die Werte der Menschen sehr unterschiedlich sind. Die meisten Leute, die aus den Bergen kommen, sind Indianer. Wenn sie in die Hauptstadt kommen, wünschen sie sich keine zu sein. Sie möchten ein Leben in Luxus führen. Manchmal ist es ein Schimpfwort, zu jemanden Indianer zu sagen. Man fühlt sich vielleicht beleidigt. Als die Spanier nach Peru gekommen sind, haben sie die Leute unterdrückt und mit Gewalt manipuliert. Der Gedanke hat sich eingeprägt, dass Indianer zu sein, wie ein Sklave ist. Die Indianer wurden immer unterdrückt und schlecht angesehen. Deswegen wünschen sich die meisten, anders zu sein, in einer anderen Kultur zu leben. Die Gesellschaft in Peru ist in Stufen aufgeteilt. Die meisten Leute aus den höheren Stufen, die finanziell gesichert sind, Schulen besucht haben und durch einen anderen kulturelen Hintergrund geprägt sind, finden es schön, was die Leute aus den Bergen hinter sich lassen wollen. Ich habe so was wie Sehnsucht danach. Ich möchte da sein, um was mit den Leuten zu machen. Sie sind näher an diese Phänomene als ich und sie wollen von dem entfernt sein, was ich mir wünsche.


Russland, Sankt Petersburg In Russland wird der richtige Name einer Person aus dem Vornamen des Vaters, dem eigenen Vornamen und dem Nachnamen zusammengesetzt. Der Vorname des Vaters wird zusätzlich verwendet, um eine Identifizierung zu erleichtern, da viele Namen in Russland ßbereinstimmen.

(Alexander)

Ewelina

Vorname des Vaters PersĂśnlicher Vorname


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Ewelina, 34, kommt aus Sankt Petersburg in Russland. Seit Oktober 1992 lebt sie in Deutschland. Damals kam sie um einen deutschen Mann, in den sie, sich verliebt hatte, zu heiraten. Nach acht Jahren Ehe in SachsenAnhalt trennten sie sich. Sie zog nach NordrheinWestfalen. Heute lebt sie in Bielefeld mit ihrer Freundin und ist Leiterin der Diakoniestation Ost im ambulanten Pflegedienst. Nicht

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immer die ganze Wahrheit zu sagen wurde einem immer nahe gelegt, auch von dem Elternhaus. Der Freund, den du als Freund bezeichnet hast, konnte in zwei Tagen dein Feind werden und alles, was du ihm erzählt hast, konnte gegen dich verwendet werden, indem es der KGB erfuhr. Ewelina lebt diese Geheimhaltung, aber mit gewisser Vorsicht. Freundschaften zu schließen ist sehr schwierig für mich. Um sich jemandem zu öffnen braucht sie sehr viel Zeit. Ich werde jetzt behaupten, dass ich in Deutschland keine Freunde habe, außer natürlich meine Freundin, aber das ist sowieso eine andere Beziehung. Zu ihren Freunden gehören diejenigen, mit denen sie zusammen aufgewachsen ist. Es ist möglich, dass meine Freunde Leute aus meiner Heimat sind, weil sie das Gleiche erlebt haben wie ich. Ihre Freunde sucht sie bei der Arbeit oder in der Nachbarschaft. Man muss eine gewisse Basis haben, ob zusammen arbeiten oder nah aneinander wohnen. Das ist etwas, was sie aus Russland, wo man teilweise dreißig bis vierzig Jahre zusammen lebte und befreundet war, mitgenommen hat. Sie und ihre Familie lebten zu viert in einem sechzehn Quadratmeter großen Zimmer zusammen. Es war eine Drei-Zimmer-Wohnung, in der zwei weitere Familien wohnten, die sich Bad, Toilette und Küche teilten. Dort lebten sie bis zu Ewelinas siebten Lebensjahr. Trotz ärmlicher Verhältnisse haben ihre Eltern großen Wert darauf gelegt, dass sie und ein Elternteil einmal im Jahr mindestens sechs Wochen in den Urlaub fuhren, um andere Eindrücke zu bekommen. Der Urlaub war so wichtig, dass die Mutter, falls kein Geld vorhanden war, manchmal die Eheringe im Pfandhaus abgab und später abbezahlte. Abgesehen von dem obligatorischen Urlaub war ihren Eltern Kultur und Bildung sehr wichtig. In diesen Dingen unterstützten sie Ewelina finanziell. Wenn es aber um besondere Wünsche ging, musste sie selber dafür arbeiten, um sie sich zu ermöglichen. Für mich war es wichtig, weil ich das Gefühl habe, es gibt keinen, der mir was kauft. Wenn ich etwas haben möchte, dann muss ich es selbst erreichen. Das ist etwas, was mich seit dem siebzehnten Lebensjahr auch so verfolgt. Wichtig vielleicht für die russische Kultur, aber für ihre Familie damals und für sie heute noch ist, wenn man sich was leistet, dass es auch etwas Qualitatives, vielleicht ein Markenartikel sein sollte. In Urlaub fahren und gute Sachen kaufen ist etwas, was grundsätzlich so geblieben ist. Weiterhin erzählte sie mir, dass es zwei Dinge in Russland gibt, die man in einer Familie unbedingt haben muss: Das Geld und die Fähigkeit selbst was machen zu können. Ihr Vater verdiente das Geld und die Mutter konnte nähen. Sie nähte für Studenten und während diese warteten, beschäftigten sie sich mit Ewelina. Mit zweieinhalb Jahren lernte sie lesen. Als sie in die Schule kam, hätte sie auch zwei bis drei Klassen überspringen können. Sie war immer die Beste. Dieser Ehrgeiz, der mir gegeben wurde, den lebe ich auch weiter. Die Beste zu sein oder etwas anderes zu können. Durch die Bildung, die ihr die Eltern ermöglichten, und durch den eigenen Antrieb nach Wissen lernte sie eine Menge. Sie las französische Literatur, die anderen lasen Puschkin. Sie merkte, dass ihr die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sehr wichtig wurde. Dies erschwerte ihr vom fünfzehnten Lebensjahr an das Zusammenleben mit ihren Eltern. Diese drohten ihr: „Solange du hier auf unserer Tasche liegst und nichts bringst, machst du das, was wir dir sagen.“ Die Möglichkeit zu verreisen, wenn es zu viel wurde, wurde ihr jedoch nie verwehrt.

