INNOVATOR by The Red Bulletin AT 2019 #1

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Sie hat den Hunger satt

Grüne Gadgets

So macht dich moderne Technik zum Profigärtner

Bleib fokussiert!

18 Tipps gegen Ablenkung im Alltag und im Büro

THE RED BULLETIN INNOVATOR 01/2019

Mit welchen Ideen Nina Schröder die Menschheit ernähren will

01/19 AUSGABE ÖSTERREICH EURO 3,50

HIER SPIELT

INNOVATION UNLOCKED

DIE ZUKUNFT Virtuelle Gegner, High-End-Tracking, Analysen in Echtzeit – die Red Bull Akademie definiert Fußball neu


RESTART YOUR FIRE

DIE SVARTPILEN 701 VEREINT DIE URALTE FREUDE AM MOTORRADFAHREN AUF UNKOMPLIZIERTE UND PROGRESSIVE WEISE. Jede Fahrt auf diesem außergewöhnlichen, bärenstarken 1-Zylinder wird dich daran erinnern, warum du überhaupt angefangen hast, Motorrad zu fahren. Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, immer Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.

Photo: R. Schedl

www.husqvarna-motorcycles.com


EDITORIAL

I N N O V AT O R

Enter the next level! CONTRIBUTORS

Zita Luiten In einem solarbetriebenen Plastik­ auto zum Südpol? Fotografin Zita Luiten dokumentierte die ­un­ gewöhnliche Reise eines nieder­ ländischen WissenschaftlerEhepaars auf seiner Mission für Nachhaltigkeit. Ihre großartigen Bilder siehst du ab S EIT E 30

Stefan Wagner

GIAN PAUL LOZZA (COVER)

Unser Autor widmet sich dem weltweiten Megatrend „Silver Society“. Er erklärt dabei mit­ hilfe der Wissenschaft, wieso wir  länger, gesünder und glück­ licher leben und warum uns ein hohes Alter produktiver macht. Außerdem zeigt Wagner auf, wie Konzerne von den Skills der Rentner-Generation profitieren können. Seine Story „Die Neuen Alten“ findest du ab S EIT E 5 0

Der Spruch prangt über dem Haupteingang der Red Bull Akademie. Und nach dem Be­treten des Gebäudes merkt man schnell, dass nicht zu viel versprochen wird: Auf 12.000 Quadrat­ metern werden hier Fußballstars von morgen mithilfe modernster Technologie ausgebildet. Wie Video-Workouts funktionieren, in welchen Bereichen der Fitness es sinnvoll ist, Daten zu sammeln, und wie Hightech-Geräte uns schneller machen – in den Beinen und auch im Kopf –, erfährst du ab Seite 56. Nicht um mehr Geschwindigkeit geht es dem Autor und Produktivitäts-Experten Chris Bailey, sondern um mehr Konzentration. Ab Seite 66 gibt er Tipps, wie du dich im Büro nicht länger von lärmenden Kollegen, Push-Nachrichten und Mails im Minutentakt ablenken lässt. Auch die Gartenarbeit hat ein neues technisches Level erreicht. Pflanzen kommen in Kapselform, Sensoren steuern das Gießen, und Roboter über­ nehmen lästige Pflichten. Die interessantesten Garten-Gadgets findest du ab Seite 42. Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

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INHALT Das Schiff der Zukunft

Ein Kraftwerk für die Steckdose

Dank Sonne, Wind und Wasserstoff emissionsfrei um die Welt.

Sonnenstrom für alle – so funktioniert Solmate.

Atem – und los!

Diese Schwingliege steuerst du mit deiner Lunge.

Zwei Schweizer lassen uns das Essen länger genießen. Mithilfe von Fett.

Service-Roboter

Der Extra-Daumen

Was der „Cruzr“ kann und wo du ihm schon bald begegnen könntest.

Projekt mit Prothese: was ein weiterer Finger für uns bedeutet.

Gläsernes Insekt

Modernes Gleiten

Ein Forscher macht Fliegen transparent. Und Alzheimer-Patienten Hoffnung.

Sind Ionenwind-Antriebe die Zukunft des Fliegens?

GUIDE 88

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Aroma-Revolution

S AV E T H E DAT E

Dein Eventplan Die wichtigsten Festivals, die besten Tipps – mit Expertin Maggie Childs. LABORBEFUND

Die Datenlampe So übertragen wir Informationen in Zukunft. R E D B U L L A M A P H I KO

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Energie tanken

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Land unter in Amsterdam

KO L U M N E

Innovations-Experte Andi Gall über die Zukunft der Elektroautos. T EC H - H I G H L I G H T

Wieso ein holländischer Künstler den Museumsplatz mit Licht flutet.

Verändere die Welt Alle Infos zum Programm für Social Entrepreneurs.

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ZITA LUITEN

BULLEVARD 8 16 18 10 20 12 22 14


I N N O V AT O R

30 REPORTAGE

Volle Sonnenkraft voraus

Mit dem Solarauto zum Südpol – ein ExtremAbenteuer im Zeichen der Nachhaltigkeit.

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FEATURES

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S O CI A L EN T R EP R EN EU RS H I P

Innovationen gegen Hunger Um die ganze Menschheit zu ernähren, brauchen wir neue Ideen – UN-Expertin Nina Schröder stellt zehn von ihnen vor.

P RO D U K T T I P P S

Geniale Garten-Gadgets Pflanzenkapseln, smartes Gießen, Mähroboter und mehr Technik fürs Grüne.

M EI N S TA R T- U P- M O M EN T

Gaming gegen Monotonie Wie Eric Min und Jon Mayfield von Zwift das Indoor-Radtraining revolutionierten.

E S SAY

Der Wert des Alters Wir werden älter und jünger zugleich. Und bleiben als Arbeitskraft interessant.

C OV ERS TO RY

Der Fußball von morgen Training auf dem nächsten Level: ein Rundgang durch die Red Bull Akademie.

S ERV I C E

So bleibst du fokussiert Produktivitäts-Experte Chris Bailey gibt Tipps gegen Ablenkungen des Alltags.

P O R T R ÄT

Mit offenen Karten Udo Müller im Interview: die wichtigsten Learnings des CEO von paysafecard aus neunzehn Jahren Unternehmertum.

S TA R T- U P-S EC T I O N

Ideen aus Österreich Vom Fahrradschlauch bis zur Boots­­ vermietung: So wird dein Leben leichter.

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I N N O V AT O R

Emissionsfreie Schiffe, geräusch­ lose Flugzeuge und durchsichtige Fliegen für die Hirnforschung – bahnbrechende wissenschaftliche Er­rungenschaften aus aller Welt.

BULLEVARD

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT

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B U L L E VA R D

KLAR ZUR WENDE!

Der Katamaran „Energy Observer“ fährt mit Wind, Sonne und Wasserstoff um die Welt. Autonom und emissionsfrei. Und braucht keine Tankstelle.

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Oben: Ein Spezialkran führt den Katamaran aus dem Hangar. Unten: der 13 Meter breite „Energy Observer“ auf See

Im Inneren der 30-TonnenSchönheit wird dieser Energie­ mix autonom in Strom um­ gewandelt. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle wird an Bord hergestellt: Ein Elektrolyseur spaltet das Meerwasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer wird dann als komprimiertes Gas in Tanks gespeichert und betreibt die Brennstoffzelle. Am 14. April 2017 lief der „Energy Observer“ in SaintMalo vom Stapel. Im Juni ­brachen die beiden Abenteurer dann zu ihrer sechsjährigen Weltreise auf. Als Botschafter der Energiewende wollen sie bis zum Jahr 2023 fünfzig Länder anlaufen. Vorbild des Projekts ist das Elektroflugzeug „Solar Impulse 2“ der Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg. Sie hatten mit ihrem solarbetriebenen Flieger die Welt umrundet. „Wir sind die ‚Solar Impulse‘ des Meeres“, ist Delafosse überzeugt. „Es gibt kein Wundermittel gegen den Klimawandel. Wir müssen verschiedene ­Lösungen kombinieren.“ energy-observer.org

JÉRÔME DEL AFOSSE P R O F I TAU C H E R AU T O R , F I L M E R

Jérômes Hauptinteresse gilt den Haien, mit denen er im Jahr 2015 für seinen Film „Sharks of Wrath“ unter Grönlands Eisbergen tauchte.

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ENERGY OBSERVER/ANTOINE DRANCEY, ENERGY OBSERVER//JEREMY BIDON JOHANNES KORNACHER JOHANNES LANG

E- MOBILIT Y

Eigentlich fühlt sich der französische Meeresforscher und Tiefseefilmer Jérôme Delafosse unter Wasser am wohlsten. Seine Tauchfilme, vorzugsweise auf Tuchfühlung mit gewaltigen Haien, zählen zu den beeindruckendsten ­ihrer Art. Doch aktuell sucht der 46-Jährige das Abenteuer an der Oberfläche der Weltmeere: Mit dem Katamaran „Energy Observer“ will er beweisen, dass die Energiewende schon heute machbar ist. Das Hightech-Schiff, ein umgebauter Renn-Katamaran, stammt aus Kanada. 1985 gewann es unter dem Namen „Enza New Zealand“ die Jules Verne Trophy für die schnellste Segelumrundung der Welt. Delafosse und sein Partner Victorien Erussard, ein mit ­allen Wassern gewaschener Rennsegler, kauften die „Enza“ für eine halbe Million Euro. In der Werft ihrer Heimatstadt Saint-Malo in der Bretagne wurde der Rekordrenner für schlanke 4,7 Millionen Euro in ein energieautonomes „Schiff der Zukunft“ umgebaut. Fast vier Jahre dauerte diese Metamorphose. Eine 50-MannCrew aus Technikern und ­Ingenieuren streckte den Doppelrümpfer von 24,4 Meter Länge auf 30,5 Meter. Statt Mast und Segel verpassten sie ihm zwei 41-Kilowatt-Elektromotoren, die mehrere Energie­ quellen speisen: zwei senkrechte Windturbinen, Solarmodule mit 130 Quadratmeter Fläche, deren Energie in 400-Volt-Batterien gespeichert wird, ein Brennstoffzellensystem und ein Lenkdrachen. Der Letztgenannte reduziert bei geeignetem Wind den Energiebedarf der Motoren, die dann umschalten und Strom aus Wasserkraft erzeugen.


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130 Quadratmeter Solarfläche erzeugen den Strom für den kurzfristigen Bedarf.

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Der österreichische Mentalcoach Roland Bachstein hat eine Liege erfunden, die durch den eigenen Atem betrieben wird – und deine psychische und physische Power stärkt.

WOLFGANG WIESER

BESCHWINGT ZU NEUEN KRÄFTEN

LOUNGE8/UDO MITTELBERGER

B O D Y  A N D M I N D

Keine Batterie. Kein ­Stecker. Kein Motor: ­Angetrieben wird die lounge8Schwingliege von einem verblüffend simplen Prinzip: dem eigenen Atem. Genauer: Wer auf der lounge8 Platz nimmt und dabei ganz normal einund ausatmet, versetzt das Möbel in sanfte Schwingung. Und zwar in eine, die bei ruhiger Atmung eine verstärkte Gehirnaktivität im 8-HertzBereich auslöst. Dieser Wert markiert die den Übergang vom Bewusstsein zum Unterbewusstsein. Oder wie Roland, Erfinder der lounge8, sagt: „Das ist eine satte Entspannung. Da bist du noch nicht weg, fühlst dich aber ­gelöst und ruhst in dir. Allein mittels der Frequenz der e­ igenen Atmung gelangst du in einen quasi-meditativen Zustand, entspannst dein ­Gehirn und steigerst letztlich deine Leistungsfähigkeit.“ Die Idee zur lounge8 kam dem Mentalcoach, Jahrgang 1964, bei einer Zugfahrt von Feldkirch in Vorarlberg nach Wien. Dabei bemerkte er, dass ihn das gleichmäßige Ruckeln der Bahn so entspannte, dass er gar nicht anders konnte, als seinen Laptop wieder zuzuklappen. Bis zur Serienreife der Schwingliege sollte es allerdings dauern. Versuch Nr. 1 führte Bachstein in einen Baumarkt. Dort erstand er eine simple Liege und ließ sich von einem Schlosser Flacheisen anschweißen. „Das Material war viel zu hart“, erinnert er

sich. Versuch Nr. 2 scheiterte, weil sich die Edelstahlkufen unter dem Gewicht eines 120-Kilo-Testers verformten. Es folgten Nr. 3, 4 und 5 … Konstrukteur Gerald Possarnig und Industriedesigner Lukas Vonarburg brachten schließlich den Durchbruch: Heute besteht lounge8 (Maße: 190 × 64 × 88 Zentimeter) aus einem Alu-Rahmen, einer Polsterung mit integriertem Lattenrost und einem patentierten Unterbau mit zwei Cförmigen Kufen. Erste Exem­ plare sind seit dem Vorjahr in Kliniken und Suchtzentren in Betrieb, vereinzelt stehen sie auch in den Praxen von Psychotherapeuten. Mit der zweiten Serie will Bachstein auch international reüssieren. Info: lounge8.com

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„DIE SCHWINGLIEGE ENTSPANNT DEIN GEHIRN UND STEIGERT DEINE LEISTUNGSFÄHIGKEIT.“ Mentalcoach Roland Bachstein auf seiner ­Erfindung, der Schwing­ liege lounge8, die dich in einen quasi-meditativen ­Zustand versetzt

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HUMANOIDE ROBOTER

DAS IST DEIN NEUER KOLLEGE

Cruzrs „Gesicht“, ein 30-Zenti­ meter-Screen, zeigt auch Gefühle.

tet er die häufigsten Kunden­ fragen selbst (und leitet kom­ plexere an Spezialisten weiter). Zudem gibt er einen guten Führer ab: Auf Flug­häfen be­ gleitet er Reisende (mittels Mapping-Funktion und Senso­ ren) zum Gate. „Cruzr erhöht die Kundenzufriedenheit – und die Produktivität von An­ gestellten“, sagt Rhee, „weil die sich ja in der Zeit kom­ plexeren Aufgaben widmen können.“ Cruzr soll noch 2019 in den ersten Büros, Banken und Spitälern anheuern. Der Preis ist noch Geheimsache. ubtrobot.com

Komm in meine Arme: Cruzr kann dir die Hand geben – und dich auf Wunsch sogar knuddeln.

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UBTROBOT.COM

AREK PIATEK

JOHANNES LANG

Gestatten, „Cruzr“. Ich bin ein künstlich intelligentes Maschinenwesen und erledige deine lästigen Routine-Jobs.

Er ist 1,2 Meter groß und wiegt 45 Kilo. Er erkennt deine Kunden an der Stimme, schüttelt ihnen die Hand, zwinkert ihnen zu, kennt die Antworten auf ihre häufigsten Fragen, begleitet sie, wo immer sie sich nicht zurechtfinden. Cruzr heißt dieser humanoide Roboter, der ziemlich wahr­ scheinlich den Einzug künst­ licher Intelligenz in unseren Business-Alltag bedeutet. „Cruzr ist der erste individua­ lisierbare Service-Roboter der Welt“, sagt John Rhee, Gene­ ral Manager des chinesischen Cruzr-Entwicklers Ubtech, „man kann ihn bereits für ­Büros, Spitäler und andere Be­ reiche programmieren. Dort nimmt er den Mitarbeitern lästige Routine-Aufgaben ab.“ Der Cloud-basierte Roboter er­ kennt etwa in Banken Kunden am Gesicht (mittels Kamera mit Tiefenwahrnehmung), ­begrüßt sie persönlich und ­wickelt Transaktionen ab. In Großunternehmen beantwor­


ALPHATAURI.COM


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MARKO PENDE PHD -STUDENT

Pende forscht im Zuge einer Kooperation des Instituts für Festkörper­ elektronik der TU Wien mit dem Center for Brain Research der MedUni Wien.

FORSCHUNG

DIE ­GLÄSERNE FLIEGE

Wie es einem jungen Forscher ­ elang, Fliegen durchsichtig zu g ­machen, und warum das Hoffnung für Alzheimer-Patienten bringt.

Fruchtfliegen nerven. Vor allem im Obstkorb. Wer das nächste Mal die zwei bis vier Millimeter kleinen ­Insekten zu verscheuchen geneigt ist, sollte bedenken: Die Tiere haben einen enormen Nutzwert für uns Menschen. Sie teilen 60 Prozent der DNA mit uns – und für rund 75 Prozent der menschlichen Gene, die für Krankheiten verantwortlich sind, findet sich ein Äquivalent in der Fliege. Genau darum ist ein unlängst geglückter Coup der TU Wien so bemerkenswert: Ein Team rund um Doktorand Marko Pende konnte erstmals Fruchtfliegen durchsichtig 14

Transparente Fliege: Ein neues Verfahren macht das Nerven­ gewebe (in Grün) des Insekts von außen sichtbar.

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„WENN JEMAND MIR SAGT, DASS MEINE METHODE SEHR EINFACH IST, SEHE ICH DAS ALS KOMPLIMENT.“

TU WIEN

KATHARINA KROPSHOFER

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machen – und zwar mittels Lichtbrechung und Lichtband­ mikroskop. „Wird das Licht ­immer im gleichen Winkel ­gebrochen, kann etwas durch­ sichtig gemacht werden“, er­ klärt Pende. „So wie ein Trop­ fen Öl, der ein Blatt Papier transparent erscheinen lässt.“ Anhand fluoreszierender Moleküle werden dann gewisse Bereiche im Gewebe, etwa das Nervensystem, markiert, womit sie unter dem Mikro­ skop (siehe Foto) erkennbar sind. Diese Methode ermög­ licht eine Gewebsanalyse mit unversehrten Strukturen. Und das ist einzigartig. Denn bis­ her musste man das Gewebe Schicht für Schicht zerschnei­ den – mit einer Schnittbreite von rund fünf Mikrometern (1000 µm = 1 mm). Pendes Weg hingegen ist nichtinvasiv: Er legt die präparierte Fliege in ein Chemikaliengemisch ein – und macht sie so trans­ parent. „Wenn mir jemand sagt, dass meine Methode sehr einfach ist, sehe ich das als Kompliment. Wir glauben, dass man das Verfahren auch bei anderen Organismen an­ wenden kann.“ Forscher wollen nun die Verschaltungen im Nerven­ system, also den „elektrischen Schaltplan“, der Fruchtfliege entschlüsseln. Und in weiterer Folge wichtige Erkenntnisse über neurodegenerative Er­ krankungen wie Alzheimer und Parkinson gewinnen. tuwien.ac.at

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ENERGIE

SOLARPOWER EINFACH WIE NOCH NIE

CHRISTOPH GRIMMER, FLORIAN GEBETSROITHER, STEPHAN WEINBERGER ENTWICKLER VO N S O L M AT E

Mit der Erfindung der drei Studien­ kollegen kann ­jeder Haushalt eigenen Strom produzieren.

erhältlich – entweder mit fünf handtuchgroßen Panels zur Befestigung am Balkongeländer oder mit zwei größeren Panels für Terrasse oder Garten. Beide Systeme liefern 550 Watt, eine App informiert über Stromproduktion und -nutzung ­sowie Speicherstand. Rund 25 Prozent des jähr­ lichen Strombedarfs eines Haushalts sollen so gedeckt werden können, auch dank ­innovativer Technologie. ­„Unser Gerät misst den Stromverbrauch im Haushalt und gibt Energie nur dann ab, wenn du sie wirklich brauchst“, so Grimmer. „Was du nicht verbrauchst, bleibt gespeichert.“ Das Geheimnis dahinter heißt Impedanzmessung, ein komplexes Verfahren, das eigentlich bei Brennstoffzellen ein­ gesetzt wird und für Grimmer nur ein Beispiel für die wichtigste Erkenntnis aus seinem Studium ist: „Es gibt viele zukunftsträchtige Technologien, wir wissen oft nur noch nicht, wie wir sie anwenden sollen.“ www.eet.energy

Dein Kraftwerk auf der Terrasse: zwei Solar­ panels (je 99 × 165 cm) und eine Speicher­ einheit (75 × 55 × 10 cm)

EET GMBH

CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

JOHANNES LANG

Sonnenstrom zu Hause für alle, die kein eigenes Dach haben – oder keine Lust auf komplizierte Technik.

Photovoltaik für alle! ­Üblicherweise stammt der Strom aus Sonnen­strahlen für den Haushalt über die bekannten dunklen Module auf den Dächern unserer Häuser. Was aber, wenn man kein eigenes Dach hat, keine Ahnung von Technik oder keine Lust, sich mit Installateuren oder seinem Stromanbieter (wegen der Tarife für den von dir eingespeisten Strom) herumzubalgen? Hier kommt Solmate ins Spiel – ein System aus Solarpanels und einer Speichereinheit, die einfach an die Steckdose angeschlossen wird. „Die Handhabung ist wie bei einem herkömmlichen Elektrogerät, nur dass unseres keinen Strom frisst, sondern liefert“, erklärt Christoph Grimmer, Gründer und CEO von Efficient Energy Technology, dem Unternehmen hinter Solmate. Der 32-Jährige hat im Lauf des Studiums der Technischen Chemie an der TU Graz verschiedene Energietechnologien erforscht und arbeitet mit zwei Studienkollegen seit zwei Jahren an einer praktischeren Umsetzung: „Wir wollten weg von ‚Was ist technisch möglich?‘, hin zu ‚Was wünschen sich Verbraucher?‘.“ Deren Antwort: Autonomie. Zwei Solmate-Varianten sind

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shop.swatch.at


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GENUSS-IDEE

WIR STARTEN DIE AROMAREVOLUTION

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DR. PASCAL GUILLET, DR. LEA POKORNY GRÜNDER MICROPOW

Die beiden ­Experten haben entdeckt, dass Aromen mittels Fett geschützt werden können.

