Glauben & Wissen 0614 Leseprobe

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Editorial

Bis ans Ende aller Tage? W

enn der Kölner Dom fertig ist, geht die Welt unter!

Daran glaubten nicht wenige im 13. Jahrhundert, als der Bau dieser gotischen Riesenkathedrale am Rhein seinen Anfang nahm.

Titel: IMAGO, Wikimedia; Gestaltung: Sarah Bielak

Ähnliches behaupteten auch die Menschen in der katalanischen Metropole Barcelona während der vielen Jahrhunderte, in denen „ihre“ gotische Kathedrale gebaut – oder besser: nicht weitergebaut – wurde.

nicht genau deswegen von „paradiesische Zuständen“? Augenblicklich scheint die Welt sogar auf einen neuen „Kalten Krieg“ zuzusteuern. Und die Anzahl und die Komplexität der religiös motivierten Konflikte ist im 21. Jahrhundert genauso groß wie in den meisten Jahrhunderten zuvor. Oft wird dabei das Thema Religion missbraucht von Machthabern, bei denen anderes auf der Agenda steht. Aber dies war auch schon in der Vergangenheit oft der Fall. Hat der Mensch also gar nichts dazugelernt?

Anno 2014 sind beide Bauwerke (mehr oder weniger) „fertig“. Und die Erde dreht sich immer noch …

Mit besten Grüßen Ihr

Geht die Welt vielleicht unter, wenn überall Frieden herrscht? Wenn auch der letzte Mensch aufkommende Konflikte gewaltfrei löst? Ist das überhaupt möglich? Oder spricht man

Andreas Mayer Chefredakteur

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Ausgabe 06/2014

Glauben & Wissen

Wissen KompaKt 06 im Fokus Der islamische Religionsunterricht und das Kopftuchverbot für Lehrerinnen an Schulen 08 + Fragen & antworten 128 Spannendes und Skurriles aus der Welt der Religionen 120 Zitate des monats Bemerkenswerte Statements mit Glaubensbezug

Glauben & Wissen 18 pfingsten Eines der wichtigsten Feste der Christenheit: der Heilige Geist und der Geburtstag der Kirche 76 mönch auf Zeit Fast jeder thailändische Junge lebt eine Zeit lang als Novize in einem buddhistischen Kloster 102 stigmatisation Das seltene Auftreten der Wundmale Jesu bleibt ungeklärt und wird mit Skepsis betrachtet 118 Der Kulturkampf Ein Schlagabtausch zwischen Papst Pius IX. und dem deutschen Reichskanzler Graf Otto von Bismarck

inteRvieW 32 nachgefragt prof. Dr. Heiner bielefeldt Der UN-Sonderberichterstatter über das Menschenrecht Religionsfreiheit 114 Hand aufs Herz Wolfgang bosbach Der CDU-Politiker über seinen Glauben, der ihn beim Umgang mit seiner Krankheit trägt und stärkt 4

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TITelsTory

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Titelthemen sind rot markiert

Inhalt

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20 Religion im Kreuzfeuer Krieg im Namen des wahren Gottes – häufig müssen Differenzen im Glauben als Vorwand für Gewalt und bewaffnete Konflikte herhalten. Wir beleuchten die Glaubenskriege des 21. Jahrhunderts und zeigen, in welchen Krisenherden der Welt Religionen als Grund für Blutvergießen benutzt werden


Inhalt

sPurensuche

50 Giovanni Trapattoni Der berühmte Fußballtrainer ist auch mit 75 Jahren noch Feuer und Flamme für den Sport. Die Arbeit mit jungen Menschen hält ihn selbst jung. Der gläubige Katholik betreut heute die Fußballauswahl der Vatikanstadt

KULTUr

Die grössten PäPste aller Zeiten NEUE SEriE

36 papst Johannes XXiii. Der zweite Teil der neuen Serie über die größten Päpste aller Zeiten stellt den „Konzilspapst“ Johannes XXIII. vor, der ebenso wie Johannes Paul II. 2014 heiliggesprochen wurde

STÄTTEN DES GLAUBENS 44 Felsendom Islamisches Heiligtum mit großem Konfliktpotenzial 48 Jasna Gora Das bedeutendste Marienheiligtum Mitteleuropas

90 Musik „Zwischenspiel“ „Alles für den Herrn“ – das gesungene Glaubensbekenntnis des Popstars Xavier Naidoo 94 Kunst Michelangelos „David“ Beeindruckendes Werk, geschlagen aus einem Marmorblock 98 Architektur Dio padre Misericordioso Hervorstechend: Roms futuristischster Kirchenbau 100 Literatur Don camillo und peppone Der katholische Pfarrer und der kommunistische Bürgermeister

grosses Wissen

104 Geht hinaus in die Welt! Die christliche Mission Seit über 2.000 Jahren ziehen christliche Missionare in die Welt. Über die Licht- und Schattenseiten der christlichen Mission damals und heute.

EiNBLicKE 122 Seelsorge an Bord Über den Alltag eines „Bordseelsorgers“ auf einem Kreuzfahrtschiff

KörpEr & SEELE 78 Zen-Meditation Die buddhistische Praxis für die geistige Entspannung 82 Die Magie des Mondes Die umstrittene Wirkung des Mondes auf Mensch und Tier

Weitere rubriken LESEZEichEN 86 Der heilige Geist ist keine Schwalbe Fußballlegende Rudi Völler über seinen Glauben

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Bilderwissen Internet Rätsel Meditation Vorschau/Impressum Glauben & Wissen 06/2014

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Sakrale Bauten

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Steinerne Zeitzeugen Etwa 700 Einwohner zählt das Dorf Ornes in Lothringen, als der Erste Weltkrieg (1914–1918) ausbricht. Im Verlauf der Gefechte werden neun Ortschaften der Region vom Artilleriefeuer vollständig zerstört, Ornes ist eine davon. Nur die robusten Steinmauern der MichaelsKirche – 1828 ausgerechnet zu Ehren des Erzengels Michael, des Schutzpatrons der Soldaten, errichtet – halten dem Beschuss stand. Ornes wird nach dem Krieg nicht wieder aufgebaut. Die Überreste

Fotos: IMAGO

der Kirche dienen heute als Mahnmal gegen den Krieg.

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Glaubenskultur

Umstrittene Gedenkstätte Shinto-Priester beim Auszug aus dem Yasukuni-Schrein in Tokio. Hier wird der gefallenen Militärangehörigen gedacht, die seit der Meiji-Restauration 1868 auf japanischer Seite ihr Leben ließen. Besuche hochrangiger Politiker im Schrein sorgen immer wieder für Kritik. Die ehemaligen Feinde, Nord- und Südkorea, Taiwan und die Volksrepublik China, bemängeln fehlenden Respekt für ihre zahllosen von den Japanern getöteten Volksangehörigen. Denn in den Kriegen, deren Toten hier gedacht wird, trat Japan stets als Aggressor auf. Um nicht unnötig zu provozieren, besuchen japanische Politiker den Schrein offiziell meist nur als Privatpersonen.

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Fotos: Getty Images

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Fotos: IMAGO

Das Pfingstmotiv in einem der Kirchenfenster des Bremer Doms.


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Taube, Feuer und

Heiliger Geist Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche und markiert gleichzeitig den Beginn der Ausbreitung des christlichen Glaubens. Für gläubige Christen ist es eines der wichtigsten und bedeutendsten Feste im Kirchenjahr. Und zwar eines mit einer magischen Zahl. Martin Mölder [text]

Warum spielt die Zahl 50 an Pfingsten eine wichtige Rolle? Das Wort „Pfingsten” geht auf das griechische Wort „Pentekoste“ zurück, das übersetzt „der Fünfzigste“ (Tag) bedeutet. In der Apostelgeschichte wird vom ersten Pfingstfest als dem „Fest der (Weizen-)Ernte” berichtet. Dieses wurde exakt

fünfzig Tage nach dem christlichen Osterfest, genau genommen 50 Tage nach dem Tag der Auferstehung Jesu, gefeiert. Die Juden begehen an diesem Tag übrigens, sieben Wochen und einen Tag nach dem Paschafest, ihr Fest „Schawuot“.

Was wird unter dem Pfingstwunder verstanden? So erzählt es die Bibel: Am fünfzigsten Tag nach dem Osterfest hatten sich viele Tausend Menschen in Jerusalem versammelt, um ein Ernte-Fest zu begehen. Aus vielen verschiedenen Ländern waren sie gekommen, um zu feiern. Einige von ihnen versammelten sich mit den Jüngern Jesu in einem Haus. Da geschah es: Ein lautes Rauschen, einem

Sturm ähnlich, erfasste das Haus. Danach sahen die Menschen ein Feuer und Feuerzungen, die auf sie niederfielen. Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt und begannen durcheinanderzureden. Aber obwohl die Menschen aus ganz verschiedenen Ländern kamen, „hörte sie jeder in seiner eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkündigen.“ (Apg. 2,11b)

Woher kommen Pfingsttaube, Pfingstochse und Pfingstrose? Die kopfüber herabfallende Taube wurde erst im 6. Jahrhundert das Symbol des Heiligen Geistes und damit auch für Pfingsten. Als Sinnbild für Sanftmut, Einfalt und Unschuld galt sie schon in der Antike. Der Grund: Tauben haben keine Gallenblase. Daraus folgerten die Menschen, dass sie deshalb frei seien von allem Bitteren und Bösen. Seit dem Konzil von Nicäa wird der Heilige Geist in der katholischen Kirche als Taube dargestellt. Der „Pfingstochse” war früher ein echter Ochse, der allerdings festlich geschmückt und dann zu Pfingsten feierlich durch das Dorf getrieben und später geschlachtet wurde. Wahrscheinlich hat der Brauch, einen Ochsen zu schlachten, seine Wurzeln in vorchristlicher Zeit und war damals eine im Spätfrühling übliche Opferhandlung. Die sogenannte Pfingstrose ist keine Rose, sondern stammt aus der Familie der Hahnenfußgewächse. Weil sie aber wie eine Rose aussieht und zu Pfingsten blüht, wurde sie im Laufe der Jahrhunderte „Pfingstrose“ genannt. In manchen Gegenden heißt sie auch „Benediktinerrose”, denn es waren wohl Benediktinermönche, die sie nach Deutschland brachten. Glauben & Wissen 06/2014

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RELIGION IM

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KREUZ FEUER Glauben & Wissen 06/2014


Titelgeschichte

Syrien, Ägypten, Nigeria, Mali, Pakistan – die Liste der Schauplätze, an denen vermeintlich religiös motivierte Konflikte toben, ist lang. Doch in den meisten Fällen dient der Glauben nur als Vorwand für wesentlich profanere Ziele. Ein Überblick über die Krisenherde des 21. Jahrhunderts. Andreas Ohlberger [text] Glauben & Wissen 06/2014