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Durch ihre Ausbildung (Lehre zur Krankenpflegerin und Studium der Zahnmedizin) erlangte sie einen anderen Blickwinkel und hinterfragte bestimmte Regeln, die einem in Russland mitgegeben wurden und nach denen man sein Leben richten soll. Z.B. sollen unverheiratete Frauen sich nicht an die Ecke des Tisches setzen, weil sie sonst sieben Jahre lang keinen Mann finden. Oder, dass man durch das Verzehren von Fisch mit Milchprodukten erbricht. Ich habe Fisch mit Milch gegessen und es ist nichts passiert. Weil ich neugierig war. Weitere Regeln sind, dass Frauen sich nicht auf den Tisch setzen sollen, sonst erfahren sie eine schmerzhafte Geburt. Oder, dass einem ein Unglück passiert, wenn eine schwarze Katze von links nach rechts läuft, und du als Erstes ihren Weg kreuzt. Das macht Angst. Aber es konnte mir keiner erzählen, dass mich ein Blitz trifft, wenn ich nicht aufgegessen habe. Eine weitere Sache, die sie nicht verstehen konnte und nicht annehmen wollte, war das Schreien, Schreien als Kommunikationsmittel. Ihre Mutter war sehr emotional und erledigte vieles durch Schreien. Mir war es immer sehr peinlich. Das ist etwas, was ich nie machen werde: Schreien. Es war grundsätzlich so in Russland, da haben sich alle gegenseitig so angeschrieen. Einmal mit zwölf oder dreizehn wollte sie Milch oder Brot einkaufen und prompt wurde sie angeschrieen von der Verkäuferin. Sie erklärte der Verkäuferin in aller Ruhe, dass sie nicht mehr mit ihr sprechen möchte, wenn sie in diesem Ton mit ihr rede. Die Verkäuferin war entsetzt, aber es funktionierte. Als sie es bei ihrer Mutter ausprobierte, nachdem diese sie anschrie, griff die Mutter zum Schneidemeter und jagte sie damit durch die Wohnung. Ein Kronleuchter, an dem der Stock hängen blieb und dadurch zerstört wurde, rettete die Situation. Das hat mich natürlich wahnsinnig stark gemacht, auf keinen zählen zu können außer auf mich. Diese Wertigkeit, dass man es so macht wie die Eltern es vorgelebt haben, hat mich, teilweise, wenn ich darüber nachdenke, davon abgehalten, eigene Kinder zu haben. Trotz all dieser Dinge stellt die Familie für Ewelina einen großen Wert dar. Obwohl sie in Deutschland lebt, versucht sie den Kontakt aufrechtzuerhalten. Oft ist es so, dass Familienmitglieder durch Ewelina voneinander erfahren, obwohl sie nur ein Paar Straßen voneinander entfernt wohnen. Familie ist für mich ganz wichtig. Nicht, dass wir alle an einem Tisch sitzen oder zusammen feiern, sondern einfach das Gefühl zu haben, es gibt jemanden, mit dem ich sprechen kann, so wie es ist. Eine, in ihrer Familie wichtige Regel war, immer zu den Leuten zu stehen, die dazugehören. Ich könnte eine Mörderin sein, meine Mutter hätte trotzdem überall gesagt, dass ich die Beste sei. Ihr Vater sagt über Menschen mit homosexuellen Neigungen, dass sie psychisch krank sind. Mit Ewelina, die in gleichgeschlechtiger Beziehung mit einer Frau zusammenlebt, hat er jedoch kein Problem, weil sie seine Tochter ist. Eine in Russland wichtige Familienregel ist egal wie, wir bleiben zusammen. Ewelina machte das nicht mit. Dafür bin ich mir zu schade. Sie wollte nicht das Leben ihrer Eltern leben, welches sie hasste. Sie ging ihren Weg. Mit zwanzig Jahren ging sie nach Deutschland. Ihr Ziel freie Entscheidungen zu treffen, erreichte sie erst nach der Trennung von ihrem Mann. Sie zog nach Westdeutschland und lebt jetzt in Bielefeld mit ihrer Freundin. Januar 2006 zieht sie mit ihrer Freundin nach Spanien. Ich habe in mir einen Drang nach etwas Neuem. Immer in regelmäßigen Abständen von sechs bis acht Jahren. Dann muss ich komischerweise raus. Privat bin ich sehr glücklich, was aber meine Umgebung betrifft und meine Arbeit bin ich überhaupt nicht am Ende angekommen. Was das wird, weiß ich gar nicht.


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Ileana Soana Text, Bild & Gestaltung


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Von überall hört man es, im Fernsehen, im Radio. Gruppen wie die Jesus Freaks laden zu Jesus Geburtstagsparty oder zu Veranstaltungen wie „Jesus liebt Dub“. „Jugend mit einer Mission“ oder „Jugend 2000“ tauchen auf der Bildfläche auf. Andere wollen mit radikal-christlichen Parolen im Jahre 2006 die Olympiahalle in Berlin mit ihren Anhängern füllen. Labels wie „Jesus rock records“ werden gegründet. „Jesus liebt Dich“ dröhnt es durch die Medienlandschaft. Und dann haben wir ja auch noch Papst Benedikt. Deutschlands Jugend mal wieder auf der Suche nach einem neuen Superstar? Aber es ist eben doch nur eine prozentual verschwindend kleine Menge, die durch ihre Radikalität auffällt. Was bedeutet der Glaube jungen Menschen? Wie leben sie mit ihm? Ich durfte erfahren, dass Glaube nichts mit Popkultur zu tun hat. Sie hat es schwer, die Kirche in Deutschland.


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WERTVORSTELLUNG ..............................................................

Münster. Eine der bedeutendsten Kirchenstädte Deutschlands. Viele Glaubensgruppen finden hier zusammen. Besonders die Katholiken haben hier eine Hochburg ihrer Konfession. Mit 93 Kirchen kann man wohl

sagen, dass sie Relevanz hat. Aber eben nicht nur im Stadtbild. Das Leben vieler Menschen ist in irgendeiner Weise mit dem Glauben verbunden. Auch junge Erwachsene engagieren sich und bemühen sich um die Jugend.

