The Red Bulletin DE 03/20

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DEUTSCHLAND MÄRZ 2020, € 2,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

SPRICHST DU DEUTSCHRAP?

Teste dein Wissen im großen Quiz

DAVE BAUTISTA

Wie der Hollywood-Star lernte, seinen Gefühlen zu vertrauen

DIE EIS - EILIGE GETREDBULLETIN.COM

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Short-Track-Star ANNA SEIDEL erklärt, wie sie ihre Aufregung in Kraft verwandelt




LET’S KEEP ON BUILDING STEAM

youtu.be/qKyvk5aww3k

LET’S ON ROL


CLIFF 4×4 ADVENTURE VAN

SUNLIGHT BUILDING DREAMS

Wir sind Erlebnis-Nomaden. Wir lieben das Abenteuer. Und wir tragen Träume in uns, die genauso raus müssen in die Welt wie wir … Deshalb haben wir eine unserer großen Visionen Wirklichkeit werden lassen: Wir haben den ultimativen Adventure Van gebaut – stark, völlig verrückt und absolut einzigartig. Der Adventure Van bringt uns nicht nur überall hin, er ist selbst ein Abenteuer. Unser CLIFF 4 × 4 hat eine Winch auf dem Dach, eine Kletterwand am Heck und einen Kicker an Bord. Die Dusche ist genauso flexibel wie Sofa, Bett und Boomboxen. Man kann die Slackline spannen, das Bike in den Montageständer klemmen und inder Hängematte chillen.

SPRAY

youtu.be/DXlEwb1F3iA

WIR SIND SCHON IMMER GUT DAMIT GEFAHREN,

Unsere Profi-Athleten vom SUNLIGHT Factory Team haben den Adventure Van liebend gern den härtesten Tests unterzogen. Mit ihren Bikes den Ätna befahren war der große Traum von Guido Tschugg & Oli Dorn. Wakeboard-Virtuoso Felix Georgii hat 500 Meter WinchSeil ausgeworfen und die Freeriderinnen Aline Bock & Lena Stoffel hatten Powder-Alarm im WhiteOut.

ZU GEHEN.

KEEP LING. SPLASH

youtu.be/_299645FfOE

Ihre Abenteuer und unseren Adventure Van seht Ihr in den Webisodes – SPLASH, STEAM, SPRAY.

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STEAM. SPLASH. SPRAY.


E DI TO R I A L

WILLKOMMEN

COOL RUNNINGS

Inspiriert von den Beatles posierte die Kult-Band Wanda mit Regenschirmen für uns. Was die Öster­ reicher von den legendären Engländern lernten, liest du ab Seite 56.

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

NEUE KÖPFE FÜR FANTASY-FANS

Wir haben Nachfolger für „Game of Thrones“-Autor George R. R. Martin gesucht. Unsere Kandidaten: ab Seite 88

6

Swag oder Smombie? Welchen Begriff prägte Rapper Money Boy? Diese und weitere Fragen im großen RapQuiz. Ab Seite 64

500 Kilo wirken auf die Knie von Balletttänzern. Forscher wollen die Belastungen reduzieren. Ab Seite 68

ROSIGE AUSSICHTEN

Short-Track-Athletin Anna Seidel brachte ihre Brille zum Shooting mit. Was sie sonst noch zum Erfolg braucht: ab Seite 44 THE RED BULLETIN

RICHARD WALCH/ RED BULL CONTENT POOL, (COVER), FELIX KRÜGER

SCHIRM-HERREN

Von einem Moment auf den anderen kann alles vorbei sein: In kaum einem Sport gilt dieses Prinzip so erbar­ mungslos wie im Short Track. Auf Schlittschuhen ­treten die Athleten auf engen Rundkursen im Pulk an, Millimeter entscheiden über Sieg oder Massen­ crash. Ein nervenaufreibender Kampf, den welt­ weit nur wenige so geschickt beherrschen wie Anna Seidel aus Dresden. Vor der WM in Süd­ korea (13.–15. März) erklärt uns die 21-jährige Athletin ab Seite 44, wie sie lernte, ihre Nervosi­ tät zu umarmen, und warum sie bloß niemand Eisschnellläuferin nennen sollte. Um den Umgang mit Gefühlen geht es auch in unserem Interview mit Hollywood-Bad-Boy Dave Bautista, der ab Seite 36 ungewöhnlich ­offen erzählt, wie er ausgerechnet als Türsteher eines zwielichtigen Nachtclubs lernte, seinen Emotionen zu vertrauen.


