The Red Bulletin INNOVATOR CD 02/23

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Ideas for a better future

Motocross-Held Mat Rebeaud und seine Energie-Wende im Gelände

MAT REBEAUD auf seiner elektronischen Stark VARG im GotthardWindpark

Der Vorreiter

IDEAS FOR A BETTER FUTURE INNOVATOR BY THE RED BULLETIN 02/2023
3.80 CHF 02 2023 AUSGABE SCHWEIZ

Der neue Touareg Die intelligente Wahl

Jetzt erleben
volkswagen.ch

EDITORIAL

CONTRIBUTORS

Benedict Redgrove

hatte als Fotograf neun Jahre lang exklusiven Zugang zu Raumfahrzeugen und Labors der NASA, der US­amerikanischen Raumfahrtbehörde. Wir zeigen die «All­Macht» seiner Bilder, die belegen: Science­Fiction kann auch ganz, ganz echt sein.

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Wir Menschen bewegen uns oft nur ungern aus unserer Komfortzone. Lieber halten wir an sattsam Bekanntem fest, als Neues zu wagen und unbekanntes Glück zu (ver)suchen. Nicht so die Stars dieser Ausgabe. Im Gegenteil: Wir zeigen Frauen und Männer, die mit ihren Ideen Grenzen sprengen und die Welt dadurch zu einem etwas besseren Ort machen.

Silvia Jelincic

hat für uns die Bio­Wissenschaftlerin Tara Shirvani getroffen. «Unsere Gespräche haben mir jede Menge Hoffnung gespendet», sagt die Wiener Journalistin und Autorin. Und auch ihr Konsumverhalten umgekrempelt: So etwa kauft sie jetzt nur noch Kleidung aus nachhaltigen Materialien.

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Freestyle-Motocross-Legende Mat Rebeaud vollzieht eine Energiewende in steinigstem, steilstem Gelände (ab Seite 30). Tara Shirvani glaubt indes fest daran, dass Synthetische Biologie unsere Natur rettet; wie genau, das erklärt sie ab Seite 22. Und unsere Autorin Nicole Thurn macht sich auf die Suche nach der Voraussetzung für alle Innovationen –der Kreativität (ab Seite 74). Ein erster, ganz ein facher Schritt: reinblättern, lesen, staunen.

Viel Vergnügen und Zuversicht mit dem neuen

The Red Bulletin Innovator!

INNOVATOR
DER MUT ZUM GLÜCK
INNOVATOR 3 DEAN TREML (COVER),
BEKERAITYTE,
BECK/EDITION A
AGNE
LUKAS

BULLEVARD

8 Der Öko-Star

Wenn Polestar Autos baut, freut sich die Umwelt mit – der grüne Masterplan.

10 Ruhig Blut

Blutanalyse zur Vorsorge – ein Schweizer Start-up setzt neue Massstäbe.

12 Mobile Hangars

Ob in der Wüste oder der Antarktis – wo Flugzeuge spontan landen können

14 Guter Stoff Tabuthema Periode?

Nicht für den UnderwearHersteller Ooia

16 Der Sonnen-Ring

So soll der Red Bull Ring energieautark werden.

18 Bio-Plastik

Ein deutsches Start-up entwickelt pflanzliche Alternativen.

20 Über-Blick

Ein fühlender Gürtel hilft Sehbeeinträchtigten beim Sport.

FEATURES

Motorsport INHALT

AB SEITE 30

Stille Revolution

Die Schweizer Freestyle-Motocross-Legende Mat Rebeaud steht voll unter Strom – und macht den lautesten Sport leise.

Geistesblitze

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Unsere Weltretter

Pilze als Müllschlucker – und ein Bio-Mix, der selbst Wüsten fruchtbar macht: Wir zeigen die Menschen dahinter.

Inside NASA

AB SEITE 48

All inclusive Fotograf Benedict Redgrove zeigt, was es zwischen Erde, Himmel und Unendlichkeit so Neues gibt. Science Fiction, nur echt.

GUIDE

84 Wunderwelt

Die WATER-Ausstellung in der Red Bull Media World als multimediales Erlebnis

86 Super-Uhr

Tudor, Alinghi Red Bull Racing – und der Chronograph für Bestzeiten

90 Alles geht

Wie ein Philosoph Menschen mit Behinderung die Wege ebnet

92 Save the Date

Ein halbes Jahr, vollgepackt mit spannenden Events für Innovatoren

94 Rotlicht

Biohacker Andreas Breitfeld lädt unsere innere Batterie auf.

96 Kolumne

Ali Malhodji weiss, wie Ängste unsere Phantasie beflügeln können.

Jobbörse

AB SEITE 60

Die Arbeit der Zukunft

Digitale Forensiker und 3D-Holographic-Designerinnen – die Jobwelt von morgen, hier schon heute

Start-up-Löwin

AB SEITE 68

Das grosse Interview

«Die Höhle der Löwen» machte Tijen Onaran bekannt. Hier erzählt sie, wie sie Frauen in Start-ups stärker macht.

Selbstversuch

AB SEITE 74

Der Kreativ-Trip

Wer die Welt verändern oder zumindest beeinflussen will, muss vor allem eines sein: kreativ. Aber wie wird man das?

INNOVATOR
4 INNOVATOR ANDY PARSONS BRATISLAV MILENKOVIC

Science

AB SEITE 22

Die Baumeisterin der Natur

Die Wiener Forscherin Tara Shirvani zerlegt die Welt – und setzt sie im Labor neu zusammen. Aber voll bio!

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BEFLU ¨ U

GELT DURCH DEN WINTER.

U

MIT DEM GESCHMACK VON BIRNE-ZIMT.

BELEBT GEIST UND KÖRPER.

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NEU

Bullevard

für eine bessere Welt

INNOVATOR
INNOVATOR 7 GETTY IMAGES

Die Vision rückt näher und näher: das Gaspedal voll durchdrücken – und zwar ganz ohne CO²-Fussabdruck.

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Null ist das Maximum

MOBILITÄT

Das «Polestar 0»-Projekt hat ein ganz klares Ziel: die Konstruktion eines völlig klimaneutralen Autos – und das umfasst auch die komplette Herstellung.

Die Bonded Aluminium Platform, die im Polestar 5 verbaut wird, im Werk von Polestar in den Midlands, UK

Jeden Montagmorgen treffen einander die Mitarbeiter von Polestar zum Brainstorming. Die einzige Regel: Es gibt keine. «Titel zählen nicht», sagt Arlena Amiri, Head of Polestar 0 Operations. Alles, was hier zählt, sind Ideen. Hat ein Admin-Mitarbeiter einen interessanten Gedanken, prüfen Chemikerinnen, Mechaniker und Designerinnen, ob die Vision umsetzbar ist. Als Team.

Woher die Ideen kommen? Da versucht das Unternehmen Grenzen aufzuheben – in den Köpfen, aber auch in der Zusammenarbeit, etwa mit universitären Grundlagenforschern oder Expertinnen der Fashion-Industrie. Jeder Partner ist willkommen, wenn es dem Zweck dient.

«Viele Firmen sprechen von

Machern oder Träumern», sagt Amiri, «um unsere Vision zu ver wirklichen, braucht es aber beides.» Die Vision ist ein Auto, das keinen CO²Fussabdruck hinterlässt. Aber was heisst das? «Das bedeutet, dass alle Treibhausgase –von der Materialgewinnung bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Auto die Produktion verlässt und schliesslich das Ende seiner Lebensdauer erreicht – komplett eliminiert werden», bringt es Amiri auf den Null-Punkt. Noch ist das Zukunftsmusik. Die techni-

schen Möglichkeiten, die heute zur Verfügung stehen, reichen dafür nicht aus. «Genau deshalb haben wir das ‹Polestar 0›-Projekt ins Leben gerufen», sagt Amiri. «Weil wir wissen, dass es interdisziplinäre Forschung und radikales Denken erfordert.» Beim Thema Nullemission denkt man schnell nur an den Motor, an das Antriebssystem. Amiri hingegen denkt an alle 30 000 bis 50 000 Teile, aus denen ein Auto besteht. Jedes davon soll emissionsfrei herstellbar sein – und wieder recycelbar.

Dynamik des Handelns

Das erfordert jedoch Grundlagenforschung, Materialwissenschaften. Es geht nicht nur um Stahl und Aluminium. Es geht auch um verschiede-

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8 INNOVATOR POLESTAR ANNA MAYUMI KERBER

Polestar Precept: das Konzeptfahrzeug für das nächste Serienauto –der Polestar 5

ne Flüssigkeiten, die das Auto am Laufen halten, Chemikalien, Materialien für Exterieur und Interieur. Als Referenz dafür nimmt Arlena Amiri das Periodensystem. Alle 118 Elemente sollen mit einem Zero Footprint herstellbar sein – oder ersetzt werden. Ihr Credo: «Was man nicht plant, wird man nicht erreichen.» Die Mammutaufgabe motiviere sie und ihr Team. «Viele in der Industrie hoffen ja, dass schon irgendjemand anderer die anstehenden Probleme lösen wird.»

Raum für Kompromisse in der Zielsetzung gebe es daher keinen, sagt Amiri. Auch wenn die letzten zwanzig Prozent am schwersten zu bewältigen sein werden.

Schön umweltbewusst Drei Dinge gehören für Amiris Berufsverständnis dabei zusammen: «Diversität, Inklusion und Innovation.» Ohne Inklusion keine Vielfalt, und die Kombination aus beidem schafft erst den Raum für Innovationen. Kleine Ideen geben den Anstoss für grosse. Und am Schluss soll ein Auto stehen. Eines, das nicht nur fürs Auge schön ist, sondern auch für die Umwelt. polestar.com

DEINE KLIMABILANZ Du willst den CO²Ausstoss deines Autos berechnen? Eine einfache Anleitung dafür findest du auf co2.myclimate.org

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Arlena Amiri, Head of Polestar 0 Operations, hat nur eine Regel: Jobtitel zählen nicht. Was zählt, sind Ideen.

Blut, geht’s gut?

MEDIZIN

Das Schweizer Start-up Care will mit einer umfassenden, interdisziplinären Blutanalyse den Health Check neu definieren.

Die meisten der Krankheiten, an denen Menschen in Europa sterben, sind chronisch. Sie wären zu verhindern», sagt Ion Haab. Und er ist entschlossen, genau das zu versuchen. Im September 2022 hat der 32­Jährige gemeinsam mit den Erfolgsunternehmern Ertan Wittwer und Marcel Kubli Care gegründet – ein GesundheitsStart­up zur Selbstoptimierung. Das Konzept von Care heisst Prävention. Zu Beginn steht ein umfassender Gesundheitscheck, der unter anderem eine Blutanalyse beinhaltet – insgesamt werden bis zu 46 Blutwerte, sogenannte Bio­

Analyse: Insgesamt werden 46 sogenannte Biomarker im Blut auf Risiken gecheckt.

Das Konzept von Care heisst Prävention, dazu wird etwa der Fettanteil des Körpers gemessen.

marker, untersucht. In Kombination mit weiteren Messungen wie Fettanteil, EKG und Blutdruck wird ein Gesamtbild des Körpers gezeichnet, das potenzielle Schwachstellen und Risiken aufzeigt. Das Ergebnis erhält man über die Care­App – und damit den individuellen Fahrplan für präventive Gesundheitsmassnahmen. «Es geht um measure, learn, act», sagt Haab, «also messen, lernen und verändern. Wir schauen, wo was verbessert werden kann. Gibt es einen Folsäuremangel, braucht es die passenden Tabletten, machst du zu wenig Sport, gibt es ein Trainingsprogramm.»

Care hilft dabei, mit dem Ergebnis zielgerichtet und eigenverantwortlich umzu­

gehen. Blutwerte können durch Infusionen verbessert werden, Coaching hilft bei Schlafqualität, Ernährung und Sport. Und es gibt die Community, ein wesentlicher Punkt, sagt Haab. Gruppenaktivitäten und Webinare sind fxer Bestandteil. Care versteht sich als Partner, der es seinen Patienten durch Analysen ermöglicht, ihre Gesundheit zu verfolgen und kontinuierlich zu optimieren. «Ich fnde, es ist ein Wahnsinn, erst zum Arzt zu gehen, wenn man schon eine ausgebildete Krankheit wie Diabetes hat», sagt Ion Haab, «und nicht dann, wenn man es noch selbst in der Hand hat, vorzubeugen.»

Das Zauberwort heisst patient empowerment: Menschen sollen durch Wissen und Mitentscheidung mehr Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen. Aktiv und nicht reaktiv sein. care.me

Bullevard INNOVATOR
10 INNOVATOR CARE PREVENTIVE AG SASKIA JUNGNIKL-GOSSY
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ELEKTRISCH. SICHER. SUBARU 4×4.

LEASING

CHF 315.– /Monat

subaru.ch

Leasingbeispiele: Solterra eV AWD Advantage, 218 PS, Stromverbrauch kombiniert: 18,1 kWh/100 km, Energieeffzienz-Kategorie: A, CO2-Emissionen: 0 g/km, CHF 55’900.–, Monatsrate: CHF 315.– (Farbe Black).

Abgebildetes Modell: Solterra eV AWD Classic, 218 PS, Stromverbrauch kombiniert: 18,1 kWh/100 km, Energieeffzienz-Kategorie: A, CO2-Emissionen: 0 g/km, CHF 59’700.–, Monatsrate: CHF 339.– (inkl. MetallicFarbe).

Leasingraten gültig bei einer Leasingdauer von 48 Monaten und 10’000 km pro Jahr. Sonderzahlung: 30 % vom Nettoverkaufspreis. Keine Kaution. Effektiver Jahreszins: 0,90 %. Vollkasko nicht inbegriffen. Eine Kreditvergabe ist verboten, falls sie zur Überschuldung des Konsumenten führt. Bitte beachten Sie die aktuellen Tagessätze auf multilease.ch. Unverbindliche Preisempfehlung netto, inkl. 7,7 % MwSt. Preisänderungen vorbehalten. Immatrikulation bis spätestens 31.12.2023.

DER ERSTE VOLLELEKTRISCHE SUV VON SUBARU.
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Hier landet ein Coup

LUFTFAHRT

Ein Hangar in der Antarktis?

Ein Heli­Stellplatz in der Wüste? Die Firma Fabspace baut Lande plätze überall im Nirgendwo. (Und dann auch wieder ab!)

Fluggeräte kann man nicht in Grosis Schopf parkieren –sie benötigen Platz für ihre Unterbringung, und die wird in Form von Hangars in den Boden betoniert. Der Frei raum in der Luft, in dem man hinfiegen kann, wo man will, spiegelt sich nicht in den Lan demöglichkeiten wider. Sollte man zumindest meinen.

Tatsächlich haben fndige Köpfe des österreichischen

Unternehmens Fabspace Hangars rund um Franz F. Kühberger und Miguel Klein mobile Hangarsysteme entwickelt, die dort aufgebaut werden können, wo es bisher unmöglich schien.

Ein Zelt – nur stabiler Das kann mitten in der Wüste sein, auf einer Wiese in den Bergen oder schlicht einem betonierten Untergrund. Die Grösse spielt hier auch keine Rolle: Vom kleinen Sportfugzeug bis zum 3000 Quadratmeter umfassenden Airbus-A320-Hangar, ist alles möglich. Für den Aufbau erforderlich ist handelsübliches Werkzeug, ein Hubstapler und gegebenenfalls ein kleiner Kran. Fabspace Hangars hat eine Konstruktion entwickelt, die aus einer widerstandsfähigen Hochleistungsmembran, Leichtbau-Stahlträgern und speziellen Formrohren besteht und so auf beinahe jedem Untergrund errichtet werden kann.

Klingt nach einer Art Zelt? Richtig. Das sind die Fabspace Hangars auch ein bisschen – allerdings stabile, die

flugzeugen orientiert.»

Die mobilen Hangars, wie dieser hier für mehrere Flugzeuge, lassen sich rasch aufund wieder abbauen.

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12 INNOVATOR FABSPACEHANGAR.COM PATRICK AULEHLA

Windgeschwindigkeiten bis zu 250 km/h aushalten und denen Hagel, Schneefall und Starkregen nichts anhaben können. Das liegt an der Aussenfäche. «Wegen ihrer kristallförmigen Struktur haben Witterungseinfüsse wenig Angriffsfäche», erklärt Kühberger. «Wir haben uns hier gemeinsam mit unserem Produktdesigner Rainer Mutsch an der Tarnkappentechnik von Militärfugzeugen orientiert.»

Dass die Fabspace Hangars vielseitig einsetzbar sind, hat das Unternehmen mit Hauptsitz im oberösterreichischen

auf unseren Prototyp ‹V_01› aufmerksam geworden», erzählt Kühberger. «Zwei Wochen war unser Hangar in Zeltweg aufgebaut und diente als Präsentationsraum für die Red Bull Stratos­Raumkapsel von Felix Baumgartner.» Ein Meilenstein – aber einer zum Wegräumen.

Ein Blick auf die Welt der mobilen Hangars: fabspacehangar.com

Ein Fabspace-Hangar am Flughafen Stockholm/ Arlanda in Schweden: der Doppelhubschrauberhangar «V_02 Double».

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Stoff der Freiheit

HYGIENE

Gibt es so was wie nachhaltige Periodenunterwäsche? Männliche Wirtschaftsmagnaten tabuisieren diese Frage beharrlich. Doch zwei Frauen rollten gemeinsam einen rasant wachsenden Markt auf.

Fünf Jahre später muss mann sich eingestehen: Dafür gibt es einen Markt. Ooia ist seit dem Start im Jahr 2018 rasant gewachsen, die millionste Unterhose ist verkauft, der Umsatz achtstellig. Und das ohne Investoren, weil kein männlicher Geldgeber in so ein Produkt einsteigen wollte. Davon verstehe man nix.

«Ein Wahnsinn», sagt Zeller, «Männer investieren ja auch in Medizintechnik, ohne Ahnung davon zu haben.»

Ein Aha aus Amerika

INTERESSANT ZU WISSEN

Die erste Periodenunterwäsche wurde in den 1920ern fabriziert, dann aber durch Binden und Tampons verdrängt. Nun lebt der Klassiker gründlich überarbeitet wieder auf.

Es gibt Themen, da werden selbst die Alphamännchen vom Dienst noch immer wortkarg und mürrisch. Und das hat es Kati Ernst und Kristine Zeller, beide 41, nicht leichter gemacht, ihr Start-up Ooia auf den Weg zu bringen. Periodenunterwäsche, sagt Kristine Zeller, kannte 2017 in Deutschland «keine Sau». Es gab ja Tampons und Binden. Und so stiessen die beiden Frauen auf einer Textilmesse in München auf irritierte Gesichter, als sie die Stoffe für ihre Prototypen einkaufen wollten. «Die meisten Händler waren ältere Herren», erinnert sich Zeller, «und die fragten: ‹Was soll das sein? Und gibt’s dafür überhaupt einen Markt?›»

Kati Ernst hatte jahrelang als Unternehmensberaterin bei McKinsey gearbeitet, Kristine Zeller bei Zalando lange Zeit die Einkaufsabteilung für Damenunter wäsche geleitet. Kennen lernten sich die beiden über eine gemeinsame Freundin – und waren sich erst mal gar nicht sympathisch. Über die Jahre reifte ihre Beziehung jedoch zu einer engen Freundschaft und zugleich in beiden auch der Wunsch, freier und fexibler zu arbeiten. Auch gesellschaftlich wollten sie mehr bewegen. In dieses Gefühl platzte dann eine Entdeckung.

Ernst erfuhr bei einem Dinner mit Freundinnen erstmals von «Period Panties» aus den USA, von einer neuen Art Unterwäsche also, die Frauen anstelle von Tampons oder Binden trugen. Die Überraschung war gross. «Der Markt für Periodenprodukte ist seit Jahrzehnten völlig unbeweglich, es gab keinerlei Innovation», sagt Zeller. Die beiden taten sich zusammen. Sie bestellten sich Testprodukte aus den USA und klickten sich durch Foren. Dort berichteten Frauen euphorisch von ihren Erfahrungen.

Periodenunterwäsche von Ooia wird aus Silberchlorid hergestellt. Die Fasern wirken antibakteriell und sind hautverträglich.

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4 14 INNOVATOR JANNIK HANNE JOHANNES MITTERER

Also begannen die beiden mit der Entwicklung. Aus hunderten Stoffproben, die sich auf Zellers Küchentisch stapelten, galt es, den Stoff der Freiheit zu fnden. Das Ziel war, aus drei Lagen Stoff ein saugfähiges, auslaufsicheres und zugleich schnell trocknendes Kleidungsstück zu schaffen, das obendrein aussieht wie normale Unterwäsche. «Wir hatten keine Ahnung, wie aufwendig es ist, ein Funktionstextil zu

Kristine Zeller (li.) und Kati Ernst, beide 41, haben sich in Berlin über eine gemeinsame Freundin kennengelernt. Erst konnten sie einander nicht ausstehen, heute sind sie eng befreundet.

entwickeln», sagt Zeller. Neun Monate brauchte es, die richtige Stof fkombination zu fnden. Die Entdeckung von Merinowolle für die innerste Schicht war schliesslich der Wendepunkt. Diese leitet die Flüssigkeit schnell vom Körper weg, sodass sich die Unterwäsche stets trocken anfühlt. Eine zweite Schicht darüber besteht aus bakterienhemmenden Fasern, die die Flüssigkeit aufsaugen. Aussen schützt eine atmungsaktive Membran vor dem Auslaufen.