Wie kam der Glaube in dein Leben? Es kam viel von zu Hause. Meine Eltern kommen aus dem Münsterland, aus Bocholt. Das ist eine katholische Ecke.Meine ganze Familie ist kirchlich aktiv.Meine ältere Schwester und ich sind von Kindesbeinen an dabei gewesen. Kindermessen, Erstkommunion, Messdiener, Jugendarbeit,Jugendchor,Bibelkreise, etc.Mir

Glaube an Gott ein Ding neben vielen, neben Beruf, Hobby, Familie, Hund und Katze? Oder will ich Gott wirklich zum Zentrum meines Lebens machen.Ich wollte nicht nur sonntags in die Kirche gehen und ansonsten unter der

Bruder Frank, 29

Ein Tisch, eine Lampe, unbequeme altbakkene Sitzmöbel. Das Kreuz an der Wand ist der einzige Schmuck in diesem Raum. Auf den ersten Blick nicht gerade einladend.Dazu ein kleiner Fencheltee. Du kannst mich auch Frank nennen.Ein offenes Lächeln strahlt mir entgegen. Mir gegenüber sitzt Frank, 29. Er studiert hier in MünsterTheologie und Physik. Ein lebensfroher offener junger Mann. Er ist gerne unter Menschen. Er hat viele Leidenschaften in seinem Leben. Eine davon ist zu seinem Lebensinhalt geworden. So kommt es, dass er seit sieben Jahren eben nicht mehr nur Frank ist, sondern Bruder Frank.Mit 22 trat er in das Kapuzinerkloster Münster ein.Er sprach mit mir über den Glauben, das Ordensleben und die Jugend.

ist schon viel in die Wiege gelegt worden an diesen Startvoraussetzungen. Aber das hat natürlich keinen Automatismus zur Folge, dass der Sohn ins Kloster gehen muss. Wiebist du auf den Weg gelangt, der dich ins Kloster führte? Zunächst einmal konnte ich mir nicht vorstellen in einen Orden einzutreten oder Priester zu werden. Das war für mich überhaupt kein Thema. Ich war zwar auf einer katholischen Schule in Bocholt,die von Kapuzinern geführt wurde, aber für mich war es völlig indiskutabel da später mitzumachen. Ich wollte Familie haben und konnte mir ganz gut vorstellen Lehrer zu werden. Ich habe auch lange Jahre eine Freundin gehabt. Damals war für mich auch ganz klar, dass Glaube, Religion in meinem Leben eine zentrale Rolle spielt, aber mein Lebensentwurf war anders.Das änderte sich dann aber, als ich nach dem Zivildienst, zum Studium nach Bonn gagangen bin. Das war ein ordentlicher Reifeprozess, als ich auf eigenen Füßen stand. Die Dinge setzten sich. Dann ging auch die Beziehung mit meiner Freundin auseinander. Bald darauf kamen die Gedanken, was ich eigentlich wirklich mit meinem Leben machen möchte. Ist der

Woche nicht an Gott denken.Daraus folgte die Suche nach einer Lebensform, in der ich Gott mit meinem ganzen Leben, meiner ganzen Existenz suche. Das ist ja ein großer Schritt. War es wirklich „nur“ ein Prozess, der Dich zu diesem Leben gebracht hat? Ja,es war wirklich so.Es war kein Zeichen,kein Wunder, kein Engel, keine Leuchtschrift am Himmel oder so (ein Schmunzeln auf seinem Gesicht). Es war wirklich ein kontinuierlicher Prozess derVertiefung.Für mich war auch klar, dass ich nicht Diözesanpriester oder Pfarrer in einer großen Gemeinde werden wollte, wo ich allein im dicken Pfarrhaus sitze und sonst nichts habe. Mir war bewusst, dass ich das nur in Gemeinschaft machen kann und nicht alleine. Wie reifte die Entscheidung in einen Orden einzutreten? Ich war relativ lange in diesem Überlegungsprozess, bestimmt ein Jahr. Dann war ich so weit, dass ich wusste, was ich machen sollte. Also habe ich es einfach versucht. Ich hatte gerade mein Grundstudium abgeschlossen und dachte,dass das eine gute Zäsur wäre.Ich habe mich dann für die erste Stufe angemeldet,das so genannte Postulat.Das ist so etwas wie ein Jahrespraktikum.Man lebt einfach ein Jahr mal mit, noch relativ unverbindlich. Ich dachte, wenn das nichts für mich ist, studiere ich weiter. Dann brauche ich mir aber mit 50 nicht den Vorwurf machen, ich hätte es nicht versucht.Ich bin da also relativ frei rangegangen.Und es hat sich gut angefühlt.Wenn man in den Orden eintritt,dann ist es nicht wirklich


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so, dass man sich sofort verpflichtet den Rest seines Lebens dort zu verbringen. Es gibt verschiedene Stationen,die man durchläuft.Erst ein Jahr das Postulat,dann ist man eineinhalb Jahre Novize, und dann legt man die Gelübde ab: Armut,Ehelosigkeit,Gehorsam.Das sind die drei Ordensgelübde. Die legt man wiederum nur auf Zeit ab, für drei Jahre.Wenn man sich dann noch nicht sicher ist, kann man diese zeitlichen Gelübde wieder verlängern.Bis man dann irgendwann den Entschluss triftt,ewige Gelübde abzulegen. In dieser Zeit kann man entscheiden, ob das Ordensleben etwas für einen ist, oder andererseits kann sich auch der Orden zurückziehen. Beide Seiten haben dann noch die Freiheit nein zu sagen, wenn es nicht funktioniert. Zu Beginn waren wir eine Gruppe von vier Leuten, die angefangen hat. Es ist schon hilfreich gewesen, dass man als Neuer nicht alleine war.So ist man sich eine Stütze und kann sich austauschen. Es geht im ersten Jahr darum, sich erstmal alles anzuschauen, zu beten, mitzuarbeiten, den Alltag miteinander zu teilen,zu feiern,verschiedene Gemeinschaften des Ordens zu erleben und in verschiedenen Städten verschiedene Aufgabenfelder kennen zu lernen. Was heißt für dich Mönch sein? Was sind deine Aufgaben? Zunächst heißt es für mich mit anderen Menschen Gott zu suchen, in Gemeinschaft. Und gleichzeitig verstehen wir unser Leben auch als Dienst an den Menschen.Das konkretisiert sich im Alltag folgendermaßen: Wir haben morgens und abends gemeinsame Gebets-