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I

n Nigeria terrorisieren islamistische Rebellen die Bevölkerung, im Nahen Osten sind sich Juden und Muslime spinnefeind, seit Generationen schon. Im Irak zerbomben militante Sunniten schiitische Moscheen – obwohl sie doch an den gleichen Gott glauben. Sogar unser Bild vom friedlichen Buddhismus, einzigartig verkörpert durch den Dalai Lama, müssen wir revidieren, seit buddhistische Mönche in Fernost muslimische Minderheiten diskriminieren und ihre Moscheen anzünden. Fast scheint es so, als würden überall auf der Welt täglich neue Religionskriege entbrennen. „Was man sicher sagen kann, ist, dass in den letzten Jahren in bestimmten Regionen die Lage dramatisch schlechter geworden ist“, meint der Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats, Prof. Dr. Heiner Bielefeldt. Wie kann das sein, schließlich lehren alle organisierten Religionen doch eigentlich Frieden und Nächstenliebe. Bei genauerer Betrachtung streitet man nur in den seltensten Fällen über den einzig wahren Glauben. Viel häufiger sind die Ursachen für die Eskalation der Konflikte irdischer Natur. Politische Machtkämpfe etwa oder Aufbegehren gegen irgendeine Art der Benachteiligung. „Je tiefer man einsteigt und je mehr man sieht, wie komplex die Situation ist, desto eher überkommen einen doch Zweifel“, so Bielefeldt. Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass Religionen und ihre Führer in verschiedenen Zeiten ihrer Geschichte Hass und Gewalt toleriert, gefördert und sogar propagiert haben. Die Ritter der Kreuzzüge etwa nahmen die Religion – konkret die Befreiung Jerusalems von den Ungläubigen – als Vorwand, um die Machtposition ihrer Königshäuser zu stärken, Handelswege zu kontrollieren und sich so zu bereichern. Und genauso verwenden bestimmte Gruppen die Religion heutzutage oft nur als Vorwand. Viel häufiger sind diese gewaltsamen Konflikte „Symptome ungelöster Probleme“, erklärt etwa der französische Religionswissenschaftler Thierry Dodin, der sich mit den Spannungen zwischen Buddhisten und Muslimen in Südostasien auseinandersetzt. „Solange diese bestehen, werden auch die Konflikte weiterbestehen.“ KonfliKtträchtige gesellschaften Die Misshandlung von Minderheiten und die Reaktionen darauf sind häufig ein Produkt ohnehin schon konfliktträchtiger Gesellschaften, in denen Minderheiten Ungleichbehandlung oder Ausgrenzung erfahren. Die Gründe dafür sind vielfältig und von Fall zu Fall

Syrien Die situation in syrien hat sich aus den Protesten im Zuge des „arabischen frühlings“ in einen Bürgerkrieg verwandelt, bei dem es nur Verlierer gibt. Die ursprüngliche Motivation der opposition, die Demokratisierung syriens zu erreichen, ist völlig in den hintergrund getreten und einem Kampf aus ethnischen und religiösen Motiven gewichen. Präsident Baschar al-assad und sein bröckelndes regime stützen sich auf die alawiten, die innerhalb der gesamtbevölkerung eine Minderheit von etwa 11 Prozent darstellen. gegenüber christen, Kurden, Drusen und türken hat sich das assad-regime weitgehend tolerant gezeigt, doch die sunnitische Mehrheit wurde von ihm unterdrückt. auch der einfluss aus dem ausland ist mit zunehmender Dauer des Konflikts angewachsen. längst verfolgen der iran und terrorgruppen, die al-Qaida nahestehen, hier ihre ganz eigenen interessen. nicht nur, dass geld und Waffen aus dem ausland ins land strömen, auch immer mehr ausländische freiwillige und söldner kämpfen in syrien. für die christen im land eine überaus gefährliche situation. Weil sie für niemanden Partei ergreifen, sind sie opfer der gewalt von allen seiten. Wie ihre Zukunft aussieht, ist völlig offen. „Wenn assad geht, kann es nur schlimmer werden“, glaubt george saliba. Der syrisch-orthodoxe erzbischof mit sitz im libanon befürchtet: „Wenn assad abtritt und die islamisten kommen, gibt es für uns christen keine Zukunft mehr in syrien. Mit assad leben wir besser.“ nach schätzungen des christlichen hilfswerks open Doors befinden sich derzeit 150.000 christen in syrien auf der flucht.

Bevölkerung: 17.951.639* ethnische gruppen: araber 90,3 %, Kurden, armenier, andere 9,7 % religionszugehörigkeit: Muslime 87 % (sunniten 74 %, alawiten, ismailiten und schiiten 13 %), christen 10 %, Drusen 3 %, Juden unbekannt situation: außer kontrolle

* cia World factbook

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Titelgeschichte

NordirlaNd

Bevölkerung: 1.823.634 religionszugehörigkeit: Christen 82,4 % (Protestanten 41,6 %, Katholiken 40,8 %), andere 0,8 %, keine Religion/ohne Angaben 16,9 %

Still war es geworden um den Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland. Bis es 2010 und 2011 zu neuen Gewaltausbrüchen mit Todesopfern kam. Ein echter Aussöhnungsprozess zwischen protestantischen Loyalisten und den katholischen Nationalisten, auf politischer Ebene propagiert, findet in der Gesellschaft noch nicht statt. So sträubt sich die katholische Seite mehrheitlich gegen eine Reform des Schulsystems. Immer noch ist das Bildungssystem in Nordirland konfessionell geteilt. Katholische Kinder gehen auf katholische Schulen, protestantische Kinder auf sogenannte Staatsschulen. Die Zahl der Schüler auf „integrierten Schulen“ ist äußerst gering. Jedoch scheint der Rückhalt der Nationalisten, die den Anschluss an die Republik Irland fordern, zu schwinden. Eine Umfrage im Juni 2011 kam zu dem Ergebnis, dass mittlerweile 52 % der katholischen Gemeinschaft den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich befürworten. Dennoch ist besonders am Rande der Paraden des protestantischen Oranier-Ordens (Orange Order) Gewalt an der Tagesordnung. Radikale republikanische Gruppen, wie z. B. die Real IRA, die den Friedensprozess grundsätzlich ablehnen, bilden eine lasituation: schwelend tente Bedrohung.

Nahost israel Bevölkerung: 7.821.850* ethnische gruppen: Juden 75,1 %, andere 24,9 % (mehrheitlich Araber) religionszugehörigkeit: Juden 75,1 %, Muslime 17,4 %, Christen 2 %, Drusen 1,6 %, andere 3,9 % palÄstina (West Bank ohne gaza-streifen) Bevölkerung: 2.731.052* ethnische gruppen: Palästinensische Araber und andere 83 %, Juden 17 % religionszugehörigkeit: Muslime (mehrheitlich Sunniten), Juden, Christen und andere Israelische Expansion gegen palästinensische Unabhängigkeitsbewegung – so lässt sich der Hintergrund des Konflikts in der Region Palästina kurz zusammenfassen. Natürlich beinhaltet der Streit um Jerusalem, das von Christen, Juden und Muslimen als heilige Stadt angesehen wird, eine nicht unwesentliche religiöse Komponente. Doch letztlich ist der sogenannte Nahostkonflikt ein territorialer Streit um Landesgrenzen. Israels Souveränität erstreckt sich auf 78 % des Gebiets zwischen Mittelmeer und Jordan. Die Palästinenser streben einen eigenen Staat an. Dem stimmt die israelische Regierung zwar grundsätzlich zu, jedoch ist der mögliche Grenzverlauf heftig umstritten. Die internationale Diplomatie muss machtlos mit ansehen, wie ihre Bemühungen um eine

Zwei-Staaten-Lösung scheitern. Die in der „Road Map“ von 2003 dargestellten Positionen werden nicht eingehalten. Weder haben die Palästinenser ihre gewaltbereiten Milizen aufgelöst, noch rückt Israel vom Siedlungsbau auf Palästinensergebiet ab – im Gegenteil. Immer neue israelische Siedlungen schießen aus dem Boden. Zudem erschwert die Spaltung der Palästinenser die Verhandlungen. Die Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert, verweigert weiterhin die Anerkennung des Existenzrechts Israels. Seit dem Krieg von 2008/09 ist Gaza von der Außenwelt abgeschnitten. Israel kontrolliert die Zugänge an Land und zu Wasser über das Mittelmeer, die ägyptische Militärregierung die Südgrenze. Das Gebiet ist vollständig isoliert. Der nächste Gewaltausbruch an der Grenze scheint nur eine Frage der Zeit. situation: extrem angespannt

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unterschiedlich. Ein anderer, fremder Glaube ist nur eine mögliche Ursache von vielen. Ausgrenzendes Verhalten führt zu Ablehnung und Vorurteilen. Daraus folgt wiederum, dass sich die Mehrheit der Gesellschaft ausgrenzend verhält, oder die Minderheit sich bewusst abschottet. Beides bedingt das jeweils andere. „Das Problem wird bestehen bleiben, bis die Menschen aufhören, Intoleranz zu tolerieren“, kommentiert David H. Shinn, ehemaliger US-Botschafter in Äthiopien und Burkina Faso und heute Lehrstuhlinhaber an der Elliott School of International Affairs der George Washington University. KoRRUpTIoN UND STAATSVERSAGEN An vielen Krisenherden, wie sie uns – aktuell etwa in Zentralafrika – beschäftigen, stellt sich die Situation jedoch ganz anders dar. Laut Prof. Bielefeldt ist es dort eher so, dass das Auseinanderfallen der Staatlichkeit infolge von Korruption und Staatsversagen sich auch in Gruppierungen manifestiert, die irgendwie religiös definiert sind. „Aber mit religiösen Inhalten hat das nur wenig zu tun“, meint der Experte (ein ausführliches Interview mit Prof. Dr. Bielefeldt zum Thema „Religionsfreiheit“ lesen Sie auf den Seiten 32 bis 35 dieser Ausgabe). Am Horn von Afrika kontrollierte die militante islamische Terrorgruppe Al-Shabaab bis Ende 2010 den Großteil Süd- und Zentralsomalias. Ihre Kämpfer unterwarfen die Bevölkerung strikten Regeln, denen ein wahhabitischer Islam, eine besonders extreme Interpretation des Glaubens, zugrunde liegt. Jede Zuwiderhandlung wurde mit harten Strafen – von Auspeitschung bis zur Hinrichtung – geahndet. Trotz einiger militärischer Rückschläge sind sie bis heute in wichtigen Teilen des ländlichen Somalias und in den Nachbarländern sehr aktiv. Von ihren Rückzugsgebieten aus planen sie terroristische Aktionen, wie etwa den Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi im September 2013. In ihrer Radikalität ist Al-Shabaab nicht nur eine Bedrohung für die kleine Zahl der Christen in Somalia, sondern auch für die gemäßigte muslimische Bevölkerung. In Nigeria terrorisiert die islamistische Organisation Boko Haram die Bevölkerung. Die Gruppierung selbst macht kein Hehl aus ihrer Absicht, die Regierung zu stürzen und Nigeria in einen islamischen Scharia-Staat zu verwandeln. Auch Boko Haram ist nicht nur eine Bedrohung für die Christen im Staat, sondern auch für den gemäßigten Teil der muslimischen Bevölkerung. Wer nicht mit ihrer Ideologie übereinstimmt, wird schnell zum Opfer. 24

