INNOVATOR by The Red Bulletin CH 2019 #1

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Start-up-Newcomer

Science of Soccer

Ein Blick auf Europas modernste Fussball-Akademie

Bleib fokussiert!

16 Tipps gegen Ablenkung im Alltag und im Büro

THE RED BULLETIN INNOVATOR 01/2019

7 wegweisende Business-Ideen aus der Schweiz

01/19

AUSGABE SCHWEIZ CHF 7

Car Special

MOBILITÄT FÜR MORGEN

SMART, VERNETZT UND RECYCELBAR. PLUS: 5 Schweizer E-Car-Pioniere

Swiss Made

Dazu sicher, sauber und cool. Wie die Autos der Zukunft unser Leben verbessern.

65% weniger Energie­ verbrauch als die Konkurrenz

Der ultrakleine Elektro-Stadtflitzer INNOVATION UNLOCKED

MICROLINO


SPORTSFREUND

New KAROQ SportLine Dieser kraftvolle Kompakt-SUV ist der perfekte Begleiter für all Ihre Aktivitäten und begeistert mit sportlichem Design, 19"-Leichtmetallfelgen, intelligentem 4x4, virtuellem Cockpit und umfassender Konnektivität. Entdecken Sie den KAROQ SportLine jetzt auf einer Probefahrt: Sie werden es lieben, ihn zu fahren. ŠKODA. Made for Switzerland.


EDITORIAL CONTRIBUTORS

Zita Luiten In einem solarbetriebenen Plastik­ auto zum Südpol? Fotografin Zita Luiten dokumentierte die ungewöhnliche Reise eines niederländischen Wissenschafter-­ Ehepaars auf ihrer Mission für Nachhaltigkeit. Ihre gross­artigen Bilder auf S EIT E 28

MICROLINO AG, SHUTTERSTOCK (COVER)

Stefan Wagner Unser Autor widmet sich dem weltweiten Megatrend «Silver Society» – und zeigt mithilfe der Wissenschaft auf, wieso wir länger, gesünder und glücklicher leben und warum uns ein hohes Alter produktiver macht. Ausserdem erklärt Wagners Story «Die Neuen Alten», wie Konzerne von den Skills der Rentner-Generation profitieren können. S EIT E 7 2

I N N O V AT O R

Fokus auf Zukunft Das Auto von morgen fährt mit umweltfreund­ lichen Batterien, ist recycelbar und unterhält dich während der Fahrt und im Stau. Das Auto von morgen erledigt sogar deine Bürojobs. Und es sieht Dinge im Verkehr, die dein Auge nie sehen würde. All dies sind keine Utopien aus der Welt der E-Mobility, sondern konkrete Entwürfe, die in der Realisierungsphase stecken. In unserer Coverstory präsentieren wir elf Jungunternehmen, die das Potenzial haben, unseren Verkehr zu revolutionieren: Vergiss alles, was du über Autos weisst, Seite 48. Lärm im Grossraumbüro, Handyläuten, E-Mails im Sekundentakt – nur wenige von uns sind in der Lage, sich vor Ablenkungen im Arbeitsalltag wirklich zu schützen. Abhilfe findet sich in ­un­serer Story How to Focus von Gastautorin Viola Heller. Die Schweizer Transformations-Expertin erklärt anhand 16 kurzer Tipps, wie man im ­A lltagswahnsinn hoch konzentriert bleibt: «Ver­ giss Multitasking», «Nerve die anderen», und «Automatisiere Automatisierbares». Seite 84. Viel Spass beim Lesen! Die Redaktion

INNOVATOR

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INHALT BULLEVARD 8 16 18 10 20 12 14 Das Schiff der Zukunft

Dank Sonne, WInd und Wasserstoff emissionsfrei um die Welt.

Gute Schwingung

Gläserne Fliege Dieser Forscher macht Alzheimer-Patienten Hoffnung.

Aroma-Revolution

Diese Hightech-Liege folgt deiner Atmung.

Zwei Forscher lassen uns Essen länger geniessen. Mithilfe von Fett.

Sechster Finger

Modernes Gleiten

Projekt mit Prothese: was ein weiterer Finger für uns bedeutet.

Werden IonenwindAntriebe die Zukunft des Fliegens verändern?

Kraftwerk für die Steckdose

Sonnenstrom für alle – so funktioniert Solmate.

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START Summit

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Save the Date

S P EC I A L E V E N T

Feiern und Business machen am StudentenFestival in St. Gallen. EVENTS

Die innovativsten Schweizer Events der nächsten Wochen.

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Energie tanken

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VR-Heimtrainer

KO L U M N E

Innovations-Experte Andi Gall über die Zukunft der Elektroautos. T EC H - H I G H L I G H T

Am Bike-Simulator trainierst du daheim Kurvenlage – und deine Fitness.

INNOVATOR

ZITA LUITEN

GUIDE


28 REPORTAGE

Volle Sonnenkraft voraus

Mit dem Solarauto zum Südpol – ein eisiger Extrem-Trip, der uns wachrütteln soll.

INNOVATOR

I N N O V AT O R

FEATURES

22 40 46 48 62 72 78 84

S O CI A L EN T R EP R EN EU RS H I P

Innovationen gegen Hunger Um die ganze Menschheit zu ernähren, brauchen wir neue Ideen – UN-Expertin Nina Schröder stellt uns zehn vor.

P RO D U K T-T I P P S

Geniale Garten-Gadgets Pflanzenkapseln, smartes Giessen, Mähroboter und mehr Technik fürs Grüne.

M EI N S TA R T- U P- M O M EN T

Kreativität aus Langeweile Wie Eric Min und Jon Mayfield von Zwift das Indoor-Radtraining revolutionierten.

C OV ERS TO RY

So fahren wir in der Zukunft Umweltfreundlich, smart, platzsparend, sicher und mega-praktisch: Wir zeigen, was die Autos von morgen draufhaben.

H I G H - EN D -S P O R T

Wissenschaft des Fussballs Ein Rundgang durch die Red Bull Akademie in Österreich.

E S SAY

Silver Society Älter, glücklicher, gesünder, produktiver. Warum die Generation 60 plus für Arbeitgeber attraktiv wird.

S TA R T- U P-S T R EC K E

Blick in die Zukunft Hier kommen die innovativsten Schweizer Jungunternehmer.

S ERV I C E

So bleibst du fokussiert Produktivitäts-Expertin Viola Heller gibt Tipps gegen Ablenkungen des Alltags.

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I N N O V AT O R

Emissionsfreie Schiffe, geräusch­ lose Flugzeuge und durchsichtige Fliegen für die Hirnforschung – bahnbrechende wissenschaftliche Er­rungenschaften aus aller Welt.

BULLEVARD

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

KLAR ZUR WENDE!

Der Katamaran «Energy Observer» fährt mit Wind, Sonne und Wasserstoff um die Welt. Autonom und emissionsfrei. Und braucht keine Tankstelle.

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Oben: Ein Spezialkran führt den Katamaran aus dem Hangar. Unten: der 13 Meter breite «Energy Observer» auf See

Im Inneren der 30-TonnenSchönheit wird dieser Energie­ mix autonom in Strom um­ gewandelt. Der Wasserstoff für die Brennstoffzelle wird an Bord hergestellt: Ein Elektrolyseur spaltet das Meerwasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer wird dann als komprimiertes Gas in Tanks gespeichert und betreibt die Brennstoffzelle. Am 14. April 2017 lief der «Energy Observer» in SaintMalo vom Stapel. Im Juni ­brachen die beiden Abenteurer dann zu ihrer sechsjährigen Weltreise auf. Als Botschafter der Energiewende wollen sie bis zum Jahr 2023 fünfzig Länder anlaufen. Vorbild des Projekts ist das Elektroflugzeug «Solar Impulse 2» der Schweizer Bertrand Piccard und André Borschberg. Sie hatten mit ihrem solarbetriebenen Flieger die Welt umrundet. «Wir sind die ‹Solar Impulse› des Meeres», ist Delafosse überzeugt. «Es gibt kein Wundermittel gegen den Klimawandel. Wir müssen verschiedene ­Lösungen kombinieren.» energy-observer.org

JÉRÔME DEL AFOSSE P R O F I TAU C H E R AU T O R , F I L M E R

Jérômes Hauptinteresse gilt den Haien, mit denen er im Jahr 2015 für seinen Film «Sharks of Wrath» unter Grönlands Eisbergen tauchte.

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ENERGY OBSERVER/ANTOINE DRANCEY, ENERGY OBSERVER//JEREMY BIDON JOHANNES KORNACHER JOHANNES LANG

E- MOBILIT Y

Eigentlich fühlt sich der französische Meeresforscher und Tiefseefilmer Jérôme Delafosse unter Wasser am wohlsten. Seine Tauchfilme, vorzugsweise auf Tuchfühlung mit gewaltigen Haien, zählen zu den beeindruckendsten ­ihrer Art. Doch aktuell sucht der 46-Jährige das Abenteuer an der Oberfläche der Weltmeere: Mit dem Katamaran «Energy Observer» will er beweisen, dass die Energiewende schon heute machbar ist. Das Hightech-Schiff, ein umgebauter Renn-Katamaran, stammt aus Kanada. 1985 gewann es unter dem Namen «Enza New Zealand» die Jules Verne Trophy für die schnellste Segelumrundung der Welt. Delafosse und sein Partner Victorien Erussard, ein mit ­allen Wassern gewaschener Rennsegler, kauften die «Enza» für eine halbe Million Euro. In der Werft ihrer Heimatstadt Saint-Malo in der Bretagne wurde der Rekordrenner für schlanke 4,7 Millionen Euro in ein energieautonomes «Schiff der Zukunft» umgebaut. Fast vier Jahre dauerte diese Metamorphose. Eine 50-MannCrew aus Technikern und ­Ingenieuren streckte den Doppelrümpfer von 24,4 Meter Länge auf 30,5 Meter. Statt Mast und Segel verpassten sie ihm zwei 41-Kilowatt-Elektromotoren, die mehrere Energie­ quellen speisen: zwei senkrechte Windturbinen, Solarmodule mit 130 Quadratmeter Fläche, deren Energie in 400-Volt-Batterien gespeichert wird, ein Brennstoffzellensystem und ein Lenkdrachen. Der Letztgenannte reduziert bei geeignetem Wind den Energiebedarf der Motoren, die dann umschalten und Strom aus Wasserkraft erzeugen.


I N N O V AT O R

130 Quadratmeter Solarfläche erzeugen den Strom für den kurzfristigen Bedarf.

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

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JOHANNES LANG

Der österreichische Mentalcoach Roland Bachstein hat eine Liege erfunden, die durch den eigenen Atem betrieben wird – und deine mentale und physische Power stärkt.

WOLFGANG WIESER

BESCHWINGT ZU NEUEN KRÄFTEN

LOUNGE8/UDO MITTELBERGER

B O D Y  A N D M I N D

Keine Batterie. Kein ­Stecker. Kein Motor: ­Angetrieben wird die lounge8Schwingliege von einem verblüffend simplen Prinzip: dem eigenen Atem. Genauer: Wer auf der lounge8 Platz nimmt und dabei ganz normal einund ausatmet, versetzt das Möbel in sanfte Schwingung. Und zwar in eine, die bei ruhiger Atmung eine verstärkte Gehirnaktivität im 8-HertzBereich auslöst. Dieser Wert markiert die Grenze zwischen dem Übergang vom Bewusstsein zum Unterbewusstsein. Oder wie Roland, Erfinder der lounge8, sagt: «Das ist eine satte Entspannung. Da bist du noch nicht weg, fühlst dich aber ­gelöst und ruhst in dir. Allein mittels der Frequenz der ­eigenen Atmung gelangst du in einen quasi-meditativen Zustand, entspannst dein Gehirn und steigerst letztlich deine Leistungsfähigkeit.» Die Idee zur lounge8 kam dem Mentalcoach, Jahrgang 1964, bei einer Zugfahrt von Feldkirch in Vorarlberg nach Wien. Dabei bemerkte er, dass ihn das gleichmässige Ruckeln der Bahn so entspannte, dass er gar nicht anders konnte, als seinen Laptop wieder zuzuklappen. Bis zur Serienreife der Schwingliege sollte es allerdings dauern. Versuch Nr. 1 führte Bachstein in einen Baumarkt. Dort erstand er eine simple Liege und liess sich von einem Schlosser Flacheisen anschweissen. «Das Material

war viel zu hart», erinnert er sich. Versuch Nr. 2 scheiterte, weil sich die Edelstahlkufen unter dem Gewicht eines 120-Kilo-Testers verformten. Es folgten Nr. 3, 4 und 5 … Konstrukteur Gerald Possarnig und Industriedesigner Lukas Vonarburg brachten schliesslich den Durchbruch: Heute besteht lounge8 (Masse: 190 × 64 × 88 Zentimeter) aus einem Alu-Rahmen, einer Polsterung mit integriertem Lattenrost und einem patentierten Unterbau mit zwei Cförmigen Kufen. Erste Exem­ plare sind seit dem Vorjahr in Kliniken und Suchtzentren in Betrieb, vereinzelt stehen sie auch in den Praxen von Psychotherapeuten. Mit der zweiten Serie will Bachstein auch international reüssieren. Info: lounge8.com

INNOVATOR


I N N O V AT O R

«DIE SCHWINGLIEGE ENTSPANNT DEIN GEHIRN UND STEIGERT DEINE LEISTUNGSFÄHIGKEIT.» Mentalcoach Roland Bachstein auf seiner ­Erfindung, der Schwing­ liege lounge8, die dich in einen quasi-meditativen ­Zustand versetzt

INNOVATOR

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I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

Der zusätzliche Daumen ist ein Spiegelbild seines Gegenübers. Gesteuert wird er über Sensoren in den Schuhen.

ROBOTICS

EXTRADAUMEN HOCH!

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DANI CLODE P R O D U K T­ DESIGNERIN

Dani Clode stammt aus Neuseeland. Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte sie in London diese besondere Prothese.

sensoren eingebaut, die gleich unter den grossen Zehen ­liegen. Diese Sensoren übertragen das Signal an den Finger per Bluetooth. Vereinfacht lässt sich sagen: Übt die Zehe Druck aus, beugt sich der zusätzliche Daumen. Das Ganze funktioniert wie ein Zug­ system, ähnlich dem einer Fahrradbremse. Aktuell arbeitet die Produktdesignerin mit Neurowissenschaftlern des University College London zusammen. Die Frage, die geklärt werden soll: Was verändert sich in ­unserem Gehirn, wenn wir plötzlich über ein Körperteil mehr verfügen können? daniclodedesign.com

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

reagieren alle Probanden erst verblüfft, lachen, scheinen Unsicherheiten aber rasch abzulegen: «Es ist eine einzigartige Erfahrung», sagt Dani Clode. Entwickelt hat die Neuseeländerin die Prothese für ihre Masterarbeit in Produktdesign am Royal College of Art in London. Und ihr System kann sich sehen lassen: Der Finger selbst besteht aus Kunststoff und wird mithilfe eines 3DDruckers hergestellt. Er ist mit einem Handaufsatz aus Harz verbunden. Gesteuert werden die Bewegungen der Prothese mittels zweier winziger Motoren und der Bewegungen des Fusses. In den Schuhen des Trägers sind dafür Druck-

DANI CLODE

Nein, es gehe nicht ­darum, fehlende oder amputierte Körperteile zu ­ersetzen. Produktdesignerin Dani Clode will mit ihrer Idee eines sechsten Fingers dem Menschen zu mehr Fertig­ keiten verhelfen. «Wir testen gerade, wie sehr die Prothese den Menschen im Alltag und im Beruf nützt – vom Uhr­ macher über den Musiker bis hin zum Tätowierer oder Kleinkind. Die Ergebnisse sind wirklich erstaunlich.» Erste Versuchsreihen sind in einem inzwischen millionen­ fach geklickten YouTube-Video zu sehen. Hier wird mit dem Extra-Daumen zum Beispiel ein Kaktus gestreichelt oder Gitarre gespielt. Tatsächlich

JOHANNES LANG

Sechs Finger an einer Hand – Produktdesignerin Dani Clode hegt Ausbaupläne für den menschlichen Körper.


Effizient, langlebig und kostengünstig.

Visualisierung von Stromlinien, Druck und Geschwindigkeit in einer Kreiselpumpe.

Kreiselpumpen sind in vielen Industriezweigen verbreitet, zum Beispiel in Staubsaugern aber auch Wasser-, Abwasser- und Gaspumpen. Optimierte Kreiselpumpen-Designs sollten drei Ziele erfüllen: Maximale Effizienz, verlängerte Lebensdauer und reduzierte Betriebskosten. Um diese Ziele zu erreichen, verwenden Konstrukteure Simulationsanalysen. Die Software COMSOL Multiphysics® erlaubt Simulationen von Designs, Geräten und Prozessen in allen Bereichen des Maschinenbaus, der Fertigung und der wissenschaftlichen Forschung. Erfahren Sie, wie Sie mit COMSOL effiziente Kreiselpumpen modellieren können. comsol.blog/centrifugal-pump


I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

ENERGIE

SOLARPOWER EINFACH WIE NOCH NIE

CHRISTOPH GRIMMER, FLORIAN GEBETROITHER, STEPHAN WEINBERGER ENTWICKLER VO N S O L M AT E

Mit der Erfindung der drei Studien­ kollegen kann ­jeder Haushalt eigenen Strom produzieren.

erhältlich – entweder mit fünf handtuchgrossen Panels zur Befestigung am Balkon­ geländer oder mit zwei größe­ ren Panels für Terrasse oder Garten. Beide Systeme liefern 550 Watt, eine App informiert über Stromproduktion und -nutzung ­sowie Speicherstand. Rund 25 Prozent des jähr­ lichen Strombedarfs eines Haushalts sollen so gedeckt werden können, auch dank ­innovativer Technologie. ­«Unser Gerät misst den Strom­ verbrauch im Haushalt und gibt Energie nur dann ab, wenn du sie wirklich brauchst», so Grimmer. «Was du nicht ver­ brauchst, bleibt gespeichert.» Das Geheimnis dahinter heißt Impedanzmessung, ein kom­ plexes Verfahren, das eigent­ lich bei Brennstoffzellen ein­ gesetzt wird und für Grimmer nur ein Beispiel für die wich­ tigste Erkenntnis aus seinem Studium ist: «Es gibt viele zu­ kunftsträchtige Technologien, wir wissen oft nur noch nicht, wie wir sie anwenden sollen.» www.eet.energy

Dein Kraftwerk auf der Terrasse: zwei Solar­ panels (je 99 × 165 cm) und eine Speicher­ einheit (75 × 55 × 10 cm)

EET GMBH

CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

JOHANNES LANG

Sonnenstrom zu Hause für alle, die kein eigenes Dach haben – oder keine Lust auf komplizierte Technik.

Photovoltaik für alle! ­Üblicherweise stammt der Strom aus Sonnen­strahlen für den Haushalt über die bekann­ ten dunklen Module auf den Dächern unserer Häuser. Was aber, wenn man kein eigenes Dach hat, keine Ahnung von Technik oder keine Lust, sich mit Installateuren oder seinem Stromanbieter (wegen der Ta­ rife für den von dir eingespeis­ ten Strom) herumzubalgen? Hier kommt Solmate ins Spiel – ein System aus Solar­ panels und einer Speicher­ einheit, die einfach an die Steckdose angeschlossen wird. «Die Handhabung ist wie bei einem herkömmlichen Elektro­ gerät, nur dass unseres keinen Strom frisst, sondern liefert», erklärt Christoph Grimmer, Gründer und CEO von Efficient Energy Technology, dem Unter­ nehmen hinter Solmate. Der 32-Jährige hat im Laufe des Studiums der Technischen Chemie an der TU Graz ver­ schiedene Energietechnologien erforscht und arbeitet mit zwei Studienkollegen seit zwei Jahren an einer praktischeren Umsetzung: «Wir wollten weg von ‹Was ist technisch mög­ lich?›, hin zu ‹Was wünschen sich Verbraucher?›» Deren Antwort: Autonomie. Zwei Solmate-Varianten sind

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INNOVATOR


Renault ZOE 100 % elektrisch.

300 km reale Reichweite.

Ab Fr. 195.–/Mt. plus Fr. 99.-/Mt. Batteriemiete. Leasing: 3,9 % effektiver Jahreszins, Laufzeit 48 Monate, 10 000 km/Jahr, Ratenversicherung inklusive, oblig. Vollkaskoversicherung nicht inbegriffen. Beispiel: ZOE Life R90 Z.E. 40, 0 g CO2/km (in Betrieb ohne Energieproduktion), CO2-Emissionen aus der Stromproduktion 23 g/km, Energieverbrauch 16,9 kWh/100 km (Benzinäquivalent 1,9 l/100 km), Energieeffizienz-Kategorie A, Katalogpreis Fr. 25 650.–, abzüglich Swiss-Prämie Fr. 2 000.–, abzüglich Eintauschprämie Fr. 2 000.–, abzüglich Lagerprämie Fr. 1 000.– = Fr. 20 650.–, Anzahlung Fr. 5 163.–, Restwert Fr. 8 492.–, Leasingrate Fr. 195.–/Monat plus Batteriemiete Fr. 99.–/Monat. Abgebildetes Modell (inkl. Optionen): ZOE Limited R110 Z.E. 40, 0 g CO2-Emissionen aus der Stromproduktion 24 g/km, Energieverbrauch 17,2 kWh/100 km (Benzinäquivalent 1,9 l/100 km), EnergieeffizienzKategorie A, Katalogpreis Fr. 28 300.– (exkl. Batteriemiete), abzüglich Prämien Fr. 5 000.– = Fr. 23 300.–. Durchschnitt aller erstmals immatrikulierten Personenwagen 137 g CO2/km. Die Kreditvergabe ist verboten, falls sie zur Überschuldung des Konsumenten führt. Preise inkl. MwSt. Finanzierung durch RCI Finance SA. Ausgeschlossen: alle direkt importierten Fahrzeuge. Angebote gültig für Privatkunden auf gekennzeichneten Fahrzeugen bei den an der Aktion beteiligten Renault Händlern bei Vertragsabschluss und Immatrikulation vom 01.03.2019 bis 31.03.2019. Die Eintauschprämie gilt beim Tausch eines Personenwagens gegen einen neuen Renault ZOE. Dabei muss der Kauf durch den im Fahrzeugausweis des eingetauschten Fahrzeugs eingetragenen Halter erfolgen. Das Fahrzeug, welches gegen einen neuen Renault ZOE eingetauscht wird, muss seit mindestens 6 Monaten immatrikuliert und noch in fahrbereitem Zustand sein.