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und Essenszeiten und verschiedene Tätigkeiten, je nach Fähigkeiten und Bedarf.Meine Hauptaufgabe ist im Moment das Studium.Ich studiereTheologie auf Diplom und Physik auf Lehramt.Darüber hinaus bin ich für die Jugendarbeit im Kloster zuständig.Das heißt,ich mache die ganze Messdienerarbeit. Weiterhin erledige ich, was im Haus anfällt wie Putzen und Spülen. Ich mache auch lithurgische Dienste, singe und helfe bei den Gottesdiensten mit. Jeden Mittwoch Abend haben wir zum Beispiel noch einen Schriftgesprächskreis für Studierende. Woran liegt es,dass sich immer weniger junge Menschen trauen, diesen Schritt zu tun und diesen Weg zu wählen? Tja.Schwer zu sagen.Es spiegelt die Situation der Kirche und die Entwicklungen in unserer Gesellschaft wider. Im Grunde müsste man eigentlich fragen, was ist überhaupt Kirche in Deutschland. Woran liegt es, dass sie nicht mehr den Zugang zur Jugend hat wie vor 50 Jahren. Zum einen fehlt vielen dieser religiöse Hintergrund, so wie ich ihn beispielsweise hatte. Zum anderen ist es für viele in einer postmodernen Gesellschaft erst mal wenig attraktiv sich lebenslang auf eine Sache festzulegen.Das sieht man auch in dem Verständnis von Lebensgemeinschaften und Ehen.Das ist zeitweise für ein paar Jahre,aber dann löst man sich wieder, um frei für Neues zu sein. Dieses Konzept, das hinter der Idee

des Ordensleben steht, ist „Ich sage ja zur Gemeinschaft für mein ganzes Leben“. Das ist für viele erstmal völlig blöd. Nach dem Motto, was weiß ich denn was in 20 Jahren ist, dann will ich das vielleicht gar nicht mehr. Und dann scheint es aber auch so zu sein, dass ein Ordensleben ein Verzicht auf vieles bedeutet, von dem man glaubt, es gehöre zu einem Leben, das Spaß macht. Du siehst das aber nicht so? Nein. Sonst würde ich auch nicht sagen, dass es ein lebenswertes Leben ist, das ich führe. Natürlich stimmt es,dass ich vieles nicht habe oder nicht alles haben kann, was ich haben möchte. Das ist ja sowieso eine Illusion im Leben. Alles haben und am besten sofort. Die Perspektive, die viele haben, ist ja, dass alles, was sie erreichen wollen, in diesem Leben geschehen muss. Das ist ja keine christliche Perspektive. Also ich meine, das eigentliche Leben beginnt ja erst später, nach dem Tod. So eine Vorstellung entlastet auch. Manches Ungelöste im Leben darf auch da sein. Und so kann ich damit leben. Man kann nicht alles haben,das ist einfach so.Die Frage ist nur wie man mit dieser Realität umgeht. Für mich hieß der Schritt in den Orden zu gehen, dass mein Leben zwar äußerlich beschränkter wird, aber dass es dafür mehr in dieTiefe geht.Ich versuche nicht in die Weite zu leben, sondern ich habe meinen Fokus ein ganzes Stück enger, oder konzentrierter, aber dafür versuche ich,das,was ich lebe,intensiver zu leben. Nämlich meine Beziehung zu Gott. Auf diese Karte möchte ich alles setzen.Wenn

ich auf diese Beziehung verzichten müsste, würde bei mir kein Leben sinnvoll sein. Das hat natürlich zur Folge, dass ich vieles anderes sein lassen muss, was nicht immer alles leicht ist. Es ist auch manchmal ein schmerzvolles Loslassenmüssen von Dingen, nicht nur materieller Art, sondern auch vom Lebensstil, vom Sein, von dem, was andere haben, was andere tun. Auch ehelos zu sein, keine Kinder zu haben. Das sind Dinge, zu denen ich bewusst ja sage, was aber nicht leicht ist. Wie schaffst du es trotz des Verzichts glücklich zu sein? Das Wichtigste ist,und das gilt für jeden Menschen, egal ob im Ehe- oder Ordensleben: er muss tiefe Beziehungen haben. Er braucht Menschen,die er liebt und die ihn lieben.Ohne das könnte ich auch nicht sein. Von daher ist es auch ein Illusion zu meinen, dass Ordensleute total abgeschieden und vergeistigt sind. Das ist Quark. Ohne Liebe geht es nicht. Mir war klar, dass ich nicht alle Beziehungen und Kontakte, die ich bis dahin hatte, aufrechterhalten konnte. Umso wichtiger war mir, dass der Kontakt zu den Menschen,mit denen ich ganz enge Beziehungen hatte, Freunde, Verwandte,nicht abreißt.Damit ich weiterhin eine Kraftquelle für mich habe.Es ist natürlich wichtig, solche Beziehungen auch innerhalb des Ordens zu den Brüdern zu haben. Das ist gerade im ehelosen Leben eine große Hilfe. Man ist trotzdem in einer Gemeinschaft, in der man sich auch abends einfach mal sagen kann, wie schlecht oder gut es einem geht.

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Man kann sagen wie es am Tag war, oder die Luft rauslassen, sich einfach zu Hause fühlen. Ohne das geht es nicht. Für mich nicht. Es ist auch manchmal wirklich Beziehungsarbeit. Gerade in so einer Ordensgemeinschaft, wo man sich ja nicht gegenseitig gesucht hat, sondern man irgendwie zusammengewürfelt ist. Schließlich sind auch alles nur Menschen. Aber das ist es für mich wert. Gerade wenn man sich mit manchen Leuten nicht so leicht tut,trotzdem einen Weg zu finden,überein zu kommen und miteinander zu wachsen. Als du dich entschieden hast ins Kloster zu gehen, wie haben deine Familie und Freunde reagiert? Haben das alle verstanden? Standen alle hinter dir? Ich habe meine Eltern im Besonderen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern sie an dem Entscheidungsprozess teilhaben lassen. Aber als es dann soweit war, da haben sie schon erstmal geschluckt. Meine Mutter konnte das recht schnell verdauen. Mein Vater hatte am Anfang allerdings etwas mehr Schwierigkeiten, weil er noch die ganzen „Im Namen der Rose“- Bilder im Kopf hatte. Der Sohn verschwindet hinter den Klostermauern und keiner hat ihn mehr gesehen. Aber die ganzen falschen Vorstellungen und Vorurteile konnten mit der Zeit ausgeräumt werden. Deswegen konnte er dann damit auch besser umgehen. Ich habe keinen in meinem Bekannten- oder Freundeskreis,der irgendwie gesagt hat „so ein Quatsch.Mach das bloß nicht!“.Alle