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Sri lanka Bevölkerung: 21.866.445* ethnische gruppen: Singhalesen 74,9 %, Tamilen 18,1 % (Sri-Lanka-Tamilen 12,6 % , Tamilen indischer Herkunft 5,5 %), Araber 7,1 % , andere (Malaien, Burgher, Vedda usw. ) religionszugehörigkeit: Buddhisten 70,2 % (Theravada-Buddhismus), Hindus 12,6 %, Muslime 9,7 % , Christen 7,4 %, andere 0,1 %

Die Bevölkerung Sri Lankas besteht im Wesentlichen aus zwei ethnisch-religiösen Gruppen: den mehrheitlich buddhistischen Singhalesen und den überwiegend hinduistischen Tamilen. Von 1983 bis 2009 tobte in dem südasiatischen Inselstaat ein blutiger Bürgerkrieg zwischen singhalesischen Regierungseinheiten und tamilischen Unabhängigkeitskämpfern um die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE). Die Tamilen wurden seit der Unabhängigkeit Sri Lankas von Großbritannien 1950 konsequent unterdrückt. Zunächst wurden sie von der singhalesischen Mehrheit aus fast allen Bereichen der Verwaltung, (Land-)Wirtschaft und Bildung verdrängt. 1956 wurde Tamilisch wie auch Englisch als Verwaltungssprache verboten. Außerdem versuchte die Regierung, während der Kolonialzeit zugewanderte indische Tamilen wieder aus dem Land zu vertreiben. 1972 wurde der Buddhismus Staatsreligion und die Vorherrschaft der Singhalesen verfassungsmäßig bestätigt. Was von staatlicher Seite begann, setzt heute die extremistische Gruppe Bodu Bala Sena (BBS) fort. Sie fordert eine gravierende Einschränkung der Rechte von Muslimen. Dies betrifft insbesondere das rituelle Halal-Schlachten, das Schächten ohne Betäubung, sowie das Tragen des Hijab, des Kopf- und Brustschleiers für Frauen, und die Gebetsaufrufe am frühen Morgen und spät in der Nacht. Die singhalesisch-buddhistische Regierung tut herzlich wenig, um den Konflikt zu beenden. situation: besorgniserregend


Titelgeschichte

Somalia

„arabischer Frühling“

Bevölkerung: 10.428.043* ethnische gruppen: Somalier 85 %, Bantu und andere 15 % (inkl. 30.000 Araber) religionszugehörigkeit: Der Sunnitische Islam ist Staatsreligion. Die muslimische Organisation Al-Shabaab kämpft für die Einführung der Scharia als Richtschnur für alle Aspekte des Lebens in Somalia. Das beinhaltet die Rechtsprechung und Politik sowie alle sozialen und wirtschaftlichen Belange. Al-Shabaab nutzt ihre Präsenz in verschiedenen Teilen des Landes, um ganze Dorfgemeinschaften zu radikalisieren. Dabei spielt ihnen das traditionelle somalische Stammessystem mit seiner Vielzahl von bewaffneten Clans in die Karten. Auch die Unzufriedenheit über die grassierende Korruption und ein hohes Maß an Gewalt und ungeahndete Straftaten bescheren den Islamisten Anhänger. 2012 führte Somalia den weltweiten Korruptionsindex von Transparency International an. Laut Aussage eines Feldforschers des christlichen Hilfswerks Open Doors ist die Terrororganisation in der Durchsetzung ihrer wahhabitischen Weltsicht so extrem, dass sogar andere, gemäßigte Muslime sich nicht trauen, offen Widerstand zu leisten. Stattdessituation: besorgniserregend sen gehen sie in den Untergrund, um so der Verfolgung zu entgehen.

nigeria Bevölkerung: 177.155.754* ethnische gruppen: circa 400 Volksgruppen: u. a. Yoruba ca. 21 %, Ibo (Igbo) ca. 18 %, Haussa ca. 21 %, Fulani 10 %, Kanuri 4 % religionszugehörigkeit: Muslime 50 %, Christen 40 %, indigene Religionen 10 % „Sie ermorden Christen und Muslime – Boko Haram ist Afrikas brutalste Terrorsekte“, textete die „Bild“-Zeitung. Tatsächlich gehen unzählige blutige Anschläge, darunter die Sprengung einer katholischen Kirche an Weihnachten, auf das Konto der Terrorgruppe. Zuletzt machte Boko Haram, was übersetzt so viel bedeutet wie „Westliche Bildung ist verboten“, mit dem Überfall auf ein Mädcheninternat im Norden des Landes von sich reden. Über 200 Schülerinnen wurden entführt und verschleppt. Boko Haram fordert die Einführung der Scharia und die Errichtung eines islamischen Gottesstaates. Dabei bedienen sie sich terroristischen Methoden, um das bestehende System zu destabilisieren. Die Regierung bekommt die explosive Lage nicht in den Griff. So droht der Vielvölkerstaat mit seinen fast 180 Millionen Einwohnern in einen Bürgerkrieg abzurutschen. situation: außer kontrolle

Nach dem Protest des tunesischen Gemüsehändlers Mohamed Bouazizi mit seiner Selbstverbrennung gegen Polizeiwillkür und Demütigung begannen am 17. Dezember 2010 in Tunesien die Proteste gegen die Regierung von Staatsoberhaupt Zine el-Abidine Ben Ali. Innerhalb weniger Wochen kam es zu landesweiten Massenunruhen, die in den nächsten Monaten auf etliche Staaten in Nordafrika und dem Nahen Osten übergriffen. Blogs und Foren befeuerten die Umbrüche in der arabischen Welt über Staatsgrenzen hinweg. Besonders die neuen Medien wie Facebook und Twitter wurden zum Mittel der Selbstermächtigung und zu einer unverzichtbaren Informationsquelle – für Demonstranten genauso wie für die Medien. Massenproteste im Zuge des „Arabischen Frühlings“, wie auf dem Tahrir-Platz in Kairo (Foto oben), führten zur Absetzung und Flucht des tunesischen Machthabers Ben Ali und zum Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak. Im Jemen trat Ende 2011 – nach über 30 Jahren an der Macht – Präsident Ali Abdullah Saleh zurück. In Libyen kam es zum Bürgerkrieg: Mit Unterstützung der NATO wurde Staatschef Muammar alGaddafi gestürzt. Aufbegehren auch in Syrien, wo der Bürgerkrieg bis heute andauert und bislang über 130.000 Todesopfer gefordert hat.

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Teil II

Johannes XXIII.

Der Gute

PaPst

„Il Papa buono“ nennen ihn noch heute mit Ehrfurcht seine Landsleute. Das Pontifikat Johannes XXIII. gehört zu den kürzesten in der Geschichte der Päpste. Umso beeindruckender ist für die meisten das, was der bescheidene Papst in dieser Zeit in der katholischen Kirche bewirkte. Martin Mölder [text]


Serie – Die größten Päpste aller Zeiten


Teil II

Johannes XXIII.

Übergroß hing das Porträt von Papst Johannes XXIII. zur Heiligsprechung am 27. April 2014 an der Fassade des Petersdomes. Auf der anderen Seite schaute Papst Johannes Paul II. von einem zweiten riesigen Poster auf die Tausenden Gläubigen herab.

A

pril 2014: Tausende Gläubige sind nach Rom gekommen, um der Heiligsprechung zweier ehemaliger Päpste beizuwohnen. Der Petersplatz ist voll. Bis in die Via della Conciliazione stehen die Menschen, um von diesem beson­ deren Augenblick etwas mitzu­ bekommen und diese beiden gro­ ßen Päpste des 20. und frühen 21. Jahrhunderts zu feiern. An den Fernsehgeräten verfolgen Millio­ nen Zuschauer, wie Papst Franzis­ kus seine beiden Vorgänger im Amt, Papst Johannes Paul II. und Papst Johannes XXIII., auf eine Stufe etwa mit dem heiligen Petrus, Paulus und Matthäus hebt. Vatikan­Exper­ ten vermuten später, dass die meis­ ten Menschen vor allem wegen Papst Johannes Paul II. gekommen

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sind. Ganz Polen feierte an diesem eines konkreten Nachweises heilig­ Tag seinen Karol Wojtyla. Die meis­ gesprochen worden, sondern auf­ ten Italiener dagegen freuten sich für grund ihres Einflusses, den sie durch ihren Angelo Giuseppe Roncalli, der ihren standhaften Glauben ausüb­ ohne Nachweis eines von ihm ten, und ihres „Rufes und der Zei­ gewirkten Wunders heiliggespro­ chen der Heiligkeit“ (fama sanctita­ chen wurde, und zwar „ex certa scientia“, übersetzt „gemäß sicherer Erkennt­ nis“. Das hatte unter den Konservativen während des Prozesses der Heilig­ sprechung Papst Johan­ nes’ XXIII. zu vielen Kontroversen geführt. Sie verlangten wie bei Papst Johannes Paul II. und den meisten Heiligen der katholischen Kirche zwei nachgewiesene Wunder. Dabei sind von früheren Päpsten bereits mehr als Schon als Kind war Angelo Giuseppe Roncalli oft in der Dorfkirche und betete, auch als Messdiener. 30 Personen nicht wegen


Serie – Die größten Päpste aller Zeiten

tis et signorum). Papst Johannes XXIII. hat übrigens selbst diese Form der Heiligsprechung praktiziert. Der ehemalige Sekretär Johannes’ XXIII., Monsignore Loris Capovilla, sagte einmal, dass dieser Papst „eine alltägliche, im normalen Leben praktizierte Heiligkeit“ habe. Begründet ist diese in seiner Kindheit in einem kleinen Bergdorf in der Nähe von Bergamo, wo Papst Johannes XXIII. am 25. November 1881 geboren wird. SOTTO Il MONTE „Unter dem Berg“ – dieser Name beschreibt die Lage des Geburtsortes von Angelo Giuseppe Roncalli sehr treffend. Dass kurz vor dem ersten Advent 1881 hier in einem kleinen Haus ein zukünftiger Papst geboren wird, ahnt Mama Marianna Mazzola damals ebenso wenig wie Papa Battista Roncalli. Ihr Sohn Angelo Giuseppe ist bereits ihr viertes Kind, weitere neun sollen noch folgen. „Ich hatte die Gnade, in einer christlichen, bescheidenen, armen, gottesfürchtigen Familie geboren und zum Priestertum berufen worden zu sein. Seit meiner Kindheit hatte ich nichts anderes im Sinn.“ So beschreibt Papst Johannes XXIII. selbst seine Kindheit in seinen „Notizen für eine Biographie“, die er während seines Pontifikats schreibt. Vieles, was danach über die ersten Jahre dieses Papstes erzählt wird, sind idyllische Sagen und Legenden. So urteilen sowohl der Neffe und Biograf des Papstes, Marco Roncalli, als auch Erich Kock, Publizist und Autor, der Roncalli persönlich kennenlernte. Beide erzählen die Geschichte dieses „Leute-Papstes“ (Erich Kock) wesentlich nüchterner. „Sotto il Monte ist ihm in seinem ganzen Leben gegenwärtig geblieben“, sagt Erich Kock im Interview mit „Glauben & Wissen“. „Der Papst hatte zu seiner Zeit in Venedig immer zwei

Angelo Giuseppe Roncalli Stationen eines spätberufenen Heiligen Der junge Geistliche Am 10. August 1904 wird Angelo Giuseppe Roncalli zum Priester geweiht. Von 1905 bis 1914 arbeitet er als Sekretär des Bischofs Graf Radini-Tedeschi von Bergamo. Mit ihm reist Roncalli viel, u. a. nach Frankreich und Polen. Im Jahr 1906 besuchen die beiden Palästina. Priester Roncalli macht erste Bekanntschaft mit der Diplomatie in der katholischen Kirche.