Erfolg per Vorkasse

Im Herbst 2018 präsentierten Zeller und Ernst ihre ersten beiden Modelle, Slip und Hipster in Schwarz, auf der Plattform Kickstarter. Schon nach sieben Stunden hatten sie ihr Funding­Ziel von 10 000 Euro erreicht – die Kundinnen fnanzierten damit per Vorkasse die erste Kollektion. «Viele Frauen hatten das Gefühl: Krass, endlich versteht mich mal jemand», sagt Zeller.

Mittlerweile hat Ooia auch Still­BHs und Perioden­Bikinis im Sortiment. Alle Produkte sind wasch­ und wiederverwendbar, sparen damit also allerhand Müll. Und sie werden nach höchsten ökologischen und ethischen Standards in Europa produziert.

Und die Herren der Wirtschaft, die skeptischen, die mürrischen? Die sind jetzt nur noch kleinlaut. ooia.de

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Zeller und Ernst investieren jeden Tag mehrere Stunden, um auf Instagram Einblick in ihre Arbeit zu geben – und Tipps rund ums Gründen, speziell für Frauen.

600 Quadratmeter ist die Solaranlage in der Zielkurve des Red Bull Ring gross.

Selbst gemacht!

FORMEL 1

Die Formel 1 unter Strom: Bis 2030 will die Königsklasse des Motorsports CO²-neutral werden. Einen Erstversuch zur Energie-Autarkie fürs Fahrerlager gab es beim Grand Prix am Red Bull Ring.

Auf den Tribünen feiern die Verstappen-Fans, auf der Strecke fahren zwanzig Hightech-Rennwagen, doch die eigentliche Revolution fndet beinahe unbemerkt auf dem Gelände der Zielkurve statt: Dort, in leichter Hanglage und in direkter Nähe zum Car Park, in welchem der Fuhrpark des Red Bull Ring untergebracht ist, sind massive Solarpaneele montiert – erstmals in der Geschichte der Formel 1.

Satte 600 Quadratmeter sind sie gross, das entspricht

Max Verstappen fuhr beim Grand Prix in Österreich mit seinem RB19 von Oracle Red Bull Racing auf Platz 1.

Der Strom im Fahrerlager wird erst dann aus dem öffentlichen Netz bezogen, wenn der selbst gemachte nicht ausreicht.

Bullevard 16 INNOVATOR GETTY IMAGES, RED BULL CONTENT POOL, ULRICH ZINELL WERNER JESSNER
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in etwa einem durchschnittlichen österreichischen Bauplatz. Armdicke Kabel führen über die Wiese Richtung Fahrerlager und verschwinden hinter massiven Metallzäunen, die das Fahrerlager vom Rest des Red Bull Ring trennen. Dort tauchen sie wieder auf und führen, gemeinsam mit anderen Kabeln, in diverse Container. Hier wird die «geerntete» Energie quasi verwaltet, und es wird sichergestellt, dass man nur dann Strom aus dem Netz bezieht, wenn der selbst erzeugte Strom nicht ausreicht. Diese Kabel kommen von oben herab, aus der Nähe der zweiten Linkskurve. Dort war ursprünglich geplant, ein Mini-Kraftwerk aufzustellen, das mit hydriertem Pfanzenöl betrieben werden sollte,

Künftig plant man, bei allen Rennen lokale Energiegewinnungssysteme mit dem F1Tross mitzuschicken.

zwanzig Rennwagen aus dem Auspuff kommt: Das komplette Fahrerlager ist während eines Rennwochenendes ein Rechenzentrum höchster Güte, an dem nicht nur die zehn Teams mit all ihren Rechnern, Servern und sonstiger Elektronik hängen, sondern auch Organisation, Boxenmauer, Zeitnahme und die TV-Zentrale für alle Broadcaster.

DHL-Trucks mit Bio-Sprit Erster spürbarer Effekt auf dem Red Bull Ring: Das Brummen der Dieselgeneratoren, verbannt in den weniger frequentierten Bereich des Fahrerlagers, war 2023 deutlich weniger penetrant als in den Jahren davor. Ob die angestrebte Reduktion von neunzig Prozent bereits in diesem Jahr realisiert wurde, werden die Daten zeigen, jedenfalls plant man, lokale Energiegewinnungssysteme künftig bei allen Rennen mit dem F1-Tross mitzuschicken –in Trucks, die mit Bio-Treibstoffen fahren. Gerade bei Rennen in heisseren Regionen sollte noch deutlich mehr CO²-freie Energie abgreifbar sein als in der Steiermark letzten Frühsommer. redbullring.com

also im Prinzip mit altem, lokal gesammeltem Speiseöl. Stattdessen wurden diesmal jedoch die «normalen» Generatoren mit eigens aus Holland mitgebrachtem – nachhaltigem – Sprit betrieben.

Gemeinsam, so der Plan, sollten die beiden Quellen den Energiebedarf der F1 während eines Rennwochenendes um neunzig Prozent im Vergleich zum Vorjahr reduzieren. Bei CO²-Neutralität geht es nämlich bei weitem nicht nur darum, was bei

Die Kabel laufen in einem Container-Dorf im hinteren Teil des Fahrerlagers zusammen. Dort sitzt auch die Kontrollzentrale (Bild oben).

TRANSPARENZ

Aus welchen Energiequellen stammt der Strom, der aus Schweizer Steckdosen kommt? Das variiert nach Anbieter und Ort. Hier kann man sich vergewissern: strom.ch/de/service/ stromkennzeichnung

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Das Basismaterial von traceless ist ein Nebenprodukt aus der Getreide verarbeitung, das zu Folien, Formteilen oder Beschichtungen in flüssiger Form (Bild) weiterverar beitet werden kann.

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Plastik aus der Natur

RECYCLING

Die reden keinen Müll, im Gegenteil: Das Start-up traceless minimiert Plastikabfall – dank Verpackungsmaterial, das pflanzenbasiert und kompostierbar ist.

lich für das Business Development, das Start-up traceless in Hamburg gegründet.

Wir sind ein Impact Startup – wir wollen den grösstmöglichen Beitrag zur Lösung der globalen Kunststoffverschmutzung leisten. Und wir werden arbeiten, bis wir das erreicht haben», sagt CEO Anne Lamp, 32. Grosse Worte und alles andere als Müll: Die promovierte Verfahrensingenieurin hat 2020 gemeinsam

«traceless», also spurlos, ist der perfekte Name für dieses Start-up, das Plastik durch ein spurlos verschwindendes Material ersetzen möchte. Anne Lamp erklärt den Ansatz so: «Wir haben ein neuartiges Biomaterial entwickelt, das Kunststoffe in kurzlebigen Produkten ersetzen kann. Unsere plastikfreie Alternative ist vollständig pfanzenbasiert und kompostierbar – und damit klimafreundlich und unschädlich für Mensch und Natur.»

Die Korn-Kraft Innovationen wie diese sind dringend nötig. Pro Minute werden weltweit etwa eine Million Plastikfaschen verkauft, jährlich fallen allein 16 Milliarden Coffee-to-GoCups an. Und pro Jahr werden über 407 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. In unseren Weltmeeren treiben derzeit 100 Millionen Tonnen Plastikmüll, Tendenz: steigend. Das traceless-Material, weiterverarbeitet zu Verpackungen,

18 INNOVATOR
Bullevard TRACELESS ANDREAS WREDE

Die Vision der tracelessGründerinnen Anne Lamp (li.) und Johanna Baare: eine Welt, in der sich der Abfall von selbst auflöst

eine Pilotanlage im niedersächsischen Buchholz. Eine erste grosstechnische Produktionsanlage in Hamburg ist für 2024 in Planung.

Das gute Gewissen isst mit: Besteck, das aus pflanzlichen Rückständen der Agrarindustrie besteht.

will hier künftig einen Anteil an der Abfallreduktion haben. «Das Material», sagt Anne Lamp, «ist umweltfreundlicher in der Herstellung, lässt sich aber ähnlich weiterverarbeiten wie Kunststoffe –zu Folien, Formteilen oder Beschichtungen.»

Welche Rohstoffe werden benutzt? «Nebenprodukte aus der Getreideverarbeitung.»

Genauer bitte! «Wenn aus Getreide Bier oder Speisestärke hergestellt wird, gibt es einen Teil vom Korn, der nicht genutzt wird – den nehmen wir als Ausgangsbasis.»

Mittlerweile hat traceless 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Nationen und betreibt

Produktanwendungen des traceless-Materials werden mit dem Online-Riesen Otto, der Lufthansa oder dem Fashion-Unternehmen C&A erprobt. Das alles kostet Geld. Das kommt etwa von Investoren wie Planet A, dem HighTech Gründerfonds (HTGF) oder dem European Innovation Council. Erst jüngst gab es vom Umweltministerium in Berlin fünf Millionen Euro. Die nächste Etappe? «Bis 2030 wollen wir eine Million Tonnen traceless-Material produzieren», sagt Lamp. Und sie will, dass traceless nachhaltig Spuren hinterlässt. Die sich eben dadurch auszeichnen, dass man sie –nicht sieht.

traceless.eu

Rückführung im Kleinen gelingt übrigens mit Düngwasser: einfach hergestellt, indem man Obstschalen und Gemüsereste klein geschnitten im Topf kocht und das erkaltete Wasser dann über die Pflanzen giesst.

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Das Fashion­Unternehmen C&A nutzt traceless für kompostierbare Kleidungsaufhänger.

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Ein Gürtel hat den Überblick

MOBILITÄT

Alles wissen – ohne es konkret vor Augen zu haben: Der Waibro-Belt bringt sehbeeinträchtigten Menschen mehr Freiheit beim Sport.

Das Schlüsselerlebnis hatte Katerina Sedlackova, als sie ihre sehbeeinträchtigte Schwester Zuzu beim Langlaufen auf die Sportwoche des Österreichischen Behindertensportverbandes begleitete: Als nämlich die Hälfte der Begleitsportlerinnen und -sportler ausfel, war es vielen nicht mehr möglich, aktiv am Sport teilzunehmen. Blinde Menschen oder Menschen mit Sehbeeinträchtigung sind oft auf Hilfe angewiesen, wenn sie Sport betreiben wollen. Das wollte die 30-jährige Sedlackova ändern – und entwickelte den Waibro-Belt.

Sie ist studierte Interaktionsdesignerin, ihr Spezialgebiet sind also Mensch-Maschinen-Schnittstellen. Ihre Arbeit am Belt begann damit, dass sie sich ansah, wie Kommunikation zwischen sehbeeinträchtigten Menschen und ihren Begleitpersonen funktioniert. «Was sage ich der Person, auf die ich achte, wie reagiert sie? Dann hab ich überlegt: Wie kann man

Die Kamera im Gürtel erkennt die weissen Linien der Bahn und hilft dem Laufenden, sich in der Mitte einzuordnen.

das auch ohne einen anderen Menschen kommunizieren? Was muss ein Wearable können, damit es produktiv ist und nicht überfordernd?»

Runter, rauf, Kurve 2017 wurde der erste WaibroBelt ausprobiert – der Name setzt sich übrigens aus dem englischen «Way» (Weg) und «Brother» (synonym für Guide, Begleiter) zusammen, leicht abgewandelt also Waibro. Er wird auf dem Bauch getragen, seine integrierte Kamera flmt den Weg vorne und seitlich und sendet dann bis zu 15 unterschiedliche Vibrationssignale an die Trägerin oder den Träger. So weiss man, ob man sich etwa

in der Mitte der Laufspur befndet, ob eine Kurve oder ein Hindernis vor einem liegt. Momentan ist der Belt auf Laufbahnen ausgelegt, die von weissen Linien gekennzeichnet sind. Aber Sedlackovas Ziel ist, dass der Waibro-Gurt bald in offenem Gelände wie etwa auf Waldwegen eingesetzt werden kann. «Unabhängigkeit ist nicht selbstverständlich», sagt sie, und: «Jeder Mensch verdient einen freien Zugang zum Sport.»

Um das Verständnis für das Leben von Sehbehinderten zu verbessern, gibt es Dunkelrestaurants –Lokale, wo in völliger Dunkelheit gegessen wird. Eines davon: blindekuh.ch

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20 INNOVATOR WAIBRO JULIA SEIDL
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Der neue elek trische

Baumeisterin der Biologie

Zement aus Korallen. Benzin aus Algen. Leder aus Pilzen. Und Mammuts reloaded für ein besseres Klima. Die Wiener Forscherin

Tara Shirvani setzt zur Rettung der Welt nur mal schnell die Natur neu zusammen.

Orangenschalen, Pilze und Pflanzen: «Synthetische Biologie ist wie ein Lego-Baukasten», sagt die Forscherin Tara Shirvani.

TEXT Silvia Jelincic FOTOS Andy Parsons
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Tara Shirvani war aufgeregt. Hastig blickte sie sich um. Am Gang war niemand zu sehen. Die damals Sechsjährige huschte in das Arbeitszimmer ihres Vaters, versteckte sich hinter der Tür und riss überrascht die Augen auf. Da war plötzlich eine andere Welt. Ein von UV-Licht durchfuteter Raum voller Pfanzen in allen Grössen, einige der Töpfe mit blauen Netzen bedeckt. An den sattgrünen Blättern knabberten Käfer, darunter lagen weisse Pappstücke voller schwarzer Punkte. Gerade als sie diese Pappstücke näher anschauen wollte, stürmte ihr Vater ins Zimmer. Er war verärgert, er grollte: «Tara! Diese Käferkacke ist meine Doktorarbeit –nicht angreifen!»

Käfer, ihre Ausscheidungen und eine wissenschaftliche Arbeit? «Mir war das damals peinlich», sagt Shirvani. «Es ist nicht cool, über Kacke zu forschen, das dachte ich mir jedenfalls. Erst Jahre später hab ich verstanden, dass diese Arbeit eine Vorstufe der Synthetischen Biologie war.» Ihr Vater ist Insektenforscher, und damals beschäftigte ihn die Frage, inwieweit Hell- und Dunkelphasen den Stoffwechsel von Käfern beeinfussen. Seine Erkenntnisse sind der modernen Wissenschaft übrigens bis heute nützlich: Wird ein Käfer bei mehr Lichteinstrahlung kräftiger, sehen Forscher die dafür verantwortlichen Veränderungen in den Genen und tunen das Erbgut entsprechend, um neue Käfer zu schaffen, die womöglich resistenter auf den Klimawandel reagieren.

Doch zurück zu Shirvani, die heute 36 Jahre alt ist und seit dreissig Jahren für die Welt der Wissenschaft brennt. Ihr Vater gab ihr damals ein Lichtmikroskop, gemeinsam sahen sie sich winzige Bauteile von Pfanzen und Insekten an, er brachte ihr bei, Abstriche zu machen, Präparate zu färben und Zellen zu identifzieren. Shirvanis spannendes Forscherleben begann früh, und es führt sie zum komplexen Feld der Synthetischen Biologie (SynBio), an die sie ihr Herz verliert. Diese Wissenschaft werde die Welt retten, daran glaubt sie entschieden, und sie für ihre vierjährige Tochter zu einem besseren Ort machen.

TZusammen mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter lebt Shirvani in London, auch wenn sie noch sehr oft in Wien ist. Sie erzieht ihre Tochter so umweltbewusst, wie es ihr Vater damals bei ihr gemacht hat – und sie spielt sehr viel Lego mit ihr. Denn die Synthetische Biologie, beschreibt Shirvani, ist wie ein Lego-Baukasten: Wissenschaftler können die Natur in ihre kleinsten Bauteile zerlegen und verändert wieder zusammensetzen, um Neues zu schaffen. Das ist an sich nichts Neues: Menschen greifen seit über vierzig Jahren gezielt in die DNA lebender Organismen ein. «Doch die Synthetische Biologie geht einen Schritt weiter und will Organismen konstruieren, also neu erfnden», sagt Shirvani.

Vier Jahre lang forschte die Klimaexpertin im Rahmen ihrer Dissertation an der Oxford University am Treibstoff der Zukunft. «Ich habe diese Zeit im Labor, dieses stundenlange Tüfteln geliebt», erzählt sie. «Mich hat fasziniert, wie wir Algen genetisch so verändern können, dass sie zum perfekten Treibstoff werden,

Pappkarton, übersät mit schwarzen Punkten. «Diese Käferkacke ist meine Doktorarbeit», sagte Taras Vater. Damals war sie gerade sechs. Und mit einem Mal ganz sicher, was sie mit ihrem Leben machen wollte.

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Shirvani bereitet alles für die DNAExtraktion aus verschiedenen Quellen vor, um sie dann neu und anders zusammenzubauen.

also möglichst wenig Wasser und Land benötigen und dennoch viel Sprit liefern.» Die Idee: Es geht um Fett. Aus Algen, die besonders viel Fett enthalten, lässt sich noch besserer Treibstoff produzieren. Dafür identifzierte Shirvani unter dem Mikroskop all jene Algengene, die für die Fettproduktion verantwortlich sind, und veränderte ihr Erbgut entsprechend. «Das funktioniert fantastisch», schwärmt sie. Das Prinzip ist dabei bei allen SynBio­Prozessen dasselbe: Bakterien, massgeschneiderte Mikroorganismen mit neuen, nützlichen Eigenschaften, können überall eingesetzt werden, wo Bedarf ist. Sei es, um Biokraftstoffe zu produzieren, Plastikmüll zu verwerten, medizinische Wirkstoffe zu liefern oder dafür zu sorgen, dass biosynthetisches Hühnerfeisch exakt so schmeckt wie herkömmliches.

China investieren bereits hunderte Milliarden Dollar in die SynBio, Europa ist immer noch Schlusslicht. «Wir sollten endlich beginnen, daran zu glauben», so Shirvani.

Damit der Glaube auch endlich durchsickert, forscht Shirvani heute nicht mehr im Labor, sondern hält Vorträge an renommierten Universitäten und berät Investoren und Regierungen beim Einstieg in ÖkoProjekte. Die Begeisterung, die sie für das Thema hat, trägt sie im Gespräch weiter, sie ist extrovertiert und geht offen auf Menschen zu. Shirvani macht Druck, die Chancen der SynBio endlich in die öffentliche Diskussion über den Klimawandel einzubringen. Unter anderem mit ihrem Buch, in dem sie mit diesem Argument lockt: Wer jetzt ein paar Franken in das richtige SynBio­Unternehmen steckt, kann ebenso reich werden wie die allerersten Investoren bei Amazon, Apple oder Microsoft.

«Coming out of my cage and I’ve been doing just fine …»: Tara Shirvani wollte beim Shooting im Clapton Tram Studio in London nur The Killers hören.

WWie aber funktioniert genau das?

«Nehmen wir zum Beispiel Bakterien, die Korallen bilden, und verändern sie genetisch so, dass sie durch dazugewonnene Eigenschaften Zement produzieren», holt Shirvani aus. Der entscheidende Punkt: Bei herkömmlicher Zementherstellung braucht es Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius, bei Produktionsprozessen mit Bakterien benötigt es keine Verbrennung. «Nachdem wir 200 Jahre lang alles verheizt haben, was uns unter die Finger kam, produzieren wir künftig bei Raumtemperatur», sagt Shirvani. Ein Streichholz zünden wir dann nur mehr für ein Kerzenlichtdinner an.

Warum aber machen wir es nicht gleich? Weil Veränderung Mut und Kraft erfordert und natürlich Geld, viel Geld. «Wir müssen unsere gesamte Wirtschaft, unsere gesamte Industrie auf den Kopf stellen, was mit erheblichen Kosten verbunden ist», sagt Shirvani. Die USA und

Vollbeton – aus Bakterien Eines ihrer liebsten Beispiele eines wissenschaftlichen Durchbruchs der Synthetischen Biologie ist etwa jenes, Beton industriell mit Bakterien herzustellen. Derzeit werden weltweit pro Jahr 4,4 Milliarden Tonnen Beton erzeugt, eine günstige und belastbare Mischung aus Zement, Wasser und Sand. Bis 2050 sollen es über 5,5 Milliarden Tonnen sein, weil Bevölkerung und Städte wachsen. Das verursacht acht Prozent der weltweiten CO²­Emissionen. In den USA gibt es bereits Unternehmen, die mithilfe von Bakterien grünen, nachhaltigen Biozement bei Raumtemperaturen ohne CO²­Emissionen herstellen – der wiederum mit Wasser und Sand versetzt zu Beton wird. Sie verwenden dafür Bakterien, die seit Urzeiten Zement herstellen, sie fnden sich etwa in Muscheln, deren Aussenschicht aus Kalziumkarbonat besteht, einem harten Stoff, der in Kalkgestein vorkommt. Damit lassen sich etwa

Die USA und China investieren bereits hunderte Milliarden in Synthetische Biologie, Europa ist immer noch Schlusslicht. «Wir sollten endlich daran glauben», sagt Shirvani.