B U L L E VA R D

MARKO PENDE PHD -STUDENT

Pende forscht im Zuge einer Kooperation des Instituts für Festkörper­ elektronik der TU Wien mit dem Center for Brain Research der MedUni Wien.

FORSCHUNG

DIE ­GLÄSERNE FLIEGE

Wie es einem jungen Forscher ­ elang, Fliegen durchsichtig zu g ­machen, und warum das Hoffnung für Alzheimer-Patienten bringt.

Fruchtfliegen nerven. Vor allem im Obstkorb. Wer das nächste Mal die zwei bis vier Millimeter kleinen ­Insekten zu verscheuchen geneigt ist, sollte bedenken: Die Tiere haben einen enormen Nutzwert für uns Menschen. Sie teilen 60 Prozent der DNA mit uns – und für rund 75 Prozent der menschlichen Gene, die für Krankheiten verantwortlich sind, findet sich ein Äquivalent in der Fliege. Genau darum ist ein unlängst geglückter Coup der TU Wien so bemerkenswert: Ein Team rund um Doktorand Marko Pende konnte erstmals Fruchtfliegen durchsichtig 16

Transparente Fliege: Ein neues Verfahren macht das Nerven­ gewebe (in Grün) des Insekts von aussen sichtbar.

INNOVATOR


I N N O V AT O R

«WENN JEMAND MIR SAGT, DASS MEINE METHODE SEHR EINFACH IST, SEHE ICH DAS ALS KOMPLIMENT.»

TU WIEN

KATHARINA KROPSHOFER

JOHANNES LANG

machen – und zwar mittels Lichtbrechung und Lichtband­ mikroskop. «Wird das Licht ­immer im gleichen Winkel ­gebrochen, kann etwas durch­ sichtig gemacht werden», er­ klärt Pende. «So wie ein Trop­ fen Öl, der ein Blatt Papier transparent erscheinen lässt.» Anhand fluoreszierender Moleküle werden dann gewisse Bereiche im Gewebe, etwa das Nervensystem, markiert, womit sie unter dem Mikros­ kop (siehe Foto) erkennbar sind. Diese Methode ermög­ licht eine Gewebsanalyse mit unversehrten Strukturen. Und das ist einzigartig. Denn bis­ her musste man das Gewebe Schicht für Schicht zerschnei­ den – mit einer Schnittbreite von rund fünf Mikrometern (1000 µm = 1 mm). Pendes Weg hingegen ist nichtinvasiv: Er legt die präparierte Fliege in ein Chemikaliengemisch ein – und macht sie so trans­ parent. «Wenn mir jemand sagt, dass meine Methode sehr einfach ist, sehe ich das als Kompliment. Wir glauben, dass man das Verfahren auch bei anderen Organismen an­ wenden kann.» Forscher wollen nun die Verschaltungen im Nerven­ system, also den «elektrischen Schaltplan», der Fruchtfliege entschlüsseln. Und in weiterer Folge wichtige Erkenntnisse über neurodegenerative Er­ krankungen wie Alzheimer und Parkinson gewinnen. tuwien.ac.at

INNOVATOR

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B U L L E VA R D

GENUSS-IDEE

WIR STARTEN DIE AROMAREVOLUTION

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DR. PASCAL GUILLET, DR. LEA POKORNY GRÜNDER MICROPOW

Die beiden ­Experten haben entdeckt, dass Aromen mittels Fett geschützt werden können.

Lagerfähigkeit und macht ein kontrolliertes Freisetzen der enthaltenen Wirkstoffe mög­ lich. Das spart Kosten, erhöht Qualität und Haltbarkeit. «Und es ist kalorienneutral», verspricht Guillet. Seit März 2018 wird micro­ Pow über das Pioneer Fellow­ ship der ETH Zürich unter­ stützt. Ausserdem gibt es erste Partnerfirmen, die Interesse an der Aroma-Revolution haben. Noch kann microPow nur in geringen Mengen – im Kilo­ gramm-Bereich – produziert werden. Das soll sich aber demnächst ändern. micropow.net, ethz.ch

INNOVATOR

JOHANNES LANG

Hüter des Ge­ schmacks: Eine ­Fettzelle umhüllt schützend Aroma­ stoffe (dunkel).

WOLFGANG WIESER

Es sind Aromen, die Kaf­ fee nach Kaffee duften lassen oder dafür sorgen, dass Erdbeer-Kaugummi nach Erd­ beeren schmeckt. Allerdings haben Aromen einen entschei­ denden Nachteil: die Neigung, sich während Herstellung, ­Lagerung und Konsum allzu schnell zu verflüchtigen. Und sind sie erst mal weg, fehlt es auch an Geschmack. Ein Umstand, der Lea ­Pokorny und Pascal Guillet wissenschaftlich faszinierte. Für ihr Doktoratsprojekt an der ETH Zürich im Studien­ zweig Lebensmittelverfahrens­ technik beschäftigten sie sich folglich mit der Frage: Wie

kann man Aromen so ver­ packen, dass sie ihre Wirkung erst entfalten, wenn es an der Zeit ist, und diese dann mög­ lichst lang bewahren? Die beiden fanden auch schnell eine Lösung. Und die hat mit Fett zu tun. Verein­ facht erklärt werden dabei die Aromen – also chemisch definierte Stoffe – in Fett ­verpackt, weil genau das sie weniger flüchtig macht als bis­ her. «Der genaue Aufbau des Prozesses ist allerdings unser Geheimnis», sagt Guillet. Nur so viel will das Duo verraten: Das Fett wird per Zerstäuber versprüht und da­ bei so stark abgekühlt, dass ein Pulver entsteht, das als Träger für die Aromen dient. «Dieses Pulver sieht ähnlich aus wie Haushaltsmehl», ­verrät Guillet. Sein Name: ­microPow. Es verbessert die

MICRO POW

Alles eine Sache des guten Geschmacks – zwei Forscher der ETH Zürich sorgen dafür, dass wir unser Essen länger geniessen können.


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Kein Kerosin, keine Rotoren, kein Lärm: US-Forscher tüfteln an einem Flugzeug mit Ionenwind-Antrieb. Ist das die Zukunft des Fliegens?

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INNOVATOR

FLORIAN WÖRGÖTTER

LEISER GLEITER AUS DEM ALL

«­ Ionenwind» könnte das Flie­ gen sauberer machen. Im Gegensatz zu turbinen­ betriebenen Fliegern funktio­ niert ein Ionenantrieb mit elektrischer Spannung. Eine Batterie im Rumpf lädt die ­parallel zur Tragfläche ver­ laufenden «Drahtzäune» auf. Auf diese Weise gelangen elektrisch geladene Luftmole­ küle (Ionen) auf die vordere Zaunreihe. Diese werden von der hinteren Reihe wie mag­ netisch angezogen. Durch die­ sen Fluss entsteht ein Luft­ strom, der dem Flieger den Schub gibt: der Ionenwind. «Künftige Fluggeräte könn­ ten so leiser und umwelt­ freundlicher werden», sagt Barrett. Grösste Hürde bisher: der Luftwiderstand auf der Erde. Daher schafft es Barretts ­Methode noch nicht, schwere Flugzeuge lange in der Luft zu halten. Aber Drohnen ge­ räuschlos fliegen lassen oder als Hybridform spritsparende Flüsterflieger antreiben: Das könnte schon bald klappen. Mehr Top-Forschung: mit.edu

MIT ELECTRIC AIRCRAFT INITIATIVE

L U F T FA H R T- P R O T O T Y P

Als die Brüder Wilbur und Orville Wright 1903 die ersten motorisierten Flüge der Menschheitsgeschichte ab­ solvierten, liessen sie sich noch von Bewegungen der Vögel in freier Natur inspirieren. Heute finden Forscher wie Steven Barrett, Professor am Massa­ chusetts Institute of Techno­ logy, ihre Ideen unter anderem im Fernsehen, genauer: in der Welt der Kultserie «Star Trek». Es ist das stoisch über den Bildschirm gleitende Raum­ schiff «Enterprise», das Barrett 2009 dazu inspiriert, einen ge­ räuschlosen Flieger zu bauen, der sich ohne Propeller, Moto­ ren und fossile Brennstoffe fortbewegt. Neun Jahre tüftelt Barrett an einem Prototyp, ehe er bei einer Technologie landet, die Raumsonden bereits seit 2004 mit 12.000 km/h durch das Vakuum im All ­düsen lässt: dem Ionenantrieb. Ende 2018 erfolgt der Durchbruch am MIT: Barretts Team lässt das weltweit erste Ionenantrieb-Flugzeug steigen. Der 2,5 Kilo schwere Prototyp mit fünf Meter Flügelspann­ weite fliegt 60 Meter weit. Ein kleiner Meilenstein der Luft­ fahrt. Denn der fossilfreie

JOHANNES LANG

Technische Skizze des Ionenfliegers der Elite-Uni MIT: «Drahtzäune» an den Tragflächen ersetzen laute Propeller.


PIONEERS.IO/PIONEERS19

M A Y 9 - 10 | H O F B U R G V I E N N A

WALK THE TALKS Wir verzichten auf Buzzwords. Wir sehen uns bei Pioneers '19. Get Your Ticket: pioneers.io/pioneers19


Fotos U rban Zintel St yling D ore en Regel H air & M ake U p An dreas Be rnh ar t

Exit im Guten: Für ihren Kampf gegen den Welthunger liess Nina Schröder ihr Start-up Tea­ Tales hinter sich.

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INNOVATOR


NIE WIEDER HUNGER! Tex t M a ximilian Gaub

Spinat in der Wüste anbauen, Brot per Iris-Scan kaufen, mit Drohnen Nahrungsengpässe erkennen – die Expertin des UN-Welternährungsprogamms, Nina Schröder, fördert besondere Ideen. IHRE MISSION: DEN HUNGER VON 821 MILLIONEN MENSCHEN MIT INNOVATIONEN STILLEN.

INNOVATOR

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«Ich heisse Nina, und ich liebe Salat.» So be­ ginnt Nina Schröder ihren ­Vortrag im Schein­werfer­ licht auf der Bühne der Münchner Kammerspiele. Hier findet an diesem Sonntag im November die Ideenkonferenz TEDx statt, und Schröder stellt die Mission ihres Lebens vor. Das mit dem Salat ist aber eine Falle ...

D

enn was zunächst harmlos­ klingt, entpuppt sich als Überleitung zu einem der drängendsten Probleme der Menschheit. Vom HipsterSandwich mit Avocado-Rührei-Salat kommt Schröder auf die Lebensmittelproduktion zu sprechen. «2½ Avocados benötigen in der Produktion­ 1000 Liter Wasser», führt Nina Schröder aus. «Oft fehlt dieses saubere Wasser Menschen, die es zum Überleben bräuchten.» Im Publikum herrscht nun absolute Stille. Schröder­hat in wenigen Sätzen auf den Punkt gebracht, weshalb gerade viele der ach so gesunden Food-Trends den Welthunger verschärfen. Genau diese Erkenntnis bewegte sie zu ihrer Mission: den Welthunger zu besiegen. Was wie ein verklärtes Hippieprojekt erscheint, meint sie völlig ernst. Dass sie die Welt verbessern will, merkt Nina Schröder, als sie genau das am allerwenigsten tut. Gleich nach dem Studium schlägt sie eine klassische Businesskarriere ein, sitzt als Managerin im Büro eines Konzerns für Unterhaltungselektronik. Bald fehlt ihr ein tieferer Sinn in ihrer Arbeit, sie will etwas bewegen. 24

Also gründet sie 2014 Tea Tales, ein Start-up, das Teemischungen verkauft und darauf achtet, dass das enthaltene­­Guaraná unter fairen Bedingungen für die Bauern produziert wurde. So macht Schröder die Welt ein kleines bisschen besser – und sich selbst glücklicher. Gleichzeitig taucht sie immer tiefer in den Food-Kosmos ein und merkt bald, dass auch ihre neue Branche eher Teil des Problems ist (Stichwort: Avocado), als zu dessen Lösung beizutragen. Mehr als 820 Millionen Menschen leiden an Hunger. «Diese Zahl raubt mir noch heute den Schlaf», erzählt sie auf der Bühne. Schröder beschliesst, mehr zu tun, als Fair-Trade-Tee zu verkaufen. 2016 hört sie zum ersten Mal vom Innovation­ Accelerator des Welternährungsprogramms und ist gleich Feuer und Flamme. Die Initiative will Ideen unterstützen, die den Welthunger ­bekämpfen. Motto: Wenn innovative Start-ups die Fortbewegung, das Einkaufen und die Liebe revolutionieren, müssen wir sie dann nicht auch im Kampf gegen Probleme wie den Welthunger einsetzen? Als Nina Schröder erfährt, dass die ­Initiative Mitarbeiter mit Start-up- und Ernährungserfahrung sucht, schickt sie sofort ihre Bewerbung los. Drei Monate hört sie nichts, dann klingelt das Telefon: «Kannst du in zwei Wochen in Peru sein?» Seither begleitet die 37-Jährige weltweit Projekte, die den Hunger mit Innovationen ­bekämpfen. Entscheidend: Es soll sich nicht um rein lokale Lösungen handeln, sondern um ­«skalierbare», also solche, die sich auf nahezu jede notleidende Region übertragen lassen.

EIN BEISPIEL FÜR DIE KEHRSEITE ­G ESUNDER FOOD-TRENDS: DIE PRO­ DUKTION VON 2½ AVOCADOS VERBRAUCHT 1000 LITER TRINKWASSER. Dabei sollen die Betroffenen nicht nur dringend benötigtes Essen bekommen, sondern lernen, wie sie sich mithilfe von Technik selbst ernähren­ können. Was Schröder daran begeistert: wie selbst kleine Ideen verzweifelten Menschen Mut schenken, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Zehn dieser Beispiele, mit denen sie den Welthunger besiegen will, erklärt sie hier:

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1 _ BLÜHENDE WÜSTEN «Wer in der Wüste lebt, kann selten Spinat anbauen. Viele Menschen hungern, weil in ihren Böden keine Pflanzen wachsen. Hier können Hydrokulturen helfen. Die brauchen 90 Prozent weniger Wasser und sind leicht zu bauen. Eine Nährlösung, ein Holzbecken und ein Müllsack zum Isolieren reichen – oder ein Regalsystem mit aufgeschnittenen Wasserkanistern. Mit solchen Ansätzen hilft das Projekt H²grOw etwa Betroffenen in der Sahara und im Tschad. Dort bauen die Menschen dann oft Gerstengras an, das ihre Ziegen oder Schafe ernährt, deren Milch und Fleisch lebenswichtige Proteine und Vitamine liefern. Manche Anwender ernten so viel, dass sie einen Anteil verkaufen können.»

2 _ Z AHLEN PER IRIS-SCAN «Oft das Zahlsystem die Essensversorgung. In Flüchtlingslagern können die Menschen Nahrung mit Gutscheinen oder Bargeld bezahlen, das sie vom World Food Programme (WFP) erhalten. Bargeld jedoch kommt abhanden, und Gutscheine müssen gedruckt werden. Deswegen setzen wir in Lagern in Jordanien seit 2018 virtuelles Geld ein. Jeder Flüchtling erhält ein digitales Konto, auf das wir per BlockchainTechnologie Geld überweisen und so 90 Prozent der Transaktionskosten sparen. Um das Zahlen so einfach wie möglich zu gestalten, ordnen wir die Konten per Iris-Scan zu und buchen das Geld beim Kauf im Supermarkt automatisch ab – natürlich unter strenger Einhaltung des Datenschutzes. Für die rund 106.000 Bewohner der Camps in al-Azraq und in Zaatari ist diese Zahlmethode – genannt: Building Blocks – heute schon Alltag.»

Prüfperson: Ob eine Idee den Hunger wirklich bekämpft, testet Schröder, indem sie die Projekte vor Ort besucht.

werden oder auf dem Weg in die Zentrale verloren­gehen. Daher setzt das WFP im Süd­sudan oder in Uganda nun auf den Chip in einer Gesundheitskarte namens Scope Coda. Dort lesen und speichern die Helfer die letzten Massnahmen, die letzten Entwicklungen von mittlerweile 15.000 Patienten – und laden die Daten in eine Cloud-Datenbank hoch. Die Technologie wurde eigens so entwickelt, dass sie auch bei schwachem mobilen Datennetz und lückenhafter Energieversorgung funktioniert. Durch die zentrale Speicherung lassen sich zudem Gefahren wie DurchfallEpidemien früh erkennen und stoppen.»

3 _CHIP GEGEN MANGEL 4 _ PERSÖNLICHSTE SPENDEN «Viele durch Mangelernährung ver­ ursachte Krankheiten wären vermeidbar, würde nur die Kommunikation zwischen Helfern und zentralen Stellen besser funktionieren. Welche Vitamine, Proteine oder Medikamente ein betroffenes Kind braucht, notieren Ärzte in afrikanischen Krankenhäusern bislang meist handschriftlich auf Zetteln – die schnell nass INNOVATOR

«‹Wo landet mein Geld?› Weil viele Hilfs­ organisationen diese Frage noch immer nicht ausreichend transparent beant­ worten können, spenden gerade junge Menschen nur zögerlich Geld für Betroffene. Dabei hängt der Kampf gegen den Hunger nach wie vor auch von Geldgaben jener Menschen ab, denen es besser geht.  25


Deshalb unterstützen wir Plattformen wie die hinter der App ShareTheMeal. Über diese können Nutzer mit einfachem Klick 40 Cent für eine Mahlzeit spenden und auswählen, in welche Region das Geld fliesst. Rund 32 Millionen Mahl­zeiten kamen bereits zusammen. Bald soll die App Spenden ermöglichen, bei denen der Spender entscheiden kann, welcher Familie er helfen möchte. So bleiben ­keine Fragen offen.»

INNOVATIONEN HABEN DIE MOBI­ LITÄT, DAS EINKAUFEN UND DIE LIEBE REVOLUTIONIERT. WAS LIEGT ALSO NÄHER, ALS SIE AUCH GEGEN DEN HUNGER EINZUSETZEN?

5 _ DEN SACK ZUMACHEN «Viele Kleinbauern in der Dritten Welt müssen selbst hungern, weil ein Grossteil ihrer erwirtschafteten Nahrung bereits kurz nach der Ernte unbrauchbar wird. Das Problem: Ihnen fehlen das Wissen und die Ausrüstung, um Mais, Gerste, Weizen so zu lagern, dass weder Ungeziefer noch Feuchtigkeit eine Chance haben. Unsere Lösung: 1. Vermittlung von Know-how. 2. Schützende Silo-Tonnen oder Säcke inklusive Innensack. Im Sudan zum Beispiel überzeugen wir lokale Händler davon zu überzeugen, die Beutel an die Bauern zu verkaufen. So profitieren die Händler von der Nachfrage eines neuen Produkts. Und die Landwirte kaufen diese von dem Geld, das sie mit bald überschüssiger Ernte verdient haben. Kurz: Wir stärken einen neuen Wirtschaftskreislauf, bei dem wirklich alle gewinnen. 335.000 Bauern in acht Ländern setzen die von uns in Umlauf gebrachten Silos oder Säcke bereits ein und haben ihre Ernteverluste um bis zu 98 Prozent gesenkt.»

sich in diesem Prozess das Interpretieren der Aufnahmen selbst beibringen. Doch der Aufwand wird sich lohnen. Im Einsatz können die Drohnen fast jedes Ziel innerhalb der entscheidenden 72 Stunden unmittelbar nach einer Katastrophe erreichen und etwa prüfen, wo bedürftige Menschen erreicht werden müssen.»

7_ BRUTK ÄSTEN FÜR BÄUME «Wer Nahrung anbauen will, braucht Wasser, zu dem der Zugang aber oft mühsam ist, weil es sich tief unter der Erde befindet. Natürliche Helfer in diesem Fall sind B ­ äume, die das Nass über ihre Wurzeln in das obere Erdreich trans­ portieren – und so das Land bewässern und unter Umständen wieder fruchtbar machen. Wie aber pflanzt man einen Wald in unwirtlichen Gebieten? Und wie hilft man Bäumen, die vor allem in den ersten beiden Jahren regelmässige Bewässerung brauchen, ihre Wurzeln tief in die Erde zu graben? Eine Lösung ist eine Box namens ‹Groasis›, eine Art Hydrokultur-Brut­ kasten speziell für Setzlinge – mit Platz für Gemüse um den Stamm herum. In mehr als 40 Ländern konnten Menschen so schon über 200.000 Bäume pflanzen.»