Der Leute-Kardinal Am 12. Januar 1953 ernennt Papst Pius XII. Angelo Giuseppe Roncalli zum Kardinal und gleichzeitig zum Patriarchen von Venedig. Nach seiner Zeit als Diplomat in Bulgarien, der Türkei, Jordanien, Griechenland und schließlich als Nuntius in Frankreich ist der Seelsorger Roncalli endlich wieder mitten unter den Gläubigen.

Der gute Papst Am 28. Oktober 1958, es ist der vierte Tag des Konklaves, wird Kardinal Roncalli im 11. Wahlgang von 38 der damals lediglich 51 Mitglieder des Kardinalskollegiums zum Papst gewählt. Eine große Überraschung, dennoch halten ihn die meisten für einen Übergangspapst. Er wählt als Namen für sein Pontifikat Johannes XXIII.

Der Konzilsvater Am 25. Januar 1959 kündigt der frischgebackene Papst vor einigen Kardinälen völlig überraschend die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils an. Am 11. Oktober 1962 wird es feierlich eröffnet. Mehr als 2.500 Geistliche sind dabei. Acht Monate danach stirbt Papst Johannes XXIII. nach einer schweren Krankheit.

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Stätten des Glaubens

U

ODYSSEE BIS NACH POLEN Auf welchem Weg die Ikone ins heutige Polen gelangte, bleibt sieben Jahrhunderte lang ein Geheimnis. Aktenkundig wird ihr Erscheinen in ihrer heutigen Heimat Tschenstochau erst im Jahr 1382. Dem polnischen König Wladyslaw fiel die Schwarze Madonna in die Hand, und er erkannte die Macht der Ikone. Deshalb stiftete er ein Kloster, das der Orden der Paulaner bezog. In der kleinen Klosterkirche ließ der König die Madonnen-Ikone aufstellen. Dort hat sie heute noch ihren Platz, allerdings hat sich die Kirche um sie herum im Laufe der Jahrhunderte stark verändert. Denn je größer die Anziehungskraft der

Nach Tschenstochau führen etwa 50 Pilgerwege, die kreuz und quer durch ganz Polen verlaufen. Wer dann Jasna Góra erreicht, sieht meist zuerst den Klosterturm, 106 Meter hoch und damit der höchste Kirchturm Polens.

schwarzen Mutter Gottes wurde, desto öfter wurde sie umgebaut und erweitert. Seit 1906 darf sich die dreischiffige Kirche „Basilika“ nennen. KAMPF MIT FOLGEN Bei einem Überfall der Hussiten, die dem ermordeten Theologen und Reformer Johannes Hus (1369–1415) nachfolgten, auf das Kloster Jasna Góra im Jahre 1430 wurde auch die Ikone der Schwarzen Madonna beschädigt. Und obwohl sie 1433 komplett übermalt wurde, hat sie bis heute zwei Schrammen, die mit großer Wahrscheinlichkeit und nach Infrarot-Analysen von der Klinge einer Waffe stammen. In den 580 Jahren bis heute sind viele nicht

erklärbare Wunder passiert, die dazu führten, dass jährlich bis zu vier Millionen Gläubige nach Tschenstochau pilgern, fast alle mit einem „Ave Maria“ auf den Lippen. Alleine der dieses Jahr heiliggesprochene Papst Johannes Paul II. hat sechs Mal die Schwarze Madonna im Kloster Jasna Góra besucht und er glaubte an die wunderwirkende Kraft der sagenumwobenen Ikone – wie 94 Prozent seiner Landsleute auch.

WISSEN GLAUBEN &

Die bedeutendsten Madonnenfiguren der Welt finden Sie hier: www.glauben-und-wissen.com/madonnen

WISSENSPLUS Die acht beliebtesten Wallfahrtsorte Europas Tschenstochau

Altötting

Santiago de Compostela

Lourdes Assisi Rom

Medjugorje

Fátima

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Fotos: Getty Images (1), IMAGO (1)

m sie ranken sich Mythen und Legenden, danach hat sie Wunder vollbracht und sogar ganze Armeen besiegt: Die Ikone der Schwarzen Madonna in Tschenstochau, anderthalb Autostunden von Krakau entfernt, ist die wichtigste Reliquie Polens und sein Nationalheiligtum. 1656 hat der polnische König Johann Kasimir sie sogar feierlich zur „Königin von Polen“ erklärt. Das Bild der schwarzen Mutter Gottes, auf deren Schoß das Jesuskind sitzt, mit einer Bibel in der Hand, ist eines der bekanntesten Motive für Postkarten und T-Shirts weit über Polen hinaus. Doch nur wenige kennen die außergewöhnliche Geschichte dieser 122 mal 82 Zentimeter großen Ikone, deren Mythos bereits bei dem Material beginnt, auf das sie gemalt wurde. Denn eine Legende erzählt davon, dass das Original auf ein Stück Zypressenholz gemalt wurde, das ursprünglich Teil des Tisches von Maria, Josef und Jesus in Nazareth war. Der Maler sei der Evangelist Lukas gewesen, der um 80 n. Chr. lebte. Viele Kunsthistoriker bezweifeln dies aber. Sie datieren die Entstehung etwa auf das sechste Jahrhundert unserer Zeit.

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„Wer nicht verteidigt, ist Pontius Pilatus“ Giovanni Trapattoni ist eine lebende Legende des Weltfußballs. Auch mit 75 Jahren ist der strenggläubige Katholik immer noch Feuer und Flamme für den Sport. Die Arbeit mit jungen Menschen hält ihn selbst jung. Auf die versprochene Weltreise zum Karriereende muss Ehefrau Paola wohl weiter warten. Andreas Ohlberger [text]

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Spurensuche

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s sind diese dreieinhalb Minuten am Nachmittag des 10. März 1998, die sich in das Gedächtnis einer ganzen Generation von Fußballfans und Reportern einbrennen. Dreieinhalb Minuten dauert Giovanni Trapattonis legendäre Wutrede, die mit den Worten „Ich habe fertig“ endet. Zwei Tage vorher verlieren Trapattonis Bayern 0:1 gegen Schalke 04, und Thomas Strunz und Mario Basler beschweren sich im Anschluss an die Partie öffentlich, weil der Trainer sie nicht aufgestellt hat. Bereits nach dem Mittagessen im Mannschaftshotel hält Trapattoni eine wütende

Rede im Mannschaftskreis. „Er war stinksauer“, sagt Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick. So sauer, dass er bis zu diesem denkwürdigen Dienstagnachmittag niemanden vom Verein sehen will und sich in sein Haus bei Mailand zurückzieht. „Er hat nicht mal die erste Frage abgewartet“, erinnert sich Hörwick im Gespräch mit einem Journalisten der „Zeit“. „Seine Halsschlagader schwoll an, sein Kopf wurde ganz rot.“ Der erfahrene Trainer explodiert. Eine geplante Detonation vor der versammelten deutschen Sportpresse. Am Abend ist Trapattonis Ausraster Thema in allen Medien der Republik, und Geschichte wurde geschrieben.

Äußerlich gealtert, aber jung im Geiste – Giovanni Trapattoni hat noch lange nicht fertig. Glauben & Wissen 06/2014

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Giovanni Trapattoni erblickt am 17. März 1939 in Cusano Milanino, einer Gemeinde in der Provinz Mailand, als jüngstes von fünf Kindern das Licht der Welt. Die Eltern sind Bauern. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg beherrschen Not und Armut den Alltag. „Ich bin in einer gläubigen Familie auf die Welt gekommen und katholisch erzogen worden“, berichtet Trapattoni von seiner Kindheit. Giovanni und seine älteren Geschwister, ein Bruder und die drei Schwestern, müssen sich schon als Teenager jede Lira hart erarbeiten. Da bietet der Fußball eine willkommene Ablenkung vom sonst so tristen Alltag.

Giovanni erlernt den Beruf des Buchdruckers und jobbt in einer Druckerei, in der auch sein älterer Bruder angestellt ist. Nebenbei spielt er Fußball in der Jugend des AC Mailand. Als er 14 Jahre alt ist, verstirbt sein Vater, der zusätzlich zur Landwirtschaft nebenbei noch in einer Chemiefabrik gearbeitet hat. VERANTWORTUNG FÜR DIE FAMILIE Fortan muss der jüngste Spross der Trapattonis die Familie mit ernähren. Deshalb bittet Giovanni seinen Trainer, ihn gehen zu lassen. Denn vom Verein erhält er nur 14.000 Lire, während er in der Druckerei 90.000 verdienen könnte. Doch Trainer Giuseppe Viani überzeugt den Jungen, dass es besser für ihn wäre, weiter Fußball zu spielen. Und Trapattoni lässt sich überreden und bleibt bei Milan. In der Retrospektive sagt er: „Dafür bin ich ihm ewig dankbar.“ Im Sommer 1957 schafft er den Sprung in den Profikader des AC Mailand, dem er bis 1971 angehört. Für die „Rot-Schwarzen“ (ital.: „Rossoneri“) steht er wettbewerbsübergreifend in über 350 Pflichtspielen auf dem Platz. Mit Milan gewinnt er 1962 und 1968 den „Scudetto“, die italienische Meisterschaft, und 1967 den Pokal. Auch auf europäischer Ebene verbucht der rechte Außenläufer Trapattoni beachtliche Erfolge: 1963 und 1969 gewinnt der AC den Europapokal der Landesmeister,

„Abgesehen davon, dass ich Trainer bin, bin ich auch Priester. Ich muss reden und erklären. Es ist ein wenig wie Beichte.“ ZEITLEISTE

Stationen des Lebens Der berufliche Werdegang von Giovanni Trapattoni ist eindrucksvoll. Sowohl als Spieler als auch als Trainer ist seine Laufbahn mit Titeln gepflastert. Die Zeitleiste zeigt die Meilensteine seiner Fußballkarriere.