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Die Designerin Stella McCartney nutzt Bakterien, die Pilze in eine Art Leder ver wandeln. Die so erzeugten Bags «sehen super aus», sagt Shirvani.

«Es mag verrückt klingen, aber Forscher arbeiten daran, die urzeitlichen Wollhaarmammuts wiederzubeleben. Ein wunderbarer Gedanke, dermassen sinnvolles Leben zu schaffen.»

BUCHTIPP: Plastikfresser und Turbobäume: Wie wir das Klima retten, den Müll aus dem Meer holen und den ganzen Rest auch noch glänzend hinbekommen, edition a, 208 S., CHF 37.90

Wände bauen, und auftretende Risse werden wie durch Zauberhand selbst repariert. Und es gibt noch viel mehr: «Ich liebe Ledertaschen», sagt sie. Allerdings müsse es kein «echtes» Leder sein. Bei der Suche nach umweltfreundlichen Materialien entdeckten Forscher Pilze und ihre Wurzeln. Bakterien können die Pilze in eine Art Leder verwandeln, das strapazierfähig und perfekt recycelbar ist. Das Modehaus Hermès verwendet dieses Leder der Zukunft bereits, Stella McCartney, Adidas und Mercedes ebenfalls. «Die Taschen sehen super aus», fndet Shirvani, «und Veränderung ist in dem Bereich besonders wichtig.» Die globale Modebranche stösst pro Jahr etwa so viele Treibhausgase aus wie die gesamte Wirtschaft Frankreichs, Deutschlands und des Vereinigten Königreichs zusammen. Sechzig Prozent aller Textilfasern, darunter Polyester, Nylon und Acryl, werden aus fossilen Brennstoffen gewonnen, für unser Klima eine Katastrophe.

Oh Turbobaum, oh Turbobaum …

«In der gesamten Tier­ und Pfanzenwelt könnte eine Revolution anstehen, wenn wir sie nur zuliessen», sagt Shirvani und kommt zu ihrem Lieblingsbeispiel, den sogenannten Turbobäumen: Aktuellen Studien zufolge bleiben sieben Jahre Zeit, um den überschüssigen Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen und die globale Erwärmung zu begrenzen. Das naheliegende natürliche Mittel dafür sind Bäume, doch unsere Wälder sind der Aufgabe nicht gewachsen. Die Synthetische Biologie will deshalb die Photosynthese der Bäume effzienter gestalten. «Amerikanische Forscher haben mithilfe von Bakterien Gene aus Kürbissen und Grünalgen in Hybrid­Pappeln eingepfanzt. Das Ergebnis waren Bäume, die um die Hälfte höher werden als durchschnittliche Bäume und um dreissig Prozent mehr CO² speichern», erklärt Shirvani.

Und dann ist da noch die Möglichkeit, Plastik verschwinden zu lassen: Täglich gelangen acht Millionen Plastikteile in die Ozeane, 80 Prozent des Meeresmülls besteht aus Plastik. Das sind bis zu 269 000 Tonnen – und noch schlimmer die Bilanz: 100 000 Meeressäuger und Schildkröten und eine Million Seevögel sterben jedes Jahr durch die Verschmutzung der Meere mit Plastik. «Die SynBio hat Mikroben entwickelt, die Kunststoff fressen», sagt Shirvani. Technisch gesprochen bauen diese die Polymerketten, aus denen Plastik besteht, ab und lassen dessen ursprüngliche Bausteine, die Monomere, übrig. Die Monomere lassen sich zu neuwertigen Kunststoffen zusammensetzen. Theoretisch liesse sich eine auf diese Weise hergestellte Flasche unbegrenzt recyceln.

ZZum Schluss spricht Shirvani noch über das Mammutprojekt: «Es mag verrückt klingen, aber Forscher arbeiten daran, die urzeitlichen Wollhaarmammuts wiederzubeleben.» Diese Tiere prägten früher das Erscheinungsbild der Tundra. Sie grasten die Landschaft ab, wodurch der Boden stärker abkühlte und mehr Kohlenstoff und Methan speicherte. Gelingt es Forschern nun, die Gene von asiatischen Elefanten, die jenen des Wollhaarmammuts ähnlich sind, dahingehend zu verändern, dass diese Tiere kälteresistenter werden, würde damit eine Gattung entstehen, die, ebenso wie einst die Wollhaarmammuts, das Klimaproblem auf natürliche Art lösen. Das erste neue Mammut soll bereits 2027 zur Welt kommen. «Ein wunderbarer Gedanke, dermassen sinnvolles neues Leben zu schaffen», sagt Shirvani. Und er ist real.

Inspiration

Mehr über Synthetische Biologie als Revolution

aller Lebensbereiche gibt es auf: tarashirvani.com

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Mat Rebeaud im Gotthard-Windpark: Mit seinem E-Motocross-Bike kann er neue Terrains erkunden.
Motorsport

Stiller Revoluzzer

Motocross-Legende

Mat Rebeaud hat seinen Sport elektrisiert. Und wie! Er hebt ab, gibt Vollgas –und rundum zwitschern die Vögel. Willkommen in der verkehrsberuhigten Zone.

TEXT Anna Mayumi Kerber FOTOS Dean Treml
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Mat vor dem Training auf seinem Track in Waadt. Der benachbarte Bauer freut sich über null Lärm.

Vogelgezwitscher – und auch Mat Rebeaud fiegt. Mit seinem Motorrad. Gut vier Sekunden ist er in der Luft. Und nach der Landung ist keine dröhnende Maschine zu hören, nur ein leises Surren. Mat ist eine Ikone des internationalen Freestyle-Motocross (FMX). 2003 landete er seinen ersten Backfip, seither hat der Westschweizer so ziemlich alle Titel gewonnen, die es im FMX-Sport zu holen gibt – darunter auch Red Bull X-Fighters, Night of the Jumps und sieben Medaillen bei den X Games. Heute ist er E-Motocrosser und gilt als Visionär in der Szene.

Als Mat vor vier Jahren ein Video mit seinem ersten E-Bike postete, erhielt er hauptsächlich Hasskommentare. Benzingeruch und Lärm gehörten zu dem Sport, so der raue Ton. Mat nahm es gelassen. «Natürlich liebe ich den Sound und den Geruch, weil ich viele schöne Erinnerungen damit verbinde. Aber mit E-Bikes ist es so viel einfacher, so viel cooler. Ich kann fahren, wann und wo ich will, störe niemanden.» Für Mat eröffnen E-Bikes ganz einfach neue Welten.

Die Piste ist überall

Mit seinen E-FMX-Bikes kann er Stunts dort vollführen, wo es sonst keiner darf. Etwa im Schnee von Laax, wo sonst nur Fortbewegungsmittel wie Ski und Snowboards erlaubt sind. Dort fog er über die Pisten wie auch über die Innentreppen des Luzerner Verkehrshauses – allein im Museum, ein Kindertraum. Heute kann er seine Stunts an Staudämmen ausführen oder im Windpark am Gotthardpass.

«Es ist aufregend, auf diese Weise neue Terrains zu erkunden», sagt Rebeaud. Vorgefertigte Rampen und Dirt Tracks sind eine Sache, Natur eine völlig andere. Und für die Zukunft des Motocross sieht er – grün.

VAn dem ersten Event sei das alles noch ungewohnt gewesen. «Das EBike hat keine Motorvibrationen. Die einzigen Vibrationen, die du spürst, bekommst du von der Strecke.» Am Anfang sei es schwierig gewesen, es fehlte ihm die Information aus dem Motor. «Ich hörte nur die Motoren anderer, von meiner Maschine fehlte mir die auditive Info.» Mittlerweile habe er sich neu orientiert, sein Gehör sei sensibler geworden. Nun hört er etwa, ob die Kette richtig geölt ist oder nicht, Dinge, die sonst im Motorenlärm untergehen, nicht im Detail wahrgenommen werden können.

Unangenehm sind inzwischen eigentlich nur noch Kleinigkeiten: Fluchen beispielsweise lasse es sich nicht mehr ganz so ungeniert wie zuvor. «Merde!» geht nicht mehr im knatternden Motorengeräusch unter.

Waaas? Motocross ganz ohne Benzingeruch und Lärm?

Langsam, aber sicher verfliegt der Zorn der Puristen.

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Mit seinem E-FMX-Bike darf Mat fahren, wo andere nicht dürfen – wie etwa am Staudamm am Gotthardpass.

Es ist jetzt umgekehrt: Seine momentane Emotion übertönt das leise Summen.

Seit zwei Jahren arbeitet Mat an der Entwicklung eines neuen Motorrads für die Firma Stark: die Stark VARG, eine ästhetisch höchst ansprechende Maschine mit 80 PS und 118 Kilogramm, etwa zehn Kilogramm schwerer als herkömmliche Motor räder derselben Klasse. «Man spart sich allerdings sieben, acht Liter Benzin und damit Gewicht», sagt Mat. Mit der E­Maschine lassen sich 45­Minuten­Rennen bei einer Maximalgeschwindigkeit von 142 km/h fahren oder sechs Stunden in leichtem Gelände. Schub und Beschleunigung seien anders, sagt Mat, aber daran habe er sich gewöhnt.

Früher griff der Vater zum Werkzeug, sobald es Probleme gab. Heute macht das der Computer – von Barcelona aus.

WWas Wettbewerbe angeht, bewegen sich E­Bikes noch in einem Graubereich. Herkömmliche Kategorien basieren auf Grössen von Motoren oder Zylinderzahlen, die auf E­Bikes nicht anwendbar sind. Seine Stark entspreche in etwa einer 450­Kubikzentimeter­Maschine. «Wir befnden uns in einem Wandel», sagt Mat. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis es auch eigene Bewerbe geben werde. Bis dahin geniesse er das Alleinstellungsmerkmal, das er sich mit dem Umstieg geschaffen habe.

Der Vater des Erfolgs

Vater Antoine Rebeaud wartet bereits am Trainings­Track nahe Payerne, Mats Geburtsort. Er prüft Reifen und Kette der Stark­Maschine, zieht ein paar Schrauben am Getriebe an. Antoine begleitet Mat seit dessen Anfängen im Motorradsport, war auf so gut wie jedem Wettbewerb und Event und schaute dabei immer dazu, dass die Technik stimmt: «Wenn ich das Bike vorbereite, weiss Mat, dass alles passt.» Viele Worte braucht es dazu nicht, der gegenseitige Respekt ist selbst für Aussenstehende offensichtlich. Mit der Umstellung auf E­Bikes wird Antoine weniger gebraucht;

Mat zieht in der Werkstatt, die an sein Haus angrenzt, Schrauben am Fahrwerk seiner Stark VARG an.

Foto von Mats Grossvater Fredy auf einer DKW von 1953. Die Faszination für Zweiräder liegt bei den Rebeauds in der Familie.

wenn es Probleme gibt, wird viel via Chip und Computer ganz direkt aus Barcelona gelöst, wo das Headquarter von Stark ist. Ob Antoine das stört? «Nein!», lacht er. Er fnde es aufregend, lerne ständig Neues. Aufgrund der neuen Technologien wüssten sie etwa, wie lange Mat bei seinen Stunts in der Luft ist, wie schnell er in die Kurven geht. Und Antoine weiss, wovon er spricht.

Der Grundstein für Mats Erfolg wurde über Generationen gelegt: Fredy, der Grossvater, fuhr erfolg­

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Das Haus von Mat und seiner Familie in Grangettes, Kanton Freiburg Der Solarstrom versorgt Haus, Auto und E-Bikes.

Grossvater Fredy hatte sein Motorrad und einen Helm. Enkel Mat hat eine Garage voller Helme. Und jeder Menge Technik.

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Mat in seiner Garage in Grangettes – ein kleines Kraftwerk, soeben wird die Stark VARG aufgeladen.

reich Rennen auf nationaler Ebene, mit einer DKW. Vater Antoine fuhr Rennen auf einer Zweitakter-Montesa. Viel habe sich seither verändert, sagt Antoine – nicht nur der Lärm, der nun ausbleibt. Sein eigener Vater habe über seine Motorrad-Karriere hinweg einen einzigen Helm gehabt, erzählt Antoine, er selber zwei, das war’s. In Mats Garage sieht es ganz anders aus.

DDutzende Helme sind hier abgelegt und mehr als ein Dutzend Motorräder und Fahrräder aufgereiht. In der integrierten Werkstatt gibt es eine Wand voll mit Schraubenziehern, -schlüsseln und Hämmern. Und mittendrin die Ladestation für den Star der Garage: die Stark VARG. Das Knattern? Nein, das vermisse er nicht, sagt Mat. Sein älterer Sohn ist da radikaler. Der Fünfjährige kann das laute Motorengeräusch von Papis alten Bikes nicht ausstehen. Er und sein dreiähriger Bruder sind bereits beide auf E-Bikes unterwegs. Sie springen über Rampen, die sie in der Wiese des Hinterhofs aufgestellt haben. Und was hören wir währenddessen? Kuhglocken.

Denn auf dem angrenzenden Hang weiden die Kälber von Mats Schwieger vater. Es ist ein bäuerliches Idyll in der Romandie. Das Familien-

Alpenidyll neu: Die Kids fahren Motorrad. Und ein paar Meter weiter grasen friedlich die Kühe.

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Beim Training auf dem Track in Granges-prèsMarnand in Waadt präsentiert Mat den Backflip.

Auch ohne Lärm sorgt Mat für Aufsehen, wenn er auf dem Track in Granges-près-Marnand durch die Kurven driftet.

kürzel RMF (für Rebeaud, Mat und Floriane) ziert Gatter, Hausfassade und – als Tattoo – die Oberarme von Mat und seiner Frau Floriane und bezeugt den starken Zusammenhalt. Wer weiss, sagt Mat, vielleicht werden ihn die Enkelkinder einmal fragen, wie das damals war. Damals, als Motorräder noch Benzin brauchten. Mat freut sich darauf. «Dann sage ich: ‹Damals waren Bikes laut. Und Menschen regten sich auf, als es mit E-Bikes losging.› Das wird lustig.»

Das Anwesen hat die Familie Rebeaud von Florianes Grosi übernommen und aufwendig renoviert. Der Strom von Solarpaneelen reicht aus, um das ehemalige Bauernhaus zu versorgen. Müssen die Bikes und das E-Auto ganz aufgeladen werden, reichen die zehn Kilowatt nicht aus, und es braucht noch zusätzlichen Strom aus der Steckdose. Minimal extra, winkt Mat ab. Die Rebeauds sind weitgehend Selbstversorger.

Das Killer-Argument

«So viele Leute schreiben mich an und fragen: ‹Ich fnde das so cool, was du machst – wie kann ich selbst mit dem Motocross beginnen?› Ich antworte dann: ‹Okay. Du kaufst ein Bike, dann einen Van, fährst drei Stunden zu einem Trainings-Track.›»

Motocross mitten in der Stadt?

Eine Revolution, an die Elektro-Mat ganz fest glaubt.

Doch an Sonntagen sind MotocrossTracks in der Schweiz geschlossen – wegen Lärmbelästigung. Damit fällt jener Tag weg, an dem die meisten Zeit für den Sport hätten. Und überhaupt sei der grosse Zeitaufwand für viele ein Killer-Argument. E-Bikes hingegen könnten den Sport retten, sagt Mat. «Ich bin mir sicher, dass sie neue Menschen in den Sport bringen, die sonst nie Motocross fahren würden.» Man stelle sich vor: ein Motocross-Track in Stadtnähe oder gar mitten in der Stadt? «Das wäre eine echte Revolution!», sagt Mat Rebeaud. Eine mit Vogelgezwitscher.

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Wer weiter denkt, ist näher dran

Weltretter ganz persönlich.

Joel macht aus Pilzen Müllschlucker, Gibson Felder aus Sand.

Und Bettina fand das Volk, das nur im Heute lebt ...

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Weisheit der Wüste Bettina

Ludwig

Die österreichische Anthropologin hat in der Kalahari geforscht. Davon sollen Firmen profitieren. Und ihre zweijährige Tochter.

D ie Wolke sah aus wie eine schwangere Frau, die am Boden liegt. Das Bild war so deutlich, dass alle es sahen. Alle, die in der kleinen Gruppe durch die Trockensavanne Kalahari in Namibia wanderten. Einer der Spurenleser sagte: «Seht, das bedeutet, dass in der Nachbargemeinschaft bald ein Kind geboren wird.» Bettina Ludwig dachte: «Was für ein weiser Mann, welche Verbindung zur Natur!» Der Spurenleser merkte

Warum tut der Mensch eigentlich, was er tut? Diese Frage stellt sich Bettina Ludwig. Die Kultur- und Sozialanthropologin ist Keynote-Speakerin, Unternehmerin und freie Wissenschaftlerin.

das, lachte sie aus und sagte: «Bist du verrückt? Warum soll ich wegen einer Wolke wissen, wann in der Nachbargemeinschaft jemand schwanger wird?»

Bettina ist freischaffende Anthropologin. Die Österreicherin erzählt diese Episode, weil sie klarmachen will: «Wir sind nicht davor gefeit, diese Welten zu romantisieren, diese Naturverbundenheit, die zwar da ist, die man aber auch nüchtern betrachten muss.» Seit 2017 hat die heute 33­Jährige viele Monate in der Kalahari verbracht und die Ju/’hoansi studiert: eine Jäger­und­Sammler­Gemeinschaft, die ohne Besitz auskommt, keine Grammatik für die ferne Vergangenheit oder die Zukunft kennt und nur bis fünf zählt. Alles, wovon es mehr als fünf Stück gibt, heisst einfach «viel».

Ohne Boden, mit Flügeln «Ich habe Menschen getroffen, die genetisch gleich sind wie ich, jedoch komplett anders leben. Das hat mir den Boden unter den Füssen weggerissen. Wenn du keinen Boden mehr hast, wachsen dir Flügel, die dich weitertragen», sagt Bettina. In ihrem Fall zur Gründung des «Zukunfts.Symposiums», der Veröffentlichung des Buchs «Unserer Zukunft auf der Spur», in dem sie ihre Erfahrungen aus der Kalahari festgehalten hat, und zu zahlreichen Auftritten als Keynote­Speakerin. Ihre Message an die hiesige Wirtschaft: Es gibt andere Organisationsformen als unsere westlichen. Wir müssen sie nicht übernehmen, aber sie können uns inspirieren. Auch ihr eigenes Leben hat Bettina seit der Zeit mit den Ju/’hoansi neu justiert. Sie hat sich von Dingen getrennt, die sie nicht unbedingt braucht. Und sie will ihrer Tochter jenes Vertrauen schenken, das die Kinder in der Kalahari geniessen: Mit fünf Jahren können sie Feuer machen, Essen fnden und einen Unterschlupf bauen. Schon bald reist Bettina wieder in die Kalahari. Zum ersten Mal nimmt sie ihre zweijährige Tochter mit. Sie werden mit anderen Familien an der Feuerstelle sitzen und unter freiem Himmel schlafen.

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CHRISTINA BAIREDER SAMUEL WALDIS

Perlen aus Stein und Eis Bernd Zangerl

Die aus Tirol stammende Boulder-Legende baut im indischen Dorf Rakchham nachhaltigen Tourismus auf.

päer vom US-Magazin »Climbing» zum Boulderer des Jahres gekürt. Auch mit Mitte vierzig klettert er höchste Schwierigkeitsgrade – obwohl er sich 2015 bei einem Unfall einen Halswirbel brach und ihm die Ärzte rieten, mit dem Klettern aufzuhören. Bernd suchte alternative Methoden und fand einen Heiler, meditierte, praktizierte Yoga, erweiterte seinen Horizont. Und genau mit dieser Eigenschaft wirkt Bernd auch im indischen Rakchham –mit der Fähigkeit, neue Wege zu suchen und zu fnden.

bildung zum Bergführer ermöglicht. Sie zeigen den Touristen das Gebiet.

Die Nacht bricht herein, als Bernd Zangerl in das indische Sangla-Tal vordringt. Noch immer hat er keine Felsen gefunden, an denen er klettern könnte. Also fährt er weiter, bis er irgendwann in ein Dorf kommt. 30 Zentimeter Schnee bedecken den Boden, und Bernd ruft in die Kälte: «Shelter, shelter!» Ein Licht geht an, ein Fenster öffnet sich, und eine Frau fragt, was er wolle. Etwas zu essen und eine Unterkunft, antwortet Bernd. So wurde der Öster reicher 2010 zum ersten westlichen

Touristen des 600-Seelen-Dorfs

Rakchham in der Nähe an der Grenze zu Tibet.