6 _ SPÄHENDE DROHNEN «Wasser, Nahrung, Medikamente: Je schneller wir nach einer Katastrophe wissen, was die Betroffenen brauchen, desto schneller können wir helfen. Einfacher gesagt als getan, wenn es um abgelegene­ Bergregionen geht. Um uns auch in schwer zugänglichen Gebieten schnellstmöglich einen Überblick verschaffen zu können, testen wir aktuell gemeinsam mit Google­ smarte Drohnen, die die Situation mit Kameras und entsprechender Software sofort erfassen und dank künstlicher ­Intelligenz sogar eigenständig auswerten können. Der Weg dahin mag mühsam klingen – um das automatische Auswerten­ zu lernen, müssen die Drohnen erst tausende Bilder eines Gebiets aufnehmen und 26

Du hast eine Idee, den Welthunger zu stillen? Dann bewirb dich jetzt bei Schröder und ihrem Team unter: innovation.wfp. org/apply

8 _ FAIRE , TR ANSPARENTE MÄRK TE SCHAFFEN «Wenig sichert eine Nahrungsversorgung so nachhaltig wie ein funktionierender Wirtschaftskreislauf. Der scheitert in unter­ entwickelten Regionen, etwa in Sambia, schon allein daran, dass die Bauern nicht einmal die Nachfrage im Nachbardorf

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kennen – und daher auch nicht bedienen können. Ebenso wenig bekommen sie aktuelle Preisentwicklungen mit, auf die sie schnell reagieren könnten. Um ihnen ebendiese entscheidenden Informationen zu liefern, unterstützen wir die App Maa­no, einen virtuellen Online-Marktplatz für Bauern. Hier können sie die ­aktuelle Marktsituation einsehen und nachhaltig entscheiden, welche Investitionen ihr G ­ e­schäft erweitern würden. Zum Beispiel ein Kredit, um mehr Getreide­ samen zu kaufen. Oder eine Maschine, die den Ernteprozess beschleunigt.»

9_ DIGITALE JOBS FÜR ALLE «Apropos Wirtschaftskreislauf: Damit Menschen sich Nahrung kaufen können, brauchen sie Jobs – schliesslich kann nicht jeder sein Gemüse selbst anbauen.­Doch gerade in der Dritten Welt ist be­zahlte Arbeit oft wenig mehr als ein frommer Wunsch. Eine Lösung dazu verfolgen wir mit dem Programm ‹Empact›. Die Idee: Wir ermöglichen Menschen unabhängig von ihrer Heimatregion Zugang zum digitalen Arbeitsmarkt. Seit 2016 vermittelt das Projekt in 2000 Seminaren im Libanon und dem Irak Grundlagen digitaler Kompetenzen: Wie funktionieren Computer, Windows, Photoshop? Mit dem Welternährungsprogramm stellen wir Seminarleiter zur Verfügung und vermitteln Jobs – zum Beispiel, wenn Zalando den Bedarf hat, viele Bilder einheitlich zu bearbeiten.»

NINA SCHRÖDER IN ZAHLEN 3

821.000.000

368.000

Jahre lang nannte sich Nina Schröder offiziell «Queen of TeaTales» – eine Anspielung auf ihr Start-up für Tee.

Menschen hungern weltweit. Eine Zahl, die Schröder auf ihrer Mission noch heute täglich motiviert.

Betroffene haben bereits von den durch das WFP ­geförderten Inno­ vationen profitiert.

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139

2030

Projekte hat Schröder bereits für das WFP getestet und für den weltweiten Einsatz als tauglich bewertet.

Mitarbeiter arbeiten wie Schröder aktuell im Team des WFP oder direkt für die ­einzelnen Projekte.

Bis dahin will das WFP den Welthunger besiegt haben. Ein ambitioniertes Ziel, an das Schröder fest glaubt.

10_WET TBEWERB BEFEUERN «Was passierte bislang, wenn der einzige­ Supermarkt eines Flüchtlingslagers seine Position ausnutzte und die Preise anhob? Nichts, wenn niemand wusste, dass der Anbieter im nächsten Viertel womöglich günstiger verkauft. Die App Dalili will das ändern, indem sie bislang 113.000 Nutzern das aktuelle Angebot von 440 Märkten im Libanon, in Jordanien und Kenia anzeigt – inklusive Option, diese zu bewerten. Auf diese Weise geben wir den Konsumenten etwas Einfluss zurück – auf die Preis­gestaltung und ihr positives Selbstbild: Wer sein Leben wieder aktiver bestimmt, ist eher geneigt, von neuem zu glauben: Ja , ich schaf fe das!

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MIT SONNENKR AF T

Die «Solar Voyager» auf dem Weg durch die Antarktis. Das E-Mobil trotzt im Betrieb Temperaturen bis zu minus 30 Grad.

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DIE SOLAR REISENDEN

T E X T   M a t t h i a s L a u e r e r, A r e k P i a t e k F O T O S   E d o L a n d w e h r, Z i t a L u i t e n

Im November 2018 macht sich ein niederländisches Ehepaar auf den Weg zum Südpol – in einem Solarauto aus Plastik. Ein Extremabenteuer im Zeichen globaler Nachhaltigkeit.

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VORBEREITUNG Edwin ter Velde (re.) fixiert mit Kollegen die Sonnenzellen auf den Anhängern der «Solar Voyager». Eine davon wird auch am Mobil angebracht.

W Wie sehr belastet Plastikmüll die Welt? Und wie kann man dieses Problem ­l ösen? Und: Wo lässt sich Altplastik sinnvoll ver werten? Diese Fragen beschäftigen das Ehepaar ter Velde schon jahrelang – bis sich daraus ein un­g ewöhn­l iches Projekt ent­w ickelt, das die Nieder­l änder bis in die Antarktis ­f ühren wird: das Clean2Antarctica.

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2015 war der spektakuläre Plan fertig. Und ab da wussten Edwin und Liesbeth ter Velde, ein WissenschaftlerEhepaar aus den Niederlanden: Sie werden etwas bauen, was noch keiner gebaut hat, und etwas wagen, was noch keiner gewagt hat – und damit ein Zeichen für die Umwelt setzen. Das konkrete Vorhaben: ein Gefährt aus Altplastik 3D-drucken, es mit Solarzellen bestücken – und damit eine Reise zum Südpol antreten. 1200 Kilo­ meter. Nur mit der Kraft der Sonne. Durch die lebensfeindliche Eiswüste der Antarktis. Bei Schneestürmen und Temperaturen bis zu minus 30 Grad. «Wir wollen zeigen, dass wir bereits heute über alle Technologien für eine nachhaltige Welt verfügen», sagt Liesbeth ter Velde, «deswegen bauten wir die ‹Voyager› aus alten Plastik­ flaschen. Dies soll bewusst machen, wie man die Welt durch global an­ gelegte Wiederverwertung verändern könnte.» Es dauerte – mit Sponsorenhilfe – drei Jahre, bis das AltplastikVehikel bereit war für den antarktischen Härtetest: «Wir wählten die Antarktis als Route, um auch auf den antarktischen Vertrag hinzuweisen, der 2048 ausläuft», so Liesbeth, «dann könnte die Jagd nach den dortigen Rohstoffen beginnen.» Ende 2018 sollte ihr Vorhaben umgesetzt werden: Ein Transportflugzeug bringt die «Solar Voyager» samt Team zum Union-Gletscher, dem letzten bewohnten Basecamp vor dem Südpol. Die Reise kann beginnen.

FLU GHAFEN ANTARK TIS

Entladung der «Solar Voyager» aus einem russischen Frachtflugzeug. Eine Verschiffung wäre wegen der ­Eisschollen im Meer zu riskant gewesen.

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DIE ANKUNFT INNOVATOR

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DAS TE A M

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TE AMLE ADER

Links: Liesbeth ter Velde. Rechts: ihr Mann Edwin, Abenteurer und Kapitän der Clean2AntarcticaMission. Er sagt: «Um die Welt zu ­verbessern, musst du Dinge ausserhalb deiner Komfortzone machen. Und am besten, du machst sie gleich als Allererster.»

DIE EXPEDITION Tag 1 . Edwin: «Das Wetter überrascht uns bei der Ankunft im Basecamp – es ist schlecht, windig, fast stürmisch. Nebenbei erleben wir gleich, was ein Whiteout ist: Es ist im Schnee ­d iffus reflektiertes Licht – sodass einem weiss vor Augen wird. Du siehst die Menschen nicht mehr, die wenige Meter vor dir stehen. An Aufbruch ist nicht zu denken. Wir verlieren zwei Tage im Basecamp –

doch dann starten wir endlich. Bei ­g utem Wetter! Und ­h olen auf. Wir schaffen rasch die ersten 100 Kilometer. Die Sonne scheint hier 24 Stunden. Doch für uns ist das kein Nachteil: Wir fahren Tag und Nacht.» EISIGER WEG

Die Route vom Gletscher-Base­ camp zum Südpol ist 1200 Kilometer lang. Zudem muss die «Solar Voyager» über 2000 Höhenmeter bewältigen.

Südpol (2 8 3 5 m) DOKU - CRE W

Clean2AntarcticaTeam-Members: Links: Zita Luiten, 28, die Fotografin der Expedition. Rechts: Edo Landwehr, 32, Filmer. Aufgabe: mittels Kameradrohne die Expedition filmen – und im Voraus Terrain erkunden. INNOVATOR

U nion - Gletscher ( 70 0 m)

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DIE «SOLAR VOYAGER» Mit Sonnenpower über arktisches Eis. Wasser gewinnt die Truppe mittels sechs Solar-Vakuum­ röhren, die den Schnee schmelzen. So entfällt der Transport der schweren Wasserlast.

ENERGIESPENDER 1 Ze h n S o l a r p a n e e l e. Ih re ge sp e i c h e rte E n e rg i e k a n n d a s E- C a r f ü n f Stu nd e n o h n e S o n n e in B etr i e b h a l te n .

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ENERGIESPENDER 2 Zwe i P l a s ti k t r a i l e r. I n h a l t : N a h r u n g f ü r v i e r Pe r s o n e n – u n d f ü r 3 0 Ta ge .

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REIFEN M i t N e t ze n b e zo ge n – u m b e i k n i e t i efe m S c h n e e d a s G ew i c h t d e s Ve h i ke l s g l e i c h m ä s s i g zu ve r te i l e n .

SONNENSCHUTZ M i t S p e zi a l k u n s t s tof f b e k l e b te Fe n s te r. S i e a b s o r b i e re n I n f r a rotstrahlen und wärmen die Kabine.

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DAS WETTER Tag 12. ­L iesbeth nach 500 Kilo­m etern: «Das Auto kam bei Sonnen­ schein gut vor­a n. Doch nun spielt das Wetter nicht mit. Wir hatten für die Expedition zwei Schlecht­w ettertage kalkuliert, aber hier toben jetzt täglich ­S chnee­s türme. Statt zu fahren, schla­f en wir in ­Z elten – und schaufeln die ­‚Voyager‘ ständig von Schnee frei. Der Pro­ viant wird weniger, und ohne Sonne kom­ men wir nicht voran. Aber 600 Kilometer wollen wir schaffen.»

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«Wir haben bei der ‹Solar Voyager› 2000 Kilo Plastikflaschen eingeschmolzen und ­daraus 5000 sechseckige Platten gedruckt», sagt ­Edwin, «die verbanden wir zum Chassis des Autos.» Es ist nicht nur robust und kälte­beständig, sondern auch ultraleicht: Das 16 Meter lange Gespann wiegt nur 1485 Kilo.

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DIE K Ä LTE

SETBACK

Die Crew säubert nach dem Sturm die Leitungen der Paneele, um rasch die Fahrt mit der «Voyager» (High­ INNOVATOR

speed: 8 km/h) fortzusetzen. Übri­ gens: Im Rover sind keine Heizelemente, die Sonnenenergie wird nur zur Fort­ bewegung genutzt.

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Z WANGSPAUSE Bei Schlechtwetter ist Geduld gefragt: Nach starkem Schneefall wartet die Crew – bis die Solar­ zellen erneut auf­ geladen sind und die Reise weitergeht.

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VORREITER Liesbeth ter Velde in der «Voyager»: «Für Nachhaltigkeit brauchen wir keine neue Technologie. Einzig eine Neu­ definition der alten.»

DER ENTSCHLUSS Tag 18. Nach 680 Ki­l o­m etern, also der Hälfte der Strecke zum Südpol, muss die Crew mangels Sonne umkehren. Edwin: «Wir haben den Süd­ pol nicht erreicht, aber dafür unser wichtigstes Ziel: zu zeigen, was mit der Technologie möglich ist – 18 Tage unter­ wegs durch Schnee und Eis, allein mit ­S onnenkraft. Im Re­ cyclingauto, das die Zukunft ändern kann.»

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T H E

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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

G A D G E T S F Ü R D E I N

G A R T E N U P G R A D E

Vom Indoor-Pflanzenbeet mit NASA-Technolgie über einen resoluten Mäh-Roboter bis hin zum fliegenden Wachhund: acht High-Tech-Hilfen für Selbstversorger und Hobbygärtner.

TEXT CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

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(D)EIN GARTEN FÜR ALLES Er ist so klein wie ein Toaster und fasst drei Saatgutkapseln, die ähnlich wie Kaf­ feekapseln funktio­ nieren und mit Erde und Samen gefüllt sind. Das Beste: Der Elektrogarten von Click & Grow lässt Pflanzen auch bei miserablen Licht­ verhältnissen und gärtnerischer Talent­ freiheit spriessen – dank LED-Wachs­ tumsleuchten und einem Tank zur selb­ ständigen Bewässe­ rung. Firmengründer Mattias Lepp hat sich dafür von NASATechnologie für MarsMissionen inspirieren lassen. Insgesamt gibt’s 45 kompri­ mierte Saatgutarten (3 Stück ab 10 CHF), Mini-Garten ab rund 110 CHF. ER H Ä LT LI C H U N T ER C LI C K A N D G ROW.C O M

CLICK & GROW


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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

MEHR-MÄHROBOTER Steigungen bis zu 70 Prozent, unebene Rasenflächen und Regen sind kein Problem für den neuesten Mäh-Roboter von Husqvarna. Der 435X AWD (Preis: 5 700 CHF) verfügt über Allradantrieb und einen Timer, der den Mähbedarf anhand des Graswachstums – dieses ist vor allem nach Regen stark – bestimmt. Der ObjektErkennungssensor Ultrasonic misst dabei durch Aussenden unhörbarer Signale, ähnlich einer Fleder­ maus, Distanzen und verhindert so Kollisionen mit Gartenzwerg und Co. ER H Ä LT LI C H U N T ER H US QVA R N A .C O M

Die LED -Schein­ wer fer sind vor allem Design-Element. Der 4 3 5X AWD wird aber auch nacht s ak tiv.

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Der Trick mit dem Knick: Wegen des ­G elenks zwischen den Achsen kann der Roboter engere Kurven fahren und behält auch bei Uneben­ heiten seinen Grip.


PFLANZENLEKIKON SAMT EXPERTEN-CHECK

HUSQVARNA, NETATMO, GARDENANSWERS

DIESE WET TERSTATION H AT A LLES IM GRIFF Welchen Bedingungen deine Pflanzen ausgesetzt sind und, vor allem, welche noch auf sie zukommen, analysiert die NetatmoWetterstation. Indoor- und Outdoor-Modul (links im Bilder in Silber, Gesamtpreis: 190 CHF) messen Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck und CO² -Gehalt. Der Regenmesser in Schwarz (Preis: 80 CHF) prüft den

Niederschlag. Alle Daten werden per WLAN an die App übermittelt, ausgewertet und für Prognosen verwendet. Dank weltweitem Zugriff kannst du so die Nachbarin ums ­G iessen bitten, falls es zu trocken wird und du mal wieder auf Mauri­ tius weilst. ER H Ä LT LI C H U N T ER N E TAT M O.C O M

Beginnt im eigenen Garten etwas zu blühen, ist die Freude gross. Was aber, wenn man nicht genau weiss, was da eigentlich blüht? Hier hilft die App Garden Answers, das «Shazam für Pflanzen». Einfach ein Foto von der Blüte bzw. den Blättern machen und mit einem der Bilder aus der Datenbank vergleichen lassen. Findet sich

keine Übereinstimmung, bleibt dir die Option, einen Experten zu fragen. Die App liefert ­N amen sowie Informationen zu Herkunft und Pflege. Gratis für Android und iPhone, «Ask the Expert»-Service für rund 2 CHF pro Anfrage. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E O D ER iS TO R E


DER GARTEN DENKT MIT Das Smart-HomePrinzip in den Garten zu verlegen war die Grundidee des Wieners Roland Grösslich. Seine ­L ösung ist eine dreiteilige Hardware namens Miyo. Der Sensor (Bild) misst Bodenfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Helligkeit und sendet die Daten an den Cube. Dieser entscheidet, ob und, wenn ja, wie lange das an der Wasserleitung angebrachte Ventil zur Bewässerung geöffnet wird. Einzig die Schläuche musst du zuvor selbst verlegen.

ERDBEEREN ZÜCHTEN MIT STIL Wer wenig Platz hat, muss in die Höhe denken. Nach diesem Wolkenkratzer-Prinzip agiert das Kärntner Startup Gusta Garden. Sissi Strawberry heisst das verti­ kale Pflanzsystem, bei dem ErdbeerLiebhaber Module kombinieren und so Höhe und Aussehen ihres «Baums» indi­ viduell gestalten können. Gegossen wird nur die oberste Etage, die speziell geformten Kunststoffbehälter verteilen das Wasser gleichmässig. ER H Ä LT LI C H U N T ER G US TAG A R D EN .C O M

ER H Ä LT LI C H U N T ER M I YO.G A R D EN

PROFI-GÄRTNER AM SMARTPHONE Wie tief muss ich Tomaten setzen? Wo wächst Lavendel am besten? Wie viel Abstand sollte ein Spargel zum nächsten haben? Und vor allem: Wann kann ich ihn endlich essen? Diese und zahlreiche weitere Fragen beantwortet die App Gardroid. Darüber hinaus gibt es eine Kalenderfunktion sowie einen Alarmservice, der dich an Säen, Giessen und

Ernten erinnert. Und weil man ja motiviert bleiben sollte, verfügt das Ganze auch über ein «Notizbuch», in dem man seine Fortschritte bildlich festhalten kann. Die Gardroid-Basisversion ist gratis, Gardroid Premium kostet rund 3 CHF. ER H Ä LT LI C H I M G O O G L E P L AY S TO R E


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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

Bee ist ein Quad­ copter mit eingebau­ ten Kameras . Ein Über wachungsflug dauer t 2 bis 3 Minuten, der Akku reicht für 1 5 Minuten.

MARIO PAMPEL-POSTPRODUCTION, GUSTA GARDEN GMBH, 2019 GARDROID, SUNFLOWER LABS

DIESE DROHNE IST DEIN FLIEGENDER WACHHUND Erdacht im Silicon Valley, entwickelt in der Schweiz wurde diese Grundstücksüberwachung vom Feinsten: Schlagen im Garten oder in der Einfahrt installierte Leuchten mit Be­wegungs- und Vibrationssensoren Alarm, dann hebt eine tellergrosse Drohne namens Bee ab und macht ein Live-Video für deine App. Mittels Machine­ INNOVATOR

Learning werden Bewegungsmuster er­ kannt und Fehlalarme minimiert. Eine wetterfeste Ladestation gewährleistet stete Flugbereitschaft. Kurz: Einbrecher (oder Waschbären, die an dein Gemüse wollen) haben keine Chance mehr.

Die Basisstation Hive (= Bienenstock) ist so gross wie eine Hundehüt te. Sie schütz t und lädt die Drohne Bee.

R E S ERV I ERU N G U N T ER SU N F LOW ER- L A B S .C O M

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«Zwift»-Gründer Eric Min (li.) und Jon Mayfield bringen Outdoor-Erlebnisse ins Wohnzimmer.

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MEIN S TA RT-UP-MOMENT

«LANGEWEILE INSPIRIERTE UNS» Wie das Workout am Hometrainer zwei USAmerikanern zu einer genialen Idee verhalf: Eric Min und Jon Mayfield – die Macher des 3D-Cycling-Games Zwift – im Interview.

Eric Min und Jon Mayfield hatten sich vorher nicht gekannt. Mehr noch: Zwischen den beiden lagen 9 000 Kilometer und ein Kontinent. Das einzige verbindende Element, das es gab, war der Ärger über die Monotonie des ­eigenen Indoor-Radtrainings. Diese führte sie zusammen und liess sie 2013 «Zwift» gründen, ein Multiplayer-Online-Spiel für Radsportler und Läufer, in dem du ­virtuell trainieren und dich mit anderen messen sowie aus­ tauschen kannst. Mittlerweile schwitzen via Zwift eine Million User aus mehr als 150 Ländern. In den ersten vier Jahren der Plattform haben die User 660 Millionen Kilometer gesammelt.

RICK RODNEY

the red bulletin innovator: Die Idee zu Zwift entstand … eric min: … aus Langeweile. 2013 hatte ich ein Projekt ab­ geschlossen und überlegte, meine Leidenschaft, das Radfahren, ­irgendwie mit dem nächsten Job zu verbinden. Ich wusste nur nicht, wie. Dann musste ich plötzlich übersiedeln – von New York nach London – und war mit einem Mal ohne meine Radfreunde, trainierte viel drinnen, immer allein. Mann, war das öde! Also überlegte ich, ob man das Erlebnis einer Ausfahrt digital nachempfinden könnte – den Fitness-Aspekt, den Leistungsvergleich und so weiter.