haben eigentlich gesagt, „für mich wäre das nichts, aber wenn du das tun willst und das mal ausprobieren willst, mach mal“. Denkst du es wird wieder mehr junge Leute in der Kirche geben? Ich hoffe.Aber ich denke,das wird auch andere Formen annehmen. Es kann sicherlich nicht nur eine Reaktivierung des Alten sein. Das Grundanliegen von Kirche ist ja nicht, mehr Mitglieder zu haben, sondern zu helfen, dass das Leben von Menschen gelingt. Ich persönlich glaube, das geht besonders gut mit dem Glauben und dem Leben nach Christus. Und deshalb glaube ich, dass die Kirche heute etwas zu sagen hat.Sie hat gerade Menschen, die Orientierung suchen,oder wissen möchten, woran sie ihr Leben ausrichten sollen, etwas anzubieten. Wie versucht die Kirche bei einem Massenereignis wie dem Weltjugendtag speziell junge Leute zu erreichen? Beim Weltjugendtag war das natürlich etwas anderes, weil sowieso schon alle Feuer und Flamme waren.Das war nicht das Klientel,bei dem man überlegt,wie spreche ich sie an,sondern wie kriegt man sie wieder ruhig.Wie man Menschen generell anspricht…Ich glaube,das Wichtigste ist,durch das Zeugnis wie und was man lebt. Ein authentisches Lebenszeugnis. Und dass man nicht rummissioniert. Das will keiner hören. Aber was die Menschen schon hören wollen ist, ein konkretes Zeugnis „Was lebst denn du eigentlich“. Man muss spüren

und hören, was die Interessen und Sehnsüchte, Wünsche der Menschen sind. Wie ist deine Einstellung zu den neuen religiösen Gruppierungen? Was ich gut an der neuen geistlichen Bewegung finde, ist, dass sie erst mal nichts anderes machen als wir, die alte geistliche Bewegung. Sie wollen auch Gott suchen. Natürlich haben die den großenVorteil,dass sie völlig neu starten können. Das heißt die Leute, die da hinkommen, haben alle ungefähr die gleiche Einstellung,die gleiche Motivation,vielleicht sogar das gleiche Alter. Das ist eine weitaus homogenere Gruppe, behaupte ich, als ein Orden, der vielleicht jetzt schon 800 Jahre alt ist, der eine lange Tradition und verschiedenste Entwicklngen durchschritten hat. Bei unserem Orden gibt es auch völlig unterschiedliche Lebensalter, die unterschiedlich geprägt worden sind. Unsere Ältesten sind über 90 und der Jüngste ist Mitte Zwanzig. Was dazwischenliegt! Was für unterschiedliche Verständnisse von Kirche, von Leben, von Individualität, auch von Ordensleben. Das unter einen Hut zu bekommen ist schon eine Herausforderung. Diese Hürde haben die neuen Bewegungen erstmal noch nicht. Da ist ja auch viel vertreten, von links bis rechts. Ich denke, dass die Zeit auch zeigen wird,welche Gemeinschaften auf Dauer bestehen, oder ob manche Eintagsfliegen sind. Und das was wahr ist, das bleibt.



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Sabrina, 16: Sie hat schon mal gebetet. Aber lieber glaubt sie an die Liebe zwischen zwei Menschen als an Gott. Deswegen ist sie auch in der Firmgruppe. In der Kirche heiraten muss schon sein. Allerdings hat sie mal geglaubt, bis ihr Opa starb. Früher hat sie geasgat,Gott denkt nur an sich.Und im Grunde hat sich an dieser Einstellung nichts geändert.Kirche ist auf dem platten Land für junge Leute überlebensnotwendig. Man kann halt sonst nichts machen…

„ Mit Gott habe ich nichts zu schaffen.Lasst mich damit bloß in Ruhe.“ Das war eine der häufigsten Reaktionen von jungen Passanten bei einer Befragung in der Fußgängerzone. Ich habe fünf Mädchen einer Firmgruppe begleitet, während sie eine Umfrage zum Thema „Christsein heute“ gemacht haben.Was besonders auffiel,je jünger die Befragten, desto größer war die Ablehnung gegenüber dem Glauben.Die Kirchen stehen bis auf Ausnahmen leer. Reduziert auf ein historisches Bauwerk werden sie nicht nur im Osten zweckentfremdet. Im Münsteraner Dom sind zu den Gottesdiensten oft mehr Touristen als Gläubige. Die Bedeutung als Haus Gottes, in dem man den Glauben gemeinsam feiert, geht verloren.Zwar bestreiten die beiden christlichen Konfessionen mit 26,5 Millionen Katholiken und 26,2 Millionen Protestanten immer noch knapp zwei Drittel der Bevölkerung,aber beide Konfession verlieren Mitglieder.Jedes Jahr wenden sich 200.000 bis 300.000 Menschen von der Kirche ab. Die Gründe für diesen Rückzug sind vielfältig. Lässt sich der Glaube in ein modernes Leben integrieren? Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem Leben heute und dem Leben, für das die Kirche steht.Bei der katholischen Kirche scheint diese Kluft besonders groß zu sein. Immer wieder gibt es Themen, die aus den Medien nicht zu eliminieren sind und kontrovers diskutiert werden. Wie kann ein junger Mensch damit einverstanden sein, vor der Ehe keinen Sex zu haben.Ebenso ein Streitthema ist die Abtreibung. Jeder möchte doch selbstbestimmt leben. Von