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„Radon Slide Trail 10.0 – I steh danebn. Könnt mer net vielleicht irgenwer a Watschn gebn ? Danke, jetzt is mer klor: Es is wohr, es is wohr!“ Steve Schneider

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I N H A LT

24

The Red Bulletin im März 2020

COVERSTORY

44 RISIKO ON ICE

Short-Track-Athletin Anna Seidel erklärt, wie sie ihre Entscheidungen trifft – im Rennen und im Leben.

FOTOGRAFIE

24 GLETSCHER VON INNEN Steig mit Eiskletterer Will Gadd in Grönland hinab in den Bauch des ewigen Eises.

HOLLYWOOD

36 DER SENSIBLE RIESE

Dave Bautista ist mit seinen Gefühlen im Reinen – auch wenn er dafür fluchen muss.

POP

40 SIE IST SO FREI

Wie Sängerin Balbina heute von ihrer Außenseiterrolle auf dem Schulhof profitiert.

42 ECHT STEILE KARRIERE

Wie Paddy Graham vom ­flachen England aus die welt­ weite Freeski-Szene eroberte.

5-MINUTEN-COACH

54 SO LIEST DU GEDANKEN

Thorsten Havener durchschaut Personen schneller als andere. Hier verrät er, wie das geht.

ROCK

Die Wiener Kult-Band über Exzess, Entspannung und die Suche nach dem guten Leben.

10 GALLERY 16 ZAHLEN, BITTE! 18 PLAYLIST

8

52 Ü BER DEN SEE RADELN

Das steckt hinter dem Hydrofoil-Bike Manta5. Plus: Hotel mit positiver Energiebilanz.

HIP-HOP

64 DAS GROSSE DEUTSCHRAP-QUIZ

Von Bonez MC bis Money Boy: Teste dein Wissen über deutschsprachigen Hip-Hop.

HÄNG DICH REIN Eiskletterer Will Gadd über dem eiskalten Abgrund.

44

TANZ

68 LEICHTER DENN JE

Für den Körper ist ­Ballett eine Tortur. Mit Sportwissen­ schaft will man das ändern.

guide DEIN

SKI

56 WANDA-TAGE

INNOVATOR

PROGRAMM

82 REISEN. Allrad in Albanien statt Alltag daheim: ein Abenteuer ­zwischen Bunkern und Bergen 86 F ITNESS. Sauna-Workout mit Lauf-Legende Christian Schiester 88 L ESESTOFF. Wer schreibt das neue „Game of Thrones“?

SCHAU VORAUS Short-Track-Ass Anna ­Seidel hat Olympia 2022 in Peking im Blick.

56

90 E VENTS. Wichtige Termine für die kommenden Wochen 92 E VENTS SPEZIAL. Alles zum ­Fun-Rennen Red Bull Homerun 94 G AMING. Warum du dank „Mario Kart“ unbeschwerter lebst 95 E NTERTAINMENT. Red Bull ­T V-Highlights, live & on demand

19 FUNDSTÜCK 2 0 LIFE HACKS 2 2 CLUB DER TOTEN DENKER

96 IMPRESSUM 9 8 PERFEKTER ABGANG

TREIB’S BUNT Die Band Wanda sucht ­ ptimismus, wo ihn sonst keiner findet. O

THE RED BULLETIN

CHRISTIAN PONDELLA / RED BULL CONTENT POOL, FELIX KRÜGER, DAVID FISCHER, RICK GUEST


68 BEGEHRE AUF Das Royal Ballet London will Ballett neu erfinden – und menschlicher machen.

THE RED BULLETIN

9


10  

GRAEME MURRAY


HUKA FALLS, NEUSEELAND

Ziemlich auf Zack

An dieser Stelle des Flusses Waikato in Neuseeland schießen jede Sekunde 220.000 Liter Wasser durch eine 15 Meter schmale Felsdüse. Zum Vergleich: Mit diesem Wasserdruck könnte man ein olympisches Schwimmbecken in ungefähr elf Sekunden füllen. Und ja, es gibt Kajakfahrer, die Spaß daran finden, einen Weg durch das Inferno zu finden. Dieser hier heißt Zack und ist erst 14 Jahre alt. Instagram: @graememurraynz