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jon mayfield: Ich war zu jener Zeit Videospiele-Grafiker – und Hobbyradfahrer. Und ich hasste Hometrainer. Keine fünf Minuten hielt ich es auf dem Ding aus, nicht einmal mit Ablenkung durch Netflix. Ich dachte: Es müsste ein Game geben, das ich beim Trainieren spielen könnte – aber da war nichts. Also begann ich, für mich selbst zu programmieren. Wie kreuzten sich eure Wege? min: Ich wollte wissen, ob es schon gab, was mir vorschwebte. Bei meiner ersten Google-Suche stiess ich auf Jons Projekt. Es sah toll aus. Wir telefonierten, ich flog zu ihm nach Kalifornien, erzählte von meiner Idee, und zwei Wochen später kündigte er seinen Job. Das klingt alles so einfach. Gab es keine Zweifel, Rückschläge? min: Technisch nicht. Da wussten wir, dass wir jedes Problem lösen können. Die grosse Frage war, ob die Leute aufspringen würden. Das kannst du nicht wissen, bevor das Produkt fertig ist. Der Launch erfolgte dann im Dezember 2014 … mayfield: … und 48 Stunden später wussten wir, dass wir uns um den Aufbau einer Community keine Sorgen machen mussten. min: In der ersten Woche meldeten sich 13 000 Leute für Zwift an. Damit war klar: Das Ding wird abheben. Im November 2015 verlangten wir erstmals Geld, und die

User schmissen uns ihre Kredit­ kartendaten quasi hinterher. Mal ehrlich, gar keine Krisen? min: Na ja, doch. Der GameCharakter irritierte anfangs viele eingefleischte Radsportler. Sie dachten, ein Simulator wäre besser, weil ernsthafter … mayfield: … aber sie erkannten schnell den Nutzen. Um das Game aufzupeppen, führten wir nach dem ersten Wurf die sogenannten PowerUps ein, die Möglichkeit, Boosts zu bekommen, wie bei «Mario Kart». Wir waren von dem Feature begeistert, aber für die Altgedienten in unserer Community war das ein Riesenfiasko. Sie liessen sich in den Foren darüber aus, dass wir alles wieder kaputt gemacht hätten … Wir blieben dabei, und nach einem Monat hatten sich alle daran gewöhnt. min: Heute gibt es Lauf­räder in leuchtenden Neonfarben oder schwebende Glas-Strassen. Und die User wünschen sich einen noch ausgeprägteren Game-Charakter. Für andere Start-ups: Was war eure wichtigste Erkenntnis? min: Bei meinem vorigen Geschäftsmodell waren wir die Viertgrössten unserer Kategorie. Aber: Vierter und Erster ist wie Tag und Nacht. Um die Nummer eins zu werden, musst du eine eigene, völlig neue Nische schaffen. Klar, es ist schwierig, den Investoren einen Markt schmackhaft zu machen, den es noch gar nicht gibt. Aber es ist der richtige Weg. mayfield: Ich bin risikoscheu. Ich überlegte hin und her, bevor ich meinen Job kündigte. Denn ich mochte meinen Job – und sollte nun eines der grössten Risiken meines Lebens eingehen. Letztlich war es die beste Entscheidung meines Lebens. Das Wichtigste, was ich bei Zwift gelernt habe, war: Du darfst nicht immer auf Nummer sicher gehen. Infos zum 3D-Multiplayer-OnlineSpiel (mit Smarttrainer) auf:

zwift.com

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VERGISS ALLES, WAS DU ÜBER AUTOS WEISST

TE X T Alex Lisetz

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SONO MOTORS

1 3 0 Jahre widersetz te sich das Auto starrsinnig dem For t schrit t . J etz t wird es en dlich ra dikal n e u ge dacht . Un d könnte sch on bald ein m obiles E-Tool sein . Platz sparen d . Smar t . In dividuell. Un d nur n och ent fernt mit der lärmen den D re ckschle u der von heute ver wan dt .

Einmal voll­ tanken, bitte: Bei Bedarf funktioniert das E-Solarauto Sion als Ladestation für andere Fahrzeuge.

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Die Autoin dustrie steht vor einer Zeitenwen de. Schon bald werden E- Mobilit y un d Cloud Solutions unsere Idee vom In dividualverkehr revolutionieren , werden riesige Autohersteller den Weg von Ko dak , Commo dore un d Blockb uster Inc . gehen . Denn immer mehr junge Star t- ups hab en b essere Ideen für den smar testen Weg von A nach B, etliche davon aus der Schweiz . Doch wie stellen sich die Grün der von Sono Motors , Share your BICAR o der Rinsp ee d die Mobilität von morgen vor? Eine Prognose. 50

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Ein Frühlingsmorgen im Jahr 2039. Lisa S., geboren 2019, muss zur Uni. Es regnet, deshalb nimmt sie das autonome Sammeltaxi, das sie vom Vorort in die Innenstadt bringt. Lisa hat heute keine Lust auf Sozial­ kontakt. Darum zieht sie sich hinter ihre Virtual-Reality-Brille zurück, um unterwegs noch ein bisschen beim Gamen abzuschalten. Als sie bei der Uni ankommt, hat sie noch eine halbe Stunde bis zur Vorlesung. Zeit ge­ nug, um mit einem solarbetriebenen Sharing-Scooter Sushi aus ihrem Lieblingsladen im Nachbarbezirk zu holen. Wird so in zwanzig Jahren unsere Mobilität aussehen? Fest steht: Der motorisierte Individualverkehr wird an Bedeutung verlieren. Denn das Freiheitsversprechen des eigenen ­Autos ist ein Lebensgefühl, in dem nur noch die ältere Generation schwelgt. Zwar steigt die Zahl der Autos in der Schweiz noch (von rund 530 000 im Jahr 2009 auf fast 620 000 im Jahr 2018). Doch der Führerausweis wird unattraktiver: 2017 sank die Zahl der Permis-Besitzer um zwei Prozent, unter den 18- bis 24-Jährigen sogar um drei Prozent. Im benachbarten Ausland sind die Zahlen noch extre­ mer: Nur noch 60 Prozent der 25- bis 29-Jährigen fahren regelmässig Auto – elf Jahre davor waren es 73 Prozent. Auch das Interesse an Autos sinkt: Zur Jahrtausendwende gaben noch 44 Prozent der jungen Männer an, sich für Autos zu interessieren. Jetzt sind es nur noch knapp über 30.

IMMER WENIGER MILLENNIALS FAHREN REGELMÄSSIG AUTO. INNOVATOR

IN STÄDTEN WERDEN AUTONOME FLOTTEN DIE PKW ABLÖSEN. Star t- up - Davids gegen Konzern Goliaths Steht auch die Autoindustrie vor gros­ sen Veränderungen? «Viele Marken nehmen die rasende Entwicklung der aktuellen Technologien nicht ernst genug», sagt Frank Rinderknecht, der mit seinem Unternehmen Rinspeed seit Jahren Konzeptautos entwickelt. Er vermutet, dass Stadt und Land in den nächsten zwei Jahrzehnten unterschiedliche Entwicklungen nehmen: Ausserhalb der Städte wird der Individualverkehr mit Pkw vor­ erst wie gehabt weiterlaufen. In den ­Städten werden autonome Transport­ systeme an seine Stelle treten. Holger Weiss von German Autolab, dem Berliner Startup hinter Chris, dem Sprachassistenten für Autofah­ rer, sieht das genau so. «Autonome Systeme werden zuerst auf festen Strecken – ähnlich wie der Flugha­ fenbahn – kommen», vermutet er, «in ländlichen Bereichen könnten On-demand-Dienstleistungen wie ein Shuttleverkehr sinnvoll sein.» Navina Pernsteiner vom E-Mobility-Start-up Sono Motors glaubt, dass wir künftig lieber Autos teilen als eigene Autos besitzen werden: «Carsharing wird in den kommenden Jahren ein immer wichtigeres Thema.» Und: Wir wür­ den für jeden Anlass eine andere Ver­ kehrslösung wählen, glaubt BICARGründer Adrian Burri: «Je nachdem, wie weit wir fahren. Denn es ergibt keinen Sinn, dass wir es so wie heute machen und jede Strecke mit dem Auto zurücklegen.»

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DAS AUTO VON MORGEN ... Elf ra dikale Ide en für die Zukunf t de r For tb ewegung. Vom Mo dul-Auto bis zur rollen den Play Station , vom en er gieautarken Sharing-Sys te m bis zum revolution ären Wun der-Akku: Diese Unternehm en hab en das Autofahren neu  er fun den . Un d steh en jetz t mit ihren Konzepten kurz vor dem D urchb ruch .

1 ...  I ST SEINE EIGENE TANKSTELLE   Sono Motors, München, D PRODUK T: OPEN-SOURCE-ELEK TROAUTO

«Es gibt zwei Möglichkeiten, mit der komplexen Gegenwart umzugehen», sagt Jona Christians, einer der drei Gründer von Sono Motors, «man kann Mauern bauen. Oder sich öffnen.» Er und seine beiden Mitstreiter Laurin Hahn und ­Navina Pernsteiner setzen klar auf Letzteres. Und positionieren ihren 1 400 Kilogramm schweren und 80 Kilowatt starken Elektro-­Prototyp «Sion» als «Kollektivkraftfahrzeug» mit vielfältigem Nutzen für die Gemeinschaft. Eine von mehreren sympathischen ­Eigenschaften des Sion: Er ist zugleich Auto und Tankstelle. An sonnigen Tagen erzeugen die 330 Solarzellen am 7,5 Quadratmeter grossen Dach genügend Energie für 30 Kilometer Fahrt. Wird das Auto nicht verwendet, können andere Elektro­ autos auf den Akku zugreifen und den Sion als mobile Ladesäule benützen. Egoismus ist dem Sion auch in anderen Lebensbereichen fremd. Mithilfe der integrierten App haben Sion-Fahrer die Möglichkeit, Passagiere mitzunehmen oder ihr Auto zum Carsharing anzubieten. «Wir verstehen uns zugleich als Auto­ hersteller und als Mobilitätsdienstleister», sagt Laurin Hahn. Sogar bei den intimsten Betriebsgeheimnissen ist sharing bei Sono Motors caring: Die Baupläne des 16 000 Euro günstigen Sion stehen online. So kann jeder daheim seine Ersatzteile per 3D-Drucker oder CNC-Fräse selbst herstellen. Zu schön, um wahr zu sein? Nein. Die Serienproduktion soll bereits in diesem Jahr beginnen. Und die Chancen, dem Sion schon bald an der Ampel zu begegnen, stehen gut: Es gibt schon fast 10 000 Vorbestellungen.

FOTO Rob e r t Wunsch S T Y LI N G Ch ant al D r y wa

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Bodenständige Visionäre (v. li.): die Sono-Gründer Laurin Hahn, Jona Christians und ­Navina Pernsteiner

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Wird erstmals im neuen Design am Genfer Autosalon 2019 präsentiert: der Bicar

2 ... NIMMT DIR DAS DENKEN AB autoSense, Zürich PRODUKT: ADAPTE R UND S M ARTP H O NE-AP P

autoSense-CEO Jaap Vossen findet ein eigenes Fahrzeug ei­ gentlich ganz praktisch. Wenn er nur nicht so wahnsinnig un­ praktisch wäre. «Du musst an tausend Dinge denken, für die du eigentlich keine Zeit hast», sagt er. «Von der Parkplatz­ suche und dem Pneuwechsel übers Fahrtenbuch bis zur Schadensabwicklung.» Die bestechende Idee: Um all die­ sen Kram soll sich gefälligst kümmern, wer dafür verant­ wortlich ist – also das Auto selber. Mittels auto­Sense-App und autoSense-Adapter geht das ganz einfach: Nun zeigt dir dein Auto den nächsten freien Parkplatz, findet die günstigste Tankstelle belastet die Leis­ tung direkt dem hinterlegten

«FAHRTEN BUCH? PARKPLATZSUCHE? DAS AUTO MACHT ALLES SELBER.» 54

Zahlungsmittel oder leitet die Rechnung an deine Firma wei­ ter, wenn du geschäftlich un­ terwegs bist. Doch das ist erst der Anfang. Über die OBD2Schnittstelle – diesen AnalyseSteckplatz besitzen Benzinau­ tos ab Baujahr 2001 – können alle Fahrzeugdaten ermittelt, geteilt und sinnvoll genutzt werden. «Leuchtet eine Warn­ lampe auf, rufe ich nicht mehr zwingend den Pannendienst», sagt Vossen, «sondern meine Garage erhält eine Nachricht und erstellt gleich eine Fern­ diagnose. Ich werde umge­ hend kontaktiert, erfahre, ob ich ohne Gefahr weiterfahren darf, und bekomme automa­ tisch einen Werkstatttermin.» Ebenso könntest du künftig deine Kilometerabrechnungen erledigen. Dann könnte die App die Dauer deiner Firmen­ fahrten an die Finanzbehörde weiterleiten, die dann das Kilometergeld berechnet und versteuert – ganz ohne müh­ sames Fahrtenbuchführen. «Jeder kann sich aussuchen, welche Angebote er nutzen und welche Daten er preisge­ ben möchte», sagt Vossen.

Die autoSense-Idee: App und Adapter kümmern sich um Wartung und Bürokratie.

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... SPART ZEIT UND PLATZ   BICAR, Winterthur P RO D U K T : S H AR ED - M O B I L ITY- LÖ S U NG

Adrian Burri ist in seinem ­Leben schon viel Zug ge­ fahren. Er schätzt es, dass man am Weg zu einem Ge­ schäftstermin noch produktiv arbeiten kann. Wenn nur der letzte Kilometer zum eigent­ lichen Ziel nicht wäre! «Ein Taxi ist teuer, Busse haben oft lange Intervalle, Leihfahr­ räder sind für den Geschäfts­ termin unpraktikabel», zählt er die Nachteile gängiger Alternativen auf. Sein Gegenvorschlag ist der BICAR: eine Mischung aus Scooter und Auto, das

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4 ... IST TOTAL VERNETZT   Bestmile, Lausanne

AUTOSENSE, SHARE YOUR BICAR, BESTMILE

P RO D U K T : C LO U D S O LU T I O N

nur 1,2 Quadratmeter Platz braucht und im urbanen Nahverkehr eine ungenützte Nische besetzt. Es ist neunmal platzsparender als ein Auto, dank drei Rädern und Voll­ verkleidung sicherer, komfor­ tabler und wetterfester als ein Töffli und mit seinem je nach Bauweise 25 oder 45 km/h schnellen Elektromotor be­ quemer als ein Fahrrad. Das – laut Eigenaussage – «weltweit kleinste und mit Abstand leichteste, saisonal unabhängig nutzbare Elektro­ fahrzeug» ist gleichzeitig ein Öko-Wunder. Mit Solar­ paneelen am Dach erzeugt es seine eigene Antriebsenergie (für trübe Tage ist ein ErsatzAkku an Bord). Zugleich er­ füllt es als erstes Fahrzeug den Cradle-to-Cradle-Nachhaltig­ keitsstandard – alle Bauteile sind also rückstandslos rezy­ klierbar. Doch bewährt sich der BICAR auch im Alltag? INNOVATOR

Das wird man ab Herbst sehen, wenn das umwelt­ freundliche Mikrofahrzeug in Winterthur, Baden und Basel in den Testbetrieb geht. Für zwei Zielgruppen könnte das BICAR besonders interessant sein: «Wir möchten einerseits bereits bestehende Mobility-Partner ansprechen, die ihr Angebot erweitern wol­ len», sagt Burri, «andererseits könnte der BICAR aber auch eine sehr i­ nteressante Alterna­ tive für Unternehmen sein, die einen grösseren Campus oder inner­halb einer Stadt meh­ rere Zweigstellen haben. Mit ­eigener BICAR-Flotte könnten solche Unternehmen sehr viel Zeit und Kosten sparen.»

Die Idee für Bestmile wäre vielleicht nie entstanden, hätte Mitgründer Raphaël Gindrat nicht als Student ein zweimona­ tiges Praktikum bei einem Entwickler für Robo-Shuttle-Dienste gemacht. «Dort wurde mir erst so richtig klar, wie stark autonome Fahrzeuge das 21. Jahrhundert prägen werden», sagt er. Doch Gindrat interessierte sich weniger für die Ent­ wicklung autonomer Autos als für die In­ frastruktur dahinter. Deshalb gründete er zusammen mit Business-Partnerin Anne Mellano Bestmile. Diese Mobility-ServicePlattform organisiert den reibungslosen Betrieb autonomer und von Menschen gelenkter Fahrzeugflotten – von der Rou­ tenplanung über den Batteriewechsel bis zum Tarifsystem. Dafür entwickelt Bestmile Apps und Interfaces, die im Hin­ tergrund zentral alle notwendigen Daten vernetzen und verarbeiten, vergleichbar mit einem automatisierten, virtuellen Tower am Flughafen. «Mit unserer Hilfe können die Provider sichere und leistbare Transportmodelle entwickeln», sagt Anne Mellano. Mit Stützpunkten in Lausanne, und San Francisco dürfte sich das Startup perfekt für die Herausforderungen der nächsten Jahre positioniert haben.

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NIEDERVOLT-­ SUPERCAR

Der QUANT 48VOLT leistet 760 PS, ist in 2,4 Sekunden auf 100 km/h und riegelt bei 300 ab.

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VIER NIEDERVOLTMOTOREN

Dank Flusszellen­ antrieb setzt der Supersportler ein  Dreh­moment von 2 000 Newton­ metern um. Pro Rad.

Mit den umweltfreundlichen Niederspannungs-Akkus sollen Reichweiten bis zu 1 000 Kilo­ meter möglich sein.

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... FÄHRT MIT MINIMALEM ENERGIEAUFWAND   n a n o F l owc e ll, K il c h b e rg

DIE NANOFLOWCELL LÄDT MAN NICHT WIEDER AUF: MAN BETANKT SIE. 56

SECHS NANOFLOWFLUSSZELLEN

P RO D U K T : NI ED ERVO LT BATT ER I E

Ultraleicht, super leistungsstark, dazu auch noch umweltfreundlich: Der extrovertierte Brugger Unternehmer Nunzio La Vecchia behauptet, die nächste Generation von Hochleis­ tungsakkus entwickelt zu haben. Seine nanoFlowcell ist eine kompakte Flusszelle, die beim Ionenaustausch zweier Elektrolytkreisläufe Energie erzeugt – was eine Reichweite von bis zu 1 000 Kilometern ergibt. Danach muss sie nicht neu geladen, sondern

neu betankt werden – mit frischer, neu geladener Elektrolytflüssigkeit. Rund um die Wunderbatterie baute La Vecchia ein drei Millionen Euro teures Elektrofahrzeug, den QUANT 48VOLT – und dessen mit 65 000 Euro vergleichsweise bescheidenes Ge­ schwisterchen QUANTINO. Ein inter­ nationales Konsortenteam soll schon 25 000 Stück bestellt haben, gebaut werden soll das Fahrzeug im Tessin. Dort will der Unternehmer noch 2019 für 150 Millionen Franken die «Quant City» bauen und 2 500 Arbeitsplätze schaffen. La Vecchias innovatives Meisterstück – oder eine moderne Münchhausengeschichte? «Ich ver­ stehe die Zweifler», sagt La Vecchia. «Ich wäre auch sauer, wenn ein ande­ rer es geschafft hätte und ich nicht.»

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NANOFLOWCELL HOLDINGS LTD., HOLORIDE

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...  V ERSETZT DICH IN VIRTUELLE WELTEN   H o l o r i d e, M ü n c h e n , D PRODU KT: V R-UNTERH A LTUNGS E L EK TRO NI K

Wer sich am Auto-Rücksitz für Captain America hält, entgegenkommende Autos mit Laserkanonen beschiesst und in jeder Kurve feindlichen Raumschiffen ausweicht, der ist entweder ein Achtjähriger mit blühender Fantasie, am Wochenende mit zu vielen bunten Pillen in Berührung gekommen – oder Test-User der genialen Spieletechnologie Holoride. Das von drei Audi-Angestellten gegründete Start-up aus München entwickelt Rücksitz-Unterhaltung per VirtualReality-Brille. Dabei wird jede Fahrzeugbewegung unmittelbar ins Spiel eingebaut – wie im erwähnten «The Avengers»-Demo, das zusammen

Umwege erwünscht: Holoride macht den Rücksitz zum Raumschiff-Cockpit.

6 mit Disney für die CES in Las Vegas entwickelt wurde. «Unsere Techno­ logie passt die virtuelle Realität ­automatisch an das reale Erleben von Bremsen und Beschleunigung, Tempo und Fliehkraft an», sagt CEO und ­Mitgründer Nils Wollny, «wir nennen das ‹elastischen Content›.» Die Codes stehen anderen Entwicklern online zur Verfügung, um damit neue Spiele oder Lerninhalte zu entwickeln – vom Unterwasserabenteuer bis zur virtuellen Reise durch den Blutkreis­ lauf. Das Beste daran: Etliche TestUser, denen sonst beim Beifahren übel wird, kamen mit Holoride klaglos zurecht – weil das virtuelle Erlebnis genau zu den gefühlten Bewegungen passt. Einen gravierenden Nachteil hat die neue Technologie, die in den nächsten drei Jahren auf den Markt kommen soll, freilich auch: Herkömmliche Games könnten danach ziemlich langweilig wirken …

HOLORIDE BAUT JEDES RUCKELN DES AUTOS INS SPIEL EIN.


7 ... ZEIGT DIR , WAS WIRKLICH WICHTIG IST   Way Ray, Zü r i c h PRODUKT: AUGMENTED-REALITY-NAVIGATION

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Sicherer unterwegs: WayRay projiziert alles, was wichtig ist, auf die Windschutzscheibe.

Navion, WayRays ­holographisches ­Navigationssystem, ­orientiert sich im Strassenverkehr schneller als der ­erfahrenste Fahrer.