Zölibat und Homosexualität braucht man gar nicht erst anfangen. Über allem steht das große Dogma. Und der neue Papst ist auch nicht der fortschrittlichste.Wobei es in Theologenkreisen heißt,dass man froh sei,dass er in seiner Funktion als Papst weniger radikal in seinen Aussagen wäre als zuvor.Aber er wird keinen frischen Wind in die Kirche bringen, keine neuen Mitglieder anziehen.Auch wenn tatsächlich für Jugendliche Bustouren unter dem Motto „Beten für Papst Benedikt“ angeboten werden, wird er wohl nie zu dem Popidol werden, wie manche es sich wünschen. Aber der Glaube steht und fällt mit den Menschen,die ihn leben und weitertragen.Es heisst immer,in einem so großen Apparat wie der katholischen Kirche könne man so schnell nichts ändern. Aber irgendwo muss man beginnen. Es gibt viele Theologen, die die angesprochenen Aspekte um einiges liberaler und lebensnaher sehen. Aber diese sind für die Medien eben nur halb so interessant, wie die großen Wortführer. Oftmals kommt es eher darauf an, wie laut man etwas schreit und weniger was. Häufig fehlen die Inhalte. Aber die Menschen brauchen nach wie vor etwas, an das sie glauben können. Und sie wollen glauben. Aber es ist schwer, in einer Zeit, in der Ohren an Mäusen wachsen und der Computer unser bester Freund ist. Wir werden zugeschüttet mit blinkenden Lichtern, da ein neuer Klingelton, hier die neueste Marke aus den Staaten. Jeden Tag ein neuer Trend. Jeder versucht einen Platz zu finden, an den er gehört in dieser schönen bunten Welt.Besonders junge

Menschen begeben sich auf die Suche nach ihrer Identität.Woran kann man sich festhalten? Erstmal ist die Hauptsache dazuzugehören. Es ist doch viel cooler Punk zu sein als gläubiger Christ.Es geht um Abgrenzung.Dieses Verhalten haben sich schon manche neuen religiösen Gruppierungen zum Leitmotiv gemacht. Sie haben tatsächlich Zuwachs, auch wenn es hier um eine kleine Gruppe von Leuten geht. Glaube als Popevent. Allerdings besteht immer die Gefahr von populistischen Aussagen. Der Schritt in die Radikalität ist schnell getan. Manchmal bemerken wir nicht wie sehr der Glaube doch in uns steckt. Was uns leitet, ist ein bestimmtes Wertesystem. Und das ist auf den christlichen Werten aufgebaut. Auch wenn wir den Glauben und die Kirche ablehnen, sind sie doch unumstößlich mit uns und unserer Kultur verbunden. Ich glaube zwar, dass es eine Unterscheidung zwischen Glaube und Kirche gibt, aber wer sagt „das hat nichts mit mir zu tun“, hat Unrecht. Wir selbst können entscheiden, wem wir zuhören wollen. Und ich habe bei meinen Recherchen Menschen kennengelernt, die gerne beten und freier im Geist sind als so mancher Punk. Vielleicht sollten wir öfter mal die Scheuklappen herunternehmen und den Dialog suchen. Die absolute Wahrheit gibt es doch sowieso nicht. Was wir suchen liegt irgendwo dazwischen. Und wer Fragen stellt, wird für sich auch Antworten finden. Ohne an etwas zu glauben, funktioniert das Leben nicht. Also stellt einfach die richtigen Fragen.

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Kathrin, 16: Mit Gott hat sie nicht viel am Hut. Aber eigentlich ist die Sache mit Gott doch ganz interessant. Der Glaube hat aufgehört als viele Verwandte starben. Gott kann nicht für jeden da sein. Er hatte wohl seine Gründe.Grundsätzlich könne man junge Leute nicht zwingen mit Gott oder Kirche was zu tun haben wollen. Die meisten haben eben andere Sachen im Kopf.Sie selbst ist in der Firmgruppe weil sie Patentante werden möchte. Und Gott ist jetzt auch langsam wieder ok.

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Besuch kath. Sonntagsgottesdienste

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Tina Strube Text, Bild & Gestaltung


oder Plage?

Was werde ich später wert sein? Was fordern Unternehmen, Agenturen und Verbände heute von jungen DesignerInnen? Und wie kann man diese Forderungen erfüllen, um seinen Wert im Berufsalltag zu erhöhen? Ich habe Fragen gestellt und Antworten bekommen: Einige sind überraschend, andere liegen auf der Hand, aber insgesamt können alle sehr hilfreich sein.


WAS BIST DU WERT? ..............................................................

GrafikpraktikantIn mit guten Kenntnissen in InDesign, QuarkXPress, Photoshop, Flash, Freehand und Illustrator mit kreativem Gespür für Sprache, sowohl Deutsch als auch Englisch. Neben Engagement, Teamgeist und Sorgfalt wird auch Erfahrung in der Branche erwartet … So oder ähnlich sehen viele Anzeigen für ein Praktikum in einer Werbeagentur aus. Die Anforderungen an zukünftige ArbeitnehmerInnen sind hoch und ich habe mich gefragt, was dafür getan wird, dass diese Ansprüche von möglichst vielen NachwuchsdesignerInnen erfüllt werden können. Was steckt hinter dem Begriff Nachwuchsförderung? Ist es heute wirklich notwendig den Nachwuchs zu fördern oder wird die Branche geradezu überschwemmt von guten DesignerInnen, von denen gerade mal eine Handvoll ihre Ziele verwirklichen können? Um diese Fragen ausreichend beantworten zu können, habe ich als Erstes den dreizehn NachwuchsdesignerInnen, die dieses Magazin erstellt haben, einige Fragen gestellt. Mein Ziel war es herauszufinden wie sie sich auf den Berufsalltag vorbereiten und wo sie Unterstützung finden. Fast alle Befragten nehmen neben dem Studium an weiteren Projekten teil, das reicht von Praktika über Sprachkurse bis hin zu Workshops oder Vorträgen zu dem Themengebiet Design. Die nötigen Informationen zu diesen Aktivitäten bekommen sie durch Tipps von Professoren, Freunden oder Bekannten.

Warum fördern Sie junge DesignerInnen? Was versprechen Sie sich davon? Neue, frische, überraschende Ideen und Impulse – guter Nachwuchs ist schließlich die Zukunft, das sind die Hauptgründe, warum es die meisten für wichtig halten junge DesignerInnen zu fördern. Existenzgründungen wollen ermöglicht und unterstützt werden, außerdem soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter ausgebaut werden.