LOFOTEN, NORWEGEN

Völlig losgelöst Als Freeskier Sven Kueenle in diesem astronautenhaften einteiligen Anzug aufkreuzte, war für Fotograf Pally Learmond sofort klar, wie das Bild aussehen müsste: schwerelos, wie ein Spaziergang im All. Das mit dem Ausschalten der Schwerkraft bekam der Deutsche dann mühelos hin, für den Sternenstaub im Hintergrund sorgten ein paar vor dem Abflug über die Skispitzen verteilte Schaufeln Pulverschnee. Instagram: @pallylearmond


MARQUESAS, FRANZÖSISCHPOLYNESIEN

Hold the Line Man nehme: eine 370 Meter lange Slackline, gespannt in 72 Meter Höhe über die „baie des requins“ (Haibucht; übrigens heißt sie nicht nur so) auf der Insel Ua Pou in der Südsee, und ­einen Mann wie den Franzosen Nathan Paulin, der es sich bei 50 km/h Wind zutraut, da drüberzugehen. Dann fehlt nur noch dieser magische Moment kurz vor Sonnenuntergang, der all ­diese Zutaten zu einem wirklich ­außergewöhnlichen Bild verschmilzt. Voilà: Jeremy Bernard hat ihn mit ­seiner Kamera erwischt. Instagram: @jeremy_bernard_photography   13


LOS ANGELES, KALIFORNIEN

Über­ irdisch Das irritierend anmutige Licht; der Schatten des Geländers an der Mauer dahinter, der aussieht wie gemalt; und dann macht auch noch einer ganz oben einen Handstand! Obwohl das Foto des Amerikaners Dan Krauss wirkt, als wäre es in einem Paralleluniversum aufgenommen worden, hat sich tatsächlich alles genau so zugetragen. Und kurz darauf wurde Parkourkünstler Joel Fridman-Rojas von einem Sicherheitsorgan aufgefordert, sofort mit dem Blödsinn aufzuhören. Instagram: @DanKrauss 14



Z AHL EN, BI T T E!

SAISONSTART

Brumm, brumm! Die Formel 1 ist zurück! Zum Saisonauftakt in Australien (15. März): die stärksten Zahlen aus der Königsklasse des Motorsports.

Kilo verlieren die Fahrer ­durchschnittlich pro Rennen – die Temperaturen im Cockpit erreichen bis zu 50 Grad.

250.000

68

Dollar war der Diamant an der Nase von Christian Kliens Jaguar R5 beim Grossen Preis von Monaco 2004 wert (ein PRGag). Der Österreicher crashte in der ersten Runde, der Stein ist bis heute verschollen.

Rennstrecken wurden seit Gründung der Serie 1950 in 25 Ländern befahren.

7

18

Weltmeistertitel errang ­ Michael Schumacher, der bislang erfolgreichste F1-Pilot (307 Rennstarts, 91 Siege).

Mechaniker sind bei einem regulären Boxenstopp beteiligt. Bis 2009 waren zwei weitere Mechaniker zum Betanken dabei.

½

80.000

WM-Punkt erzielte die Italienerin Lella Lombardi beim Spanien-GP 1975. Ausser ihr gelang es keiner Pilotin, jemals in der WM-­ Wertung anzuschreiben.

24.

und Letzter wurde der Inder Narain ­ arthikeyan 2011 beim Grossen Preis K von Spanien. Es war der höchste jemals gewertete Rang, weil bei dem Rennen sämtliche ­Teilnehmer ins Ziel kamen.