Reality-Navigationsgerät, projiziert während der Fahrt laufend alle wichtigen Informationen auf die Windschutzscheibe – genauer gesagt, auf einen virtuellen Punkt zehn Meter vor der Motorhaube, damit das Auge seinen Fokus nicht permanent neu ausrichten muss. Der Fahrer folgt der empfohlenen Fahrlinie, wird auf kreuzende Fussgänger und Radfahrer aufmerksam gemacht oder vor einem ausparkenden Auto gewarnt. Die projizierten Linien und Symbole lenken dabei seine Aufmerksamkeit nur auf die wesentlichen Dinge – wie ein Marker, der im Text wichtige Passagen hervorhebt. «Unser System beruht auf zwei Komponenten», erklärt

Ponomarev, «der Hardware, mit der wir einen holographischen Film auf die Windschutzscheibe projizieren. Und der Software, die die Daten von Kamera, Radar, Lidar und Fahrzeugsensoren erkennt und aufbereitet.» Das Navion ist freilich nur der Beginn. «Wir erfinden selbst die Technologien, mit denen wir unsere Produkte weiterentwickeln können.» Und die könnten auch noch für ganz andere Branchen nützlich sein, nicht «nur» für die Transportindustrie. Der A6-Totalschaden scheint sich jedenfalls gelohnt zu haben: Bis Jahresende will WayRay ein «Unicorn» sein – also ein Start-up mit einem Marktwert von einer Milliarde Dollar.

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WAYRAY, MICROLINO AG

Der Kasache Vitaly Ponomarev musste erst die schlechteste Idee seines Lebens haben, bevor ihm die beste Idee seines Lebens einfiel. (Ärgerlich: Die eine fiel uns allen schon einmal ein, die andere nur ihm.) Die schlechte hatte er 2012 in seinem Audi A6, als er am Moskauer Aussenring beschloss, sich etwas zu intensiv mit seinem Navigationsgerät und etwas zu oberflächlich mit dem Strassenverkehr draussen zu beschäftigen. Das Resultat: ein böser Auffahrunfall. Ein geschrotteter A6. Und ein genialer Einfall: Wir brauchen ein Navi, das uns beim Fahren nicht ablenkt. Im Gegenteil, es sollte uns helfen, alles Wichtige klarer wahrzunehmen. Ponomarevs in Zürich beheimatetes Startup WayRay erfüllt all diese Ansprüche – und animierte Investoren wie Porsche, Hyun­ dai und Alibaba zu einer 80-Millionen-Finanzspritze. Sein Prinzip: Das Navion, ein Holographic-Augmented-


8 ... IST EIN iPAD ZUM FAHREN   Micro Mobility, Küsnacht P RO D U K T : VI NTAGE- STADT F L I TZ ER

BIS ENDE 2019 WILL WAYRAY EINE MILLIARDE DOLLAR WERT SEIN.

Im umkämpften E-MobilityMarkt beansprucht fast jeder Hersteller einen Superlativ für sich. Der Titel für das niedlichste E-Auto geht aber eindeutig an den 435 Kilo leichten und 2,4 Meter kurzen Microlino – einen charmanten Stadtflitzer im Vintage-Look der Kabinenroller aus den 1950er-Jahren. Der Einstieg erfolgt wie beim Kult-Vorbild BMW Isetta von vorn, die Batterie (Reichweite je nach Motorleistung: 125 oder 200 Kilometer) kann an jeder Haushaltssteckdose binnen vier Stunden auf­ geladen werden.

Neues Trend­ fahrzeug? Hinter dem Microlino steckt der Erfinder des Microscooters.

Micro-Mobility-CEO Wim Ouboter nennt den Microlino «das i-Pad der E-Mobility», weil er wie das Apple-Tablet das Beste zweier Welten verbindet: die Bequemlichkeit eines Autos mit Platzbedarf und Wendigkeit eines Töfflis. Und: Wegen kleinerer Batterie, leichteren Gewichts und weniger be­ nötigter Teile verbraucht der Microlino, verglichen mit der Konkurrenz, 60 Prozent weniger Energie für seine Produktion (und rund 65 Prozent weniger während der Fahrt). Die ersten Design-Ideen dafür entstanden bereits Anfang 2015, die Serienproduktion erfolgt seit Anfang 2019 in Deutschland. Im Frühjahr werden die ersten Microlinos in der Schweiz ausgeliefert, 10 000 sind bereits reserviert. Die grosse Nachfrage ist keine übermässige Überraschung. Schliesslich kennt sich Ouboter gut mit Kultfahrzeugen aus: Er erfand vor dem Microlino schon den Microscooter und das Kickboard.   59


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... BESTEHT AUS ZWEI MODULEN

Das elektrische Konzept-Auto «Noah» besteht aus Bioplastik, hergestellt aus Flachs und Zucker.

Rinspeed, Zumikon P RO D U K T : M O D U L-AU TO « S NAP»

Noah, Eindhoven, NL PRODU KT: NACHHALTIGES E LE KTROAUTO

«Nachhaltige Produkte sind machbar – sogar wenn es sich um so komplexe Dinge wie ein Auto handelt», sagt Cas Verstappen. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen von TU/ecomotive hat der Student der TU Eindhoven ein nur 420 Kilo leichtes Elektro­ auto entwickelt. «Noah» hat 240 Kilometer Reichweite und schafft 110 km/h Höchst­ geschwindigkeit. Und das, ob­ wohl die Akkus des Prototyps nur schlanke 60 Kilo wiegen. Mehr Batteriekapazität ist

«DAS CHASSIS DES NOAH IST ZUR GÄNZE AUS BIOPLASTIK GEMACHT.»

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«Heute stehen unsere Blech­ kiste 23 Stunden am Tag ungenutzt herum. Als Modul­ lösung könnte sie Pakete ausliefern, während wir in der Arbeit sind. Oder Taxi fahren, wenn wir schlafen», sagt Rinspeed-Mastermind Frank M. Rinderknecht. Sein ­unkonventioneller Vorschlag

bei dem minimalen Gewicht nicht nötig. Zum Meilenstein macht den Noah aber seine Her­ stellungsweise. Chassis und Karosserie bestehen zur Gänze aus Bioplastik, das aus Zucker gewonnen und teilweise mit Flachsfaser verstärkt wurde. Dieses erneuerbare, in Sand­ wichweise verarbeitete Mate­ rial ist zugleich superleicht und extrem stabil, verbraucht bei der Herstellung aber sechs­ mal weniger Energie als her­ kömmliche Leichtmaterialien wie Aluminium oder Carbon. «Am Ende seines Produkt­ lebens könnte dieses Auto nicht nur rezykliert, sondern teilweise sogar kompostiert werden», sagt Verstappen. An eine Serienproduktion denken die Studenten einstweilen noch nicht. «Wir wollen die Industrie dazu inspirieren, out of the box zu denken», sagt Verstappen, «jeder, der Lust hat, kann unsere Ideen übernehmen und weiter­ entwickeln. Denn nur so wer­ den wir gemeinsam die SDGs (die UN-Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung; Anm.) erreichen.»

10 Ein «Skateboard», ein «Pod»: Rinspeeds Zukunftskonzept setzt auf 2-Komponenten-Fahrzeuge.

TU/ECOMOTIVE, RINSPEED, GERMAN AUTOLABS

... IST KOMPOSTIERBAR


für die Zukunft: der «Snap» – ein Konzept-Auto, das aus zwei Modulen besteht. Modul 1 ist das sogenannte «Skateboard» – ein Chassis mit allen elektronischen Bauteilen. Darauf sitzt Modul 2 – der «Pod» –, das je nach Bedarf Fahrgastzelle, Lastfläche, Tiefkühlbox oder Krankentransporter sein könnte. Voraussetzung dafür wären smarte Ökosysteme mit vernetzten, autonom fahrenden Robo-Snaps. Um das Knowhow dafür zu bündeln, hat Rinderknecht das Start-up Snap Motion gegründet, das ebenfalls aus zwei Modulen besteht: Der Standort im ­Silicon Valley kümmert sich um die Automatisierungssoft-

ware, das Expertenteam in der Schweiz um die Hardware des Zukunfts­autos. Gemeinsam soll der Snap vom Konzept zur ­Serienreife gehoben werden. Um die Grossproduktion müssten sich dann freilich andere kümmern, sagt Rinderknecht – wenn nur die Mühlen der grossen Konzerne nicht so langsam mahlen würden. «Die konventionelle Autoindustrie hat leider noch nicht begriffen, welche tollen Möglichkeiten uns die rasante Entwicklung von IT und Digitalisierung bietet, oder setzt sie komplett falsch ein», sagt Rinderknecht, «denn mal ehrlich: Wer braucht wirklich die achtzigfach verstellbare Rücklehne?»

... HAT EINEN BUTLER AN BORD   Ch r is , B e r lin , D P RO D U K T : S P R AC H AS S I ST ENT

Allergisch auf geschwätzige Beifahrer? Keine Angst, Chris ist keiner von der Sorte. Er redet nur, wenn er gefragt wird – oder wenn er wirklich nützliche Dinge zu sagen hat. Ansonsten erfüllt er seine Pflichten als Beifahrer korrekt und besonnen. Denn Chris ist so etwas wie ein mitfahrender Butler für Autofahrer: ein neun mal neun Zentimeter grosser Sprachassistent, mittels Saugnapf an die Windschutzscheibe geklebt, der über Sprachbefehl oder Gestensteuerung navigiert, Musik spielt, telefoniert oder Nachrichten versendet. Die Verbindung mit dem eigenen Smartphone erfolgt über Bluetooth. «Jeder von uns weiss, wie gefährlich es ist, während der Fahrt zu telefonieren, Nachrichten zu schreiben oder am Navi herumzunesteln – aber jeder tut es», sagt CEO und Gründer Holger Weiss, «mit Chris wollen wir einen wirksamen Beitrag zur Vermeidung von Unfällen leisten.» Denn um Chris zu bedienen, muss der Fahrer weder den Blick von der Strasse abwenden noch die Hand vom Lenkrad nehmen. «Läuft alles nach Plan, spricht Chris in fünf Jahren etliche Sprachen und wird von mehreren Autoherstellern serien­ mässig mitgeliefert», hofft Weiss. Das wichtigste Kriterium für den perfekten Beifahrer erfüllt er aber schon jetzt: Chris kommt ganz ohne Pinkelpausen aus.

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32,5 KM/H

Die Höchstgeschwindigkeit von Alexander Prass, einem zentralen Mittelfeld­ spieler der U18

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SPIELT 62

DIE

ZUKUNFT

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SPIELFELD

Vier Basisstationen auf jeder Torseite sammeln über Funk die Positionsdaten der Spieler.

30 SPRINTS

Die Zahl der Sprints mit über 5,5 m/s, die Mittelstürmer Luka Reischl (U15) in einem Spiel zurücklegt

1285 METER

Die Anzahl der besonders intensiven Anlauf-, Highspeed-, und Abbremsmeter von Luka Reischl (U15) pro Spiel

DIE RED BULL AKADEMIE IN LIEFERING IST EINES DER FORTSCHRITTLICHSTEN AUSBILDUNGSZENTREN DER WELT. MIT EINEM UNERREICHTEN OUTPUT: NIRGENDWO SONST SCHAFFEN GERADE MEHR AKADEMIESPIELER DEN SPRUNG IN EUROPÄISCHE TOPBEWERBE. EIN EXKLUSIVER RUNDGANG DURCH DIE FUSSBALL-TALENTSCHMIEDE. FOTOS: GIAN PAUL LOZ Z A

TE XT: REINER K APELLER


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SCHNELLKRAFT

Das portable Sprint­ gerät «1080 Sprint» errechnet den maxi­ malen Power-Output und weiss, welcher Fuss mehr Kraft auf den Boden bringt.

PROZENT

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ZEITMESSUNG

Lichtschranken die­ nen zur Zwischen­ zeitmessung auf der 55-Meter-Laufbahn – zuerst alle fünf, dann alle zehn Meter.

Alexander hat seine Sprint­ leistung im letzten Jahr um sieben Prozent gesteigert, er läuft die 20 Meter in 3,02 Sekunden.

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WIDERSTAND

Der Spieler rennt an einer Kordel gegen den Widerstand der Hightech-Seilwinde an – und zieht bis zu 80 Prozent seines Gewichts.

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METER/SEKUNDE So schnell führen die Spieler bei einem geschwindigkeits­ basierten Training zehn Kniebeugen aus.

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TOUCHSCREEN

Via Tablet können sich die Spieler ein­ loggen, ein perso­ nalisiertes Workout abrufen und ihre Leistung überprüfen. 2

VIDEOANALYSE

Zwei Infrarotkameras halten fest, mit wie vielen Metern pro Sekunde die Hantel­ stangen gezogen und gedrückt ­werden.

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M MAN HÄTTE SICH DIE ANNÄHERUNG AN DIE ZUKUNFT DES FUSSBALLS VIELLEICHT ETWAS WENIGER BESCHAULICH VORGESTELLT.

Zur Red Bull Akademie fährt man durch ein ländliches Idyll, eine von Bäumen gesäumte Landstrasse entlang, links fliesst die Saalach, ein wenig weiter rechts die Salzach. Am Ende der über einen Kilometer langen Strasse liegt das 12.000 Quadratmeter grosse Gelände, auf dem 200 junge Fussballtalente aus sieben Nationen in acht Jugend- (U7 bis U14) und drei Akademiemannschaften (U15, U16, U18) arbeiten, von 120 hoch spezialisierten Mitarbeitern unterstützt, die von Trainingssteuerung bis Nachspeisenzubereitung sämtliche relevanten Bereiche professionell abdecken. Es ist ein europaweit einzigartiger und einzigartig erfolgreicher HightechKomplex mit sechs Fussballfeldern, Fussballhalle, Kraftkammer, Athletikraum und Motorikpark, mit Sensoren, die Tag und Nacht Daten sammeln, die auf Servern gespeichert und von Computerprogrammen aufbereitet werden. Fussball wird hier nicht auf dem Stand des Jahres 2019 gedacht, sondern der Jahre 2020, 2025 und darüber hinaus. Über dem Haupt­ eingang der erst im September 2014 eröffneten Akademie prangen die Buchstaben enter the next level. Und man hat hier allen Grund, selbstbewusst zu sein. 2017 gewann die U19 die UEFA Youth League, die Cham­ pions League der Vereinsnachwuchs­ teams – mit acht selbst geformten Akademie­spielern im Finale. 2018 erreichte der FC Red Bull Salzburg das UEFA Europa League-Halbfinale, mit sechs in der Akademie ausgebildeten Spielern in der Startformation. Nirgendwo sonst schaffen derzeit mehr Akademietalente den Sprung in Europas Topbewerbe. Regelmässig kommen internationale Spitzenklubs in Liefering vorbei, zuletzt Vertreter aus Deutschlands und Spaniens Erster Liga. Was die Akademie vom Gros internationaler Nachwuchszentren unterscheidet? Die Dimensionen, die Ausstattung, das technische Know-how?

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«Die Spiel- und Ausbildungsphilo­ sophie», sagt Manfred Pamminger, Geschäftsführer des FC Liefering. «Die ist bei uns in Stein gemeisselt. Jeder einzelne Trainer, jeder einzelne Mit­ arbeiter, jeder einzelne Spieler agiert nach dieser Idee. Das macht unseren Erfolg aus.» Es ist das Pressing, Gegenpressing und schnelle Umschalten, das die Spieler verinnerlicht haben. Es ist die Leidenschaft, die auf dem Feld und abseits davon von jedem geteilt wird. Zum Leben erweckt wird diese Philosophie mit modernster Technologie. – Willkommen zum Rundgang durch die Zukunft des Fussballs.

STATION 1 DER ATHLETIKRAUM: VOLLE KRAFT VORAUS Sprint-Training? Selbst heute bei vielen Spitzenklubs immer noch eine Sache von mit Gewichten beladenen Schlitten, die Gewichte ungefähr ­geschätzt, und weil ein gleitender Schlitten weniger Widerstand leistet als ein stehender, wird Explosivität nur am Start effektiv trainiert. In Liefering läuft’s anders. Mit einem speziellen Sprint-Trainingsgerät, bei dem sich der Spieler einen Gürtel ums Becken schnallt, der über eine Kordel mit einer computergesteuerten Hightech-Seilwinde verbunden ist, und gegen einen exakt einstellbaren Widerstand anrennt. Der Trainer analysiert die Leistungskurve in Echtzeit am Laptop, weiss nach wenigen Läufen, bei welchem Widerstand der Spieler maximale Kraft erbringt, wann er seine Höchstgeschwindigkeit erreicht, wie lange er sie halten kann, und sogar, welcher Fuss mehr Kraft auf den Boden bringt. Die Daten dienen zum permanenten Feintuning des

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DAS SPIEL MIT DEN DATEN Ohne Daten geht im Fussball heute gar nichts mehr. In der ­Akademie werden sie ab der U15 systema­ tisch gesammelt. Und zwar in allen Bereichen: beim Athletiktraining, bei technischen und taktischen Einheiten am Platz, sogar bei kogni­ tiven Einzelübungen, etwa im SoccerBot360. Das schafft nicht nur Vergleichswerte für die eigene Leistung, sondern auch Benchmarks für ganze Jahrgänge. Und damit stets auch An­ haltspunkte, ob Spieler und Team den hohen Erwartungen entspre­ chen – oder sie sogar über­flügeln.

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DEUTLICH AUSDAUERNDER Wenn die Anstrengung für einen Sportler zu gross wird, dann «übersäuern» seine Muskeln. Gemeint ist damit ein erhöhter Laktatwert im Blut. 2 Millimol/Liter (mmol/l) gilt als aerobe Schwelle, das ist der Bereich, in dem Sauer­ stoffzufuhr und -verbrauch etwa ausgeglichen sind. Im aneroben Bereich benötigen Muskeln mehr Sauerstoff, als der Körper zuführen kann. ­Alexander hat seine Geschwindigkeit in beiden Bereichen erhöht.

Alexander, 17, hat im Ausdauer­ bereich klar mess­ bare Fortschritte gemacht.

Mitte 2017

Anfang 2018

2 mmol/l

12,3 km/h

15,6 km/h

4 mmol/l

15,6 km/h

16,7 km/h

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BEIDBEINIG IM SOCCERBOT Luka arbeitet seit Oktober 2018 mit dem SoccerBot360 – einem Trainingsgerät zur Verbesserung der Ballmitnahme und Orientierung. Durch das Training hat er seine Trefferquote deutlich erhöht. Was noch wichtiger ist: Luka traf nicht nur öfter, er reduzierte gleichzeitig auch seine Ballhaltezeit. Und er passt jetzt öfter mit dem linken, seinem schwächeren Fuss. Das macht ihn zu einem kompletteren, vielseitigeren, besseren Fussballer.

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Den Seitfallzieher zeigt Luka, 15, mit rechts, seine Pässe spielt er beidbeinig.

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Trainings – und weil sie in einer Daten­ bank archiviert werden, dienen sie auch dazu, den Leistungsfortschritt eines Spielers über Jahre nachvoll­ ziehbar zu machen. Pamminger sieht in dem Gerät namens «1080 Sprint» einen der Ecksteine des Akademie-Erfolgs. «Unsere Jungs müssen extrem schnellkräftig sein, darauf ist unser Spielsystem aus­ gelegt. Und im modernen Fussball sind 90 Prozent aller Sprints maximal 20 Meter lang.» Manchmal laufen die Akademie-Spie­ ler schneller, als sie können: Denn die Seilwinde ist auch so einstellbar, dass sie der Kordel keinen Widerstand leis­ tet, sondern sie aufspult. Der Spieler, der in dem Fall auf die Winde zuläuft, wird von ihr gezogen, beschleunigt also – und gewöhnt die Beine an neue Höchstgeschwindigkeiten.

STATION 2 DER HIGH-TECHKRAFTRAUM: VIDEO-WORKOUT 2.0 Direkt neben der Laufbahn stehen 13 Arbeitsstationen für das Kraft­ training. Gewichtiger Unterschied zur herkömmlichen Muckibude: Der Spieler loggt sich über das Tablet ein, spult sein Programm ab und erhält Feedback von Computer oder Trainer. Denn auf jeder Station ist ein Computer montiert, der mittels Infra­ rotkameras und Tablet das Training überwacht, Daten sammelt und in ein Netzwerk speist. Der Clou: Athletik­ trainer können über eine Software im Büro – bei Bedarf natürlich sogar in Echtzeit – individuelle Workouts erstellen. Wenn der Trainer gerade keine Zeit hat, kann er das Video auch Stunden später am PC analysieren. Zusätzliches Feature: Der Spieler kann seine Leistung mit Teamkameraden im Raum vergleichen. Dafür tracken Infrarotkameras die Bewegung der Hantelstangen, zählen jede Wieder­ holung, messen die Leistung in Watt sowie Höchst- und Durchschnitts­ geschwindigkeit, mit der die Hantel­ stangen gezogen und gedrückt werden, in Metern pro Sekunde. Und liefern zugleich Antwort auf die Frage: Wer ist der Stärkste im Jahrgang? 68

STATION 3 ANTI-SCHWERKRAFTLAUFBAND: AUF DEM MOND TRAINIEREN Ein deftiges Tackling, eine unglück­ liche Drehung: Egal wie fit man ist, Verletzungen gehören zum Fussball. Spieler müssen lernen, damit um­ zugehen – und vor allem müssen sie lernen, so schnell wie möglich wieder fit zu werden. Dank dem AntiSchwerkraft-Laufband der Akademie gelingt das Comeback jetzt deutlich schneller. Denn mit dem ursprüng­ lich für Astronauten entwickelten Trainingsgerät können rekonvales­ zente Sportler schon früh wieder in die Vorbereitung einsteigen – sogar

ALEXANDER PRASS MITTELFELDSPIELER Alexander, 17, ist laufstark und verfügt über einen guten linken Fuss. Er ist zudem torgefährlich, erzielte im Herbst 2018 acht Treffer selbst und legte acht weitere auf.