Auf das praktische Berufsleben fühlen sich, bis auf einen, alle unzureichend vorbereitet. Den meisten ist das Studium nicht praxisnah genug, viele wünschen sich mehr Kursangebote mit realen Projekten aus der Wirtschaft oder eine verstärkte Teilnahme an Wettbewerben. Positiv heben einige hervor, dass es viele Freiheiten in der Wahl unterschiedlichster Kurse gibt und man somit sehr gut seinen eigenen Stil finden kann. Auch die Möglichkeit, dass man sich an der Fachhochschule Münster erst spät auf seinen Studiumsschwerpunkt festlegt, bewerten einige als gut und ausschlaggebend für ihre Wahl des Studienortes. Nach dem Studium planen fast alle befragten NachwuchsdesignerInnen an Weiterbildungsmaßnahmen wie Praktika, Aufbaustudiengängen oder Sprachkursen teilzunehmen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass jeder festgestellt hat, dass das Studium alleine nicht ausreicht um gut auf das Berufsleben vorbereitet zu sein. Eigeninitiative ist wichtig und fast alle Befragten sind auch bereit Zeit und Energie in Aktivitäten außerhalb der Fachhochschule zu investieren. Um herauszufinden wie und warum Design-Institutionen den Nachwuchs fördern, habe ich dreißig Berufs– und Branchenverbänden, Designzentren und Verlagen einen Fragebogen mit elf Fragen geschickt. Ich habe sechzehn interessante Rücksendungen erhalten und die Antworten mit den jeweiligen Fragen zusammengefasst.

Wie wird bei Ihnen der Nachwuchs gefördert? Gibt es konkrete Angebote/Projekte? Angeboten werden vor allem Praktika, Workshops/Seminare und Vorträge. So bietet zum Beispiel der BDG (Bund Deutscher Grafik–Designer e.V.) speziell für Berufeinsteiger Seminare mit den Themen Recht, Steuer und Kalkulation etc. an. Aber auch einige Wettbewerbe, wie zum Beispiel „Sushi”, der Nachwuchswettbewerb des ADC (Art Directors Club) oder „inspired by cologne” (Kölnmesse) des Rats für Formgebung sollen die Kreativität des Nachwuchses anregen. Das Designlabor Bremerhaven schreibt in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Wissenschaft sechsmonatige Stipendien für reale Projekte aus. Außerdem veranstaltet der Verlag Hermann Schmidt Mainz zweimal im Jahr einen „Mappentag”,an demVerleger den NachwuchsdesignerInnen für Gespräche mit Kritik und auch Anregungen zur Verfügung stehen.


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Wenn es konkrete Projekte gibt, wie werden diese angenommen? Hier waren die Antworten deutlich zweigeteilt. Die einen meinten, dass ihre Angebote sehr gut besucht werden, andere äußerten, dass die Nachfrage stark variiert. Sie wünschten sich gelegentlich mehr Interesse von jungen DesignerInnen an ihren Veranstaltungen. „Mal super, mal gar nicht. Ein Muster ist nicht erkennbar. Wünschenswert wären auf jeden Fall Projekte, die sich noch mehr an der konkreten Situation der StudentInnen ausrichten. Allerdings wäre es ebenso wünschenswert, dass der Nachwuchs – wie übrigens auch KollegInnen, die bereits im Job sind – den BDG wieder verstärkt als Plattform zur Promotion berufs- und ausbildungsrelevanter Themen erkennt, also kommt und tut statt sitzt und (er)wartet” (Arne Leichert, BDG – Bund deutscher Grafik-Designer e.V.).

Gibt es bestimmte Strukturen in den Fachhochschulen, die dringend überdacht werden sollten? Wie könnten notwendige Veränderungen aussehen? Das Studium sollte sich stärker an Agenturen und Unternehmen und somit an realen Projekten orientieren, das ist die am häufigsten vertretene Meinung. Um das Studium stärker auf die ständig wechselnden Anforderungen im späteren Berufsleben auszurichten, sollten die Lehrenden häufiger wechseln und auch während ihrer Lehrtätigkeit in der Praxis aktiv bleiben.

Für wie sinnvoll halten Sie das Designstudium? Das Studium ist häufig nur bedingt sinnvoll. Es kann sehr hilfreich sein, um seine individuelle kreative Persönlichkeit zu nutzen und weiterzuentwickeln. Dennoch ist es grundsätzlich bedeutsamer, dass man möglichst eigenes Engagement und Neugierde zeigt. Und das kann auch ohne Studium gehen, wie einige Befragte anmerken. „Bei manchen vermissen wir Handwerkszeug. Anderen fehlt es an Mut zu ungewöhnlichen Ideen. Beides ist jedoch wichtig und muss gefördert werden” (Anne Havliza, Designlabor Bremerhaven).

Welche Fachhochschule(n) würden Sie empfehlen? Die Fachhochschulen in München, Düsseldorf, Wiesbaden, Berlin, Darmstadt, Dortmund, Braunschweig, Kiel, Stuttgart und Köln wurden sporadisch genannt. Die meisten Befragten sind der Meinung, dass die unterschiedlichen Schwerpunkte der einzelnen Fachhochschulen keinen direkten Vergleich zulassen und somit jeder selbst entscheiden sollte, in welche Richtung sein Studium gehen soll.

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WAS BIST DU WERT? ..............................................................

Wie gut ausgebildet sind DiplomdesignerInnen heute? Was ist gut/schlecht? „Oft sind sie wenig mutig, dann merkt man gar nicht, wie gut sie sind. Manchmal sind sie zu „selbstbewusst”, man lernt viel auf der Hochschule, aber die Praxis ist die zweite Phase der Lehrjahre, das scheint an den Hochschulen manchmal vergessen zu werden. Und dann gibt es extreme Bandbreiten zwischen »na ja« und hervorragenden Nachwuchstalenten …” (Karin Schmidt Friderichs, Verlag Hermann Schmidt Mainz). Die meisten finden, dass der Praxisbezug, speziell wirtschaftliche sowie rechtliche Grundkenntnisse der Branche, fehlt. In diesem Bereich sollte sich jede(r) DesignerIn selbstständig weiterbilden.

Haben junge DesignerInnen Vorteile gegenüber DesignerInnen mit langjähriger Berufserfahrung? Wenn ja, welche? Die Unerfahrenheit der jüngeren ist der Gegenpol zur Routine der erfahreren DesignerInnen, hier waren sich alle einig, dass ist der Vorteil, der den Nachwuchs auszeichnet. Das Zusammenspiel von Erfahrung mit frischen, unverkrampften Ideen erzielt in der Regel den höchsten Erfolg. „Das Neue, Frische, Ungestüme wird ja meist vom Nachwuchs in die etablierten Welten getragen. Gut so. Das dort aber nicht alles sofort 1:1 an- und an bereits gesammelter Erfahrung vorbeikommt, ist ebenfalls gut. Beide Verhaltensweisen haben ihre Berechtigung, denn erst das Zusammenspiel beider Kräfte ermöglicht sinnvolle Veränderungen” (Arne Leichert, BDG – Bund deutscher Grafik-Designer e.V.).