Einzelteile hat ein F1-Auto.

1,8

4.093.305

Meter lang war die Karriere des Deutschen Ernst Loof: Bei seinem einzigen Start 1953 beim heimatlichen Grand Prix blieb er wegen eines Benzinpumpenproblems gleich wieder stehen.

Live-Zuschauer wurden bei den 21 GPs 2018 gezählt.

16

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

km/h ist die höchste je in einem Rennen erzielte Geschwindigkeit: g­ efahren von Juan Pablo Montoya 2005 in Monza.

4

GETTY IMAGES (4), THOMAS BUTLER/RED BULL CONTENT POOL

372,6

0,09

Sekunden trennten beim ­Grand Prix von Italien 1971 fünf Autos, die hintereinander ins Ziel ­fuhren. Knapper geht’s nicht.



P L AYL I ST

UNDERWORLD

Musik, die dein Hirn beflügelt Karl Hyde ist Musiker, Maler und Videokünstler. Sein Kreativ­ geheimnis? Inspirierende Songs. Hier empfiehlt er vier davon. Das walisische Duo Underworld zählt zu den erfolgreichsten und innovativsten Künstlern der elektronischen Musik: Seit ihrem Mega­ hit „Born Slippy“ 1996 erfinden sich Karl Hyde (im Bild rechts) und Rick Smith mit jedem Projekt neu. Sie haben bereits zehn Alben auf­ genommen, daneben kreieren sie Soundtracks für Filme, Theater­ stücke und Computerspiele. Sie komponierten die Musik zur Eröffnung der Olympischen Spiele in London (2012) und betreiben mit Tomato ihre eigene High-TechKreativagentur. Wovon sie sich ­inspirieren lassen, wenn die Ideen ausgehen? Von Musik, erklärt der 62-jährige Hyde. Genauer: der Musik seiner Helden. Die folgenden vier Aufnahmen bringen seine kleinen grauen Zellen zum Leuchten. Neues Album: „Drift Series One“ ; ­underworldlive.com

Brian Eno

Bob Dylan

Iggy Pop

Kraftwerk

„Brian ist ein spannender Typ, von dem ich bei unserer Zusammen­ arbeit viel gelernt habe, gerade was Inspiration betrifft. Wir erfanden ein Spiel, bei dem wir einander Städte vorschlugen, die der andere besuchen musste: ‚Fahr nach ­Birmingham.‘ – ‚Warum?‘ – ‚Fahr einfach.‘ Raus aus der Werkstatt, rein ins Neuland – dieser Ansatz führt immer zu einer guten Idee.“

„Dylan ist extrem wandlungsfähig und riskiert immer alles. Als er dachte, keiner würde sich mehr für ihn interessieren, ging er so lange auf Tour, bis alle ihn wieder mochten. Ich habe ihn im Sommer im Hyde Park erlebt und finde es irre, wenn Leute sagen: ‚Er ist nicht mehr, was er mal war.‘ Na Gott sei Dank! Von seinem Ansatz kann ­jeder Künstler lernen.“

„Die Art, wie Iggy improvisiert, ist einzigartig: Er betritt das Studio und legt los. In seinem Kopf be­ arbeitet er spontan Erinnerungen an Zeitungsartikel, Bücher und Gespräche. Das setzt er zusammen und kotzt es ungefiltert einfach raus. Das kann man in dem Stück gut hören. Sein Ansatz ist total ­inspirierend, besonders wenn man mit einer Idee nicht weiterkommt.“

„Mit Kraftwerk bin ich aufgewach­ sen – genau wie mit Neu! und Can. Diese deutschen 1970er-Jahre­ Bands haben meine Liebe für ­re­petitive Beats entfacht. Gleich­ klang hat etwas Hypnotisches, das mich in eine produktive Stimmung versetzt. Das sich ständig wieder­ holende Element, das man in ­diesem Track hört, findet sich folg­ lich in allem wieder, was ich tue.“

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Nightclubbing (1977)

Europe Endless (1977)

THE RED BULLETIN

FLORIAN OBKIRCHER

Lily, