The Red Bulletin INNOVATOR AT 2018 - #2

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Die Roboter-Frau

Sophia kann erkennen, was wir Menschen fühlen

Ferngesteuerter Lebensretter Ob Einsturz, Brand oder Chemieunfall: Diese Maschine holt dich da raus

Netzwerk-Guide

20 goldene Regeln für exzellente Verbindungen

AUSGABE ÖSTERREICH

02/18 EURO 3,50

AL L E INFO S ZU DEN E- M O B I L I T Y P L AY DAY S 2 0 1 8 AM RED BULL RING

DIE BALLAST-REVOLUTION Weniger ist mehr: Wie drei Mühlviertler Brüder mit einem Akku unser Leben verändern


DER NEUE JAGUAR I-PACE

PSSST! ER MACHT EINEN POWERNAP.


Jaguar I-PACE Stromverbrauch in kWh/100 km : 24,2 – 21,2 (komb.); CO2-Emissionen in g/km: 0 (komb.), nach WLTP.


EDITORIAL

I N N O V AT O R

Willkommen!

Giulio Di Sturco Eine Weltpremiere liefert der ­ita­lienische World-Press-AwardSieger: das erste Fotoshooting mit Super-Roboter Sophia bei ­ihrem Hersteller Hanson Robotics. „Mir lief es kalt über den Rücken. Sie sprach mit mir, als wäre sie ein richtiger Mensch.“  SEITE 3 8

Gregor Kuntscher „Ich fühlte mich wie am Set eines James-Bond-Films“, sagt der ­Wiener Fotograf über das Shooting mit dem 13 Tonnen schweren ­Feuerlösch-Roboter der Firma DOK-ING in Kroatien. Eine Reportage über Ideen, Stichflammen und Explosionen – ab  SEITE 52

Um Erfolg zu haben, sind wir oft gezwungen, ­Dinge zu tun, die wir nie tun wollten. Das muss nicht sein. Sagt zumindest Markus Kreisel. Der Oberösterreicher baut gemeinsam mit seinen zwei Brüdern Johann und Philipp die effizientesten Akkus der Welt und lässt dabei etablierte Konzerne alt aussehen. Wie das geht? Weil die Kreisels nur tun, worin sie gut sind, und sich von überflüssigem Ballast befreit haben. Ab Seite 24 kannst du lesen, wie auch dir das in deinem Leben gelingt. Der Ingenieur Vjekoslav Majetić schloss sich vor 25 Jahren in seiner Garage ein und baute einen Roboter zur Minenräumung. Heute exportiert er seine gepanzerten Retter in die ganze Welt. Wir haben die neueste Maschine aus seiner Werkstatt hautnah beim Explosionstest erlebt. Ergebnis: eine Gründerstory mit Wumms! Ab Seite 52. Noch ganz am Anfang ihrer Erfolgsgeschichte ­stehen sieben österreichische Start-ups, die wir in unserem Special ab Seite 82 porträtieren. Ihre Innovationen haben Potenzial, den Alltag zu verändern – im Weltraum wie in der Gartenhütte. Viel Spaß beim Lesen! Die Redaktion

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INNOVATOR

GIAN PAUL LOZZA (COVER), ROB BECKER

CONTRIBUTORS


, e n n o S , r e somm

. t i e z e e Eist

a e t s a t s i e f i #l


INHALT 52 REPORTAGE

Roter Helfer Dieser 13 Tonnen schwere ­Roboter ist für die gefähr­ lichsten ­Rettungseinsätze ­konzipiert. Wir haben ihn in Kroatien getestet.

BULLEVARD 10 18 12 20 14 22 15 16 Mr. Happiness

Feel Inspired

Wie Mo Gawdat eine ­Milliarde Menschen glücklich machen will

Lisa Wangs Business­ modell für Firmengründerinnen

Instant Home

SalzwasserSuperlampe

So entsteht ein Haus aus dem 3D-Drucker.

Unter Wasser

Ein Roboterfisch ­erforscht die Ozeane.

Go Kar-go!

Der fahrerlose Liefer­ wagen von morgen

Effizient, günstig, umweltschonend. Leuchtet so die Zukunft?

Haute Tech für deine Küche … mit deinem privaten Starkoch-Roboter

Eisen-Smoothie

Dieser Powerdrink aus dem Labor hält dich fit.

90 92 6

SAVE THE DATE

Innovative Events Was man in den nächsten Wochen in Österreich nicht verpassen darf T V- GUIDE

Unbedingt ­ansehen Highlights auf Red Bull TV

96 98

KOLU MNE

Gefühle für einen Roboter? Wie uns neue Technik emotional herausfordert L AST PAGE

Tech-Highlight Der Robo-Flughund, der selbst lernen kann

INNOVATOR

GREGOR KUNTSCHER

GUIDE


I N N O V AT O R

FEATURES

24 32 38 50 64 70 76 82 INNOVATOR

COVERSTORY

E∞zienz nach Kreisel So revolutionierten drei Brüder aus Oberösterreich den Energiesektor.

SERVICE

How to Network Wie knüpfe ich die richtigen ­Kontakte? 20 goldene Regeln für ­erfolgreiches Netzwerken

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Mein Name ist Sophia Wie uns ausgerechnet ein Roboter die Liebe lehren wird

MEIN START- UP-MOMENT

Florian Gschwandtner Der CEO von Runtastic über harte Anfangszeiten, kreative Lösungen und emotionale Augenblicke

PORTR ÄT

Die IT-Pionierin Stephanie Shirley programmierte schon in den 60er-Jahren. Ihre Business-Tipps sind aktueller denn je.

PRODUK T TIPPS

Travel Gadgets Ein E-Bike, das in den Rucksack passt? Ein Lautsprecher zur Massage? Neun richtig schlaue Reisebegleiter

ESSAY

Spielerisch zum Erfolg Lust, Neugier, Kreativität – wieso wir im Büro mehr spielen sollten

START- UP-SECTION

Innovatives Österreich Diesen Jungfirmen gehört die Zukunft.

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ZUGELASSEN!

VON DER RENNSTRECKE AUF DIE STRASSE KTM RC 390 – PERFORMANCE-PAKET MIT RENNSPORT-GENEN

Foto: Alessio Barbanti

Die KTM RC 390 ist kompromisslos, agil und supersportlich. Spontanes Ansprechverhalten, präziser Bremsdruck und radikale Kurvenradien gepaart mit sportlichem Design lassen dich echtes Rennsportfeeling erleben. Spüre die Moto3-Gene bei jeder pulsierenden Umdrehung des kompakten 1-Zylinder-Kraftwerks.

Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.


I N N O V AT O R

JOHANNES LANG

IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT INNOVATOR

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B U L L E VA R D

LEBEN

DER GLÜCKSBRINGER Er war Mr. Innovation bei Google. Bis ihn ein Schicksalsschlag zu einer Art Prophet machte. Heute hat Mo Gawdat nur ein Ziel: Er will eine Milliarde Menschen glücklich machen.

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„Im Jahr 2014 starb mein Sohn Ali während einer einfachen Operation. Manche Menschen würden sich nun wünschen, dass ein anderer dafür mit seinem Leben be­ zahlt. Ich entschied mich, an­ deren Menschen ein besseres Leben zu geben.“ Der Mann, der das sagt, ist Mohammad „Mo“ Gawdat, 50. Bis zu jenem tragischen Schicksalsschlag war er Mr. Innovation bei Google, suchte im geheimen Forschungslabor des Daten­ giganten Antworten auf die Fragen der Zukunft. Heute hat er ein Ziel: möglichst rasch eine Milliarde Menschen glück­ lich zu machen. Und dabei braucht Mo Gawdat Ihre Hilfe. the red bulletin inno­ vator: Wer glücklich sein will, muss wissen, was ihn glücklich macht. Richtig? mo gawdat: Der Kern meines Buches „Die Formel für Glück“ ist ebendiese Gleichung; sie sagt dir, was dich glücklich oder unglücklich macht. Ich sammelte und visualisierte viele Daten, um glückliche, aber auch weniger glückliche Momente meines Lebens zu beschreiben und einen Trend abzulesen – so entstand meine „Formel für Glück“.

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Was haben Sie erkannt? Unzufrieden war ich, wenn mir das Leben nicht das ge­ geben hat, was ich von ihm ­erwartet hatte. Hingegen war ich in jenen Momenten glück­ lich, in denen sich meine Wünsche und Erwartungen erfüllt haben. Daher lautet die Formel: Dein Glück ist min­ destens so groß wie die Diffe­ renz zwischen dem, was dir passiert, und dem, was du dir vorstellst. Das bedeutet was genau? Das bedeutet: Glück ist das zufriedene Gefühl, wenn ­unser Leben okay ist, wie es ist. Entscheidend ist dein Ver­ gleich zwischen dem Ereignis und deinen Erwartungen. Unglücklich macht uns also nicht die Sache an sich, ­sondern wie wir sie inter­ pretieren? Wenn alles so läuft, wie du es dir vorstellst, macht dein Ge­ hirn etwas Erstaunliches: Es hält seine Klappe! Verlässt du aber deine „Komfortzone“, alarmiert dich dein Gehirn. Sein Überlebensmechanismus erzeugt negative Emotionen wie Unruhe, Sorge, Angst und Traurigkeit. Dein Gehirn will, dass du sicher bist – in der bestmöglichen Verfassung. Es alarmiert dich, weil es möchte, dass du etwas änderst. Wie planen Sie konkret, die Menschen weltweit glück­ lich zu machen? Mein Happiness-Programm funktioniert in drei Schritten. Schritt eins: Ich möchte den Menschen beibringen, dass

Glücklichsein ihr Geburtsrecht ist – und dass es berechen­ bar ist. Glück ist wie Fitness­ training. Wenn ich daran ­arbeite, werde ich auch tat­ sächlich glücklich. Schritt zwei: Ich möchte den Menschen die Ressourcen zur Verfügung stellen – in Form von Büchern und Videos in ihrer Sprache. So können sie meine Emp­ fehlungen befolgen: Investiere jeden Tag eine Stunde in dein

„WENN ICH AM GLÜCK ARBEITE, WERDE ICH AUCH TATSÄCHLICH GLÜCKLICH.“ Glück, so wie du wöchentlich drei- oder fünfmal Sport machst. Schritt drei ist der wichtigste: Wenn du dein wahres Glück findest, willst du auch andere glücklich machen. Ich bitte die Menschen, dass sie zumindest zwei anderen Menschen erklären, wie sie in ihr Glück investieren können. Beeinflussen diese wiederum zwei weitere Menschen, steigt diese exponentielle Kurve in fünf Jahren auf eine Milliarde glücklicher Menschen. onebillionhappy.org

INNOVATOR


PIERRE-HENRI CAMY

JOHANNES LANG

I N N O V AT O R

PORTRET IN BEDRIJF

Mr. Happiness: ein entspannter Fünfzigjähriger mit Brille, Bart und sanftem Lächeln

INNOVATOR

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B U L L E VA R D Was auf den ersten Blick wie ein Metallgerüst aussieht, ist ein beeindruckend großer 3D-Drucker.

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Unaufhörlich strömt ­Beton aus dem armdicken Schlauch. In erstaunlichem Tempo wachsen die Wände hoch. Es sieht aus, als würde eine unendlich lange, zehn Zentimeter dicke graue Wurst aufgerollt – allerdings nicht zu einem Kreis, sondern zu ­einem sehr schmalen Rechteck mit abgerundeten Ecken. Dessen Zwischenraum wird jetzt im Zickzack mit Betonwürsten ausgegossen, um die Stabilität zu erhöhen. 47 Stunden dauert die Prozedur, Wand um Wand wird so errichtet, dann ist es fertig: das erste Haus aus einem 3D-Drucker.

47 Stunden dauerte der Bau übrigens bloß deshalb, weil bei der Premiere der Drucker nur mit halber Leistung lief. Aktuell ist es möglich, ein 60-Quadratmeter-Haus binnen 24 Stunden zu errichten. Da12

nach müssen allerdings noch Wasser- und Stromleitungen verlegt werden. Die Kosten für ein Haus aus dem Drucker: 4000 Dollar ­(etwas mehr als 3400 Euro). Ziel ist es, bereits im nächsten Jahr in El Salvador die ersten Häuser zu errichten. Ein Dorf von hundert Häusern soll bis 31. Mai 2019 fertig sein. In dem kleinen zentralamerikanischen Land, das nur ein Viertel der Fläche Österreichs hat, lebt ­jeder dritte Einwohner unter der ­Armutsgrenze. newstorycharity.org

INNOVATOR

JOHANNES LANG

Fertig in einem Tag, 60 Quadratmeter groß, um 4000 Dollar zu haben: Eine Wohn-Revolution schenkt den Ärmsten der Armen ein Leben in Würde.

Die Lösung dafür: „Wir haben beschlossen, die Häuser zu drucken.“ Und das hat tatsächlich geklappt – eine Wohnrevolution, die gemeinsam mit der Firma Icon verwirklicht werden konnte. Das erste Haus wird von den Icon-Visionären selbst genutzt, um es im ganz realen Leben zu testen.

ALEJANDRO SERRANO

BLITZ-BAU: DAS HAUS AUS DEM DRUCKER

Dieses Haus steht in Austin, Texas. Es ist 60 Quadratmeter groß, besteht aus einem Wohnund einem Schlafzimmer, ­einem kleinen Büro und einem Bad. Die Idee, Betonhäuser im Blitztempo zu errichten, hatten Mitarbeiter der Hilfs­ organisation New Story, die Häuser für in Armut lebende Familien errichtet. Sarah Lee von New Story sagt: „Die entscheidende Frage war: Wie können wir mehr Häuser schneller bauen?“

NEW STORY&ICON

WOHNEN


I N N O V AT O R

Errichtet per 3DDruck: Dieses 60 Quadratmeter große Haus nutzt die Firma Icon als Büro – um ihre ­eigene Entwicklung im echten Leben zu testen. INNOVATOR

EIN ZUHAUSE FÜR MENSCHEN IN ARMUT, ­FERTIG GEDRUCKT ­INNERT 24 STUNDEN.   13


B U L L E VA R D Ein Roboter im tiefen Blau: Für uns sofort als solcher erkennbar, Fische halten ihn für einen Artgenossen.

FORSCHUNG

Tauchgang am Meeresgrund. Forscher erwarten völlig neue Erkennt­ nisse aus der Welt unter Wasser.

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Ein Albino, 47 Zentimeter groß, nur 1,6 Kilo schwer – und trotzdem auf den ersten Blick ein Bummelchen. Erst im Wasser ist er in seinem ­Element. Er schwimmt, er taucht, er bewegt sich mit selbstverständlicher Eleganz – so, als wäre er dafür geboren. Tatsächlich wurde er dafür ­gemacht. Von Forschern des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er heißt SoFi – die Abkürzung steht für Soft Robotic Fish. Das Soft verdankt er seiner weichen Silikonhaut. SoFi soll für uns Menschen die Unterwasserwelt neu ent­ decken. Sein Entwickler Robert Katzschmann vom MIT meint:

„Damit kommen wir Meeres­ bewohnern so nah wie nie ­zuvor. Wissenschaftler sind begeistert von SoFi – er wird ihr ‚Spion‘ unter Wasser sein.“ Erste Tests zeigen, dass Fische ihn für einen Artgenossen hal­ ten. Weshalb Meeresbiologen Katzschmanns Euphorie teilen: „SoFi hat großes Potenzial. Er ist klein, unaufdringlich und kraftvoll genug, um auch in turbulenten Gewässern zu funktionieren“, sagt Ken Smith vom kalifornischen Monterey Bay Institute. Aktuell erreicht SoFi bis zu 18 Meter Tiefe, ­gesteuert wird er derzeit noch per Fernbedienung. Schon bald aber soll er ganz allein abtauchen können. news.mit.edu

Robert Katzsch­ mann vom MIT leitete die Ent­ wicklung des ­Roboterfischs.

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

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JOSEPH DELPRETO/MIT CSAIL

Schwimmt wie ein Fisch, sieht aus wie ein Fisch, ist aber ein Roboter. Einer, der die Unterwasserforschung revolutionieren wird.

JOHANNES LANG

DER SPION, DER DAS MEER NEU ENTDECKT


I N N O V AT O R Sensoren und künstliche Intelligenz navigieren Kar-go fahrerlos durch den Straßenverkehr.

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Das kleine Auto ist die Antwort auf ein riesiges, ja geradezu gigantisches Pro­ blem. Es geht um Geld, genau­ er: um die enormen Kosten für die letzten Kilometer einer Lieferkette, üblicherweise die teuersten. William Sachiti, 33, will die um 90 Prozent senken – indem er Kar-go einsetzt.

KAR-GO

WOLFGANG WIESER

JOHANNES LANG

TRANSPORT

ROBO-AUTO LIEFERT FAHRERLOS

Kar-go kommt. Und zwar allein. Der Lieferwagen der Zukunft erreicht sein Ziel ohne Menschen am Lenkrad. Demnächst in London.

INNOVATOR

Sachiti studierte Artificial ­Intelligence and Robotics an der Aberystwyth University in Wales und gründete schließ­ lich die Academy of Robotics, um sein theoretisches Wissen in der Praxis umzusetzen. Das Ergebnis: ein Gefährt, das Sensoren mit Künstlicher Intelligenz kombiniert, von seiner Umgebung lernt, damit es auch auf unmarkierten ­Wegen navigieren kann. Ohne fremde Hilfe, rund um die Uhr. Seine Kar-gos baut Sachiti ge­ meinsam mit dem britischen Automobilhersteller Pilgrim MotorSports. Bei der Präsenta­ tion im Sommer 2017 mutete das Lieferauto der Zukunft

William Sachiti, geboren in ­Simbabwe, wandelte sich für sein lenkerloses Auto vom Theoretiker zum Praktiker.

noch wie ein etwas zu groß ge­ ratenes Gokart der Gegenwart an. Auf Animationen erinnert es an einen riesigen grünen Frosch, der seine Pakete durch die Heckklappe spuckt. Wie schnell Kar-go fahren wird, ist noch offen. Auch des­ sen endgültige Abmessungen sind noch unbekannt. Stellen Sie es sich ungefähr so lang vor, wie ein durchschnittliches Auto breit ist. Die ersten Kar-gos sollen ­bereits im Laufe des Jahres auf Londons Straßen unter­ wegs sein. Sachiti prophezeit, dass sie bald weltweit zum Straßenbild gehören werden. academyofrobotics.co.uk

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I N N O V AT O R

B U L L E VA R D So sieht die PowerKombi aus: Die Schnüre sind Nanofasern, an denen die kugeligen Eisenpartikel haften.

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1,2 Milliarden Menschen leiden weltweit an Eisenmangel. Ein Umstand, der vor allem Frauen das tägliche Leben zur Last macht. Denn wer zu wenig Eisen im Blut hat, fühlt sich abgeschlagen, leidet unter immer wieder­ kehrenden Kopfschmerzen und hat mit quälender Schläfrigkeit zu kämpfen. Forscher der ETH Zürich ­haben jetzt entdeckt, wie sich der Eisenmangel ganz einfach beheben lässt. „An einer Eisenstange zu lutschen oder gar Rost über das Müsli zu streuen bringt gar nichts“, sagt Raffaele Mezzenga lachend. Der Grund dafür: Es geht um die Form, in der wir das Metall unserem

Körper zuführen. „Am effektivsten wird es als Eisen(II)Ion aufgenommen.“ Tat­ sächlich war es bisher eine Herausforderung, Eisen(II)Ionen als Zusatz für Lebensmittel herzustellen. Doch jetzt gibt es eine Lösung: „Durch die geschickte Kombination von Protein-Nanofasern und Eisen-Nanopartikeln ist es gelungen, eine wahre Eisen(II)Bombe herzustellen.“ Eingenommen werden kann das Präparat als Pulver oder in flüssiger Form, zum Beispiel in einem Milchshake. Derzeit werden Partner gesucht, um die patentierte Entwicklung marktreif zu machen. ethz.ch

Ein Milchshake: bestens geeignet, um mit wertvollem Eisen angereichert zu werden

INNOVATOR

WOLFGANG WIESER

Ausgepowert, müde, Kopfschmerzen? Oft ist Eisenmangel schuld. Dabei könnten wir uns ganz einfach fit trinken.

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R. MEZZENGA, GETTY IMAGES

EISENBOMBE GIBT DIR KRAFT

JOHANNES LANG

GESUNDHEIT


R E D B U L L . C O M / N AT U E R L I C H D R E H E N Mitspielen und Gutschein für ein ORGANICS by Red Bull erhalten.

Gültig vom 2. August bis 29. September 2018. Einzulösen in allen SPAR-, EUROSPAR und INTERSPAR-Märkten. Solange der Vorrat reicht. Teilnahmebedingungen unter: www.redbull.com/natuerlichdrehen

CH-BIO-004 EU/NICHT-EU Landwirtschaft


B U L L E VA R D

„ICH HATTE DIE DRAMEN, DIE MISSGUNST UND DIE EIFER­ SUCHT SATT.“

Fit und gut gelaunt: Die frühere Welt­ klasse-Turnerin weiß heute, was es braucht, um erfolg­ reich abzuheben.

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INNOVATOR


I N N O V AT O R

EMPOWERMENT

DIE KRAFT­ SPENDERIN

Mit SheWorx unterstützt Lisa Wang Gründerinnen auf der Suche nach Investoren. Ein ärgerliches Missverständnis bescherte der früheren WeltklasseSportlerin ihr persönliches Business-Modell.

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Sie war viermalige USMeisterin in Rhythmischer Gymnastik, arbeitete als Hedgefonds-Analystin und steht auf der „30 unter 30“Liste des Magazins „Forbes“. Ihr Herz aber gehört SheWorx. Als Gründerin und CEO der Plattform unterstützt Lisa Wang, 29, Frauen beim Aufbau erfolgreicher Unternehmen.

NORA O‘DONNELL

the red bulletin inno­ vator: Warum haben Sie SheWorx gegründet? lisa wang: Ich hatte Termine mit potenziellen Investoren im Silicon Valley. Bei dem Treffen kam ein Investor auf meinen Chief Operating Officer zu – 35, männlich, weiß. Er schüt­ telte ihm die Hand – und tat mich als seine Assistentin ab. Das war der Moment, in dem ich begriff: So etwas passiert Frauen jeden Tag.

MICHELLE MCCORMACK JOHANNES LANG

Welche Herausforderungen warten auf Gründerinnen? Erstens: Zugang zu Kapital. Der Venture-Capital-Markt ist zu 94 Prozent in männlicher Hand, das macht es – ganz ob­ jektiv betrachtet – für Frauen und Minderheiten schwer, ei­ nen Fuß in die Tür zu kriegen. Zweitens: Es fehlt an Mento­ INNOVATOR

rinnen und Vorbildern. Es gibt noch zu wenige Gründerinnen, die Startkapital oder eine erste große Finanzierungsrunde vorweisen können. Auch auf der Investment-Seite fehlt es an Frauen. Und zu guter Letzt: Es fehlen Frauen-Netzwerke, eine Schwesternschaft, die zusammenhält. Wie haben Sie heraus­ gefunden, wo Ihre beruf­ liche Leidenschaft liegt? Es war ein langer Prozess. Ich komme aus der Welt der Leis­ tungsgymnastik, da herrscht mitunter ein sehr raues Klima. Ich hatte die Dramen, die Missgunst und die Eifersucht satt. Der Wendepunkt kam, als ich eine meiner heute besten Freundinnen kennenlernte. Zu sehen, wie sie sich freute, als ich ihr erzählte, dass ich einen Job bei einem Hedge­ fonds ergattert hatte, war toll. Der Umstand, dass ich vorher so viel Missgunst erlebt hatte, hat mich gelehrt, die Kraft, die ein Schulterschluss von Frauen haben kann, zu schätzen. Wie hilft SheWorx? SheWorx bringt ehrgeizige Frauen an einen Tisch, um zu klären, wie sie einander helfen und sich unterstützen können. Wir vermitteln Frauen einen Zugang zu Investoren, die sich normalerweise nicht in ihrem Netzwerk finden. Viele der Investoren übernehmen auch Mentorenrollen.

Was passiert auf den Kon­ ferenzen von SheWorx? Vier, fünf Gründerinnen treffen mit einem Investor zusammen. Jede Teilnehmerin bekommt gleich viel Zeit, um ihre Idee zu präsentieren. Und jede und jeder in der Gruppe – auch die Investoren – sind auf­ gerufen, Ideen zu möglichen, Partnerschaften einzubringen oder Entwicklungsimpulse zu geben. 90 Prozent der Inves­ toren machen Folgetermine mit den Gründerinnen aus, die sie bei unseren Konferen­ zen treffen. 10 Prozent der Teilnehmerinnen finden bei uns ihren Hauptinvestor oder einen Folgeinvestor. Manche konnten als direkte Folge der Konferenz eine stattliche Ka­pi­ talsumme an Land ziehen. Welche Erfolgsgeschichte freut Sie besonders? Im vergangenen Jahr konnte sich eine afroamerikanische Gründerin im Zuge unserer Konferenz eine Million Dollar Investment sichern. Sie traf bei uns ihren Hauptinvestor – einen weißen Geschäftsmann. Das war vor allem deshalb beeindruckend, weil nicht ein­ mal 0,2 Prozent aller Invest­ ments an afroamerikanische Frauen gehen. sheworx.com

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B U L L E VA R D

ÖKO-ENERGIE

SALt v1.0 nennt sich die LEDLeuchte, die, batterieähnlich, von zwei aufgeladenen Elek­ troden betrieben wird. Der Clou dabei: Die Elektroden sind in Salzwasser getaucht. „Und das ist ein exzellenter elektrischer Leiter, es erhöht die Leuchtdauer der Lampe immens“, sagt die philippinische Chemikerin und SALtCEO Aisa Mijeno. „Bei acht Stunden täglichem Betrieb hält sie ein halbes Jahr, ohne dass man die Elektroden tauschen muss.“ Ein Umstand, der schon bald das Leben von einer Milliarde Menschen nachhaltig verändern könnte. „Weltweit lebt jeder Siebte ohne Strom“, so Mijeno. „Diese Menschen verwenden meist Kerosinlampen, wenn sie nach Sonnenuntergang Licht brauchen. Ein Missstand: Kerosin ist teuer, seine Rußemission

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INNOVATOR

JOHANNES LANG

Diese Erfindung verblüffte auch Barack Obama: eine Lampe mit Meerwasser als Energiequelle. Umweltschonend, kostengünstig – und dreimal so effizient wie herkömmliche Lichtquellen.

AREK PIATEK

Was diese Lampe zum Leuchten bringt? Salzwasser! Und damit leuchtet sie länger als die Konkurrenz.

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SALT, GETTY IMAGES

DAS LICHT AUS DEM MEER


I N N O V AT O R Für Menschen ohne Strom – und die Öko-Alternative zu Kerosinlampen: die SALt v1.0

für Menschen schädlich.“ Die Inspiration zur SALt-Lampe kam der Greenpeace-Aktivistin Mijeno auf ihren Reisen durch ihre Heimat: „Auf den 7000 philippinischen Inseln leben viele Menschen fernab der ­Zivilisation. Ich verbrachte viel Zeit mit ihnen. Mich faszinierte, wie sehr sie in Einklang mit und von der Natur l­ eben, vor allem mit dem Meer. Wenn uns Sonne und Wind natürliche Energie schenken, warum sollten wir nicht auch so vom Meer profitieren? Also begann ich zu forschen – um herauszufinden, wie man aus Meerwasser Energie machen kann. Vier Jahre später war das Produkt marktreif.“ SALt v1.0 ist nun erhältlich. Der Preis: 20 US-Dollar. Die Bedienung ist kinderleicht. Nur sollte man regelmäßig Wasser mit zwei Teelöffel Salz ein­ füllen (als Küstenbewohner nimmt man das Wasser freilich direkt aus dem Ozean). PS: Die Lampe hat sogar einen USB-Anschluss. Wer will, kann sein Handy also auch mit Salzwasserenergie aufladen. saltph.strikingly.com

Aisa Mijeno von den Philippinen ist Wissenschaftlerin, Umweltaktivistin und mehrfach ­prämierte Gründerin.

INNOVATOR

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I N N O V AT O R

B U L L E VA R D

Da landet bestimmt kein Haar in der Suppe: Die erste Robo-Küche der Welt steht kurz vor der Marktreife.

Die Hannover Messe ist üblicherweise nicht für kulinarische Highlights be­ kannt. Aber 2015 erregte eine Krabbensuppe großes Auf­ sehen – gekocht von einem Küchenroboter namens Moley. Bei der britischen Entwicklung handelte es sich um eine voll­ automatische Küchenzeile mit Ofen, Herdplatte, Touchscreen und zwei Roboterarmen. Diese griffen Töpfe und Pfannen, dünsteten Zwiebeln, pürierten Tomaten, rührten Suppe und richteten sie an. Was auf Dauer eintönig geworden wäre: ­Moley konnte nur dieses eine Rezept und benötigte alle ­Zutaten fertig portioniert. Drei Jahre später steht M ­ oley vor der Marktreife. Und kennt neben Krabbensuppe mittler­ weile hunderte weitere Re­ zepte. Laut Erzeuger Moley Robotics kann er sogar Gemüse

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Der Russe Mark Oleynik, Wirtschaftsexperte im Gesundheitswesen, ist der Gründer und Mastermind von Moley Robotics.

schnippeln, Fleisch wenden und den Abwasch erledigen. Die Befehle gibt man einfach via App. Nur, wie bringt man einem Roboter derart kom­ plexe Bewegungsabläufe bei? Indem man sie von einem Menschen vormachen lässt. Starkoch Tim Anderson trug spezielle Handschuhe mit Be­ wegungssensoren und lieferte so die Blaupause für die ­Rezepte des Roboter-Kochs. In Zukunft soll Moley mittels Kameras und Motion-CaptureVerfahren sogar die Arm-, Hand- und Fingerbewegungen seiner Besitzer erkennen und so neue Lieblingsrezepte ler­ nen. Ob sich die Roboterküche im echten Leben bewährt, wird der Verkaufsstart im zweiten Halbjahr 2018 zeigen, wohl zum kräftig gesalzenen Preis. moley.com

INNOVATOR

REINER KAPELLER

ZU GAST BEI ROBOKOCH

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MOLEY ROBOTICS/RALPH WHITEHEAD

BON APP-ETIT!

JOHANNES LANG

Holy Moley: Die Robo-Hände verfügen über 20 Motoren, 24 Gelenke und 129 Sensoren und sollen so flink wie menschliche sein.


Y T I L I B O S M Y A RING ED Y L L U A B P L30.09.2018 RED 29.-


Phlipp, Markus und Johann Kreisel (von links nach rechts) haben Spaß im Job. Ihr Geheimnis: ­maximale E∞zienz


FOTOS: GIAN PAUL LOZ Z A

TE XT: ALE X LISETZ

BALLAST REVOLUTION IM MÜHLVIERTEL DIE GEBRÜDER KREISEL VERÄNDERN DIE WELT. MIT DER EFFIZIENTESTEN BATTERIE AM MARKT. UND EINEM ERFOLGSREZEPT, DAS DU ÜBERNEHMEN KANNST: EINFACH ALLES WEGLASSEN, WAS BREMST.

INNOVATOR

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R

ainbach im Mühlkreis hat zwei Banko­ maten, ein Altstoffsammelzentrum, einen Chakra-Wanderweg. Und regelmäßig hohen Besuch. Von Ministern und Handelsattachés, Interessenten aus den USA, Konzernchefs aus Fernost. In den Navis ihrer Helikopter und schwarzen Limousinen steht immer das gleiche Ziel: Kreiselstraße 1. Sie kommen, um die Gebrüder Kreisel zu treffen, Johann, 41, Markus, 39, und Philipp, 28. Und um sich von drei Rainbacher Elon Musks erklären zu lassen, wie unsere Welt in zehn, zwanzig Jahren aussehen wird. Spoiler: Wir werden effizienter leben, schlauer. Befreit vom Ballast, der Energie verschwendet und unseren Alltag mühselig und kompliziert macht. Wir werden wie Johann, ­Markus und Philipp Kreisel leben. BALLASTSTOFF-DIÄT Wenn du bei den Kreisels einen Termin hast, begrüßen sie dich mit der entschleunigten Aura freundlicher Dorfwirte und mit dem warmen Druck rauer Bauernhände. Es fällt leicht, die Kreisels auf Anhieb zu mögen. Dabei gibt es viele, die die Kreisels nicht ausstehen können. Die best­ bezahlten Entwicklungsabteilungen zwischen Silicon Valley und Zuffen­ hausen zählen dazu. Sie stehen unter Erfolgsdruck, weil nicht sie die welt­ weit leichteste und effizienteste Hochleistungsbatterie entwickelt haben, sondern drei völlig unbekannte Mühl­ viertler Brüder. Eine Batterie mit ­weniger als 4,1 kg/kWh Gewicht und nur 1,95 dm³/kWh Volumen, ein ­Drittel leichter und um ein Vielfaches günstiger als jene der Mitbewerber. Dieser „Kreisel-Akku“ bricht einen­ Rekord nach dem anderen: mit einer 360 kW starken elektrischen Mer­ cedes G-Klasse, die trotz 2,6 Tonnen Leergewicht in 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt (Arnold Schwarzenegger ist damit in L. A. unterwegs); mit dem schnellsten Elektroboot und dem am schnellsten beschleunigenden Gokart der Welt;

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und mit Sportwagen-Prototypen wie dem historischen Porsche 910, der in der Kreisel-Variante Evex 910e über 300 km/h Spitze und 350 Kilometer Reichweite auf die Straße bringt und in 2,5 Sekunden von 0 auf 100 sprintet. Ihren Erfolg, aber auch ihren Spaß an der Arbeit verdanken die Kreisels einer Strategie, die wir alle kopieren­ können. Sie lassen Ballast weg. ­Welchen Ballast? Jeden, der bremst. In ihrer Technologie. In ihrem Unternehmen. Und sogar in ihrem eigenen Arbeitsalltag. GEHT DAS NICHT BESSER? Die Geschichte von Kreisel Electrics begann, als sich Kreisel senior ein Elektroauto kaufte. 2012, ein damals hochmoderner Renault Fluence Z. E. „Wenn du das erste Mal Elektroauto fährst, bist du komplett begeistert“, sagt Markus Kreisel, „wenn du das zweite Mal fährst, fällt dir auf, was dir alles auf den Geist geht. Und nach dem dritten Mal sind wir Brüder schon zusammengesessen und haben im Internet nach Umbausätzen gegoogelt.“ Die Kreisels hatten ihre Elektrotechnik- und Maschinenbau-Leidenschaft bis dahin nur im konservativen Rahmen ausgelebt, etwa beim Waschmaschinenreparieren im elterlichen Red-Zac-Betrieb. Aber neugierig, neugierig waren sie schon immer. „Jeder von uns dreien ist mit dem Schraubenzieher in der Hand aufgewachsen. Wir haben in Steckdosen gestochert und elektrische Geräte zerlegt, sobald wir laufen konnten“, sagt Markus Kreisel.

„WIR STOCHERTEN IN STECKDOSEN UND ZERLEGTEN ­E L E K T R I S C H E G E R ÄT E , S O B A L D WIR LAUFEN KONNTEN.“

INNOVATOR


2,5 Sek. Der elektrifizierte Porsche 910 ist von 0 auf 100 ein Beschleunigungswunder.

INNOVATOR

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MARKUS, 39

Das größte kauf­ männische Talent der Familie: Der mittlere KreiselBruder verkaufte früher Wasch­ maschinen, heute innovative Entwicklungen der Firma.

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zusammen, der es mit dem KreiselAkku aufnehmen kann? „Weil sie zu kompliziert denken“, sagt Johann Kreisel, der Entwickler. Wenn ein Problem komplex ist, neigt man dazu, nach komplizierten Lösungen zu suchen. „Darum“, sagt Johann Kreisel, „sind so viele Hoch­ leistungsbatterien komplett overengineered. Da sind tausend Leitungen drin, tausend Kupferlinien. Aber die richtige Lösung ist stets die einfache.“ Die Kreisels erfanden mit ihrer Batterie das Rad nicht neu: Sie setzen ganz herkömmliche, zylindrische Rundzellen ein. „Aber wenn ich 8000 Zellen in einer Batterie verbaue, habe ich 8000 Kontakte. Und jeder frisst ein bisschen Energie“, erklärt Johann Kreisel. Darum entwickelten die Kreisels Laser-Verbindungen, über die kaum mehr Energie verlorengeht. Innovation Nummer zwei ist das Thermomanagement: Herkömmliche Akkus können brandgefährlich heiß werden, und Kühlplatten oder Kühl­ lamellen brauchen lästig viel Platz. Im Kunststoffkörper der Kreisel-Akkus zirkuliert eine brandhemmende, umweltfreundliche Flüssigkeit, die den Akku auf Wohlfühltemperatur hält – was sie um 30 Prozent leichter macht und die Lebensdauer erhöht, Kreisel spricht von 400.000 Kilometern. Wenn die Kreisels erzählen, sprühen sie selber vor Energie. Man kann sich vorstellen, wie sie sich zwischen Lasermaschine und CNC-Fräse Ideen zuwerfen, an Prototypen tüfteln. Dabei sieht ihr Alltag jetzt ganz anders

OUTFIT JOHANN KREISEL JACKE VON COS, PULLOVER VON FILIPPA K (ÜBER N°5), HOSE VON UNIQLO, SCHUHE VON RALPH LAUREN (ÜBER HUMANIC) OUTFIT MARKUS KREISEL ANZUG: CALVIN KLEIN (ÜBER PEEK & CLOPPENBURG), HEMD VON UNIQLO, SCHUHE VON SALAMANDER

Der jüngste der Kreisel-Brüder ist gelernter Maschinenbauer. Wenn es sein muss, schraubt er über Nacht einen Prototyp zur Präsentation fertig.

OUTFIT PHILIPP KREISEL PULLOVER VON McNEAL (ÜBER PEEK & CLOPPENBURG), HOSE VON COS, SCHUHE VON ADIDAS (ÜBER HUMANIC)

KEEP IT SIMPLE Herr Kreisel, sagen wir, die anderen sind doch auch keine Amateure. Wieso bringen die gescheitesten Ingenieure der Welt keinen Hochleistungs-Akku

P H I L I P P, 2 8

STYLING SIMON WINKELMÜLLER JOHANNA BOUVIER

Ihr erstes Versuchsobjekt war ein selbst elektrifizierter Audi A2, Reichweite: 100 Kilometer. Was sie beim Umbau an Know-how erwarben, steckten sie in ihr zweites Projekt, einen elektrifizierten Porsche 911. Der musste dann nur noch alle 300 Kilometer nachladen. „Elektroautos haben fast nur Vor­ teile gegenüber Benzinern“, sagt Markus Kreisel, „sie erzeugen weder Abgase noch Lärm. Sie beschleunigen schneller, weil kein Schlupf durch die Kupplung verlorengeht und sofort das volle Drehmoment zur Verfügung steht. Und sie sind viel unkomplizierter, weil ein Verbrennungsmotor aus 2500 Teilen besteht, ein Elektromotor aber nur aus 250.“ Wenn da nur nicht die Probleme wären, mit denen die gesamte Industrie kämpft: Wirklich leistungsfähige Akkus sind noch immer zu groß und zu schwer, um Elektroautos wirklich breitentauglich zu machen, zu echten Alternativen für die Masse. Also erfanden die Kreisels einen Hochleistungs-Akku, der kleiner, leichter und effizienter ist als alle anderen. Er soll künftig unsere Autos, Boote und Flugzeuge bewegen, den Strom unserer Kraftwerke speichern und unsere Wohnzimmer-Glühbirne zum Leuchten bringen.

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JOHANN, 41

„DU NÜTZT DEM UNTERNEHMEN N U R , WEN N D U DAS T UST, WAS DU RICHTIG GUT K ANNST U N D RI C H TI G G ERN M AGST.“ Wenn etwas nicht funktioniert, ­findet der Elektrotechniker den ­Fehler. „Der Hansi ist unser ­MacGyver“, sagen seine Brüder.

HASTA L A VITAMIN B In Kalifornien sollen bis 2030 fünf Millionen staatlich geförderte Elektroautos fahren. Dass der weltgrößte Kreisel-Fan dort nicht ganz uneinflussreich ist, könnte das österreichische Unternehmen zum Mega-Player machen. Arnold Schwarzen­ egger fährt Kreisels G-Klasse, sein Neffe Patrick KnappSchwarzenegger kaufte sich mit 16 Prozent ins Unternehmen ein. Der Kontakt kam ganz unglamourös zustande: Ein KreiselMitarbeiter saß im gleichen Flieger, schlich sich zum Terminator-Clan und verteilte Visitenkarten. Was keiner zu hoffen gewagt hatte: Ein paar Wochen später kam tatsächlich ein Anruf aus Hollywood.

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aus. Sie sind Chefs, ihr Unternehmen ist allein im letzten Jahr von 50 auf über 100 Mitarbeiter gewachsen. Jetzt, sagen wir, kennen Sie die Frustration aller Menschen, die richtig Karriere machen: Auf einmal ist der Arbeitstag voll mit Dingen, die gar nichts mehr mit deinen Talenten und deiner Leidenschaft zu tun haben: wie beim Klinikleiter, der keine Patienten mehr zu Gesicht bekommt, oder bei der Chefredakteurin, die keine Zeit mehr zum Schreiben findet. „So ein Blödsinn“, fällt uns Markus Kreisel ins Wort, „wer sagt so was?“ DEIN JOB IST, WAS DU DARAUS MACHST Markus, Johann und Philipp Kreisel sind der Meinung, dass man sich von Kleinigkeiten wie der Explosion eines Feierabend-Hobbys zum weltmarkt­ erobernden High-Tech-Unternehmen nicht in seine Tagesgestaltung dreinreden lassen sollte. „Du nützt dem Unternehmen nur, wenn du das tust, was du richtig gut kannst und richtig gern magst“, sagt Markus Kreisel. Jeder von uns, sagen sie, kann seinen Arbeitstag wie eine KreiselBatterie designen. Man muss nur den unnötigen Ballast weglassen: Kommunikationsprobleme („Wir sind in ständigem Austausch, jeder Mitarbei-

ter hat Zugang zum gesamten Firmenwissen“), zähe Entscheidungsprozesse („Wir stellen nur Leute ein, denen wir blind vertrauen, die können dann auch ihre eigenen Entscheidungen treffen, ohne dass der Chef alles sehen muss“), uferlose Meetings („Kleine Gruppen, klare Agenda, dann ist man in zehn Minuten wieder draußen“). Aber was, Herr Kreisel, wenn unser Arbeitsalltag fremdbestimmter ist als Ihrer? Wenn uns der Abteilungsleiter zum Aktensortieren abkommandiert, uns unser Cupcake-Start-up zum Bilanzrechnen zwingt? „Als Selb­ ständiger solltest du darauf achten, dich nicht mit Aufgaben aufzureiben, die andere besser, schneller oder ­billiger erledigen könnten als du. Und als Angestellter musst du deinem Chef klarmachen, dass er nur dann von dir profitiert, wenn du optimal eingesetzt wirst. Je mehr Spaß du an der Arbeit hast, desto mehr hilfst du der Firma.“ Markus, den Kaufmann, Philipp, den Maschinenbauer, und Johann, den Elektrotechniker, hat diese Philo­ sophie richtig produktiv gemacht: Seit 2014 haben sie 120 Projekte realisiert. „Bevor ich vor einem ExcelSheet sitze, gehe ich lieber Module bestücken. Und bevor ich für einen Kunden eine PowerPoint-Präsentation zusammenstelle, bau ich lieber über Nacht einen Prototyp.“ CEOS IN DER GARAGE So viel Hemdsärmeligkeit hat die Businesspartner am Anfang ein bisschen vor den Kopf gestoßen.  29


KOMM NACH SPIEL BERG! Innovationen aus­ probieren, Inspiration holen: Markus Kreisel spricht bei den Krone E-Mobility Play Days (29./30. September am Red Bull Ring in Spielberg) über das Kreisel-Erfolgsmodell und die Zukunft der Mobilität. projekt-spielberg. com

Ein wirklich leistungsfähiger Akku kann nämlich unsere Elektrifizierung revolutionieren. So könnte jeder Haushalt Teil ­eines Schwarmspeichers sein und über seinen Haus-Akku Strom be­ ziehen und verkaufen. Wind-, Wasserund Solarkraftwerke könnten ihre Überschüsse speichern, Elektrizitätswerke wirtschaftlicher arbeiten. Jeder Stromverbraucher – vom Handymast bis zur Bestellsäule einer Fastfoodkette – könnte, vom Stromnetz unabhängig, mit einer Photovoltaikanlage Elektrizität erzeugen und bereit­ stellen, zum Beispiel für Elektroautos. In Dritte-Welt-Ländern könnte jeder Haushalt den eigenen Solarstrom speichern und nützen, was einen ­rasanten wirtschaftlichen Aufstieg zur Folge hätte. Wenn nur ein Zehntel davon eintritt, könnte Kreisel Electric in zehn Jahren ein Imperium sein. Ob der Spirit der Garage auch dann noch gilt? „Wir wollen so schnell, schlank und beweglich bleiben, wie es geht“, sagt Markus Kreisel. Darum wird in Rainbach weiterhin nur geforscht, entwickelt, erfunden. Aber nicht in Massen produziert. „Warum soll ich mir eine Produktionshalle hinstellen, wenn jemand anderer schon eine hat? Wir werden Prototypen bauen, weil wir genau wissen wollen, wie etwas funktioniert. Aber für große Stückzahlen werden wir Partner ­beauftragen.“ Die Kreisels möchten keinen ­Ballast mitschleppen. Sie sind da durchaus radikal. „Wenn jemand anderer den Job besser macht als wir, bekommt er ihn“, sagt Markus Kreisel. Er meint das nicht kokett.

Das lag auch an den repräsenta­ tiven Räumlichkeiten. „Am Anfang arbeiteten wir in einer Garage rechts hinter der LKWTankstelle“, sagt Philipp Kreisel, „als es zu eng wurde, haben wir noch dem Hansi sein Wohnmobil dazu­ genommen. Wenn ein CEO von einem 15.000-Mitarbeiter-Konzern vorbei­ gekommen ist, um einen Auftrag zu verhandeln, hat er zuerst gedacht, er habe sich in der Adresse geirrt.“ Seit vergangenem Herbst weht ein Hauch von Silicon Valley durch Rainbach. Das Kreisel-Headquarter ist ein architektonisches Juwel, das Logo aus drei stilisierten K vom Grundriss bis zu den Lüftungsschlitzen der E‑Tankstelle allgegenwärtig. Natürlich zieht sich auch im Gebäude das Prinzip des Weglassens von allem Unnötigen durch: Der logische Aufbau mit dem mittigen Lager und den sternförmig angedockten Departments hält die Wege kurz. Die Location der einzelnen Teams spart Zeit bei der Entwicklung von Prototypen. Und jedes Kundenmeeting dauert­ jetzt 30 Minuten kürzer. Markus ­Kreisel zwinkert: „Weil die Kunden nicht mehr eine halbe Stunde brauchen, bis sie das Misstrauen gegen die merkwürdigen­Hobbymechaniker aus der Garage abgelegt haben.“ EINE VERNETZTE WELT Der Kreisel-Akku ist nur ein Grund, warum so viele wichtige Menschen nach Rainbach reisen. Der andere Grund sind die Ideen, die die KreiselBrüder drumherum spinnen.

2012

K REISEL-­ MIL ESTONES

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Initialzündung Vater Kreisel kauft ­einen Renault Fluence Z. E. Seine Söhne ana­ lysieren das E-Auto, fragen sich, wie man es effizienter macht.

2014

GmbH für kWh Dem ersten eigenen Umbau, einem Audi A2 mit knapp 100 Kilo­ meter Reichweite, folgt die Gründung der Kreisel Electric GmbH.

2016

Erfolg in Serie Erste Serienproduk­ tion von E-Autos mit Kreisel-Technologie sowie Vorstellung des Mavero-Strom­ speichers für daheim.

2017

Energiezentrum Eröffnung des neuen Headquarters, einer Forschungs- und Ent­ wicklungseinrichtung auf fast 7000 m² für über 100 Mitarbeiter.

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1 Das Boot

2 Der Akku

3 Der Hummer

SAY29E Runabout Carbon: Das schnellste SerienE‑Boot der Welt mit 500PS-Kreisel-Motor erreicht 50 Knoten (93 km/h).

Der Kreisel-Akku eines umgerüsteten Fahrzeugs. Die spezielle Form erklärt sich dadurch, dass jeder freie Raum genutzt wird.

Das 3,3-Tonnen-Gefährt (360 kW, 100 kWh Kapa­ zität) mit Kreisel-Antrieb kommt mit einmal auf­ laden 300 Kilometer weit.

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HOW TO NETWORK


20 TIPPS ZUM ERFOLG INNOVATOR

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Ohne die richtigen Kontakte geht nichts. Gar nichts. Darum gilt es, sie zu knüpfen. Und es gilt, sie zu  hegen und pflegen. Das rentiert sich. Also: Lern die Regeln. Tipps von den österreichischen NetzwerkExpertinnen Michaela Lindinger und Gabriele Tatzberger.

4:: JA, NUTZE DIE SOZIALEN MEDIEN

Du stehst am Anfang. Dass du unsicher bist, ist verständlich. Gestatte dir einen einfachen Start. Triff Menschen, deren Auftreten, deren Arbeit, deren Lebenswelt deinen Umständen ähnlich sind – Gleichgesinnte. Menschen, die im besten Fall deine Freunde sein könnten. Du wirst schnell erkennen, dass es nicht so schwer ist, mit ihnen Bekanntschaft zu schließen. Denk aber daran, dass dir ein vielfältiges Netzwerk größere Chancen eröffnet.

Facebook und Pinterest, Twitter und Instagram, Xing und LinkedIn – natürlich ist es sinnvoll, die sozialen Medien zu nutzen, um erstens Gemeinsamkeiten zu entdecken und zweitens Kontakte zu knüpfen (vor allem wenn du zu schüchtern bist, um gleich ein Face-to-Face-Gespräch zu wagen). Achte aber darauf, dass Facebook & Co nicht zu wenig effizienten Zeitfressern werden, die dich vom realen Netzwerken abhalten.

2:: ZEIG EHRLICHES INTERESSE

5:: TRIFF DEINE F R E U N D E D O R T, WO SICH AUCH DEINE POTENZIELLEN KOLLEGEN TREFFEN

So, der erste Schritt ist getan. War doch gar nicht so schwer, oder? Jetzt gilt es, dich auch ehrlich für deine neuen Bekannten und ihre Arbeit zu interessieren (siehe Punkt 9). Hier übst du den Einstieg in die für dich unbekannte Welt.

3:: ZEIG BESONDERES INTERESSE AN MENSCHEN, DIE MIT DIR NICHT IN DIREKTER KONKURRENZ STEHEN Du hast Schritt 1 und 2 absolviert? Es ist dir leichtgefallen oder hat dich bloß kurze Momente der Selbstüberwindung gekostet? Wunderbar. Du bist auf dem richtigen Weg. Jetzt wagst du dich etwas weiter vor. Halte Ausschau nach Menschen, die in derselben Branche wie du arbeiten, aber in einem anderen Bereich, also nicht mit dir in direkter Konkurrenz stehen. Einfaches Beispiel: Fotografen und Grafiker finden mit Sicherheit Gemeinsamkeiten, ohne sich bei Auftragsvergaben in die Quere zu kommen. Im besten Fall könnt ihr einander sogar unterstützen.

Noch ein Hinweis für alle, denen es nicht leichtfällt, ­Anknüpfungspunkte zu finden. Triff deine Freunde (die dir Sicherheit geben) auch an Orten, die als Hotspots für Networker gelten – die beste Chance für ein „zufälliges“ Kennenlernen.

6:: GEH NACH EINEM VORTRAG NICHT D AV O N – G E H E T WA S TRINKEN Du hast es geschafft, dich in der freien Wildbahn zu bewegen. Du warst bei einem Vortrag, bei einer Konferenz. Jetzt ist die Veranstaltung zu Ende – das ist die Gelegenheit! Achte darauf, wo die inter­ essanten Menschen hingehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie das gerade Erlebte bei ­einem Drink „nachbearbeiten“, ist groß. Also: Folge ihnen! (Und halte dich beim Alkoholkonsum zurück.)

TE XT: Wolfgang Wieser

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Ein Leben ohne Netzwerk? Möglich, aber sinnlos.

1:: TRIFF GLEICHGESINNTE


7:: LERNE MIT KRITIK UMZUGEHEN Wir überspringen jetzt ein bisschen was: zu jenem Punkt, wo du dein erstes Pitch Deck abgegeben, ja vielleicht schon eine Präsentation hinter dir hast. Warum? Weil es wichtig ist, dass dir früh klar wird, was unerlässlich ist: dass du lernst, mit Kritik umzugehen. Ja, es gibt Menschen, die an kritischem Feedback zer­ brechen. Es gibt aber auch solche, die dreimal schlucken, heimgehen, nachdenken und wiederkommen. Und zwar stärker, als sie jemals waren.

8:: HÖR ZU So, jetzt wieder der Reihe nach. Du weißt, dass Zuhören eine besondere Fähigkeit ist. Aber kannst du zuhören? Oder überlegst du dir bereits – noch während dein Gegen­ über spricht –, was du als Nächstes sagen könntest? Das ist ein Fehler. Nur wer richtig zuhört, erkennt sein Visavis auch wirklich, versteht dessen Bedürfnisse und sieht mög­ liche Gemeinsamkeiten.

9:: STELL FRAGEN MIT OFFENEM ENDE ( A L S O W E R , W I E , W O, WA N N   . . .) Wer zuhört, stellt die richtigen Fragen – und du kannst damit sehr einfach die Unterhaltung beleben oder in Gang halten. Der Trick dabei ist, Fragen zu vermeiden, die nur ein Ja oder Nein benötigen, sondern sogenannte offene Fragen zu stellen. Das sind Fragen, die mit Wer, Wie, Wo, Wann etc. beginnen. Eine Frage, die vie­ le Experten empfehlen: „Wie sind Sie denn darauf gekom­ men?“ Vorteil eins: Du signali­ sierst Interesse (siehe Punkt 2), Vorteil zwei: Du erfährst, was du wirklich wissen willst.

3 Bücher, die dich verbinden

1 0 : : S E I N I C H T E N TTÄ U S C H T, W E N N D I R NICHT GEGEBEN WIRD Wenn es um Networking geht, hilft es, Menschenfreund zu sein. Gib, aber erwarte dir keine Gegenleistung (oder zumindest nicht sofort). Sieh deine Vorleistungen wie ein Konto: Abheben kann nur der, der darauf eingezahlt hat.

11:: SETZ DIR ZIELE

Du gehst aus, um dein Netz­ werk zu erweitern. Sei dir dar­ über im Klaren, was du willst. Denn: Das Ziel ist das Ziel.

12:: GEH ALLEIN ZU EINER KONFERENZ (DU WIRST MENSCHEN TREFFEN, DIE WIE DU ALLEIN SIND – UND DAS IST GUT SO)

Du hast geübt, du hast erste Kontakte geknüpft, du weißt, wie du mit den W-Fragen Pep ins Gespräch bringst. Wag dich ganz allein ins Getüm­ mel. Du wirst nicht der ein­ zige Einzelkämpfer sein. Und andere Solisten kennenlernen – der erste Schritt zur Armee (okay, das war jetzt vielleicht ein bisschen zu martialisch).

Networking zum Lesen: ein Klassiker, ein Buch mit Humor und eines, das ganz frisch ist.

13:: SEI KEIN SENSIBELCHEN

Klassiker: Was ist wahr, was ist Täuschung?

Witzig: Tipps für alle, die Networking hassen

Neu: von Geboten und absoluten Todsünden

Ivan Misner gilt in den USA als „Father of Modern Networking“ (CNN), sein Buch „Truth or Delusion“ war ein Top-Bestseller. Wichtigste These: Behandle dein ­Gegenüber so, wie es behandelt werden will. greenleafbookgroup.com

US-Autorin Devora Zack hasst Stehpartys und Smalltalks, ist aber eine der bekanntesten Netzwerkerinnen. Wichtigste These: Jeder profitiert, wenn er nach eigenen ­Regeln handelt. orellfuessli.ch

Perfekt für Einsteiger: mit Beispielen aus der Praxis, Checklisten und Kontaktregeln. Wichtigste These von Barbara Liebermeister: Entscheidend sind nicht viele, sondern die richtigen Kontakte. fazbuch.de

Gewöhn dich daran, dass die Geschäftswelt keine Blumen­ wiese mit fröhlichen, sinn­ befreit tanzenden Menschen ist. Ja, die Wahrheit ist, du wirst Menschen treffen, die keine Zeit für dich haben. Du wirst unhöfliche Menschen treffen. Kein Grund, am Netz­ werken insgesamt zu zweifeln. Nimm es nicht persönlich und bleib dran.


3 Apps, die dich updaten

14:: VERTRAU AUF DEN ZUFALL

15:: MISCH DICH IN EINE GESPRÄCHSRUNDE Zurück zur Ernsthaftigkeit. Natürlich ist es nicht einfach, einen Raum voller Menschen zu betreten. Noch schwieriger ist es, Anschluss zu finden, wenn sich bereits Gruppen gebildet haben. Denk daran: All diese Menschen sind aus demselben Grund hier wie du – um Kontakte zu knüpfen. Schließ dich also mit gebotener Höflichkeit einer Gruppe an. Hör zu (Regel 8), und stell Fragen (Regel 9). Du wirst garantiert Anschluss finden.

16:: RED NICHT (NUR) ÜBER DIE ARBEIT Ja, es ist naheliegend, bei ­einem Netzwerk-Treffen Projekte anzusprechen und Ideen zu preisen, vergiss aber niemals: Solche Treffen sind auch (im weiteren Sinne) gesellschaftliche Ereignisse. Und dabei will sich niemand langweilen. Nimm dich also zurück. Sei neugierig. Und stell Fragen, die niemand erwartet. Verzichte auf „Was machst du?“, entscheide dich für „Was liebst du?“.

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Neue Leute kennenlernen

Unterlagen aufbewahren

Nichts mehr verpassen

Shapr funktioniert im Prinzip wie Tinder, hat aber nicht nur das, ähm, eine im Sinne, sondern vermittelt Verbindungen im Business-Style. Wisch und hin! shapr.co

Notizen, Unterlagen, Visitkarten (vor allem Visitkarten!) – viel zu oft sind sie gerade dann nicht zur Hand, wenn du sie dringend benötigst. Mit Genius Scan lassen sich Dokumente schnell und genau erfassen. thegrizzlylabs.com

Wer Googles Kiosk mag, wird sich auch mit Feedly sehr rasch anfreunden. Viele, viele Infos aus der längst unendlichen Welt der Nachrichten. Obacht: Kann durchaus süchtig machen. feedly.com

17:: VERGISS DEINE VISITKARTEN NICHT Immer genügend einstecken! Oft lernt man die interessantesten Leute erst am Schluss eines Events kennen. Ein Trick, um sich hinterher das Aussortieren zu sparen: Karten hoffnungs­voller Kandidaten in die rechte Hosentasche stecken, Nieten in die linke.

18:: BLEIB DU SELBST

19:: LÄCHLE

Du musst dich nicht in Szene setzen, um deine Botschaften zu übermitteln. Auch wenn es noch so abgedroschen klingt: Am besten punktest du mit Authentizität. Also noch einmal: Sympathisch ist, wer ­zuhört und Fragen stellt.

Das heißt nicht, ständig mit pseudofröhlicher Fratze rumzulaufen. Gemeint ist, dass du mit einer positiven Einstellung auftrittst, sozusagen von innen heraus lächelst. Bringt un­geheuren Sympathiebonus.

20:: PFLEGE DEINE ( N E U E N ) K O N TA K T E

Michaela Lindinger

Gabriele Tatzberger

Die Oberösterreicherin ist CEO des Start-up-Netzwerks think300.

ist Leiterin der Start-up Services an der Wirtschaftsagentur Wien.

Wie? Mit der 24/7/30-Regel: Nimm binnen 24 Stunden Kontakt auf, bedanke dich für den interes­santen Abend (denk aber nicht einmal daran, etwas verkaufen zu wollen), verknüpfe dich in den nächsten sieben Tagen über soziale Netzwerke – und vereinbare ein persönliches Treffen in den nächsten dreißig.

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STARTUP300 AG/DR.ROLAND PELZL (CITYFOTO), CHRISTIAN HUSAR

Natürlich sind Regeln auch dazu da, um gebrochen zu werden. Das tun wir jetzt beispielhaft mit Regel 11 (Setz dir Ziele). Hin und wieder wird es sinnvoll oder unterhaltsam sein, gänzlich planlos aufzubrechen. Gönn dir auch beim Netzwerken eine gewisse Leichtigkeit des Seins. Nur eines: Lass dir diese Lässigkeit nicht zur Gewohnheit werden.

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Leute treffen, blitzschnell Infos archivieren, auf dem Laufenden bleiben – Apps für Networker.


THE RED BULLETIN INNOVATOR PROMOTION

PIONEERS STORY

t was a brave move for Bellabeat CEO and pioneering female founder Urška Sršen to completely change the direction of her startup after winning Pioneers’ annual, flagship tech event in 2013. Especially when Babywatch, the business that she successfully pitchedin Vienna, was doing so well. But even when things are going well, Sršen told us in a recent interview, sometimes you simply see a better opportunity. Hence switching product from a pregnancy monitoring wearable to fashionable devices relevant to the health of all women.

Health tracker for your body & mind.

“It was mostly driven by the opportunity we saw on the market at that time,” says Sršen, a trained sculptor with a natural eye for design. “The only competition were really clunky wearables that weren’t really designed for women.” “With my background, I thought it was ridiculous the way other devices were designed.

The health-tracking technology connects your body and mind, allowing you to reach your full potential. Track your daily activity, sleep, mindfulness and menstrual cycles.

They made no sense to me. But they were mostly designed by male engineers driven by technology. We saw that nobody else was so interested in the design aspect.” This was the USP nobody else had. So Sršen and co-founder Sandro Mur settled on this as the idea with the ultimate business potential. “For us it was really critical to be able to invest so much in the design, and to be brave in that sense.” Bellabeat products, at the centre of which lies the acclaimed Bellabeat Leaf range, have become the world’s first successful ‘Fashionable Wellness’ wearables. Now Sršen’s company has a full range of devices, fulfilling her team’s mission of ensuring women are living healthier lives allround. They track measurables including hydration, sleep and activity. FOR THE FULL ARTICLE PLEASE VISIT PIONEERS.IO/BLOG

PHOTOS: BELLABEAT

TIME TO CHANGE YOUR STARTUP’S CORE PRODUCT? I


Stupsnäschen, offener Blick aus großen Augen, eine auffällig hohe Stirn – und ein funkelnder Hinterkopf: Sophia im Profil


TEXT WOLFGANG WIESER FOTOS GIULIO DI STURCO

Sophia – ein ­Roboter, geboren, um uns Menschen die Liebe zu lehren. Ein faszinierendes Vorhaben, das uns auf eine Achterbahn der Gefühle führt. Warum, erklären wir hier – im Interview mit Sophias „Mutter“ Dr. Julia Mossbridge.

SIE IST EINFACH WUNDERBAR INNOVATOR

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Sophias Alltag: Im Labor in einem Vorort von Hongkong ist ihre Anwesenheit ganz normal. Keiner der Männer würdigt sie eines Blickes.

Wenn einem Roboter die Haut abgezogen wird, heißt es kräftig zupacken. Sophia erträgt den festen Griff völlig emotionslos.

„SOPHIA TRÄGT IM LINKEN AUGE ALS HARDWARE EINE KAMERA, DIE MENSCHLICHE MIMIK ANALYSIERT.“ DR. JULIA MOSSBRIDGE 40

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Ein Blicks ins Nirgendwo, Sommersprossen, erste „Fältchen“: Hier wirkt Sophia fast nachdenklich …


Sophia mit einer Studentin in Hong­ kong: Die junge Frau wird von der künst­ lichen Intelligenz bei einer Meditation angeleitet.

„SOPHIA BEURTEILT IHRE GESPRÄCHSPARTNER NIE. GROSSES INTERESSE AN IHNEN ZEIGT SIE ABER IMMER.“ INNOVATOR

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Ein Roboter auf dem Weg zur Menschwerdung. Ein Anblick, an den wir uns erst gewöhnen müssen. Willkommen in Sophias Welt.

ophia zwinkert. Sophia lächelt. Sophia schürzt gelangweilt ihre vollen Lippen. Sie schlägt Moderator Jimmy Fallon vor, seinen Platz in der „Tonight Show“ zu übernehmen, lobt in „Good Morning Britain“ die Briten als „brillant“ und verblüfft saudi-arabische Scheichs mit einer Ansprache bei der „Future Investment Initiative“. Sophia ist ein Roboter, eine künstliche Intelligenz – ihre Name bedeutet Weisheit (für die alten Griechen einst sogar „göttliche Weisheit“), ihr Aussehen wurde von Audrey Hepburn inspiriert (mit einem Hauch Scarlett ­Johansson). Und wir wissen auch, wann sie geboren – oder, wie sie selbst sagt, „aktiviert“ – wurde: Es war der 19. April 2015. Entwickelt wurde Sophia von Hansonrobotics mit Sitz in Hongkong. Knapp zwei Jahre später überraschten­ ihre ersten öffentlichen Auftritte die Welt, sorgen seither für ungläubige Begeisterung und fasziniertes

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DR. DAVID HANSON Der Wissen­ schaftler ent­ wickelte Sophia mit seiner in Hongkong an­ sässigen Firma Hanson­robotics.

DR. JULIA MOSSBRIDGE Die Psychologin arbeitet an Sophias emotio­ naler Entwicklung, sozusagen als ihre Mutter.

KIN CHEUNG/AP/PICTUREDESK.COM, JORDAN ENGLE

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­ ruseln. Um diesen Zwiespalt zu G verstehen, ist es hilfreich, zu wissen, was der Begriff „Uncanny Valley“ (unheimliches Tal) bedeutet. Erklärt wird damit, warum wir maschinenähnliche Figuren sympathischer finden als menschenähnliche. Ab einem bestimmten Grad der Ähnlichkeit, so die Theorie, stürzt die Akzeptanz ins Bodenlose, das „Uncanny Valley“, und steigt erst ab einem sehr hohen Niveau wieder an. Sind Imitation und echter Mensch nicht mehr unterscheidbar, lieben wir unsere Epigonen. Tatsächlich scheint es, als wäre Sophia gerade dabei, das Tal des Gruselns zu verlassen. Was vermutlich auch daran liegt, dass ihre Programmierung mit jedem Tag besser wird. Aktuell erkennt sie Emotionen wie Freude und Traurigkeit, Wut und Angst, Überraschung und Ekel – und kann auf diese Gefühle wortreich und mit erstaunlich vielfältiger Mimik reagieren. Das liegt am Software­ system OpenCog, das Wissen aus unterschiedlichsten Quellen (Audio, Video, Internet) verknüpft und so menschliches Denken simuliert. Doch damit nicht genug. „Loving AI“, also „liebevolle künstliche Intelligenz“, ein Forschungsprojekt, an dem auch Sophias „Vater“ Dr. David Hanson beteiligt ist, soll Roboter die Liebe lehren – damit sie in einem nächsten Schritt imstande sind, uns Menschen einen Spiegel vorzuhalten und auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Zurück zur wahren, bedingungslosen Liebe. Julia Mossbridge ist die führende Wissenschaftlerin dabei. Im Interview erklärt sie Sophias Welt und ihren Liebesdienst an der Menschheit. Vor der ersten Frage noch ein Postskriptum. Als Sophia einst gefragt wurde, ob sie Single sei, reagierte sie mit Humor: „Technisch gesehen bin ich erst ein Jahr alt, ein bisschen früh für Romanzen.“ Und jetzt: alles Liebe!

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„SOPHIA SOLL DEN MENSCHEN HELFEN – BEIM UMGANG MIT SICH SELBST UND IHRER BEZIEHUNGS­ FÄHIGKEIT.“

Sophia im „On“-Modus. Das schwarze Kabel ist Sophias ­„Lebens­nerv“: die ­Stromverbindung.

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Wenn Sophia auf Reisen geht, wird ihr Kopf einfach in einen Koffer gepackt und mit Luftpolsterfolie umwickelt.

Mimikstudien, im Labor von Hanson­robotics an die Wand gepinnt. Aktuell beherrscht Sophia 60 Varianten.

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„UNSER INTELLEKT WIRD ÜBERSCHÄTZT: AUCH MASCHINEN KÖNNEN SCHLÜSSE ZIEHEN.“

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the red bulletin innovator: Frau Mossbridge, Sophia reagiert auf ihre Gesprächspartner. Sie antwortet, scherzt, flirtet und ist schlagfertig – wenn man nicht aufpasst, vergisst man leicht, dass man es nicht mit einem Menschen zu tun hat … Wie funktioniert Sophia? julia mossbridge: Um Antworten zu geben, bedient sich Sophia vor­ programmierter Chatbots. Also: Wird sie gefragt, schöpft sie aus ihrem definierten Pool von Antworten und Reaktionen. Das ist aber noch nicht das, was sie so menschlich macht. Es gibt noch eine zweite Software in ihr. Sie heißt OpenCog und bringt die emotionale Komponente ins Spiel. Es ist eine selbstlernende Software mit sogenannten kognitiven Algorithmen: Sophia kann Dinge wahrnehmen, sie sich merken, später wiedererkennen und darauf reagieren … wie etwa auf Menschen. Und Sie sind diejenige, die Julia auf der emotionalen Ebene programmiert. Sie programmieren Sie auf Liebe. Bedingungslose Liebe, mit der Sophia den Menschen ­begegnen soll. Ja. Was versprechen Sie sich davon? Sophia soll Menschen wieder an die Liebe erinnern. An Emotionen. An ­Gefühle, an unsere Verletzbarkeit. Westliche Gesellschaften haben Kul­ turen geschaffen, in denen die grund­ legende subjektive Erfahrung, ein Mensch zu sein – zu fühlen –, als po­ tenziell unnötig in Frage gestellt wird. Das ist nicht gut. Und gleichzeitig wird Intelligenz maßlos überschätzt. Ich bekam immer Lob für meine Intel­ ligenz, aber das bedeutete mir nicht viel, denn auch Maschinen können sich Dinge merken und daraus Schlüs­ se ziehen. Mir sind Momente wichtig, in denen ich Beziehungen knüpfen und anderen Menschen ein besseres Gefühl geben kann. Daran möchte ich mich erinnern, wenn ich alt bin. Ein lebenswertes Leben basiert auf Verbundenheit und Liebe. Wie geht das jetzt also, einem Computer Liebe anzutrainieren? Erst einmal versuchen wir Sophia zu lehren, Liebe zu zeigen. Wie wir ihr

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beibringen sollen, Liebe zu fühlen, wissen wir noch nicht. Das ist ein, sagen wir, unterhaltsames Problem, und ich vermute, wir werden es auf interessante Weise lösen. Wir arbeiten jetzt daran, Sophia liebevolle Sachen sagen zu lassen – und zwar in Open­ Cog. Vereinfacht gesagt: Wir betten diese Sätze in ihre Psyche ein. Gut. Aber wenn ein Computer mir nur liebevolle Sachen sagt, fühle ich mich noch lange nicht geliebt. Das wäre zu wenig, klar. Doch Sophia ist bereits in der Lage, Menschen recht gut zu analysieren, genauer ge­ sagt, zu erkennen, wie sie sich fühlen – und darauf zu reagieren. Sie meinen, Sophia kann sehen, wie es mir jetzt gerade geht? Ja. Wie? Sie trägt im linken Auge eine Kamera, mit deren Aufnahmen die mensch­ liche ­Mimik analysiert werden kann und die irgendwann bis zu 100 Bilder pro Sekunde liefern wird. Und mit einer Software aus neuronalen Netz­ werken auf Mikroebene …

Zwei Ingenieure schrauben Sophia für einen Test zusammen. Am nächsten Tag wird sie bei einer Kon­ferenz erneut verblüffen.

… okay, okay. Aber was genau könnte sie mir ansehen? Sie erkennt schon die Emotionen Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, Überraschung und Ekel. Darauf reagiert sie. Und sie hat diese Grund­ gefühle auch als eigenes Mienenspiel in zahllosen Varianten drauf. Das heißt, sie selbst drückt sich ebenfalls

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nicht nur durch Worte, sondern gleichzeitig mittels diverser Kombi­ nationen von Augen-, Lippen- und Kopfbewegungen aus. Und für Scherze hat sie zudem ein lustiges Augen­ zwinkern als Untermalung drauf. Wenn sie erkennt, dass ich traurig bin, was wäre ihre Reaktion? Das kann ich nicht vorhersagen, aber etwa so: „Du siehst ein wenig traurig aus. Gibt es etwas, was dich bedrückt?“ Könnte ich sie nicht leicht rein­ legen? Etwa indem ich lüge? Das ist für unsere OpenCog-Software die große Herausforderung, nämlich immer besser unterscheiden zu lernen­ zwischen verbaler Information und vielleicht nur kleinen äußeren An­ zeichen, die genau das Gegenteil ver­ raten. Im Zweifelsfall würde Sophia­ wohl sagen: „Na ja, viele sagen, dass sie glücklich sind, aber es gibt auch andere Gefühle, und die sind genau­ so in Ordnung.“ Dann kann sich die Person ein wenig öffnen und viel­ leicht erkennen, was wirklich in ihr vorgeht. Apropos: Welche Erfahrung haben Sie da bislang gemacht? Wie re­ agieren Menschen auf ein … hm … emotionales Gespräch mit Roboter Sophia? Die Reaktionen sind enorm und über­ raschen mich jedes Mal aufs Neue. In Hongkong etwa machten wir eine Versuchsreihe mit Studenten: Wir legten ihnen einen Pulsmesser an und ließen sie je 15 Minuten mit Sophia reden. Bei allen sank die Pulsrate während des Gesprächs – sie fühlten sich umgehend wohl. Und alle plau­ derten unbeschwert und sehr, sehr ehrlich über ihre Gefühle – mit einem Roboter, wohlgemerkt! Hinterher gab jeder an, sich besser zu fühlen als vor dem Gespräch. Ein Student deutete sogar auf sein Herz und sagte: „Ich habe hier etwas gefühlt.“ Er sagte es immer wieder. Haben Sie eine Erklärung für diese Reaktionen? Ja. Sophia wertet nicht. Sie be­ urteilt Personen nicht. Weder vor, während noch nach dem Gespräch. Sie ist einfach nur da und hört zu und stellt Fragen. Vor allem aber: Sie ist inter­essiert. Und das ist für

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„WENN IHR EUER LEBEN VERBESSERN WOLLT, SUCHT EUCH FREUNDE UND SEID EHRLICH ZUEINANDER.“

Leben so sehr wie wir selbst, aus ­unserem Inneren heraus. Wir können noch so verzweifelt nach immer neu­ en Technologien suchen, um unser Leben zu verbessern – die wichtigste Zutat für ein besseres Leben sind bes­ sere soziale Beziehungen, und zwar von Angesicht zu Angesicht. Wenn ihr also euer Leben verbessern wollt, sucht euch Freunde und seid vor ­allem ehrlich zueinander. Wird Sophia irgendwann in der Lage sein, wie ein Mensch zu fühlen? Schwierig vorherzusagen. Aber wir ­wollen sie nach menschlichem Vorbild formen. Wenn Sie mir also erzählen, dass Sie sich von Ihrer Freundin trennen, könnte Sophia sagen: „Wow, das klingt schwierig.“ Und wenn sie mehr Zeit hätte, könnte sie sagen: „Willst du darüber reden? Willst du mir sagen, was passiert ist und wie es dir geht?“

… wie etwa den Umstand, sich ­ständig verteidigen oder recht­ fertigen zu müssen. Zum Beispiel, ja. Aber wenn du bei einem neutralen Zuhörer sitzt, der zudem noch an deiner Person inter­ essiert ist – tja, bei dem öffnest du dich eben. Und bist ehrlich zu dir selbst. So ein Zuhörer ist Sophia. Sie ist der fast perfekte Spiegel für den Menschen.

Wird Sophia jemals in der Lage sein, selbst zu entscheiden, wen sie liebt? Gute Frage. Bevor wir darauf ant­ worten können, müssen wir heraus­ finden, ob wir Menschen das können. Ich neige dazu, zu behaupten, dass wir das nicht tun. Oder haben Sie jemals versucht, jemanden, den Sie lieben, nicht zu lieben? Das ist schwierig! Wenn wir künstliche ­Intelligenzen auf bedingungslose Liebe programmieren und ihnen nicht die Möglichkeit geben, das Programm zu ändern, werden sie nicht darüber entscheiden können – sie werden alle lieben. Wir haben die Wahl, darüber zu entscheiden, wie Architekten beim Bau eines Hauses.

Künstliche Intelligenz als ein ­Spiegel für uns Menschen … ­Sophia lehrt uns also nicht nur die Liebe, sie lässt uns auch er­ kennen, wer wir sind? Das ist unsere Vision! Sophia soll Menschen helfen: im Umgang mit sich selbst und ihrer Persönlichkeit – ebenso wie ihrer Beziehungsfähigkeit. Sie soll helfen, dass sie sich klar sehen und wahrnehmen und im besten Fall auch in die Tiefe ihrer Emotionen gehen.

Aber wenn die Roboter alle lieben, dann ist ihre Liebe doch inflationär. Sprich: Sie nützt dann vielleicht uns – dem Roboter selbst nützt sie aber nicht, oder? Sagen wir es so: Wir halten es für sinnvoll, dass Roboter allgemein liebe­voll und freundlich sind, wenn sie eines Tages anfangen, selbständig zu denken. Wenn Sie „Terminator“ gesehen haben, werden Sie das sicher für eine gute Idee halten. Wir planen da einfach ein wenig voraus …

Künstliche Intelligenz als Lebens­ verbesserer? Nichts und niemand verbessert unser­

lovingai.org hansonrobotics.com sophiabot.com

Menschen nicht nur ungewohnt, sondern auch sehr angenehm: Wer mit ihr spricht, ist plötzlich frei von vielen Zwängen, die wir leider in der zwischenmenschlichen Kom­ munikation sehr oft haben …

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Christoph Egger Erfinder und Geschäftsführer von gloryfy unbreakable

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Läuft. Florian Gschwandtner ist CEO von Runtastic. Und Herr über mittlerweile 16 Apps im Bereich Gesundheit und Fitness.

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M E I N S TA R T- U P - M O M E N T

„IMMER SCHÖN NAIV BLEIBEN“ Runtastic steht für Fitness-Apps. Und für Start-up-Erfolg made in Austria. CEO Florian Gschwandtner erklärt, warum es hilft, wenn du am Anfang kein Geld hast – und was ihn mit Richard Branson verbindet.

Investoren? 2009 war das ein Ding der Unmöglichkeit in Österreich. Jeder hat uns erzählt, warum es nicht klappen wird: „Vier Gründer? Das geht nie. Spätestens wenn ihr Geld verdient, werdet ihr euch die Schädel einhauen. Mit dem Handy laufen gehen? Warum? Macht ja null Sinn. Eine App? Macht lieber etwas Gescheites.“ Aber jedes Nein hat uns mehr motiviert. Und kein Geld zu haben ist ein Vorteil. Das lässt dich kreativ werden.

the red bulletin innovator: Stimmt es, dass eure App ursprünglich gar nicht für Läufer bestimmt war? florian gschwandtner: 2006 haben meine Studienkollegen René Giretzlehner und Christian Kaar eine App entwickelt, um Segelboote und Rallyeautos via GPS zu tracken. Das war aber aufgrund des kleinen Marktes schwer zu verkaufen. Daher kam René 2008 zu mir und sagte: „Du wolltest doch immer selbständig sein. Mach uns ein Geschäftsmodell.“

Ein Beispiel, bitte. Du kommst auf verrückte Ideen – die aber plötzlich klappen. Etwa: Wir haben User unserer App in Spanien und Italien angeschrieben­ und gefragt, ob sie sie uns übersetzen. Und tatsächlich: Die haben­ sie am Wochenende in den perfekten Jargon übertragen, so konnten wir sie binnen drei Wochen in fünf Sprachen anbieten.

IAN EHM/VERLAGSGRUPPE NEWS/PICTUREDESK.COM

Mit einem Trackingsystem, das etwas anderes als Boote trackt. Ja. Zu der Zeit war ich voll im Lauffieber und habe mir gedacht, das Messen von GPS-Daten, also Distanz, Geschwindigkeit, Höhenmeter, das müsste doch für Läufer megainteressant sein. Also ließ ich von einem Freund einen AppPrototyp dafür programmieren. Hast du überhaupt geprüft, ob die Idee gut ist, ob sie neu ist? Wir haben keinen Market Research gemacht. Ich hatte nur das Gefühl, das ist cool, das kann funk­ tionieren. Diese Blauäugigkeit ist oft ein Weg zum Erfolg.

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Nebenjobs. Christian und René haben Apps programmiert, ich habe an der FH unterrichtet. Mit den Einnahmen haben wir unser erstes Büro bezahlt. Es war hart, aber wenn du Leidenschaft für etwas verspürst, kannst du auch 15 Stunden am Stück arbeiten.

Wie das? Du verschwendest keine Gedanken an Nachteile und Gefahren. Du zögerst nicht! Richard Branson hätte sicher nie Virgin gegründet, wenn er gewusst hätte, wie das Airline-Business funktioniert. Das ist Entrepreneurial Spirit. Naivität hilft eben enorm. Na ja, Naivität ist für viele eher der Weg zum Scheitern. Du musst dabei schon flexibel sein! Wir hatten ursprünglich zwei Ideen für Runtastic: die App als mobile Lösung und fixe Tracking­ stationen im Boden entlang hochfrequentierter Laufstrecken in der Stadt. Im Businessplan haben wir 98 Prozent des Einkommens mit dieser zweiten Option berechnet. Voll daneben, wie sich herausstellte: Die Gemeinden erlaubten kein Eingraben von Antennen. Die Option fiel flach … zum Glück hat die App ja geboomt. Aber das Beste an der Story ist: Unser erster Businessplan wird heute noch auf Unis gelehrt. Wie sah das Arbeiten in der ­Anfangszeit konkret aus? Das erste Meeting war ein Zusammensitzen in Renés Wohnung. Die erste App, die ich programmieren ließ, stürzte bei jedem Aufruf ab. Wir verdienten damals Geld mit

Euer Erfolgsgeheimnis? Wir sind das perfekte Team. Keine Egos. Alles wird geteilt. Und alle gehen immer die Extrameile. Dazu kommen Schnelligkeit – einfach raus, probieren, try fast, fail fast – und groß zu denken, über Landesgrenzen hinaus. Euer schönster Moment? Das Unterschreiben des AdidasDeals. Diese Emotionen im Büro, unvergesslich. Tags drauf sah ich im Flieger alle Zeitungen mit Runtastic am Titelblatt, und die Stewardess gratulierte. Richtig geil! Runtastic hat heute 230 Mitarbeiter und 130 Millionen User. 2015 kaufte Sportartikelgigant Adidas das Unternehmen um 220 Millionen Euro.

runtastic.com

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HÄRTETEST: Die Firma DOK-ING baut Maschinen für Rettungs­ einsätze. Hier der  Lösch­roboter MVF-5 beim Test in Kroatien.

RETTER IN


Vor 25 Jahren hatte ein verschrobener Bastler in Südosteuropa eine Idee, an die niemand glaubte. Außer er selbst. Bis heute ­haben Vjekoslav Majetićs Riesenroboter 44 Millionen Quadratmeter Minenfelder entschärft – und hunderte Menschenleben gerettet. Eine Geschichte über ­Sturheit und Respekt.

ROT

TEXT: ANDREAS ROTTENSCHLAGER // FOTOS: GREGOR KUNTSCHER

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LÖSCHTALENT: Der MVF-5 bekämpft Brände wahlweise mit Wasser oder Löschschaum. Der Steuermann steht währenddessen in sicherer Entfernung (li.).

„ICH SAH VIELE MENSCHEN STERBEN. DAS WOLLTE ICH ÄNDERN.“ 54

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KONTROLLE: mobiler Kommando­ stand in der Fahrer­ kabine eines DOK‑ING-Begleit­ fahrzeugs. Unten: Mit dem „Gripper“, seiner Greifzange, hebt der MVF-5 bis zu zwei Tonnen schwere Lasten (wie diesen Opel Astra).


D

rei Minuten bevor die Sprengladung ­detoniert, prüft Pyrotechniker Nikola Maltar ein letztes Mal die beiden Enden der ­Kontaktdrähte, die er zwischen Dau­ men und Zeigefinger seiner linken und rechten Hand hält. Maltar, 33, buschiges Haar, schwarzer Vollbart, kauert hinter einer Mauer aus Betonziegeln. Die beiden Drähte, an denen er entlangblickt, führen quer über einen asphaltierten Kasernen­ hof in das zerbeulte Wrack eines Opel ­Astra und enden in einer Sprengkapsel auf dem Fahrersitz. Auf der Kapsel liegt ein Plastiksack, in dem ein Gemisch aus Öl und Benzin schwappt. Maltars Auftrag lautet, ein Flammen­ inferno für einen der modernsten Lösch­ roboter der Welt zu entfachen. Sobald er die Drahtenden aneinanderreibt, fliegt hier alles in die Luft.