Juli 1957 Aufstieg von der Jugend des AC Mailand zu den Profis.

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1964 Am 5. Dezember läuft Trapattoni gegen Dänemark zum letzten Mal für Italien auf.

1963 Im Londoner Wembley-Stadion gewinnt der AC Mailand mit Giovanni Trappatoni am 22. Mai das Endspiel um den Europapokal der Landesmeister gegen Benfica Lissabon mit 2:1.

1969 Am 28. Mai gewinnt Trappatoni mit Milan zum zweiten Mal den Europapokal der Landesmeister. Am 12. November desselben Jahres absolviert „Trap“ sein letztes Pflichtspiel im Dress des AC Mailand.


Spurensuche

1968 den Europapokal der Pokalsieger. Und auch seine Trainerlaufbahn nimmt hier ihren Anfang. Nachdem er in seinem letzten Jahr in Mailand nicht mehr so oft zum Zuge kommt, lässt sich Trapattoni – der bis dahin noch nie ein anderes Trikot als das des AC Mailand getragen hat – zum ersten und einzigen Vereinswechsel als Spieler überreden. Der Abstecher zum FC Varese endet für Trapattoni nach einem Jahr mit gerade einmal zehn Ligaspielen und für den Verein mit dem Abstieg aus der Serie A. Sowohl die lange Verweildauer in Mailand als auch der Wechsel ins weniger als 50 Kilometer entfernte Varese zeugen von der großen Heimatverbundenheit des jungen Giovanni Trapattoni. Bereits zu dieser Zeit an seiner Seite: Ehefrau Paola. Mit der Römerin, die er während der Olympischen Spiele 1960 kennengelernt hatte, ist Trapattoni mittlerweile seit 50 Jahren glücklich verheiratet. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder, Alberto und Alessandra, und mittlerweile mehrere Enkelkinder. Wenn Giovanni gerade einmal keine Mannschaft trainiert, leben sie gemeinsam in ihrem Anwesen in Trapattonis Geburtsort Cusano Milanino. MAILAND IST HEIMAT UND RÜCKZUGSORT Seiner lombardischen Heimat die Treue zu halten wird mit der Beginn der Trainertätigkeit nicht leichter. Zwar kehrt Trapattoni 1972 zunächst zum AC Mailand zurück, wo er eine Anstellung als Jugendtrainer erhält. 1974 steigt er kurzfristig zum Trainer der Profimannschaft auf. Nach fünf Niederlagen in Serie, darunter einer 1:5-Heimpleite gegen Lokalrivale Inter Mailand, beerbt „Trap“ Milan-

1970 Im Spätherbst seiner Spieler-Karriere wechselt Trapattoni zum ersten und einzigen Mal den Verein und schließt sich zur neuen Saison dem AS Varese 1910 an.

1974 Zur Saison 74/75 steigt „Trap“ als Trainer zu den Profis des AC auf. Er bleibt nur zwei Jahre Cheftrainer der „Rossoneri“ (die „Schwarz-Roten“).

1972 Am 1. Juni beendet Trapattoni seine Spieler-Karriere im Alter von 41 Jahren, 10 Monaten und 13 Tagen und wird Jugendtrainer beim AC Mailand.

Giovanni Trapattoni in der Saison 1959/1960 im Dress des AC Mailand, dem er bis 1970 die Treue hält.

Legende Cesare Maldini auf dem Posten des Cheftrainers. Die Bilanz unter Trapattoni in den verbleibenden sechs Spielen: ein Sieg, eine Niederlage, vier Unentschieden und gerade mal zwei erzielte Tore. Solide, aber im erfolgsverwöhnten Mailand kein Empfehlungsschreiben für eine Weiterbeschäftigung. So rückt er zunächst klaglos und bescheiden wieder ins zweite Glied, bis ihn 1974 der Lockruf von Juventus Turin ereilt. Im Piemont erlebt Giovanni Trapattoni seine erfolg-

1986 Rückkehr nach Mailand – aber nicht zu Milan, sondern zum Lokalrivalen Inter. Unter „Trap“ spielen bis 1991 auch die Deutschen Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann.

1976 Giovanni Trapattoni unterschreibt als Trainer bei Juventus Turin. Der Beginn einer Ära: Unter seiner Leitung gewinnt Juve in zehn Jahren sechs Mal die italienische Meisterschaft und jeden der drei Europapokal-Wettbewerbe mindestens ein Mal. Glauben & Wissen 06/2014

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David Michelangelo Buonarroti, 1501–1504, 5,17 Meter, Skulptur aus Marmor

Fast sechs Tonnen schwer, 5,17 Meter groß und aus purem Carrrara-Marmor – Michelangelos „David“.


Kunst

Ästhetischer

Krieger Michelangelo schuf mit seinem „David“ ein in vielerlei Hinsicht beeindruckendes Werk. Die riesige Skulptur, die der Künstler aus einem einzigen Marmorblock schlug, wurde zum Symbol des Widerstandes der Bürger Florenz’ und war anders als alle anderen Abbildungen des biblischen David zuvor. David Vinzenz [text]

I

m Jahr 1501 bemüht sich das Universalgenie Leonardo da Vinci in Florenz um Aufträge. Ihm wird ein riesiger Marmorblock zur freien Verfügung angeboten. Doch da Vinci, der sich auch als Bildhauer bewährte, ist mit seinen Gedanken schon bei ganz anderen Forschungen und Erfindungen. Er lehnt den Marmorblock dankend ab. Drei Jahre später schlägt der Maler und Bildhauer Michelangelo aus eben diesem einzelnen Block den „David“. Er schafft damit die erste überlebensgroße Statue der Hochrenaissance, die heute als die bekannteste Skulptur der Kunstgeschichte überhaupt angesehen wird. Für Italien ist Michelangelos Skulptur eine nationale Kunstikone geworden. Der italienische Architekt und Maler Giorgio Vasari, der Biografien über zahlreiche italienische Künstler verfasste, sah mit der Entstehung von Michelangelos „David“ eine neue Zeitrechnung angebrochen. Für

Vasari, der als erster Kunsthistoriker überhaupt gilt, läutet der „David“ die Renaissance (franz. Wiedergeburt), ein Anknüpfen an vergessene Fähigkeiten der Antike, ein. Seit 1873 steht Michelangelos übergroßes Meisterwerk, das er in nur drei Jahren fertigstellte, in der Galleria dell’Accademia in Florenz. Im September 2014 feiert die Stadt Florenz das 510. Jahr der Vollendung von Michelangelos „David“. Dritter VerSucH Im Jahr 1501 erhielt Michelangelo von der in Florenz einflussreichen Wollweberzunft, in der sich mehrere Künstler engagierten, den Auftrag, die Skulptur Davids für die Außenfassade des Florenzer Doms fertigzustellen. Michelangelo war nicht der erste Bildhauer, der sich an dem riesigen Marmorblock zu schaffen machte, um den biblischen David aus ihm zu schaffen. Vierzig Jahre vor ihm hatte sich bereits der Bildhauer Agostino di Duccio erfolgGlauben & Wissen 06/2014

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David michelangelo buonarroti, 1501–1504, 5,17 meter, Skulptur aus marmor

Der siegreiche David, zukünftiger könig von Israel, nach dem kampf gegen den feindlichen Philister Goliat. Ganz anders als bei michelangelo wird der junge David meistens als körperlich völlig unterlegen abgebildet.

los an dem Carrara-Marmorblock nur drei Jahren zu beenden. Das ist versucht. 1476 machte sich Antonio insofern beeindruckend, als man es Rosselino an die Arbeit und startete mittlerweile für nahezu unmöglich einen zweiten Versuch, um das Auf- gehalten hatte, in einem Stück die tragswerk für die imposante David- Statue aus dem Block anzufertigen. Statue umzusetzen. Auch er gab die Und Michelangelos „David“ war Arbeit an dem Block auf und ließ nicht gerade von kleiner Statur. Die ihn in einem sehr grob behauenen Statue beeindruckt mit ihren 5,17 Zustand zurück. Dann machte sich Metern Höhe. Michelangelo ließ sie Michelangelo ans Werk. Der Mar- noch imposanter für den Betrachter morblock wurde seit 1468 im Dom- erscheinen, indem er Kopf und garten von Florenz gelagert. Auch Hände der Statue überproportional wenn ihm die groben Arbeiten sei- groß anfertigte. ner Vorgänger angeblich Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Symbolkraft ästhetischen Haltung des Davids Michelangelo beendete seine bereitet haben sollen, so schaffte er Arbeit am „David“ im September es doch, sein Werk innerhalb von 1504. Dass er nur drei Jahre für die 96

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Fertigstellung der imposanten Marmorstatue benötigen würde, hatten die Auftraggeber nicht erwartet. Nach der Vollendung der Skulptur kam es allerdings zu Meinungsverschiedenheiten darüber, wo die Statue aufgestellt werden sollte. Ein von der Stadt Florenz einberufenes Gremium aus Künstlern, zu denen auch Leonardo da Vinci zählte, beriet darüber und entschied sich letztlich gegen den Dom und für den Platz vor dem Rathaus, die Piazza della Signoria. Die Entscheidung, die Statue des vermeintlich unterlegenen, aber letztlich siegreichen David an diesem Ort zu platzieren, hatte Symbolkraft. Die Bürger der Stadt hatten sich gegen die mächtige und in Florenz herrschende Adelsfamilie der Medici zur Wehr gesetzt und diese 1494 zumindest für einige Zeit aus der Stadt vertrieben. Die Familie der Medici hatte sich durch fragwürdiges Taktieren zu einer der einflussreichsten italienischen Dynastien des 15. und 16. Jahrhunderts aufgeschwungen. So wurde die Figur des biblischen David, eindrucksvoll von Michelangelo umgesetzt, zum Sinnbild der freien Bürger stilisiert, die sich gegen einen übermächtigen Gegner durchgesetzt hatten. Die politische Symbolkraft der David-Skulptur überwog vor der religiösen, was sich letztlich auch an dem gewählten Standort zeigt. Unter großen Anstrengungen transportierte man Michelangelos Meisterwerk zur Piazza della Signoria. Behindert wurde dieser Transport von Unterstützern der Medici, die – im Bewusstsein der Symbolkraft für die Bürger von Florenz – die Statue mit Steinen bewarfen. Unter Schutz wurde der „David“ auf dem Platz aufgestellt und blieb dort auch stehen, als die Medici 1512 in die Stadt zurückdrängten und erneut