Dreizehn Jahre später sitzt der mittlerweile 44-Jährige im St. Galler Rheintal und schreibt an einem Guide, in dem er das Gebiet rund um Rakchham für Kletter-Touristen beschreibt: die Boulder, also Felsen, an denen man ohne Seil auf Absprunghöhe klettern kann, Routen, Schwierigkeitsgrade und Benimmregeln. »Die Boulder musst du hier nicht suchen», sagt Bernd, »du musst dir nur die Perlen herauspicken.» Jahrelang hat er dieses Geheimnis mit seinen besten Freunden geteilt. Jetzt teilt er es mit der Welt.

Erweiterter Horizont

Der Tiroler gilt als eine BoulderLegende. An die tausend Erstbegehungen gehen auf sein Konto, 2003 wurde er als erster Euro-

Die Menschen hier nennen ihn «Mister Bernhard», weil niemand seinen richtigen Namen aussprechen kann. Bernd kennt sie alle: den Dorfältesten, die Lehrer, die politisch engagierten Menschen. Das ist der Schlüssel – alle einzubinden, damit sein Projekt des nachhaltigen Tourismus funktionieren kann. Er hat einen Kletterklub gegründet. Er hat Einheimische zum Klubobmann gemacht, zum Schriftführer. Und er hat jungen Menschen die Aus-

2022 kamen 15 Kletterer, 2023 werden es zirka 25 sein. «Das Dorf muss in Zukunft selbst entscheiden, wie viele Gäste genug sind», stellt Bernd klar. «Ich hoffe, dass ich den Nachhaltigkeitsgedanken sicher verankert habe.» Inzwischen bieten neben einem Hotel auch Einheimische ihre Betten an. Es gibt nicht gleich hunderte davon. Aber «Shelter, shelter!» muss niemand mehr rufen, wenn er im Dorf ankommt.

Auf das Konto der 44-jährigen BoulderIkone Zangerl, hier im Himalaya-Gebirge, gehen an die tausend Erstbesteigungen.

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Pilz 943 hat immer Hunger

Rüthi

Der Schweizer Mikrobiologe hat in den Alpen Pilzkulturen entdeckt, die das Plastikrecycling revolutionieren könnten.

Joel Rüthi kauert auf dem Engadiner Schafberg am Boden und klopft mit einem Hammer einen Meissel in die Erde. Beide Werkzeuge hat der 30-jährige Mikrobiologe zuvor sorgfältig sterilisiert. Denn das, was er hier oben auf über 2000 Metern über dem Meeresspiegel sucht, will er nicht verunreinigen. Die gelockerte Erde schaufelt Joel in eine Plastiktüte. Dann packt er die Bodenprobe in eine schwarze Styroporbox und steigt hinab ins Tal – in der Hoffnung, etwas gefunden zu haben, das das Plastikrecycling revolutionieren könnte. Die Zeit der Corona-Pandemie verbrachte Joel entweder auf dem Schafberg oder im Labor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Inzwischen weiss er, dass

Rüthi ist als Gastwissenschaftler an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) in Zürich tätig.

es gut investierte Zeit war: Joel hat einen Pilz der Gattung Nadelholz-Haarbecherchen entdeckt, der biologisch abbaubares Plastik wortwörtlich frisst. Etwa Mulchfolie, mit der Erdbeerfelder abgedeckt werden, oder diese Tütchen, in die wir unsere grünen Küchenabfälle packen.

Bioabbaubares Plastik verrottet – wie die Bezeichnung schon sagt – auch natürlich. Das Neue an Joels Entdeckung ist: Die Enzyme seines Pilzes bauen dieses Plastik bereits bei Temperaturen von rund 15 Grad Celsius ab. Die meisten anderen Enzyme brauchen für denselben Vorgang rund 50 Grad. Mit seinem Pilz könnte man also Plastik recyceln – ohne Energiezufuhr in Form von Wärme. Deshalb hat Joel auf dem Schafberg gesucht. Seine These: Wenn er hier oben Mikroorganismen fndet, die bei tiefen Temperaturen gedeihen, produzieren diese auch Enzyme, die bei tiefen Temperaturen aktiv sind.

Der Langzeitcheck

Um diese Mikroorganismen zu fnden, mischt er Plastik unter die Bodenproben. Nach mehreren Wochen putzt er das Plastik und isoliert die Mikroben, die sich auf der Oberfäche des Plastiks angesiedelt haben. Diese Mikroben gibt er zu vier mal vier Zentimeter grossen Plastikstücken, die er zuvor mit einer bis auf 0,1 Milligramm genauen Waage gewogen hat. Wenn deren Gewicht nach mehreren Wochen niedriger ist, hat ein Enzym Plastik abgebaut. Seit 2020 hat Joel auf diese Weise über 1400 Pilze und Bakterien isoliert. Pilz Nummer 943 ist bisher sein Champion: Er hat in 60 Tagen rund 40 Prozent des Plastiks in Einzelteile aufgelöst und diese in seine Zellen aufgenommen – sprich: gefressen.

Natürlich: Um Joels Entdeckung in eine biologische Kreislaufwirtschaft zu integrieren, müsste das isolierte Enzym in grossen Mengen hergestellt werden – dann jedoch könnten seine hungrigen Pilze eine kleine Revolution im Plastikrecycling anzetteln.

Joel
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INNOVATOR 43 RAY DEMSKI/RED BULL CONTENT POOL, COURTESY OF JOEL RÜTHI SAMUEL WALDIS
Sein Schwamm saugt alles auf: Er löst Plastik in kleine Teilchen auf und schluckt sie.

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Bio-Doping für den Boden Gibson Nyanhongo

Mit einem zufriedenen Lächeln geht Gibson Nyanhongo durch die Räume des Start-ups Agrobiogel – hier entsteht, was ihm seit langem vorschwebt. Die Idee: Pfanzen besser mit Wasser zu versorgen, indem es im Boden mittels Gel gespeichert wird. Die Form: ein in den Boden ausgebrachtes Granulat, das in Kontakt mit Wasser zu Gel wird und so Wasser länger speichern kann. Nyanhongo stammt aus Simbabwe. Eigentlich forschte er im Medizinbereich an Hydrogelen für die Wundheilung. Bis ihm die Idee kam, das Hydrogel auch im Agrarbereich als Wasserspeicher zu nutzen. Seine patentierten Forschungsergebnisse aus der Zeit an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien sollen nun kommerziell nutzbar gemacht werden. Am Standort Tulln arbeitet man derzeit an einer semiindustriellen Pilotanlage. Der nächste Schritt: eine erste industrielle Produktionsstätte, mit der ausreichend Material produziert werden kann, um eine Vermarktung in der Landwirtschaft zu ermöglichen.

Und der Bedarf ist gross: Über zunehmende Temperaturen und sinkende Grundwasserspiegel sorgen sich nicht nur Landwirte in subtropischen Regionen, mittlerweile gleichen auch Äcker in Frankreich und Deutschland mangels Nieder-

Gibson S. Nyanhongo ist Biotechnologe, er verbindet also Erkenntnisse und Methoden aus Biologie und Technik. In seinem Brotberuf leitet er die Forschungsgruppe Biomaterialtechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien.

schlags zeitweise eher einer Wüstenlandschaft.

Neu ist die Idee des Agrobiogels nicht. Auch andere Hydrogele können Wasser im Boden speichern, bevor es versickert. Ihr Nachteil: All diese Gele enthalten Polymere aus fossilen Rohstoffen – also Plastik. Um kein Mikroplastik in den Boden einzubringen, forschte Nyanhongo an der BOKU zum Einsatz von Lignin (Feststoffe aus pfanzlichen Zellwänden) als natürlichem Rohstoff für die Erzeugung von Hydrogelen. Dank eines speziellen Produktionsprozesses kann dieser Rohstoff in ein wasserspeicherndes Granulat umgewandelt werden. Das Agrobiogel ist damit der einzige komplett biobasierte Bodenhilfsstoff. Es kann seine Wirkung bis zu fünf Jahre lang entfalten, ein Gramm Granulat nimmt bis zu 15 Gramm Wasser auf.

Wurzeln des Wachstums

Die bisherige Anwendung zeigt, dass Pfanzen stärkere Wurzeln bilden und Wasser sowie Nährstoffe leichter aufnehmen können, sogar auf sandigen oder losen Böden – etwa in Wüstengebieten. So kann Dürren entgegengewirkt und der Einsatz von Dünger reduziert werden. Irgendwann, so der Traum von Gibson Nyanhongo, könnten auch in Afrika erste Produktionsstätten eröffnet werden. Vorerst soll die Produktionskette für das Agrobiogel aber in Europa weiterentwickelt werden. Dafür erhielt Nyanhongo eine Förderung des EU-Forschungsprogramms Horizon Europe von 3,4 Millionen Euro.

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Ein Start-up aus Tulln entwickelt ein komplett natürliches Gel, das vertrocknete Erde wieder fruchtbar macht.
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Fruchtbare Wüste: Noch ist das zwar ein Traum – aber ein sehr, sehr realistischer.

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Ein Klo macht Kohle Mona Mijthab

Eine neuartige Trockentoilette löst eines der grössten Sanitärprobleme der Welt – und sorgt ganz nebenbei für hochwertigen Dünger.

Die Pyrolysemaschine (für die Zersetzung organischer Verbindungen) ist etwa einen Meter hoch, zylinderförmig und aus Metall. Lokale Schweisser haben sie zusammengebaut, hier am Lago de Atitlán in Guatemala, umgeben von dichten Wäldern. Bis diese Maschine jedoch zum ersten Mal Pfanzenkohle ausspuckte, sind einige Jahre vergangen. Jahre, in denen Mona Mijthab Slums besuchte, eine revolutionäre Trockentoilette baute und einen Weg gefunden hat, allzu menschliche Überreste so aufzubereiten, dass sie als Input für die Maschine taugen. Die Maschine steht am Ende eines

Mona Mijthab ist in Deutschland geboren, ihre Trockentoilette entwickelte sie in Zürich. Heute lebt sie als Sozialunternehmerin in Guatemala und der Schweiz. Sie ist Designerin mit Fokus auf soziale Innovation sowie Dozentin und Forscherin an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).

Prozesses, an dessen Anfang ein globales Problem steht: Laut UNICEF haben 3,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu ver nünftigen sanitären Anlagen. Das ist fast jeder zweite Mensch. Mona Mijthab ist 35 und pendelt als erfolgreiche Sozialunternehmerin zwischen der Schweiz und Guatemala. Als Industriedesign-Studentin reiste sie 2017 nach Bangladesch und sah, wie katastrophal die sanitären Anlagen dort sind. Zurück in Zürich, gründete sie die Firma Mosan (eine Kurzform für Mobile Sanitation) und entwickelte eine völlig neue Art von Trockentoilette. Inzwischen hat Mijthab damit diverse Innovationspreise gewonnen und trat am Red Bull Basement als Keynote-Speakerin auf.

Geschäftsmodell Dünger

Neu an dieser Toilette ist, dass sie im Haushalt verwendet werden kann und dabei erschwinglich, transportabel und leicht zu reinigen ist, wenig aufwendig in der Instandhaltung und vor Ort zu produzieren. Das Klo trennt feste und füssige Überbleibsel, es braucht weder Strom noch Wasser. Damit funktioniert es auch in Gegenden, wo Ressourcen knapp und fehlende Toiletten ein grosses Hygiene- und Gesundheitsproblem sind. Mijthab hat die Toilette in indigenen Dorfgemeinden in Guatemala eingeführt. Hier fossen bislang achtzig Prozent der Abwässer ungeklärt in Seen, «wo Frauen Kleidung waschen, Kinder am Ufer spielen und Männer Fische fangen», sagt Mijthab.

Die Toilette steht nun Haushalten, die an Mijthabs Programm teilnehmen, gratis zur Verfügung, Mijthabs Team holt die vollen Behälter alle zwei Tage ab. Für den Abholservice bezahlen die Familien vier Dollar pro Monat. Daran verdient Mona nichts. Aber sie denkt durchaus wirtschaftlich weiter: Denn die Pfanzenkohle, die sie dank lokal produzierter Pyrolysemaschinen aus dem Toiletteninhalt produziert, will sie zu Marktpreisen verkaufen. Aktuell entwickelt sie Toiletten für Schulen und öffentliche Plätze.

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INNOVATOR 45 AGROBIOGEL GMBH/MARTIN LIFKA PHOTOGRAPHY, MOSAN 2018 PHILLIP LANDAUER, SAMUEL WALDIS

GAMING NEU DEFINIERT

Opel engagiert sich seit 2021 leidenschaftlich in der aufregenden Welt der Gamer:innen, um Vorurteile gegenüber ihnen auszuräumen und die Gaming-Community zu unterstützen und zu stärken. Als zuverlässiger Partner der Branche ist Opel stolz darauf, die «TCS eSports League with Opel» zu sponsern und packende Events zu veranstalten.

Pilgerorte der Gamingszene

BEWEISE DEIN KÖNNEN!

HeroFest | Bern herofest.ch

Fantasy Basel | Basel fantasybasel.ch

Opel begeistert auch im realen Leben und lädt dazu ein, sie auf den Schweizer Gaming-Messen Polymanga, Fantasy Basel, Game Soul und HeroFest zu besuchen. Dort ist Opel aktiv dabei, um gemeinsam mit den Gamer:innen eine starke Community aufzubauen. Die Messen bieten spannende Formate wie Rocket League- und Fortnite-Turniere, bei denen Begeisterte die Möglichkeit haben, gegen ihre E-SportIdole wie Noah «Noahreyli» Rey und Alessandro «Squixxl» Laumanns anzutreten.

Hier kannst du noch mehr erleben: tcs-esports-league.ch

13.– 15. 10. 2023 9.– 11. 5. 2024

Ein besonderes Highlight sind die Finalspiele der «TCS eSports League with Opel» auf der grössten LAN-Party der Schweiz, der «SwitzerLAN», die von 12. bis 15. Oktober 2023 in den Hallen der BERNEXPO stattfindet und 2000 Gaming-Fans anlockt – darunter auch internationale Schweizer E-Sport-Stars wie Vorjahressieger Noahreyli. Insgesamt winken den Teilnehmern 26 000 Franken als Preisgeld.

Eine Community, eine Leidenschaft

Opel ist stolz darauf, Teil dieser spannenden Reise zu sein, und freut sich darauf, dich in diesem Kreis willkommen zu heissen. Werde auch du Teil der Community, indem du Opel auf Social Media folgst, an fesselnden Turnieren teilnimmst, dein Können unter Beweis stellst und dich mit anderen Gleichgesinnten verbindest, die genauso begeistert sind wie du.

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Destan «Destany» Huynh, Athlet beim erfolgreichsten Schweizer E-Sport-Team «mYinsanity»

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Nicht von dieser Welt

Der britische Fotograf

Benedict Redgrove hatte neun

Jahre lang einzigartigen

Zugang zu den Labors und Raumfahrzeugen der NASA. Hier zeigt er eine Auswahl seiner Bilder:

All-inclusive!

Portfolio 48 INNOVATOR
TEXT Saskia Jungnikl-Gossy

Der Over-All

400 Kilometer über der Erde bei einer Geschwindigkeit von bis zu 28 163 km/h: So leben Astronauten an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Der EMU­(Extravehicular Mobility Unit­)Anzug bildet dort das Lebenserhaltungssystem eines Menschen. «Wenn man einen Astronauten in ihn hineinsteckt, wird er zum Symbol für alles, was die Menschheit ausmacht», sagt Fotograf Redgrove.

«Die Kombination aus Mensch und Anzug symbolisiert den Wissensdurst auf die grossen Fragen, wer wir sind, warum wir hier sind, wo wir sind – und ob wir allein sind.»

Der Vogelkäfig

Die Orion­Raumkapsel, bevor der Hitzeschild und die Sensoren angebracht werden.

Orion ist ein Raumschiff, das Menschen im Zuge des ArtemisProgramms der NASA auf den Mond schicken und die Erkundung des Alls über den Erdorbit hinaus fortsetzen soll. Hier im Bild ist jener Teil zu sehen, in dem die Besatzung auf ihrer Reise zum Mond und zurück leben wird.

INNOVATOR 49

Fünfzig Jahre nach ihrer Entwicklung schafft es die Saturn-V-Rakete immer noch, die Fantasie der Menschen zu beflügeln.

Portfolio
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Der Klassiker

Die Triebwerke der Saturn V, Stufe 1 – zum Zeitpunkt ihres Baus Ende der 1960er-Jahre die grösste und komplexeste Maschine, die je von Menschenhand gebaut wurde. «Für mich ist sie ein visuelles Vergnügen», sagt Redgrove. «Die Details und Statistiken, die mit diesem Raumschiff verbunden sind, erfüllen mich mit Ehrfurcht und Glückseligkeit.»

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Portfolio 52 INNOVATOR

Das Space Shuttle Carrier Aircraft N905NA ist – mit dem nachgebauten Space Shuttle «Independence» auf dem Dach klotzend – in Houston ausgestellt.

Huckepack

Das NASA Shuttle Carrier Aircraft (SCA) war ein wichtiger Bestandteil des Raumfahrtprogramms der NASA und ermöglichte den Transport der Space Shuttles innerhalb der USA. Das SCA war eine mo-

difizierte Version der Boeing 747 und wurde verwendet, um die Space Shuttles (letzter Flug: 2011) von einem Ort zum anderen zu transportieren, insbesondere nach ihren Landungen.

«Es ist nicht nur die Beschwörung einer

Ära, sondern fasst auch die Funktionsweise der NASA in einem wunderschönen Bild zusammen. Es zeigt, wie die NASA sich selbst aufgebaut hat, indem sie gelernt hat, sich anzupassen und etwas zu erschaffen», sagt Redgrove.

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WWir kennen den Grossteil des Universums nicht. Das mutet seltsam an, denn nach all den bekannten Sternen, Gasnebeln und Millionen von Galaxien, die bereits beobachtet wurden, den über 5000 bekannten Exoplaneten und Schwarzen Löchern, die gezählt wurden, sollte man meinen, die Menschheit weiss gut über das Universum Bescheid. Tatsächlich scheint der Kosmos voll von strahlenden Sternen und leuchtenden Gaswolken zu sein, doch das macht nur etwa fünf Prozent der Masse des Universums aus. Es besteht hingegen zu fast 27 Prozent aus anziehender Dunkler Materie und etwa 70 Prozent aus abstossender Dunkler Energie. Was sich dahinter verbirgt, ist unklar.

Am 1. Juli 2023 um 17.12 Uhr startete deshalb eine besondere Weltraummission: Das Weltraumteleskop Euclid – benannt nach dem Mathematiker Euklid von Alexandria, der vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. tätig war – gelangte mit einer Falcon9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX ins All. Euclid ist ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA, gefertigt mit Unterstützung der National Aeronautics and Space Administration, kurz NASA. Von seinem Zielort (1,5 Millionen Kilometer ausserhalb der Erdbahn) aus wird es mindestens

sechs Jahre lang über ein Drittel des gesamten Himmels beobachten und die räumliche Verteilung von mehreren Milliarden Galaxien kartieren. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit der Einfuss von Dunkler Materie und Dunkler Energie auf die Entwicklung und grossräumige Struktur des Alls untersucht. Aus den Daten soll die bisher grösste und genaueste 3D-Karte des Universums entstehen.

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Himmelsauge

Das vollständig fertiggestellte Euclid­Weltraumteleskop stand bis zu seinem Start im Juli 2023 aufrecht in der schalltoten Testkammer der Anlage Thales Alenia Space

in Cannes an der französischen Riviera. Anschliessend wurde das Teleskop in die USA verschifft. Dieses Foto schoss Redgrove, als er Euclid das letzte Mal vor seinem Start sah.

Das Euclid-Teleskop wird Milliarden Galaxien in einer Entfernung von bis zu zehn Milliarden Kilometern beobachten – und eine dreidimensionale Karte des beobachtbaren Universums erstellen.

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Der Spiegel

Das zentrale Element des Euclid-Teleskops ist dessen Hauptspiegel, der neben zwei Instrumenten untergebracht ist – einem für die Aufnahme von Bildern des Universums im sichtbaren Licht und einem für Beobachtungen im nahen Infrarot.

Dieser 1,2 Meter breite Spiegel ist aus Siliziumkarbid gefertigt und mit Silber beschichtet. Seine glatte Oberfläche ermöglicht es ihm, das Licht von Galaxien aus dem gesamten Universum effektiv einzufangen.

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Terminator

«Stell dir vor, du betrittst das Labor der NASA und vor dir steht in einer Glasvitrine eine Roboterhand, die aussieht wie eine Requisite aus ‹Terminator› », sagt Redgrove. Die Hand ist Teil des Projekts Robonaut, das menschenähnliche Roboter für den Einsatz im Weltraum entwickelt.

Die Robonautenhand soll die Geschicklichkeit und Mobilität menschlicher Hände nachahmen, dafür verfügt sie über Finger und Gelenke, die komplexe Bewegungen ermöglichen.