Lagerfähigkeit und macht ein kontrolliertes Freisetzen der enthaltenen Wirkstoffe mög­ lich. Das spart Kosten, erhöht Qualität und Haltbarkeit. „Und es ist kalorienneutral“, verspricht Guillet. Seit März 2018 wird micro­ Pow über das Pioneer Fellow­ ship der ETH Zürich unter­ stützt. Außerdem gibt es erste Partnerfirmen, die Interesse an der Aroma-Revolution haben. Noch kann microPow nur in geringen Mengen – im Kilo­ gramm-Bereich – produziert werden. Das soll sich aber demnächst ändern. micropow.net, ethz.ch

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JOHANNES LANG

Hüter des Ge­ schmacks: Eine ­Fettzelle umhüllt schützend Aroma­ stoffe (dunkel).

WOLFGANG WIESER

Es sind Aromen, die Kaf­ fee nach Kaffee duften lassen oder dafür sorgen, dass Erdbeer-Kaugummi nach Erd­ beeren schmeckt. Allerdings haben Aromen einen entschei­ denden Nachteil: die Neigung, sich während Herstellung, ­Lagerung und Konsum allzu schnell zu verflüchtigen. Und sind sie erst mal weg, fehlt es auch an Geschmack. Ein Umstand, der Lea ­Pokorny und Pascal Guillet wissenschaftlich faszinierte. Für ihr Doktoratsprojekt an der ETH Zürich im Studien­ zweig Lebensmittelverfahrens­ technik beschäftigten sie sich folglich mit der Frage: Wie

kann man Aromen so ver­ packen, dass sie ihre Wirkung erst entfalten, wenn es an der Zeit ist, und diese dann mög­ lichst lang bewahren? Die beiden fanden auch schnell eine Lösung. Und die hat mit Fett zu tun. Verein­ facht erklärt werden dabei die Aromen – also chemisch definierte Stoffe – in Fett ­verpackt, weil genau das sie weniger flüchtig macht als bis­ her. „Der genaue Aufbau des Prozesses ist allerdings unser Geheimnis“, sagt Guillet. Nur so viel will das Duo verraten: Das Fett wird per Zerstäuber versprüht und da­ bei so stark abgekühlt, dass ein Pulver entsteht, das als Träger für die Aromen dient. „Dieses Pulver sieht ähnlich aus wie Haushaltsmehl“, ­verrät Guillet. Sein Name: ­microPow. Es verbessert die

MICRO POW

Alles eine Sache des guten Geschmacks – zwei Forscher der ETH Zürich sorgen dafür, dass wir unser Essen länger genießen können.


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Der zusätzliche Daumen ist ein Spiegelbild seines Gegenübers. Gesteuert wird er über Sensoren in den Schuhen.

ROBOTICS

EXTRADAUMEN HOCH!

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DANI CLODE P R O D U K T­ DESIGNERIN

Dani Clode stammt aus Neuseeland. Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte sie in London diese besondere Prothese.

sensoren eingebaut, die gleich unter den großen Zehen liegen. Diese Sensoren übertragen das Signal an den Finger per Bluetooth. Vereinfacht lässt sich sagen: Übt die Zehe Druck aus, beugt sich der zusätzliche Daumen. Das Ganze funktioniert wie ein Zug­ system, ähnlich dem einer Fahrradbremse. Aktuell arbeitet die Produktdesignerin mit Neurowissenschaftlern des University College London zusammen. Die Frage, die geklärt werden soll: Was verändert sich in ­unserem Gehirn, wenn wir plötzlich über ein Körperteil mehr verfügen können? daniclodedesign.com

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

reagieren alle Probanden erst verblüfft, lachen, scheinen Unsicherheiten aber rasch abzulegen: „Es ist eine einzigartige Erfahrung“, sagt Dani Clode. Entwickelt hat die Neuseeländerin die Prothese für ihre Masterarbeit in Produktdesign am Royal College of Art in London. Und ihr System kann sich sehen lassen: Der Finger selbst besteht aus Kunststoff und wird mithilfe eines 3DDruckers hergestellt. Er ist mit einem Handaufsatz aus Harz verbunden. Gesteuert werden die Bewegungen der Prothese mittels zweier winziger Motoren und der Bewegungen des Fußes. In den Schuhen des Trägers sind dafür Druck-

DANI CLODE

Nein, es gehe nicht ­darum, fehlende oder amputierte Körperteile zu ­ersetzen. Produktdesignerin Dani Clode will mit ihrer Idee eines sechsten Fingers dem Menschen zu mehr Fertig­ keiten verhelfen. „Wir testen gerade, wie sehr die Prothese den Menschen im Alltag und im Beruf nützt – vom Uhr­ macher über den Musiker bis hin zum Tätowierer oder Kleinkind. Die Ergebnisse sind wirklich erstaunlich.“ Erste Versuchsreihen sind in einem inzwischen millionen­ fach geklickten YouTube-Video zu sehen. Hier wird mit dem Extra-Daumen zum Beispiel ein Kaktus gestreichelt oder Gitarre gespielt. Tatsächlich

JOHANNES LANG

Sechs Finger an einer Hand – Produktdesignerin Dani Clode hegt Ausbaupläne für den menschlichen Körper.



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Kein Kerosin, keine Rotoren, kein Lärm: US-Forscher tüfteln an einem Flugzeug mit Ionenwind-Antrieb. Ist das die Zukunft des Fliegens?

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INNOVATOR

FLORIAN WÖRGÖTTER

LEISER GLEITER AUS DEM ALL

„­ Ionenwind“ könnte das Flie­ gen sauberer machen. Im Gegensatz zu turbinen­ betriebenen Fliegern funktio­ niert ein Ionenantrieb mit elektrischer Spannung. Eine Batterie im Rumpf lädt die ­parallel zur Tragfläche ver­ laufenden „Drahtzäune“ auf. Auf diese Weise gelangen elektrisch geladene Luftmole­ küle (Ionen) auf die vordere Zaunreihe. Diese werden von der hinteren Reihe wie mag­ netisch angezogen. Durch die­ sen Fluss entsteht ein Luft­ strom, der dem Flieger den Schub gibt: der Ionenwind. „Künftige Fluggeräte könn­ ten so leiser und umwelt­ freundlicher werden“, sagt Barrett. Größte Hürde bisher: der Luftwiderstand auf der Erde. Daher schafft es Barretts ­Methode noch nicht, schwere Flugzeuge lange in der Luft zu halten. Aber Drohnen ge­ räuschlos fliegen lassen oder als Hybridform spritsparende Flüsterflieger antreiben: Das könnte schon bald klappen. Mehr Top-Forschung: mit.edu

MIT ELECTRIC AIRCRAFT INITIATIVE

L U F T FA H R T- P R O T O T Y P

Als die Brüder Wilbur und Orville Wright 1903 die ersten motorisierten Flüge der Menschheitsgeschichte ab­ solvierten, ließen sie sich noch von Bewegungen der Vögel in freier Natur inspirieren. Heute finden Forscher wie Steven Barrett, Professor am Massa­ chusetts Institute of Techno­ logy, ihre Ideen unter anderem im Fernsehen, genauer: in der Welt der Kultserie „Star Trek“. Es ist das stoisch über den Bildschirm gleitende Raum­ schiff „Enterprise“, das Barrett 2009 dazu inspiriert, einen ge­ räuschlosen Flieger zu bauen, der sich ohne Propeller, Moto­ ren und fossile Brennstoffe fortbewegt. Neun Jahre tüftelt Barrett an einem Prototyp, ehe er bei einer Technologie landet, die Raumsonden bereits seit 2004 mit 12.000 km/h durch das Vakuum im All ­düsen lässt: dem Ionenantrieb. Ende 2018 erfolgt der Durchbruch am MIT: Barretts Team lässt das weltweit erste Ionenantrieb-Flugzeug steigen. Der 2,5 Kilo schwere Prototyp mit fünf Meter Flügelspann­ weite fliegt 60 Meter weit. Ein kleiner Meilenstein der Luft­ fahrt. Denn der fossilfreie

JOHANNES LANG

Technische Skizze des Ionenfliegers der Elite-Uni MIT: „Drahtzäune“ an den Tragflächen ersetzen laute Propeller.


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Fotos U rban Zintel St yling D ore en Regel H air & M ake U p An dreas Be rnh ar t

Exit im Guten: Für ihren Kampf gegen den Welthunger ließ Nina Schröder ihr Start-up Tea­ Tales hinter sich.

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INNOVATOR


NIE WIEDER HUNGER! Tex t M a ximilian Gaub

Spinat in der Wüste anbauen, Brot per Iris-Scan kaufen, mit Drohnen Nahrungsengpässe erkennen – die Expertin des UN-Welternährungsprogamms, Nina Schröder, fördert besondere Ideen. IHRE MISSION: DEN HUNGER VON 821 MILLIONEN MENSCHEN MIT INNOVATIONEN STILLEN.

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„Ich heiße Nina, und ich liebe Salat.“ So beginnt Nina Schröder ihren ­Vortrag im Schein­werfer­ licht auf der Bühne der Münchner Kammerspiele. Hier findet an diesem Sonntag im November die Ideenkonferenz TEDx statt, und Schröder stellt die Mission ihres Lebens vor. Das mit dem Salat ist aber eine Falle ...

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enn was zunächst harmlos­ klingt, entpuppt sich als Überleitung zu einem der drängendsten Probleme der Menschheit. Vom HipsterSandwich mit Avocado-Rührei-Salat kommt Schröder auf die Lebensmittelproduktion zu sprechen. „2½ Avocados benötigen in der Produktion­ 1000 Liter Wasser“, führt Nina Schröder aus. „Oft fehlt dieses saubere Wasser Menschen, die es zum Überleben bräuchten.“ Im Publikum herrscht nun absolute Stille. Schröder­hat in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht, weshalb gerade viele der ach so gesunden Food-Trends den Welthunger verschärfen. Genau diese Erkenntnis bewegte sie zu ihrer Mission: den Welthunger zu besiegen. Was wie ein verklärtes Hippieprojekt erscheint, meint sie völlig ernst. Dass sie die Welt verbessern will, merkt Nina Schröder, als sie genau das am allerwenigsten tut. Gleich nach dem Studium schlägt sie eine klassische Businesskarriere ein, sitzt als Managerin im Büro eines Konzerns für Unterhaltungselektronik. Bald fehlt ihr ein tieferer Sinn in ihrer Arbeit, sie will etwas bewegen. 26

Also gründet sie 2014 Tea Tales, ein Start-up, das Teemischungen verkauft und darauf achtet, dass das enthaltene­­Guaraná unter fairen Bedingungen für die Bauern produziert wurde. So macht Schröder die Welt ein kleines bisschen besser – und sich selbst glücklicher. Gleichzeitig taucht sie immer tiefer in den Food-Kosmos ein und merkt bald, dass auch ihre neue Branche eher Teil des Problems ist (Stichwort: Avocado), als zu dessen Lösung beizutragen. Mehr als 820 Millionen Menschen leiden an Hunger. „Diese Zahl raubt mir noch heute den Schlaf“, erzählt sie auf der Bühne. Schröder beschließt, mehr zu tun, als Fair-Trade-Tee zu verkaufen. 2016 hört sie zum ersten Mal vom Innovation­ Accelerator des Welternährungsprogramms und ist gleich Feuer und Flamme. Die Initiative will Ideen unterstützen, die den Welthunger ­bekämpfen. Motto: Wenn innovative Start-ups die Fortbewegung, das Einkaufen und die Liebe revolutionieren, müssen wir sie dann nicht auch im Kampf gegen Probleme wie den Welthunger einsetzen? Als Nina Schröder erfährt, dass die ­Initiative Mitarbeiter mit Start-up- und Ernährungserfahrung sucht, schickt sie sofort ihre Bewerbung los. Drei Monate hört sie nichts, dann klingelt das Telefon: „Kannst du in zwei Wochen in Peru sein?“ Seither begleitet die 37-Jährige weltweit Projekte, die den Hunger mit Innovationen ­bekämpfen. Entscheidend: Es soll sich nicht um rein lokale Lösungen handeln, sondern um ­„skalierbare“, also solche, die sich auf nahezu jede notleidende Region übertragen lassen.

EIN BEISPIEL FÜR DIE KEHRSEITE ­G ESUNDER FOOD-TRENDS: DIE PRO­ DUKTION VON 2½ AVOCADOS VERBRAUCHT 1000 LITER TRINKWASSER. Dabei sollen die Betroffenen nicht nur dringend benötigtes Essen bekommen, sondern lernen, wie sie sich mithilfe von Technik selbst ernähren­ können. Was Schröder daran begeistert: wie selbst kleine Ideen verzweifelten Menschen Mut schenken, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Zehn dieser Beispiele, mit denen sie den Welthunger besiegen will, erklärt sie hier:

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1 _ BLÜHENDE WÜSTEN „Wer in der Wüste lebt, kann selten Spinat anbauen. Viele Menschen hungern, weil in ihren Böden keine Pflanzen wachsen. Hier können Hydrokulturen helfen. Die brauchen 90 Prozent weniger Wasser und sind leicht zu bauen. Eine Nährlösung, ein Holzbecken und ein Müllsack zum Isolieren reichen – oder ein Regalsystem mit aufgeschnittenen Wasserkanistern. Mit solchen Ansätzen hilft das Projekt H²grOw etwa Betroffenen in der Sahara und im Tschad. Dort bauen die Menschen dann oft Gerstengras an, das ihre Ziegen oder Schafe ernährt, deren Milch und Fleisch lebenswichtige Proteine und Vitamine liefern. Manche Anwender ernten so viel, dass sie einen Anteil verkaufen können.“

2 _ Z AHLEN PER IRIS-SCAN „Oft das Zahlsystem die Essensversorgung. In Flüchtlingslagern können die Menschen Nahrung mit Gutscheinen oder Bargeld bezahlen, das sie vom World Food Programme (WFP) erhalten. Bargeld jedoch kommt abhanden, und Gutscheine müssen gedruckt werden. Deswegen setzen wir in Lagern in Jordanien seit 2018 virtuelles Geld ein. Jeder Flüchtling erhält ein digitales Konto, auf das wir per BlockchainTechnologie Geld überweisen und so 90 Prozent der Transaktionskosten sparen. Um das Zahlen so einfach wie möglich zu gestalten, ordnen wir die Konten per Iris-Scan zu und buchen das Geld beim Kauf im Supermarkt automatisch ab – natürlich unter strenger Einhaltung des Datenschutzes. Für die rund 106.000 Bewohner der Camps in al-Azraq und in Zaatari ist diese Zahlmethode – genannt: Building Blocks – heute schon Alltag.“

Prüfperson: Ob eine Idee den Hunger wirklich bekämpft, testet Schröder, indem sie die Projekte vor Ort besucht.

werden oder auf dem Weg in die Zentrale verloren­gehen. Daher setzt das WFP im Süd­sudan oder in Uganda nun auf den Chip in einer Gesundheitskarte namens Scope Coda. Dort lesen und speichern die Helfer die letzten Maßnahmen, die letzten Entwicklungen von mittlerweile 15.000 Patienten – und laden die Daten in eine Cloud-Datenbank hoch. Die Technologie wurde eigens so entwickelt, dass sie auch bei schwachem mobilen Datennetz und lückenhafter Energieversorgung funktioniert. Durch die zentrale Speicherung lassen sich zudem Gefahren wie DurchfallEpidemien früh erkennen und stoppen.“

3 _CHIP GEGEN MANGEL 4 _ PERSÖNLICHSTE SPENDEN „Viele durch Mangelernährung ver­ ursachte Krankheiten wären vermeidbar, würde nur die Kommunikation zwischen Helfern und zentralen Stellen besser funktionieren. Welche Vitamine, Proteine oder Medikamente ein betroffenes Kind braucht, notieren Ärzte in afrikanischen Krankenhäusern bislang meist handschriftlich auf Zetteln – die schnell nass INNOVATOR

„‚Wo landet mein Geld?‘ Weil viele Hilfs­ organisationen diese Frage noch immer nicht ausreichend transparent beant­ worten können, spenden gerade junge Menschen nur zögerlich Geld für Betroffene. Dabei hängt der Kampf gegen den Hunger nach wie vor auch von Geldgaben jener Menschen ab, denen es besser geht.  27


Deshalb unterstützen wir Plattformen wie die hinter der App ShareTheMeal. Über diese können Nutzer mit einfachem Klick 40 Cent für eine Mahlzeit spenden und auswählen, in welche Region das Geld fließt. Rund 32 Millionen Mahl­zeiten kamen bereits zusammen. Bald soll die App Spenden ermöglichen, bei denen der Spender entscheiden kann, welcher Familie er helfen möchte. So bleiben ­keine Fragen offen.“

INNOVATIONEN HABEN DIE MOBI­ LITÄT, DAS EINKAUFEN UND DIE LIEBE REVOLUTIONIERT. WAS LIEGT ALSO NÄHER, ALS SIE AUCH GEGEN DEN HUNGER EINZUSETZEN?

5 _ DEN SACK ZUMACHEN „Viele Kleinbauern in der Dritten Welt müssen selbst hungern, weil ein Großteil ihrer erwirtschafteten Nahrung bereits kurz nach der Ernte unbrauchbar wird. Das Problem: Ihnen fehlen das Wissen und die Ausrüstung, um Mais, Gerste, Weizen so zu lagern, dass weder Ungeziefer noch Feuchtigkeit eine Chance haben. Unsere Lösung: 1. Vermittlung von Know-how. 2. Schützende Silo-Tonnen oder Säcke inklusive Innensack. Im Sudan zum Beispiel überzeugen wir lokale Händler davon zu überzeugen, die Beutel an die Bauern zu verkaufen. So profitieren die Händler von der Nachfrage eines neuen Produkts. Und die Landwirte kaufen diese von dem Geld, das sie mit bald überschüssiger Ernte verdient haben. Kurz: Wir stärken einen neuen Wirtschaftskreislauf, bei dem wirklich alle gewinnen. 335.000 Bauern in acht Ländern setzen die von uns in Umlauf gebrachten Silos oder Säcke bereits ein und haben ihre Ernteverluste um bis zu 98 Prozent gesenkt.“

sich in diesem Prozess das Interpretieren der Aufnahmen selbst beibringen. Doch der Aufwand wird sich lohnen. Im Einsatz können die Drohnen fast jedes Ziel innerhalb der entscheidenden 72 Stunden unmittelbar nach einer Katastrophe erreichen und etwa prüfen, wo bedürftige Menschen erreicht werden müssen.“

7_ BRUTK ÄSTEN FÜR BÄUME „Wer Nahrung anbauen will, braucht Wasser, zu dem der Zugang aber oft mühsam ist, weil es sich tief unter der Erde befindet. Natürliche Helfer in diesem Fall sind B ­ äume, die das Nass über ihre Wurzeln in das obere Erdreich trans­ portieren – und so das Land bewässern und unter Umständen wieder fruchtbar machen. Wie aber pflanzt man einen Wald in unwirtlichen Gebieten? Und wie hilft man Bäumen, die vor allem in den ersten beiden Jahren regelmäßige Bewässerung brauchen, ihre Wurzeln tief in die Erde zu graben? Eine Lösung ist eine Box namens ‚Groasis‘, eine Art Hydrokultur-Brut­ kasten speziell für Setzlinge – mit Platz für Gemüse um den Stamm herum. In mehr als 40 Ländern konnten Menschen so schon über 200.000 Bäume pflanzen.“

6 _ SPÄHENDE DROHNEN „Wasser, Nahrung, Medikamente: Je schneller wir nach einer Katastrophe wissen, was die Betroffenen brauchen, desto schneller können wir helfen. Einfacher gesagt als getan, wenn es um abgelegene­ Bergregionen geht. Um uns auch in schwer zugänglichen Gebieten schnellstmöglich einen Überblick verschaffen zu können, testen wir aktuell gemeinsam mit Google­ smarte Drohnen, die die Situation mit Kameras und entsprechender Software sofort erfassen und dank künstlicher ­Intelligenz sogar eigenständig auswerten können. Der Weg dahin mag mühsam klingen – um das automatische Auswerten­ zu lernen, müssen die Drohnen erst tausende Bilder eines Gebiets aufnehmen und 28

Du hast eine Idee, den Welthunger zu stillen? Dann bewirb dich jetzt bei Schröder und ihrem Team unter: innovation.wfp. org/apply

8 _ FAIRE , TR ANSPARENTE MÄRK TE SCHAFFEN „Wenig sichert eine Nahrungsversorgung so nachhaltig wie ein funktionierender Wirtschaftskreislauf. Der scheitert in unter­ entwickelten Regionen, etwa in Sambia, schon allein daran, dass die Bauern nicht einmal die Nachfrage im Nachbardorf

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kennen – und daher auch nicht bedienen können. Ebenso wenig bekommen sie aktuelle Preisentwicklungen mit, auf die sie schnell reagieren könnten. Um ihnen ebendiese entscheidenden Informationen zu liefern, unterstützen wir die App Maa­no, einen virtuellen Online-Marktplatz für Bauern. Hier können sie die ­aktuelle Marktsituation einsehen und nachhaltig entscheiden, welche Investitionen ihr G ­ e­schäft erweitern würden. Zum Beispiel ein Kredit, um mehr Getreide­ samen zu kaufen. Oder eine Maschine, die den Ernteprozess beschleunigt.“

9_ DIGITALE JOBS FÜR ALLE „Apropos Wirtschaftskreislauf: Damit Menschen sich Nahrung kaufen können, brauchen sie Jobs – schließlich kann nicht jeder sein Gemüse selbst anbauen.­Doch gerade in der Dritten Welt ist be­zahlte Arbeit oft wenig mehr als ein frommer Wunsch. Eine Lösung dazu verfolgen wir mit dem Programm ‚Empact‘. Die Idee: Wir ermöglichen Menschen unabhängig von ihrer Heimatregion Zugang zum digitalen Arbeitsmarkt. Seit 2016 vermittelt das Projekt in 2000 Seminaren im Libanon und dem Irak Grundlagen digitaler Kompetenzen: Wie funktionieren Computer, Windows, Photoshop? Mit dem Welternährungsprogramm stellen wir Seminarleiter zur Verfügung und vermitteln Jobs – zum Beispiel, wenn Zalando den Bedarf hat, viele Bilder einheitlich zu bearbeiten.“

NINA SCHRÖDER IN ZAHLEN 3

821.000.000

368.000

Jahre lang nannte sich Nina Schröder offiziell „Queen of TeaTales“ – eine Anspielung auf ihr Start-up für Tee.

Menschen hungern weltweit. Eine Zahl, die Schröder auf ihrer Mission noch heute täglich motiviert.

Betroffene haben bereits von den durch das WFP ­geförderten Inno­ vationen profitiert.

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139

2030

Projekte hat Schröder bereits für das WFP getestet und für den weltweiten Einsatz als tauglich bewertet.

Mitarbeiter arbeiten wie Schröder aktuell im Team des WFP oder direkt für die ­einzelnen Projekte.

Bis dahin will das WFP den Welthunger besiegt haben. Ein ambitioniertes Ziel, an das Schröder fest glaubt.

10_WET TBEWERB BEFEUERN „Was passierte bislang, wenn der einzige­ Supermarkt eines Flüchtlingslagers seine Position ausnutzte und die Preise anhob? Nichts, wenn niemand wusste, dass der Anbieter im nächsten Viertel womöglich günstiger verkauft. Die App Dalili will das ändern, indem sie bislang 113.000 Nutzern das aktuelle Angebot von 440 Märkten im Libanon, in Jordanien und Kenia anzeigt – inklusive Option, diese zu bewerten. Auf diese Weise geben wir den Konsumenten etwas Einfluss zurück – auf die Preis­gestaltung und ihr positives Selbstbild: Wer sein Leben wieder aktiver bestimmt, ist eher geneigt, von neuem zu glauben: Ja , ich schaf fe das!

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MIT SONNENKR AF T

Die „Solar Voyager“ auf dem Weg durch die Antarktis. Das E-Mobil trotzt im Betrieb Temperaturen bis zu minus 30 Grad.

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DIE SOLAR REISENDEN

T E X T   M a t t h i a s L a u e r e r, A r e k P i a t e k F O T O S   E d o L a n d w e h r, Z i t a L u i t e n

Im November 2018 macht sich ein niederländisches Ehepaar auf den Weg zum Südpol – in einem Solarauto aus Plastik. Ein Extremabenteuer im Zeichen globaler Nachhaltigkeit.

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VORBEREITUNG Edwin ter Velde (re.) fixiert mit Kollegen die Sonnenzellen auf den Anhängern der „Solar Voyager“. Eine davon wird auch am Mobil angebracht.

W Wie sehr belastet Plastikmüll die Welt? Und wie kann man dieses Problem ­l ösen? Und: Wo lässt sich Altplastik sinnvoll ver werten? Diese Fragen beschäftigen das Ehepaar ter Velde schon jahrelang – bis sich daraus ein un­g ewöhn­l iches Projekt ent­w ickelt, das die Nieder­l änder bis in die Antarktis ­f ühren wird: das Clean2Antarctica.

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2015 war der spektakuläre Plan fertig. Und ab da wussten Edwin und Liesbeth ter Velde, ein WissenschaftlerEhepaar aus den Niederlanden: Sie werden etwas bauen, was noch keiner gebaut hat, und etwas wagen, was noch keiner gewagt hat – und damit ein Zeichen für die Umwelt setzen. Das konkrete Vorhaben: ein Gefährt aus Altplastik 3D-drucken, es mit Solarzellen bestücken – und damit eine Reise zum Südpol antreten. 1200 Kilo­ meter. Nur mit der Kraft der Sonne. Durch die lebensfeindliche Eiswüste der Antarktis. Bei Schneestürmen und Temperaturen bis zu minus 30 Grad. „Wir wollen zeigen, dass wir bereits heute über alle Technologien für eine nachhaltige Welt verfügen“, sagt Liesbeth ter Velde, „deswegen bauten wir die ‚Voyager‘ aus alten Plastik­ flaschen. Dies soll bewusst machen, wie man die Welt durch global an­ gelegte Wiederverwertung verändern könnte.“ Es dauerte – mit Sponsorenhilfe – drei Jahre, bis das AltplastikVehikel bereit war für den antarktischen Härtetest: „Wir wählten die Antarktis als Route, um auch auf den antarktischen Vertrag hinzuweisen, der 2048 ausläuft“, so Liesbeth, „dann könnte die Jagd nach den dortigen Rohstoffen beginnen.“ Ende 2018 sollte ihr Vorhaben umgesetzt werde: Ein Transportflugzeug bringt die „Solar Voyager“ samt Team zum Union-Gletscher, dem letzten bewohnten Basecamp vor dem Südpol. Die Reise kann beginnen.

FLU GHAFEN ANTARK TIS

Entladung der „Solar Voyager“ aus einem russischen Frachtflugzeug. Eine Verschiffung wäre wegen der ­Eisschollen im Meer zu riskant gewesen.

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DIE ANKUNFT INNOVATOR

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DAS TE A M

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TE AMLE ADER

Links: Liesbeth ter Velde. Rechts: ihr Mann Edwin, Abenteurer und Kapitän der Clean2­Ant­arcticaMission. Er sagt: „Um die Welt zu ­verbessern, musst du Dinge a ­ ußerhalb deiner Komfort­ zone ­machen. Und am b ­ esten, du machst sie gleich als Allererster.“

DOKU - CRE W

Clean2AntarcticaTeam-Members: Links: Zita Luiten, 28, die Fotografin der Expedition. Rechts: Edo Landwehr, 32, Filmer. Aufgabe: mittels Kameradrohne die Expedition filmen – und im Voraus Terrain erkunden.

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DIE EXPEDITION Tag 1 . Edwin: „Das Wetter überrascht uns bei der Ankunft im Basecamp – es ist schlecht, windig, fast stürmisch. Nebenbei erleben wir gleich, was ein Whiteout ist: Es ist im Schnee ­d iffus reflektiertes Licht – sodass einem weiß vor Augen wird. Du siehst die Menschen nicht mehr, die wenige Meter vor dir stehen. An Aufbruch ist nicht zu denken. Wir verlieren zwei Tage im Basecamp –

doch dann starten wir endlich. Bei ­g utem Wetter! Und ­h olen auf. Wir schaffen rasch die ersten 100 Kilometer. Die Sonne scheint hier 24 Stunden. Doch für uns ist das kein Nachteil: Wir fahren Tag und Nacht.“ EISIGER WEG

Die Route vom Gletscher-­Base­ camp zum Südpol ist 1200 Kilometer lang. Zudem muss die „Solar Voyager“ über 2000 Höhenmeter bewältigen.

Südpol (2 8 3 5 m)   U nion - Gletscher ( 70 0 m)

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DIE „SOLAR VOYAGER“ Mit Sonnenpower über arktisches Eis. Wasser gewinnt die Truppe mittels sechs Solar-Vakuum­ röhren, die den Schnee schmelzen. So entfällt der Transport der schweren Wasserlast.

ENERGIESPENDER 1 Ze h n S o l a r p a n e e l e. Ih re ge sp e i c h e rte E n e rg i e k a n n d a s E- C a r f ü n f Stu nd e n o h n e S o n n e in B etr i e b h a l te n .

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ENERGIESPENDER 2 Zwe i P l a s ti k t r a i l e r. I n h a l t : N a h r u n g f ü r v i e r Pe r s o n e n – u n d f ü r 3 0 Ta ge .

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REIFEN M i t N e t ze n b e zo ge n – u m b e i k n i e t i efe m S c h n e e d a s G ew i c h t d e s Ve h i ke l s g l e i c h m ä ß i g zu ve r te i l e n .

SONNENSCHUTZ M i t S p e zi a l k u n s t s tof f b e k l e b te Fe n s te r. S i e a b s o r b i e re n I n f r a rotstrahlen und wärmen die Kabine.

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DAS WETTER Tag 12. ­L iesbeth nach 500 Kilo­m etern: „Das Auto kam bei Sonnen­ schein gut vor­a n. Doch nun spielt das Wetter nicht mit. Wir hatten für die Expedition zwei Schlecht­w ettertage kalkuliert, aber hier toben jetzt täglich ­S chnee­s türme. Statt zu fahren, schla­f en wir in ­Z elten – und schaufeln die ­‚Voyager‘ ständig von Schnee frei. Der Pro­ viant wird weniger, und ohne Sonne kom­ men wir nicht voran. Aber 600 Kilometer wollen wir schaffen.“

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„Wir haben bei der ‚Solar Voyager‘ 2000 Kilo Plastikflaschen eingeschmolzen und daraus 5000 sechs­eckige Platten gedruckt“, sagt ­Edwin, „die verbanden wir zum Chassis des Autos.“ Es ist nicht nur robust und kälte­beständig, sondern auch ultraleicht: Das 16 Meter lange Gespann wiegt nur 1485 Kilo.

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DIE K Ä LTE

SETBACK

Die Crew säubert nach dem Sturm die Leitungen der Paneele, um rasch die Fahrt mit der „Voyager“ (High­ INNOVATOR

speed: 8 km/h) fortzusetzen. Übri­ gens: Im Rover sind keine Heizelemente, die Sonnenenergie wird nur zur Fort­ bewegung genutzt.

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Z WANGSPAUSE Bei Schlechtwetter ist Geduld gefragt: Nach starkem Schneefall wartet die Crew – bis die Solar­ zellen erneut auf­ geladen sind und die Reise weitergeht.

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VORREITER Liesbeth ter Velde in der „Voyager“: „Für Nachhaltigkeit brauchen wir keine neue Technologie. Einzig eine Neu­ definition der alten.“

DER ENTSCHLUSS Tag 18. Nach 680 Ki­l o­m etern, also der Hälfte der Strecke zum Südpol, muss die Crew mangels Sonne umkehren. Edwin: „Wir haben den Süd­ pol nicht erreicht, aber dafür unser wichtigstes Ziel: zu zeigen, was mit der Technologie möglich ist – 18 Tage unter­ wegs durch Schnee und Eis, allein mit Sonnenkraft. Im Re­ cyc­l ingauto, das die Zukunft ändern kann.“

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T H E

R E D

B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

G A D G E T S F Ü R D E I N

G A R T E N U P G R A D E

Vom Indoor-Pflanzenbeet mit NASA-Technologie über einen resoluten Mäh-Roboter bis hin zum fliegenden Wachhund: acht Hightech-Hilfen für Selbstversorger und Hobbygärtner.

TEXT CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

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(D)EIN W E LTA L LGARTEN Er ist so klein wie ein Toaster und fasst drei Saatgutkapseln, die ähnlich wie Kaf­ feekapseln funktio­ nieren und mit Erde und Samen gefüllt sind. Das Beste: Der Elektrogarten von Click & Grow lässt Pflanzen auch bei miserablen Licht­ verhältnissen und gärtnerischer Talent­ freiheit sprießen – dank LED-Wachs­ tumsleuchten und einem Tank zur selb­ ständigen Bewässe­ rung. Firmengründer Mattias Lepp hat sich dafür von NASATechnologie für MarsMissionen inspirieren lassen. Insgesamt gibt’s 45 kompri­ mierte Saatgutarten (3 Stück ab € 9,95), Mini-Garten ab € 99,95. ER H Ä LT LI C H U N T ER C LI C K A N D G ROW.C O M

CLICK & GROW


T H E

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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

4×4-MÄHROBOTER Steigungen bis zu 70 Prozent, unebene Rasenflächen und Regen sind kein Problem für den neuesten Mäh-Roboter von Husqvarna. Der 435X AWD (Preis: € 4999) verfügt über Allradantrieb und einen Timer, der den Mähbedarf anhand des Graswachstums – dieses ist vor allem nach Regen stark – bestimmt. Der ObjektErkennungssensor Ultrasonic misst dabei durch Aussenden unhörbarer Signale, ähnlich einer Fleder­ maus, Distanzen und verhindert so Kollisionen mit Gartenzwerg und Co. ER H Ä LT LI C H U N T ER H US QVA R N A .C O M

Die LED-Scheinwer fer sind vor allem Design-­ Element. Der 4 35X AWD (hier in Grau) kann aber tatsächlich nachts aktiv werden.

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Der Trick mit dem Knick: Wegen des ­G elenks zwischen den Achsen kann der Roboter engere Kurven fahren und behält auch bei Uneben­ heiten seinen Grip.


PFLANZENLEXIKON SAMT EXPERTEN-CHECK

HUSQVARNA, NETATMO, GARDENANSWERS

DIESE WET TERSTATION H AT A LLES IM GRIFF Welchen Bedingungen deine Pflanzen ausgesetzt sind und, vor allem, welche noch auf sie zukommen, analysiert die Netatmo-Wetter­ station. Indoorund Outdoor-Modul (links im Bilder in Silber, Gesamtpreis: € 169) messen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und CO² Gehalt. Der Regenmesser in Schwarz (Preis: € 69) prüft

den Niederschlag. Alle Daten werden per WLAN an die App übermittelt, ausgewertet und für Prognosen verwendet. Dank weltweitem Zugriff kannst du so die Nachbarin bitten zu gießen, falls es zu trocken wird und du mal wieder auf Mauritius weilst. ER H Ä LT LI C H U N T ER N E TAT M O.C O M

Beginnt im eigenen Garten etwas zu blühen, ist die Freude groß. Was aber, wenn man nicht genau weiß, was da eigentlich blüht? Hier hilft die App Garden Answers, das „Shazam für Pflanzen“. Einfach ein Foto von der Blüte bzw. den Blättern machen und mit einem der Bilder aus der Datenbank vergleichen lassen. Findet sich

keine Übereinstimmung, bleibt dir die Option, einen Experten zu fragen. Die App liefert Namen sowie Informationen zu Herkunft und Pflege. Gratis für Android und iPhone, „Ask the Expert“-Service für € 1,99 pro Anfrage. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E O D ER iS TO R E


DER GARTEN DENKT MIT Das Smart-HomePrinzip in den Garten zu verlegen war die Grundidee des Wieners Roland Grösslich. Seine ­L ösung ist eine dreiteilige Hardware namens Miyo. Der Sensor (Bild) misst Bodenfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Helligkeit und sendet die Daten an den Cube. Dieser entscheidet, ob und, wenn ja, wie lange das an der Wasserleitung angebrachte Ventil zur Bewässerung geöffnet wird. Einzig die Schläuche musst du zuvor selbst verlegen.

ERDBEEREN ZÜCHTEN MIT STIL Wer wenig Platz hat, muss in die Höhe denken. Nach diesem Wolkenkratzer-Prinzip agiert das Kärntner Startup Gusta Garden. Sissi Strawberry heißt das verti­ kale Pflanzsystem, bei dem ErdbeerLiebhaber Module kombinieren und so Höhe und Aussehen ihres „Baums“ indi­ viduell gestalten können. Gegossen wird nur die oberste Etage, die speziell geformten Kunststoffbehälter verteilen das Wasser gleichmäßig. ER H Ä LT LI C H U N T ER G US TAG A R D EN .C O M

ER H Ä LT LI C H U N T ER M I YO.G A R D EN

PROFI-GÄRTNER AM SMARTPHONE Wie tief muss ich Tomaten setzen? Wo wächst Lavendel am besten? Wie viel Abstand sollte ein Spargel zum nächsten haben? Und vor allem: Wann kann ich ihn endlich essen? Diese und zahlreiche weitere Fragen beantwortet die App Gardroid. Darüber hinaus gibt es eine Kalenderfunktion sowie einen Alarmservice, der dich an Säen, Gießen und

Ernten erinnert. Und weil man ja motiviert bleiben sollte, verfügt das Ganze auch über ein „Notizbuch“, in dem man seine Fortschritte bildlich festhalten kann. Die Gardroid-Basisversion ist gratis, Gardroid Premium kostet € 2,99. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E


T H E

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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

Bee ist ein Quad­ copter mit eingebau­ ten Kameras . Ein Über wachungsflug dauer t 2 bis 3 Minuten, der Akku reicht für 1 5 Minuten.

MARIO PAMPEL-POSTPRODUCTION, GUSTA GARDEN GMBH, 2019 GARDROID, SUNFLOWER LABS

DIESE DROHNE IST DEIN FLIEGENDER WACHHUND Erdacht im Silicon Valley, entwickelt in der Schweiz wurde diese Grundstücksüberwachung vom Feinsten: Schlagen im Garten oder in der Einfahrt installierte Leuchten mit Be­wegungs- und Vibrationssensoren Alarm, dann hebt eine tellergroße Drohne namens Bee ab und macht ein Live-Video für deine App. Mittels Machine­ INNOVATOR

Learning werden Bewegungsmuster er­ kannt und Fehlalarme minimiert. Eine wetterfeste Ladestation gewährleistet stete Flugbereitschaft. Kurz: Einbrecher (oder Waschbären, die an dein Gemüse wollen) bleiben nicht unerkannt.

Die Basisstation Hive (= Bienenstock) ist so groß wie eine ­Hundehüt te. Sie schütz t und lädt die Drohne Bee.

R E S ERV I ERU N G U N T ER SU N F LOW ER- L A B S .C O M

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„Zwift“-Gründer Eric Min (li.) und Jon Mayfield bringen Outdoor-Erlebnisse ins Wohnzimmer.

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MEIN S TA RT-UP-MOMENT

„LANGEWEILE INSPIRIERTE UNS“ Wie das Workout am Hometrainer zwei USAmerikanern zu einer genialen Idee verhalf: Eric Min und Jon Mayfield – die Macher des 3D-Cycling-Games Zwift – im Interview.

Eric Min und Jon Mayfield hatten sich vorher nicht gekannt. Mehr noch: Zwischen den beiden lagen 9000 Kilometer und ein Kontinent. Das einzige verbindende Element, das es gab, war der Ärger über die Monotonie des ­eigenen Indoor-Radtrainings. Diese führte sie zusammen und ließ sie 2013 „Zwift“ gründen, ein Multiplayer-Online-Spiel für Radsportler und Läufer, in dem du ­virtuell trainieren und dich mit anderen messen sowie aus­ tauschen kannst. Mittlerweile schwitzen via Zwift eine Million User aus mehr als 150 Ländern. In den ersten vier Jahren der Plattform haben die User 660 Millionen Kilometer gesammelt.

RICK RODNEY

the red bulletin innovator: Die Idee zu Zwift entstand … eric min: … aus Langeweile. 2013 hatte ich ein Projekt ab­ geschlossen und überlegte, meine Leidenschaft, das Radfahren, ­irgendwie mit dem nächsten Job zu verbinden. Ich wusste nur nicht, wie. Dann musste ich plötzlich übersiedeln – von New York nach London – und war mit einem Mal ohne meine Radfreunde, trainierte viel drinnen, immer allein. Mann, war das öde! Also überlegte ich, ob man das Erlebnis einer Ausfahrt digital nachempfinden könnte – den Fitness-Aspekt, den Leistungsvergleich und so weiter.