Kunst

die Macht übernahmen. Mit ihrer chios, die auch einen schmächtiRückkehr brachen allerdings poli- gen kleinen Jungen zeigt, der den tische Unruhen in der Stadt aus. Als Kampf bereits gewonnen hat. eine Bank aus dem Palastfenster Michelangelo gewichtete die Symflog, schlug sie den linken Arm der bolkraft seiner Skulptur anders. Bei Statue ab. Vasari sammelte die ihm ist David kein kleiner HirtenEinzelteile ein, junge, sonund die Skulptur dern ein muswurde 1543 resku l ö s e r, tauriert. Erst 1873 ästhetisch wurde sie zum und athletisch Schutz vor der wirkender Witterung und Mann, der den vor Vogelkot in Kampf gegen die Accademia di Goliat noch Belle Arti, der vor sich hat. heutigen Galleria Seine Mimik dell’Accademia, ist ernst und gebracht, wo sie siegessicher. noch immer der Mit festem größte PublikumsBlick scheint Michelangelo magnet für die er seinen WiBesucher ist. 1910 stellte man an dersacher zu fixieren, während er den historischen Platz der Statue, seine Steinschleuder lässig über der Piazza della Signoria, eine die linke Schulter gelegt hat. Mutig Marmorkopie der Originalstatue. stellt er sich seinem übermächtigen Feind. Michelangelo knüpft NEUE PERSPEKTIVE deutlich an das Bild der Antike an, Michelangelos „David“ hat weder was sich auch in der Nacktheit der mit der biblischen Figur des David-Figur ausdrückt. Auch die zukünftigen Königs Israels, der Verwendung des sogenannten gegen den übermächtigen Philis- Kontraposts, der bei der Skulptur ter Goliat ins Feld zieht, viel zu finden ist, erinnert an die antike gemeinsam noch mit den Darstel- Bildhauerkunst. Die Beinstellung lungen anderer Künstler, die sich der Figur führt dabei zu einer dieses Themas annahmen. Viele Schieflage des Beckens. GegenVorgänger Michelangelos zeigten sätzliche Verhältnisse wie Ruhe – die Figur des David so, wie sie Bewegung, Spannung – Entspanin der Bibel beschrieben wird, nung, Hebung und Senkung sollen nämlich als schmächtigen und letztlich zu einem homogenen Ausschwächlichen Hirtenjungen. Vor gleich führen. Michelangelos Daallem wurde David in der Kunst vid-Statue gilt auch heute noch als bisher im Moment des Triumphes eine der bekanntesten Skulpturen bzw. nach dem Kampf mit dem der Kunstgeschichte weltweit. abgeschlagenen Kopf seines Gegners gezeigt. Beispiele hierfür sind die Bronzestatue des David von Donatello, die mit einem Fuß auf Eine Biografie Michelangelos dem Kopf von Goliat steht, oder finden sie unter: die Darstellung Andrea Verrocwww.glauben-und-wissen.de/david

Unfreiwilliger Waffennarr Die Marketingaktion eines Schusswaffenhändlers aus dem US-Bundesstaat Illinois hat dieses Jahr in Italien für Aufregung gesorgt. Zu Werbezwecken für ein neues Präzisionsgewehr bildete man kurzerhand Italiens Kunstikone mit der Waffe ab und betitelte das Bild mit dem Satz „A Work of Art“. Der Kulturminister Dario Franceschini sowie ein Aufsichtsgremium für kulturelles Erbe und Bildende Kunst aus Florenz haben das Vorgehen schwer verurteilt und mit rechtlichen Schritten gedroht, würde die Werbung nicht unverzüglich abgesetzt. Das Urheberrecht an der Davidstatue liegt beim italienischen Staat. Für kommerzielle Nutzungen muss eine Lizenz erworben werden, die der Waffenhändler nicht beantragt hatte. Mehr noch regte man sich allerdings über die Darstellung eines mit einem Gewehr ausgerüsteten Davids auf. Dies sei in höchstem Maße beleidigend, so der Kulturminister.

WISSEN GLAUBEN &

Fotos: PR (1), Wikimedia (2)

„DAVID WAR SCHON DA, ICH MUSSTE NUR WEGNEHMEN, WAS NICHT DAVID WAR ...“

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Don Camillo und Peppone Erzählungen und Romane von Giovanni Guareschi. Ersterscheinung: Weihnachten 1946

Zwei wie Pech und Schwefel: Die beiden Schauspieler Fernandel (Don Camillo) und Gino Cervi (Peppone) in ihren Paraderollen.

SIE SCHLUGEN &

VERTRUGEN SICH

Sie waren das Vorbild für so viele Romane, Drehbücher und Filme, die das Thema personifizierte Kirche gegen personifizierten Staat behandelten: Don Camillo und Peppone, der katholische Pfarrer und der kommunistische Bürgermeister, haben sich geschlagen und nebenbei Literatur- und Filmgeschichte geschrieben. Martin Mölder [text]

D

abei wird ihre besondere Geschichte, ihre Hass-Liebe und Feind-Freundschaft relativ unspektakulär öffentlich. Der italienische Schriftsteller, Karikaturist und Journalist Giovanni Guareschi selbst veröffentlicht in einer kleinen satirischen Wochenzeitung die erste

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Erzählung des schlauen und gewitzten Priesters Don Camillo und seines Widersachers, des etwas einfältigen, aber durchsetzungsfähigen Bürgermeisters Giuseppe Bottazzi, genannt Peppone. Bereits die erste veröffentlichte Geschichte der beiden Kontrahenten ist so erfolgreich, dass der


Literatur

FREuNDE uND FEINDE Die Po-Ebene in Norditalien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Im kleinen Dorf Boscaccio lebt der Priester Don Camillo in Bronze vor Don Camillo. „seiner“ Kirche in Ein gutmütiger, Brescello, die als gläubiger und Filmkulisse meist gutgelaundiente. Peppones Bronzefigur steht ter Gottesmann, wenige Meter dessen Privileg weiter. es ist, dass Jesus von seinem Kreuz in der Dorfkirche herab zu ihm spricht. Und das ist immer wieder mal nötig, denn so gut es Don Camillo mit den Menschen meint – der Weg, den er dafür wählt, ist nicht immer christlich, denn der schnell aufbrausende Priester greift zur Durchsetzung seiner Pläne schon mal zum Knüppel oder

gar zum Gewehr, und gerne benutzt er auch nur seine Fäuste. Ebenso schlagfertig ist allerdings auch Bürgermeister Peppone, der mit seiner roten Partei die Geschicke des Ortes nicht immer mit demokratischen Mitteln lenken will. Dabei ist ihm der engagierte Priester Don Camillo oft mehr als ein Dorn im Auge, und nicht selten kommt es zwischen den beiden zu wortreichen und handgreiflichen Auseinandersetzungen. Dabei wollen beide meist dasselbe, nämlich das Beste für die Bewohner ihres Dorfes Boscaccio. Allein, der Weg zum Ziel unterscheidet sich meist so grundlegend, dass es regelmäßig kracht. Zur großen Freude von Millionen Lesern und Kinobeziehungsweise Fernsehzuschauern – damals wie heute.

Wissensplus Giovanni Guareschi – Autor und Revolutionär

Er stammt aus Fontanelle di Roccabianca, einer Provinz von Parma, und sein Geburtstag, der 1. Mai, steht schon symbolisch für Politik und Klassenkampf. Genau das sollte ihn ein Leben lang beschäftigen. Giovannino Guareschi beginnt 1928 in Parma mit einem Jurastudium, aber er schreibt lieber Artikel, zeichnet für verschiedene Zeitungen und verdient sich ein paar Lira nebenbei. Das Schreiben wird zu seiner Hauptbeschäftigung. Immer mehr Aufträge kommen bis Ende der 1930er Jahre. Dann beginnt der 2. Weltkrieg, und im Oktober 1942 wird Giovannino Guareschi das erste Mal verhaftet. Der Grund: Er soll Italiens damaligen Ministerpräsidenten Benito Mussolini verunglimpft haben. Danach verliert er mit den Zeitungen „Corriere della Sera“ und „La Stampa“ seine wichtigsten Kunden. Dennoch verurteilt er weiter öffentlich den Faschismus Mussolinis und wird dafür mehrere Male ins Gefängnis gesteckt. Nach Ende des Krieges, im März 1948, erscheint das Buch „Mondo piccolo – Don Camillo“. Bereits drei Jahre später beginnen die Dreharbeiten zum ersten „Don Camillo und Peppone“-Film, für den Guareschi Teile des Drehbuchs und der Dialoge schreibt.

Fotos: pa/dpa

Verleger Angelo Rizzoli beschließt, eine ganze Serie daraus zu machen und sie später sogar als Buch herauszugeben. Das ist der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. Großen Anteil daran haben neben den Büchern vor allem die fünf Spielfilme, die von 1952 bis 1965 gedreht und die dank der beiden Schauspieler Fernandel als Don Camillo und Gino Cervi als Peppone nicht nur in Italien zu Klassikern werden. Im italienischen Ort Brescello, in dem fast alle Szenen der Filme spielen, steht heute ein Museum, das seit 25 Jahren an die beiden liebenswürdigen Streithähne Don Camillo und Peppone erinnert.

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Der Jesuitenpriester und Missionar Jean de Lamberville genoss bei den Onondagas-Indianern in Nordamerika hohes Ansehen. Er vermittelte medizinische Kenntnisse, und ihr H채uptling konvertierte zum Christentum.


Großes Wissen

Geht hinaus in die

Welt!

Seit über 2.000 Jahren ziehen Missionare in die Welt, um Gottes Wort zu verkünden. Die christliche Mission hält bis in die Gegenwart an und verlief keineswegs immer friedlich. Ein Blick auf die Licht- und Schattenseiten der christlichen Missionsgeschichte und die „geistliche Eroberung“ Afrikas, Asiens und der Neuen Welt Amerika. David Vinzentz [text]

M

ein Herz ist in Afrika“. Wegen dieses Satzes des schottischen Afrikaforschers und Missionars David Livingstone entnahmen seine beiden Begleiter Susi und Chuma – den Livingstone aus der Sklaverei befreit hatte – dem Verstorbenen das Herz und begruben es unter einem Affenbrotbaum. Seinen einbalsamierten Leichnam transportierten sie unter großen Anstrengungen vom Bangweulusee im Nordosten Sambias, wo Livingstone gestorben war, an den Indischen Ozean, von wo aus er seine letzte große Reise in die Heimat antrat. 1874 wurde er in London beigesetzt. David Livingstone gilt als erster Europäer, der den Kontinent Afrika von Osten nach Westen durchquerte, und er verkörpert wie kein anderer zu seiner Zeit die Idee von Expansion und Mission. In England

hatte er dafür geworben, die Erschließung neuer Handelswege mit der Verbreitung von Gottes Wort zu verbinden. Sein eigentlicher Plan, als Arzt und Missionar nach China zu gehen, wird jedoch vom Ausbruch des ersten Opiumkrieges durchkreuzt. Neues Ziel ist die Errichtung einer christlichen Handelssiedlung mit konkurrenzfähiger Textilwirtschaft im Sambesigebiet in Afrika. Im Auftrag der britischen Regierung unternimmt er mehrere Forschungsreisen, auf denen er unter anderem die eindrucksvollen Victoriafälle des Sambesi entdeckt. Christlicher Missionseifer trifft bei ihm auf geografischen Forscherdrang. Zudem setzt sich Livingstone für eine stärkere Eigenständigkeit Afrikas ein und versucht, dem Sklavenhandel in Afrika entgegenzuwirken. Er reist stets ohne Soldaten und mit nur wenigen Begleitern, weswegen ihm die Menschen, auf die er trifft, mit Wohlwollen begegnen. Glauben & Wissen 06/2014

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Gefährliche Begegnung: Der Afrikamissionar David Livingstone wird von einem Löwen angegriffen. Die Berichte über seine missionarische Arbeit in Verbindung mit den erlebten Abenteuern, die er als Buch herausbrachte, begeisterten die Menschen in seiner Heimat Großbritannien.