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Benedict Redgrove «NASA: Vergangenheit und Gegenwart – Träume von der Zukunft»

So heisst das Buch des britischen Fotografen und Filmemachers, der seit jeher von Innovation und Technik fasziniert ist. An seinem Projekt über die amerikanische Raumfahrtbehörde arbeitete er über neun Jahre lang und erhielt währenddessen beispiellosen Zugang zu Fahrzeugen, Labors und Forschungseinrichtungen. Redgrove wollte die emotionale und spirituelle Wirkung der Objekte zeigen. «Ich wollte sie erforschen und eine Verbindung herstellen, sodass die Menschen erkennen, was diese Wunderwerke der Technik für uns bedeuten.» benedictredgrove.com

Die Space Shuttles, welche die NASA von 1981 bis 2011 betrieb, prägten mit ihren ikonischen Designs eine eigene Ära der Raumfahrt.

Atlantis

Das Space Shuttle Atlantis (hier im Bild Nase und Cockpit) besteht aus 2,5 Millionen Teilen, darunter fast 370 Kilometer Kabel, über tausend Ventile und Anschlüsse, 1400 Stromunterbrecher und 24 000 Isolierkacheln aus SiliziumdioxidVerbundstoff.

«Es ist atemberaubend schön, verstärkt durch die Narben, die es auf seiner gekachelten Haut trägt“, sagt Redgrove. «Jede Markierung erzählt eine Geschichte – von den Trümmern, die aufgewirbelt werden, wenn die Raketentriebwerke das Raumschiff von unserem Planeten in den Weltraum heben.»

Portfolio
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30.

SWISS INNOVATION FORUM

UNSERE TOP-SPEAKER

SUSIE ARMSTRONG Senior VP of Engineering, Qualcomm, Inc.

EDWARD BERGER

Drehbuchautor & Regisseur, «Im Westen nichts Neues»

JENNIFER HARRIS TROSPER Project Manager Mars 2020, NASA

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MAIN-PARTNER

NOVEMBER
2023 BASEL
hw eiz er isc he E i d g eno ss en sch af t C onf éd é r at io n s u iss e C onf ed e r a zio ne S vizz er a C onf ed e r a ziu n svizr a
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Innosuisse – Schweizerische Agentur für Innovationsförderung
Foto © Misan Harriman

Neuer Kollege: Ein

Telerobotics-Mitarbeiter (hier gezeichnet von unserem Illustrator) steuert die Arbeit am Fliessband.

Mein Freund, der Chatbot Im Zeitalter der KI fürchten viele Menschen um ihre Beschäftigung. Dabei schafft die Revolution in der Arbeitswelt auch Chancen: Hier sind 10 neue Jobs aus der Zukunft. Jobbörse TEXT Nicole Thurn ILLUSTRATIONEN Bratislav Milenkovic INNOVATOR 61

Die technologische Entwicklung der kommenden Jahre wird von einer exponentiellen Dynamik getrieben, Experten reden von einem wahren Evolutionssprung. Künstliche­Intelligenz­Tools wie ChatGPT (Text) oder Midjourney (Bild) haben bereits in den vergangenen Monaten den Arbeitsmarkt rasant verändert, immer mehr Unternehmen streichen Stellen in Marketing und Design oder besetzen sie nicht nach. Gleichzeitig wird im deutschsprachigen Raum händeringend nach Personal in klassischen sozialen Berufsfeldern gesucht. Der Bedarf an Pfegekräften, KleinkindPädagogen, Lehrerinnen und Tourismus­Fachkräften wird hoch bleiben – einerseits aufgrund anstehender Pensionswellen, andererseits dank Quiet Quitting, jenem Work­Life­Balance­Trend, bei dem der Job zwar nicht gekündigt, aber auch keine Arbeit über den Vertrag hinaus geleistet wird, wie etwa Überstunden. Stark gefragt sind auch Software­Entwickler und technische Fachkräfte, die aktuell aus mehreren Jobangeboten wählen können.

Die noch vor wenigen Jahren medial kolportierte Annahme, dass Roboter uns die Jobs wegnehmen, entpuppt sich – zumindest unterm Strich – als Mythos: Die internationale Beratungsagentur Deloitte prognostizierte in einer Studie aus dem Jahr 2020 für Deutschland, dass bis 2035 dank der Technologisierung deutlich mehr Jobs entstehen als wegfallen. Konkret: 2,1 Millionen neue Arbeitsplätze, die nur schwer durch Technologien ersetzt werden können. Davon

Dsollen 1,8 Millionen Jobs in den Bereichen Gesundheit, in Lehre und Ausbildung sowie in den Bereichen Unternehmensführung, Recht und Verwaltung entstehen.

Generell könne man davon ausgehen, dass im Schnitt 35 Prozent der Arbeitszeit einer Vollzeitstelle von digitalen Technologien oder Robotern übernommen werden – wobei diese uns überwiegend monotone oder schwere Tätigkeiten abnehmen, die wir oft ohnehin nicht mögen. Neue Technologien erreichen so gut wie alle Branchen, von der Landwirtschaft über den Gesundheitssektor bis hin zu Dienstleistungen aller Art. Keine Berufssparte bleibt von Digitalisierung und Automatisierung verschont, sei es im Rahmen von innovativer Software, die Dienstpläne, Arbeitszeiten oder Produktionsmaschinen managt, sei es das Lesen, Sammeln und Analysieren von Kundendaten oder der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Unternehmen stehen vor komplexen Herausforderungen, sie sind gezwungen, ihre Organisation, ihre Arbeitsweisen und ihre Unternehmensziele drastisch zu verändern. Und über all dem herrscht die Dringlichkeit, den Planeten vor Klimawandel und Erderwärmung zu retten.

Mit diesem tiefgreifenden Wandel der Arbeits­ und Wirtschaftswelt zeichnen sich auch vielversprechende neue Berufe ab, die schon in den nächsten Monaten stark nachgefragt werden – Top­Gehalt inklusive. Hier die Top Ten.

Urban Farmers, 3D

Holographic Designers: Ein Evolutionssprung in der Arbeitswelt führt zu spannenden neuen Berufen.

Jobbörse 62 INNOVATOR

1. Prompt Engineers

Prompt Engineers trainieren Künstliche-Intelligenz-Modelle wie ChatGPT, Midjourney und DALL-E mit Anweisungen, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen. Ein sogenanntes «Prompt» kann also eine Wortfolge, ein bestimmter Datensatz oder Computercode sein. Künstliche Intelligenz kann nur dann sinnvolle und präzise Ergebnisse ohne Verzerrungen oder falsche Fakten liefern, wenn die Prompts qualitativ hochwertig sind. Mit der steigenden Nutzung von KI steigt naturgemäss auch die Nachfrage nach diesen Experten: USKonzerne locken Prompt Engineers mit einem Jahresgehalt von 150 000 bis 300 000 Dollar im Jahr. Sie punkten, wenn sie zusätzlich Erfahrungen mit Programmiersprachen wie C++, Python und PHP und im Bereich Machine Learning haben. Neben der Optimierung der Ergebnisse gehören auch Evaluierung und Dokumentierung der Prompts, die Datenanalyse und die enge Zusammenarbeit mit

Wildbeobachtung oder Katastrophenschutz: Drohnen werden immer vielfältiger eingesetzt und brauchen Menschen, die sie fliegen können.

Forschern und Software-Ingenieuren zum Jobprofl. Berufsangebote gibt es auf der globalen Jobbörse promptengineering-jobs.com. Auf dem Marktplatz PromptBase.com kann man vordefnierte Prompts kaufen, die von Profs erstellt wurden.

2. Drohnenpilot

Der gewerbliche Drohnenmarkt wächst rasant. In Deutschland gab es mit Stand Juli 2023 rund 415 400 Drohnen, davon war jede siebte Drohne eine kommerziell genutzte. Bis 2025 soll es bereits jede dritte

Drohne sein, schätzt eine Studie von Drone Industry Insights. Gefragt sind Drohnen derzeit in der Baubranche, aber auch für Umweltschutzeinsätze, bei Wildbeobachtung und Verkehrskontrollen, in der Energiebranche zur Inspektion von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen, in der Agrarwirtschaft zur Schädlingsbekämpfung, in der Meteorologie und im Katastrophenschutz. Auch die Logistikbranche will künftig verstärkt auf Drohnen setzen. Drohnenpiloten sorgen für die einwandfreie Programmierung und Steuerung der Flugobjekte, aber auch für die Messung der entsprechend benötigten Daten und den Transport von Objekten. Derzeit sind Drohnenpiloten als Freelancer gefragt, sie werden aber zunehmend in Vollzeit angestellt, etwa bei Bauunternehmen, in Planungsund Vermessungsbüros, bei Polizei, Militär, Feuerwehr und Rettung, im Security-Bereich oder in landwirtschaftlichen Betrieben. Pficht ist ein Drohnenführerschein, inzwischen gibt es auch Lehrgänge für professionelle Drohnenpiloten. Spannend ist der Beruf für Maschinenbautechnikerinnen, Zivil- und Vermessungstechniker, Pilotinnen und Soldaten.

3. KI-/Digitale Forensiker

Sie sorgen in Unternehmen für die Umsetzung von Compliance-Richtlinien und rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf IT-Recht und Datenschutz. Im Bereich Cyberforensics analysieren sie Hackerangriffe auf Unternehmen und Datendiebstähle. Wenn etwa das Intranet gehackt, sensible Kundendaten gestohlen wurden oder das selbstfahrende Auto eines

INNOVATOR 63

Autokonzerns einen Unfall gebaut hat, helfen sie bei der Aufklärung. Sie durchforsten – auch mithilfe Künstlicher Intelligenz – relevante Datenmengen und stellen gelöschte Daten wieder her. Bei der Polizei untersuchen sie digitales Datenmaterial, um Straftaten aufzuklären, sorgen für digitale Spurensicherung, erstellen digitale Doubles von Opfern und Tätern und rekonstruieren Tatorte in 3D-Modellen. Jobs im Bereich Cybersecurity gibt es zunehmend in Konzernen sowie bei entsprechenden Anbietern, bei der Polizei und staatlichen Behörden. Inzwischen werden bereits spezialisierte Studiengänge zu Digitaler Forensik angeboten.

4. 3D Holographic Designers

Die NASA hat kürzlich eine Gruppe Wissenschafter mittels HoloportTechnologie – einer Mischung aus Teleportation und HologrammTechnologie – auf die Raumstation ISS geschickt. Holoportation-Anbieter Proto beamt Speaker in Echtzeit auf Bühnen und Lehrerinnen in Schulen. Einzug fnden Hologramme auch im Bereich der Produktpräsentation, in der Werbung und Kultur. 3D Holographic Designers sorgen für aufsehenerregende Designs bei interaktiven 3D-Präsentationen, erstellen holographische Projektionen für Meetings, für Bühnenprojekte und Kunstinstallationen oder für grossfächige Werbe- und Produktkampagnen globaler Konzerne.

5. Climate Change Manager

Sie unterstützen NGOs, Behörden und Konzerne dabei, ihre Klimaschutzziele auf strategischer Ebene und entlang der Wertschöpfungskette umzusetzen. Sie müssen sich mit Klimaschutzrichtlinien auskennen, CO²-Bilanzen erstellen und Daten

Climate Change Manager beraten

Unternehmen in Klimaschutzbelangen, etwa beim Ausstieg aus fossiler Energie.

analysieren und richtig interpretieren können. Sie koordinieren Transformationsprojekte zum Thema Nachhaltigkeit – beispielsweise den schrittweisen Ausstieg aus fossiler Energie –, managen Nachhaltigkeitsund Umweltprojekte innerhalb des Unternehmens oder unternehmensübergreifend und arbeiten mit verschiedensten Abteilungen und Stakeholdern zusammen. Sie beleuchten Optimierungspotenziale in Sachen Energie und Umweltschutz im Unternehmen, analysieren Daten zu CO²-Emissionswerten und Energieverbrauch, kalkulieren, planen und steuern Klimaschutzprojekte. Sie haben Global Change Management, Nachhaltigkeitsmanagement oder Klimawissenschaften studiert.

6. AR/VR Developers

Der weltweite Augmented- und Virtual-Reality-Markt wird laut Statista für 2023 bei rund 29 Milliarden Euro stehen, bis 2027 soll ein globales Marktvolumen von fast 50 Milliarden erreicht werden. VR-Developer sind also gefragter denn je. Sie bauen Virtual-Reality-Welten für VR-Plattformen wie Metaverse, für VR-Gaming-Anbieter oder für die Industrie und designen neue Produktmodelle in Augmented und in Virtual Reality. Volkswagen hat etwa in der Zentrale im deutschen Wolfsburg ein eigenes Virtual Engineering Lab eingerichtet, in dem ehemalige Gaming-Programmierer an neuen Automodellen arbeiten. Auch im Training on the Job und bei der Einschulung von Produktionsmitarbeitern wird Virtual Reality oder auch Augmented Reality (virtuelle Einspielungen überlappen sich mit der Realität) eingesetzt. VR-Developer sollten sich mit den

Programmiersprachen C# und C++ und 3D-Modeling auskennen und Erfahrungen mit Spiele-Entwicklungsplattformen wie Unity und Unreal mitbringen.

7. Collaboration Manager

Die neue Arbeitswelt stellt das Thema Kollaboration in den Fokus: eine projektbezogene crossfunktionale Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der verschiedene Berufsgruppen –wie etwa IT-Experten und MarketingProfs – und externe Stakeholder miteinander arbeiten. Diese verwenden jedoch erfahrungsgemäss oft unterschiedliche Fachsprachen, haben eigene Bedürfnisse und Ziele. Collaboration Manager behalten hier den Überblick: Sie etablieren Netzwerke, koordinieren und kommunizieren

Jobbörse 64 INNOVATOR

Die nächste Stufe der Fotografie: 3D Holographic Designer lassen scheinbar reale Objekte frei im Raum schweben.

die Zusammenarbeit zwischen den Projektmitarbeitern im Unternehmen, externen Stakeholdern, Freelancern, Zulieferern und Kunden. Dabei müssen sie die Anliegen und Terminologien der unterschiedlichen Berufsgruppen verstehen und übersetzen. Kontaktfreudigkeit, die Fähigkeit, Netzwerke aufzubauen, adaptive Kommunikation, Fachwissen und Organisationskenntnis sind dabei die gefragtesten Fähigkeiten.

8. Ingenieure für Wassertechnik/Hydrologen

Den Vereinten Nationen zufolge

haben weltweit zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Wasser wird in vielen Regionen immer knapper, gleichzeitig kämpfen ganze Landstriche regelmässig mit Überschwemmungen. Hydrologen und Ingenieurinnen für Wassertechnik sind für die Wasseraufbereitung, den Rohrleitungsbau,

Wasser ist überlebenswichtig. Hydrologen sorgen dafür, dass uns das kühle Nass nicht ausgeht.

Gemüse und Obst aus der Stadt: Urban Farmers gärtnern mitten in den Metropolen.

für die energieeffziente Gestaltung der Bewässerungssysteme und die Abwasserreinigung zuständig. Sie entwickeln Massnahmen zum Wasserschutz und zur Reduktion des Wasserverbrauchs. Gefragt sind sie in der Forschung, im regionalen Wassermanagement bei Gemeinden und Kommunen oder in Ländern mit Wasserknappheit. Sie haben ein Studium mit Schwerpunkt auf Gewässerökologie, Hydrobiologie, Wasserbau und Wasserwirtschaft oder Umwelttechnik abgeschlossen.

9. Urban Farmers

Um im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen satt zu bekommen, benötigen wir um 56 Prozent mehr Nahrung, als wir heute für acht Milliarden (vielerorts Hunger leidender) Menschen haben. Gleichzeitig zählt der Klimaschutz: Der Ausbau landwirtschaftlicher Flächen und die CO²-Emissionen infolge weltweiter Obst- und Gemüsetransporte müssen reduziert werden. Urban Farming setzt auf regionalen Agrarbau: Urban Farmers bewirtschaften in Städten und Metropolen der Welt Dachgärten, Vertical Farms, also eigene

mehrstöckige Gebäude, und IndoorGemüseplantagen oder sind auf Aquaponik-Farmen in der Fischzucht spezialisiert. Sie benötigen Wissen über Anbau, Hydrokultur, Vertical Farming, Kenntnisse über einen energieschonenden Betrieb solcher Farmen und eine soziale Ader, da es sich oft um Gemeinschaftsprojekte handelt, an die Läden und Community-Zentren angedockt sind. Der globale Urban-Farming-Markt soll ab heuer bis 2032 jährlich um 5,8 Prozent wachsen – auf 16 Milliarden US-Dollar.

10. Teleoperations/ Telerobotics Specialists

Roboter haben längst Einzug in den Industrie- und Logistiksektor gehalten. Das verändert natürlich die Tätigkeiten des Personals in der Produktion: Die klassischen Arbeiterinnen am Fliessband werden durch Roboter und Teleoperations- bzw. Telerobotics-Mitarbeiter ersetzt, die diese Maschinen, Anlagen, Roboter und digitalen Systeme aus der Ferne steuern. In der Logistik sind die Tage der Lkw-Fahrer und Paketzusteller gezählt. Selbstfahrende Transporter können von den Teleoperations Specialists künftig vom Büro aus gesteuert werden. Mithilfe der TelePresence-Technologie kann der fernsteuernde Mitarbeiter sehen, was der Roboter «sieht» – und sofort reagieren.

Jobbörse 66 INNOVATOR

Multitalent: Tijen Onaran ist Gründerin und das Gesicht einer neuen, feministischen BusinessGeneration.

Interview
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«Ich polarisiere wie Barbie»

Unternehmerin, Netzwerkerin, Jurorin der Start-up-Show

«Die Höhle der Löwen» –Tijen Onaran hat viele Jobs, doch Mission hat sie nur eine: Mit ihrer Plattform «Global Digital Women» stärkt sie die Position von Frauen in der Start-up-Szene. Das starke Interview.

INTERVIEW Andreas Wrede FOTOS Urban Zintel
INNOVATOR 69

the red bulletin innovator: Du warst in deinen Gebieten sehr oft die Erste. Das hat in deiner Schulzeit begonnen: In deiner Karlsruher Gymnasialzeit warst du das erste Mädchen mit türkischen Wurzeln auf einer katholischen Schule – wie hat sich das angefühlt? tien onaran: Ich bin in einem sehr deutschen Umfeld sozialisiert worden, also war es bis zur Reifeprüfung kein Thema. Nur wenn es um meine soziale Herkunft ging, hab ich schon in der Grundschule gemerkt: Bei mir ist etwas anders. Bei Kindergeburtstagen wurde ich von Freundinnen meistens in grosse Wohnungen oder Häuser eingeladen; wenn mein Geburtstag gefeiert wurde, sassen wir halt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung am Esstisch. Ich komme ja teilweise aus einer klassischen «Gastarbeiterfamilie», so wurde man damals gesellschaftlich verortet, meine Mutter war Verkäuferin, mein Vater in der Türkei Lehrer, er hat dann in Deutschland Architektur studiert und in diesem Feld gearbeitet. In der Architekturfrma war er tatsächlich – gar nicht abwertend, eher einordnend gesagt – «der Türke».

Du hast in Heidelberg Politikwissenschaften, Geschichte und Öffentliches Recht studiert. Warum diese Kombination?

Zu dieser Zeit hatte ich bemerkt, dass mich Politik interessiert. Ich war früh aktiv in der baden-württembergischen FDP, also dachte ich mir, praktische Politik vor Ort ist eine Sache, die andere ist der politische Überbau. Den konnte ich mit dieser Kombination sehr gut abdecken.

TWarum hast du 2015 die Initiative «Women in E­Commerce» gegründet?

Weil ich bemerkt habe, dass Frauen im E-Commerce viel zu unterrepräsentiert waren. Das Thema «Frauen und E-Commerce» war noch gar keines, aber durch Initiativen wie die meine wurde es zu einem. Natürlich gab es etwa feministische Gruppierungen im politischen Raum, aber mein Anspruch war, eine gewisse Leichtigkeit in die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit zu bringen.

2018 hast du den nächsten Schritt getan und die Plattform «Global Digital Women» (GDW) ins Leben gerufen … Mir ist bewusst geworden, dass es für Frauen eine digitale Teilhabe in allen Bereichen geben muss, ob nun in Gesundheit, Wirtschaft oder bei Start-ups. Und ich musste mich selbst fragen, ob das, was ich machte, nur ein Hobby war, oder ob ich daraus einen Beruf machen und selbst gründen will. Als ich mit Global Digital Women losgelegt habe, wurde ich anfänglich oft belächelt und unter-

«Diversität kann ein Geschäftsmodell sein –da lief ich dem Zeitgeist nicht hinterher, ich war ihm voraus.»

Interview
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schätzt. Man sah meine innovative Arbeit als eine Art Charity, das hat mich wahnsinnig geärgert – weil der innovative Charakter von GDW nicht erkannt wurde, dass Diversität ein Geschäftsmodell sein könnte. Und dass ich nicht einfach dem Zeitgeist hinterherlaufe, sondern ihm voraus war.