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jon mayfield: Ich war zu jener Zeit Videospiele-Grafiker – und Hobbyradfahrer. Und ich hasste Hometrainer. Keine fünf Minuten hielt ich es auf dem Ding aus, nicht einmal mit Ablenkung durch Netflix. Ich dachte: Es müsste ein Game geben, das ich beim Trainieren spielen könnte – aber da war nichts. Also begann ich, für mich selbst zu programmieren. Wie kreuzten sich eure Wege? min: Ich wollte wissen, ob es schon gab, was mir vorschwebte. Bei meiner ersten Google-Suche stieß ich auf Jons Projekt. Es sah toll aus. Wir telefonierten, ich flog zu ihm nach Kalifornien, erzählte von meiner Idee, und zwei Wochen später kündigte er seinen Job. Das klingt alles so einfach. Gab es keine Zweifel, Rückschläge? min: Technisch nicht. Da wussten wir, dass wir jedes Problem lösen können. Die große Frage war, ob die Leute aufspringen würden. Das kannst du nicht wissen, bevor das Produkt fertig ist. Der Launch erfolgte dann im Dezember 2014 … mayfield: … und 48 Stunden später wussten wir, dass wir uns um den Aufbau einer Community keine Sorgen machen mussten. min: In der ersten Woche meldeten sich 13.000 Leute für Zwift an. Damit war klar: Das Ding wird abheben. Im November 2015 verlangten wir erstmals Geld, und die

User schmissen uns ihre Kredit­ kartendaten quasi hinterher. Mal ehrlich, gar keine Krisen? min: Na ja, doch. Der GameCharakter irritierte anfangs viele eingefleischte Radsportler. Sie dachten, ein Simulator wäre besser, weil ernsthafter … mayfield: … aber sie erkannten schnell den Nutzen. Um das Game aufzupeppen, führten wir nach dem ersten Wurf die sogenannten PowerUps ein, die Möglichkeit, Boosts zu bekommen, wie bei „Mario Kart“. Wir waren von dem Feature begeistert, aber für die Altgedienten in unserer Community war das ein Riesenfiasko. Sie ließen sich in den Foren darüber aus, dass wir alles wieder kaputt gemacht hätten … Wir blieben dabei, und nach einem Monat hatten sich alle daran gewöhnt. min: Heute gibt es Lauf­räder in leuchtenden Neonfarben oder schwebende Glas-Straßen. Und die User wünschen sich einen noch ausgeprägteren Game-Charakter. Für andere Start-ups: Was war eure wichtigste Erkenntnis? min: Bei meinem vorigen Geschäftsmodell waren wir die Viertgrößten unserer Kategorie. Aber: Vierter und Erster ist wie Tag und Nacht. Um die Nummer eins zu werden, musst du eine eigene, völlig neue Nische schaffen. Klar, es ist schwierig, den Investoren einen Markt schmackhaft zu machen, den es noch gar nicht gibt. Aber es ist der richtige Weg. mayfield: Ich bin risikoscheu. Ich überlegte hin und her, bevor ich meinen Job kündigte. Denn ich mochte meinen Job – und sollte nun eines der größten Risiken meines Lebens eingehen. Letztlich war es die beste Entscheidung meines Lebens. Das Wichtigste, was ich bei Zwift gelernt habe, war: Du darfst nicht immer auf Nummer sicher gehen. Infos zum 3D-Multiplayer-OnlineSpiel (mit Smarttrainer) auf:

zwift.com

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GALLERY STOCK

DIE

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J e älte r w ir we r d e n , d e s to jü n ge r we r d e n w ir.

D e s to zu ku nf t s f ä hige r.

D e s to w ic h tige r fü r s c h la u e U n te rn e h m e n .

NEUEN

D e r Ka m p f u m die b e s te n  Fü nf zig-, S e c hzig-, Sie bzig jä h rige n

h at s c h o n b e go n n e n . TEXT

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S T E FA N WAG N E R

A LT E N

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e n f o l g e n d e n Te x t z u l e s e n dauert eine knappe Viertelstunde. Diese Viertelstunde wird Ihr L e b e n ve r ä n d e r n .

Am Ende dieses Textes werden Sie grundsätzlich anders übers Altern denken als jetzt, über Ihr eigenes und über das unserer Gesellschaft. Sie werden den Begriff „Über­ alterung“ aus Ihrem Wortschatz gestrichen haben. Sie werden keine Angst mehr haben. Um Ihren Job nicht, um Ihre Zukunft nicht, um Ihren Erfolg nicht, um unsere Gesellschaft nicht. Sie werden sich (als Mitarbeiterin und Mitarbeiter), im Gegenteil, darauf freuen, alt zu werden. Sie werden (als Unternehmerin und Unternehmer) Ältere als Talent erkannt haben, als wertvolle unternehmerische Ressource, als Zukunftshoffnung, als sehr bald schon zentralen Erfolgsfaktor. Alles beginnt mit der Demografie.

Niemals in der Menschheitsgeschichte waren wir als Gesellschaft so alt wie jetzt, nämlich jede und jeder von uns im Schnitt 47,1 Jahre. Und wir altern rasend schnell. Derzeit sind 21 Prozent der Be­ völkerung 65plus. 2030 werden es 28 Prozent sein. 2060 sind es dann bereits 33 Prozent: Jede und jeder Dritte wird dann 65 Jahre und älter sein.

U N S E R E

Wie stellen Sie sich so eine Gesellschaft vor? Als riesenhafte geriatrische Anstalt, in der es sich die ­Alten auf Kosten der Jungen gutgehen lassen? Oder in der die Alten verarmen, weil die Jungen die hoffnungslos überlasteten Gesundheits-, Pflege- und Pensionssysteme nicht mehr erhalten können? (Oder, noch gruseligere Vorstellung, nicht mehr wollen?) In der die Generationen einander hassen, weil sie sich gegenseitig das Leben kaputtmachen? In der wir alle bis achtzig arbeiten müssen, als ­wären wir vierzig, egal wie krank oder erschöpft wir sind? Haben Sie keine Angst. Das Gegenteil wird passieren. Der Grund dafür ist, dass die Alten unser Bild vom Alter immer älter aussehen lassen. Sechzig jährige von heute sind so gesund wie Vierzig jährige vor hundert Jahren.

Und sie sind geistig fit wie 52-Jährige vor zehn Jahren. (Was nichts anderes heißt als: In den letzten zehn Jahren sind die heute Sechzigjährigen um gerade einmal zwei Jahre gealtert.) Das gefühlte Alter heute 65- bis 85-Jähriger liegt im Schnitt um sieben bis acht Jahre unter ihrem tatsächlichen Alter. Auch dieser Trend wird sich dramatisch weiter verstärken, nicht nur in der Subjektivität, sondern auch objektiv. Auch das ist logisch. Die medizinische Versorgung verbessert sich, das Bewusstsein für die Bedeutung des eigenen Lebensstils für die Gesundheit – Ernährung, Mindset, Bewegung – steigt. Unsere Gesellschaft wird an Lebensjahren älter, wir werden zugleich geistig jugendlicher und körperlich fitter. Wir werden insgesamt nicht nur leistungsfähiger, sondern auch leistungsbereiter. Wir werden immer älter, und wir werden immer jünger. An der Spitze dieser Entwicklung stehen d i e s o ­g e n a n n t e n Fo r e ve r Yo u n g s t e r s .

Sie sind ein neues, einigermaßen exotisches Phänomen, eine noch kleine – wenn auch stark wachsende – Minderheit. Forever Youngsters werden wohl immer Minderheit bleiben, aber sie zeigen die Möglich­ keiten des Alters der Zukunft in ziemlich r­ adikaler Verdichtung: Forever Youngsters ergeben sich ihrem Geburts­ datum nicht. Sie sehen Gesundheit als fortlaufenden

G E S E L L S C H A F T W I R D A N L E B E N S J A H R E N Ä LT E R ,

die Alte n we r d e n zugle ic h le is t u n g s f ä hige r u n d le is t u n g s b e re ite r,

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un d d as m a c h t

DIE GESELLSCHAFT IMMER JÜNGER.

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33 %

Anteil der üb er 6 4 -Jährigen an der B evölker ung im Jahr 20 6 0. Das sin d um 1 2 Prozentp unk te m ehr als ak tuell.

74 %

Q u ote b ei M ä n n e r n im A l te r vo n 6 0 b is 69, die sich jü n ge r f ü h l e n , a ls sie sin d . B ei Fra u e n is t d e r A n teil 69 P roze n t.

Optimierungsprozess, betreiben akribisch die Ent­ wicklung ihrer Lebensqualität, ihrer Fitness, Vitalität und Gesundheit. Sie verstehen Gesundheit als Eigen­ verantwortlichkeit, medizinische Angebote als Dienstleistung. Sie verwenden Apps und Wearables, die Ruhepuls, Blutdruck, Körperfettanteil und Herz­ ratenvariablität messen, tagsüber ihre Schritte und nachts ihre Schlafqualität tracken. Sie schlucken Nahrungsergänzungsmittel, führen Dankbarkeitstagebücher, meditieren. Sie quälen sich in der CrossFit-Box, gönnen sich Wellness-Wochen­ enden und genießen Dinner in Haubenrestaurants. Sie sind ehrgeizig und zielstrebig, haben Erfolg im ­Beruf und Spaß am Leben, beides sogar mehr denn je. Sie haben Spaß daran, mit sechzig fitter und ­leistungsfähiger zu sein als der durchschnittliche Dreißig­jährige. Und fitter und leistungsfähiger zu sein, als sie selbst es vor fünfzehn Jahren waren. An Ruhestand denken sie nicht einmal in den phantasievollsten REM-Phasen ihres Schlafs. Nebenbei befeuern sie dadurch, dass sie die Opti­ mierung ihrer Gesundheit selbst in die Hand nehmen, einen der großen globalen Trends: Während Ärzte und medizinisches Personal im Zeitalter der Auto­ matisierung sogar schon in Diagnose und Behandlung auf Algorithmen und Big Data vertrauen (und zum Teil sogar dadurch ersetzt werden), hat sich der Be­ reich Digital Health – also alles in der Schnittmenge von Gesundheit und Technologie – von 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 2010 auf 11,5 Milliarden Dollar im Jahr 2017 vergrößert.

IZA HEGEDÜS

I

n Wien funktioniert die Jugend des Alters bereits. Hier hat Klaudia Bachinger vor rund zwei Jahren ein Unternehmen ge­ gründet. Es heißt WisR (growwisr.com) und beschäftigt sich damit, ältere Men­ schen und Unternehmen zu matchen. ­Bachinger, 32 (tatsächlich!), schlägt mit ihrem Startup die Brücke zwischen demografischer Realität, ge­ sellschaftlicher Vision (sie spricht von ihrem Ärger über die „Diskriminierung des Alters“) und betriebs­ wirtschaftlicher Praxis. „Immer mehr Unternehmen,

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958 %

Ans tieg des Inves titions­ volum ens welt weit im B ereich Digit al H ealth in den Jahren 2010 bis 2017.

vor allem erfolgreiche Unternehmen, vor allem solche in wirtschaftlich starken Regionen, haben ganz banale Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, sagt sie. „Aber es gibt diese Mitarbeiter. Sie sind halt nicht 20 oder 25, sondern 50, 60 oder noch älter.“ Bachingers Erfahrungen der ersten beiden Jahre: • Ihren Stärken entsprechend ein­ gesetzte ältere Mitarbeiter bringen Unternehmen jeder Art, jeder Größe und jeder Altersstruktur einen klaren Mehrwert, egal ob Start-up oder ­globaler Konzern. (Einer der ersten Kunden von WisR waren die Österrei­ chischen Bundesbahnen, die ausge­ rechnet für ihre Innovationsabteilung Ältere in Bachingers Kartei fanden.) • Am offensten und motiviertesten sind zwei Arten von Unternehmen: erstens wenig überraschend jene, die mit ihren Produkten und Dienst­ leistungen ältere Zielgruppen an­ sprechen wollen. „Da machen sich ­ältere Mit­arbeiter vor allem in Produkt­ entwicklung, Marketing und Sales ganz unmittelbar bezahlt.“ Und zwei­ tens familiengeführte Unternehmen, sogenannte „hidden champions“ wie der Grazer Hochtechnologie-Welt­ marktführer AVL List. AVL List stellt nicht nur gezielt ältere Mitarbeiter ein, s­ ondern holt sogar pensionierte ­Mit­arbeiter zurück. Bachinger: „Bei solchen Unternehmen ist generatio­ nenübergreifendes Denken selbst­ verständlicher Teil der Kultur. Da ­arbeiten mehrere Generationen der Eigentümerfamilie mit, da wird lang­

K L AU D I A B AC H I N G E R M i t i h r e m S t a r tup WisR zeig t die 3 2- j ä h r i g e J u n gunternehmerin, wie man mit ­ä l t e r e n A r b e i tn e h m e r n e r f o l greich ist.

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T O P S K I L L S 2 0 2 0 We lc h e Fä higke ite n in d e r Be ruf s we lt gefr a g t s e in we r d e n : LÖSEN KO M PLE XER PRO BLEM E M ENSCH EN F Ü H REN INTELLI G ENZ

KRITISCH E S D EN KEN

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EM OTI O NALE

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SERVI CEO RIENTIERU N G

VERHAN D LU N GSG E SCHI CK

G EIS TI G E FLE XIBILITÄT

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fristig und nachhaltig geplant, da wer­ den Wissen und Erfahrung der Mit­ arbeiter automatisch höher geschätzt als in herkömmlichen Betrieben.“ • Im Gegensatz dazu stecken erstaun­ lich viele HR-Abteilungen in alten, ­jugendzentrierten Mustern fest. „Ich war verwundert, wie konservativ ­gerade Personalchefs denken“, sagt Bachinger. „Viele arbeiten immer noch stur nach denselben Methoden wie vor fünfzig Jahren.“ • „Erfolgreich ist man immer dann“, sagt Bachinger, „wenn man ganz be­ wusst die Stärken der Älteren einsetzt. Ein Sechzigjähriger ist nicht mehr so schnell wie ein Dreißigjähriger, körper­ lich nicht mehr so belastbar. Aber er hat ganz andere Social Skills, er ist Jüngeren in Empathie, in Kommuni­ kation überlegen. Extrem wertvoll, wenn es zum Beispiel um Team­ führung geht, ums Vorbereiten und Treffen von Entscheidungen, um ­Verhandlungen, ums Einschätzen von Situationen, von Risiken und Konsequenzen.“ • Die praktische Zusammenarbeit mit Älteren – naturgemäß sind nicht alle bei WisR dreißig – ist für die jugend­ liche Jungunternehmerin mittlerweile unverzichtbar. „Susanne, unser Head of Sales, könnte in einem Jahr in ­Pension gehen. Ihre Erfahrung ist ein ­Mega-Mehrwert für uns, gerade als Start-up. Sie bringt Ruhe ins Team.

D

as World Economic Forum ist längst ein Fan der Alten. Technologisierung, Auto­ matisierung, in der Praxis des Alltags ­immer intelligenter, schneller und ge­ schickter werdende Roboter verändern nicht nur den Arbeitsalltag, sondern auch das Anforderungsprofil an den beruflichen ­Erfolg der Zukunft. Das World Economic Forum hat 2016 eine Liste der wichtigsten zehn Fähigkeiten erstellt, die im Jahr 2020 darüber entscheiden, wer im Job Erfolg hat und wer nicht. An der Spitze des Rankings: komplexe ­Pro­blemlösung, kritisches Denken, Kreativität. Auf den folgenden sieben Plätzen ausschließlich so­ genannte Soft Skills, also Kompetenzen, die im Kern den ­zwischenmenschlichen Umgang regeln. Man muss kein besonders talentierter Prophet sein, um zu wissen: Roboter werden alle standardisierbaren körper­ lichen und geistigen Fähigkeiten eher früher als später übernehmen. (Nur um zu zeigen, wie flexibel sich der Begriff „standardisierbar“ versteht: In Japan ­werden Roboter bereits jetzt in der Krankenpflege ein­gesetzt, inklusive digital gesteuerter Mimik.)

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PHILIPP SCHÖNAUER

Fa k t i s c h e u n d statistische An­ gaben in diesem Te x t s i n d i m We s e n t l i c h e n d e r D o k u m e n t a­t i o n „Megatrend Silver Society“ der Zukunf tsinstitut G m b H , Fr a n k f u r t a m M a i n , e n t­ n o m m e n (w w w. zukunf tsinstitut. d e) . S i e b e z i e h e n sich, wenn nicht anders angegeben, auf Deutschland, sind aber im Ke r n   a u c h a u f die Schweiz u n d ­Ö s t e r r e i c h ü b e r t r a g b a r.

Wenn es einen Rückschlag gibt, bleibt sie cool. ‚Kenn ich schon, hab ich schon gesehen, ist kein Drama‘, ­allein diese Gelassenheit ist Goldes wert.“ WisR startete mit 100.000 Euro Unterstützung der Stadt Wien, dazu kamen 250.000 Euro von Business Angels, die Kartei umfasst aktuell rund 2000 Arbeit­ suchende und 150 Unternehmen – im ganzen deut­ schen Sprachraum, obwohl die Marketingmittel bis­ her nur für den Raum Wien reichten. Aktuell dreht Bachinger die zweite Finanzierungs­ runde. Business Angels aus Deutschland, Frank­ reich und den USA sind konkret interessiert, es gibt Ex­pansionspläne nach Deutschland, Ungarn, Groß­ bri­tan­nien, Polen und Rumänien – die meisten da­ von, weil WisR von Unternehmen kontaktiert wurde. „Die Leute fragen uns, wann wir endlich auch in ihr Land kommen.“


Woran sie aber immer scheitern werden, ist das Zwischenmenschliche. Genau dort, in diesem nicht automatisierbaren, nicht technologisierbaren, nicht standardisierbaren Bereich wird sich wirtschaftlicher Erfolg in Zukunft entscheiden. Der entscheidende Konkurrenzvorteil der Zukunft liegt genau dort, wo Ältere Jüngeren dank ihrer ­Lebenserfahrung überlegen sind. D ie G l e i c hze itigke it vo n A lte rn u n d Ve r ­ j ü n g u n g h at e in e n N a m e n : D ow n a gin g.

Das deutsche Zukunftsinstitut hat die verschiedenen Lebensstile der jugendlichen Alten sortiert. Neben den genannten Forever Youngsters formiert sich die Gruppe der Free Agers (Zukunfts­institut: „Gelassenheit, Harmonie, Menschlichkeit, eine gesun­ de Umwelt und ein soziales Miteinander liegen ihnen am Herzen“, „möchten im Gegensatz zu den Forever Youngsters nicht um jeden Preis jung bleiben“) und jene der Golden Mentors („wollen ein Leben lang ak­ tiv bleiben und andere an ihren gesammelten Erfah­ rungen teilhaben lassen“, „arbeiten immer noch und bringen sich aktiv in Wirtschaft und Gesellschaft ein“). Alle drei Gruppen werden in den nächsten Jahren stark wachsen. Sie werden die Zukunft unserer Gesellschaft prägen. Es wird eine ruhigere, gelassenere, bewusstere, gescheitere, empathischere Gesellschaft sein.

HELGA ROBNIK, 75, wird im Fr ü h j a h r 2 0 2 0 nach fünfzig Dienstjahren ihre a k t i v e B e r u f s­ la u f b a h n b e e n d e n . An Ruhestand denkt sie nicht.

E

in klassischer Vertreter der Golden Men­ tors ist Helga Robnik, 75. Die älteste und längstdienende Mit­ arbeiterin der Erste Bank wird ihre beruf­ liche Laufbahn im März 2020 pünktlich zum 50-Jahr-Jubiläum beenden, „aber eventuell arbeite ich nachher noch ehrenamtlich in der Zweiten Sparkasse mit“, sagt sie. (Das ist eine sozial ausgerichtete Bank für Menschen ohne Bank; Anm.) In ihrer Freizeit leitet sie Seniorengruppen bei Wanderausflügen oder Gedächtnistrainings. Robnik hat sich schon als Fünfzigjährige für die Anliegen Älterer ein­gesetzt („Die Alten haben ja ­keine Lobby!“), ist seit 25 Jahren als spezialisierte

­ eniorenbetreuerin in der Bank tätig, S kennt die Fähigkeiten und Defizite des Alterns also im Detail. Und ver­ körpert sie selbst mittlerweile ideal­ typisch: „Die Anforderungen im beruf­ lichen Alltag haben sich verändert. Da braucht man nichts schönzureden: Mit der Entwicklung von EDV, Tech­ nik, Administrativem, mit den ständig nötigen Weiterbildungen komme ich, kommen wir irgendwann einfach nicht mehr mit. Das wird uns zu viel, zu schnell, zu hektisch. Aber meine Persönlichkeit hat sich entwickelt. Mich kann keine Situation mehr be­ eindrucken. Ob ein Kunde aggressiv wird, ob der Bundespräsident rein­ kommt oder ein armer Schlucker, ich kann mit allem umgehen. Das weiß ich. Ich bin gelassener, ruhiger.“ Robnik sieht ihre Aufgabe als ­„Zusatzjoker“, als jemand, der Unter­ nehmen und Kunden verbindet, der eine solide Basis aus Verständnis und Vertrauen schafft – die Voraussetzung für erfolgreiches Business, gerade in dieser Branche. „Das hätte ich als Junge so nicht zusammengebracht.“ „Die Zukunft“, sagt Helga Robnik, „das ist die Kombination der Jüngeren und der Älteren.“

Ko m p lexe Pr o b le m lös u n g, kritis c h e s D e n ke n , K reati v it ät :

G e n a u in d e n

INNOVATOR

K E R N KO M P E T E N Z E N D E R Ä LT E R E N e nt s c h e i d e t sic h d e r

E R F O L G D E R Z U K U N F T.

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32,5 KM/H

Die Höchstgeschwindigkeit von Alexander Prass, einem zentralen Mittelfeld­ spieler der U18

1

HIER

SPIELT 56

DIE

ZUKUNFT

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1

SPIELFELD

Vier Basisstationen auf jeder Torseite sammeln über Funk die Positionsdaten der Spieler.

30 SPRINTS

Die Zahl der Sprints mit über 5,5 m/s, die Mittelstürmer Luka Reischl (U15) in einem Spiel zurücklegt

1285 METER

Die Anzahl der besonders intensiven Anlauf-, Highspeed-, und Abbremsmeter von Luka Reischl (U15) pro Spiel

DIE RED BULL AKADEMIE IN LIEFERING IST EINES DER FORTSCHRITTLICHSTEN AUSBILDUNGSZENTREN DER WELT. MIT EINEM UNERREICHTEN OUTPUT: NIRGENDWO SONST SCHAFFEN GERADE MEHR AKADEMIESPIELER DEN SPRUNG IN EUROPÄISCHE TOPBEWERBE. EIN EXKLUSIVER RUNDGANG DURCH DIE FUSSBALL-TALENTSCHMIEDE. FOTOS: GIAN PAUL LOZ Z A

TE XT: REINER K APELLER


3 2 1

1

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SCHNELLKRAFT

Das portable Sprint­ gerät „1080 Sprint“ errechnet den maxi­ malen Power-Output und weiß, welcher Fuß mehr Kraft auf den Boden bringt.

PROZENT

2

ZEITMESSUNG

Lichtschranken die­ nen zur Zwischen­ zeitmessung auf der 55-Meter-Laufbahn – zuerst alle fünf, dann alle zehn Meter.

Alexander hat seine Sprint­ leistung im letzten Jahr um sieben Prozent gesteigert, er läuft die 20 Meter in 3,02 Sekunden.

3

WIDERSTAND

Der Spieler rennt an einer Kordel gegen den Widerstand der Hightech-Seilwinde an – und zieht bis zu 80 Prozent seines Gewichts.

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0, 8

METER/SEKUNDE So schnell führen die Spieler bei einem geschwindigkeits­ basierten Training zehn Kniebeugen aus.

1

TOUCHSCREEN

Via Tablet können sich die Spieler ein­ loggen, ein perso­ nalisiertes Workout abrufen und ihre Leistung überprüfen. 2

VIDEOANALYSE

Zwei Infrarotkameras halten fest, mit wie vielen Metern pro Sekunde die Hantel­ stangen gezogen und gedrückt ­werden.

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INNOVATOR


M MAN HÄTTE SICH DIE ANNÄHERUNG AN DIE ZUKUNFT DES FUSSBALLS VIELLEICHT ETWAS WENIGER BESCHAULICH VORGESTELLT.

Zur Red Bull Akademie fährt man durch ein ländliches Idyll, eine von Bäumen gesäumte Landstraße entlang, links fließt die Saalach, ein wenig weiter rechts die Salzach. Am Ende der über einen Kilometer langen Straße liegt das 12.000 Quadratmeter große Gelände, auf dem 200 junge Fußballtalente aus sieben Nationen in acht Jugend- (U7 bis U14) und drei Akademiemannschaften (U15, U16, U18) arbeiten, von 120 hoch spezialisierten Mitarbeitern unterstützt, die von Trainingssteuerung bis Nachspeisenzubereitung sämtliche relevanten Bereiche professionell abdecken. Es ist ein europaweit einzigartiger und einzigartig erfolgreicher HightechKomplex mit sechs Fußballfeldern, Fußballhalle, Kraftkammer, Athletikraum und Motorikpark, mit Sensoren, die Tag und Nacht Daten sammeln, die auf Servern gespeichert und von Computerprogrammen aufbereitet werden. Fußball wird hier nicht auf dem Stand des Jahres 2019 gedacht, sondern der Jahre 2020, 2025 und darüber hinaus. Über dem Haupt­ eingang der erst im September 2014 eröffneten Akademie prangen die Buchstaben enter the next level. Und man hat hier allen Grund, selbstbewusst zu sein. 2017 gewann die U19 die UEFA Youth League, die Cham­ pions League der Vereinsnachwuchs­ teams – mit acht selbst geformten Akademie­spielern im Finale. 2018 erreichte der FC Red Bull Salzburg das UEFA Europa League-Halbfinale, mit sechs in der Akademie ausgebildeten Spielern in der Startformation. Nirgendwo sonst schaffen derzeit mehr Akademietalente den Sprung in Europas Topbewerbe. Regelmäßig kommen internationale Spitzenklubs in Liefering vorbei, zuletzt Vertreter aus Deutschlands und Spaniens Erster Liga. Was die Akademie vom Gros internationaler Nachwuchszentren unterscheidet? Die Dimensionen, die Ausstattung, das technische Know-how?

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„Die Spiel- und Ausbildungsphilo­ sophie“, sagt Manfred Pamminger, Geschäftsführer des FC Liefering. „Die ist bei uns in Stein gemeißelt. Jeder einzelne Trainer, jeder einzelne Mit­ arbeiter, jeder einzelne Spieler agiert nach dieser Idee. Das macht unseren Erfolg aus.“ Es ist das Pressing, Gegenpressing und schnelle Umschalten, das die Spieler verinnerlicht haben. Es ist die Leidenschaft, die auf dem Feld und abseits davon von jedem geteilt wird. Zum Leben erweckt wird diese Philosophie mit modernster Technologie. – Willkommen zum Rundgang durch die Zukunft des Fußballs.

STATION 1 DER ATHLETIKRAUM: VOLLE KRAFT VORAUS Sprint-Training? Selbst heute bei vielen Spitzenklubs immer noch eine Sache von mit Gewichten beladenen Schlitten, die Gewichte ungefähr ­geschätzt, und weil ein gleitender Schlitten weniger Widerstand leistet als ein stehender, wird Explosivität nur am Start effektiv trainiert. In Liefering läuft’s anders. Mit einem speziellen Sprint-Trainingsgerät, bei dem sich der Spieler einen Gürtel ums Becken schnallt, der über eine Kordel mit einer computergesteuerten Hightech-Seilwinde verbunden ist, und gegen einen exakt einstellbaren Widerstand anrennt. Der Trainer analysiert die Leistungskurve in Echtzeit am Laptop, weiß nach wenigen Läufen, bei welchem Widerstand der Spieler maximale Kraft erbringt, wann er seine Höchstgeschwindigkeit erreicht, wie lange er sie halten kann, und sogar, welcher Fuß mehr Kraft auf den Boden bringt. Die Daten dienen zum permanenten Feintuning des

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DAS SPIEL MIT DEN DATEN Ohne Daten geht im Fußball heute gar nichts mehr. In der ­Akademie werden sie ab der U15 systema­ tisch gesammelt. Und zwar in allen Bereichen: beim Athletiktraining, bei technischen und taktischen Einheiten am Platz, sogar bei kogni­ tiven Einzelübungen, etwa im SoccerBot360. Das schafft nicht nur Vergleichswerte für die eigene Leistung, sondern auch Benchmarks für ganze Jahrgänge. Und damit stets auch An­ haltspunkte, ob Spieler und Team den hohen Erwartungen entspre­ chen – oder sie sogar über­flügeln.

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DEUTLICH AUSDAUERNDER Wenn die Anstrengung für einen Sportler zu groß wird, dann „übersäuern“ seine Muskeln. Gemeint ist damit ein erhöhter Laktatwert im Blut. 2 Millimol/Liter (mmol/l) gilt als aerobe Schwelle, das ist der Bereich, in dem Sauer­ stoffzufuhr und -verbrauch etwa ausgeglichen sind. Im aneroben Bereich benötigen Muskeln mehr Sauerstoff, als der Körper zuführen kann. ­Alexander hat seine Geschwindigkeit in beiden Bereichen erhöht.

Alexander, 17, hat im Ausdauer­ bereich klar mess­ bare Fortschritte gemacht.

Mitte 2017

Anfang 2018

2 mmol/l

12,3 km/h

15,6 km/h

4 mmol/l

15,6 km/h

16,7 km/h

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BEIDBEINIG IM SOCCERBOT Luka arbeitet seit Oktober 2018 mit dem SoccerBot360 – einem Trainingsgerät zur Verbesserung der Ballmitnahme und Orientierung. Durch das Training hat er seine Trefferquote deutlich erhöht. Was noch wichtiger ist: Luka traf nicht nur öfter, er reduzierte gleichzeitig auch seine Ballhaltezeit. Und er passt jetzt öfter mit dem linken, seinem schwächeren Fuß. Das macht ihn zu einem kompletteren, vielseitigeren, besseren Fußballer.

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Den Seitfallzieher zeigt Luka, 15, mit rechts, seine Pässe spielt er beidbeinig.

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TREFFERQUOTE

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Rechter Fuß

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BEIDBEINIGKEIT

NOVEMBER

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OKTOBER

B INNOVATOR

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Trainings – und weil sie in einer Daten­ bank archiviert werden, dienen sie auch dazu, den Leistungsfortschritt eines Spielers über Jahre nachvoll­ ziehbar zu machen. Pamminger sieht in dem Gerät namens „1080 Sprint“ einen der Ecksteine des Akademie-Erfolgs. „Unsere Jungs müssen extrem schnellkräftig sein, darauf ist unser Spielsystem aus­ gelegt. Und im modernen Fußball sind 90 Prozent aller Sprints maximal 20 Meter lang.“ Manchmal laufen die Akademie-Spie­ ler schneller, als sie können: Denn die Seilwinde ist auch so einstellbar, dass sie der Kordel keinen Widerstand leis­ tet, sondern sie aufspult. Der Spieler, der in dem Fall auf die Winde zuläuft, wird von ihr gezogen, beschleunigt also – und gewöhnt die Beine an neue Höchstgeschwindigkeiten.

STATION 2 DER HIGH-TECHKRAFTRAUM: VIDEO-WORKOUT 2.0 Direkt neben der Laufbahn stehen 13 Arbeitsstationen für das Kraft­ training. Gewichtiger Unterschied zur herkömmlichen Muckibude: Der Spieler loggt sich über das Tablet ein, spult sein Programm ab und erhält Feedback von Computer oder Trainer. Denn auf jeder Station ist ein Computer montiert, der mittels Infra­ rotkameras und Tablet das Training überwacht, Daten sammelt und in ein Netzwerk speist. Der Clou: Athletik­ trainer können über eine Software im Büro – bei Bedarf natürlich sogar in Echtzeit – individuelle Workouts erstellen. Wenn der Trainer gerade keine Zeit hat, kann er das Video auch Stunden später am PC analysieren. Zusätzliches Feature: Der Spieler kann seine Leistung mit Teamkameraden im Raum vergleichen. Dafür tracken Infrarotkameras die Bewegung der Hantelstangen, zählen jede Wieder­ holung, messen die Leistung in Watt sowie Höchst- und Durchschnitts­ geschwindigkeit, mit der die Hantel­ stangen gezogen und gedrückt werden, in Metern pro Sekunde. Und liefern zugleich Antwort auf die Frage: Wer ist der Stärkste im Jahrgang? 62

STATION 3 ANTI-SCHWERKRAFTLAUFBAND: AUF DEM MOND TRAINIEREN Ein deftiges Tackling, eine unglück­ liche Drehung: Egal wie fit man ist, Verletzungen gehören zum Fußball. Spieler müssen lernen, damit um­ zugehen – und vor allem müssen sie lernen, so schnell wie möglich wieder fit zu werden. Dank dem AntiSchwerkraft-Laufband der Akademie gelingt das Comeback jetzt deutlich schneller. Denn mit dem ursprüng­ lich für Astronauten entwickelten Trainingsgerät können rekonvales­ zente Sportler schon früh wieder in die Vorbereitung einsteigen – sogar

ALEXANDER PRASS MITTELFELDSPIELER Alexander, 17, ist laufstark und verfügt über einen guten linken Fuß. Er ist zudem torgefährlich, erzielte im Herbst 2018 acht Treffer selbst und legte acht weitere auf.

88 Doppelzimmer gibt es im Internat der Akademie. Nicht im Bild: der herrliche Blick auf die Salzburger Berge


wenn sie das eigentlich noch gar nicht könnten. Pamminger: „Der Spieler trägt auf dem Laufband eine Hose, die luftdicht mit einer bis zur Hüfte reichenden Luftkammer abschließt. Ein Gebläse erzeugt darin Überdruck, was das Körpergewicht um bis zu 80 Prozent verringert.“ Eine Art Moonwalk, der den Spieler früh wieder an eine natürliche Laufbewegung gewöhnt und Regenerationstrainings im Wasser überflüssig macht. Denn mit Neigungssimulation bis 15 Grad, Rückwärtslauf-Programm und einer Höchstgeschwindigkeit von 19 km/h ist das „AlterG“ eindeutig die inno­ vativere Reha als gemächliches Wassertreten. Auch hier gibt es ein zusätzliches Feature: Ein integriertes Gang-Analysesystem trackt Schrittlänge und -frequenz sowie Gewichtsver­ teilung und zeigt Fehlstellungen an.

WA S W U R D E A U S D E N

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ERSTE LIGA

ZWEITE LIGA

DRITTE LIGA

Elf Absolventen spielen heute in der höchsten Klasse – neun davon in Österreich, je einer in Deutschland und Polen.

Sieben Jungtalente verdienen ihr Geld in Österreichs 2. Liga, etwa beim FC Liefering oder beim FC Juniors OÖ.

Ein Spieler des YouthLeague-Kaders beweist sich in der Regionalliga Ost, der dritten österreichischen Liga.

INNOVATOR

Wer sich die Trainingsstationen in der Akademie ansieht, stellt sich relativ früh eine Frage: Wird Fußball hier noch als Mannschafts- oder bereits als Einzelsport gesehen? Die Spieler trainieren auch nach individuellen Plänen, variieren Umfang und Intensität je nach Position, persönlichen Stärken, Schwächen und Trainingszielen. Und das gilt nicht nur in puncto Athletik, sondern mehr und mehr auch im Denken, im Auffassen und Lösen von Spielsituationen und im Treffen von Entscheidungen. Alex­ ander Schmalhofer, 32, Leiter Spielanalyse und Innovationsprojekte, widmet sich in der Akademie den Bereichen, für die es oft noch keine Vergleichswerte gibt. Sein neuestes Forschungsobjekt ist der SoccerBot360. Das Trainings-Tool steht im zweiten Stock der Akademie, 50 Meter vom Athletikraum entfernt.

STATION 4 DER SOCCERBOT360: FUSSBALL BEGINNT IM KOPF Der erste Gedanke im SoccerBot360: So geht Computerspielen in Über­ lebensgröße. Der zweite: Hier drinnen werden Athleten wieder zu Jungen, die den Ball gegen das Garagentor knallen. Im kreisförmigen Trainings­ gerät – zehn Meter Durchmesser, neunzig Quadratmeter Spielfeld –

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1 2

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PROZENT

Lukas Antizipations-Score beträgt 429 – und liegt damit um 28 Prozent über dem Team­ durchschnitt der U15.

1

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ORIENTIERUNG

360 Grad um den Spieler herum leuchten Fußballtore auf, die der Spieler mit Pässen treffen muss. 3

3

BEIDBEINIGKEIT

Die Software des SoccerBot360 analysiert, wie oft mit dem schwachen Fuß gepasst wird.

TREFFERQUOTE

Eine Highspeed-­ Kamera ermittelt, wie schnell, scharf und genau das Ziel getroffen wird.

macht man im Prinzip auch genau das, ­allerdings auf dem letzten Stand der Wissenschaft. Sechs Beamer projizieren Computerbilder an die Wand, zum Beispiel kleine Fußballtore, die der Spieler unter Zeitdruck mit Pässen treffen muss. „Die Jungs sollen schneller denken lernen, Prozesse verarbeiten und ihr Blickverhalten trainieren“, sagt Schmalhofer. Wie gut sie darin sind, trackt eine HighspeedKamera. Sie ermittelt, wie schnell, scharf und genau gepasst wird. Oder wie oft der schwache Fuß zum Zug kommt – denn eine hohe Trefferquote ist nur dann wirklich gut, wenn mit beiden Beinen annähernd gleich oft gepasst wird. Verblüffend: Gerenderte Spielszenen eines Trainings oder Matchs lassen sich an die Wand projizieren und nochmals erleben. So kann man dem Spieler in einer Art virtuellem Replay Pass- und Laufwege zeigen, die er zu­ vor übersehen hat. Die Positionsdaten für diese Big-Data-Berechnungen sammelt ein Local-Position-Measure­ ment-(LPM-)System, 100 Meter weiter im eigentlichen Herz der ­Akademie. 64

STATION 5 LPM INDOOR: BIG DATA IN DER GROSSEN HALLE Schlechtwetter? Kein Problem. Auf dem Kunstrasen der 6000 Quadrat­ meter großen Halle finden nicht nur Trainings- und Bewerbsspiele statt, hier sammelt auch ein LPM-System, das exakteste Sport-Tracking-System der Welt, über acht Basisstationen die Positionsdaten aller Spieler und des Balls auf dem Feld. Und das 25‑mal pro Sekunde. Wer schlecht im Überschlagen ist: Bei 22 Spielern plus Ball sind das in 90 Minuten über drei Millionen Rohdaten. Und die sitzen, denn das LPM-System ortet auf fünf bis zehn Zentimeter genau, ist damit einhundertmal präziser als GPS. Kombiniert man die Rohdaten, erhält man genaue Anlauf-, Highspeed- und Abbremsmeter der Spieler, aber auch technische und taktische Werte wie Passquoten und Ballbesitzzeiten. Selbst biometrische Daten können

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mit dem System gesammelt werden, etwa Herz- und Atemfrequenz oder die Hauttemperatur der Spieler. Be­ eindruckend. Aber, so Schmalhofer: „Ich kann noch so viele Daten haben, ohne Zusammenhang helfen sie mir nicht weiter.“ Daher veredeln, interpretieren, verknüpfen er und sein Team Daten auf dem Computer, gewinnen Schlüsse und stellen ihre ­Analysen den Trainern zur Verfügung.

STATION 6 DER PACKING-WERT: DIE VEREDELUNG DER DATEN Gibt es eine Erfolgsformel im Fuß­ ball? Bisher hat sie noch niemand gefunden. Aber Schmalhofer schraubt an Erfolgswahrscheinlichkeiten, etwa mit dem Packing-Wert, einem Indika­ tor für die Effizienz im Fußball, mit dem man misst, wie viele Gegenspieler mit einem Pass überspielt werden. Der Gedanke dahinter: Ein Fußballer, der – durch Pass oder Dribbling – ­viele Gegner überwindet, ist ein guter Spieler. Der Wert steigt, wenn der An­ greifer in Strafraumnähe ist oder dem Verteidiger den Ball durch die Beine schiebt. Auch die aktuelle Spielsitua­ tion wirkt sich aus. Packing wird seit der EM 2016 ziemlich gefeiert, ARDExperte Mehmet Scholl sprach sogar von einem „heiligen Gral“. Statistisch gesehen punktet das Team mit dem besseren Packing-Wert zu 86 Prozent. „Die Herausforderung ist es, Daten so zu veredeln, dass sie Trainer und Spieler interessieren und für sie ver­ ständlich sind.“ Das geht am besten mittels Videoanalyse, in der sich die Spieler wiedererkennen. Auch hier ist Big Data die Zukunft. Früher stu­ dierten Spielanalytiker den Gegner anhand von drei bis vier Spielen, kate­ gorisierten Torchancen oder Konter­ szenen in einem Video und stellten es dem Trainer zur Verfügung. Heute erledigt eine in Eigenregie entwickelte Software diesen Job. Dank künstlicher Intelligenz erkennt sie Spielszenen und lernt mit jedem Spiel dazu. Der Analytiker spart sich eineinhalb Ar­ beitstage beim Sichten des Materials – die er jetzt in Detailanalysen steckt.

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LUKA REISCHL STÜRMER

Luka, 15, ist schnell und körperlich sehr stark. Er arbeitet gut gegen den Ball und steuerte im Herbst 2018 in neun Spielen neun Tore und sechs Assists bei.

Wir sind am Ende unseres Rund­ gangs angelangt. Der Fußball, da ist sich Schmalhofer sicher, wird in den nächsten fünf Jahren noch flexibler, noch individueller, noch eigen­ verantwortlicher, noch anspruchs­ voller – und all das in körperlicher, technischer und mentaler Hinsicht. „Gewinnen wird, wer künftig die ­besseren Entscheidungen schneller treffen kann“, sagt er. „Und sie präzi­ ser umsetzt – in der 90. Minute eben­ so wie in der ersten.“

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IN N OVATO R

WIS SEN

HOW TO FOCUS

AUFGEZEICHNET VON ALARD VON KITTLITZ

E IN E A N L E I T U N G IN 18 S C H R I T T E N 66

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ARDYN NORDSTROM

Lärmende Kollegen, aufblinkende Push-Nachrichten, Mails im Minuten­ takt: Im Büro hoch konzen­t riert sein ist eine aussterbende Disziplin. Produktivitäts-Experte Chris Bailey erklärt, wie du sie bewahren kannst.