Als er 1857 sein Buch „Missionary Travels and Researches in South Africa“ in seiner Heimat veröffentlicht, sind die Menschen begeistert. Livingstone berichtet darin über sein Leben als christlicher Missionar, der in die Tiefen Afrikas vorstößt, um mit den Menschen über Gott zu reden. Die Gruppe seiner Begleiter dezimiert sich durch die strapaziösen Expeditionen ständig, von einigen trennt Livingstone sich auch im Streit. Als seine Frau ihn besucht, erkrankt und stirbt sie an Malaria, ein anderes Mal entkommt Livingstone selbst nur knapp dem Tod, als ein Löwe über ihn herfällt und sein Arm infolgedessen zeitlebens schmerzt. Zwischenzeitlich gilt er als verschollen, und Henry Morton Stanley – ein Reporter, der für den „New York Herald“ arbeitet – spürt den abgemagerten und kranken Missionar am Tanganjikasee auf. Nach Großbritannien zurückkehren will Livingstone nicht mehr. Er bricht zu einer 106

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Expedition auf, um sich seinen Lebenstraum – das Auffinden der Nilquellen – zu erfüllen. Es bleibt jedoch beim Traum, und die Expedition wird seine letzte. In seiner Heimat wird Livingstone, der Abenteurer unter christlichem Wappen, als Nationalheld gefeiert. Auch wenn Livingstones Mission neben der Erschließung von Handelswegen tatsächlich eine humanitäre Zielsetzung verfolgte, so lassen sich die dunklen Flecken der christlichen Missionsgeschichte, wie die Beteiligung an Zwangsmaßnahmen oder die Verbindung mit dem brutalen europäischen Kolonialismus der Neuzeit, nicht leugnen. Klar ist auch, dass das Christentum ohne Pioniere der Mission wie Livingstone und die missionarische weltweite Ausbreitung in andere Kulturen nicht zu einer Weltreligion hätte werden können. Wie erfolgreich die größte Glaubensgemeinschaft der Erde in allen Kontinenten und Kulturen

Wurzeln geschlagen hat, zeigt sich vor allem an wachsenden Mitgliederzahlen in Afrika und Asien. BIBLISCHER URSPRUNG Livingstone war Mitglied der ersten großen christlichen überkonfessionellen Missionsgesellschaft in Großbritannien, der „London Missionary Society“(LMS). Heute ist diese Missionsgesellschaft ein Teil des „Council for World Mission“(CWM), einer weltweiten Vereinigung christlicher Kirchen zum Zweck der Mission. Es gibt unzählige Missionsansätze und Institutionen, die sich der christlichen Mission verpflichtet haben. Die Zielrichtungen und Theorien zum missionarischen Vorgehen sind dabei von ganz unterschiedlicher Natur. Missionare wurden – und werden nach wie vor – durch kirchliche Institutionen, überkonfessionelle Missionswerke oder einzelne christliche Gemeinden in die Welt


Großes Wissen

entsandt. Gemeinsam ist ihnen häufig eine Berufung auf den Missionsauftrag, der sich aus der Bibel ableiten lässt. Das religiöse Sendungsbewusstsein der christlichen Missionare bezieht sich in der Regel auf den Missionsbefehl aus dem Matthäus-Evangelium. Diesen „Befehl“ erteilt der wiederauferstandene Jesus seinen Jüngern, die ihn nach seinem Tod auf einem Berg antreffen. Hier spricht Jesus folgenden Satz, der Ansporn für 2.000 Jahre christlicher Missionsgeschichte – mit all ihren Licht- und Schattenseiten – werden sollte: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Geht also und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und sie alles zu befolgen lehrt, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Es gibt weitere Textstellen in der Bibel – fast ausschließlich im Neuen Testament –, aus denen sich Missionsaufrufe herauslesen lassen, der Missionsbefehl im MatthäusEvangelium ist allerdings der, auf den sich in den meisten Fällen auch bezogen wird. GOTTES ERSTE SENDBOTEN Jesus setzte seine zwölf Jünger, welche die zwölf Stämme Israels repräsentieren, mit dem Missionsauftrag als Apostel (altgriechisch für „Gesandter“) ein, die das Evangelium verkünden sollten. Die Apostel lassen sich also als die ersten Missionare des Christentums bezeichnen. Es gibt zahlreiche Legenden, nach denen den jeweiligen Aposteln verschiedene Länder in Europa, Afrika oder

Asien als deren Missionsgebiete zugeordnet werden, mit dem Ziel der universalen Weltmission. Diese Zuordnung von Missionsgebieten resultiert daraus, dass sich Jesus bei seinem Missionsauftrag aus dem Matthäus-Evangelium konkret an seine zwölf Jünger bzw. Apostel wendet und ihnen das Verkünden der universalen Botschaft auferlegt. Man nahm an, dass die Apostel diesem Auftrag auch nachkamen und in fremde Länder reisten, um dort zu missionieren und die apostolische Gründung einer Kirche aus verschiedenen Völkern voranzutreiben. Und so hat fast jeder der zwölf Apostel

St. Patrick: Der Missionar ist in Irland Nationalheiliger. An seinem Todestag feiert man den „St. PatricksDay“ (17. März).

Die geheimnisvolle Missionslegende des Apostels Thomas

Um die Missionstätigkeit des Apostels Thomas ranken sich viele Legenden. Hinweise finden sich in den geheimnisvollen „Thomasakten“, die berichten, dass dieser im Iran und Irak bis nach Südindien das Evangelium verkündet hat. Erwähnt wird darin auch, dass Thomas keineswegs freiwillig seine Sendung nach Indien antrat. Da er sich weigerte, sei er als Sklave dorthin verkauft worden. Er habe unter anderem am Hofe des Königs Gondophares gewirkt. Später sei er zum Missionieren an die Südostküste gereist, wo er getötet wurde. Bei Madras, der heutigen Stadt Chennai, soll er begraben worden sein. Seine Grabstelle besuchte in der frühen Neuzeit auch der Asienmissionar Franz Xaver. Bis heute wird die Grabstelle von vielen Menschen verehrt. Missionarische Spuren soll Thomas auch in Amerika hinterlassen haben. Während der Missionsexpeditionen in der Neuen Welt nahm man an, dass Thomas hier bereits missionarisch gewirkt habe. Man meinte, Kreuzformationen gefunden zu haben, die auf Thomas als Missionar hindeuteten. Auch wurden altamerikanische Rituale indigener Stämme, die man während der Expeditionen beobachtete, auf die frühe Anwesenheit des Apostels zurückgeführt. Glauben & Wissen 06/2014

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seine eigene Missionslegende. Biblisch aufgearbeitet ist beispielsweise die Missionsarbeit des Jüngers Simon Petrus. Dieser soll vorwiegend in Rom missioniert haben und dort den Märtyrertod am Kreuz gestorben sein. Jakobus wird Missionstätigkeit auf der iberischen Halbinsel nachgesagt, wo sich auch sein Grab befinden soll. Bei der Vertreibung der Muslime von dort und der späteren Eroberung der Neuen Welt (Konquista) galt Apostel Jakobus als eine Art Schutzheiliger. Apostel Johannes wird häufig Asien als Missionsgebiet zugewiesen. In Ephesus, in der heutigen Türkei, verehrt man sein Grab. Zahlreiche weitere Länder weltweit werden den Aposteln zugeteilt. So wird Andreas als erster Missionar Georgiens beschrieben. Seine Reliquien verehrte man in Konstantinopel, dem heutigen Is-

tanbul. Philippus soll es nach Phrygien (heute gleichfalls in der Türkei gelegen) und Griechenland, Bartholomäus nach Armenien und Persien gezogen haben. Matthäus soll zur Verbreitung des Christentums im Iran und in Äthiopien beigetragen und dort Kirchen gegründet haben. IN ALLE HIMMELSRICHTUNGEN Die ersten anderthalb Jahrtausende der Missionsgeschichte des Christentums sind geprägt von komplexen Prozessen, die sich in ganz unterschiedlichen Kulturen abspielten und sich über mehrere geschichtliche Epochen erstreckten. In den ersten Jahrhunderten war es neben den biblisch bezeugten Aposteln und zahlreichen weiteren unbekannten Missionaren vor allem die Figur des Paulus von Tarsus, an der

die Missionierung der römischen Welt festgemacht wurde. Er gilt als sehr erfolgreicher Missionar und als erster Theologe des Christentums. In drei größeren Missionsreisen besuchte er antike Städte und missionierte unter anderem im damaligen Philippi, Korinth, Ephesus und Antiochia. Paulus verstand sich als „Völkerapostel“, der das Christentum so weit wie möglich verbreiten wollte. Nicht wenige sehen in ihm den eigentlichen Gründer des Christentums, der die Idee des Verkündens der universalen Botschaft theologisch ausarbeitete. Mehrere bedeutende Missionszentren bildeten sich heraus, in denen und von denen aus die Evangelien verkündet wurden. Dazu zählten Städte wie Jerusalem, Antiochien (im heutigen Syrien, das auch Ausgangspunkt für die weltweiten Ein bedeutendes und dunkles Kapitel der europäischen Expansion und auch der Missionsgeschichte: Der spanische Konquistador Hernán Cortés erobert die Hauptstadt der Azteken Tenochtitlán. Er wollte die Azteken zwangsbekehren und ließ dafür Missionare nach Neuspanien kommen.

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Mein Leben für die Mission! Neun Missionare und ihr Schicksal Franz Xaver

Roberto de Nobili

(1593–1649) MISSIONSGEBIET: Kanada

(1506–1552) MISSIONSGEBIET: Asien

(1577–1656) MISSIONSGEBIET: Indien

Der französische Jesuit brach 1626 zum Indianerstamm der Wyandot in Kanada auf. Dort verkündete er das Evangelium. Nach einem Angriff der Irokesen starb er am Marterpfahl. 1930 wurde er von Papst Pius XI. heiliggesprochen.