Inzwischen hast du auch die Consultingfirma «Act, Change, Inclusion» gegründet, mit der du klarmachst, dass Diversity, Equity und Inklusion wichtige Treiber für Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit sind. Wie müssen wir uns das vorstellen, wie gehst du diese Themen etwa in grossen Konzernen oder mittelständischen Firmen an?

Am Anfang steht immer die Sensibilisierung für diese Themen – und dass es eben nicht nur um Geschlechtergerechtigkeit geht. Wenn ich zu internationalen Konferenzen eingeladen bin, geht es um soziale Herkunft, Generationenvielfalt oder nationale Eigenheiten. Wir schauen uns auch die Zahlen in einem Unternehmen genau an: Wie viel Talent kommt rein, wie viel Talent geht woanders hin? Die Themen Fachkräftemangel oder Führungspersonal werden immer dringlicher. Und plötzlich waren wir nicht nur in dem Bereich für einen 3000­Euro­Workshop, sondern in grossen, innovativen Projekten, bei denen wir von Summen jenseits der 100 000 Euro sprechen.

Frauen wie du haben Diversität auf die gesellschaftliche Tagesordnung gesetzt, und sie lässt sich kaum mehr wegdenken. Wie erklärst du das?

«Bleib so, wie du bist –das ist so ziemlich das Schlimmste, was man mir zum Geburtstag wünschen kann.»
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Generationenvielfalt, soziale Herkunft: Tijen Onaran bringt neue Perspektiven in Unternehmen.

Erstens setzen sich Frauen immer mehr für ihre Selbstbestimmung ein. Zweitens ist überdeutlich geworden, dass unsere Wirtschaft es sich nicht leisten kann, auf die Arbeitskraft von Frauen zu verzichten. Wir brauchen sie dezidiert im deutschsprachigen Arbeitsmarkt. Drittens: Wir sind in einem Momentum, in dem Emotionalität eine bedeutende Rolle spielt, und da haben Diversität oder Nachhaltigkeit besonders viel Intensität im gesellschaftlichen Diskurs.

Allerdings wird die Start-up-Szene immer noch von Männern dominiert. Woran liegt das, und wie kann das geändert werden?

Viele dieser männlichen Gründer kennen sich schon von der Universität, oder sie kommen aus elitären Zirkeln und Unternehmerfamilien, sie bringen schon ein Netzwerk und oft ein gewisses fnanzielles Polster mit. Die Start-up-Szene ist in unseren Breiten noch zu selbstreferenziell, und meine Wahrnehmung ist: Deutsche Konzerne oder Mittelständler nehmen Diversität viel ernster, als es oft Start-ups tun, die doch eigentlich innovativ sein wollen.

Was bedeutet für dich der Begriff Innovation?

Du musst dem Zeitgeist immer einen Schritt voraus sein. Innovation ist das Gegenteil von «Bleib so, wie du bist» – das ist übrigens das Schlimmste, was man mir zum Geburtstag wünschen kann. Ich möchte nicht bleiben, wie ich bin! Ich will immer nach vorne gehen, mich ständig verändern und weiterentwickeln. Was mir sehr hilft, sind meine Gründungsinvestments.

__ Die Power-Bio

Tijen Onaran kompakt: vom katholischen Mädchengymnasium in die Start­up­TV­Show.

Mein Mann ist der Innenminister, ich bin die Aussenministerin.»

Tijen Onaran ist Unternehmerin, Investorin, Bestsellerautorin und als Moderatorin eine der wichtigsten Meinungsmacherinnen Deutschlands, wenn es um Diversität und Digitalisierung geht. 1985 geboren, wuchs sie als Tochter türkischer Eltern in Karlsruhe auf. Sie besuchte ein katholisches Mädchengymnasium und kandidierte mit zwanzig Jahren im Landtagswahlkampf von Baden-Württemberg für die FDP. 2009 koordinierte sie die Social-Media-Aktivitäten im Wahlkampf des späteren Bundesaussenministers Guido Westerwelle.

2015 erkannte Tijen Onaran, dass die Digitalisierung bei der Veränderung unserer Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielen würde, und gründete ihr erstes Start-up, die Initiative «Women in E-Commerce». Daraus entstand die Community «Global Digital Women», die Frauen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Grossbritannien vernetzt und so deren Sichtbarkeit nachhaltig unterstützt.

Stets mit freundlichem Nachdruck: Tijan Onaran erklärt Konzernen, wie Diversität funktioniert.

«Die Rollenverteilung in meinen Unternehmen?
72 INNOVATOR

Tijens Lebensmotto: «Dem Zeitgeist immer einen Schritt voraus sein»

Erklär uns das doch detaillierter. Ich habe in verschiedene Start-ups investiert, von Babynahrung ohne Zucker über intime Wellness bis hin zu FinTech und Weiterbildung. Mein Investmentportfolio ist also breit gestreut, und ich achte besonders darauf, mit Gründerinnen zusammenzuarbeiten. Kürzlich hatte ich wieder ganztägige digitale Meetings mit den Start-ups, und deren Anforderungen an mich zwingen mich stets zur Veränderung. Es geht um PR, Storytelling, Community oder SocialMedia-Expertise. Und selbstverständlich steht Diversität immer ganz oben auf der beratenden Agenda. Gerade in der jetzigen, doch krisenbehafteten Zeit möchte ich aber auch Optimismus ausstrahlen. Ich war schon immer ein Löwinnen-Typ, und wir brauchen hier bei uns mehr denn je Mutmacher und Mutmacherinnen. Wer innovativ sein will, muss mutig sein und geradeheraus, um glücklich zu sein.

Du bespielst deine Instagram- und LinkedIn-Kanäle selbst, antwortest oft sehr schnell, schlagfertig und persönlich – wie lange schaffst du das noch?

Publikum in so einem bekannten und erfolgreichen Fernsehformat zu vertreten. In der Jury sind wir eine Superrunde, eben weil wir unterschiedlich ticken. Wir zeigen, was Diversität bedeutet: nämlich Diskurs.

Gemeinsam mit ihrem Mann Marco Duller-Onaran gründete sie die Firma ACI Consulting (Act, Change, Impact), die Unternehmen und Konzerne in Sachen Diversity, Equity und Inclusion berät. Für das Magazin «Business Punk» moderiert sie seit 2018 den Podcast «How to Hack», aktuell ist Onaran die neue Löwin im TV-Format «Die Höhle der Löwen». Ihr neues Buch mit dem Titel «Be Your Own F*cking Hero: Trau dich, weil du es kannst!» erscheint im Oktober 2023.

Das frage ich mich selbst jeden Tag, es ist wirklich viel. Dennoch: Meine Community ist mein Innovationsraum, in dem ich täglich wahnsinnig viel lerne. Aber je mehr Menschen mir folgen, desto schwieriger wird es, jede Nachricht persönlich zu beantworten und authentisch zu bleiben.

Mitte Oktober erscheint dein neues Buch «Be Your Own F*cking Hero: Trau dich, weil du es kannst!», und nun bist du auch im TV auf Vox zu sehen als Jurorin bei «Die Höhle der Löwen».

Als ich gefragt worden bin, ob ich da einsteigen möchte, habe ich mir das sehr gründlich durch den Kopf gehen lassen. Ich sehe die Chance, meine Themen wie Diversity oder sozialer Aufstieg vor einem interessierten

Noch vor dem ganzen Barbie-Hype im Sommer wurde dir eine eigene Barbie-Puppe gewidmet Als Kind habe ich mit Barbie-Puppen gespielt, in meiner Fantasie war ich immer mit vielen Koffern viel unterwegs, frühe Business-Träume. Und heute bin ich tatsächlich extrem oft on the road, und das macht mir grossen Spass. I love it! Meine BarbiePuppe habe ich zum Weltfrauentag bekommen, Mattel zeichnet zu diesem Anlass in vielen Ländern Frauen aus, die Vorbilder sind, und als solches wurde ich betrachtet, das hat mich schon sehr gefreut. Und irgendwo passt Barbie zu mir: Entweder man mag sie, oder man mag sie nicht – sie polarisiert so wie ich.

Wie würdest du in deinen Unternehmen die Rollenverteilung zwischen deinem Mann Marco DullerOnaran und dir beschreiben? Ich bin die Aussenministerin, er ist der Innenminister. Und ohne einen starken Innenminister kann ich keine starke Aussenministerin sein. Marco will gar nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen, er ist wunderbar darin, das Team zu leiten und weiterzuentwickeln, und er kann sich hervorragend auf die individuelle Kundenperspektive einlassen. Ich bin draussen eben die Infuencerin, Key Note Speakerin, Moderatorin, Gründerin, Podcasterin, Investorin. So oder so: Wir sind ein grossartiges Team.

Interview
«Zum Weltfrauentag habe ich eine Puppe bekommen – als Auszeichnung für meine Vorbildwirkung.»
INNOVATOR 73

Nicole die

Waldcampus, Gehirnscan, «säkulare Meditation»: Autorin Nicole Thurn testete für den Innovator Methoden, die unsere grauen Zellen in Schwung bringen.

74 INNOVATOR JULIE BRASS

sucht

Unsere Arbeitswelt verändert sich immer schneller, wird immer dynamischer. Und wer vorne dabei sein (und bleiben) will, braucht vor allem eines: Kreativität. Aber wo versteckt sich die? Und – kann man sie einfangen? Unsere Autorin begab sich auf Forschungstrip. Und wurde fündig!

Kreativität

Nicole
INNOVATOR 75
TEXT
Thurn

Ist sie gekommen, um zu bleiben? Meine fese Schreibblockade. Der Cursor blinkt monoton auf der weissen Word-Seite. Aber wie und wo zum Teufel fnde ich meine Kreativität? Ein kleines weisses Büchlein auf meinem Schreibtisch markiert den Start meiner Suche. «Musenküsse. Für mein kreatives Pensum gehe ich unter die Dusche» heisst es, versammelt Miniberichte über die grössten Künstler des 20. Jahrhunderts und beantwortet die Frage: Wie arbeiteten sie? Unterm Strich kann man sagen: Statt auf Eingebungen beim Waldspaziergang zu setzen, soffen sich diverse Genies durch Tag und Nacht – ob Sartre, Bukowski, Capote oder Highsmith. Irgendwie ernüchternd. Ich frage mich: Waren diese Genies kreativ, weil sie Rauschmitteln zugeneigt waren – oder trotzdem? Und was kann man tun, um das Gehirn in Sachen Innovationsfähigkeit zu tunen? Was sagt die Wissenschaft dazu? (Ach ja, und was tun gegen die Schreibblockade?)

Ich sitze mit diesen Fragen nicht alleine da. Das Gros der Menschheit hat offenbar einen Kreativitätskomplex: Zwei Drittel der Menschen schätzen sich selbst als wenig kreativ ein – vielleicht ja wegen der historischen Genies eingeschüchtert. Gleichzeitig zeigen Studien wie jene der Hirschen Group in Deutschland, dass es primär Kreativität und Innovationskraft sind, die Unternehmen zu wirtschaftlichen Erfolgen verhelfen. Also wo beginnt Kreativität?

Station 1

Nicole sucht den Regisseur ihres Gehirns

IIch google ganz unkreativ die Schlagwörter «Kreativität» und «Gehirnforschung» und lerne so Dr. Shelley Carson kennen. Sie forscht an der Harvard University zum Thema und geht davon aus, dass die kognitive Reizflterung bei kreativen Menschen weniger ausgeprägt ist als bei nichtkreativen: Sie nehmen also mehr Sinneseindrücke auf.

Ich möchte gern mehr darüber wissen und vereinbare einen Termin mit Andreas Fink, Psychologe am Institut für Psychologie an der Uni Graz, der seit Jahren die kreative Lösungsfähigkeit des menschlichen Gehirns erforscht. Nun auch meines.

Bei unserem Treffen fnde ich mich rasch in einem weissen, engen Tunnel im MRI-Lab der Uni Graz wieder: umhüllt von Techno-Wummern und Tutgeräuschen, die sich in meine Hirnwindungen brennen, mich dank ihrer Monotonie aber angenehm schläfrig machen. Ich erfülle brav, was mir der auf meine

Techbrille projizierte Bildschirm via Textbefehl anweist, nämlich alle paar Sekunden mit der rechten Hand eine Faust zu machen und sie wieder zu entspannen. Draussen drängen sich neugierige Studierende vor den Computerbildschirmen, auf denen der «motorische Kortex» meines 3DGehirns aufleuchtet. Heisst: Meine Bewegung der Hand lässt sich im Gehirn abbilden.

Ich frage den Forscher Fink, ob und wie sich kreative Eingebungen mit Hirnforschung erklären lassen. «Ein Heureka-Moment lässt sich im Hirnscan nicht erwischen», sagt Fink. Stattdessen prüfen Forscher, wie Probanden schwierige Problemaufgaben lösen. Die Erkenntnis bisher: «Bei der Kreativität kommt es auf das Stadium des Denkprozesses an. Beispielsweise ist beim Fokussieren und Auswählen von Lösungen der Frontalkortex beteiligt, der grösste Teil der Gehirnstruktur, gerne auch als Regisseur im Gehirn bezeichnet»,

Vor dem Gehirnscan: Nicole Thurn und Psychologe

Andreas Fink am Institut für Psychologie der Uni Graz

Selbstversuch Techno-Wummern,
die Monotonie
Brain-Scan angenehm schläfrig.
mein Hirn brennt. Doch dann macht mich
beim
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so der Forscher. Wenn ich aber meinen Gedanken freien Lauf lasse, ist der Parietalkortex beteiligt, der dahinterliegt, erklärt er. Und: «Wenn ich mir etwas vorstelle oder tagträume, ist der visuelle Kortex, ein Teil der Grosshirnrinde, aktiv. Das kreative Denken ist also sehr komplex, und es sind unterschiedliche Netzwerke von Hirnregionen beteiligt», sagt Fink. Ganz schön vielschichtig. Zwei wesentliche Merkmale von Kreativität in der Praxis sind laut dem Psychologen «die Originalität und die Brauchbarkeit samt Effzienz, um ein Problem zu lösen».

Beides braucht man sogar im Fussball, um überraschende Tore zu erzielen. Finks derzeitiges Forschungsprojekt zu kreativer Lösungskompetenz beim Kicken scheint auch bisherige Erkenntnisse zu bestätigen: «Sport kann die Problemfxiertheit lösen und die kreative Lösungsfndung verbessern», sagt Fink. Regelmässiges Laufen könne chronischen Stress reduzieren – der wiederum ein Kreativitätskiller ist. Bewegung macht Menschen umgekehrt aber noch nicht zu Kreativgenies: «Wir wissen noch nichts über Dosis und Wirkung – und es gibt auch andere Ansätze, die ebenfalls gut wirken», betont Fink. Wichtig sei, sich mit anderen über Ideen auszutauschen, viel zu recherchieren und Kreativmethoden und ­techniken anzuwenden.

Station 2

Nicole sucht nach dem kreativen Gruppenerlebnis

Nur: Welche Kreativitätstechniken sind tatsächlich wirkungsvoll? Ich stosse im Netz auf das Handbuch «Creability», geschrieben von Martin Eppler, Kommunikationsprofessor an der Universität St. Gallen, gemeinsam mit Kollegen. Alle darin beschriebenen Übungen und Methoden haben die Autoren in ihren Kreativund Innovationstrainings in Unternehmen jeder Grösse getestet. Einige haben sie selbst erfunden, andere adaptiert (die besten Techniken siehe creability.ch)

Kreativität habe nichts mit begnadeten Genies zu tun, sagt Martin Eppler. «Sie ist eine Frage des Habitus, der Praktiken und Routinen, die

man etabliert hat.» Er will den Menschen die Ehrfurcht vor dem Thema nehmen: «In unseren Trainings gibt es immer dieselbe Barriere: Die Teilnehmer sagen, sie seien nicht kreativ. Dieses falsche Selbstverständnis hebeln wir schon mit den ersten Einstiegsübungen aus», sagt Eppler.

Als wohl schlechteste Kreativitätsmethode bezeichnet er die weltweit gängigste: das Brainstorming, aus Epplers Sicht ein Tool zur Pseudokreativität. «Spontanes Brainstorming in der Gruppe hemmt die Diversität der Gruppe und erzeugt gerade bei introvertierten Menschen eine Selbstzensur. Und: Man kann schlecht gleichzeitig anderen zuhören, ihre Ideen beurteilen und dann noch selbst eigene Ideen entwickeln», sagt Eppler. Viel besser sei

Brainstorming als klassischer Motor der Geisteskraft? Irrtum!
«Es ist ein Tool zur Pseudokreativität», sagt Kommunikationsforscher Martin Eppler.
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«Bei introvertierten Menschen führt es zur Selbstzensur.»

der Prozess «Think – Pair – Share»: «Allein Ideen sammeln, zu zweit weiterentwickeln und erst dann im Team besprechen.» Er rät ausserdem zu kreativen Aufwärmübungen, ehe man sich ans Ideenentwickeln macht.

Diverse Studien zeigen Eppler zufolge: Überdurchschnittliche Kreativität entsteht, indem eine Idee immer weiter entwickelt wird. «Manchmal muss man Ideen auch zerstören können», sagt er. Auch das üben die Teilnehmer in seinen Trainings: Sie arbeiten 15 Minuten lang an einer Idee, präsentieren sie vor der Gruppe – und müssen sie dann buchstäblich in der Luft zerreissen. «Das verhindert, dass sich die Leute zu sehr in die eigene Idee verlieben.»

Station 3

Nicole sucht nach der Inspiration der Kunst

Aber wie sieht eigentlich eine echte Künstlerin das Thema Kreativität?

Ich treffe Adia Trischler bereits beim Aussteigen aus der U-Bahn, lachend nimmt sie die Airpods ab: «Ich höre gerade einen afrikanischen Beat, der meine Kinder auf die Palme bringt.»

Trischler ist Stylistin, Art Director, Videoregisseurin und Drehbuchautorin, sie gestaltet eine YouTubeSerie über Wiener Plätze – und sie war sogar persönliche Stylistin von Hip-Hop-Ikone Lauryn Hill.

Im Wiener Museumsquartier erzählt Adia Trischler, dass sie sich kürzlich eine Farm mit 40 Hektar Land in New Mexico gekauft hat: «Ein magischer Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Ich will mich dort mit der Natur verbinden und Künstler-Retreats organisieren.»

Trischler wurde in Chicago geboren, wuchs in New York auf, ehe sie der Liebe wegen nach Wien ging. Zwei Kinder und eine Scheidung

später wird sie sich demnächst als Dorfeinwohnerin Nummer 97 zwei Geissen mit ihrem Nachbarn, einem Freund, teilen. Ich bekomme Lust, abzuhauen und es ihr gleichzutun, frei, wild, raus aus dem Alltag.

Was sie mir auch erzählt: Sie ist ein «wandelnder Kreativitäts-Genpool». Adia wurde adoptiert und vor einem Jahr nach einem DNA-Test von ihrer leiblichen Tante kontaktiert. So lernte sie ihre Eltern kennen, die, kurz bevor Adia geboren wurde, ein wildes Partyleben als Künstler geführt hatten. Ihr Vater war auch Art Director. Sie selbst ist in einem streng christlichen Elternhaus gross geworden, gegen das sie als junge Frau rebellierte. Der Zauber liegt also in der Genetik? «Defnitiv», sagt Adia. Und glaubt gleichzeitig: «Jeder Mensch ist kreativ. Als kleine Kinder wollen wir Neues erschaffen, spielen und ausprobieren. Dieser Teil wird irgendwann von uns abgeschnitten. Künstler haben es geschafft, damit verbunden zu bleiben.»

Grüne Wiese, minimalistische Architektur mit viel Glas: der Workation Campus im Nationalpark Gesäuse

Nicole Thurn (r.) mit Art Director und Regisseurin Adia Trischler im Innenhof des Wiener Museumsquartiers
«Ich bin ein wandelnder Kreativitäts-Genpool», sagt Regisseurin Adia.
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Ihr Tipp: «Bleib stets mit deinem inneren Kind verbunden.»

Derzeit arbeitet Adia Trischler an einem Filmprojekt über den Schönheitsfaktor Haar. Dabei streicht sie sich über ihren Zehn-Millimeter-AfroBuzz-Cut und grinst: «It’s too long, I have to shave it.» Ich fühle mich von Adias erfrischender Art belebt, schwebe inspiriert von dannen und spinne noch tagelang Ideen über exotische Orte, an denen ich arbeiten und leben könnte. Bali, Galapagos oder doch New Mexico?

Station 4

Nicole sucht nach dem Motor der Natur

Es muss ja nicht gleich der Umzug in ein anderes Land sein. Manchmal hilft auch ein Ortswechsel, der Urlaub und Arbeit miteinander verbindet: «Workations» sind seit der Pandemie im Trend. Ganz entspannt dort arbeiten, wo andere Urlaub machen, das soll die Synapsen entlüften. Ich beschliesse, meine Kooperationspartnerin Julia zu besuchen.

Sie ist Community & Location Managerin beim österreichischen Start-up Emma Wanderer, das im August am Rande des Nationalparks Gesäuse in Hieflau einen Workation Campus eröffnet hat. Hierher kommen Teams und Führungskräfte, um mitten in der Natur Kreativworkshops und Strategiemeetings abzuhalten. Das Ziel: Erholung, Auslösung neuer Impulse, neuer Ideen, dabei am Lagerfeuer und auf Wanderungen als Team zusammenwachsen.

Julia, die eigentlich in Wien wohnt und den Campus im Sommer als Managerin interimistisch übernahm, hat eine Veränderung an sich bemerkt: «Mein Stresslevel ist heruntergefahren – und das, obwohl ich hier viel weiterbringe und mit tausend Sachen beschäftigt bin», erzählt sie mir über einem Teller österreichischer Chäschnöpfi im urigen Dorfwirtshaus. Ich habe am Vortag mein Tiny House bezogen: weiss geöltes Holz, modernes Bad und Küche, eine Glasfront gibt den Blick auf Bäume und Büsche frei. Hier schreibe ich an Texten, halte Calls mit Kunden und Interviewpartnern ab. In der Pause bin ich mit wenigen Schritten im Wald, vorbei am hölzernen Haupthaus mit den Meetingräumen und dem Coworking Space; ich atme die glasklare Luft fernab der drückenden Schwüle in Wien, lasse mich auf einem bemoosten Felsen nieder und notiere meine Ideen zu einem EventKonzept in mein Smartphone. Etwas später wandere ich durch mannshohes Gras, vor mir erheben sich Berge als Einstieg in den Nationalpark Gesäuse. Zurück im Tiny House, klopfe ich weiter mein Konzept in meinen Laptop. Dann lehne ich mich zufrieden zurück und blicke hinaus ins Grüne. Ich habe mein Tagwerk vollbracht, gefühlt ohne Anstrengung. Tatsächlich ein wenig wie Urlaub.

Selbstversuch
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Licht, Grün, und in der Pause stehe ich einfach im Wald. Alles ist hier so geruhsam – doch die Gedanken fliessen wie ein Gebirgsbach.

Station 5

Nicole sucht nach der Kraft der Entspannung Workations sind schon toll, aber nicht ständig möglich. Was, wenn wir Stress im Job reduzieren und den Freiraum im Kopf ausweiten, indem wir einfach weniger arbeiten? Mir fällt die Firma eMagnetix ein – die Vorzeigefrma hat bereits im Jahr 2018 die 30-Stunden-Woche unter dem Hashtag #30hsindgenug eingeführt. Ich kontaktiere CEO Klaus Hochreiter und vereinbare mit ihm einen Termin für einen Lokalaugenschein.

Bad Leonfelden ist ein beschaulicher Ort nahe Linz, ein Marktplatz mit Eiscafé und steinerner Kirche. Dass dort ums Eck auch einer der innovativsten Arbeitgeber Österreichs samt «Great Place to Work»Auszeichnung beherbergt ist, würde man nicht vermuten. Dank Homeoffce stehen einige Arbeitsplätze bei eMagnetix leer, ausser mittwochs, da ist Bürotag für alle. Hochreiter hat hier 2018 mit seinem Team die 30-Stunden-Woche eingeführt – bei vollem Lohnausgleich. «Wir haben Zeitfresser im Unternehmen identifziert und unsere Arbeitsprozesse zum Teil digitalisiert», erzählt er. Die Mitarbeiter arbeiten fexibel, mit einer Gleitzeit von 9 bis 22 Uhr, und können wöchentlich neu entscheiden, ob sie eine Vier- oder Fünf-TageWoche wollen. Die Produktivität hat laut begleitender Studie um bis zu 34 Prozent zugenommen, ebenso die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Und: «Auch die kreative Problemlösungskompetenz, die wir als Digitalagentur täglich brauchen, ist gestiegen», sagt Hochreiter. Die besten Ideen hat er selbst auf seinen nachmittäglichen Radtouren. Möglich ist das durch viel Freizeit: Zu Beginn seines Unternehmertums hatte Klaus Hochreiter rund 100 Stunden die Woche gearbeitet, heute sind es 35 bis 40 Wochenstunden. «Beim Radfahren und Laufen komme ich auf so viele Ideen, die ich unter Druck am Schreibtisch niemals hätte», sagt er. Seine Frau nennt ihn liebevoll «Diktator»: «Weil ich – zurück vom Sport – meine Ideen sofort ins Smartphone diktiere», erzählt er.

Das Gespräch löst in mir Entscheidungen aus. Erstens: meine Arbeitsprozesse weiter zu automatisieren,

um Zeit zu sparen. Und mein schlechtes Gewissen zu begraben, wenn ich zwischendurch Pause beim Sport oder in der Natur mache – einfach weil Erholungsphasen ähnlich wie bei Athleten Teil der Arbeit sind. Die Kraft der Entspannung sozusagen.

Station 6

Nicole sucht nach der Magie des Moments

Zurück in Wien, lasse ich meinen Ideen Taten folgen und gehe in ein Meditationszentrum, begebe mich in die Obhut von Mona Schramke. Monas Worte schwappen wie sanfte Wogen in den weissen unendlichen Raum zwischen meinen Ohren. Sie spricht vom Boden, der als Fundament Ordnung schafft, und vom luftigen Chaos, in dem auch Freiheit steckt. Ich dehne mich im weissen Raum aus, Stille.

Jetzt höre ich von weither Klangschalen-Sounds an mein Ohr wabern. Dann zischen plötzlich meine Gedanken in den Raum wie bunte Pfeile. Ich denke, dass ich das Denken stoppen muss. Nach der Meditation fühle ich mich entspannt, ein bisschen entrückt. Der Trance-Effekt ist in der Gruppe, samt angeleiteter Meditation, deutlich stärker als bei meinen morgendlichen Meditationen zu Hause. Aber auch dort merke ich: Gedanken fügen sich wie von selbst,

Am Ende am Boden: Nicole Thurn, leicht entrückt, aber hoch inspiriert im Meditationszentrum

Selbstversuch
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Kreativität ist kein Urknall, kein planbarer Kunstgriff. Kreativität ist ein Puzzle mit unzähligen Teilchen, die unsere Denkmuster aufbrechen.

Operation Ooom: Begleitet vom Sound der Klangschalen zischen meine Gedanken

Texte fiessen später leichter. Wichtig ist: Ich darf nicht sofort ins denkstarke Tagesgeschäft überwechseln, dann ist der Effekt rasch verpufft. Die ausgebildete Schauspielerin Mona Schramke kam zur Meditation, weil sie ihre Präsenz auf der Bühne verbessern wollte. Mit ihrem Bekannten, einem Psychotherapeuten, machte sie sich 2011 auf die Suche nach säkularen Meditationskursen in Wien – und fand nichts. Also beschlossen die beiden, selbst Kurse abzuhalten. 2011 gründeten sie ihr Meditationszentrum, das heute Meditas heisst, nahe dem Stephansdom in Wien. Mona legt Wert auf den Begriff «säkular». Es geht darum, wahrzunehmen und anzuerkennen, was gerade ist. «Unsere Kreativität fnden wir, wenn wir uns mit unserer Schöpfungskraft verbinden», sagt sie. Und die fnden wir immer nur im Moment. «Nur sind wir meist mit den Gedanken entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft», sagt sie. Teilnehmer Johannes erzählt, dass er regelmässig an den Gruppenabenden teilnimmt, «um mehr Klarheit zu bekommen. Dadurch werde ich auch kreativer.» Ich beschliesse, demnächst wieder vorbeizukommen.

Denn was mein Experiment zeigt: Egal welche Wege zu mehr Kreativität es sind, sie alle haben ihren Sinn und sind kleine Puzzleteile, die das Leben, das Denken und die Arbeit kreativer machen können. Die eine Lösung gibt es nicht – es sind viele Aspekte, die unsere Denkmuster aufbrechen können; und Inspiration wartet hier tatsächlich an jeder Ecke. So, ich geh dann wieder meditieren und nach der Arbeit laufen. Und danach entsteht dieser Text. Ohne Umwege, ohne Blockaden.

Nicole Thurn ist Journalistin, Consultant und Gründerin des Portals newworkstories.com. Wenn die 43-jährige Steirerin und Wahlwienerin nicht gerade neue Arbeitstrends recherchiert oder irgendwas Verrücktes testet, findet man sie am ehesten im Wienerwald, am Attersee oder am Meer.

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wie bunte Pfeile.
BEYOND THE ORDINARY theredbulletin.com LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL

Guide

von richtig guten Leuten

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INNOVATOR 83 GETTY IMAGES

Grosser Andrang beim Testen virtueller Welten im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern.

Tauch ein ins wilde Wunder!

Die Sonderausstellung der Red Bull Media World «WATER – BREAKING THE SURFACE» macht extreme Wassersportarten und den Hochleistungssport der Red Bull-Stars erlebbar.

Mittendrin statt nur dabei

Defnitiv ein Highlight ist die 360-GradVirtual-Reality-Dokumentation «The Art of Falling», die den High-Diver Jonathan Paredes auf der Red Bull Cliff Diving World Series um die Welt begleitet.

Mit einem einfachen «Hello» begrüsst einen Jonathan, der am Rand eines Lochs steht – über einer Cenote, einer Karsthöhle. Bevor man richtig weiss, was los ist, springt der mexikanische Red Bull Cliff Diving Champion. Später steht man neben ihm auf dem Sprungturm, unten

eine jubelnde Menge. Man möchte ihm noch auf die Schulter klopfen, Mut zusprechen. Und gleichzeitig stillhalten, um seine Konzentration nicht zu stören, während die Spannung steigt. Dann springt er. Und du springst mit. Während Jonathan Drehungen und Salti vollführt, bleibst du an seiner Seite, siehst ihn aus nächster Nähe, rast mit bis zu 85 Stundenkilometern auf das Wasser zu, bis zum Eintauchen. Da hält man automatisch mit die Luft an. Um dann ganz tief durchzuatmen.

High-Diving hautnah

Für Menschen mit Höhenangst mag dieser Gang hart sein – auf die Absprungrampe des Red Bull Cliff Diving-Events in Sisikon am Urnersee. Mit VR-Brille und Kopfhörern ausgestattet, gehst du durch den Gang in der Felswand, dem Original nachgebaut, wie ihn die Top-Athletinnen ebenfalls durchschreiten. Auf der einen Seite die Wand, auf der anderen Seite geht’s steil bergab, im Wasser unten treibt das anfeuernde Publikum auf Booten. Musik, Eventstimmung, und du stehst oben. Traust du dich bis zum Rand der Plattform?

Events
84 INNOVATOR NICOLE RÖTHELI/RED BULL CONTENT POOL, ROMINA AMATO/RED BULL CONTENT POOL ANNA MAYUMI KERBER
Cliff-Diverin Rhiannan I≠ land und Big-WaveSurferin Justine Dupont testen «Icaros Cloud».

Red Bull Media World

Verkehrshaus der Schweiz Luzern Entdecke die interaktiven Erlebnisse von Red Bull im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern: ganz einfach den QR-Code scannen!

Weitere Erlebniswelten

RED BULL THE EDGE

Einmal ganz oben auf dem Matterhorn stehen – das geht mit diesem weltweit einzigartigen VR-Klettererlebnis: Dank moderner TrackingTechnologie, VR-Brille, Windsimulationen und Geräuschkulisse verschmelzen Realität und Simulation in ein einzigartiges Abenteuer.

RED BULL WORLD OF RACING Original-Boliden bestaunen oder in einer F1-Box die grössten Momente Max Verstappens nachempfinden, einen echten F1-Reifenwechsel absolvieren oder mit dem RacingSimulator die bekanntesten Motorsportstrecken der Welt entdecken.

Wellenreiten und Apnoe-Tauchen

Körpereinsatz ist gefragt, bei diesen zwei interaktiven Erlebnissen: Auf der «Icaros Cloud» gilt es, beim virtuellen Wellenreiten das Gleichgewicht zu halten. Mit der «Icaros Pro» tauchst du durch Ringe am Meeresboden einer virtuellen Unterwasserwelt – ein kniffliges Ganzkörper­Workout.

Auch Big­Wave­Surfen ist Thema in der Ausstellung, denn wir kennen und bestaunen sie alle: Fotos und Videos von riesigen Wellen – und die Superheldinnen, die sie reiten. Doch hast du schon mal darüber nachgedacht, dass diese Superhelden auch Helfer haben? Big­Wave­Surfen ist nämlich Teamsport. Die «Water»­Sonderausstellung bringt dich nach Nazaré in Portugal, wo du es mit riesigen Wellen aufnimmst. AR­Technologien und Bewegungssensoren stellen das irre Grössenverhältnis von dir zur Welle dar. Dann stürzt eine der Pro­Surferinnen! Nun liegt es an dir, sie aus dem Wasser zu ziehen.

Was ist 8D­Sound? Etwas für Profs. Für uns Laien, die sich die Kopfhörer vor der eindrücklichen Foto­Slideshow aufsetzen, eröffnen sich, simpel ausgedrückt, neue auditive Dimensionen. Man hört das tosende Rauschen des Sturzbachs, sieht das Brechen der Wellen an schroffen Klippen oder den Hall in einer Eishöhle, wenn die Tropfen fallen. Willkommen in der Wasser­Wunderwelt!

INNOVATOR
Jonathan Paredes bei der Red Bull Cliff Diving World Series in Sisikon
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Die Crew von Alinghi Red Bull Racing an Bord der AC75 trägt die neue Pelagos-Uhr.

Partner für die Bestzeit

Hundertstelsekunden entscheiden beim America’s Cup. Alinghi Red Bull Racing fand einen Uhrenhersteller, der so tickt wie das Team.

Es ist der Gipfel des Segelsports, ein Duell der Giganten zwischen einem Titelverteidiger und einem Herausforderer. Etwa alle vier Jahre werfen sich die besten Segelteams der Welt in die Jagd um den ultimativen Preis: den America’s Cup. Aber hinter all dem Glamour und Drama, all der Action und Emotion steckt noch mehr.

«Es ist ein Wettbewerb der Innovationen», sagt Adolfo Carrau, Designkoordi nator bei Alinghi Red Bull Racing, dem Schweizer Team, das nächstes Jahr am 37. America’s Cup in Barcelona ins Rennen geht wird.

Es ist nicht die erste Teilnahme von Alinghi am America’s Cup. 2003 und 2007 siegte das Team, aber die Partnerschaft mit Red Bull Racing – dem in der Formel 1 führenden Motorsportteam –ist neu. Zwei Institutionen ihres Sports fnden hier zusammen. Im August des nächsten Jahres entfalten sie gemeinsam ihre Kräfte, wenn die Challenger Selection Series darüber entscheidet, welches Team den amtierenden Titelverteidiger, Emirates Team New Zealand, herausfordern darf. Der America’s Cup wird

Wettbewerb der Innovationen.»

oft als Formel 1 des Wassers bezeichnet; Alinghi Red Bull Racing arbeitet auch eng mit den Kollegen auf Rädern zusammen: Man tauscht sich über technische Erkenntnisse aus und lässt Teile in denselben Werkstätten fertigen.

Die besagte Innovation beginnt mit einer «Standard» ­Yacht, sofern man ein Boot im America’s Cup überhaupt als Standard bezeichnen kann. Jedes Team geht mit einem AC 75 ­Foiling­Einrumpfboot ins Rennen. Das 22,8 Meter lange Segelboot kann dank der unter dem Rumpf angebrachten Hydrofoils buch­

Das Alinghi Red Bull Racing AC 75-FoilingBoot vor der Küste Barcelonas, Spanien

Uhren
«Der America’s Cup ist ein
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stäblich über dem Wasser fiegen. Die grundlegenden Parameter sind für alle Teams gleich: die Höhe des Mastes, die Grösse der Segel, der Foils und der Flügel. Darüber hinaus ist alles möglich.

«Wir müssen unsere Grenzen ständig neu verschieben», so Carrau. «Es gibt nicht viele Sicherheitsvorschriften, das heisst, wir können echt coole neue Technologien ausprobieren. Und es geht ziemlich schnell mit den Neuerungen – wenn man den Segelsport mit der Flugzeug- oder der Automobilindustrie vergleicht. Darum arbeiten auch so viele Techniker gerne bei uns.»

Alinghi Red Bull Racing nutzt die leichtesten und kräftigsten verfügbaren Materialien. Wie ein Formel-1-Bolide besteht das Boot zu einem guten Teil

INNOVATOR 87

Das Boot

Eine AC 75 auf dem Mittelmeer vor Barcelona. Es ist das Flaggschiff von Alinghi Red Bull Racing.

aus Carbonfaser und Verbundstoffen, teils aus dem 3D-Drucker. Weitere Materialien: Titan und Edelstahl. «Das Boot ist komplett massangefertigt», erklärt Adolfo Carrau. «90 Prozent der Ausrüstung an Bord konzipieren und ent wickeln wir inhouse. Vom Lack und etwas Hardware abgesehen sind die wenigsten Teile im Handel erhältlich. Wir machen alles selbst und erfnden Dinge komplett neu.»

Beiden Partnern ist es wichtig, dass sie den hohen Anspruch an Detailreichtum, Präzision und Innovation teilen. Als Alinghi Red Bull Racing eine offzielle Armbanduhr für die Teammitglieder suchte, kam daher schnell nur ein Name infrage: Tudor. Der Schweizer Uhrenhersteller blickt auf eine lange Geschichte als Hersteller von Tauchuhren zurück. Seine Pelagos FXD, ursprünglich für Spezialeinheiten der französischen Marine entworfen, gilt als Klassiker.

Die bis 200 Meter Tiefe wasserfesten Pelagos FXD verfügen über eine leicht

Carbon, Titan und Edelstahl: «Das Boot ist komplett massgefertigt.»

lesbare Zahlenscheibe mit klar abgesetzten quadratischen Stundenmarkierungen und Tudors legendären «Snowfake»-Zeigern. «FXD» steht dabei für «fxed» und bezieht sich auf die robusten Textilbänder, die fest in die Gehäusehalterungen eingearbeitet sind und ausschliessen, dass das Uhrband sich unerwartet löst. In vieler Hinsicht ist die Pelagos FXD ohnedies schon die perfekte Uhr für die Besatzung einer rasenden AC 75, aber sie diente – nicht unähnlich dem Foiling-Boot für den America’s Cup – als Vorlage für etwas ganz Neues: die Tudor Pelagos FXD «Alinghi Red Bull Racing Edition».

Uhren
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Mast und Rumpf der AC 75 sind aus Carbonfaser gefertigt, das Gehäuse der Uhr aus einem CarbonVerbundmaterial.

Carbon Stahl

Titan

Die Lünette der Uhr ist aus Titan gefertigt, so wie auch die Hydrofoil-Flügel des Bootes.

Daraus bestehen die Rückseite des Uhrengehäuses, die HydrofoilBlätter und Fixierungen an Deck.

Als Tudor und Alinghi Red Bull Racing 2022 eine langfristige Partnerschaft eingingen, betrat die Schweizer Uhrenmarke Neuland. Es war ihr erster Ausfug in die Welt des Wettsegelns. Die Special Edition sorgte bald noch für eine weitere Premiere: Sie erschien in zwei Designs, «Time Only» und «Chrono». Für Letzteres hat Tudor erstmals in eine Armbanduhr mit fxem Streifenband einen Chronographen eingebaut – also eine Stoppuhr in der Hauptanzeige.

Präzision und Detail

Die in beide Richtungen drehbare Lünette mit Graduierung von 60 hinunter bis 0 besteht aus Titan, die Gehäuserückseite aus Edelstahl, und das Gehäuse selbst ist aus einem eigens entwickelten Hightech-Carbonverbund gefertigt, einem Materialgemisch, das auf Carbonfasern basiert. Das Besondere daran: Diese drei Materialien kommen auch in der AC 75 reichlich zum Einsatz. «Bei diesem Sport kann man nur siegen, indem man menschliche Entschlossenheit und Wagemut mit der neuesten Technologie verbindet», heisst es bei Tudor. «Indem Tudor erstmals einen Hightech-Carbonverbund mit Titan und Edelstahl kombiniert, zelebrieren unsere Uhren die Partnerschaft, die aus dieser Philosophie geboren ist.»

Und die Symbiose zwischen dem Team und dem Zeitmesser reicht weit. Das 22 Millimeter breite Textilband aus einem Stück bietet ein grosses Mass an Robustheit und Komfort. Es trägt die Teamfarben Rot und Blau, eine Halterung aus Titan und einen Mechanismus zum Selbstaufzug. Die Farben fnden sich auch auf der Zahlenscheibe, wo zwischen der 10 und der 2 der Schriftzug von Alinghi Red Bull Racing prangt. Ein Zeitmesser, geboren aus der gemeinsamen Liebe zum Detail.