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Trenn dich endlich

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Kenne den Feind Studien ergeben, dass ein Mensch, der vor dem Rechner arbeitet und ein Smartphone neben sich liegen hat, alle 40 Sekunden von dem abgelenkt wird, was gerade zu tun ist. Das ist sehr oft – und das ist nicht gut. Wir brauchen nämlich in der Regel 25 Minuten, bis wir überhaupt so richtig in eine Aufgabe vertieft sind. Sei dir dessen bewusst. Du wirst ab­ gelenkt werden. Es ist nicht deine Schuld, dass du abgelenkt wirst. Aber du kannst ein paar Dinge tun, die dir dabei helfen, konzentriert zu bleiben. Denn tief in dir drin willst du natür­ lich vorwärtskommen – statt zum fünften Mal in einer Stunde deine ­Instagram-App zu checken.

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Mach’s wie die Mönche Das Arbeitsgedächtnis ist der Teil un­ seres Geistes, der aktiv Informationen prozessiert. Wenn du diesen Satz zu verstehen versuchst, dann tust du das mit dem Arbeitsgedächtnis. Es gibt kaum Möglichkeiten, den Speicher dieses Arbeitsgedächtnisses zu erwei­ tern – Meditation ist erwiesenermaßen eine davon. Sie kann die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses um bis zu 30 Prozent steigern – sodass du irgend­ wann Aufgaben bewältigen kannst, die deutlich komplexer sind. Ein gutes Arbeitsgedächtnis ist im Übrigen im­ stande, zu bemerken, wenn es abge­ lenkt ist – und folglich auch in der Lage, sich wieder schneller zu fokus­ sieren. Mein Tipp für Einsteiger: ge­ führte Meditationen. Gibt es auf You­ Tube oder als App (siehe Seite 69). Fünf Minuten täglich reichen.

Die allereinfachste und allerbeste Art, nicht abgelenkt zu sein, ist – du ahnst es bereits –, dich von deinem Handy zu trennen. Leg das Smartphone in ein anderes Zimmer. Lass es zu Hause. Es gibt nichts, was effektiver wäre.

DER EXPERTE

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Bändige die Apps Wenn dir das zu krass oder schier unmöglich erscheint, geh durch die Nachrichten-Einstellungen in deinem Telefon. Welche Apps müssen als Push-Nachrichten auf deinem Display erscheinen? Brauchst du wirklich Nachrichten von Snapchat? Überleg dir, was deine Aufmerksamkeit tat­ sächlich verdient.

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Alles auf Grau Stell dein Smartphone-Display auf Graustufen. Dadurch habe ich meine Bildschirmzeit halbiert. Wenn die ganze Farbe aus den Apps gewichen ist, wird alles auf dem Handy sofort weniger interessant. Dann ist die echte Welt bunter und spannender. Firmen wie Facebook testen dutzende Farb­ töne an Probanden, um das optimale Rot für den Hinweis auf neue Nach­ richten hinzukriegen. Farbpsycho­ logen wissen genau, wie sie deine Aufmerksamkeit erregen können.

Chris Bailey Autor

296 TED Talks in ­e iner Woche schauen, in Einsamkeit leben, täglich um 5.30 Uhr aufstehen: Chris ­B ailey ist besessen von der Frage, wie wir unsere Zeit am besten nutzen können – und er erprobt jede Stra­ tegie am eigenen Leib. 2016 kam sein Buch „The Produc­t ivity ­P roject“ heraus. Sein aktu­e lles Werk „Hyper­ focus“ erscheint Ende März auf Deutsch (Redline, 19,99 €).

➔ alifeofproductivity.com


dass uns das Projekt irgendwie einschüchtert. Mein Rat: Denk nach, was die nächsten konkreten Schritte sind, um dein Projekt voranzubringen. Wen musst du anrufen? Wer muss eine E‑Mail kriegen? Was muss da drin­ stehen? Welche konkreten Informatio­ nen brauchst du? In der Regel muss man bloß – step by step – regelmäßig die nächsten Schritte tun, damit ein Projekt vorwärtskommt.

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Kenne dein Dopamin Unser Gehirn mag Neues. Jedes Mal, wenn wir etwas Neues sehen – einen neuen Post, ein Nachrichten-Update, eine neue E-Mail –, kriegen wir einen kleinen Dopamin-Kick. Man kann richtig süchtig danach werden (und das nutzen die Social-Media-Konzerne nach allen Regeln der Kunst). Die Benachrichtigung von Twitter ist leider neuer als der Bericht, den dein Chef nächste Woche auf dem Schreibtisch haben will. Schon fängst du an zu prokrastinieren, du kriegst nicht hin, was du erledigen wolltest. Versuch, deine Umwelt so zu gestalten, dass möglichst wenig Neues an dich herankommt, wenn du dich gerade fokussieren willst.

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Gönn dir einen Bonus Die allerwenigsten Menschen machen gern ihre Steuererklärung. Wenn du eine Aufgabe vor dir herschiebst, weil sie, siehe oben, nichts Neues – und ergo kein Dopamin – verspricht, versüß sie dir. Lass dein Telefon zu Hause und setz dich in dein Lieblingscafé. Gönn dir deinen liebsten Drink. Oder bezahl dich: 50 Cent für jede Minute, die du an der Steuererklärung ar­ beitest – davon darfst du dir dann am Ende etwas wunderbar Unsinniges kaufen.

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Plane die nächsten Schritte Manchmal prokrastinieren wir sogar bei Projekten, auf die wir eigentlich Lust haben. Meist ist der Grund dafür, 68

Bring alles auf ein Blatt Papier Ein Problem an Smartphones und PCs ist, dass sie so viele verschiedene Dinge können. Mit Stift und Papier ist das anders: Die dienen zum Notieren, zu sonst nichts. Man kann auf dem Schreibblock nicht schnell zu Twitter springen. Wenn du dich auf eine Aufgabe konzentrieren musst, versuch es mit Stift und Papier. Oft schaffst du dann in 20 Minuten, was dich sonst eine Stunde gekostet hätte.

S T E L L D E IN S M A R T P H O N E-­ D I S P L AY AU F G R AU S T U F E N. DA D U R C H H A B E I C H M E INE BIL D S C HIR M Z E I T H A L BIE R T.

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Führe Attraktivitäts-Tabellen Betrachte deine Arbeit. Was machst du gewöhnlich an einem Arbeitstag? Sortier deine Aufgaben in ein Koordinatensystem ein: Auf der einen Achse steht unwichtig/wichtig, auf der anderen ­attraktiv/unattraktiv. Die besten Aufgaben sind natürlich die wichtigen und attraktiven. Für die machen wir in der Regel den Job. Die wichtigen und unattraktiven sind Dinge, die notwendig sind. Die unattraktiven und unwichtigen können hintan­stehen. Deine „Gegner“ sind aber die unwichtigen und attraktiven: die Gespräche mit den Kollegen, die Rauchpause, der Facebook-Account. Das sind die Sachen, die dich ablenken.

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Die Liste ist dein Freund Die gute alte To-do-Liste: Mein Kollege David Allen sagt, unser Kopf ist dazu gedacht, Ideen zu generieren, nicht, sie festzuhalten. Du willst in deinem

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DIE APPS

MI T S T IF T U N D PA P IE R S C H A F F S T D U IN 2 0 MIN U T E N, WA S D I C H A M P C E INE S T U ND E G E KO S T E T H ÄT T E .

In Sachen Kon­ zentration ist unser Smar tphone ein Problem. So machst du’s zur Lösung:

Kopf nicht ständig wiederholen, was du noch erledigen musst. Du brauchst deine Aufmerksamkeit für die Auf­ gabe, die du jetzt erledigen willst. Mach jeden Morgen eine Liste mit den Dingen, die du tun musst.

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Freedom Freedom macht dein Smartphone (oder deinen Computer) weniger interessant. Die App filtert Werbung und blockiert Websites, die dich ablenken. Immer, wenn ich einen Text schreibe, aktiviere ich als Erstes Freedom.

Mach den Morgen zum Abend Ich glaube an die Top 3. Ich stelle mir morgens vor, dass es schon Abend ist, und frage mich: Welche drei Dinge muss ich heute Abend erledigt haben, damit ich das Gefühl haben kann, dass der Tag mich weitergebracht hat? Auf meiner To-do-Liste steht auch Pflanzengießen. Aber das ist kein Top-3-Ding. Mach dir bewusst, was dir heute wichtig ist.

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Things Es gibt unendlich viele Apps für To-do-Listen. Meine liebste heißt Things. Sie ist einfach, intuitiv – und wurde, glaube ich, maßgeblich in Deutschland entwickelt!

FREEDOM, THINGS, HEADSPACE

Fixiere den Impuls Wenn du dich gerade auf eine be­ stimmte Aufgabe konzentrieren willst, was wird passieren? Richtig, du wirst abgelenkt werden. Alle 40 Sekunden. Leg dir einen Zettel neben deine eigentliche Arbeit, auf den du notierst, was dich ge­ rade ­ablenkt. SMS beantworten, auf ­Amazon nach einem Beamer ­schauen, Mama anrufen – statt dem Impuls zu folgen, schreibst du ihn auf. Wenn du mit der Aufgabe fertig bist oder eine Pause machen darfst, check die Ablenkungs-Liste und mach, ­worauf du Lust hast.

Headspace Für alle, die meditieren lernen wollen und nicht wissen, wie sie damit anfangen sollen. Meditation muss nichts Spirituelles sein. Sie ist einfach gut für unseren Kopf. Wir sollten alle meditieren.


DIE BÜCHER

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Optimier dein Multitasking „Getting Things Done“

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Musik ist Trumpf Es gibt für deine Konzentration nichts Besseres als einen ruhigen Ort. Wenn du in einer stillen Bibliothek arbeiten kannst, hör keine Musik: Die lenkt dich ab. An einem lauten Ort aber ist Musik dein Freund. Sie lenkt deutlich weniger ab als Gespräche und über­ tönt den Hintergrund. Am besten ist einfache, leise Musik, die du kennst. Ich selbst höre gern Klaviermusik. Manchmal aber auch stundenlang ­dasselbe Lied auf Repeat 1.

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Raus mit dir Sitzt du im Office an einem Schreib­ tisch, an dem es dir für deine Aufgabe ­eigentlich zu laut ist, geh woandershin. Setz dich in einen Meeting Room, der gerade nicht belegt ist. Geh heim oder in ein ruhiges Café. Das ist besser, als dich von den Ablenkungen des Um­ felds entnerven zu lassen. Wenn das nicht geht: Geräuschreduzierende Kopfhörer sind eine gute Investition.

von David Allen erklärt dir, wie du deine Ziele wirklich erreichbar gestalten kannst. Allen hat eine Methode ent­ wickelt, wie man effizienter und belastungsfreier – also produktiver – arbeiten kann.

„How Not to Die“ von Michael Greger bringt einem bei, wie man den Körper vernünftig ernährt – und da­ durch besser hinkriegen kann, was man hinkriegen will. Wenn dein Körper vernünftig ver­ sorgt ist, kannst du viel eher Leistung abrufen, als wenn es an Nährstoffen mangelt.

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Knips das Licht an Überleg gemeinsam mit deinem Chef, wie man auch im Großraum Möglich­ keiten fokussierter Arbeit schaffen kann – zum Beispiel Lampen auf dem Schreibtisch, die den Kollegen signa­ lisieren, dass man sich gerade auf ­etwas konzentrieren muss und nicht gestört werden will. 70

„Happiness Advantage“ Ein Buch, das sehr konkrete, belegbare Anweisungen gibt, wie man ein bisschen glück­ licher werden kann im Leben. Und glückliche Menschen per­ formen meist besser und sind produktiver und erfolgreicher.

Alles, was eine reine Routine und ­Gewohnheit ist – der Weg zum Café, das Wäschefalten, die Hausarbeit, die Fahrt ins Büro –, also alles, was du im Autopilot-Modus erledigen kannst, ist eine gute Gelegenheit, um nebenbei noch etwas anderes zu tun. Voraus­ gesetzt natürlich, es erfordert nicht die gleichen Sinne. Du kannst im Auto wunderbar den Podcast hören, auf dem Weg ins Café ein wichtiges Tele­ fonat erledigen, beim Wäsche­falten die Nachrichten sehen. Aber mach nie gleichzeitig zwei Sachen, die deine Aufmerksamkeit erfordern. Wenn du E-Mails abarbeitest und zugleich einen Podcast hörst, werden die E-Mails länger dauern und schlechter verfasst sein, und vom Podcast wirst du wenig bis nichts mitkriegen.

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Lass den Fokus von der Leine Am Schluss folgt der fast wichtigste Rat, den ich geben kann: Lerne, den Fokus loszulassen. Entspann dich. Sei nicht den ganzen Tag auf irgendwelche Sachen fokussiert. Geh lieber einmal ­laufen. Geh ohne Handy spazieren. Nimm ein Bad (ohne Radio, Fernseher oder Buch). Strick einen Schal. Lass deinen Verstand jedenfalls täglich ein wenig auf Wanderschaft gehen. Die besten Ideen, die wichtigsten Einfälle haben wir kaum je, wenn wir uns ge­ rade auf etwas zu konzentrieren ver­ suchen. Wenn wir uns auf nichts kon­ zentrieren, denken wir in der Regel 14-mal häufiger an unsere Ziele, als wenn wir uns konzentrieren. Wir den­ ken dann fast die Hälfte der Zeit an die Zukunft – wenn wir konzentriert sind, tun wir das so gut wie gar nicht. Ab und zu den Fokus zu verlieren be­ deutet nicht nur, dem Verstand eine Pause zu gönnen, sondern auch den Blick fürs große Ganze zu gewinnen. Und eins noch: Netflix ist auch Fokus. Mach täglich auch einmal nichts.

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VISIONEN FÜR MILLIONEN Von wenig Fachwissen und falschen Strategien zu zehn Millionen Kunden und drei Milliarden Euro Transaktionsvolumen: CEO Udo Müller über die Erfolgsstor y von paysafecard und die wichtigsten Lektionen, die du daraus ziehen kannst.

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Seite

INNOVATOR


Bring t seit n unm e hr 19 J ahren „ Bar geld fürs Inte rn et “ unte r die L e ute: U do M ülle r,

T E X T C H RIST I A N E B E R L E-A B AS O LO FOTO G R A F I E O L I V E R J ISZ DA

4 4 , CEO von pays afe c ard


Leidenschaft ist wichtiger als Eigentlich wollte Udo Müller nur drei Monate im neu gegründeten Start-up seines Bruders aushelfen – so lange, bis er seine Maschinen­ bau-Diplomprüfung abgeschlossen hätte. Heute, 19 Jahre später, ist er CEO der Firma. Und diese Firma kennt fast jeder: Sie heißt paysafecard. Das Wiener Unter­ nehmen bietet aktuell in knapp fünfzig Ländern unterschiedliche Modalitäten der Online-Zahlung an. Geht es nach Müller, sind es bald noch mehr: „Wir wollen ­allen Menschen das Einkaufen im Internet ermöglichen.“ Diese Vision zieht sich durch die Ge­ schichte der Firma – und hätte beinahe ihr Ende bedeutet. Im ­Interview spricht Udo Müller über den unschätzbaren Wert der Euphorie, den Sinn von Fehl­ entscheidungen und die wich­ tigste Säule der Innovations­ kultur – drei Lektionen eines kurven­reichen Erfolgsweges.

a

LEK TION 1 Leidenschaf t ist wichtiger als Fachwissen the red bulletin innovator: Ihre erste Aufgabe bei paysafe­ card war klassischer Vertrieb, also Webshops für die neue ­Zahlungsart zu finden. Nicht unbedingt etwas, was man im Maschinenbaustudium lernt? udo müller: In der Ausbildung zum Maschinenbautechniker ­bekommt man, wie bei vielen ­Studien, ein profundes Grund­ handwerk mit. Und mit der rich­ tigen Offenheit lässt sich das er­ staunlich gut auf andere Branchen umlegen.

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Know-how

lässt sich herunterbrechen. Was muss man machen, um einen Webshop zu überzeugen? Im End­ effekt geht es darum, für einen potenziellen Partner eine Lösung zu finden, die er braucht. Das Ziel ist also nicht, ihm etwas zu ver­ kaufen, sondern herauszufinden, von welchem unserer Angebote er am meisten profitieren kann. Das Maschinenbaustudium lehrt also Verkaufsstrategien? Ich würde sagen, es lehrt das strukturierte Denken. Es gibt nie nur einen Weg, sondern immer mehrere. Es gibt ein großes Ziel, aber es sind viele Schritte dorthin. Also muss man dieses Ziel struk­ turieren, es in kleine Aufgaben zerlegen. Das ist es, was ich in ­erster Linie gelernt habe. Würden Sie sich selbst als Quer­ einsteiger bezeichnen? Vor 19 Jahren waren wir alle Quereinsteiger. Wir hatten wenig Ahnung – weder vom Internet noch von den verschiedenen Zah­ lungsmöglichkeiten. Ich bin frisch vom Studium gekommen, und die anderen vier waren auch keine Internet-Gurus. Die hat es damals noch gar nicht gegeben. Mein Bruder Michael war Betriebswirt, die anderen Gründer – Armin ­Sageder, Michael Altrichter und Reinhard Eilmsteiner – waren Physiker. Wir hatten zwar eine gemeinsame Vision – nämlich Einkaufen im Internet ­allen zu ­ermöglichen –, aber kaum Fach­ wissen. Dafür umso mehr Mut, Euphorie, Spaß und eine große Bindung zueinander, um diese ­Vision zur Realität zu machen.

ALLES AUF EINE KARTE GESETZT

Von Online -PaymentPionieren zum euro ­ päischen Mark tführer: Meilensteine in der paysafecard- Geschichte

2000

2003

Vier Freunde – Armin Sageder, Michael Müller, Michael Alt­ richter und Reinhard Eilmsteiner – gründen in Wien paysafecard. Das Prinzip ihres „Bargelds fürs Internet“: an Tankstellen oder Kiosks ver­ triebene Wertkarten mit Zahlencode für den Online-Einkauf.

Nach dem Verlust wichtiger Partner in­ folge der geplatzten „Dotcom-Blase“ steht das Unternehmen vor dem Aus. Sag­ eder und Eilmsteiner verlassen paysafe­ card, viele Mitarbeiter und Geldgeber auch. Einzig Hannes An­ drosch und Willibald Dörflinger bleiben als Investoren an Bord und vertrauen der neuen Strategie – ­Fokus auf Österreich und Deutschland.

Wie zeigte sich das konkret? Webshop-Akquise per se ist natür­ lich nichts Technisches, aber sie INNOVATOR INNOVATOR


201 3

Launch von mypaysafecard, einem Kon­ to für die Verwaltung des durch Wertkarten erworbenen Gut­ habens. Die britische Skrill-Gruppe über­ nimmt 100 Prozent von paysafecard. Verkaufspreis: 140 Millionen Euro.

201 4

Verkaufschef Udo Müller übernimmt die paysafecard-Ge­ schäftsführung von seinem Bruder Mi­ chael. Im selben Jahr wird die paysafecard Mastercard einge­ führt: paysafecardKunden können die spezielle Kreditkarte mit Bargeld aufladen und wie eine übliche überall benutzen.

b LEK TION 2 Ein Rückschrit t ist nur eine Neuausrichtung

201 5 2008

2006

paysafecard erhält von der britischen Finanzmarktaufsicht die Lizenz zur EUweiten Ausgabe von elektronischem Geld und bietet ­diesen Service in ­sieben weiteren euro­ päischen Ländern an.

Break-even-Point. Udo Müller: „Das im Monatsbericht zu ­lesen war ein enorm schönes Erlebnis. Die Bestätigung, dass un­ ser Weg in die richtige Richtung führt.“ Im selben Jahr ex­ pandiert paysafecard nach Großbritannien, Griechenland, Spa­ nien, Slowenien und in die Slowakei.

paysafecard wird Teil der Paysafe Gruppe, die zwei Jahre später von CVC und Black­ stone um knapp 3,4 Milliarden Euro übernommen wird.

Das neueste Angebot heißt Paysafecash: Dabei erhält der Online-Käufer einen Barcode für den ge­ nauen Kaufpreis, den er binnen 24 Stunden bar in Tankstellen und Kiosks einlösen muss.

201 8

Zu Beginn hat sich das Unternehmen rasant entwickelt, ehe Sie dann 2003 von fünfzig auf sieben Mitarbeiter reduzieren mussten. Was ist passiert? Kurz gesagt: Viele Unternehmen, die unsere Partner hätten sein können, gab es nach dem Platzen der Internet-Blase plötzlich nicht mehr. Und wir waren schneller gewachsen als unser Umsatz. Also kam es 2003 zur Entscheidungsfrage: Wie machen wir ­weiter? Michi Altrichter, mein Bruder und ich haben dann eine Strategie festgelegt: Wir glauben weiter an das Produkt, aber wir müssen uns fokussieren, uns ­k leinere Ziele setzen, als Unternehmen schrumpfen. Was macht es mit einem persönlich, wenn man von fünfzig Mitarbeitern auf sieben schrumpft? Es ist eine Erleichterung.