88 Doppelzimmer gibt es im Internat der Akademie. Nicht im Bild: der herrliche Blick auf die Salzburger Berge


wenn sie das eigentlich noch gar nicht könnten. Pamminger: «Der Spieler trägt auf dem Laufband eine Hose, die luftdicht mit einer bis zur Hüfte reichenden Luftkammer abschliesst. Ein Gebläse erzeugt darin Überdruck, was das Körpergewicht um bis zu 80 Prozent verringert.» Eine Art Moonwalk, der den Spieler früh wieder an eine natürliche Laufbewegung gewöhnt und Regenerationstrainings im Wasser überflüssig macht. Denn mit Neigungssimulation bis 15 Grad, Rückwärtslauf-Programm und einer Höchstgeschwindigkeit von 19 km/h ist das «AlterG» eindeutig die inno­ vativere Reha als gemächliches Wassertreten. Auch hier gibt es ein zusätzliches Feature: Ein integriertes Gang-Analysesystem trackt Schrittlänge und -frequenz sowie Gewichtsver­ teilung und zeigt Fehlstellungen an.

WA S W U R D E A U S D E N1 9Y OU TH

5%

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Wer sich die Trainingsstationen in der Akademie ansieht, stellt sich relativ früh eine Frage: Wird Fussball hier noch als Mannschafts- oder bereits als Einzelsport gesehen? Die Spieler trainieren auch nach individuellen Plänen, variieren Umfang und Intensität je nach Position, persönlichen Stärken, Schwächen und Trainingszielen. Und das gilt nicht nur in puncto Athletik, sondern mehr und mehr auch im Denken, im Auffassen und Lösen von Spielsituationen und im Treffen von Entscheidungen. Alex­ ander Schmalhofer, 32, Leiter Spielanalyse und Innovationsprojekte, widmet sich in der Akademie den Bereichen, für die es oft noch keine Vergleichswerte gibt. Sein neuestes Forschungsobjekt ist der SoccerBot360. Das Trainings-Tool steht im zweiten Stock der Akademie, 50 Meter vom Athletikraum entfernt.

GEPA PICTURES

STATION 4 DER SOCCERBOT360: FUSSBALL BEGINNT IM KOPF

ERSTE LIGA

ZWEITE LIGA

DRITTE LIGA

Elf Absolventen spielen heute in der höchsten Klasse – neun davon in Österreich, je einer in Deutschland und Polen.

Sieben Jungtalente verdienen ihr Geld in Österreichs 2. Liga, etwa beim FC Liefering oder beim FC Juniors OÖ.

Ein Spieler des YouthLeague-Kaders beweist sich in der Regionalliga Ost, der dritten österreichischen Liga.

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Der erste Gedanke im SoccerBot360: So geht Computerspielen in Über­ lebensgrösse. Der zweite: Hier drin werden Athleten wieder zu Jungen, die den Ball gegen das Garagentor knallen. Im kreisförmigen Trainings­ gerät – zehn Meter Durchmesser, neunzig Quadratmeter Spielfeld –

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1 2

28

PROZENT

Lukas Antizipations-Score beträgt 429 – und liegt damit um 28 Prozent über dem Team­ durchschnitt der U15.

1

2

ORIENTIERUNG

360 Grad um den Spieler herum leuchten Fussball­tore auf, die der Spieler mit Pässen treffen muss. 3

3

BEIDBEINIGKEIT

Die Software des SoccerBot360 analysiert, wie oft mit dem schwachen Fuss gepasst wird.

TREFFERQUOTE

Eine Highspeed-­ Kamera ermittelt, wie schnell, scharf und genau das Ziel getroffen wird.

macht man im Prinzip auch genau das, ­allerdings auf dem letzten Stand der Wissenschaft. Sechs Beamer projizieren Computerbilder an die Wand, zum Beispiel kleine Fussballtore, die der Spieler unter Zeitdruck mit Pässen treffen muss. «Die Jungs sollen schneller denken lernen, Prozesse verarbeiten und ihr Blickverhalten trainieren», sagt Schmalhofer. Wie gut sie darin sind, trackt eine HighspeedKamera. Sie ermittelt, wie schnell, scharf und genau gepasst wird. Oder wie oft der schwache Fuss zum Zug kommt – denn eine hohe Trefferquote ist nur dann wirklich gut, wenn mit beiden Beinen annähernd gleich oft gepasst wird. Verblüffend: Gerenderte Spielszenen eines Trainings oder Matchs lassen sich an die Wand projizieren und nochmals erleben. So kann man dem Spieler in einer Art virtuellem Replay Pass- und Laufwege zeigen, die er zu­ vor übersehen hat. Die Positionsdaten für diese Big-Data-Berechnungen sammelt ein Local-Position-Measure­ ment-(LPM-)System, 100 Meter weiter im eigentlichen Herz der ­Akademie. 70

STATION 5 LPM INDOOR: BIG DATA IN DER GROSSEN HALLE Schlechtwetter? Kein Problem. Auf dem Kunstrasen der 6000 Quadrat­ meter grossen Halle finden nicht nur Trainings- und Bewerbsspiele statt, hier sammelt auch ein LPM-System, das exakteste Sport-Tracking-System der Welt, über acht Basisstationen die Positionsdaten aller Spieler und des Balls auf dem Feld. Und das 25‑mal pro Sekunde. Wer schlecht im Überschlagen ist: Bei 22 Spielern plus Ball sind das in 90 Minuten über drei Millionen Rohdaten. Und die sitzen, denn das LPM-System ortet auf fünf bis zehn Zentimeter genau, ist damit einhundertmal präziser als GPS. Kombiniert man die Rohdaten, erhält man genaue Anlauf-, Highspeed- und Abbremsmeter der Spieler, aber auch technische und taktische Werte wie Passquoten und Ballbesitzzeiten. Selbst biometrische Daten können

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mit dem System gesammelt werden, etwa Herz- und Atemfrequenz oder die Hauttemperatur der Spieler. Be­ eindruckend. Aber, so Schmalhofer: «Ich kann noch so viele Daten haben, ohne Zusammenhang helfen sie mir nicht weiter.» Daher veredeln, interpretieren, verknüpfen er und sein Team Daten auf dem Computer, gewinnen Schlüsse und stellen ihre ­Analysen den Trainern zur Verfügung.

STATION 6 DER PACKING-WERT: DIE VEREDELUNG DER DATEN Gibt es eine Erfolgsformel im Fuss­ ball? Bisher hat sie noch niemand gefunden. Aber Schmalhofer schraubt an Erfolgswahrscheinlichkeiten, etwa mit dem Packing-Wert, einem Indika­ tor für die Effizienz im Fussball, mit dem man misst, wie viele Gegenspieler mit einem Pass überspielt werden. Der Gedanke dahinter: Ein Fussballer, der – durch Pass oder Dribbling – ­viele Gegner überwindet, ist ein guter Spieler. Der Wert steigt, wenn der An­ greifer in Strafraumnähe ist oder dem Verteidiger den Ball durch die Beine schiebt. Auch die aktuelle Spielsitua­ tion wirkt sich aus. Packing wird seit der EM 2016 ziemlich gefeiert, ARDExperte Mehmet Scholl sprach sogar von einem «heiligen Gral». Statistisch gesehen punktet das Team mit dem besseren Packing-Wert zu 86 Prozent. «Die Herausforderung ist es, Daten so zu veredeln, dass sie Trainer und Spieler interessieren und für sie ver­ ständlich sind.» Das geht am besten mittels Videoanalyse, in der sich die Spieler wiedererkennen. Auch hier ist Big Data die Zukunft. Früher stu­ dierten Spielanalytiker den Gegner anhand von drei bis vier Spielen, kate­ gorisierten Torchancen oder Konter­ szenen in einem Video und stellten es dem Trainer zur Verfügung. Heute erledigt eine in Eigenregie entwickelte Software diesen Job. Dank künstlicher Intelligenz erkennt sie Spielszenen und lernt mit jedem Spiel dazu. Der Analytiker spart sich eineinhalb Ar­ beitstage beim Sichten des Materials – die er jetzt in Detailanalysen steckt.

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LUKA REISCHL STÜRMER

Luka, 15, ist schnell und körperlich sehr stark. Er arbeitet gut gegen den Ball und steuerte im Herbst 2018 in neun Spielen neun Tore und sechs Assists bei.

Wir sind am Ende unseres Rund­ gangs angelangt. Der Fussball, da ist sich Schmalhofer sicher, wird in den nächsten fünf Jahren noch flexibler, noch individueller, noch eigen­ verantwortlicher, noch anspruchs­ voller – und all das in körperlicher, technischer und mentaler Hinsicht. «Gewinnen wird, wer künftig die ­besseren Entscheidungen schneller treffen kann», sagt er. «Und sie präzi­ ser umsetzt – in der 90. Minute eben­ so wie in der ersten.»

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GALLERY STOCK

DIE

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J e älte r w ir we r d e n , d e s to jü n ge r we r d e n w ir.

D e s to zu ku nf t s f ä hige r.

D e s to w ic h tige r fü r s c h la u e U n te rn e h m e n .

NEUEN

D e r Ka m p f u m die b e s te n  Fü nf zig-, S e c hzig-, Sie bzig jä h rige n

h at s c h o n b e go n n e n . TEXT

INNOVATOR

S T E FA N WAG N E R

A LT E N

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e n f o l g e n d e n Te x t z u l e s e n dauert eine knappe Viertelstunde. Diese Viertelstunde wird Ihr L e b e n ve r ä n d e r n .

Am Ende dieses Textes werden Sie grundsätzlich anders übers Altern denken als jetzt, über Ihr eigenes und über das unserer Gesellschaft. Sie werden den Begriff «Über­ alterung» aus Ihrem Wortschatz gestrichen haben. Sie werden keine Angst mehr haben. Um Ihren Job nicht, um Ihre Zukunft nicht, um Ihren Erfolg nicht, um unsere Gesellschaft nicht. Sie werden sich (als Mitarbeiterin und Mitarbeiter), im Gegenteil, darauf freuen, alt zu werden. Sie werden (als Unternehmerin und Unternehmer) Ältere als Talent erkannt haben, als wertvolle unternehmerische Ressource, als Zukunftshoffnung, als sehr bald schon zentralen Erfolgsfaktor. Alles beginnt mit der Demografie.

Niemals in der Menschheitsgeschichte waren wir als Gesellschaft so alt wie jetzt, nämlich jede und jeder von uns im Schnitt 47,1 Jahre. Und wir altern rasend schnell. Derzeit sind 21 Prozent der Be­ völkerung 65plus. 2030 werden es 28 Prozent sein. 2060 sind es dann bereits 33 Prozent: Jede und jeder Dritte wird dann 65 Jahre und älter sein.

U N S E R E

Wie stellen Sie sich so eine Gesellschaft vor? Als riesenhafte geriatrische Anstalt, in der es sich die ­Alten auf Kosten der Jungen gutgehen lassen? Oder in der die Alten verarmen, weil die Jungen die hoffnungslos überlasteten Gesundheits-, Pflege- und Pensionssysteme nicht mehr erhalten können? (Oder, noch gruseligere Vorstellung, nicht mehr wollen?) In der die Generationen einander hassen, weil sie sich gegenseitig das Leben kaputtmachen? In der wir alle bis achtzig arbeiten müssen, als ­wären wir vierzig, egal wie krank oder erschöpft wir sind? Haben Sie keine Angst. Das Gegenteil wird passieren. Der Grund dafür ist, dass die Alten unser Bild vom Alter immer älter aussehen lassen. Sechzig jährige von heute sind so gesund wie Vierzig jährige vor hundert Jahren.

Und sie sind geistig fit wie 52-Jährige vor zehn Jahren. (Was nichts anderes heisst als: In den letzten zehn Jahren sind die heute Sechzigjährigen um gerade einmal zwei Jahre gealtert.) Das gefühlte Alter heute 65- bis 85-Jähriger liegt im Schnitt um sieben bis acht Jahre unter ihrem tatsächlichen Alter. Auch dieser Trend wird sich dramatisch weiter verstärken, nicht nur in der Subjektivität, sondern auch objektiv. Auch das ist logisch. Die medizinische Versorgung verbessert sich, das Bewusstsein für die Bedeutung des eigenen Lebensstils für die Gesundheit – Ernährung, Mindset, Bewegung – steigt. Unsere Gesellschaft wird an Lebensjahren älter, wir werden zugleich geistig jugendlicher und körperlich fitter. Wir werden insgesamt nicht nur leistungsfähiger, sondern auch leistungsbereiter. Wir werden immer älter, und wir werden immer jünger. An der Spitze dieser Entwicklung stehen d i e s o ­g e n a n n t e n Fo r e ve r Yo u n g s t e r s .

Sie sind ein neues, einigermassen exotisches Phänomen, eine noch kleine – wenn auch stark wachsende – Minderheit. Forever Youngsters werden wohl immer Minderheit bleiben, aber sie zeigen die Möglich­ keiten des Alters der Zukunft in ziemlich r­ adikaler Verdichtung: Forever Youngsters ergeben sich ihrem Geburts­ datum nicht. Sie sehen Gesundheit als fortlaufenden

G E S E L L S C H A F T W I R D A N L E B E N S J A H R E N Ä LT E R ,

die Alte n we r d e n zugle ic h le is t u n g s f ä hige r u n d le is t u n g s b e re ite r,

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un d d as m a c h t

DIE GESELLSCHAFT IMMER JÜNGER.

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33 %

Anteil der üb er 6 4 -Jährigen an der B evölker ung im Jahr 20 6 0. Das sin d um 1 2 Prozentp unk te m ehr als ak tuell.

74 %

Q u ote b ei M ä n n e r n im A l te r vo n 6 0 b is 69, die sich jü n ge r f ü h l e n , a ls sie sin d . B ei Fra u e n is t d e r A n teil 69 P roze n t.

Optimierungsprozess, betreiben akribisch die Ent­ wicklung ihrer Lebensqualität, ihrer Fitness, Vitalität und Gesundheit. Sie verstehen Gesundheit als Eigen­ verantwortlichkeit, medizinische Angebote als Dienstleistung. Sie verwenden Apps und Wearables, die Ruhepuls, Blutdruck, Körperfettanteil und Herz­ ratenvariablität messen, tagsüber ihre Schritte und nachts ihre Schlafqualität tracken. Sie schlucken Nahrungsergänzungsmittel, führen Dankbarkeitstagebücher, meditieren. Sie quälen sich in der CrossFit-Box, gönnen sich Wellness-Wochen­ enden und geniessen Dinner in Haubenrestaurants. Sie sind ehrgeizig und zielstrebig, haben Erfolg im ­Beruf und Spass am Leben, beides sogar mehr denn je. Sie haben Spass daran, mit sechzig fitter und ­leistungsfähiger zu sein als der durchschnittliche Dreissigjährige. Und fitter und leistungsfähiger zu sein, als sie selbst es vor fünfzehn Jahren waren. An Ruhestand denken sie nicht einmal in den phantasievollsten REM-Phasen ihres Schlafs. Nebenbei befeuern sie dadurch, dass sie die Opti­ mierung ihrer Gesundheit selbst in die Hand nehmen, einen der grossen globalen Trends: Während Ärzte und medizinisches Personal im Zeitalter der Auto­ matisierung sogar schon in Diagnose und Behandlung auf Algorithmen und Big Data vertrauen (und zum Teil sogar dadurch ersetzt werden), hat sich der Be­ reich Digital Health – also alles in der Schnittmenge von Gesundheit und Technologie – von 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 2010 auf 11,5 Milliarden Dollar im Jahr 2017 vergrössert.

IZA HEGEDÜS

I

n Wien funktioniert die Jugend des Alters bereits. Hier hat Klaudia Bachinger vor rund zwei Jahren ein Unternehmen ge­ gründet. Es heisst WisR (growwisr.com) und beschäftigt sich damit, ältere Men­ schen und Unternehmen zu matchen. ­Bachinger, 32 (tatsächlich!), schlägt mit ihrem Startup die Brücke zwischen demografischer Realität, ge­ sellschaftlicher Vision (sie spricht von ihrem Ärger über die «Diskriminierung des Alters») und betriebs­ wirtschaftlicher Praxis. «Immer mehr Unternehmen,

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958 %

Ans tieg des Inves titions­ volum ens welt weit im B ereich Digit al H ealth in den Jahren 2010 bis 2017.

vor allem erfolgreiche Unternehmen, vor allem solche in wirtschaftlich starken Regionen, haben ganz banale Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden», sagt sie. «Aber es gibt diese Mitarbeiter. Sie sind halt nicht 20 oder 25, sondern 50, 60 oder noch älter.» Bachingers Erfahrungen der ersten beiden Jahre: • Ihren Stärken entsprechend ein­ gesetzte ältere Mitarbeiter bringen Unternehmen jeder Art, jeder Grösse und jeder Altersstruktur einen klaren Mehrwert, egal ob Start-up oder ­globaler Konzern. (Einer der ersten Kunden von WisR waren die Österrei­ chischen Bundesbahnen, die ausge­ rechnet für ihre Innovationsabteilung Ältere in Bachingers Kartei fanden.) • Am offensten und motiviertesten sind zwei Arten von Unternehmen: erstens wenig überraschend jene, die mit ihren Produkten und Dienst­ leistungen ältere Zielgruppen an­ sprechen wollen. «Da machen sich ­ältere Mit­arbeiter vor allem in Produkt­ entwicklung, Marketing und Sales ganz unmittelbar bezahlt.» Und zwei­ tens familiengeführte Unternehmen, sogenannte «hidden champions» wie der Grazer Hochtechnologie-Welt­ marktführer AVL List. AVL List stellt nicht nur gezielt ältere Mitarbeiter ein, s­ ondern holt sogar pensionierte ­Mit­arbeiter zurück. Bachinger: «Bei solchen Unternehmen ist generatio­ nenübergreifendes Denken selbst­ verständlicher Teil der Kultur. Da ­arbeiten mehrere Generationen der Eigentümerfamilie mit, da wird lang­

K L AU D I A B AC H I N G E R M i t i h r e m S t a r tup WisR zeig t die 3 2- j ä h r i g e J u n gunternehmerin, wie man mit ­ä l t e r e n A r b e i tn e h m e r n e r f o l greich ist.

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T O P S K I L L S 2 0 2 0 We lc h e Fä higke ite n in d e r Be ruf s we lt gefr a g t s e in we r d e n : LÖSEN KO M PLE XER PRO BLEM E M ENSCH EN F Ü H REN INTELLI G ENZ

KRITISCH E S D EN KEN

KRE ATIVITÄT

SI CH MIT AN D EREN KO O RD INIEREN

EM OTI O NALE

U RTEIL SFÄHI G KEIT U N D ENTSCH EID U N GSFÄHI G KEIT

SERVI CEO RIENTIERU N G

VERHAN D LU N GSG E SCHI CK

G EIS TI G E FLE XIBILITÄT

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fristig und nachhaltig geplant, da wer­ den Wissen und Erfahrung der Mit­ arbeiter automatisch höher geschätzt als in herkömmlichen Betrieben.» • Im Gegensatz dazu stecken erstaun­ lich viele HR-Abteilungen in alten, ­jugendzentrierten Mustern fest. «Ich war verwundert, wie konservativ ­gerade Personalchefs denken», sagt Bachinger. «Viele arbeiten immer noch stur nach denselben Methoden wie vor fünfzig Jahren.» • «Erfolgreich ist man immer dann», sagt Bachinger, «wenn man ganz be­ wusst die Stärken der Älteren einsetzt. Ein Sechzigjähriger ist nicht mehr so schnell wie ein Dreissigjähriger, körperlich nicht mehr so belastbar. Aber er hat ganz andere Social Skills, er ist Jüngeren in Empathie, in Kom­ munikation überlegen. Extrem wert­ voll, wenn es zum Beispiel um Team­ führung geht, ums Vorbereiten und Treffen von Entscheidungen, um ­Verhandlungen, ums Einschätzen von Situationen, von Risiken und Konsequenzen.» • Die praktische Zusammenarbeit mit Älteren – naturgemäss sind nicht alle bei WisR dreissig – ist für die jugend­ liche Jungunternehmerin mittlerweile unverzichtbar. «Susanne, unser Head of Sales, könnte in einem Jahr in ­Pension gehen. Ihre Erfahrung ist ein ­Mega-Mehrwert für uns, gerade als Start-up. Sie bringt Ruhe ins Team.

D

as World Economic Forum ist längst ein Fan der Alten. Technologisierung, Auto­ matisierung, in der Praxis des Alltags ­immer intelligenter, schneller und ge­ schickter werdende Roboter verändern nicht nur den Arbeitsalltag, sondern auch das Anforderungsprofil an den beruflichen ­Erfolg der Zukunft. Das World Economic Forum hat 2016 eine Liste der wichtigsten zehn Fähigkeiten erstellt, die im Jahr 2020 darüber entscheiden, wer im Job Erfolg hat und wer nicht. An der Spitze des Rankings: komplexe ­Pro­blemlösung, kritisches Denken, Kreativität. Auf den folgenden sieben Plätzen ausschliesslich so­ genannte Soft Skills, also Kompetenzen, die im Kern den ­zwischenmenschlichen Umgang regeln. Man muss kein besonders talentierter Prophet sein, um zu wissen: Roboter werden alle standardisierbaren körper­ lichen und geistigen Fähigkeiten eher früher als später übernehmen. (Nur um zu zeigen, wie flexibel sich der Begriff «standardisierbar» versteht: In Japan ­werden Roboter bereits jetzt in der Krankenpflege ein­gesetzt, inklusive digital gesteuerter Mimik.)

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PHILIPP SCHÖNAUER

Fa k t i s c h e u n d statistische An­ gaben in diesem Te x t s i n d i m We s e n t l i c h e n d e r Dokumentation « M e g a t r e n d S i l ve r Society» der Zukunf tsinstitut G m b H , Fr a n k f u r t a m M a i n , e n t­ n o m m e n (w w w. zukunf tsinstitut. d e) . S i e b e z i e h e n sich, wenn nicht anders angegeben, auf Deutschland, sind aber im Ke r n   a u c h a u f die Schweiz u n d ­Ö s t e r r e i c h ü b e r t r a g b a r.

Wenn es einen Rückschlag gibt, bleibt sie cool. ‹Kenn ich schon, hab ich schon gesehen, ist kein Drama›, ­allein diese Gelassenheit ist Goldes wert.» WisR startete mit 100.000 Euro Unterstützung der Stadt Wien, dazu kamen 250.000 Euro von Business Angels, die Kartei umfasst aktuell rund 2000 Arbeit­ suchende und 150 Unternehmen – im ganzen deut­ schen Sprachraum, obwohl die Marketingmittel bis­ her nur für den Raum Wien reichten. Aktuell dreht Bachinger die zweite Finanzierungs­ runde. Business Angels aus Deutschland, Frank­ reich und den USA sind konkret interessiert, es gibt Ex­pansionspläne nach Deutschland, Ungarn, Gross­ britannien, Polen und Rumänien – die meisten da­ von, weil WisR von Unternehmen kontaktiert wurde. «Die Leute fragen uns, wann wir endlich auch in ihr Land kommen.»


Woran sie aber immer scheitern werden, ist das Zwischenmenschliche. Genau dort, in diesem nicht automatisierbaren, nicht technologisierbaren, nicht standardisierbaren Bereich wird sich wirtschaftlicher Erfolg in Zukunft entscheiden. Der entscheidende Konkurrenzvorteil der Zukunft liegt genau dort, wo Ältere Jüngeren dank ihrer ­Lebenserfahrung überlegen sind. D ie G l e i c hze itigke it vo n A lte rn u n d Ve r ­ j ü n g u n g h at e in e n N a m e n : D ow n a gin g.

Das deutsche Zukunftsinstitut hat die verschiedenen Lebensstile der jugendlichen Alten sortiert. Neben den genannten Forever Youngsters formiert sich die Gruppe der Free Agers (Zukunftsinstitut: «Gelassenheit, Harmonie, Menschlichkeit, eine gesun­ de Umwelt und ein soziales Miteinander liegen ihnen am Herzen», «möchten im Gegensatz zu den Forever Youngsters nicht um jeden Preis jung bleiben») und jene der Golden Mentors («wollen ein Leben lang ak­ tiv bleiben und andere an ihren gesammelten Erfah­ rungen teilhaben lassen», «arbeiten immer noch und bringen sich aktiv in Wirtschaft und Gesellschaft ein»). Alle drei Gruppen werden in den nächsten Jahren stark wachsen. Sie werden die Zukunft unserer Gesellschaft prägen. Es wird eine ruhigere, gelassenere, bewusstere, gescheitere, empathischere Gesellschaft sein.

HELGA ROBNIK, 75, wird im Fr ü h j a h r 2 0 2 0 nach fünfzig Dienstjahren ihre a k t i v e B e r u f s­ la u f b a h n b e e n d e n . An Ruhestand denkt sie nicht.

E

in klassischer Vertreter der Golden Men­ tors ist Helga Robnik, 75. Die älteste und längstdienende Mit­ arbeiterin der Erste Bank wird ihre beruf­ liche Laufbahn im März 2020 pünktlich zum 50-Jahr-Jubiläum beenden, «aber eventuell arbeite ich nachher noch ehrenamtlich in der Zweiten Sparkasse mit», sagt sie. (Das ist eine sozial ausgerichtete Bank für Menschen ohne Bank; Anm.) In ihrer Freizeit leitet sie Seniorengruppen bei Wanderausflügen oder Gedächtnistrainings. Robnik hat sich schon als Fünfzigjährige für die Anliegen Älterer ein­gesetzt («Die Alten haben ja ­keine Lobby!»), ist seit 25 Jahren als spezialisierte

­ eniorenbetreuerin in der Bank tätig, S kennt die Fähigkeiten und Defizite des Alterns also im Detail. Und ver­ körpert sie selbst mittlerweile ideal­ typisch: «Die Anforderungen im beruf­ lichen Alltag haben sich verändert. Da braucht man nichts schönzureden: Mit der Entwicklung von EDV, Tech­ nik, Administrativem, mit den ständig nötigen Weiterbildungen komme ich, kommen wir irgendwann einfach nicht mehr mit. Das wird uns zu viel, zu schnell, zu hektisch. Aber meine Persönlichkeit hat sich entwickelt. Mich kann keine Situation mehr be­ eindrucken. Ob ein Kunde aggressiv wird, ob der Bundespräsident rein­ kommt oder ein armer Schlucker, ich kann mit allem umgehen. Das weiss ich. Ich bin gelassener, ruhiger.» Robnik sieht ihre Aufgabe als ­«Zusatzjoker», als jemand, der Unter­ nehmen und Kunden verbindet, der eine solide Basis aus Verständnis und Vertrauen schafft – die Voraussetzung für erfolgreiches Business, gerade in dieser Branche. «Das hätte ich als Junge so nicht zusammengebracht.» «Die Zukunft», sagt Helga Robnik, «das ist die Kombination der Jüngeren und der Älteren.»

Ko m p lexe Pr o b le m lös u n g, kritis c h e s D e n ke n , K reati v it ät :

G e n a u in d e n

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K E R N KO M P E T E N Z E N D E R Ä LT E R E N e nt s c h e i d e t sic h d e r

E R F O L G D E R Z U K U N F T.

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SEERV ISION M ACHT DIE K A MER A ZUR ROB O - K A MER A Wenn im Seervision-Studio gefilmt wird, dann fragt man sich, wo die Kameramänner sind. Hinter der Kamera jeden­ falls nicht – und dennoch folgen die Objektive den Bewegungen des Herrn im Studio wie von Zauberhand. Das Zürcher Start-up ist drauf und Filmen ohne Kameramann: Neuronale Netze passen die Kamera an jede Szene an.

dran, die Videoproduktion zu revolutionieren. Mit einer Software, die jede digitale Kamera in eine autonome RoboKamera verwandelt. Adaptive Motion Control heisst die Seervision-Technologie, die Maschinelles Sehen, Machine Learning und Robotik vereint und Personen, Tiere und Objekte im Kameraauge behält «Unsere Software steuert Kameras so gefühlvoll wie ein Mensch», sagt Seervision-CoFounder Conrad von Grebel. Der Swiss-Technology-AwardGewinner 2018 geht im März auf Silicon-Valley-Tour, als Teil der Schweizer Start-up-Nati von Venturelab. seervision.com

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BLICK IN DIE ZUKUNFT

AUTONOME VIDEOKAMERAS, EINE BEINPROTHESE AUS PLASTIKMÜLL UND EINE REVOLUTION IN

DER KREBSDIAGNOSE: VORHANG AUF FÜR SECHS S C H W E I Z E R S TA R T - U P S M I T H Ö H E N F L U G - P O T E N Z I A L .

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PROJECT CIRCLEG P ROT HE SE AUS A LT P L AS T IK 72 Prozent des weltweiten Plastikmülls landen da, wo sie nicht hingehören: in der Natur oder auf improvisierten Deponien. Dass Recycling nicht überall Standard ist, merkten Fabian Engel und Simon Oschwald bei einem Studienaufenthalt in Kenia. Die beiden Industriedesigner sahen aber im Müll eine lokale Ressource vor ihren Füssen. Fabian: «Wir wollten aus dem Plastik etwas Sinnvolles machen, das den Menschen hilft.» Herausgekommen ist dabei Project Circleg, eine günstige Beinprothese aus 50 Prozent wiederverwertetem Polypropylen (PP), die vor Ort produziert werden kann. Sie lässt sich leicht anpassen, dank modularem Aufbau ­kostengünstig reparieren und hat natürlich auch ein Knöchel- und ein Kniegelenk – was nicht zuletzt in Ländern mit Hocktoiletten wichtig ist. projectcircleg.com

Die Circleg-Beinprothese kann leicht angepasst werden und kommt in vielen Farben.

«WIR VERWENDEN LOKALE KUNSTSTOFF­ A B FÄ L L E FÜ R DIE PROTHESE. DAS SENKT DIE M AT E R I A L KOSTE N U M 5 0   P R O Z E N T. » FAB IAN E N G E L , CO-FOUNDER PROJECT CIRCLEG

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Kein Empfang? Kein Problem! Der Scout B-330 landet bei Signalverlust sicher am Boden.

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NOSER FASHION HIGH - TECH - HEMD MIT ABPERL- EFFEKT

PROJECT CIRCLEG, AEROSCOUT GMBH, FOTOWERK LAMPELMAYER GMBH

Egal ob Fortune-500-CEO oder einfacher Angestellter: Beim Essen sind wir alle gleich und gleich angreifbar. Eine Unachtsamkeit, und der Fleck ist am Hemd, da hilft kein Befeuchten, Rubbeln oder Fluchen. Zumindest war das bisher so. Denn mit dem Elio-Herrenhemd hat Noser

Fashion aus Vaduz womöglich den Unmut der Wäschereibediensteten weltweit auf sich gezogen. Am bioaktiven Polyesterhemd mit Nanotechnologie perlen Flüssigkeiten einfach ab – auch dickflüssiges Ketchup lässt sich wegspülen. CEO Stephan Noser: «Wir bringen Schweizer HightechMaterialien und Funktionalität aus der Sportwelt in den Alltag.» Das Textil wird komplett in der Schweiz entwickelt, ­bietet UV-Schutz (UPF 30), ist atmungsaktiv und vermindert dank integrierten Silberpartikeln Schweissgeruch. Und: Das bequeme NanoHemd aus Stretchmaterial muss man auch nicht bügeln. noser-fashion.com

4 A EROS COUT EINE DROHNE FÜR A L L E FÄ L L E

Hubschrauberpiloten weltweit können aufatmen: Denn mit der industriellen Helikopterdrohne Scout B-330 von Aero­ scout aus Horw im Kanton Luzern gibt’s jetzt einen autonomen Piloten, der souverän die ganz heiklen Geschichten fliegt. Etwa Kontroll- und Instandhaltungsflüge entlang von Hochspannungsleitungen. An denen kommt es nämlich immer wieder zu Beschädigungen und Kurzschlüssen. Etwa durch Vereisungen, Vogelnester oder Bäume und Sträucher, die zu nah an den Leitungen wachsen. Die Flüge machten bisher Hubschrauberpiloten, laut AeroscoutCEO Dr. Christoph Eck gerade bei Windstössen ein Risiko: «Der Scout B-330 kann näher an die Leitungen heran, ist leiser und kann in einer Position exakt verharren. Es liefert so auch bessere Daten.» Die für die Analyse wichtigen Laserscanner oder Infrarotkameras lassen sich einfach an der vier Meter langen und 1,2 Meter hohen Drohne montieren und von der Zentrale aus steuern. 30 Kilogramm trägt der vielseitige Hightech-Heli – und das ganze drei Stunden lang. aeroscout.swiss

Nanotechnologie macht’s möglich: Flüssigkeit perlt an dem Hemd einfach ab.

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Lunaphore-COO Déborah Heintze, -CTO Diego Gabriel Dupouy und -CEO Ata Tuna Ciftlik (v. li.)

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LUN A PHORE T URB O FÜR DIE GE W EBE A N A LYSE Es gibt ein ziemlich gutes Mittel im Kampf gegen den Krebs, und das lautet Zeit. Mehr davon verschafft uns gerade das Bio-Tech-Start-up Lunaphore – und zwar mit einer Revolution in der Gewebeanalyse. Bisher war es nämlich so: Bei Krebsverdacht wird ein Stück Tumor entfernt und mittels Hämatoxylin-Eosin-Färbung analysiert. Mehr Gewissheit über Krebsart, Herkunft und

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«WIR REDUZIEREN DIE WA R T E ZE IT FÜ R D E N I H C -T E S T VON ZWEIEINHALB STUNDEN AUF UNTER 30 MINUTEN.»

ZUZANNA BOLLE, LUNAPHORE TECHNOLOGIES

DÉBORAH HEINTZE, CO-FOUNDER & COO LUNAPHORE

Therapiemethoden liefert aber erst der zweieinhalbstündige IHC-Test (Immunhistochemie, Anm.), den Lunaphore mit dem LabSat-Gerät in unter dreissig Minuten schafft. Das ist so schnell, dass der Arzt in Zukunft bereits am Operationstisch Resultate erhält, über den weiteren Verlauf entscheiden kann und der Patient nicht noch einmal operiert werden muss. Im besten Fall beschleunigt sich die Diagnose damit um Tage, wichtige Zeit in der Krebstherapie. Herzstück des LabSat-Geräts ist ein mikrofluider Chip, eine winzige geschlossene Kammer, in der sich die Gewebeprobe befindet. Über die Fast Fluidic Exchange Technology treffen darin markierte Anti­körper unter hohem Druck auf das Gewebe, färben es und helfen bei der Identifizierung der Krebsart. Dafür gab’s den Swiss Technology Award 2018 in der Kategorie „Startups“. Der geplante Start der Erfindung aus den Lausanner Labors ist noch 2019. lunaphore.ch

Das Ergebnis von fünf Jahren Forschung: das Krebs-Schnellerkennungsgerät «LabSat». INNOVATOR

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ELEPHB O VOM ZEMENT S ACK ZUM IT - PIECE Nicolas Huxley ist das beste Beispiel dafür, wie man für ein unübersehbares Problem eine charmante Lösung findet. Beim Kambodscha-Urlaub fielen dem Zürcher auf der Strasse Unmengen an leeren Zementsäcken auf. Mit seinem Fashion-Start-up Elephbo nimmt Huxley die Zement­ säcke von der Strasse, recycelt sie, schneidet sie zu und verkauft sie an modebewusste Kunden in der Schweiz – in Form von stylischen Taschen, Rucksäcken und Sneakers. Klar, den Upcycling-Trend hat Huxley nicht erfunden. Aber Elephbo geht einen Schritt weiter: Alle Produktionspartner arbeiten nach hohen Fair-Trade- und SocialResponsibility-Standards, von

Blue Eagle, Green Tiger: Kambodschanische Asiatische Zementsäcke sehen auch hier gut aus.

der Bearbeitung der Säcke in Kambodscha bis zur Produktion etwa in Bosnien oder Portugal. Das Businessmodell leistet so einen Beitrag zur Nachaltigkeit in Kambodscha: Bis heute wurden so über 41.000 Zementsäcke recycelt. elephbo.com  83


IN N OVATO R

WIS SEN

HOW TO FOCUS Grossraumbüro, Push-Nachrichten, E-Mails im Minutentakt: Fokussierte Konzentration im Büro ist schwierig. Die Zürcher Betriebswirtschaftlerin und Transformations-Expertin Viola Heller zeigt, wie du gezielt bei der Sache bleibst.

EINE A NLEITUNG IN 16 S CHRIT TEN 84

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PRIVAT

AUFGEZEICHNET VON JOHANNES KORNACHER


DIE EXPERTIN

1

Frage dich: Warum das Ganze? Am Anfang steht die Sinnfrage. Da musst du durch, sorry, sonst wird das nichts mit dem Fokus. Frag dich ehrlich: Was mache ich hier ­eigentlich? Ist das, was ich tue, sinn­ voll? ­Erfülle ich damit den Organi­ sationszweck, die strategischen Ziele des Unternehmens und auch meine eigenen? Merke: Fokussiert sein hat nicht nur mit Konzentration am ­Arbeitsplatz zu tun, sondern auch ­damit, wach und aufmerksam sich selbst, den Beruf und die Karriere im Blick zu haben.

2

Was sind deine Zeitfresser? Beobachte dich von aussen: Wo «ver­ lierst» du Zeit, was lenkt dich ab, mit welcher Einstellung gehst du deine ­Arbeiten an? Frag andere, wie sie dich wahrnehmen. Entwickle Strategien, um es besser zu machen. Dann teste, beobachte, reagiere – und optimiere.

3

Mach eine Wichtigkeitsskala Viele glauben: «Dringend ist wichtig.» Und dringend ist alles – eigentlich ­immer. Finde heraus, was wirklich wichtig ist, und setze Prioritäten! Denn die Musik spielt dort, wo wir am meisten Wirkung erzielen. Also priorisiere höchste Wirkung mit ­geringstem Aufwand. Zeichne eine ­Tabelle: vertikal für aufwendig/nicht aufwendig, horizontal für wirkungs­ voll/nicht wirkungsvoll – und plane deine Sachen entsprechend.

4

Plane die Planung Du hast erkannt, was wichtig ist? Dann plane ein, was wichtig ist. Da­ mit sind auch dein Workout und die Schulaufführung deiner Tochter ge­ meint. Mach am besten gleich einen Langzeitplan (z. B. für ein Jahr), den du dann in einen Kurzzeitplan (z. B. in einzelne Wochen) herunterbrichst. Damit kannst Ablenkungen des All­ tags etwas Solides entgegenstellen.

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Automatisiere Automatisierbares Alles, was du neu denken musst, braucht Energie. Diese fehlt jedoch an anderer Stelle. Für immer wieder­ kehrende Aufgaben übst du am besten ein Procedere ein, das dann wie auto­ matisch abläuft. Du denkst nicht mehr «Wie?», sondern fokussiert auf «Was?». Beispiel? Mails abarbeiten. Mache das Ganze nach der immer­ gleichen Systematik. Und ändere sie am besten nicht mehr.

Viola Heller

44, Trainerin & Coach

Die Zürcherin ist E xper tin für Trans­ formation mit dem Schwerpunk t Organi­ sationsentwicklung. Bevor sie 2018 ihr eigenes Unternehmen gründete, war sie u. a. in der Finanzund Nahrungsmit tel­ industrie sowie im Gesundheitswesen tätig. Ihr ak tuelles ­Trainingsprogramm heisst «Eine Reise in 99 ­Tagen für neue Führungskräf te» und zielt auf alle ab, die aus dem Team heraus beförder t wurden.

➔ violaheller.com


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Das Handy muss weg Ablenkung lässt sich abstellen – indem man etwa das Handy auf lautlos schaltet und in die Schublade legt. Warum das Smartphone der Schuldige ist? Weil es einfach zu viel kann, was du nicht kannst. Also gib ihm keine Chance, deinen Fokus zu stören. Auch gut: Festnetztelefon umleiten, Türe zu oder mit «Nicht stören»-­ Schild versehen. Und das Wichtigste: das Thema im Team besprechen und störungsfreie Arbeitszeiten salonfähig machen.

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Stop it!

Raus mit dir!

Wer sich blind in die Arbeit stürzt, kommt nicht vorwärts. Du kannst jede Aufgabe – jede! – nach folgender Fragestruktur angehen: Was ist die Ausgangslage? Was ist das Ziel? Wie erreiche ich es? Was brauche ich dafür, und woher bekomme ich es? Was muss ich dafür tun? Schreib dir alles auf. Und lege – wohlüberlegt – los.

Das Büro ist oft nicht der beste Ort zum Arbeiten. Ein Ortswechsel kann den Denkprozess neu stimulieren. Musst du jeden Tag am selben Ort und zur selben Zeit arbeiten? Lautet die Antwort «Nein», sei kreativ in ­deiner Location-Wahl.

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Der Biorhythmus-Check Jeder tickt anders. Manche haben morgens mehr Energie, manche ­kommen erst nachmittags auf Touren. Jeder Rhythmus ist legitim – solange man ihn kennt. Denn dann kann man seine Arbeit danach planen. Finde ­heraus, wie bestimmte Aufgaben auf deinen Energiehaushalt wirken: Manche nähren dich, andere kosten Energie. Man sollte Ungeliebtes im Hoch erledigen, weil «Mag ich nicht» mehr Energie kostet. Beispiel: Konzept morgens, Mails beantworten abends.

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DAS BÜRO IST OF T NICHT DER BEST E OR T ZUM ARBEIT EN. EIN ORTSWECHSEL KURBELT DEIN GEHIRN AN.

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Mach dein eigenes Ding Es gibt hunderte Modelle zur idealen Arbeitszeit – und zu optimalen Pausen­ zeiten. Da hilft nur: Ignoriere sie alle, denn jeder Mensch ist anders. Weiter bringt dich die Analyse: Wann und in welchen Zeiträumen kannst du am effektivsten arbeiten? Schaffst du 90 Minuten volle Konzentration oder nur 45? Brauchst du 10 Minuten Pause oder 30? Was stimmt für dich? Achte auf dein Verhalten, vergleiche deine Performance in verschiedenen Zeit­ einheiten. Und wenn die Pausen fix vorgeschrieben sind? Dann kann man sie immer noch individuell gestalten: Man muss ja nicht in die Kantine ­gehen, nur weil alle dahin gehen. Vielleicht ist dir mehr nach einem Spaziergang oder einem Workout. Du wirst erholter zurückkommen als deine Kollegen aus der Kantine.

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DIE APPS

WER SICH NACH EINER ERLEDIGT EN AUFGABE SELB ST BELOHN T, BEHÄLT LEICH T ER DEN FOKUS.

In Sachen Kon­z en­t ration ist das Smar tphone ein Problem. So machst du es zur Lösung:

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Sei nett zu dir Leistung verlangt nach Belohnung – so ist unser Gehirn programmiert. Es geht um Dopamin (das steuert die Erwartung nach Belohnung) und Endorphine (sie sind für den freudigen Kick danach verantwortlich). Dieses System kann man für sich nutzen, etwa, indem man sich für die fokussierte Erledigung einer Aufgabe eine Belohnung verspricht. Die kann trivial sein – ein Spaziergang, ein Macchiato oder zehn Minuten in der Sonne ­sitzen. Entscheidend dabei ist, dass Motivation und Wohlbefinden steigen, wenn das «Belohnungsprinzip» im Gehirn geschieht. Das hilft, sich wieder auf eine neue Aufgabe zu fokussieren. Und es macht mehr Spass!

Freedom Die App filtert Werbung und blockiert Websites, die dich ablenken – und macht dein Smartphone oder deinen Computer gleich weniger interessant.

Things Es gibt unendlich viele Apps für To-do-Listen. Meine liebste heisst Things. Sie ist einfach, intuitiv – und wurde, glaube ich, massgeblich in Deutschland entwickelt.

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FREEDOM, THINGS, HEADSPACE

Nerve dein Team Als Führungspersönlichkeit bist du nicht nur für den eigenen, sondern auch für den Fokus der anderen (mit)verantwortlich. Priorisiere deine Leute und ihre Bedürfnisse hoch! Nichts ist schlimmer für den Fokus als ein Vorgesetzter, der nicht liefert. Also: Geh den Leuten auf die Nerven, wenn es sein muss – und fordere ­Sachen ein. Das wird dir erstens ­Respekt einbringen und zweitens ­helfen deinen Fokus zu bewahren.

Headspace Für alle, die meditieren lernen wollen und nicht wissen, wie sie damit anfangen sollen. Meditation muss nichts Spirituelles sein. Sie ist einfach gut für unseren Kopf. Wir sollten alle meditieren.


DIE BÜCHER

15 Getting Things Done von David Allen erklärt, wie wir unsere Ziele erreichbar ­gestalten können. Er hat dafür eine Methode entwickelt, die Selbstmanagement effizienter und belastungs­ freier gestaltet.

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Vergiss Multitasking ... … wenn du effizient sein willst. Klar, in der Küche geht das vielleicht noch, weil hier automatisierte Handlungen stattfinden. Aber am Arbeitsplatz ist Multitasking die Ablenkung per se: Man ist nirgends so richtig. Du gehst mit Multitasking früher ein, weil deine Batterie früher leer ist.

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Die Stör-Notizen Ein Zettel und ein Stift können dich retten: Lege beides hin und arbeite. Fällt dir etwas Störendes ein, was dich ablenkt, widme dem Ganzen drei ­Sekunden deiner Zeit und schreibe es auf. Dann kannst du es wieder loslassen und wechselst zurück in den Fokus-Modus. Ein anderer Vorteil: Du weisst hinterher noch, was dir Kluges eingefallen war. Klar, dafür gibt es tolle Apps. Das nicht so Tolle daran: nur noch schnell WhatsApp checken und schon … Tja, das müssen wir jetzt nicht erklären, oder?

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Weg mit dem Stuhlwerk! Im Stehen hast du eine andere Energie als im Sitzen. Die Körperspannung ist besser, du bist wacher, die gesamte Präsenz ist höher. Stehen steht für ­bewussteres Handeln, Stehen ist schneller und fokussierter. Ach ja, ­gesund ist es obendrein. Also: Stehtisch von Boss bewilligen lassen, bestellen und ausprobieren – du wirst staunen, wie sich dein Output zum Positiven ändert.

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Finde täglich neue Lösungen How Not to Die von Michael Greger fokussiert darauf, wie man den Körper vernünftig ernährt – und da­ durch bessere Leistung in allen Bereichen des Lebens erzielt. Er stellt auch gezielt Nahrungs­ mittel vor, die den Körper opti­ maler als andere versorgen und das Leben verlängern sollen.

Es gibt kein Patentrezept für fokussiertes Arbeiten – ausser man tut es. Nachdem du und deine Umgebung sich immer wieder verändern, ändert sich auch das Arbeitsverhalten. Da hilft nur eines: Analysiere ständig neu, wie du arbeitest. Bist du wirklich zu 100 Prozent fokussiert? In anderen Worten: Du musst andauernd auf der Hut sein – und brauchst immer wieder neue Lösungen für dieselbe Frage: Wie arbeite ich konzentrierter? Die gute Nachricht ist aber: Diese ­Lösungen gibt es. Immer. Und für jede Situation.

The Happiness Advantage von Shawn Achor ist ein Buch, das sehr konkrete Anweisungen gibt, wie man mehr Freude im Leben empfindet – weil glück­ liche Menschen erwiesener­ massen produktiver und erfolgreicher sind.

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Innovation unlocked

Das Magazin fĂźr Zukunftsmacher & Entrepreneure mit Start-Ups, Pionieren und genialen Erfindungen. Dein Abo mit 4 Ausgaben fĂźr CHF 28 bestellen: theredbulletininnovator.com



GUIDE

I N N O V AT O R

Insider-Infos und Events: Get-together für Gründer und Investoren – warum du den START Summit 2019 nicht verpassen solltest // Shows, Demo-Pitches, Start-up-Battles – die innovativsten Schweizer Events der nächsten Zeit // Kolumne: der Energy Drink für dein Auto // Tech-Highlight: der 200-km/h-Hometrainer //

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JOIN IT

Key Notes

DIE SPEAKER

BRACKEN P. DARRELL, CEO LOGITECH Dank dem US-Amerikaner geht es mit dem Schweizer Computer­ zubehörhersteller Logitech wieder bergauf. Hier verrät er, wie man Krisen erfolgreich überwindet.

START Summit 2019

VERNETZEN, FEIERN, BUSINESS MACHEN

Studenten treffen auf In­ ves­­­toren, Besucher reisen zum Mars: Auf diesem Fes­ ti­­val ist (fast) alles möglich.

A

uf der START-Summit-2019-­ Konferenz im schweizerischen St. Gallen steht zwei Tage lang das Verkuppeln von Wirtschaft und Technologie im Zentrum: «Wir vernetzen Jungunternehmer mit den richtigen Investoren», beschreibt Managing Director Sophie Bree das Ziel des Tech-Events. «Ausserdem lernen Gründer in der Wachstums­ phase potenzielle Mitarbeiter kennen. Studenten erleben, dass eine

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Junge Garde: 60 St. Galler Studenten or­ gani­sieren den START Summit ehrenamtlich.

RAPHAËL GINDRAT, CEO BESTMILE

Karriere auch ausserhalb klassischer Unternehmen attraktiv ist.» Die Zürcherin ist eine von sechzig Studierenden der Uni St. Gallen, die jährlich die Technologie­kon­ ferenz in den Olma Messen auf die Beine stellen – mit literweise Herzblut und noblem Ehrenamt. Das Ergebnis kann sich auch dieses Jahr sehen lassen: Zahl­ reiche Diskussionen, Key Notes, Workshops und Showcases ergründen Megatrends wie künst­ liche Intelligenz, V.R., Blockchain und Internet of Things. Vor allem die internationalen Speaker werden nicht nur Techies zufriedenstellen: Daniel Senn­ heiser, CEO des gleichnamigen Schweizer Audioexperten, schaut

Der Mobilitätspionier optimiert mit dem Schweizer Start-up die Infra­struktur für autonomes Fahren. Beim START Summit diskutiert er über die Zukunft des Verkehrs.

RICHARD SOCHER, CHIEF SCIENTIST SALESFORCE Der deutsche Wissenschaftler ist Experte für künstliche Intelligenz. Als Professor an der Universität Stanford weiss er, wie man Technik­ themen begeisternd vorträgt.

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S A V E T H E D AT E S P E C I A L

in die Zukunft des Sounds und erklärt, wie ein Familienbetrieb auch in schnelllebigen Wirt­ schaftszyklen konstant innovativ bleibt. Ein Spoiler: Es kann nie schaden, ein Traditionsunter­ nehmen mit der Mentalität eines Start-ups aufzupeppen. Ausserdem referiert Erik Pod­ zuweit, wie er mit Scalable Capi­ tal die Anlageberatung revolutio­ niert. Bastian Nominacher erklärt, wie er vom bayerischen Bäckers­ sohn mit dem Softwareentwickler Celonis zum Milliarden-Unicorn wurde. Sophie Brees Tipp: keinesfalls Daniel Graf versäumen – vor ­kurzem noch Vizepräsident und Head of Product von Uber, davor bei Google und Twitter. «Durch seine Arbeit bei UBER und indem er Google Maps auf das iPhone brachte», sagt Sophie. «Er reist aus San Francisco an und wird Spannendes vom dortigen Öko­ system erzählen.»

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und 22. März START Summit Olma Messen, St. Gallen Tickets: CHF 79 für Studenten, CHF 199 für Gründer Alle Infos hier: startsummit.ch

Die Macherin

«WIE EINE HÖRSAAL- PARTY»

Technologie zum Anfassen

Wer sich für Gadgets zum Aus­ probieren interessiert, findet auf der START Fair ein breites An­gebot an jungen, innovativen Start-ups, die ihre Erfindungen am Messe­ stand präsentieren. «Ein Start-up lädt Besucher sogar zu einem Spa­ ziergang durch eine nachgebaute Marslandschaft ein», empfiehlt Sophie und erwähnt ein weiteres Highlight auf dem Messegelände: die START After­party. «Manche munkeln sogar, es sei die Party des Jahres in St. Gallen.»

Die Zürcherin Sophie Bree, 21, organisiert mit 60 Studenten den START Summit. Ihre Mission: Gründer mit Investoren zu verkuppeln. the red bulletin innovator:

Visionäre im Gespräch 2018. Das Motto der Kon­ ferenz lautet: «Be where Innovation happens.»

Start-up-Konferenzen ­boomen. Was macht den START Summit in St. Gallen besonders? sophie bree: Bei uns erlebst du einen Mix aus internationalen Top-Studenten, jungen Gründern und europäischen Venture-Capital-Gebern. Ein Besucher hat die Atmosphäre beim START Summit einmal so beschrieben: «Ich fühle mich elek­trisiert, als wäre ich auf einer Party im Vorlesungssaal.»

START GLOBAL

Wie verkuppelt man Startups und Investoren? In zahlreichen One-to-oneMeetings oder im Schnelldurchlauf beim SpeedDating. In zwei Pitching Com­petitions buhlen die

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Gründer um die Gunst einer Investoren-­Jury. Das SiegerStart-up gewinnt 25 000 Franken. Hinter dem Summit steckt die Non-Profit-Organisation START Global. Wohin soll eure Mission gehen? Wir sind davon überzeugt, dass junge Unternehmer ­Europa langfristig verändern können, indem sie Innova­ tionen vorantreiben. Unser Ziel ist es, die junge Generation zu fördern, wenn wir sie mit erfahrenen Playern aus unter­schiedlichen Backgrounds vernetzen. Und? Hat es schon gefunkt? START Summit wächst seit 2015 enorm. Die Frage beantwortet sich von selbst.

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DO IT

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März Verkaufslaunch: mitipi Das Zürcher Start-up mitipi feiert das einjährige Bestehen seines Erfolgsprodukts «Kevin»: Das SmartHome-Gadget simuliert deine ­Anwesenheit mit Geräuschen, Licht oder Schatteneffekten – und lässt Einbrecher glauben, dass ­jemand zu Hause ist. Ab sofort kann «Kevin» beim Produzenten ­bestellt werden. Ohne Wartezeit. Info und Order auf: mitipi.com

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bis 24. März Startup Weekend Crashkurs für Gründer: In nur 54 Stunden wird hier aus einer Start-up-Vision ein konkretes Geschäftmodell. Wie? Unter intensiver Mithilfe von Experten arbeiten ­angehende Unternehmer ihre Ideen in Teams aus – und präsentieren sie am Ende vor einer Fachjury. Switzerland Innovation Park, Biel; startupweekend.ch

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und 29. Mai The Spot 2019 Zum zweiten Mal treffen sich Sportsfreunde aller Länder. Das Thema: «Think Sport». Im Zen­ trum: ein Marktplatz, Vorträge, Workshops und ein Start-upBattle. Diskutiert wird die Zukunft der Sportindustrie und ihr Einfluss auf die Gesellschaft. SwissTech Convention Center, Lausanne; thinksport.org

26 März Finanz und Wirtschaft Forum

Das Motto: «Blockchain in Financial Services». Stellen Blockchain, Kryptowährungen und Co die Banken, Börsen und Versicherungen auf den Kopf? Kann die Schweiz diese Revolution mitgestalten? Ob Hype oder Hirngespinst, das klären Speaker wie Dr. Gerhard Lohmann, CFO der Reinsurance Swiss Re (Bild). Rüschlikon; fuw-forum.ch

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800 Erfinder aus 40 Ländern auf 8 500 m² Fläche, 31 000 Besucher: Die 47. Internationale Messe für Erfindungen in Genf zählt zu den weltweit grössten ihrer Art. Im Palexpo treffen die Düsentriebs von heute auf ihre Fabrikanten, Händler und Geldgeber von morgen. Im Bild: die Lieferdrohne von Dronistics. Das an der EFPL ent­wickelte Projekt gewann 2018 den Publikumspreis. Eintritt Erwachsene: CHF 14. Studenten: CHF 8. Genf; inventions-geneva.ch

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INVENTIONS GENEVA, IRIS C. RITTER/FUW

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bis 14. April Internationale Messe für Erfindungen


S A V E T H E D AT E

15 DIGITALSWITZERLAND

März Innovation Challenge Demo & Pitch Day Willkommen bei «Wetten, dass..?» für Tüftler. Auf der Challenge im Kraftwerk präsentieren Teams ihre Ideen einer Jury in Form einer Wette (Bet). Nimmt die Jury sie an, haben die Teams ein ganzes Jahr Zeit, ihre Behauptung zu beweisen. Im Jahr 2018 gewann das E-Health-Team von Riva Digital den mit 10 000 Franken dotierten Preis für die beste Wette: Ihre Kamera-App half 100 000 Schweizern, den Blutdruck zu senken. Zürich; challenge.digitalswitzerland.com

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April Seedstars Summit Innovatoren aus Asien, Afrika, Süd­ amerika und Osteuropa zeigen die Trends ihrer Länder. Am 4. April pitchen 80 Start-ups ihre Ideen vor potenziellen Investoren. Am 5. April gewinnt einer der zwölf Finalisten die Siegprämie von 500 000 Dollar. SwissTech Convention Center, Lausanne; seedstarsworld.com

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READ IT

ENERGY DRINK FÜR MEIN AUTO

V

or einigen Tagen hatte ich mal wieder so einen verrückten Augenblick, als ich mit Studenten angeregt über erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit diskutierte. Weil ich an diesem Tag schon seit 4.30 Uhr unterwegs war, war ich froh, mein Lieblingsenergiegetränk bei der Hand zu haben. Als ich die Dose öffnete, las ich darauf eher unbewusst die seit vielen Jahren bekannte Botschaft «Vitalizes Body and Mind».

Andreas Gall 54, spürt als Chief Innovation Officer im Red Bull Media House Neuerungen auf, die die Zukunft der Medien und der Consumer ­Technology gestalten.

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Und plötzlich war er da, der Geistesblitz – diese einzigartige Fähigkeit des Menschen. «Vitalisiere dein Elektroauto mit einer Flüssigkeit aus Wasser und ‹Sirup› – also energiereichen Inhaltsstoffen, die sich nicht verbrauchen, so wie das leider bei fossilen Brennstoffen der Fall ist», hatte ich eher so nebenbei in die Diskussionsrunde gemurmelt, als sich eine weitere geniale menschliche Fähigkeit zeigte: «Mein» Geistesblitz wurde plötzlich an 40 begeisterte, von der Diskussion auf­ geladene «Buddys» übertragen. Irgend­

einer fragte: «Was wäre, wenn das wirklich funktionierte?» Was dann passierte, konnte, nein, wollte ich nicht aufhalten. Computer und Smartphones wurden ­angeschaltet, und wir alle begannen, im ­Internet zu recherchieren. Innerhalb ­weniger Minuten kamen wir fast gleichzeitig auf die redox-flussbatterie.

Ich tanke frisches Wasser

Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um ein Batteriesystem, das aus zwei Flüssigkeiten (hauptsächlich aus Wasser) besteht, die mit elektrisch unterschiedlich geladenen Teilchen (Ionen) versetzt sind. Diese Flüssigkeiten treffen sich an einer wasserundurchlässigen Membran, die aber für die Ionen durchlässig ist – somit kommt es beim Austausch zu einer chemischen Reaktion, wobei elektrische Energie frei wird. Da es sich um Flüssigkeiten handelt, kann man diese auch transportieren und sie (die «Elektrolyte») zwischen den Aufladungsund Verbraucherstationen austauschen. Will heissen: Ich fahre in Zukunft mit ­meinem Elektroauto an die «Redox-Tankstelle», dort wird der entladene Elektrolyt abgesaugt und sofort wieder mit frischem «Redox-Energy-Wasser» vitalisiert. Sofort nach dem Tanken kann die Fahrt weitergehen. Besonders cool fanden wir alle, dass das verbrauchte Wasser an der Tankstelle wieder aufgeladen werden kann, z. B. mit Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft, aber natürlich auch beim Brems­ manöver oder bei der Talfahrt mit dem Elektroauto, wenn der Motor nicht gebraucht wird und zum Generator werden darf. Der Sirup des Redox-Fluss-Systems besteht vereinfacht ausgedrückt aus

INNOVATOR

MICHAEL PRESCHL

Einen Geistesblitz zu haben ist eine schöne Erfahrung. Und manchmal ist es noch viel schöner, dass ­andere ihn bereits vor dir hatten.


KOLUMNE

«DAS WILL HEISSEN: ICH FAHRE IN ZUKUNFT MIT MEINEM ELEKTROAUTO AN DIE REDOXTANKSTELLE.»

IMPRESSUM

THE RED BULLETIN INNOVATOR Schweiz, ISSN 2308-5886 Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Redakteure Marc Baumann, Jakob Hübner, Alexander Lisetz, Reiner Kapeller, Johannes Kornacher, Simon Schreyer, Stefan Wagner, Wolfgang Wieser Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Antonia Uhlig Illustrationen Johannes Lang Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas Global Project Management Melissa Stutz Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz

­ alzen auf Metallbasis, die im Wasser ge­ S löst sind und in Zukunft vielleicht sogar durch organische Aktivmaterialien im ­Sirup ersetzt werden können, die für ­Umwelt und Mensch nicht toxisch sind.

Die Vision wird zur Mission

Die grösste Überraschung kommt zum Schluss – zumindest war das bei meinen Studenten, meinen Kollegen und mir der Fall: Es gibt sogar bereits einen Elektro­ auto-Prototyp der Firma nanoFlowcell, der in Europa entwickelt wurde und von Redox-Flussbatterien «vitalisiert» wird. Unsere Vision – «Vitalisiere ein Elektro­ auto mit einer Flüssigkeit aus Wasser und ‹Sirup›, also energiereichen Inhaltsstoffen, wie in einem Energiegetränk, die sich nicht verbrauchen» – ist bereits in einigen Köpfen der Wissenschaft und bei Startups zur ökologischen und nachhaltigen Mission geworden. Flow-Batterien sind meiner Auffassung nach die Batterietechnologie mit dem grössten Potenzial für eine nachhaltige (ökologisch bessere) Zukunft! Ja, es gibt noch viel zu tun, aber das Schöne am menschlichen Leben ist doch gerade, dass es uns immer wieder gelingt, durch Be­ geisterung, Motivation und Inspiration Lösungen zu finden, die unsere Welt ­wieder ein bisschen mehr in die richtige Richtung bewegen …

Head of Publishing Development und Product Management Stefan Ebner Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Melissa Stutz, Mia Wienerberger

Länderredaktion Arek Piatek Country Project Management Melissa Stutz Anzeigenverkauf Marcel Bannwart, marcel.bannwart@redbull.com Abo- und Leserservice abo@ch.redbulletin.com

THE RED BULLETIN INNOVATOR Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Country Project Management Natascha Djodat Anzeigenverkauf Matej Anusic, matej.anusic@redbull.com Thomas Keihl, thomas.keihl@redbull.com

Head of Creative Markus Kietreiber

THE RED BULLETIN INNOVATOR Österreich, ISSN 1995-8838

Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier

Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo

Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart

Country Project Management Melissa Stutz

Anzeigendisposition Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek, Belinda Mautner, Klaus Peham, Vera Pink Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Herstellung Veronika Felder Office Management Yvonne Tremmel (Ltg.), Alexander Peham MIT-Experte Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), ­Yoldaş Yarar (Abo), Victoria Schwärzler General Manager und Publisher Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700

Sales Director Alfred Vrej Minassian Sales Project Management Stefanie Krallinger Digital Sales Bernhard Schmied Media Sales Gerald Daum, Vanessa Elwitschger, Franz Fellner, Mario Filipovic, Thomas Hutterer, Franz Kaiser, Alexander Kopellos, Christopher Miesbauer, Nicole Okasek-Lang, Valentina Pierer, Jennifer Sabejew, Phillip Schleussner, Elisabeth Staber, Johannes Wahrmann-Schär anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäss § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800  Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl INNOVATOR

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TECH-HIGHLIGHT

Fitnesstraining ­inklusive Gaming: Der neue Motorrad­ simulator von ICAROS vereint Virtual Reality und Fitness.

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SO TRAINIERST DU BEI 200 KM/H. ­D AHEIM.

Mit 200 km/h über einen Asphaltkurs ­rasen und dabei den Body in Form bringen? Am Motorradsimulator ICAROS R können Biker und natürlich auch Nicht-­ Biker ihre K ­ örperspannung, Balance und Kurven­lage in realistisch anmutenden Renn­situationen trainieren. Konzept: Der Pilot sitzt mit VR-Visier am Simulator und ­steuert durch seine Bewegungen ein Bike. Und so viel vorab: Ja, das bringt einen ganz schön ins Schwitzen. Hinter der VRExperience steckt das prämierte Münchner Start-up ICAROS. Den Traum vom Fliegen (ICAROS Pro) haben die Münchner bereits realisiert – jetzt dürfen sich Adrenalin­ begeisterte als Biker versuchen. Preis: rund 8400 CHF.

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