Die Uhr Pelagos FXD: Tudors Alinghi Red Bull Racing Edition gibt es als «Chrono» (Bild) und «Time Only».

«Beide Organisationen stammen aus der Schweiz. Vor allem aber sind wir auf einer Wellenlänge, wenn es darum geht, wie man an einem Projekt arbeitet», sagt Tudor über die Partnerschaft mit Alinghi Red Bull Racing. «Die Pelagos-Linie ist die leistungsorientierteste Familie der Unterwasseruhren in der Tudor-Kollektion und eine tolle Gelegenheit, eine besonders zuverlässige und passende Uhr für eines der unerschrockensten Yachtsegelteams zu entwickeln, die es gibt.» tudorwatch.com

INNOVATOR
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Gregor Demblin in einem Exoskelett, das es ihm trotz Lähmung ermöglicht, zu gehen.

Zwei Schritte zurück ins Leben

Erster Schritt: Ein Wiener macht den Arbeitsmarkt behindertengerecht.

Zweiter Schritt: Ein globaler Lauf-Event forciert die Rückenmarksforschung.

Es passierte, als Gregor Demblin 18 Jahre alt war: ein Unfall beim Schwimmen in Griechenland. Nottransport ins Wiener AKH. Mehrere Operationen. Dann die Diagnose der Ärzte: Querschnittslähmung. Ohne eine reale Chance auf Genesung. Seither sitzt der heute 45­jährige Demblin im Rollstuhl.

In den ersten Monaten verzagte der Wiener, wurde depressiv, wollte sein neues Leben nicht akzeptieren. Er wusste nicht, wie es mit ihm weitergehen sollte. Und warum. Bis er sich aufraffte und einen neuen Sinn im Leben fand: für jene zu kämpfen, die ein ähnliches Schicksal teilen. Mit mehreren Initiativen verhalf der dreifache Familienvater bereits tausenden Menschen mit Behinderung zu einem Job. Er arbeitete auch mit zahl­

reichen Grossbetrieben zusammen, um innerhalb der Firmen ein Klima der Awareness zu schaffen. ÖBB, Post, Erste Bank und viele andere grosse Unternehmen kooperierten bereits mit Demblin.

Der studierte Philosoph liess parallel dazu nichts unversucht, um selbst einmal wieder gehen zu können. Nach zwei Jahren intensiver Physiotherapie blieb dieses Ziel allerdings unerreicht.

Doch 2017 entdeckte der Wiener das sogenannte Exoskelett für sich, eine komplexe, roboterartige Maschine, die Querschnittsgelähmte am Körper tragen

Mr. Barrierefrei

Gregor Demblin wurde 1977 geboren und ist seit einem Unfall querschnittsgelähmt. Der Wiener ist einer der profiliertesten Social Entrepreneurs im deutschsprachigen Sprachraum.

Seine Firmen Career Moves und myAbility setzen neue Massstäbe im Bereich Barrierefreiheit. Demblin erhielt zahlreiche Preise.

Mobility
90 INNOVATOR ACHIM BIENIEK, PHIL GALE FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN, EKSO BIONICS GUNTHER MÜLLER

Beim diesjährigen Wings for Life World Run starteten 7500 Menschen in der Schweiz und insgesamt 206 728 weltweit.

und dadurch aufrecht stehen und sogar gehen können. Das Exoskelett war für Demblin ein Gamechanger. Endlich konnte er wieder auf Augenhöhe mit anderen kommunizieren. Und genau dieses Gefühl wollte er auch anderen Querschnittsgelähmten ermöglichen. Er initiierte das Projekt «tech2people», das nach mehreren Jahren in Wiener Krankenhäusern ab Herbst 2023 einen fxen Standort in der Wiener Seestadt Aspern haben wird. Dort können Behinderte nicht nur mit dieser hochkomplexen Maschine vertraut werden. Sie erhalten auch modernste Angebote in den Bereichen Neuro­, Physio­ und Ergotherapie. Zusätzlich werden durch ein neues Softwareprogramm auch kleine Erfolge in der Physiotherapie leichter messbar.

Wings for Life World Run

Alle Vorab-Infos zum Lauf-Event 2024: wingsforlifeworldrun.com

Der Lauf der Hoffnung

Um Menschen, die im Rollstuhl sitzen, eine neue Perspektive zu geben, geht es auch beim Wings for Life World Run. Die Idee dahinter: Weltweit nehmen Menschen zur gleichen Zeit an einem Lauf teil, die Einnahmen daraus kommen ausschliesslich der Rückenmarksforschung zugute. Der Wings for Life World Run fand im Mai 2023 zum zehnten Mal statt und war ein Riesenerfolg. Weltweit gab es 206.728 registrierte Teilnehmer, über 52.300 davon in Österreich, die erzielte Spendensumme betrug mehr als fünf Millionen Euro.

Ein Exoskelett stützt den Körper und ermöglicht durch elektrisch betriebene Motoren ein sicheres Stehen und Gehen. Die Arbeit der Muskeln wird teilweise oder auch komplett ersetzt.

Kommendes Jahr fndet der Run am 5. Mai statt, gestartet wird um exakt 13 Uhr MESZ. Die Registrierung zur Teilnahme via App oder einen der physischen Läufe in Städten wie Wien ist noch nicht geöffnet, Vorabinfos gibt es aber bereits.

Mitmachen beim Wings for Life World Run können alle, egal ob sie gehen, laufen oder rollen. Auch die Länge des Runs ist individuell bestimmbar, denn jede/r ist im Ziel, sobald das Catcher Car, die mobile Ziellinie, ihn/sie eingeholt hat. Bis Mai 2024 ist noch ausreichend Zeit, sich für das Event in Form zu bringen. Und Gründe für eine Teilnahme gibt es ausreichend. Denn 100 % der Startgelder gehen an die Wings for Life Stiftung und ihr Ziel, biologische Heilmittel für Menschen mit Rückenmarksverletzungen zu fnden. Und es geht auch um die eigene Gesundheit. Alles in allem ein Riesenschritt.

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Guide der Gründer

So

bis 29. Oktober 2023

«Artificial Realities» ist das Motto des internationalen Festivals der digitalen Kultur in diesem Jahr. Dabei stehen die neuen, virtuellen Realitäten der digitalen Medien im Mittelpunkt. So geht es etwa um die Frage, ob NFT und METAVERSE nur Spielwiesen für Krypto-Zocker sind – oder doch Chancen für die Kunst? DA Z – Digital Art Zürich präsentiert auch in seiner vierten Ausgabe die Wer-

ke und Performances herausragende Künstlerinnen und Visionäre aus allen Kontinenten. Während zehn Tagen sind an unterschiedlichen Orten in der Zürcher Innenstadt Ausstellungen und Performances zu erleben – sowie ein umfangreiches Programm mit Panels, Talks, Workshops und Führungen. Digitale Kunst nicht nur auf dem Smartphone, sondern erlebbar in den Strassen.

da-z.net

November 2023

«Em:powering Impactful Change» – so lautet das Motto des diesjährigen Swiss Impact Forums. Vertreterinnen von Ricola und L’Occitane bis hin zum Frisch-vom-Bauern-Lieferanten Farmy geben hier ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Das Event verspricht spannende Vorträge, Best-PracticeBeispiele, Paneldiskussionen und Deep Dive Sessions. de.blab-switzerland.ch/

und 3. November 2023

Für alle Gründerinnen und Gründer – wie auch künftige – sind die Startup Nights in Winterthur ein Muss. Mit mehr als 1200 Startups und 8000 Besucherinnen und Besuchern zählt dies zu den aufregendsten Events im Schweizer Start-up-Ökosystem: Dutzende Workshops, eine Pitching Competition, Paneldiskussionen und Keynote Speakers. Letztes Jahr war etwa David Heinemier Hansson (Ruby on Rails, Bild unten) zu Gast, dieses Jahr werden Roland Brack (brack.ch), Carsten Koerl (Sportsradar), Janette Wiget (Merantix) und Léa Miggiano (Carvolution) erwartet. startup-nights.ch

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planst du dein Start-up, findest Gleichgesinnte und Partner in der Wirtschaft, rettest das Klima – und entdeckst neue Kunstformen.
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Event - Tipps
Live-Tik-Tok Sessions auf der DA Z – Digital Art Zürich ’22
92 INNOVATOR MORITZ SCHMID, SPORTSFILE, JESSICA BAUMGARTNER UND NOEMI AESCHLIMANN, SANDRA BLASER
Startup Nights 2022 Fireside Chat mit David Heinemeier Hansson

November 2023

Impulse für Neudenken, Umdenken und Kollaborationen: Seit 2006 setzt sich das Swiss Innovation Forum zum Ziel, Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzuführen. Im Congress Center Basel treffen sich Visionäre und Entscheidungsträger, Forscherinnen und Innovatoren. Eine Experience Zone lädt zum Networken ein und bietet Startups die Möglichkeit, interessierte Investoren zu treffen. Zudem werden dort der Swiss Technology Awards in drei Kategorien vergeben: Inventors, Start­ups (Rising Stars) und Industry Innovation.

INNOVATOR

16.

Oktober 2023

Ein Treffpunkt für Gründungsinteressierte sowie aufstrebende und etablierte Unternehmerinnen und Unternehmer ist das Startup Forum St. Gallen. Es findet im Rahmen der grössten und beliebtesten Publikumsmesse der Schweiz statt –OLMA. Man erhält einen Blick hinter die Kulissen von Greenteg und der Brauerei Locher, erfährt mehr über das Konzept von onlinedoktor.ch und die Gründungsgeschichte von ON Running. Beim Networking Lunch kann man wertvolle Kontakte knüpfen. ifj.ch/olma

Motocross-Legende Mat Rebeaud beim Swiss Innovation Forum 2022.

und 25. November ’23

Zwei Tage lang treffen sich 250 Tech­Begeisterte aus der ganzen Schweiz zum Hackaton #herHACK 20.23 auf dem FHNW Campus Brugg/Windisch. Im Fokus des Hackatons stehen Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen – also nachhaltige Entwicklung. In kleinen Teams gilt es, kreative Lösungen für grosse Fragen zu finden – Prototypen zu entwerfen, und diese den Juroren und dem Publikum zu präsentieren. Anmeldeschluss ist der 16. November. herhack.ch

13.

Dezember 2023

Innovation und Unternehmertum stehen auch beim zweiten Talent Pitch im Fokus. Die Idee: Hochschulen und Studierende mit Unternehmen zu vernetzen. Neun Gründerteams von neun Hochschulen präsentieren ihre Ideen und Visionen im Volkshaus Zürich. Wer einen finanziellen Kickstart erhält, entscheidet zu 30 Prozent das Publikum, zu 70 Prozent eine Jury. talent-pitch.org

bis

16. November ’23

24.
7.
swiss-innovation.com 30.
Die New York Times nannte den Web Summit das «Konklave der Hohepriester der TechIndustrie». Jedes Jahr treffen sich die führenden Köpfe der Tech­Branche in Lissabon (Bild unten aus 2022) und diskutieren die Zukunft des Planeten. Mit dabei: Comedian Amy Poehler, Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck und Vizechef von Microsoft, Brad Smith. websummit.com
INNOVATOR 93
Opening Night des Web Summit 2022 in der Altice Arena in Lissabon.

Rot sehen –aber richtig!

Profi-Biohacker Andreas Breitfeld zeigt uns Gadgets, die unser Leben verbessern.

Dieses Mal: wie wir unsere inneren Batterien mit Rotlicht aufladen.

Rot to go –dieses mobile Lichtgerät kann man sich ganz einfach umschnallen.

Dass Licht einen ganz starken Einfuss auf unser Leben hat, wussten schon die alten Ägypter – sie nutzten die natürliche Heilkraft der Sonne schon sehr clever. Heute, tausende Studien später, wissen wir, welcher Anteil des natürlichen Lichtspektrums welche Wirkungen in unserem Körper auslöst. Besonders wertvoll: das Rotlicht, das wir in der Natur während des Sonnenauf­ und ­untergangs wahrnehmen. Die erwiesenen Benefts: ver­

Gadget-O-Meter für jede/n für Freaks

besserte Wundheilung, Linderung bei Darmproblemen und PMS, beschleunigte Regeneration nach dem Sport, Linderung von Entzündungen und Schmerzen und noch vieles mehr. Selbst an der Universität von Oxford nutzt man inzwischen Rotlicht zur Verbesserung des Sehvermögens im Alter.

In meinem Lab steht ein Gerät in der Dimension eines Schneewittchensargs, in dem ich zwei besonders wertvolle Frequenzen (630 und 815 Nanometer) für mich nutze. Zu Hause und auf Reisen verwende ich – genau wie viele meiner Kunden – eine schlaue Alternative: den Flexbeam, ein handliches Gerät, das man sich an der gewünschten Körperstelle umschnallen kann. CHF 450; recharge.health

Andreas Breitfeld nimmt als Biohacker seine Gesundheit manchmal selbst in die Hand – und überprüft für uns und seine Videoserie in seinem Labor Health-Gadgets. Code scannen und ansehen:

Biohacking - Gadget
Wissenschaft Esoterik Schnäppchen Luxus 94 INNOVATOR
KLAUS PICHLER, NORMAN KONRAD

Natürlich erfrischend.

Zutaten aus 100 % natürlicher Herkunft. Einzigartig im Geschmack.

Bio-Er frischungsgetr änk e. K eine Ener gy Drinks. CH-BIO-004

Die Kraft, die aus der Sorge wächst

Unsere Ängste beweisen, wie fantasievoll wir sind –sagt Top-Speaker und Startup-Gründer Ali Mahlodji. Und verrät, wie wir sie produktiv nutzen können.

Es gibt einen grossen Unterschied zwischen uns Menschen und den Tieren. Nein, nicht dass wir ständig am Handy hängen, sondern dass wir in die Zukunft denken können. Wenn Tiere in einer Notsituation sind, fiehen sie, und wenn die Gefahrensituation gebannt ist, gehen sie wieder in den Entspannungsmodus zurück. Sie machen sich nicht, wie wir Menschen, Gedanken über andere mögliche Sorgen, sondern tun, was Tiere tun: essen, schlafen und sich fortpfanzen. Sollten wir Menschen eigentlich auch in erster Linie machen, wenn da nicht unser Gehirn wäre. Wir Menschen haben nämlich die unfassbare Gabe, uns die Zukunft schwarzzumalen, obwohl die meisten unserer Sorgen niemals eingetroffen sind. Diese Fähigkeit, einmal anders betrachtet, ist der beste Beleg für unsere Kreativität: aus dem Nichts geniale Luftschlösser bauen, an die wir auch emotional glauben, sogar wenn diese niemals Teil unserer Realität waren.

Ali Mahlodji

ist ein Meister des Wandels: vom Schulabbrecher zum Start-up-Gründer und Unternehmensberater, vom Flüchtlingskind zu einem der Top-Speaker im deutschsprachigen Raum. Der 42-Jährige ist EU-Jugendbotschafter, Podcaster, Autor – und nun auch Kolumnist.

Seine Beiträge online: redbull.com/innovator

Wer von sich denkt, er oder sie ist nicht kreativ, lügt sich selbst an und vergisst, dass unsere Sorgen nichts anderes sind als eine Idee von einer Zukunft –und wenn wir das positiv nutzen, können wir mit diesem Ding in unserem Kopf die schönsten Dinge erträumen und diese als Ideen in die Welt bringen.

In den letzten zwanzig Jahren meiner Arbeit mit High Performern habe ich ein Muster immer wieder gesehen, und es war eins zu eins dasselbe Muster, mit dem ich alle meine Unternehmensgründungen und Träume verwirklicht habe. Nämlich die Gabe der Visualisierung, die dann durch unser Tun zur Realität wird. Was alle erfolgreichen Menschen gemeinsam haben, ist, dass sie wissen, dass du alles, was du dir vorstellen kannst, auch umsetzen kannst. Ideen und Träume sind keine Schäume, sondern die Basis von allem, was wir in dieser Welt um uns haben.

Starke Muckis, grosse Träume Arnold Schwarzenegger wurde einmal gefragt, was die Essenz seines Erfolges ist, und der Interviewer bat ihn, es in einem Wort zusammenzufassen. Seine Antwort: Dreams, also Träume. Die schöner formulierte Art, eine Idee zu beschreiben, die uns innerlich inspiriert. Das Interessante ist, dass alles, was uns in der modernen Welt umgibt, eines Tages eine Idee im Kopf eines Menschen war. Jedes T­Shirt, jeder Laptop, jeder Schuh, jedes Auto, jede Getränkedose. Diese Dinge waren Gedanken, die sich zu Ideen formten und die heute als echte Materie in unserem Leben einen Einfuss haben. Doch Ideen haben eine Grenze, nämlich unsere Vorstellungskraft. Ansonsten wären Ideen ja grenzenlos, wenn nicht wir Menschen uns Grenzen setzen würden. Aus meiner Arbeit weiss ich, dass diese Grenzen oft den Ängsten unseres Verstandes geschuldet sind: Unser Verstand kann nur denken, was er schon erlebt hat. Wir kennen nur, was unser Verstand erlebt hat. Daher müssen Ideen gross gedacht werden, damit wir unseren Handlungsspielraum automatisch vergrössern.

Eine Faustregel ist, dass du deine Ideen einfach einmal um das Zehnfache grösser denkst. Nicht, weil du grössenwahnsinnig bist, sondern weil der Weg

Kolumne 96 INNOVATOR MATO JOHANNIK

zur Umsetzung einer Idee gepfastert ist mit Hindernissen, Abstrichen und Kompromissen. Daher ist es gut, den grossen Wurf einer Idee zu denken und auf dem Weg der Realisierung bei jedem Abstrich den Grundkern der Idee zu halten.

Immer der richtige Moment

Wir Menschen sind gedanken- und ideenproduzierende Wesen, und was wir uns denken können, das erschaffen wir –im Guten wie im Schlechten; und daher mache ich mir beim Klimathema oder anderen Herausforderungen der Gesellschaft keine Sorgen. Was wir in der Welt mehr denn je brauchen, sind grossartige Ideen, die einen Impact generieren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Europa vor nicht einmal achtzig Jahren, in der Nachkriegszeit, in Schutt und Asche lag und dass es die Ideen der damaligen Generationen waren, die zu Wohlstand und dem Aufbau Europas in wenigen Dekaden geführt haben. Ideen sind das Mächtigste, was wir Menschen haben, und Ideen, deren Zeit gekommen ist, prägen Generationen nach uns; deshalb ist es so wichtig, dass wir unsere eigenen Ideen und die anderer nicht kleinreden, sondern ihnen den Raum geben, den sie brauchen: den Raum der Erlaubnis, dass wir diese Idee ausprobieren dürfen, egal wie oft wir mit ihr vielleicht scheitern.

Als ich whatchado, mein erstes Unternehmen, gründete, musste ich das Ganze viermal neu starten, bevor es unter meiner Leitung als CEO international gross wurde. Als ich mich anderen Ideen widmete und mein Start-up in die Hände meines Nachfolgers legte, wusste ich umso mehr, dass eine Idee erst dann ans Tageslicht kommt, wenn wir bereit sind zu scheitern – und aus diesen Rückschlägen lernen. Erst das Lernen aus den Rückschlägen und das Dranbleiben machen aus einer Idee etwas Handfestes.

Da trennt sich die Spreu vom Weizen, nämlich in die Menschen, die ihre Ideen leben, und die, die auf den richtigen Moment warten. Was die erste Gruppe von Menschen verstanden hat, ist, dass es niemals den richtigen Moment für eine Idee gibt, sondern jetzt anzufangen die Mutter aller Umsetzungen ist, und dass sich Ideen im Laufe ihrer Realisierung auch verändern dürfen.

Herausgeber

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Impressum INNOVATOR 97

Der Weisheit letzter Schluss

Unsere Illustratorin La Razzia –und ihr Blick auf die Welt von morgen

La Razzia

Doris Schamp ist Designerin und Cartoonistin. Sie gewann 2013 den Internationalen Cartoonpreis von Aachen. Schamp, 39, liebt die Abgründe des Humors – und Los Angeles, wo sie einst Cartoonfiguren entwickelte. Wenn sie nicht gerade auf dem Windsurfbrett steht, lebt und zeichnet sie in Österreich: im Salzburger Pinzgau, im Burgenland und in Wien.

LIVION
Comic 98 INNOVATOR LA RAZZIA/DORIS SCHAMP

Es sind die kleinen Dinge, die besonders viel bedeuten.

Der neue vollelektrische Volvo EX30. Unser bisher kleinster SUV begeistert mit einem hochwertigen Innenraum aus recycelten Materialien, einem geringen CO2-Fussabdruck und innovativen Assistenzsystemen –im Kleinen steckt oft wahre Grösse.

volvocars.ch/EX30

Volvo
428
16.3
CO2-Emissionen: 0 g /km. Energieeffizienz-Kategorie: A. A B C D E F G A
EX30, E60 Twin, Electric,
PS/315 kW. Stromverbrauch gesamt:
kWh/100 km,

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