„WAS 2003 PASSIERT IST? VIELE UNTERNEHMEN, DIE UNSERE PARTNER HÄTTEN SEIN KÖNNEN, GAB ES PLÖTZLICH NICHT MEHR.“

Wie bitte? Nicht falsch verstehen, aber die Reduktion war nicht so schlimm. Viel schlimmer war es, mit fünfzig Mitarbeitern im Büro zu sitzen und nicht zu wissen, ob wir diese im nächsten Monat noch bezahlen können. Das war extrem belastend, ein großer Druck. Für uns als Führungsabteilung, aber auch für mich in meiner Funktion als Verkäufer. Auf der einen Seite musst du verkaufen, um den Umsatz ­sicherzustellen. Auf der anderen


Seite hast du diese Ungewissheit, ob es das Unternehmen nächste Woche überhaupt noch gibt. Wenn man Zweifel hat, ist Ver­ kaufen sehr schwierig. Sie haben aber nicht nur sich selbst, sondern auch Investoren davon überzeugt, weiter an die Vision, an Ihr Produkt zu glau­ ben. Wie ist das gelungen? Mit nackten Zahlen. Das Wachstum war ja gegeben, wir hatten nur zu hohe Kosten. Es war die falsche Strategie für diese Zeit. Also haben wir das umgestellt: Downsizing, Fokus auf die Kernmärkte Österreich und Deutschland. So hatten wir eine für drei Jahre gesicherte Finanzierung und genug Zeit, gesund zu wachsen und den Investoren zu zeigen, dass ein Break-even möglich ist. Die monatlichen Werte waren dann fixe Zahlen – und keine ­Visionen mehr. Rettung durch Realismus so­ zusagen? Am Anfang, im Jahr 2000, war die große Vision wichtig, um alles zum Starten zu bringen. Drei Jahre später mussten wir auf Kosten­ effizienz schauen. Heute kann ich sagen, wir haben als Unternehmen jede Phase durchgemacht, die es gibt: von der euphorischen Gründung über die Nahezu-Insolvenz bis hin zu Break-even, schönem Wachstum, Verkauf und Börsennotierung. Jede Phase hat unterschiedliche Herausforderungen – man sollte halt immer zur rich­ tigen Zeit das Richtige machen. (Lacht.)

c LEK TION 3 Das Geheimnis für Dynamik heißt Stabilität Vom Projekt Ihres Bruders zum internationalen Unternehmen mit 200 Mitarbeitern – wann wurde Ihnen klar, dass paysafe­ card kein Start-up mehr ist? Den Punkt möchte ich eigentlich nie erreichen. Ich sage immer: Wir sind ein erwachsen gewordenes Start-up. Mit den Vorteilen eines Start-ups und den Vorteilen eines großen Konzerns, der Paysafe Gruppe. Um innovativ zu sein und am Markt mit neuen Produkten zu reüssieren, muss man die Startup-Bedingungen prolongieren und auch bei den Mitarbeitern ein Start-up-Mindset fördern. Hört sich wunderbar an. Aber wie geht das? Zunächst einmal durch Stabilität. Wir haben ein stabiles Management und ein stabiles Investorenteam. Insofern haben wir das ­Unternehmen homogen, nach­ haltig und langfristig aufbauen können. Das ermöglicht lang­ fristiges Planen. Und das schenkt auch den Mitarbeitern Vertrauen.

Das Geheimnis für Dynamik

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heißt Stabilität INNOVATOR INNOVATOR


„WENN MAN NICHT MIT 200 PROZENT AUF EIN NEUES PRODUKT FOKUSSIERT IST UND ALL SEINE ENERGIE HINEINSTECKT, WIRD ES NICHT FUNKTIONIEREN.“

Stabilität allein führt aber noch nicht zu Innovation. Aber sie ist die Basis dafür, dass agile Teams innerhalb des Unter­ nehmens an neuen Produkten ­arbeiten können. Mit dem nötigen Freiraum, sich voll der Idee zu widmen, Verrücktes auszupro­ bieren, Fehler zu machen. Denn wenn man nicht mit 200 Prozent auf ein neues Produkt fokussiert ist, euphorisch an die Sache ­herangeht und all seine Energie hineinsteckt, wird es nicht funktionieren. Birgt dieser Freiraum nicht die Gefahr, dass sich Dinge ­verselbständigen und eigen­ dynamisch in eine falsche ­Richtung entwickeln? Da sind ich und andere Personen des Führungsteams gefragt. Wir müssen die richtigen Mitarbeiter finden, die selbständig arbeiten können, die Querdenker sind, ­denen man aber gleichzeitig ver­ trauen kann. Und dann müssen wir schauen, wie sich das Team entwickelt, mit ihm eng zusam­ menarbeiten und es gegebenen­ falls steuern. Um erfolgreich zu sein, darf man kein Frühstücks­ direktor sein.

U do M ülle r setz t auf ­M an agement-St abilität: „ N ur so könn en die ­M it arb eite r Ve rrück te s ausp robie ren .“


1

T UB OLITO DER S CHL AUCH AUS DEM SM A RTPHONE

START ME UP

Chemiker Christian Lem­ bacher und Maschinenbau­ ingenieur Ákos Kertész haben eigentlich nach einem leich­ ten und robusten Stoff für Lautsprechermembranen in Smartphones geforscht. Beim Feierabendbier kam den bei­ den Hobby-Mountainbikern dann die Idee: Warum nicht dieses neue Material auch für Fahrradschläuche verwenden? Der Technologietransfer glückte. Mittels eines mittler­ weile patentierten Produk­ tionsverfahrens gelang es den beiden, aus thermoplastischen Elastomeren (Kunststoffen, die sich unter Wärmezufuhr verformen lassen) einen Fahr­ radschlauch herzustellen, der kaum Nahtstellen aufweist. Weitere Vorteile ihres Tubolito gegenüber gewöhnlichen Kau­ tschuk-Modellen: 65 Prozent leichter, doppelt so wider­ standsfähig, zwei Drittel kom­ pakter in eingerollter Form – und deutlich farbenfroher. tubolito.com

SCHMERZEN OHNE

MEDIKAMENTE LINDERN, WA S S E R S PA R E N , OHNE ES ZU MERKEN, UND DIE RECHNUNG OHNE DEN KELLNER ZAHLEN: DIESE ÖSTER­ REICHISCHEN UNTER­ NEHMEN MACHEN DEIN LEBEN LEICHTER. TEXT CLEMENS MARSCHALL

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Eingerollt passt der Schlauch in jede Hosentasche. Der Tubolito MTB, Größe 29 Zoll, wiegt gerade 85 Gramm.


GEORG WALLNER/FARGO CIRCLE

Einfach montiert: Schlauch leicht aufpumpen, in den Reifen legen, Reifen auf­ziehen, fertig aufpumpen


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Das AuriMod von SzeleSTIM bekämpft Schmerzen durch Elektrostimulation der Nerven im Ohr.

S ZEL E S T IM S CHMERZ , L A S S N ACH!

Eugenijus Kaniusas vom Institute of Electrodynamics, Microwave & Circuit Engineering der TU Wien, ist Co-Founder von SzeleSTIM.

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MATTHIAS MÜNZ

Es sieht aus wie ein Hörgerät älteren Semesters, hilft aber bei chronischen Leiden und sogar Entzündungen. Und das AuriMod von SzeleSTIM bekämpft Schmerzen ohne suchtgefährdende Opiate. Durch ­Elektrostimulation über winzige Nadeln (­ diese setzt ein Arzt) wird der Vagus­ nerv angeregt und durch Sig­ na­le ans Gehirn das Schmerz­ empfinden gestört. Die Tech­ nik gab es bereits, neu ist die App von SzeleSTIM zur indi­ viduellen Therapiesteuerung. „Bisher stimulierte man ohne Feedback“, erklärt Co-Foun­der Eugenijus Kaniusas, „was zu Über- oder Unterstimulation führen kann.“ Zur Erklärung: Wird zu viel stimuliert, kön­ nen Nervenenden ­ermüden; stimuliert man zu wenig, ist der Therapieeffekt zu gering. Kaniusas und seine Partner Stefan Kampusch und Jozsef Széles planen den Markt­ eintritt des AuriMod für 2020. szelestim.com


Peter Windischhofer, Kilian Kaminski und Jürgen Riedl reduzieren Elektroschrott – und deine Kosten.

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REFURBED HIGHTECH-­ GEBR AUCHTB ÖRSE

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Mit Schärfegrad 4 von 12 passt die „Classic BBQ Honey“Sauce perfekt zur netten Grillage.

REFURBED, FIRELAND FOODS

FIREL A ND FOODS DER SCH Ä RF S T E B AUER DE S L A NDE S

Richard Fohringer rechnet nicht in Euro, sondern in Scoville, der Einheit des Schärfegrads. Der Ernährungswissenschaftler ist Kopf Österreichs größter Chilimanufaktur und kultiviert hunderte verschiedene Chilisorten – von familienfreundlich bis höllisch scharf. Verarbeitet werden seine Chilis zu Grillsaucen, Pasten oder Gewürzmischungen – ganz ohne chemische Konservierungsstoffe, Farbstoffe oder sonstige künstliche Zusätze. Davon kann man sich täglich selbst überzeugen: In St. Pölten, wohin Fohringer­ aufgrund der steigenden Nachfrage nach seinen „Burnern“ gezogen ist, werden von April bis Oktober täglich Führungen angeboten. Und wer’s am eigenen Leib erfahren will: Das schärfste Früchtchen im Sortiment ist die getrocknete Carolina Reaper mit über 1,5 Millionen Scoville. fireland-foods.com

Fireland-Foods-CEO Richard Fohringer experimentiert ­unentwegt mit ­neuen Chilis und Rezepturen.

Manch gute Geschichte hat einen lästigen Anfang: Peter Windischhofer kaufte sich sein iPhone über eine Website für Gebrauchtwaren. Nach wenigen Wochen war das Gerät kaputt, Garantie gab es keine, der Ärger war groß. Doch damit war die Idee für refurbed geboren: ein O ­ nline-Marktplatz für general­überholte Handys, Laptops, Tablets und Co, ­denen man vertrauen kann. Mit seinen Co-Foundern Kilian Kaminski und Jürgen Riedl vertreibt Windischhofer seit 2017 Produkte mit gülti­ gen Software-Lizenzen um bis zu 40 Prozent günstiger als der Originalpreis. Ihre Qualität wird durch mehrstufige Tests sichergestellt. „Kunden können die Geräte dann 30 Tage kostenlos ausprobieren und bekommen mindestens ein Jahr Garantie“, so Kaminski. Am Slush Festival in Helsinki, dem größten Event für Start-ups, konnte refurbed im „Climate Impact Battle 2018“ den zweiten Platz erobern, denn nicht nur die Geldbörse wird geschont, sondern auch die Umwelt: Jährlich werden mehr als 50 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert, bei der Erneuerung von Produkten entfällt dieser weitgehend. refurbed.at

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Klein und oho: ­Zwischen Armatur und Dusch­ schlauch geschraubt, spart Ecoturbino 36 Prozent Wasser.

HOLO-LIGHT DIE M AUS VON MORGEN Stell dir vor, du kannst auf die Luft vor dir schreiben, so unkompliziert und präzise wie mit einem Stift. Das ist – sehr vereinfacht ausgedrückt – das Prinzip des Holo-Stylus von Holo-Light. Das fast vierzigköpfige Jungunternehmen aus Tirol entwickelt seit vier Jahren Software-Lösungen für Daten­ brillen und hat sich mit nutzerfreundlichen MixedReality-Anwendungen für die Industrie einen Namen gemacht. Der Holo-Stylus ist das erste selbst entwickelte Hardware-Produkt und soll die Kreationsmöglichkeit virtueller Inhalte revolutionieren. Zielgruppe des „upgegradeten Kugelschreibers“: Konstrukteure, Designer, Architekten oder Chirurgen. „Was die Maus für den Computer war, ist Holo-Stylus für Mixed Reality“, erklärt Alexander Werlberger, der Holo-Light gemeinsam mit Susanne Haspinger, Florian Haspinger und Luis Bollinger im Jahr 2015 gegründet hat. holo-light.com

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Florian Haspinger, Susanne Haspinger, Luis Bollinger und Alexander Werl­ berger verbinden mit ­ihren Produkten die virtuelle und die echte Welt.

Holo-Light bietet technische Lösungen für Datenbrillen (Smart Glasses).

6 ECOT URBINO WAS SERSPA REN LEICHT GEM ACHT

Ganz einfach beim Duschen Wasser sparen, ohne die Duschzeit oder den Wasserdruck zu verringern? Das Brauseset Ecoturbino von Rabmer GreenTech macht’s möglich. Und das lohnt sich. „Ein Drittel unseres Wasserverbrauchs geht allein beim Duschen drauf“, rechnet CEO Ulrike Rabmer-Koller vor. Herkömmliche Sparduschköpfe haben einen großen Nachteil: Weniger Wasser bedeutet hier zugleich auch weniger Duschkomfort. Doch Ecoturbino erzeugt mittels Luftansaugung und einer kleinen Turbine ein stark ver­wirbeltes WasserLuft-­Gemisch. Dadurch fühlt sich der Wasserstrahl gleich stark an, obwohl man rund 36 Prozent Wasser, Energie und damit auch entsprechende Kosten einspart. Weiterer positiver Neben­ effekt: Durch die starke Verwirbelung des Wassers bleiben Duschschlauch und Duschkopf weitgehend frei von Kalkund Schmutzablagerungen. ecoturbino.com

HOLOLIGHT, RABMER, ZIZOO

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ZIZOO NEUE UFER Der Gong im Zizoo-Büro ertönt – so wie jedes Mal, wenn ein Kunde einen Online-Mietvertrag von über 20.000 Euro unterschreibt. Ein Hollywood­ star hat sich gerade ein Boot gesichert. Aber es geht auch billiger. Was in anderen Branchen längst Alltag ist, steckt in der Bootsindustrie noch in den Kinderschuhen. „Die Bootsvermietung hat die Digitali­ sierung verschlafen“, sagt CEO Anna Banicevic. Sie hat die digitale Plattform Zizoo 2014 in Wien mitgegründet, um Bootsurlaube einer neuen Generation schmackhaft zu machen. Laut Banicevic sind die meisten Kunden zwischen 20 und 40 Jahren alt. Das Start-up arbeitet mit rund 1500 Charterunternehmen zusammen und hat mittlerweile mehr als 21.000 Boote, die an etwa 500 Standorten auf ihre Crew warten. Wer selbst kein erfahrener Kapitän ist, kann auch einen Skipper via Zizoo buchen. Ob Familienurlaub, romantischer Ausflug zu zweit oder eine Party auf hoher See, ob Segelschiff, Luxusyacht oder Sportboot: Bei Zizoo werden alle Stückeln gespielt. Weltweit gibt es beinahe 30 Millionen Boote, doch die werden oft nur wenige Tage im Jahr genutzt. Zizoo ist ­dabei, das zu ändern. zizoo.com

„85 Prozent unserer Kunden haben noch nie zuvor einen Bootsurlaub gebucht“, sagt CEO Anna Banicevic.

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Lacht der Smiley vom Display, ist das Wasser trinkbar – ohne unerwünschte Nebenwirkungen.

GE T SBY M ACHT JEDE S M A HL ZU FAS T FOOD

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Petar Iliev, Lukas Wittich und Michael Platzer saßen ohnehin mit Handys am Tisch. Warum also diese nicht gleich sinnvoll einsetzen?

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HELIOZ DER B E S TE TE S TER UNTER DER S ONNE

Das getsby-Prinzip: die Menükarte bequem auf der App studieren und direkt bestellen und zahlen

Vor Jahren bereiste HeliozGründer Martin Wesian Südamerika. Durch konta­ miniertes Wasser erkrankte er an Cholera. Und er war bei weitem nicht der Einzige, sondern mitten in einer Epide­ mie. Zehntausende Menschen starben. Wesian überlebte. Von da an suchte der Vor­ arlberger nach einer effekti­ ven Reinigungsmethode für verschmutztes Wasser – bis er die solare Wasserdesinfektion entdeckte: Sie benötigt weder Strom, Filter noch Chemika­ lien, sondern nur die Kraft der Sonne und eine PET-Flasche. Sein UV-Messgerät WADI (Wasserdesinfektion), das u. a. bereits in Kenia, Äthio­ pien und Indien eingesetzt wird, wurde von der WHO an­ erkannt. Man legt mit Wasser befüllte durchsichtige PETFlaschen so lange in die pralle Sonne, bis die UV-Strahlung das kontaminierte Wasser desinfiziert hat. WADI wird angedockt und zeigt an, wann die Trinkbarkeit erreicht ist. Genial einfach, einfach genial. helioz.org

Die Riegel-Riege: Manuel Zeller, Alexander Gänsdorfer, Patrick Kolomaznik und Adel Hafizovic

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GETSBY, HELIOZ, NEOH

Du sitzt im Café, checkst die Uhrzeit auf deinem Handy und solltest eigentlich schon im nächsten Meeting sein – dabei hast du noch nicht einmal gezahlt, und natürlich kein Kellner weit und breit. Ruhig Blut, denn mit getsby kannst du zahlen und gehen, wann immer du willst. Eine eigens entwickelte Schnittstelle verbindet die kostenlose App direkt mit der Registrierkasse des Partner­ restaurants. So kannst du selbst in Lokalen, die sonst keine Kartenzahlung akzep­ tieren, bargeldlos zahlen. Unterstützt wird getsby von sämtlichen gängigen elektro­ nischen Bezahlmethoden wie Kreditkarte, Sofortüber­ weisung und PayPal. Außerdem liefert die App die Menükarte aufs Smart­ phone, Speisen und Getränke lassen sich damit direkt or­ dern. Mit der Kommentar­ funktion kannst du Sonder­ wünsche (z. B. extrascharf, ohne Knoblauch) klar über­ mitteln. Alle Bestellungen sind inklusive Preis und Endsumme übersichtlich aufgelistet. gets.by


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NEOH NUR IM GE S CHM ACK EINE B OMBE

Manuel Zeller ist begeisterter Hobbyfußballer. Im Zuge der Meisterschaftsspiele tingelt er regelmäßig durchs Land. Nach dem Spiel braucht er Energie, die er sich oft bei der nächstgelegenen Tankstelle abholt: entweder mit einer als Schokoriegel getarnten Kalorien­bombe oder mit ei­ nem ungenießbaren Protein­ riegel. „Wieso gibt’s keinen Riegel, der gut und gesund ist?“, hat sich NEOH-Gründer Zeller gefragt und gemeinsam mit Alexander Gänsdorfer, Patrick Kolomaznik und Adel Hafizovic Antwort gesucht. Drei Jahre lange forschten sie an einer Rezeptur – das Ergebnis lässt sich nun sehen bzw. schmecken: Ihr Riegel be­ inhaltet gerade einmal 1 g Zu­ cker. Zum Vergleich: Ein klassi­ scher Schokoriegel hat 20–30 g Zucker. Mit nur 93 Kilokalo­ rien und einem Proteinanteil von 32 % ist der Riegel ein idealer Post-­Workout-­Snack – und außerdem: glutenfrei, ohne Aspartam, ohne Palmöl. Kurz: NEOH hat Kalorien und Zucker einen schmackhaften Riegel vorgeschoben. neoh.com

Schmeckt zwar so verlockend wie eine Kalorienbombe, der Zuckerschock bleibt aber aus.

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APP

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GUIDE

I N N O V AT O R

Insider-Infos und Events:

So nutzt du deine Zeit auf Tech-Festivals noch effizienter // Die Highlights von Pioneers’19, Fifteen Seconds Festival und Co // Prototyp im Check: eine Lampe zur Datenübertragung // Die Welt verändern mit Red Bull Amaphiko // Kolumne: die Zukunft der Elektroautos //

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DO IT

SAVE THE DATE MIT MAGGIE CHILDS

Die wichtigsten Events für alle, die über Trends und neue Technologien Bescheid wissen wollen. Hier findest du Termine, die du in den kommenden Wochen nicht verpassen solltest, und exklusive Tipps von je einem Experten aus der Start-up-Szene.

Die gebürtige New ­ orkerin ist Gründerin Y von Home Town Media, Chefredakteurin des Magazins „Metropole“ und Board Member der Austrian Startups. Auf Festivals wirst du sie am ehesten auf der Bühne sehen, wo sie als Speakerin oder ­Moderatorin glänzen wird. Bei uns stellt sie die wichtigsten Event-­ Termine vor und gibt zusätzliche Tipps. metropole.at

Es wird spannend, zu sehen, was sich bei ­Pioneers nach dem Verkauf an Startup300 verändern wird.

MAGGIE CHILDS

9 und 10. Mai Pioneers’19

Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Wie verändert Deep Tech unser Leben? In der Wiener Hofburg (Bild) dreht sich 2019 alles um diese drei Fragen. Antworten liefern den 2500 Teilnehmern u. a. Experten in künst­ licher Intelligenz, Blockchain und Quantencomputing. Hofburg, Wien; pioneers.io

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INNOVATOR


S A V E T H E D AT E

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bis 11. April 4Gamechangers Festival Unterhaltung oder Unter­ nehmer­tum? Dieses inter­ nationale Event (im Bild Bruce Dickinson von Iron Maiden, 2018) zeigt, dass beides geht: Firmen ­präsentieren ihre Innovations­programme,  Top-­Speaker neue Trends und Künstler spektakuläre Shows auf der Bühne.