Was wären Ihrer Meinung nach gute Weiterbildungsmaßnahmen, die nach einem abgeschlossenem Designstudium sinnvoll sind? International Erfahrungen sammeln sowie Fremdsprachen lernen stehen ganz oben bei den Weiterbildungsempfehlungen der Befragten. Zudem werden allgemein Fortbildungen im Designrecht und im wirtschaftlichen Bereich (BWL) als äußerst sinnvoll angesehen. Plant man sich selbstständig zu machen, sollte man Seminare/Workshops zu dem Thema Unternehmensführung/Managment absolvieren. „In keiner Branche darf man jemals aufhören zu lernen. Doch ist dabei wichtig, viele individuelle Möglichkeiten zu bieten. Man muss Rahmenbedingungen schaffen, die es jungen DesignerInnen erlauben, ihre individuellen Stärken weiter zu entwickeln, um auch im internationalen Vergleich gut positioniert zu sein. Denn wer in den Fußstapfen anderer geht, wird niemals an die Spitze kommen” (Peter Drössler, Fachverband Werbung und Marktkommunikation).




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WORTWERT ..............................................................

„Ruhm dem Lande, in dem man redet. Schmach dem Lande, in dem man schweigt.” Georges Clemenceau

ndlich,


RHIZOM 02 98 | 99

sage ich oft zu mir selbst. Nicht still in der Vorlesung sitzen, nicht bei jeder Frage verlegen aus dem Fenster schauen und dem Wind beim Wehen zusehen, nicht schweigsam sein, wenn etwas gesagt werden soll. Jeder kennt wenigstens eine Situation, bei der er zehn andere Dinge lieber täte, als in diesem Moment etwas zu sagen. Bei einem Referat zum Beispiel gelingt es dem einen, sich souverän dem Publikum zu stellen, während ein anderer sich mit feuchten Händen und einem plötzlich auftretendem Muskelzucken herumplagen muss. Im Nachhinein, einige Stunden später, ist ja auch alles nicht mehr so schlimm gewesen. Am zweiten Tag denkt man schon gar nicht mehr darüber nach. Steht jedoch das nächste Referat an, und sei es erst in ein paar Wochen, beginnt schon wieder das leise Gefühl der kleinen Panik. Warum nur? Reden ist doch gar nicht so schwer, und die Redekunst ist erlernbar.

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A gnst


„Die Angst vor einem Publikum zu sprechen ist die größte Angst, die die Menschen haben. Sie rangiert sogar noch vor Höhenangst, Angst vor Insekten und Kriechtieren, Angst vor finanziellen Schwierigkeiten, Angst vor tiefem Wasser und Angst vor Krankheit und Tod.”

Roger E. Axtell, Studie von 1994

Der Vorlesungsraum füllt sich allmählich, Menschen nehmen Platz und ordnen ihre Unterlagen, einige unterhalten sich noch mit ihrem Nebenmann, andere schauen erwartungsvoll nach vorne.Das Licht wird gedämmt und nun sind alle Blicke nach vorne zum Rednerpult gerichtet. Es ist doch so einfach hinten zu sitzen,so undankbar vorne zu stehen. Die Zeit kurz vor Beginn einer Präsentation ist scheinbar die schlimmste. Gefangen hinter dem Rednerpult, den Blicken erwartungsvoller Zuhörer ausgesetzt,rasen mir noch viele Gedanken durch meinen Kopf. Ich stelle mir die Frage,ob ich mich genügend vorbereitet habe. Eine umfangreichere Recherche wäre wahrscheinlich ebenso angebracht gewesen wie eine weitere Korrektur. Freunde und Familie hätten im Vorfeld nicht nur dreimal, sondern noch ein viertes oder fünftes Mal als Testpublikum dienen können. Aber das ist es nicht. Die Vorbereitung ist schon sehr intensiv gewesen, und meine Familie flüchtete schon, wenn ich nur mein Manuskript in der Hand hielt. Und trotzdem überkommt mich nun dieses beklemmende Gefühl des eigenen Ärgers, nicht genügend getan zu haben, um jetzt selbstsicher dem Publikum gegenüberzutreten. Oder ist es die Angst zu versagen,sich zu blamieren? Die Angst dochallesdurcheinanderzubringen oder nur einzelne Wörter zu vergessen, einfach den Faden zu verlieren? Warum muss dieses Gefühl, wir nennen es Lampenfieber,immer im Mittelpunkt stehen,warum lässt sich das nicht steuern? Ist das Lampenfieber vielleicht eine Art Schutz, nicht den Respekt vor bestimmten Situationen zu verlieren? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht! Ich kann nur sagen, jeder sollte dabei den für sich richtigen Weg finden, seine individuelle Angst zu überwinden. Jenen Weg, den ich für mich gefunden habe und so weiter geben möchte,das Lampenfieber als Teil einer Rede und als Teil von mir selbst zu sehen, es zu akzeptieren und die Angst so nur noch am Rande zu spüren und sie als Ansporn wirken zu lassen.

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WORTWERT ..............................................................

o Bckk Die Rhetorik beinhaltet mehr als nur das Reden, es gibt vieles zu beachten und zu trainieren.Grundsatz einer jeden Rede,einer Präsentation, eines Vortrages ist jedoch der Kontakt zu unserem Publikum. „Der Redner ist der Diener seiner Hörer.” Wir sollten uns vor Augen führen, dass das Publikum interessiert und erwartungsvoll ist. Jetzt bloß keine Panik! Kenne ich die Erwartungen des Publikums? Bin ich gut vorbereitet, sind alle technischen Hilfsmittel überprüft, das Manuskript übersichtlich gestaltet, und habe ich das nötige Selbstbewusstsein in der Tasche? Dann immer den Blickkontakt mit dem Gegenüber halten und los gehts.


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ontak Siegfried A. Huth

„Aus der Schar der Zuhörer sucht man sich die Augen des Menschen heraus, von dem man glaubt, dass er es gut mit einem meint.”

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Julia Klaverkamp Text, Bild & Gestaltung


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