Der spanische Priester gilt als Wegbereiter der christlichen Mission in Asien. Ab 1542 missionierte er für Portugal zunächst in Indien, ab 1545 in Indonesien und ab 1549 in Japan. Er erreichte China, verstarb jedoch kurz nach der Ankunft.

Jean de Brébeuf

MÄRTYRER

Moritz Bräuninger

Der italienische Jesuit war nicht nur Missionar, sondern auch bedeutender Sprachwissenschaftler. Um den christlichen Glauben mit Begriffen der hinduistischen Philosophie auszudrücken, erlernte er zahlreiche indische Sprachen.

Mattheo Ricci

Bartolomé de Las Casas

(1836–1860) MISSIONSGEBIET: Nordamerika

(1552–1610) MISSIONSGEBIET: China

(1485–1566) MISSIONSGEBIET: Amerika

Der deutsche Missionar wurde 1858 nach Nebraska geschickt, um beim Indianerstamm der Absarokee zu missionieren. Er war dort lange in einer Missionsstation tätig. 1860 verschwand er. Vermutlich töteten ihn Krieger der Hunkpapa.

Der italienische Priester gilt als bedeutendster Missionar in China. Nachdem er dort 1582 eintraf, machte er sich der Schrift und Kultur vertraut. Nach 19 Jahren gelangte er in die „Verbotene Stadt“. Er wird noch heute in China verehrt.

Der „Apostel der Indianer“ war in spanischen Kolonien in Amerika tätig. Bekannt wurde er, da er sich für die Rechte der Indios einsetzte und auch über die grausamen Seiten der Konquista Aufzeichnungen anfertigte.

MÄRTYRER

Bonifatius

Karl Segebrock

MÄRTYRER

MÄRTYRER

Daniele Comboni

(672–754) MISSIONSGEBIET: Germanien

(1872–1896) MISSIONSGEBIET: Tansania

(1831–1881) MISSIONSGEBIET: Afrika

Auch „Apostel der Deutschen“ genannt, missionierte der bekannte Kirchenreformer im heidnischen Germanien. Er gründete mehrere Klöster und brach mit 80 Jahren zu den Friesen auf, wo er vermutlich bewusst zum Märtyrer wurde.

Ab 1895 missionierte der evangelische Segebrock im damaligen Deutsch-Ostafrika. Er freundete sich mit vielen Stämmen an, fiel aber 1896 einem Vergeltungsangriff von Massai auf deutsche Soldaten zum Opfer.

Der heiliggesprochene Bischof entwarf Strategien zur Missionierung Afrikas. Noch heute sind „Comboni-Missionare“ in zahlreichen Ländern Afrikas tätig. Lange lebte er mit der einheimischen Bevölkerung. 1881 starb er als Bischof im Sudan.

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HaNd aufs HERz

„Warum ausgerechnet ich nicht“ Es war am 3. Juni 2010, als der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach vor laufenden Kameras bekanntgab, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist. Das hat an seinem Engagement politisch wie gesellschaftlich nichts geändert. „Glauben & Wissen“ verrät der Vorsitzende des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, was ihn trägt und stärkt. Martin Mölder [ INTERVIEW ]

Herr Bosbach, wie hat sich ihr Verhältnis zu Gott verändert, seitdem Sie wissen, dass der Krebs in ihrem Körper den Kampf gewinnen wird? Wolfgang Bosbach: Es ist noch enger gewor-

den, als es zuvor schon war. Eigentlich hatte ich zu Gott – umgangssprachlich formuliert – immer ein gutes Verhältnis. Aber als nach meiner chronischen Herzerkrankung auch noch die Krebsdiagnose dazu kam, habe ich zunächst mit ihm gehadert. Mein erster Gedanke war: Das muss jetzt aber wirklich nicht auch noch sein! Aber gleichzeitig findet man auch Trost und Kraft im christlichen Glauben. Die Botschaft Jesu ist ja eine frohe, keine traurige. War nach der Prostatakrebs-Diagnose die Frage „Warum ich?“ auch eine, die Sie Gott gestellt haben?

Ja. Ich hatte ja schon seit 1994 mein Päckchen zu tragen. Auf ein weiteres war ich überhaupt nicht vorbereitet, denn bis zur bitteren Diagnose hatte ich „südlich des Äquators“ nie ein Problem. Daher die verständliche Frage: Warum ich? Margot Käßmann hat einmal gesagt, ich hätte mich auch fragen können:

Warum ausgerechnet ich nicht? Da hat sie wohl Recht. Sie wirken in der Öffentlichkeit nach wie vor ungeheuer positiv und strahlen Freude und Entschlossenheit aus. Was gibt Ihnen diese Kraft?

Die Freude am Leben, an der Arbeit und ganz bestimmt auch mein rheinisches Temperament. Sie wissen ja: Et es, wie et es, und et kütt, wie et kütt! Ich hatte in meinem Leben das große Glück, mir bislang alle beruflichen Wünsche erfüllen zu können. Auch nach 42 Jahren Politik ist die Arbeit als Abgeordneter immer noch viel mehr Freude als Belastung. Es ist genau das, was ich wirklich gerne machen möchte. Die beste Motivation gibt mir allerdings die Zahl 58,5 %. Wenn man im Wahlkreis so viel Vertrauen genießt – über alle Parteigrenzen hinweg –, dann gibt das jeden Tag neue Kraft. Welche Einstellung haben Sie zum Tod?

Er ist das einzig wirklich Unvermeidbare im Leben. Aber soll ich mich deshalb jeden Tag mit ihm beschäftigen? Warum auch? Wenn er kommt, bin ich ja weg. Glauben & Wissen 06/2014

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Bismarck vs. Pius IX.

Den Versuch des Papstes, die Stellung der Kurie im Deutschen Reich zu festigen, wertet Reichskanzler Bismarck als reine Provokation. Es entbrennt ein Schlagabtausch, der als „Kulturkampf“ in die Geschichte eingeht und dessen Folgen noch Jahrzehnte später zu spüren sind. Andreas Ohlberger [text]

Was verursacht den Kulturkampf? Mitte des 19. Jahrhunderts befindet sich der Liberalismus in Europa auf dem Vormarsch, so dass sich Papst Pius IX. genötigt sieht gegenzusteuern. Der Pontifex befürchtet eine Schwächung der katholischen Kirche durch liberales Gedankengut und beruft daher 1869 das Erste Vatikanische Konzil ein. Es verkündet im Sommer 1870 ein Lehrdokument über den katholischen Glauben und das päpstliche Jurisdiktionsprimat. Soll heißen: Der Papst gilt als höchste 118

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Rechtsgewalt und besitzt die höchste Lehrvollmacht. In seinen Lehrentscheidungen ist das Kirchenoberhaupt unfehlbar. Diesen Versuch, die päpstliche Autorität und Einflussnahme zu festigen, wertet der deutsche Reichskanzler Graf Otto von Bismarck als Angriff auf den gerade entstandenen deutschen Nationalstaat. Denn dem neuen Deutschen Reich gehören, im Gegensatz zum protestantischen Preußen, nun auch viele katholisch geprägte Regionen an.


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PREUSSEN Protestanten: Katholiken:

SACHSEN Protestanten: Katholiken:

2.886.806 74.333

ELSASS-LOTHRINGEN Protestanten: 305.315 Katholiken: 1.218.513

BADEN Protestanten: Katholiken:

547.461 993.109

WÜRTTEMBERG Protestanten: 1.364.580 Katholiken: 590.290

BAYERN Protestanten: Katholiken:

1.477.952 3.748.253

17.633.279 9.206.283

Konfessionen im Deutschen Kaiserreich um 1880 Dem Kaiserreich gehören 25 Bundesstaaten (Bundesglieder) – darunter die drei republikanisch verfassten Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck – sowie das Reichsland Elsass-Lothringen an. Um 1880 lebten im Reich 28.331.152 Protestanten und 16.232.651 Katholiken sowie etwa 670.000 sonstige Christen, Juden und Anhänger anderer Glaubensrichtungen.

Was sind die Folgen für die Kirche? Der Streit zwischen dem Vatikan und Bismarck tritt offen zutage, als die Kurie verlangt, Kirchenkritiker aus dem Schul- und Universitätsdienst zu entfernen. Bismarck reagiert mit verschärften Maßnahmen: 1871 lässt der „Eiserne Kanzler“ zunächst die katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium auflösen. Mit dem „Kanzelparagraphen“ verbietet er Geistlichen, sich aus ihrem Kirchenamt heraus politisch zu äußern. Der Staat übernimmt die alleinige Schulaufsicht, 1873 wird eine staatli-

che Abschlussprüfung für Geistliche eingeführt. Zudem behält sich der Staat ein Einspruchsrecht bei der Vergabe geistlicher Ämter vor – Investiturstreit reloaded. Doch damit nicht genug: 1874 löst zunächst in Preußen, ein Jahr später im ganzen Reich die Zivilehe die kirchliche Trauung als rechtlich bindend ab. 1875 werden mit dem Kongregationsgesetz alle geistlichen Orden und Gemeinschaften verboten. Außerdem stellt der Staat sämtliche finanziellen Zuwendungen an die katholische Kirche ein.

Wo ist der Kulturkampf heute noch präsent? Der Kulturkampf und seine Auswirkungen haben den Einfluss der katholischen Kirche in Deutschland erheblich schrumpfen lassen. Unbeabsichtigt treibt Bismarck die gläubigen Katholiken und kirchentreuen Bürger in die Arme der ihm so verhassten Zentrumspartei, die so zunehmend an politischem Einfluss gewinnt. Nach dem Tod Pius’ IX. erhält Bismarck die Möglichkeit einer Kurskorrektur, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren. Doch es dauert bis 1887, ehe der Kulturkampf beendet wird und Einschränkungen, wie etwa das Verbot von Klöstern und Orden, wieder aufgehoben werden. Der „Kanzelparagraph“ hält sich allerdings bis zur Abschaffung durch den Deutschen Bundestag im Jahr 1953. Erst seit dem 1. Januar 2009 muss einer kirchlichen Ehe keine standesamtliche mehr vorangehen. Die staatliche Aufsicht über das Schulwesen besteht bis heute.

WISSENSPLUS

Weitere „Kulturkämpfe“ Als Kulturkampf wird in Deutschland traditionell der Konflikt zwischen dem Königreich Preußen bzw. später dem Deutschen Kaiserreich und der katholischen Kirche unter Papst Pius IX. bezeichnet. Als Vorläufer dieses Konflikts gelten der badische und der bayerische Kulturkampf. Im größeren Kontext bezeichnet der Begriff Kulturkampf sogar ein europäisches Phänomen, denn ähnliche Versuche, die Macht der Kirche zu beschneiden, fanden auch in vielen anderen Staaten statt. Glauben & Wissen 06/2014

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