Immer super inszeniert. Man sieht, dass hier Medien-­ menschen dahinterstehen.

Marx Halle, Wien; 4gamechangers.io

MAGGIE CHILDS

MEINE 3 EVENT - TIPPS

MARIAM AL-AYASH, PIONEERS, PROSIEBENSAT.1 PULS 4

„Nicht auf den ersten Blick sexy, aber urspannend“: Maggie Childs präsentiert drei Veranstaltungen, die du mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht kennst – und bei denen sie obendrein moderieren wird.

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März Business Summit „Auf diesem Event bekommst du Einblick darin, was in Vor­ arlberg passiert. Und das ist einiges. Es gibt Unternehmen, die als Teil der ‚Old Industry‘ als eher wenig attraktiv wahr­ genommen werden, aber Weltmarktführer in einer ­bestimmten Nische und un­ glaublich innovativ sind. Der Summit bringt Vertreter aus Wirtschaft und Industrie mit Studenten zusammen, und mit Richard David Precht oder Marie-Hélène Amets­reiter sind spannende KeynoteSpeaker am Start.“ Foyer der FH Vorarlberg, Dornbirn; fhv.at

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und 3. April Blockchain Summit „Hier geht es nicht nur um Kryptowährungen, sondern um die Frage: Wie kann Block­ chain-Technologie in ver­ schiedensten Bereichen sinn­ voll angewendet werden? Versicherungen oder medizi­ nische Einrichtungen wirken auf den ersten Blick nicht sehr sexy, aber in diesen Branchen könnte die Technologie wirk­ lich ‚disruptive‘ sein. Einige der Einsatzmöglichkeiten ­haben mich selbst überrascht. Noch checkt ja keiner so rich­ tig, wie man die Blockchain nutzen kann.“ Gösserhalle, Wien; block­ chainsummitaustria.com

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und 17. Mai Fluidtime Symposium „Ein interessanter Event auf Initiative der Firma Kapsch mit dem Schwerpunkt Mobi­ lität als Service. Das Sym­ posium findet schon seit ein paar Jahren statt und wurde zunehmend internationaler. Das heißt, du triffst dort ­Experten aus den Bereichen Raumplanung oder Verkehrsund Transportmanagement aus unterschiedlichen ­Ländern und kannst sie bei Po­diums­diskussionen, Kamin­­ gesprächen und in Work­ shops erleben. Spannend.“ Dachsaal der Urania, Wien; fluidtime.com

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DO IT

S A V E T H E D AT E

Viele Events bieten heute ein MatchingSystem an. Wichtig für alle, die Investoren, Partner oder Co-Founder suchen.

TIPPS FÜR DEINEN NÄCHSTEN EVENT - BESUCH „Erstelle im Vorfeld eine PrioListe. Darauf vermerkst du die drei Panels oder Speaker, die du unbedingt hören willst, sowie weitere drei, fünf oder sieben Programmpunkte. Je nachdem, wie viele Leute du kennenlernst, kannst du die Liste dann abarbeiten. So hast du immer etwas zu tun, auch wenn es mit dem Netzwerken nicht so gut klappt.“

Mir gefällt, dass das Festival den Fokus nicht nur auf die Technik, sondern auch auf die Kreativszene setzt.

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und 7. Juni Fifteen Seconds Festival

Speaker von 21st Century Fox, NASA oder Facebook vereint ein Ziel: deine Neugier für Technologien und neue Denkansätze zu wecken. Gelingt das, geht’s ab in den 15.000 m² großen ­interaktiven Ausstellungsbereich. Stadthalle, Graz; fifteenseconds.co

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Start-ups, aufgepasst! Mobility (20. 3., Klagenfurt), MedTech (28. 3., Graz) und Industry (3. 4., Linz) lauten die Sparten, in denen ihr euch noch für das Finale der #glaubandichChallenge am 4Gamechangers Festival (9. 4.) qualifizieren könnt. Anmeldung bis eine ­Woche vor den Events. glaubandich-challenge.at

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bis 19. Mai Young Entrepreneurs Conference Wenn sich Österreichs schlaueste Schüler treffen, steht nur ein Fach am Stundenplan: die Welt verändern. Highlight des Networking-Events: die Businessplan-Challenge am 18. Mai, bei der Jugendliche bis 19 ihre besten Ideen präsentieren. Deutschlandsberg; startupchallenge.at/yec19

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Juni Entrepreneur­ ship Avenue Conference Die Entrepreneurship Avenue unterstützt Studenten ver­ schiedener Unis auf ihrem Weg zum eigenen Business. Auf der Konferenz kannst du die NeoStart-ups beim Pitch erleben oder dich einfach von den ­Speakern inspirieren lassen. WU Wien; entrepreneurship avenue.com

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FIFTEEN SECONDS

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April #glaubandich challenge


PIONEERS.IO/PIONEERS19

M A Y 9 - 10 | H O F B U R G V I E N N A

WALK THE TALKS Wir verzichten auf Buzzwords. Wir sehen uns bei Pioneers '19. Get Your Ticket: pioneers.io/pioneers19


LABORBEFUND

DIESE LAMPE DENKT FÜR DICH Das Innovations-Labor Red Bull Media House Wingslab testet die draht­ lose Übertragung von ­Informationen – per Licht.

Die von Gall getesteten Lampen stammen vom französischen ­Unternehmen Oledcomm, das sich auf optischen Datentransfer, kurz LiFi (Light Fidelity), spezialisiert hat. „Sie können auf kurze Distanz schnell große Informations­ mengen übertragen.“ Konkret: 100 Megabit pro Sekunde – dreimal so viel wie mit dem gängigen Funk-WLAN-Netz. Und auch ­Uploads sind an der (vernetzten) Lampe möglich. Dafür wird am Laptop ein Adapter an­ge­bracht, der infrarotes, also für unsere Augen unsichtbares Licht zur Lampe ­sendet. Gall: „Und das Beste ist, man kann alle LED-Leuchten für LiFi-Technik nachrüsten.“

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DREI EINSATZGEBIETE FÜR DIE DATENLEUCHTE 1 S ICHERE BÜROT R ANSF ERS Highspeed-Übertragung ohne Elektrosmog und gut verschlüsselt: Nur wer sein Gerät ins Lichtfeld hält, kann die Daten empfangen. Gall: „Für Arbeits­plätze, an denen Datensicherheit eine große Rolle spielt, könnte LiFi eine Lösung sein.“

2 N EWS IM NOTFALL In der Pariser Métro läuft bereits ein Pilotprojekt. Direkt betroffene Passagiere werden in den Sta­tions­ beleuchtungen via LiFi über Störungen, Ausfälle oder Terror­warnungen informiert – auch wenn in der U-Bahn kein WLAN funktioniert.

3 S MAR T E AU TO S Der nächste Schritt Richtung „autonomes Fahren“ liegt für Gall auf der Hand: Abblendlicht, Bremslicht und Co werden nachgerüstet und übertragen so zwischen den Autos Informationen. „Alle Fahrer in einer Kolonne können so miteinander kommunizieren.“

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KLAUS PICHLER

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ampen leuchten. Das ist ihre Hauptaufgabe. Doch wie wäre es, wenn sie dir auch vertrauliche Nachrichten ­sicher aufs Handy schicken oder dich mit Infos ver­sorgen, falls in der U-Bahn das WLAN ausfällt? „LED-Technologie macht es möglich, mit Lampen auch Daten zu übertragen“, sagt Andi Gall, Chief Innovation Officer des Red Bull Media House und Chef des Wingslab. Wie? Indem sie mittels einer Abfolge von Licht und Dunkelheit in Sekundenbruchteilen einen binären Code generiert. „Im Prinzip Morse­zeichen, nur so schnell, dass unser Auge sie nicht mitbekommt, nicht mal ein Flackern.“ Emp­ fangen werden die Nachrichten über deine Handykamera. Sie kann die Daten lesen, sofern zuvor ein Software-Update installiert wurde.


I N N O V AT O R RED BUL L ­M EDIA HOUSE WINGSL AB

„DIE LAMPE FLACKERT IM PRINZIP STÄNDIG, WIE EIN ULTRA­ SCHNELLER MORSECODE, DEN UNSER AUGE NICHT WA HRNIMMT.“

Andi Gall, Chief In­no­ vation Officer des Red Bull Media House, prüft mit seinem Team neue Gadgets und sucht gemeinsam mit den Entwicklern nach Einsatzmöglich­ keiten. Ab sofort stellt er hier je einen Prototyp genauer vor. Über die Zukunft der Elektroautos liest du in Andi Galls Kolumne ab Seite 96.

DER SENDER Die Lampe sendet in Leuchtfrequenz codierte, ultraschnell generierte Daten. Eine Sichtverbindung zwischen Sender und Empfänger ist dabei Voraussetzung.

DER EMPFÄNGER Smartphone, Tablet oder Laptop (ausgestattet mit passender Software) verwandeln das hochfrequente Licht zurück in Daten.

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JOIN IT Red Bull AmaphikoEvent in Istanbul: Bei den regelmäßigen Treffen vernetzen sich junge Gründer.

Occus autendi que nullenimilla sequi dolupidelit miliqui te volorem facimus et ex

Profi-Starthilfe

DER CLUB DER WELT-VERBESSERER

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arkus und Philipp fertigen Minihäuser für Obdachlose. Fernanda und Julian stellen Mieträder für Kinder bereit, die sie bei Bedarf in größere umtauschen können. Und Michael sorgt mit seinem Team dafür, dass überschüssige Ware aus dem Handel bei Non-Profit-Organisationen landet statt im Müll. So unterschiedlich diese Jungunternehmer arbeiten, so ähnlich sind ihre Ziele: Sie alle wollen einen positiven Unterschied in unserer Gesellschaft bewirken. Die Gründer von Liberty.Home, United In Cycling oder der Fairmittlerei sind Teil des FellowshipProgramms von Red Bull Ama­ phiko – einem globalen Netzwerk,

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Zusammen stärker: Die Mit­ arbeiter der Startups VOI Fesch und unverschwendet designen Etiketten für Feinkost­ produkte.

das S ­ ocial Entrepreneurs dabei unterstützt, mit ihren Ideen die Welt zum Besseren zu verändern. Zum Angebot für die Jung­ unternehmer zählen Workshops (etwa zum Thema Storytelling), Treffen mit Coaches und Experten oder das Pflegen internationaler Kontakte. „Wir erhalten ein Rundumprogramm mit Tools, die unsere Arbeit erleichtern“, sagt Julian von United In Cycling seit sechs Monaten als „Fellow“ bei

Red Bull Amaphiko dabei. Die ­Fellows treffen sich regelmäßig und profitieren vom Austausch zu Themen wie Kunden-Akquise oder PR-Strategien. Das aktuelle Programm dauert noch bis Juli. Auch danach bleiben die Start-ups mit Red Bull Amaphiko verbunden – als Teil eines Netzwerks, das sich jährlich um neue Ideen erweitert. Vielleicht auch um deine? Wie du mitmachen kannst, liest du im Kasten rechts.

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NURI YILMAZER/RED BULL CONTENT POOL, FELIPE GABRIEL/RED BULL CONTENT POOL, PHILIPP BENEDIKT

Red Bull Amaphiko hilft jungen Gründern, soziale Start-ups und Ideen erfolgreich zu machen. Dein Projekt könnte das nächste sein.


RED BULL AMAPHIKO

„WIR PROFI TIEREN AUCH MENSCHLICH“

Hör auf die Natur „Beim Outdoor-Wochenende wurden uns Ana­ logien zwischen Klettern und Unternehmertum klar: Ein neuer Weg scheint nur zu schwer, bis du ihn nimmst und meisterst.“

Drei Start-ups, drei Erkenntnisse: was die Teilnehmer des Red Bull Amaphiko FellowshipProgramms für ihre Karriere mitnehmen.

Markus Hörmanseder Liberty.Home

Du bist nie allein „Die Workshops dienen auch dazu, von anderen Fellows zu lernen: etwa, wie sie an Firmen herantreten oder welche Erfahrung sie mit Social Media gemacht haben.“ Michael K. Reiter Die Fairmittlerei

Finde zu dir selbst „Eine Coaching-Session bei der Startup Factory Salzburg hat uns geholfen, unsere Identität zu klären. Die Frage war: Sollen wir Service ausgliedern und skalierbar machen oder nicht?“ Julian Walkowiak United In Cycling

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Mai bis 30. Juni: Bewirb dich für das neue Fellowship-Programm Gesucht werden Entrepreneure mit sozialem Engagement. Das Programm startet im ­September 2019 und bietet sechs Monate lang Workshops, Coachings und Zugang zum Red Bull Amaphiko-Netzwerk. Anmeldung und genaue Infos: redbull.com/amaphiko

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READ IT

ENERGYDRINK FÜR MEIN AUTO

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or einigen Tagen hatte ich mal wieder so einen verrückten Augenblick, als ich mit Studenten angeregt über erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit diskutierte. Weil ich an diesem Tag schon seit 4.30 Uhr unterwegs war, war ich froh, mein Lieblingsenergiegetränk bei der Hand zu haben. Als ich die Dose öffnete, las ich darauf eher unbewusst die seit vielen Jahren bekannte Botschaft „Vitalizes Body and Mind“.

Andreas Gall 54, spürt als Chief Innovation Officer im Red Bull Media House Neuerungen auf, die die Zukunft der Medien und der Consumer ­Technology gestalten.

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Und plötzlich war er da, der Geistesblitz – diese einzigartige Fähigkeit des Menschen. „Vitalisiere dein Elektroauto mit einer Flüssigkeit aus Wasser und ‚Sirup‘ – also energiereichen Inhaltsstoffen, die sich nicht verbrauchen, so wie das leider bei fossilen Brennstoffen der Fall ist“, hatte ich eher so nebenbei in die Diskussionsrunde gemurmelt, als sich eine weitere geniale menschliche Fähigkeit zeigte: „Mein“ Geistesblitz wurde plötzlich an 40 begeisterte, von der Diskussion auf­ geladene „Buddys“ übertragen. Irgend­

einer fragte: „Was wäre, wenn das wirklich funktionierte?“ Was dann passierte, konnte, nein, wollte ich nicht aufhalten. Computer und Smartphones wurden ­angeschaltet, und wir alle begannen, im ­Internet zu recherchieren. Innerhalb ­weniger Minuten kamen wir fast gleichzeitig auf die redox-flussbatterie.

Ich tanke frisches Wasser

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um ein Batteriesystem, das aus zwei Flüssigkeiten (hauptsächlich aus Wasser) besteht, die mit elektrisch unterschiedlich geladenen Teilchen (Ionen) versetzt sind. Diese Flüssigkeiten treffen sich an einer wasserundurchlässigen Membran, die aber für die Ionen durchlässig ist – somit kommt es beim Austausch zu einer chemischen Reaktion, wobei elektrische Energie frei wird. Da es sich um Flüssigkeiten handelt, kann man diese auch transportieren und sie (die „Elektrolyte“) zwischen den Aufladungsund Verbraucherstationen austauschen. Will heißen: Ich fahre in Zukunft mit ­meinem Elektroauto an die „Redox-Tankstelle“, dort wird der entladene Elektrolyt abgesaugt und sofort wieder mit frischem „Redox-Energy-Wasser“ vitalisiert. Sofort nach dem Tanken kann die Fahrt weitergehen. Besonders cool fanden wir alle, dass das verbrauchte Wasser an der Tankstelle wieder aufgeladen werden kann, z. B. mit Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft, aber natürlich auch beim Brems­ manöver oder bei der Talfahrt mit dem Elektroauto, wenn der Motor nicht gebraucht wird und zum Generator werden darf. Der Sirup des Redox-Fluss-Systems besteht vereinfacht ausgedrückt aus

INNOVATOR

MICHAEL PRESCHL

Einen Geistesblitz zu haben ist eine schöne Erfahrung. Und manchmal ist es noch viel schöner, dass ­andere ihn bereits vor dir hatten.


KOLUMNE

„DAS WILL HEISSEN: ICH FAHRE IN ZUKUNFT MIT MEINEM ELEKTROAUTO AN DIE REDOXTA NKSTELLE .“

IMPRESSUM

THE RED BULLETIN INNOVATOR Österreich, ISSN 1995-8838 Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Redakteure Marc Baumann, Jakob Hübner, Alexander Lisetz, Reiner Kapeller, Johannes Kornacher, Simon Schreyer, Stefan Wagner, Wolfgang Wieser Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Antonia Uhlig Illustrationen Johannes Lang Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas Global Project Management Melissa Stutz Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz Head of Publishing Development und Product Management Stefan Ebner

­ alzen auf Metallbasis, die im Wasser ge­ S löst sind und in Zukunft vielleicht sogar durch organische Aktivmaterialien im ­Sirup ersetzt werden können, die für ­Umwelt und Mensch nicht toxisch sind.

Die Vision wird zur Mission

Die größte Überraschung kommt zum Schluss – zumindest war das bei meinen Studenten, meinen Kollegen und mir der Fall: Es gibt sogar bereits einen Elektro­ auto-Prototyp der Firma nanoFlowcell, der in Europa entwickelt wurde und von Redox-Flussbatterien „vitalisiert“ wird. Unsere Vision – „Vitalisiere ein Elektro­ auto mit einer Flüssigkeit aus Wasser und ‚Sirup‘, also energiereichen Inhaltsstoffen, wie in einem Energiegetränk, die sich nicht verbrauchen“ – ist bereits in einigen Köpfen der Wissenschaft und bei Startups zur ökologischen und nachhaltigen Mission geworden. Flow-Batterien sind meiner Auffassung nach die Batterietechnologie mit dem größten Potenzial für eine nachhaltige (ökologisch bessere) Zukunft! Ja, es gibt noch viel zu tun, aber das Schöne am menschlichen Leben ist doch gerade, dass es uns immer wieder gelingt, durch Be­ geisterung, Motivation und Inspiration Lösungen zu finden, die unsere Welt ­wieder ein bisschen mehr in die richtige Richtung bewegen …

Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo Country Project Management Melissa Stutz Sales Director Alfred Vrej Minassian Sales Project Management Stefanie Krallinger Digital Sales Bernhard Schmied Media Sales Gerald Daum, Vanessa Elwitschger, Franz Fellner, Mario Filipovic, Thomas Hutterer, Franz Kaiser, Alexander Kopellos, Christopher Miesbauer, Nicole Okasek-Lang, Valentina Pierer, Jennifer Sabejew, Phillip Schleussner, Elisabeth Staber, Johannes Wahrmann-Schär anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg

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Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum

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Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, ­ Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Herstellung Veronika Felder Office Management Yvonne Tremmel (Ltg.), Alexander Peham MIT Experte Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus ­Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), ­Yoldaş Yarar, Victoria Schwärzler (Abo)

THE RED BULLETIN INNOVATOR Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Country Project Management Natascha Djodat Anzeigenverkauf Matej Anusic, matej.anusic@redbull.com Thomas Keihl, thomas.keihl@redbull.com

General Manager und Publisher Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com

THE RED BULLETIN INNOVATOR Schweiz, ISSN 2308-5886

Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700

Country Project Management Melissa Stutz

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

Abo- und Leserservice abo@ch.redbulletin.com

Länderredaktion Arek Piatek

Anzeigenverkauf Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com

Die Inhalte der Seiten 16 und 22 e­ nt­standen mit finanzieller Unterstützung des Bundes­ ministeriums für Verkehr, Innovation und ­Techno­logie, in redaktioneller Unabhängigkeit. INNOVATOR

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TECH-HIGHLIGHT

„WENN WIR NICHT MEHR IN DIE ZUKUNFT INVESTIEREN, GEHEN WIR UNTER.“  Daan Roosegaarde

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Amsterdam unter Wasser Was auf den ersten Blick so schön wirkt, ist ein Mahnmal gegen politische Untätig­ keit in Zeiten globaler Erwärmung. Die ­Installation „Waterlicht“ des holländischen Künstlers Daan Roosegaarde zeigt, welche Folgen der steigende Wasserpegel der Weltmeere haben kann. Realisiert wurde die künstliche Flut mit motorgesteuerten blauen Leuchtdioden, Linsen zur Licht­ bündelung und Kunstnebel. Startpunkt des tourenden Kunstwerks war Amsterdam, das an manchen Stellen bis zu sechs Meter unter dem Meeresspiegel liegt – und nur durch künstliche Deiche und Dämme vor Überschwemmungen geschützt wird. Mehr Infos: studioroosegaarde.net

INNOVATOR

WATERLICHT BY STUDIO ROOSEGAARDE

Land unter: Die LightShow vor dem Amster­ damer Rijksmuseum symbolisiert ein Hochwasser und mahnt vor den Folgen globaler Erwärmung.


RED BULL MIT DEM GESCHMACK VON KOKOS-BLAUBEERE.

BELEBT GEIST UND KÖRPER®.


presents

ELECTRONIC BASED SYSTEMS CONFERENCE

25. - 27. März 2019 MESSE CONGRESS GRAZ

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