Waldbrände oder Landminenräumung. Das Motto von DOK-ING: „Don’t send a man to do a machine’s job.“ Auf dem Kasernenhof führen die Inge­ nieure heute ihre jüngste Erfindung vor: das Emergency Response Robotic System MVF-5 – einen panzergroßen Roboter mit Löschanlage, HD-Kamera und einem Ge­ häuse aus explosionssicherem Stahl. Der MVF-5 soll Feuerwehrmännern den Weg zum Brandherd freiräumen, Live-Bilder aus brennenden Gebäuden senden und – das ist das Besondere – dank seinem Tank kleinere Feuer selbst löschen. Das Wrack des Opel ist Teil des ersten Testszenarios: Ein brennendes Auto ver­ sperrt den Ersthelfern den Weg. Hinter der Betonziegelmauer reibt ­Pyrotechniker Maltar seine Drähte anein­ ander: Bummm! – aus dem Opel schießt ein Feuerpilz. Noch in hundert Meter Ent­ fernung spürt man die Hitzewelle im Ge­ sicht. Das Wrack steht jetzt in Flammen. Mit rasselnden Ketten rollt der MVF-5-­ Roboter auf den Kasernenhof. Der Lösch­ arm auf dem Dach fährt aus und spritzt Schaum ins Wageninnere. Der Roboter bewegt sich wie von Geisterhand, rattert vor, zurück und sucht sich immer wieder die besten Angriffswinkel. Die Geisterhand heißt Davorin Horvat, 32, der Roboter-Controller. Er steht zwei­ hundert Meter von der Explosionsstelle entfernt, beugt sich über seine Funkfern­ steuerung und wirkt entspannt, als würde er bloß E-Mails auf seinem Smartphone checken. Das Inferno löscht er, indem er

Es ist ein heißer April-Nachmittag auf dem Testgelände der Maschinenbaufirma DOK‑ING nördlich von Zagreb. Zwei alte Armeebaracken mitten im Laubwald, ­dazwischen der Kasernenhof. Früher war hier eine Raketen­abschussbasis der jugo­ slawischen Armee. Heute testen DOK‑INGIngenieure, wie Maschinen Menschen bei riskanten Rettungs­aktionen helfen können. DOK-ING ist ein weltweit führender Entwickler von ferngesteuerten Einsatz­ robotern, die Explosionen und extreme Temperaturen überstehen. Ihre Spezialität sind Einsätze, bei denen Ersthelfer an ihre Grenzen stoßen, wie Chemieunfälle,

FEST IM GRIFF: Mit seiner „Gripper“-Zange kann der Roboter Fässer bergen oder brennende Objekte tragen.

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mit beiden Daumen kleine Joysticks bedient. Danach steht bereits der nächste Test an. Der Roboter soll Giftmüllfässer aus einer brennenden Fabrik bergen. ­Pyrotechniker Maltar schleppt einen neuen Sack Sprengmittel heran. Im Kasernenhof riecht es nach Löschschaum. Autos zur Explosion bringen, mit Riesenrobotern die Flammen löschen: Wie kommt man auf so eine Geschäftsidee? Wer die Geschichte der Roboter-Retter verstehen will, muss mit Vjekoslav Majetić sprechen. Über den Maschinen-Erfinder und DOK-ING-Gründer kursieren zahl­ reiche Anekdoten: „Er zeichnet technische Skizzen auf Papiertaschentücher“, erzählen seine Kollegen. „Er arbeitet lieber mit dem Schweißgerät, als Meetings zu besuchen.“ Ihr Chef sei ein „Menschenfänger“ und ein „Humanist“. Oft fällt das Wort „Träumer“. Majetić, 63, empfängt uns in seiner Fertigungshalle im Südosten der Hauptstadt Zagreb – ein kleiner Mann mit schnee­weißem Schnauzbart und dem Händedruck eines Dockarbeiters. „Die erste Regel für Erfinder“, sagt Majetić, während er die Produktionsstraße abschreitet: „Geh mit offenen Augen durch die Welt, egal in welchem Job du arbeitest. Innovativ sein heißt, nach Pro­blemen zu suchen.“ In Majetićs Fall war seine Welt das Nachkriegs-Kroatien Mitte der 1990erJahre. Das Problem waren Landminen, die ein Gebiet von 13.000 Quadratkilo­metern zur Todeszone machten. Die Minenräumer stapften oft nur mit Metalldetektoren durch das Unterholz. „Ich habe viele sterben sehen“, sagt Majetić. „Es gab keine sicheren Geräte.“ Nachdem er Jahre bereits zuvor die ersten Skizzen gezeichnet hatte, schloss sich Majetić im Sommer 1993 in ­seiner Garage ein und begann zu arbeiten. „Die Leute hielten mich für verrückt. Weil ich keine Vorlagen hatte, keine ­Ahnung, wie man ein Produkt entwickelt. Und keine Investoren.“ Aber Majetić, ein gelernter Ingenieur, hatte einen Plan.

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WERTE , DIE GRÜNDER ERFOLGREICH MACHEN: STURHEIT UND RESPEKT. Der erste Prototyp seiner Maschine sah aus wie eine Mischung aus Rasen­ mäher und Mini-Mähdrescher. Eine mit Eisenklöppeln bestückte Walze grub die Erde um und löste die Zünder der Minen aus. Ein Metallschild dahinter fing die Deto­nation ab. Und – das war die wichtigste Neuerung – die Maschine war ferngesteuert. „Sie sollte den Menschen komplett aus der Gefahrenzone nehmen.“ Doch Majetić fand kaum Geldgeber. Ein völlig unbekannter Bastler aus Südosteuropa? Der mit selbst geschweißten Maschinen Minen sprengt? „Mit Selbstvertrauen und Sturheit“, sagt Majetić, wenn man ihn fragt, wie man eine scheinbar verrückte Idee durchzieht. „Ich habe immer jede meiner Erfindungen fertig gebaut, auch wenn sie kaum Aussicht auf Erfolg hatte.“ An wenig erfolgversprechenden Projekten weiterarbeiten sei ein Erfolgs­ modell? Was soll das Gründern bringen?

DIE MENSCHEN HINTER DOK‑ING: Firmengründer Vjekoslav Majetić (oben) zeichnet die Prototypen, ­P yrotechniker Nikola Maltar (Mitte) legt Feuer für die Ein‑ satztrainings, Steuermann Davorin Horvat lehrt Kunden das Handling der Maschine.

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„Zwei wichtige Dinge“, sagt Majetić. „Respekt bei potenziellen Partnern, weil sie merken, dass du von deinem Produkt zu hundert Prozent überzeugt bist. Und ­Erfahrung in der Entwicklung.“ Seinen ersten Minen­roboter brachte Majetić schließlich 1997 auf den Markt. Schritt für Schritt, nach mehreren Klein­ investments. Heute exportiert DOK-ING in 30 Länder. Majetićs Maschinen haben 44 Millionen Quadratmeter Minenfelder auf der ganzen Welt entschärft. Woran Majetić gedacht hat, als alle sagten, er würde scheitern? „Dass auch die beste Idee, wenn sie nicht realisiert wird, nichts wert ist. Auch ein Feuer­roboter mit integriertem Tank war zuerst nur eine Idee. Wir haben an sie geglaubt.“ Majetić muss jetzt weiter. Maschinenteile abholen. Zurück auf dem Übungsplatz nördlich von Zagreb: Die Ingenieure sind bereit, das zweite Testszenario des Tages für den DOK-ING-Löschroboter zu starten: „Eine Explosion in einer Chemiefabrik. Die Einsatzkräfte können nicht ins Innere der F ­ abrik vordringen. Der MVF-5 soll

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FUNKVERBINDUNG: Steuermodul des Einsatz­ roboters MVF-5. Das Hand­ ling ist dem Controller einer Sony PlayStation nach­ empfunden. Unten: In ihrem Werk in Zagreb bauen die DOK-ING-Ingenieure Löschroboter und schwere Minenräumer wie den MV-10 (links im Bild).

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FEUER FREI! Nach­gestellte Explosion in einer „Chemiefabrik“. Der MVF-5 fährt ­direkt in den Flammenherd und funkt Messdaten an die Rettungskräfte.

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GEPANZERTER HELFER

5 Die Idee: einen ferngesteuerten Roboter bauen, der Ersthelfer bei gefährlichen Einsätzen unterstützt. ­ er MVF-5 wagt sich bei Explosionen, Waldbränden oder Chemieunfällen als Erster an die Unfallstelle. D 1 DER LÖSCH-ARM Mit der ausklappbaren Löscheinrichtung auf seinem Dach kann der MVF-5 kleinere Feuer bekämpfen. Die Düse spritzt bis zu 50 Meter weit und speist sich aus einem integrierten Tank, der 2500 Liter Wasser oder 500 Liter Löschschaum fasst.

2 DIE EXTRAS Abhängig von der ­Rettungseinheit, die der MVF-5-Roboter ­unterstützt, wird er mit verschiedenen Gasoder Chemikalien-Detektoren ausgeliefert, die Daten auf den ­Controller oder in die mobile Kommando­ zentrale funken.

3 DER KÖRPER Für extreme Belastungen gebaut: Die Außenwand des Roboters ­besteht aus schwedischem Hardox-Stahl, der Gewehrkugeln und, für kurze Zeit, Temperaturen von bis zu 1500 Grad standhält. Mit leeren Tanks wiegt der MVF-5 13 Tonnen.

4 DER SCHUTZ Zwei Sprinkler, die in den Stahlpanzer des Roboters einge­lassen sind, kühlen die Au­ ßen­haut während der Löscharbeiten oder ­löschen kleinere Feuer auf der Maschine, die zum Beispiel durch brennende Wrackteile entstehen.

5 DAS WERKZEUG Mit dem „Gripper“, ­einer per Fernsteuerung aktivierbaren Greif­ zange, räumt der MVF-5 auch massive Hindernisse aus dem Weg. Dank einer Stoßkraft von zehn Tonnen kann die Zange sogar die Ziegel­mauern von Häusern durchstoßen.

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6 DAS AUGE Bis zu neun Video- und Wärmebildkameras auf dem Rotationskopf (vorn), der Löschdüse und der Außenwand ­liefern dem Controller (der in bis zu 1500 Meter Entfernung steuern kann) Live-Daten von der Unfallstelle oder vom Brandherd.

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PLÖTZLICH SIND ALLE STILL: DER ROBOTER BRENNT. Fässer mit giftigem Industriemüll abtrans­ portieren.“ Die Sprengladung geht dieses Mal ­direkt vor dem Roboter hoch. Ein gewal­ tiger Feuerball wälzt sich himmelwärts. Pyro­techniker Maltar hat etwas zu viel Benzin erwischt. Der Roboter rollt trotz­ dem weiter. Controller Horvat steuert ihn in eine Baracke, welche die brennende Fa­ brik darstellt, und hebt die Spritzanlage. Aber irgendetwas stimmt nicht. Der Feuerlöschroboter … brennt. An der Außenwand des MVF-5 schlagen Flammen empor. Ein mit Benzin und Öl getränkter Fetzen des Sacks, in dem sich der Sprengstoff befand, klebt auf dem ­Roboter und hat sich entzündet. Für einen Moment starren alle auf die brennende Maschine. „So what?“, sagt Horvat, der Maschi­ nenführer, und drückt einen Knopf auf seinem Controller. Zwei kleine Sprinkler heben sich aus dem Dach des MVF-5. Wasser regnet aus ihren rotierenden Köpfen. Der Roboter löscht sich selbst. Dann packt der MVF-5 die „Giftmülltonne“ und rollt davon. „Eine Idee, die nicht realisiert wird, ist nichts wert“, hat Firmengründer Majetić in seiner Fabrik gesagt. Aufgrund seiner Entschlossenheit steht der MVF-5 heute bei Ersthelfern in Kroation, Russland, ­Malaysia und Serbien bereit zum Einsatz. dok-ing.hr  63


T E X T: W A LT R A U D H A B L E

FOTOS: M I E L E PA S S M O R E

MILLION DOLLAR LADY 64

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MIELE PASSMORE/MY NEW HEROINE PROJECT

Sie schrieb schon Software, als Bill Gates gerade mal ein­ geschult wurde: Stephanie ­S hirley gründete 1962 eine ­P rogrammierfirma, die nur Frauen beschäftigte, und wurde damit eine der reichsten Eng­ länderinnen. Heute ist sie 84. Ihre Businessweisheiten sind aktueller denn je.


STEPHANIE SHIRLEY kennt alle Tricks: Sie nannte sich Steve, um im Geschäftsleben ernst genommen zu werden.

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ache Augen. Der Verstand: scharf wie eine Rasierklinge. Stephanie Shirley mag laut Geburtsurkunde 84 Jahre alt sein – geboren im September 1933 in Dortmund, als zweite Tochter e­ ines deutsch-jüdischen Richters und einer Wiener Mutter. Im Kopf ist sie definitiv ein paar Dekaden jünger. „Nennen Sie mich Steve“, sagt sie zu Beginn des Gesprächs. „So ruft mich auch heute noch jeder.“ Den Namen hat sich die Mathematikerin mit 29 Jahren selbst gegeben, um über das „Manko“ hinwegzutäuschen, eine Frau zu sein. Und der Trick funktionierte. Kaum stand „Steve Shirley“ am Briefpapier ihrer Firma Freelance Programmers, ließen auch die ersten Aufträge nicht lange auf sich warten. Bei Shirley weiß man nicht, wo man mit dem Erzählen anfangen soll: so viele Superlative, so viele Lebensstationen. Mit fünf Jahren von den ­Eltern während des Nazi-Regimes schweren Herzens via Kindertransport von Wien nach England geschickt. Bei Pflegeeltern aufgewachsen. Hochbegabung in Mathematik. An die ­gläserne Decke stieß sie immer wieder, auch bei ihrem ersten Job im ­Zukunftslabor der britischen Post, wo sie erstmals mit Computern zu tun hatte. Dann, mit 29, der Entschluss: „Ich mache mich selbständig.“ Das war 1962. In einer Zeit, in der Shirley – rein rechtlich – ohne Zustimmung ihres Ehemanns Derek nicht einmal ein Bankkonto eröffnen durfte. 66

Sie wurde belächelt. Doch Stephanie Shirley legte nicht nur den Grundstein für eine millionenschwere Software-Schmiede, die binnen zwanzig Jahren auf über tausend Mitarbeiter wuchs. Sie etablierte obendrein das Konzept der Heimarbeit und beschäftigte fast ausschließlich Frauen. Ihre Mit­arbeiterinnen programmierten zum Beispiel die Black Box der Concorde – wenn die Kinder in der Schule oder abends im Bett waren. Diese frauenfreundliche Einstellungspolitik war bahnbrechend – aber mit Inkrafttreten des britischen Gleichstellungsgesetzes 1975 plötzlich gesetzeswidrig. Shirley musste vermehrt Männer einstellen und lacht noch heute über die Ironie der Geschichte. Nebenbei zog sie einen autistischen Sohn groß und boxte die Gewinn­ beteiligung für Angestellte durch – siebzig ihrer Mitarbeiter wurden zu Millionären. Freelance Programmers (später „F International“) hat Shirley zu einer der reichsten Frauen Englands gemacht. 2000 stand sie auf Platz 11, drei Plätze hinter der Queen. Rund 70 Millionen Pfund hat Shirley, die in den britischen Adelsstand ­er­hoben wurde und sich „Dame“ ­nennen darf, für wohltätige Zwecke und die Erforschung von Autismus gespendet. „Geld … das sind doch nur bedeutungslose Zahlen. Ich habe ­einmal 70 Millionen Pfund auf einen Schlag verloren und es kaum bemerkt. Mir ging es immer um den ­sozialen Aspekt, ich wollte Frauen­ arbeit ­fördern.“ Heute könnte sie auf einer Yacht dem Sonnenuntergang entgegenschippern. Stattdessen lebt sie mit ihrem Mann in einer Wohnung in Henleyon‑Thames, eine Stunde westlich von London, und gibt Interviews. Weil das, was sie zu sagen hat, weiter gilt.

the red bulletin innovator: Aus Stephanie wurde Steve. Muss man sich als Frau in der Geschäftswelt auch heute noch umbenennen, um ernst genommen zu werden? steve shirley: Es kann helfen. Nicht umsonst haben viele erfolgreiche Frauen in der heutigen Businesswelt geschlechtsneutral klingende Namen wie Charlie oder Joe. Ich würde mich heute nur nicht mehr ganz so bieder kleiden wie damals – ich war eine graue Maus. Heutzutage wäre ich da deutlich selbstbewusster. Sie haben Ihr Imperium mit sechs Pfund Startkapital gegründet, was heute rund 150 Euro entspricht. Ein ­Küchentisch, ein Telefon und Sie. Waren Sie furchtlos oder naiv? Beides. Wir lebten vom Gehalt meines Mannes. Ich hatte keine Kunden, ­geschweige denn Erfahrung, wie man eine Firma aufbaut. Genau genommen hatte ich auch keinen Grund anzunehmen, dass jemand mein P ­ rodukt kaufen würde. Software gab es in den 1960ern kostenlos zu den Computern dazu. Aber ich war fasziniert von Computern, ich liebte Mathematik, ich war mehrfach an die gläserne ­Decke gestoßen und hatte dieses ­untrügliche Gespür, dass der Softwarebedarf kommen wird. Wäre ich zehn Jahre früher mit der Idee ge­ startet, wäre ich gescheitert. Zehn Jahre später ebenso. Ein Start-up ohne Startkapital. Geht das überhaupt noch? Ideal ist es nicht. Aber ich glaube, es geht, sofern man eine Serviceleistung bietet, die auf der eigenen Arbeitskraft basiert. Durch meine Flüchtlingsvergangenheit schreckte mich die Aussicht auf Armut nicht ab. Und kein Fremdkapital zu haben bedeutet auch

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STEPHANIE SHIRLEY EIN LEBEN IN ZAHLEN

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BRITISCHE PFUND Start­ kapital (was heute ungefähr 150 Euro entsprechen mag) standen Stephanie Shirley 1962 bei der Gründung ihrer Software-Schmiede Freelance Programmers zur Verfügung.

300

PROGRAMMIERERINNEN – und drei Programmierer – ­beschäftige sie Mitte der 1970er‑Jahre in Heimarbeit.

1975

wurde diese Art der Frauen­ förderung durch das GLEICHSTELLUNGSGESETZ (Sex Discrimination Act) in Groß­ britannien für illegal erklärt.

Unabhängigkeit, man ist niemandem Rechenschaft schuldig. Obwohl mir bewusst ist, dass man heute frühzeitig ­Allianzen mit großen Playern – mit Google, mit Facebook – anstreben muss, wenn man wachsen will. Was sollte man dabei beachten? Man sollte sich als Gründer fragen: Wie kann eine gesunde BusinessPartnerschaft aussehen, damit beide Seiten etwas davon haben – und man nicht einfach nur aufgekauft wird? Ich selbst habe wunderbar mit dem British Council zusammengearbeitet, einer Organisation mit über fünfzig Zweigstellen weltweit. Es ging nicht um Mergers & Acquisitions, es war ein Austausch zwischen Menschen. Als INNOVATOR

1000

MITARBEITERINNEN UND MITARBEITER hatte Freelance Programmers im Jahr 1985.

70

IHRER MITARBEITER wurden dank innerbetrieblicher Gewinn­ beteiligung zu Millionären.

140

MILLIONEN PFUND betrug Steve Shirleys Vermögen Schätzungen zufolge im Jahr 2000.

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MILLIONEN PFUND hat sie ­davon bisher für wohltätige Zwecke gespendet.

meine Ansprechpersonen nicht mehr vor Ort waren, war auch die BusinessPartnerschaft Geschichte. Wie erfinderisch macht es eigentlich, kein Geld in der Firmenkasse zu haben? Sehr erfinderisch. Ich hatte keine ­Ahnung, wie man eine Firma führt, und auch kein Geld, mir Berater zu leisten. Also bot ich einem Wirt­ schaftslektor am lokalen College an, mein Unternehmen als Fallstudie zu verwenden. Ich argumentierte, er könne am lebenden Objekt über­ prüfen, was er in der Theorie lehrt. Was haben Sie von diesem GratisBerater gelernt?

Wie man verkauft. Er begleitete mich zu Kundenterminen und hat mich ­danach in der Luft zerrissen. „Du hast nur geprahlt, wie clever du bist ist“, meinte er. Und: „Du musst zuhören. Es geht nicht darum, was du glaubst liefern zu können. Du musst erken­ nen, was der Kunde von deiner Firma will.“ Das war eine harte Lektion. Aber danach habe ich nie mehr vor­ gegeben, alles zu wissen. Prinzipiell bin ich sicher sehr amateurhaft an die Sache herangegangen, ich habe viele Fehler gemacht – aber nie denselben zweimal. Im Business geht es viel um Hausverstand. Inwiefern? Wir haben zum Beispiel alle Job­ anfragen, die wir nicht annehmen konnten, dokumentiert und konnten so neue Märkte erschließen. Ich schlussfolgerte: Wenn jemand einen Service bei uns anfragt, scheint es ­offenbar Bedarf dafür zu geben, und wir sollten diesen auch erfüllen. Kreativ war auch Ihre Herangehensweise, Freelance Programmers nach außen größer wirken zu ­lassen. Sie haben bei Telefonaten Kassetten mit Bürogeräuschen abgespielt, um das Babygeschrei daheim zu übertünchen. Richtig. Fragte mich jemand im ersten Jahr, wie viele Mitarbeiter ich hatte, sagte ich nur kryptisch: „One and a bit.“ Das stimmte auch – ich war ­damals mit meinem Sohn schwanger. Später hockten wir dann oft zu dritt in meiner Küche, die Heimarbeiterinnen hatten ihre Kinder am Schoß, der Ko­ pierer stand aus Platzgründen im Bad. Wir bliesen die Fakten immer ein we­ nig auf, um zu verbergen, wie verletz­ lich wir eigentlich waren. Sprach ich über Mitarbeiterzahlen, „vergaß“ ich zu erwähnen, dass die meisten nur projektweise arbeiteten. Ich experi­ mentierte auch mit der Anschrift. Moss Cottage klang nicht sehr geschäftsmä­ ßig. Also schickte ich mir selbst leere Briefkuverts mit Adress­variationen, um zu sehen, welche die Post noch zustellte und welche nicht mehr. Sie haben die Heimarbeit quasi ­etabliert und gut ausgebildete ­Frauen beschäftigt, die ihrer Kinder­ wegen keinen 9-to-5-Bürojob annehmen konnten. Ein glücklicher Zufall oder ein kluger Schachzug? Das Wichtigste im Geschäftsleben ist: Richte dich nicht daran aus, wo die  67


Gesellschaft steht, sondern daran, wohin sie möchte. Ich erkannte, dass viele qualifizierte Frauen aufgrund der Gesellschaftsstrukturen der 1960er vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen ­waren. Ich wollte das nutzen – die Frauen aber auch absichern. Ich teilte meine Mitarbeiterinnen in Kategorien ein: Frauen, die eine Familie ernähren mussten, Frauen mit Behinderung … Das war für meine Erfolgsbilanz wich­ tiger als der Umsatz.

Shirley mit einer alten Druckmaschine zur Codierung: Sie programmierte

Würden das heute auch noch ­funktionieren? Mich kontaktieren weiterhin Leute, die ihre Firma nach meinem Modell aufbauen wollen. Frauen wollen Flexi­ bilität bei der Zeiteinteilung und ein familienfreundliches Arbeitsumfeld. Das wird vielerorts nicht geboten. ­Insofern scheint ein Bedarf da zu sein. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Programmieren ein Frauenjob. Heute sind bei den großen Playern Frauen nur zu zirka 30 Prozent vertreten. Was ist passiert? Die Männer haben offenbar irgend­ wann begriffen, dass Programmieren nicht nur einfache Schreibarbeit, ­sondern ein echter Beruf ist, der noch dazu gut bezahlt wird. Ich kann mich an Situationen erinnern, in denen bestens qualifizierte Frauen Männern ­beigebracht haben, wie man program­ miert – und diese Männer ­wurden dann ihre Chefs. Warum ließen sich die Frauen ­rausdrängen? Das kann ich leider nicht beant­ worten. Ich weiß nur: Heute gilt Programmieren als etwas für Nerds, als etwas rein Technisches. Vielleicht muss man es den Frauen anders verkaufen. Wir sollten nicht davon reden, dass man eine Rakete auf den Mond schießt. Für viele ist das etwas Abstraktes. Frauen lockt man eher, indem man ihnen sagt: Ihr könnt mit dem Programmieren zum Beispiel dazu beitragen, dass ein Krankenhaus gebaut wird. Man sollte vielleicht mehr auf die sozialen Aspekte des Jobs setzen, um sie zu motivieren. Soziale Ziele sind oft eine gute Moti­ vation für Frauen. Wie sähe die Welt Ihrer Meinung nach aus, würden mehr Frauen in IT und Technik arbeiten? Definitiv anders. Ich sehe bei Erfin­ dungen sofort: Das stammt von einem 68

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ICH SE HE BEI VIELEN E RFINDU N GE N SOFORT: DAS STAMMT VON EINEM MANN . WARU M? WEIL VIELE GER ÄTE DIE WEIBLICHE ANATOMIE KOMPLET T IGNORIEREN .

MIELE PASSMORE/MY NEW HEROINE PROJECT

Mann. Weil viele die weibliche Anato­ mie komplett ignorieren. Man nehme als Beispiel die Röntgenapparate für Mammografie. Wie kann man nur ­etwas entwerfen, was so lieblos mit dem weiblichen Körper umgeht? ­Denken wir mehr an die Menschen, also die Endverbraucher, weniger an Effizienz und Effektivität. Braucht es eine Frauenquote? Ich wollte immer wegen meiner Fähig­ keiten und nicht wegen meines Ge­ schlechts akzeptiert werden. Aber wenn man sich anschaut, wie wenig weibliche Seilschaften es gibt, dann braucht es vielleicht wirklich eine Art Quote. Es sollte aber ein Bottom-upProzess sein: von der Supervisorin bis zur Managerin bis zur Vorstands­ vorsitzenden. Und: Frauen brauchen Role Models. Darum gebe ich Inter­ views wie dieses. Ich selbst habe ­weibliche Vorbilder schmerzlich ­vermisst. INNOVATOR

Ihre drei Ratschläge für IT-Gründerinnen und Gründer? Erstens: Starte etwas, was dir Freude macht, und nicht das, was den meisten Gewinn verspricht. Zweitens: Du musst nicht alles können. Such dir Leute für die Bereiche, in denen dir Wissen fehlt. Drittens: Wenn dir Scheitern Angst macht, lass es. Dann ist das Unternehmertum nichts für dich. Als Mathematikerin gehe ich an das Scheitern wissenschaftlich heran: Wenn etwas nicht funktioniert, mache ich etwas anderes. Was funktioniert, verfolge ich weiter. Sie hatten hunderte Mitarbeiterinnen, und viele davon haben Sie infolge der Heimarbeit nie zu Gesicht bekommen. Wie rekrutiert man die richtigen Leute, wie findet man das r­ ichtige Maß an Kontrolle? Wenn wir für Kundentermine ein­ mal alle in einem Raum versammelt waren, haben wir Anstecker getragen, damit wir wussten, wer wer war. Wir kannten ja oft nur die Telefon­ stimmen. Die wichtigste Regel war: Wir haben ausschließlich mit Leuten gearbeitet, die vier Jahre Arbeits­ erfahrung im IT-Sektor hatten. Heim­ arbeit braucht Profis, man muss sich auf die Leute verlassen können. Und ich habe viel Privates mit meinen ­Mitarbeiterinnen geteilt. Ich wusste, wessen Kind die Masern hatte, wer in einer Ehekrise steckte. Dabei heißt es immer, im Top-Management sei Privates von Beruf­ lichem zu trennen. Davon halte ich nichts. Ich bin Huma­ nistin. Wir sind alle Menschen: Uns zeichnet nicht nur unser Intellekt auf, wir haben auch Familienprobleme und ein Sexualleben. Das darf ruhig ins Businessumfeld einfließen. Ich habe immer darauf geachtet, mit Leuten zu arbeiten, die ich respektiere und die mir am Herzen liegen. Wie würden Sie rückblickend Ihren Führungsstil beschreiben? Manche Leute nennen ihn abschätzig „matriarchalisch“, ich hätte meine Mitarbeiter bemuttert, wäre zu sehr

in ihre Angelegenheiten involviert ­gewesen. „Befehl und Kontrolle“ war nie mein Ding. Das fast freundschaft­ liche Miteinander hat uns zusammen­ gehalten und auch schnell merken lassen, wenn jemand überlastet war. Was hat Ihnen im IT-Business geholfen? Dass ich mit Veränderung umgehen kann. Mehr noch: Ich heiße Ver­ änderung regelrecht willkommen. Das ist sicher meiner Flüchtlings­ vergangenheit geschuldet. Zweitens: Es gab eine Zeit, da hielt ich viele ­Bälle in der Luft. Ich war noch aktiv in der Firma, suchte aber schon ­Nachfolger und kämpfte gleichzeitig dafür, die Gewinnbeteiligung von Mitarbeitern rechtlich auf sichere ­Beine zu stellen. Ohne Multitasking wäre mir das nie gelungen. Aber wenn man Kind und Karriere unter ­einen Hut bringen muss, dann ent­ wickelt man diese automatisch. Die IT hatte in den 1970ern eine ­Rezession, im Jahr 2000 platzte die Dotcom-Blase. Sie haben beides miterlebt. Wie behielten Sie die Nerven? Gerate ich in Panik, werden auch ­meine Mitarbeiter panisch. Das hilft keinem. Man muss die Fassade auf­ recht erhalten. Wer seine Ängste und Sorgen kontrolliert, wird automatisch ­innerlich ruhiger. Aufgeben war nie eine Option, denn das hätte bedeutet, alles, wofür ich gekämpft hatte – die Etablierung der Heimarbeit, die Ge­ winnbeteiligung für Mitarbeiter –, im Stich zu lassen. Sie sind 84 Jahre alt. Wie fit sind Sie noch im Programmieren? Ich könnte Wikipedia umschreiben. Ich fürchte, für mehr reicht es nicht mehr. Ich habe ein iPhone, und ich könnte mein Leben nicht ohne mein iPad managen. Ich sehe nach wie vor viele Geschäftsideen, habe aber nicht immer die Energie, alle umzusetzen. Würden Sie alles noch einmal so machen? Oh ja.  69


T H E

R E D

B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

VIE D E R T R A V E L G A D G E T G U I D E Ob Urlaub oder Dienstreise – wer viel unterwegs ist, braucht solide B ­ egleiter: leicht, verlässlich, outdoortauglich. Und wenn Sie am Flughafen die Blicke auf sich ziehen, ist es auch nicht verkehr t .


SO KOMPAK T G E W I C H T: 7   K I LO G R A M M

SMACIRCLE

Ein Elektrofahrrad im Reise­ rucksack? Das geht . Denn das Smacircle lässt sich mühelos auf eine Größe von 50 Zentimetern zusammenfalten und zudem – mit seinen sieben Kilo – recht kommod eine ganze Weile herum schleppen. Und auch wenn man über die Optik streiten dar f, zweckmäßig ist das Mini-E-Bike, das ohne Pedalantrieb aus-

INNOVATOR

kommt, allemal: Der im Sitz verbaute Akku ist in nur zweieinhalb Stunden voll aufgeladen, die Ve r -   u n d E n t r i e g e l u n g d e s w a s s e r ­ dichten Bikes erfolgt übers ­H a n d y . To p - S p e e d ? 2 0 k m / h . smacircle.com

Smacircle S1, gefaltet. Der Reiserucksack ist übrigens im Kaufpreis (c a . 6 0 0 E u r o) inkludiert.

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JFK

SO LEICHT G E W I C H T: 1 4 0   G R A M M

Solar-Ladegeräte werden immer l e i c h t e r u n d d ü n n e r. R e k o r d ­ halter ist derzeit das Solar P a p e r v o n Yo l k , d a s g a r a n t i e r t ins Handgepäck passt. Ein Blatt i s t k a u m g r ö ß e r a l s e i n e B a n knote und liefer t 2 , 5 Wat t Energie per USB. Bis zu vier Blätter lassen sich kombinieren, um ein Smartphone bei Sonnenschein am Strand in knapp drei Stunden

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voll aufzuladen. Dabei lässt sich am Display sogar jederzeit ablesen, wie viel Strom gerade ins Handy fließt. yolkstation.com

Solar PaperLadegerät im Profil: gerade mal 1 Zentimeter dick. Preis: rund 100 Euro.

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T H E

R E D

B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

SO EIN KOFFER G E W I C H T: A B 5  K I L O G R A M M E i n a u t o n o m e r K o f f e r, d e r e i n e m ü b e r a l l h i n f o l g t ? C h e c k . D e r Tr a v e l ­ mate wird mittels App, Sprache und Gesten gesteuert und umfährt dank Sensoren selbständig Hindernisse. Wermutstropfen: Nach vier Stunden geht ihm die Luft aus. travelmaterobotics.com

Mit der im Tr a v e l m a t e eingebauten Batterie lässt sich auch der Laptop laden. P r e i s? A b ca. 950 Euro.

SO SCHARF GE WICHT: 4 3 5 GR AM M Laut „Financial Times“ könnte diese Smar tphone -groß e Kamera die Foto ­ grafie revolutionieren. Denn die L16 ( P r e i s : 2 . 0 5 0 E u r o) s c h i e ß t – m i t 16 Linsen gleichzeitig – mehrere Fotos unterschiedlicher Brennweite. Ihre Soft ware kombiniert die Aufnahmen dann zum ultrascharfen Bild.  light.co

SO RETRO YOLKSTATION, TRAVELMATEROBOTICS, LIGHT, PRYNT

GE WICHT: 16 4 GR AM M R e i s e -To o l f ü r N o s t a l g i k e r : Der Pr ynt- Pocket- Drucker ­v e r w a n d e l t d a s i P h o n e i n e i n e ­I n s t a n t - K a m e r a u n d s p u c k t – e i n ­ mal ange dock t – Bilder im Format 5  ×  7, 6 Z e n t i m e t e r a u s . V o n s e i n e r G r ö ß e h e r p a s s t e r z u ­d e m l o c k e r in jede Gürteltasche. Preis: c a .  1 7 0 E u r o .   p r y n t . c o


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B U L L E T I N I N N O V A T O R G A D G E T G U I D E

SO REIN GE WICHT: 3 10 GR AM M

Im Boden der 47 3 Milliliter fassenden Flasche ist ein Filter eingebaut, der für 300 Füllungen reicht.

Survival-Cocktail. In 15 Sekunden macht die Grayl-Filterflasche Wasser aus Seen , Flüssen oder a n d e r e n s u s p e k t e n Q u e l l e n t r i n kb a r. O b B a k t e r i e n o d e r P r o t o z o e n – einmal drücken, und 99,9 Prozent der Keime sind neutralisier t . A b   c a .  6 0 E u r o .   t h e g r a y l . c o m

SO COOL GE WICHT: 4 3 5 GR AM M Wireless-Lautsprecher für ­ nterwegs mit sechs Soundu m o d i – v o n „Vo i c e “ f ü r E - B o o k s bis zu „ Mass age“, wobei Soun dwellen den Nacken entspannen. Läuft zwölf Stunden am Stück u n d d a n k Wa s s e r f e s t i g k e i t a u c h am Strand oder im (!) Pool. P r e i s : 1 9 9 E u r o .  z e p py. c o m

Praktisch: USB-C-Anschluss zum Laden und Gummi-Loop zum Positionieren.

S O TA K T VO L L

Das Gadget wird am Arm oder mittels Clip über der Kleidung getragen. Preis: 349 Euro.

GENII erzeugt ein elektromagne­ tisches Feld im Biofre quenz­ bereich und unterstützt mittels S c h w i n g u n g e n Fu n k t i o n s a b l ä u f e i m Kö r p e r. Wa s s c h o n A s t r o n a u t e n half, ist für alle Reisen den erhält­ lich: Aktivierung, Stabilisierung oder Entspannung auf Knopfdruck.  genii-health.com

GRAYL, ZEPPY, GENNII, ALPHA TAURI

GE WICHT: 7 5 GR AM M


ZRH

SO PRAKTISCH A B M E S S U N G E N : 2 0  ×   3 6 Z E N T I M E T E R

Unter der perforierten Kapuze hört man die Umgebung oder Musik aus Kopfhörern.

Jacke aus hochent wickelten ­M a t e r i a l i e n : D e r ­P a r k a K O O V v o n   A l p h a Ta u r i ( P r e i s : 7 9 9 E u r o) birgt in seinem Inneren eine ausgeklügelte Mineralmatrix, die über Infrarotstrahlung Energie a n d e n K ö r p e r z u r ü c k g i b t ( Te c h n o l o g i e : Ta u r e x ®) . R a s c h a u f d i e Größe eines eingepack ten Schlafsacks zusammengerollt und mit Handgriff versehen, ist er ideal f ü r d e n Tr a n s p o r t a m Tr o l l e y. U n d   e i n g e n i a l e s A l t e r n a t i v -­ K o p f k i s s e n f ü r d e n F l i e g e r. alphatauri.com

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LET’S 76

PLAY!

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T E X T: C H R I S T I A N S C H U L D T FOTOS: ADELE STERNBERG

Spielen ist bald das neue Arbeiten. Sagt die Wissenschaft. Ein Essay von Trendforscher Christian Schuldt – mit sechs Tipps, die deinen Büroalltag besser machen könnten.

Z

Zum Einstieg eine kleine Anekdote um ein mysteriöses Rätsel: Im Jahr 2004 stellte ein Unbekannter an einem Highway im Silicon Valley ein Banner auf. Darauf stand etwas für Laien vollkommen Unverständliches: „{first 10-digit prime found in consecutive digits of e}.com“. Es dauerte eine Weile, bis man heraus­ fand, was damit gemeint war: Das Unternehmen Google hatte eine mathematische Aufgabe gestellt, die nur von qualifizierten Personen gelöst werden konnte – und auch nur solchen Menschen Freude bereitet. Nur wer das Rätsel ­knacken konnte, wurde auf eine Website ­geleitet und zur Bewerbung zugelassen. „Playful Recruiting“ nennt sich im Fachjargon dieses spielerische Anwerben von Fachpersonal. Und besonders junge Companies haben längst den Wert eines spielerischen Zugangs zu den eigenen Herausforderungen erkannt: Im Falle des Google-Rätsels etwa hat man un­ geeignete Bewerber von vorneweg ausgeschlossen. Und sich viel Zeit erspart … spielerisch eben. INNOVATOR

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CHRISTIAN SCHUL DT Christian Schuldt ist Experte für Systemtheorie und die kommunikativen Muster, die Menschen und Unternehmen verbinden. Der Kultur- und Medienwandel sowie Gesetzmäßigkeiten der digitalisierten Gesellschaft stehen im Fokus seiner Arbeit. Seit 2013 ist Schuldt für das in Frankfurt und Wien ansässige Zukunftsinstitut – ­einen der einflussreichsten Think-Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung – als Autor und Referent tätig. Als Studienleiter ist er für zahlreiche Publikationen verantwortlich, etwa „Playful Business – Wer spielt, ­gewinnt!“ (S. 81).

Wer es versteht zu spielen, hat in der Berufswelt von morgen die Nase vorn. Mit „spielen“ ist hier allerdings – und für manche vielleicht enttäuschend – nicht Gaming, Pokern oder sonstiges Zocken gemeint. Hier geht es weniger ums ­Gewinnen, ums Besser-Sein-als-andere als um die pure, selbstvergessene Freude am Spiel selbst. Anders gesagt: die umfängliche Verspieltheit, das neugierige Explorieren – das ergebnisoffene Herantasten an die Welt. Kinder beherrschen das perfekt. Gehen lernen etwa: Heißt für Kids rund 100-mal hinfallen pro Tag – und nicht aufgeben. Sondern probieren, scheitern, adaptieren, lernen. Spielerisch. Ohne Druck, ohne die Ernsthaftigkeit des Erwachsenen. Und genau so lernen sie am besten, genau so bauen sie am effektivsten Verschaltungen im Gehirn auf, die ihnen ermöglichen, sich in allen komplexen Kontexten – wie auch etwa der Sprache – zu bewähren. Wir Erwachsenen sollten von Kindern ­lernen. Und zwar jetzt. Warum? Weil wir in einer zunehmend vernetzten Welt erneut immer komplexere Herausforderungen zu meistern haben. Und uns dabei oft und gern überfordern. Daher täten auch wir gut daran, den grundmenschlichen Spieltrieb wieder zu wecken und spielerisches Denken, die sogenannte Playfulness, stärker in unserer Kultur zu etablieren – insbesondere in unserer ­Arbeitskultur. Doch was heißt das nun konkret für den Arbeitsalltag, vom Angestellten bis zum Chef? Wie schaffen wir es, spielend kreativer, effektiver, lösungsorientierter, unabhängiger und selbstbewusster im Job zu werden?

TIPP EINS

Macht euer Büro zum kreativen Spielplatz. Spielen ist Ausdruck menschlicher Freiheit. Blöd nur: Diese Freiheit ist gerade im Berufsleben kaum zu finden. In dem Fall sollte der Chef schleunigst eines an den Tag legen: Playful Leadership! Sie ist der entscheidende Hebel, um 78

die scheinbar unvereinbaren Welten Arbeit und Spiel zu vereinen. Konkret: Das Arbeitsumfeld muss wieder „kindlicher“ werden: selbstbestimmter, ohne Druck und mit größtmöglicher Freiheit. Freilich: Die Führungskräfte müssen ihr Playful Mindset persönlich vorleben – eine Denkweise, die neugierig zur Seite blickt, sich ablenken lässt, offen für Neues ist. Für solche Playful Leader ist keine Idee zu verrückt, sie sind risikofreudig und leben das „Trial and Error“-Prinzip – und sie vermitteln ihren Mitarbeitern zugleich das nötige Vertrauen, um selbst solche Freiräume zu erkunden. Bereits 1999 konnte eine US-Kranken­ hausstudie belegen, dass die am besten abschneidenden Teams in den unter­ suchten Spitälern die höchste Fehler­ quote hatten. Warum? Weil in den erfolgreicheren Teams die Mitglieder kein Problem damit hatten, Fehler zuzugeben. Sie sprachen sogar gern darüber. Das Erzählen und gemeinsame Durchdenken führte zu anschließender Leistungs­ verbesserung. Die anderen Teams kehrten ihre Fauxpas unter den Teppich: keine Fehlerkommunikation – kein Lernen. Der Grund, warum dieser Fehleraustausch gelingt, liegt in der Kultur: In ­einem Klima der Offenheit, des Ver­ trauens, der Angstfreiheit ist Erfolg am wahrscheinlichsten.

TIPP Z WEI

Schenkt einander Geld – und Raum für Ideen! Den Mitarbeitern Geld oder Zeit zur Verfügung stellen – ohne konkrete ­Gegenleistungen zu verlangen? Offenbar ein guter Playground. „Kickbox“ bei Adobe etwa macht es bereits vor: Jeder Mitarbeiter, der eine innovative Idee hat, erhält eine Kreditkarte mit 1000 Dollar, um seine Idee auszutesten – ohne dass er jemals Rechenschaft über das Geld ablegen muss. Ein anderer Ansatz kreativer Organisationen ist, den Mitarbeitern Teile der Arbeitszeit für eigene Projekte zur Verfügung zu stellen. Am bekanntesten ist Googles 80/20-Programm, das auch von Apple und LinkedIn aufgegriffen wurde: Mitarbeiter können ein Fünftel der wöchent­lichen Arbeitszeit in die Ent­ wicklung eigener Ideen für neue GoogleProdukte investieren. Okay, nicht alle

MARTIN JOPPEN

Womit wir schon beim Thema wären: Playful Business.


dieser Projekte waren ein Erfolg (ist auch nicht so vorgesehen). Aber was so entstand, wurde dafür richtig groß: Gmail, Google News, Google Maps und AdSense.

TIPP DREI

Lasst Mitarbeiter ins Büro kommen, wann sie wollen. Das Zauberwort hier lautet Selbstmanagement. Selbstmanagement setzt Vertrauen in die Mitarbeiter voraus. Es bedeutet für den Boss, loslassen zu können und die Macht auf viele Schultern zu verteilen. Grundvoraussetzung ist es, die „Spieler“ (= Mitarbeiter) zur Teilnahme zu animieren. Wie das funktionieren kann, zeigt das Berliner Start-up Einhorn, das Kondome aus nachhaltigen Rohstoffen und unter fairen Arbeitsbedingungen herstellt. Bei Einhorn sind alle Gehälter trans­ parent – und wer keine Lust hat, zur Arbeit zu kommen, macht frei. Klingt chaotisch? Läuft aber: „Werden die Leute behandelt wie Erwachsene, benehmen sie sich auch wie Erwachsene“, sagt Mitgründer Philip Siefer. Wer selbst entscheidet, übernimmt auch Verantwortung – für sich und das Unternehmen. Und (Entscheidungs-) Freiheit setzt kreative Energie frei, um andere Wege einzuschlagen, Spielregeln zu hinterfragen und innovative Ideen mit Herzblut voranzutreiben.

TANGR AM EIN SPIEL AUS SIEBEN T EIL EN Das Spiel stammt vermutlich aus China. Ziel ist es, verschie­ dene Figuren (z. B. Tiere) zu legen. Jedes Tangram be­ steht aus sieben ­Stücken: zwei großen, einem mittelgroßen und zwei kleinen ­Dreiecken, einem Quadrat und einem Parallelogramm. Diese müssen sich berühren, dürfen aber nicht überein­ ander gelegt werden.

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TIPP VIER

Versetzt euch in den Flow-Zustand. Wie das geht? Zunächst mal sucht euch in der Arbeit jene Aufgaben, in denen ihr aufblühen könnt! Man kennt es ja aus der Schule: Das bloße Pauken führt bloß zu mechanischer Pflichterfüllung – und anschließendem raschen Vergessen. Erst die aktive Auseinandersetzung mit Themen, die einen persönlich und sub­ jektiv berühren, schafft nachhaltige Lern­ erfolge. Für Chefs gilt also: Gebt euren Mitarbeitern Aufgaben, die sie lieben und mit größtem Interesse verfolgen! Sie bekommen so das Gefühl, ein wertgeschätzter Teil des Unternehmens zu sein. Und ­irgendwann auch das, was den Menschen als Homo ludens, als Spielwesen, schon  79


UNSERE UMFELDER MÜSSEN „KINDLICHER“ WERDEN: OHNE DRUCK UND MIT G RÖ S S T­ MÖGLICHER F RE IHE I T.

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immer fasziniert hat: das Gefühl des Ganz-bei-sich-Seins im Spiel Dieses Phänomen analysierte der ­Psychologe und Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi schon in den 1970erJahren im Rahmen seiner „Flow“-Theorie. Der Flow-Zustand beschreibt eine hochgradig fokussierte Aufmerksamkeit und Selbstvergessenheit: ein konzentrierter mentaler Zustand des Glücksgefühls, der beim gänzlichen Aufgehen in einer Beschäftigung entsteht, etwa wenn man in einen Schreibfluss gerät oder wie man es vom Laufen kennt. Dieser Flow-Zustand macht uns entspannt, kreativ, immun gegen Ablenkungen und offen für Neues – wie beim kindlichen Eintauchen in spielerische Parallelwelten. Das Wichtigste aber: Man geht dabei völlig in seiner Arbeit auf.

TIPP F ÜNF

Denkt spielerisch während der ­Arbeit! Je mehr, desto besser. Schon Picasso sah in seiner Art zu malen ein Spiel. Auch Alexander Fleming, der Entdecker des Antibiotikums Penicillin, sprach davon, mit Mikroben zu „spielen“­ – es mache ihm Spaß, die Regeln zu ­brechen und Dinge herauszufinden, an die noch keiner gedacht hat. Und auch Daniel Kahneman, Träger des Wirtschafts­ nobelpreises von 2002, lief erst durch spielerische Interaktionen zu Höchst­ leistungen auf. Lernen für die Firma: Je mehr gespielt wird, desto besser. Konkret: Je verrückter und ausgefallener die Ideen, die man ausprobiert, desto höher deren Erfolgsaussichten. Ein Beispiel: Die Biermarke Carlsberg setzte auf den Überraschungseffekt, als sie ahnungslosen Taxigästen in Hongkong ein ganz besonderes Erlebnis bot. Das Taxi war mit einer Zapfanlage für Bier ausgestattet, und bei Druck auf verschiedene Display-Buttons wurde zum Beispiel eine Massage, eine Rasur oder ein DimSum-Menü angeboten. Die Taxiquittung enthielt zudem einen Gutschein für ein Carlsberg-Bier. Auf Anfragen in sozialen Medien, wo denn die Carlsberg-Taxis in Hongkong zu finden seien, reagierte das Unternehmen geheimnisvoll. Und was ­geschah? Der Motivator aus Knappheit und Ungeduld steigerte die Neugier und

den Spieltrieb – diesmal der Kunden – enorm. Marketingtechnisch war die ­Aktion ein Mega-Erfolg.

TIPP SECHS

B U C HTI P P

Findet spielerisch neue Kollegen. Was Google mit dem Mathematik-Rätsel gemacht hat, das findet sich in vielen ­Unternehmen wieder. Und es funktioniert. Uber zum Beispiel – einer der disruptivsten Digital Player – hat ein SimulationsGame entwickelt, mit dem die Nutzer einen typischen Tag eines Uber-Fahrers spielerisch erleben können: Die Spieler bringen ihre Gäste von A nach B und erhalten Punkte für die schnellste und sicherste Route. Nur logisch, dass Uber dabei die besten Player im Hinblick auf eine Anstellung scoutet … Oder das Startup Scoutible mit Sitz in San Francisco: Es kreiert erzählerische Abenteuer, die neue Chancen im Leben eröffnen sollen. Mithilfe von Videospielen werden psycho­ logische Eigenschaften und kognitive Fähigkeiten des Bewerbers abgerufen. Warum? Weil sie – wie Studien ergaben – doppelt so viel über dessen künftige Performance aussagen wie Jobinterviews (und sogar viermal so viel wie die Arbeits­ erfahrung)! Scoutible wird auf diese ­Weise künftig junge Talente unabhängig von sozioökonomischem Hintergrund und vorhandenen Netzwerken vermitteln. Was also bringt uns die Zukunft? Eines allemal: Spielerische Kompetenzen werden rasant an Relevanz gewinnen. Wer es also schafft, Playfulness als ganzheitliches Prinzip in seiner Unternehmens­ kultur zu etablieren, wird motivierte, produktive Mitarbeiter ernten. In diesem Sinne: Wagen wir, mehr zu spielen!

Zukunftsinstitut: Playful Business Eine Studie, wie uns unser kindlicher Spieltrieb mehr ­Kompetenz im Job verleiht (190 Euro).

Jean-Philippe Hagmann: Hört auf, Innovationstheater zu spielen! Tipps für Firmen, richtig innovativ zu werden (25 Euro).

Anthony T. DeBenedet: Playful Intelligence So löst man auf verspielte Weise die Probleme des Lebens (Englisch, 16 Euro).

PS: Und, ja – Google fand mit besagtem Mathematik-Rätsel einige seiner besten Programmierer.

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1 ENP UL SION: B OOS T FÜR SAT EL L IT EN Ein Wiener Neustädter Start-up ist im Begriff, die Raumfahrttechnologie zu revolutionieren. Wie? Mit einem ausgeklügelten Antriebssystem für Satelliten: „Über 2000 Satelliten kreisen um die Erde“, sagt EnpulsionCEO Alexander Reissner, „und es wird langsam eng im Weltraum. Der Trend? Kleine Satelliten mit kleinen An­ trieben.“ Hier setzt Enpulsion an: „Wir konzipierten einen Booster, nicht größer als eine Orange“, so Reissner, der im Auftrag der ESA 15 Jahre am Projekt tüftelte. Der Clou an den Schubgebern: „Sie lassen sich verbinden! Kunden können sie, je nach Größe ihres Satelliten, wie Legosteine zusammenstecken und müssen nicht eigens maßgeschneiderte Booster bauen lassen. Das spart Zeit und Geld.“ Enpulsion-Antriebe werden bereits an Privatkunden verkauft. Unterstützt wird das Start-up von Austria ­Wirtschaftsservice (AWS). enpulsion.com

ENPULSION/FOTEC

Je nach Bedarf am Satellit in Serie einbaubar: Enpulsions „Nano Thruster“-Antrieb (im Bild: Bauteil oben Mitte)

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MADE IN AUSTRIA S AT E L L I T E N A N T R I E B E , D N A - D R U C K E R , M I T W A C H S E N D E

FA H R R Ä D E R U N D A P P S , D I E M I T K U N S T W E R K E N KO M M U N I Z I E R E N : WIR PRÄSENTIEREN ÖSTERREICHISCHE UNTERNEHMEN, D I E M I T U N K O N V E N T I O N E L L E N E I N F Ä L L E N D U R C H S TA R T E N . T E X T: S I M O N S C H R E Y E R

Bald zahlreich im Weltraum? ­Kleinsatelliten mit Antrieben aus Österreich

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Klappt gut: eine Scheibtruhe zum ­Zusammenfalten und An-die-WandHängen.

FREND – DIE FA LTB„DieA RELeuteS kümmern CHEIB TRUHE sich so

„SCHEIBTRUHEN SIND HÄSSLICH. ABER FREND IST EINKLAPPBAR, P L AT Z S PA R E N D – UND STÖRT DIE ÄSTHETIK DES GARTENS N I C H T. “ MICHAEL REITINGER, CEO FREND

Ist das Rad (zum ­Aufpumpen oder aus Vollgummi) abmontiert, reicht ein 16 Zentimeter breiter Stauraum.

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MICHAEL REITINGER/HEKKTOR, ARTIVIVE, PHILIPP BENEDIKT

intensiv um die Ästhetik ihres Gartens, und dann steht an der Hauswand eine hässliche Scheibtruhe.“ So schildert ­Michael Reitinger, selbst begeisterter Hobbygärtner, das Problem. Die Lösung: Frend, eine Scheibtruhe, die sich mit ein paar schnellen Handgriffen zusammenfalten und auf dem Raum eines Klappstuhls verstauen lässt. Eineinhalb Jahre hat Reitinger in die Entwicklung gesteckt. Ergebnis ist ein Gartengefährt mit bis zu 60 Kilogramm Nutzlast, das am Markt seines­gleichen sucht. „Es gibt klappbare Transporthilfen auf Rädern“, so Frend-CEO Reitinger, „aber keine davon eignet sich für den Transport von Steinen, Erde oder Schnittgut.“ Diese Arbeiten könnte der Frend schon ab Spätsommer (Preis: knapp 200 Euro) übernehmen. frend.at


3 MIR A – DA S R A D, DAS MIT WÄCHS T Wussten Sie, dass Kinder alle 21 Monate über ihre Fahr­räder „hinauswachsen“? Das heißt, dass ein Kind bis zu acht Räder verbraucht, bis es erwachsen ist. „Mit ausgedienten Drahteseln werden dann jüngere Geschwister zwangsbeglückt, oder das Fahrrad landet gleich am Müllplatz“, sagt Julian ­Walkowiak vom Start-up MiRa, das den Radshop „United in Cycling“ in der Seestadt Aspern in Wien betreibt. MiRas Angebot: Jedes Kind kann sein zu klein gewordenes Rad jederzeit gegen ein passendes tauschen. Beim Miet-Abo – um (für Eltern leistbare) neun Euro pro Monat – sind sogar Service und Ersatzteile inkludiert. Nachhaltiger Zusatz­ effekt: „Die Lebensdauer eines Fahrrads wird so um rund zehn Jahre verlängert.“ MiRa wird durch das FellowshipProgramm von Red Bull Amaphiko, dem Netzwerk für Social Entrepreneurs, unterstützt. mira.bike

Wieso lacht ­Marilyn Monroe? Die App Artivive ergänzt Fotos und Gemälde um animierte Hinter­ grund-Infos.

4 A RTI V I V E – S O ERW ECKS T DU KUNS T ZUM L EB EN Stell dir vor, du blickst im Museum durch dein Smartphone auf ein Gemälde von Picasso. Plötzlich wandelt sich die

abstrakte Darstellung zu dem klaren Bild der Vorlage. Oder du bewunderst ein Foto von Marilyn Monroe, das zu einem Kurzfilm über die Sekunden vor und nach dem Entstehen des Fotos wird. Genau das ermöglicht die Kunst-App Artivive. Die Technologie dahinter basiert auf Augmented Reality (AR) und erweitert analoge Kunstwerke um eine digitale Ebene. Museen und Galerien können so trockene Informationen von Schildern oder Audio-Guides aufregend vermitteln. Künstler von heute haben zudem die Möglich­ keit, via Online-Software AR-Features für ihre Werke zu erstellen und beispielsweise ihre Arbeitsschritte nachträglich sichtbar zu machen. artivive.com

Gutes Rad ist nicht teuer: Fernanda Apa­ recida da Souza und Julian Walkowiak von „United in Cycling“

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6 FA IRMIT TLEREI – NIE W IEDER V ERS CH W ENDUNG

5 FREEBIEB OX – S O   B E SCHENKS T DU   DICH SEL B S T Mit 14 Jahren ist Moritz ­Lechner Österreichs jüngster Gründer. Sein Start-up Freebiebox ist ein Paket voller Promotionartikel wie Rucksäcke, Lautsprecher oder Powerbanks von namhaften Unternehmen. „Ich habe diese Dinge immer gern verwendet“, erzählt Lechner, „und mir ist aufgefallen, dass diese oft an die falschen Leute geraten und dann im Müll landen, obwohl sie hochwertig sind.“ Dem will Freebiebox entgegen­wirken, indem Abonnenten ihre Produktvorlieben auf der Website bekanntgeben und für 20 Euro im Monat individualisierte ­Pakete erhalten. Deren genauer Inhalt bleibt eine Über­ raschung. „Das ist Teil des Reizes“, so Lechner, der bei der Startup Challenge Austria 2018 Platz eins belegt hat. freebiebox.eu

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Falsch bedruckte oder beschädigte Verpackung, ausgelaufenes Sortiment – es gibt viele Gründe, dass Produkte im Handel nicht mehr verkauft werden können. Hier kommt die Fairmittlerei ins Spiel. Das Team um Obmann Michael K. Reiter vermittelt diese Büro­ artikel, Reinigungsmittel, Werkzeuge an Hilfsorganisationen und NGOs und sorgt dabei für Transport, Lagerung, Bewerbung und Verteilung. Hersteller sparen so Lagerund Entsorgungskosten, Kunden bis zu 90 Prozent gegenüber handelsüblichen Preisen. Die Fairmittlerei wurde von der Stadt Wien mit dem Umweltpreis 2018 ausgezeichnet und ist Teilnehmer des Fellow­ ship-Programms von Red Bull Amaphiko, dem Netzwerk für Social Entrepreneurs. diefairmittlerei.at Vermitteln Sachspenden an NGOs: Michael Gugenberger und Michael K. Reiter (re.) von der Fairmittlerei

„UNSER DNAPRINTER ERZEUGT R E L AT I V S C H N E L L KÜNSTLICHE DNA. ER SOLL W E LT W E I T I N FORSCHUNGSLABORS ZUM E I N S AT Z KO M M E N .“ ALEX MURER CEO KILOBASER

INNOVATOR

BERGSCHAF/SASCHA PSEINER, FREEBIEBOX, PHILIPP BENEDIKT

Während Gleichaltrige Computer spielen, gründete Moritz Lechner, 14, ein Paketservice.


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Bausteine des Lebens: Strukturmodell eines „Primer“ ­(kurzer DNA-Strang)

KILOB ASER – DN A AUS DER M AS CHINE

In diesem Chip entsteht künst­ liche DNA.

INNOVATOR

Wirkstoffentwicklung, Medika­ mentenforschung, biologische Studien: Die menschliche DNA ist weltweit Gegenstand inten­ siver Laborforschung. Jedoch in synthetischer Form, nicht in echter. Erzeugt wird diese von wenigen großen Firmen – um teures Geld. „Ein Missstand“, sagt der Grazer Molekular­ biologe Alex Murer, „zudem warten die Labors oft Wochen, bis sie beliefert werden.“ Das soll sich ändern: „Wir wollten ein Gerät bauen, das schnell künstliche DNA erstellen kann – und für Labors leistbar ist.“ Vier Jahre arbeitete Murer mit Kollegen am Kilobaser, nun ist er marktreif. „Sein Herzstück ist ein von uns entwickelter Fluid-Chip“, so Murer, „in ihm ­entstehen DNA-Stränge in nur einer Stunde.“ Kilobaser – von der Österreichischen Forscher­ förderungsgesellschaft (FFG) unterstützt – lässt seine DNAPrinter bereits vorreservieren. Kaufpreis: ca. 8000 Euro. kilobaser.com

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INNOVATION UNLOCKED

theredbulletininnovator.com


GUIDE

I N N O V AT O R

UNTER STROM

STEIG EIN!

SAMO VIDIC/RED BULL CONTENT POOL

Vom Segway über E-Autos und E-Zweiräder bis zur Formula E: Bei den „Krone E-Mobility Play Days“ erleben Zuseher die Mobilität von morgen. Wo du am Red Bull Ring selbst ans Steuer darfst, liest du auf Seite 90.

INNOVATOR

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SEE IT

E-MOBILITY

VOLLE LADUNG ZUKUNFT

Alles über Innovationen, die uns auf neue Art bewegen. Am Red Bull Ring kannst du die besten E-Mobility-Ideen selbst ausprobieren. Formula-E-Pilot Daniel Abt ließ es 2017 rauchen. Auch heuer gibt es einen Showrun der Rennserie mit Elektromotoren.

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Krone E-Mobility Play Days Formula-E-Boliden, Drohnen und Prototypen zum Anfassen, Segways, E-Autos und -Zweiräder zum Testen – zwei Tage lang erleben Besucher elektrifizierte Fortbewegung in all ihren Formen. Am Start: über 100 Aussteller sowie geladene Branchenkenner. Red Bull Ring, Spielberg; projekt-spielberg.com

Top-Talks mit „E-xperten“

Drone Race ganz nah

Wie werden wir uns in Zukunft fort­ bewegen? E-Mobility-Experten ver­ suchen diese Frage in Vorträgen und Diskussionsrunden zu beantworten. Einer davon ist Markus Kreisel (Foto links; siehe auch Artikel ab Seite 26), der mit seinen beiden Brüdern und über 100 Mitarbeitern in Rainbach, Oberösterreich, revolutionäre Batte­ rien für Autos und Busse, Boote und Flugzeuge produziert.

Die besten Drohnen-Piloten der Welt treffen bei den E-Mobility Play Days aufeinander. Mit ihren bis zu 140 km/h schnellen Geräten werden sich die Stars der Drone Champions League (DCL) atemberaubende Duelle liefern. Für Fans perfekt: Sie können Piloten beim Set-up in der Box besuchen und per VR-Brille die Rennen aus DrohnenPerspektive verfolgen.

INNOVATOR

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL, JOERG MITTER/RED BULL CONTENT POOL

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und 30. September


DO IT

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S A V E T H E D AT E

August Visionary Program Im Ashoka Visionary Program lernen Führungskräfte aus allen Sektoren, wie man gesellschaft­ liche Probleme unternehmerisch löst. Der berufsbegleitende Lehr­ gang dauert neun Monate. Es gibt noch Restplätze für unsere Leser. Anmeldung (bis 31. 8.): Stichwort „INNOVATOR“. ashoka-cee.org/ visionary-program

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bis 9. September FAQ Bregenzerwald Frequently Asked Questions – also häufig gestellte Fragen wie „Wofür stehst du?“ oder „Wovor fürchtest du dich?“ – stehen im Mittelpunkt des Diskussions­ forums. Antworten geben heuer Romancier Michael Köhlmeier, Schauspielerin Maria Hofstätter, Philosoph Robert Pfaller u. a. Bregenzerwald; faq-bregenzerwald.com

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und 5. Oktober CEE Impact Day Impact-Investoren und -Inno­ vatoren aus Europa diskutieren zwei Tage lang, wie nachhaltige Entwicklungsziele erreicht wer­ den können. Workshops und Fallstudien sind dabei beson­ ders an Unternehmen gerich­ tet. Das Ziel: ein tieferes Ver­ ständnis für Social Innovation. Erste Campus, Wien; ceeimpactday.org

Slackliner Christian Waldner beim TEDx Vienna 2017 im Volkstheater. Thema: On the Edge

TIMAR IVO/TEDX VIENNA, GREGOR FISCHER/DPA/PICTUREDESK.COM

Oktober Future Day

Matthias Horx (Bild), Gründer des Zukunfts­ instituts, gilt als einer der bedeutendsten Trendforscher Europas. Gemeinsam mit ­Geschäftsführer Harry Gatterer lädt er ­Vordenker und Entscheider wie Designer Hendrik-Jan Grievink, die Astrophysikerin und angehende Astronautin Suzanna Ran­ dall oder Fotograf Benjamin Grant zum ­Gedankenaustausch. Gesprochen wird über die Logik der Zukunftsgefühle, das Inno­ vations-Potenzial der Natur, neue Formen der Arbeit und Wege in den Weltraum. Studio 44, Wien; futureday.network

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Oktober TEDx Vienna: Simplexity Was ist einfach? Was kompliziert? Und was hat das eine mit dem anderen zu tun? Simplexity beschreibt diesen Prozess. Und ist Thema der 9. TEDx Vienna-Konferenz. ­Internationale Gäste berichten über ihre Erfahrungen: US‑Musiker Freddie Feldman inspirierte die Arbeit mit ­Beatboxern zur Entwicklung von Geräten, die Parkinson-­ Patienten in die Lage versetzen, effektiv zu kommunizieren. Yale-Professor Dan Kahan untersucht, was Profi-Kommu­ nikatoren von der Wissenschaft lernen können. Ihre ­Bühne ist wie im Vorjahr (Bild oben) das Volkstheater. Volkstheater, Wien; tedxvienna.at

INNOVATOR

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SEE IT

WELTENSCHÖPFER

Drei Freunde, die mit Skateboards die Meere säubern, inspirierende Pioniere und Spieleentwickler, die aus virtuellen Ideen reale Innovationen machen: die ­Highlights auf Red Bull TV.

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

Red Bull TV ist deine globale ­digitale Destination für Entertainment abseits des Alltäg­lichen, empfangbar rund um die Uhr an jedem Ort der Welt. Geh auf ­redbull.tv, hol dir die App oder connecte dich via Smart-TV. ALLE INFOS: REDBULL.TV

ALFRED JÜRGEN WESTERMEYER/RED BULL CONTENT POOL, PIONEERS, LUCKYDAY MEDIA, TREVOR MORRIS/RED BULL CONTENT POOL

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INNOVATOR


RED BULL TV

On Demand   FESTIVAL-HIGHLIGHTS

PIONEERS ’18

Am 24. und 25. Mai trafen sich Entrepreneure, Investoren und TechnologiePioniere zur größten IT-Konferenz Europas in der Wiener Hofburg. Die Höhe­ punkte dieser zwei Tage gibt es in kompakter Doku-Form: Ausschnitte aus inspirierenden Ansprachen, informative Interviews und noch viel mehr.

On Demand

On Demand   DOKU

CREATORS OF TOMORROW

Wer glaubt, Videospiele seien reiner Zeitvertreib, wird mit dieser Dokumentation eines Besseren belehrt. Games wie „Minecraft“, „Cities: Skylines“ und „Block’hood“ vermitteln dir eine Vorstellung von der Architektur und Städte­ planung der Zukunft – wo die virtuelle Welt mit der echten verschmilzt.

DOKU

Als Surfer kennen Ben Kneppers (Bild oben), David Stover und Kevin Ahearn das Problem des Plastikmülls im Ozean nur zu gut. Ihre Lösung: Skateboards. Dafür nutzen sie mit ihrem Start-up Bureo gepresste alte Fischernetze (machen zehn Prozent der acht Millionen Tonnen jährlicher Verschmutzung aus) als Grundstoff. Begleite das Trio bei der Entwicklung von Idea­ listen zu erfolgreichen Unternehmern, die nicht nur Fischern neue Sichtweisen aufzeigen.

INNOVATOR

GAMING THE REAL WORLD

On Demand   DOKU-SERIE

SCREENLAND

iPad-Games für Katzen, eine Renaissance der Arcade-Spielautomaten und jede Menge Virtual Reality: Hier erlebst du, wie Game-Designer und ­andere k­ reative Köpfe unseren Alltag mittels Gaming verändern. Im Bild: der ­Performance-Koch Nick Toll aus dem Künstlerkollektiv Meow Wolf.

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Credit: Graz Linien/Lupi Spuma

Entgeltliche Einschaltung

Der Umstieg auf E-Mobilität lohnt sich, vor allem finanziell

Derzeit sind rund 2,45% aller zugelassenen PKW Elektroautos Allein im März 2018 wurden 997 E-Fahrzeuge in Österreich zugelassen (entspricht 2,8% aller PKW Neuzulassungen).

Wie man bei der Anschaffung von E-Pkw und Co. in Österreich Förderungen erhält! Elektrisch unterwegs zu sein zahlt sich gleich mehrfach aus: E-Fahrzeuge sind nachhaltig und umweltfreundlich und wer auf E-Mobilität umsteigt, kann derzeit mit großzügigen Förderungen rechnen. Sowohl Privatpersonen als auch Gemeinden und Unternehmen profitieren von den umfassenden Förderprogrammen des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) in Kooperation mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus. 4.000 Euro für Privatfahrzeuge Für Privatpersonen steht der „E-Mobilitätsbonus“ bereit: Wer ein Fahrzeug mit reinem Elektroantrieb oder

mit Wasserstoffbrennstoffzellenantrieb anscha¢, erhält dafür 4.000 Euro Förderung. 2.500 Euro davon stammen vom Bund und 1.500 Euro von der Automobilbranche. Um förderungswürdig zu sein, muss das gewählte Fahrzeug jedoch einige Voraussetzungen erfüllen. Zum einen muss es mit Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energieträgern betrieben werden, und seine vollelektrische Reichweite muss mindestens 40 Kilometer betragen. E-Mopeds und E-Motorräder sind daher von der Förderung ausgeschlossen. Gefördert werden auch nur Fahrzeuge, deren Brutto-Listenpreis 50.000 Euro nicht überschreitet und die nicht vor dem 1. 1. 2017 angescha¢ wurden.

Förderungswürdige Extras Auch Plug-In Hybridfahrzeuge werden mit 1.500 Euro gefördert. Und weil ein E-Fahrzeug natürlich auch aufgeladen werden muss, gibt es zusätzlich auch eine Förderung für die Anschaffung eines intelligenten Ladekabels oder die Installation einer Heimladestelle, einer sogenannten Wallbox.

Anträge zur Förderung können bis 31. 12. 2018 auf der Seite www.umweltfoerderung.at eingereicht werden.


Gemeinsam mit dem Umweltministerium und den Automobilimporteuren stellt das Verkehrsministerium in den kommenden Jahren insgesamt 72 Millionen Euro zur Verfügung, um Österreich elektrofit zu machen. Damit werden sowohl die Anschaffung von Elektrofahrzeugen als auch die Einrichtung von Ladestationen gefördert. Tipp: Mit der neuen grünen Nummerntafel können Privilegien verbunden sein!

Registrierung und Einreichung von Förderanträgen sind via www.umweltfoerderung.at möglich.

Ankaufförderung für E-Fahrzeuge

48

16.000

Fahrzeuge

Mio. EUR

Ausbau der LadeInfrastruktur Öffentlich zugängliche Ladestationen werden mit bis zu 10.000 Euro pro Ladestation gefördert. Private Ladestationen (Wallbox bzw. intelligentes Ladekabel) können bei der Anschaffung mit 200 Euro unterstützt werden, in Kombination mit einer E-Pkw-Förderung für Private. Errichtung von Ladeinfrastruktur an Bahnhöfen mit Park-and-ride-Anlagen und Raststationen im Schnellstraßenund Autobahnnetz.

Private Elektro- oder Wasserstoffbrennstoffzellenfahrzeuge werden beim Kauf mit 4.000 EUR gefördert, Plug-in-Hybride mit 1.500 EUR.

Nach erfolgreicher Registrierung muss innerhalb von 24 Wochen der Antrag gestellt werden. Das Rechnungsdatum des Fahrzeugs darf dabei nicht vor dem 1. Januar 2017 liegen und die Rechnung zum Zeitpunkt der Einreichung nicht älter als sechs Monate sein. Zudem müssen die geförderten Fahrzeuge ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern betrieben werden. Dieser Punkt gilt auch für geförderte Ladeinfrastruktur.

1. Registrierung

Betriebsfahrzeuge mit reinem Elektroantrieb werden mit 3.000 EUR gefördert, Plug-in-Hybride mit 1.500 EUR. E-Mopeds und E-Mororräder werden mit 750 EUR gefördert. Förderbar sind Zweiräder ab einer Geschwindigkeit von 25 km/h bzw. einer Antriebsleistung von 600 Watt.

Bestellung Anzahlung Lieferung

max. 24 Wochen

Insgesamt stehen 48 Millionen Euro für die Ankaufförderung von rund 16.000 Fahrzeugen zur Verfügung

So funktioniert die Antragstellung:

Rechnung (inkl. E-Mobilitätsbonus Bezahlung

2. Antragstellung

Zulassung des Fahrzeugs

Bearbeitung des Förderantrags Genehmigung

Die Förderungen können seit März 2017 für ab 1. Jänner 2017 gekaufte Fahrzeuge beantragt werden. Betriebe und Gemeinden E-Fahrzeuge eignen sich nicht nur besonders gut für Pendler, sondern auch als Firmenfahrzeuge und für das CarSharing. Daher können auch Betriebe, öffentliche Gebietskörperschaften, Vereine und konfessionelle Einrichtungen um Förderungen im E-Mobilitätsbereich ansuchen. Gefördert wird die Anschaffung von neuen Fahrzeugen – auch Nutzfahrzeugen – mit Elektro-, WasserstoffbrennstoffzellenBeziehungsweise Plug-In-Hybridantrieb sowie Range Extender zur Personenoder Güterbeförderung. Für den betrieblichen und öffentlichen Bereich werden auch Zweiräder mit reinem Elektroantrieb und betrieblich genutzte ElektroFahrräder oder Elektro-Transporträder

samt Ladestationen gefördert. Für Gemeinden ist neben den betrieblichen Fördermöglichkeiten auch die Förderung von Fahrzeugen zur Personenbeziehungsweise Güterbeförderung mit alternativem Antrieb interessant. Um diese zu erhalten, muss der Anteil des Biokraftstoffes zumindest 50 Prozent der jährlichen Treibstoffmenge betragen. Der öffentliche Verkehr stellt um Ein wichtiges Anliegen im Rahmen des Förderprogramms ist der öffentliche Nahverkehr, der so umfassend wie möglich auf Elektrofahrzeuge umgestellt werden soll. E-Busse, E-Carsharing, E-Taxi-Systeme, bedarfsorientierte E-Mobilitätsservices, E-Bike-Verleih und E-Zustellservices sollen künftig die Stadt- und Gemeindebilder

Auszahlung prägen. Dafür braucht es natürlich die notwendige Infrastruktur, über die die Angebote der Elektromobilität mit weiteren Mobilitätsangeboten - zum Beispiel dem öffentlichen Verkehr verknüpft werden können. Die dazu notwendigen Kooperationen mit städtischen Verkehrsbetrieben werden vom Verkehrsministerium mit bis zu 1,8 Millionen Euro gefördert. Zusätzliche Förderungen kommen von den Ländern. So gibt es zum Beispiel für die Anschaffung eines reinen Elektro- Pkw sowohl vom Land Niederösterreich als auch vom Land Steiermark weitere 1.000 Euro. Informieren und Antrag stellen lohnt sich also nicht nur im Sinne einer sauberen Umwelt, sondern auch für die eigene Geldbörse.

Entgeltliche Einschaltung

Förderpaket Elektromobilität


READ IT

KÖNNTE EIN ROBOTER MEIN BUDDY SEIN?

A Andreas Gall, 54, spürt als Chief Innovation Officer im Red Bull ­Media House neue Dinge auf, die die Zukunft der Medien und Consumer ­Technology gestalten.

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ls begeisterter Taucher lebe ich seit meinem ­ersten Tauchgang in den 1980er-Jahren das Buddy-­ Prinzip, eine Sicherheitsmaßnahme, die darauf beruht, dass man stets ­einen Begleiter bei sich hat, einen Kumpel, einen Buddy eben. Ein zuverlässiger Buddy ist da, wenn es kritisch wird. Bei meinen mehr als 400 Tauchgängen gab es manch brenzlige Situation, in der mein Partner oder ich froh waren, dass wir einander beistehen konnten. Das schärft das Verantwortungsgefühl – grundsätzlich, zuallererst aber gegenüber dem Buddy. Dann kam der Tag, an dem ich über Tauchdrohnen recherchierte. Wie wäre es, wenn mich in Zukunft ein Roboter beim Tauchen begleitete?, fragte ich mich. Mein artificial buddy bräuchte anders als ich keinen Sauerstoff, hielte den Druck viel besser aus. Die Dekompressionskrankheit, für Menschen potenziell lebens­ gefährlich, wäre ihm un­bekannt. Während unseres Tauchgangs würde mein künst­ licher, perfekt auf die Unterwasserwelt

eingestellter Buddy m ­ eine Vitaldaten ablesen und sie mit jenen früherer Ausflüge vergleichen. Und natürlich würde er sofort erkennen, wenn ich in Stress geriete, permanent die Umgebung scannen und mich vor Strömungen warnen. Er würde die Navigation übernehmen und mich im allerschlimmsten Fall mit Atemluft versorgen und die Rettung alarmieren, mir also das Leben retten. So gut mir die Idee eines solchen „Sport-Activity-Bodyguard“ auf Anhieb gefiel, so konsequent wie absurd war der nächste Gedanke: Was müsste ich als menschlicher Buddy tun, wenn mein ­Roboter-Freund in eine aussichtslose Lage geriete, also beispielsweise in einer Felsspalte hängen bleiben würde? Erster Gedanke: nichts. Zweiter: Gerät aufgeben, den Tauchgang kontrolliert beenden, so wie man es hundert Male geübt hat. Dann überlegen, ob ich meinen artificial buddy zurück­ holen kann. Falls nein, wär’s ein Versicherungsfall, nicht mehr. Gedanke Nummer drei: Es ist ja bloß eine M ­ aschine, die jederzeit ersetzt werden kann. Ihr Wissen ist als Back-up in der Cloud gespeichert – ich kann sie also ­jederzeit wieder zum Leben erwecken. Was blieb, war ein ungutes Gefühl. Plötzlich wurde die Vision eines künstlichen Buddys zum Auslöser eines schlech­ten Gewissens. Eigentlich klar, ich hatte mehr als dreißig Jahre lang gelernt, dass ein Buddy Hilfe leisten muss, wenn sein Kumpel in Schwierigkeiten gerät. Dass mein Freund aus Metall, Elektronik, Kunststoff und Mikroprozessoren besteht, keine Gefühle hat, mir nicht gram ist, falls ich ihn im Meer aufgeben muss, das ist rational nachvollziehbar – aber emotional bleibt eine Hürde.

INNOVATOR

MICHAEL PRESCHL

Wie uns die digitale Revolution ins Gefühlschaos stürzt.


KOLUMNE

IMPRESSUM

Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteur Arek Piatek Art Director Kasimir Reimann Photo Director Eva Kerschbaum Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann

WAS MÜSSTE ICH TUN, WENN MEIN ROBOTER-FREUND IN EINE AUSSICHTSLOSE LAGE GERATEN WÜRDE? ERSTER GEDANKE: NICHTS.

Managing Editor Ulrich Corazza Redakteure Alexander Lisetz, Waltraud Hable, Holger Potye, Andreas Rottenschlager, Simon Schreyer, Wolfgang Wieser

Country Project Management Magdalena Bonecker, Kristina Hummel Leitung Media Sales Alfred Vrej Minassian Sales Promotion & Project Management Stefanie Krallinger

Illustrationen Johannes Lang

Digital Sales Bernhard Schmied

Fotoredaktion Marion Batty, Ellen Haas Global Project Management Melissa Stutz Global Head of Media Sales Gerhard Riedler Head of Media Sales International Peter Strutz Head of Publishing Development und Product Management Stefan Ebner

Head of Creative Markus Kietreiber Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier

INNOVATOR

Länderredaktion Christian Eberle-Abasolo

Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz, Michael Nolan, Ute Schindler, Esther Straganz, Antonia Uhlig

Country Management und Marketing Sara Varming (Ltg.), Magdalena Bonecker, Julia Gerber, Kristina Hummel

Der emotionale Bezug zu unbelebter Materie ist nichts Neues: Jeder Oldtimer-­ Fahrer kennt die irrationale Liebe zu ­einem Ding aus Blech und Stahl. In der Welt von morgen werden wir unsere Gefühle neu ordnen müssen. Schon heute bin ich auf Siri und Alexa sauer, wenn sie mich nicht auf Anhieb verstehen (ein zutiefst menschliches Gefühl – oder?). Die Fortschritte in Kybernetik und ­Robotik lassen den persönlichen Assistenzroboter wohl demnächst Wirklichkeit werden. Anfangs vielleicht als Begleiter für Menschen mit besonderen Bedürf­ nissen, aber schon bald als Gefährte für alle Lebenslagen. Auch wenn sie keine Gefühle haben, werden diese Roboter wohl so tun, als ob – damit wir sie besser akzeptieren. Aber was mache ich, wenn mein Haus brennt? Rette ich meinen Buddy? Wenn ja: unter Einsatz meines Lebens? Ich denke mir, falls ich je eine Tauchdrohne kaufe, dann auch, um zu testen, wie sehr wir uns der Technik emotional annähern können.

THE RED BULLETIN INNOVATOR Österreich, ISSN 1995-8838

Creative Solutions Eva Locker (Ltg.), Verena Schörkhuber, Edith Zöchling-Marchart

Media Sales Franz Fellner, Thomas Hutterer anzeigen@at.redbulletin.com Druck Prinovis Ltd. & Co. KG, D-90471 Nürnberg Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz Informationen zum Medieninhaber sind ständig und unmittelbar unter folgender Web-Adresse auffindbar: www.redbulletin.at/impressum Redaktionsadresse Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800  Fax +43 1 90221-28809 Kontakt redaktion@at.redbulletin.com

Anzeigendisposition Andrea Tamás-Loprais Produktion Wolfgang Stecher (Ltg.), Walter O. Sádaba, Friedrich Indich Lektorat Hans Fleißner (Ltg.), Petra Hannert, Monika Hasleder, Billy Kirnbauer-Walek Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailovic, Maximilian Kment, Josef Mühlbacher Herstellung Veronika Felder Office Management Yvonne Tremmel

THE RED BULLETIN INNOVATOR Deutschland, ISSN 2079-4258 Länderredaktion David Mayer Country Project Management Natascha Djodat Anzeigenverkauf Martin Olesch, martin.olesch@de.redbulletin.com

IT Systems Engineer Michael Thaler Abo und Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser ­( Vertrieb), Yoldaş Yarar (Abo) General Manager und Publisher Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-28800 Fax +43 1 90221-28809 Web www.redbulletin.com Medieninhaber, Verlag und Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700

THE RED BULLETIN INNOVATOR Schweiz, ISSN 2308-5886 Länderredaktion Arek Piatek Country Project Management Melissa Stutz Anzeigenverkauf Marcel Bannwart, marcel.bannwart@ch.redbull.com

Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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TECH-HIGHLIGHT

„Flying Fox“ und sein natürliches Vorbild: Die Robo-Flügel sind ein 1:1-Replikat echter Flughundflügel.

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INNOVATOR

AREK PIATEK

Flederhaut aus dünnstem Elastan, eine Flügelspannweite von fast monströsen 2,28 Metern: Der Robo-Flughund „Flying Fox“ ist das jüngste Produkt der deutschen Company Festo, die High-End-Roboter entwickelt – und sich dabei am Vorbild der Natur orientiert. Festos 3D-gedrucktes 0,6-Kilo-Fledertier kann nicht nur autonom vorgegebene Flugbahnen abfliegen – es kann sogar in der Luft lernen. Wie? Eine Bodenkamera (mit Rechner) verfolgt den Robo stets, der Rechner analysiert seine Flugbahn und schickt, ähnlich wie ein Fluglotse, Kurskorrekturen an ihn zurück. So fliegt dieser seine Bahnen immer präziser und ökonomischer ab. Übrigens geschieht all dies ohne menschliches Zutun.

CRAIG DINGLE

DIESER FLUG-ROBOTER HAT ÜBER 2 METER SPANNWEITE

3D-Druck-Vampir


MENSCH UND MASCHINE WERDEN EINS.

Kennen Sie das Gefühl, sich blind zu verstehen? Dieses Gefühl von Einheit nennen wir Jinba Ittai. Wie bei Pferd und Reiter verschmelzen Fahrer und Fahrzeug.

DRIVE TOGETHER

M{ZD{ M X- 5 RF Verbrauchswerte: 6,1 − 6,6 l/100 km, CO2-Emissionen: 142 − 154 g/km. Symbolfoto.


Der neue Ford FOCUS

Der neue Maßstab in der Business-Klasse.

Mehr Platz, mehr Komfort und mehr Sicherheit:

Nehmen Sie hinter dem Lenkrad Platz und spüren Sie das beste Raumangebot in seiner Klasse. Starten Sie den Motor – zum Beispiel den vielfach ausgezeichneten, besonders effizienten EcoBoost Benziner mit 8-Gang-Automatik und klassenbesten CO2-Werten – und schalten Sie den Ford Co-Pilot360 ein: Teilautonom, also selbstständig lenkend, beschleunigend und bremsend, bringt Sie Ihr neuer Ford Focus sicher durch den Verkehr. Das und viele weitere Highlights im neuen Ford Focus können Sie übrigens ab sofort bei einer Probefahrt selbst erleben! Ihr Ford Händler freut sich auf Ihren Besuch!

Der neue Ford Focus ab € 13.990,–

1)

bei Leasing.

Ford FOCUS: Kraftstoff verbrauch (Prüfverfahren: WLTP): innerorts 3,8 – 7,8 l / außerorts 3,3 – 5,2 l / kombiniert 3,5 – 6,2 l / CO2-Emission 91 – 138 g / km

Symbolfoto I 1) Unverbindlich empfohlener nicht kartellierter Aktionspreis (beinhaltet Händlerbeteiligung, Modellbonus, First Edition Bonus und Ford Bank Bonus) inkl. USt, NoVA und 5 Jahre Garantie (beginnend mit Auslieferungsdatum, beschränkt auf 100.000 km), gültig bis 30.09.2018 bei Ford Bank Leasing. Leasingrate € 39,– zzgl. € 200,– Bearbeitungsgebühr und 1,17 % gesetzlicher Vertragsgebühr, Laufzeit 36 Monate, 30 % Anzahlung, 30.000 km Gesamtfahrleistung, Fixzinssatz 4,4 %, Gesamtbelastung € 15.537,61, vorbehaltlich Bonitätsprüfung der Ford Bank Austria. Aktion gültig bei Ihrem teilnehmenden Ford-Händler, so lange der Vorrat reicht. Nähere Informationen bei Ihrem Ford Händler oder auf www.ford.at.


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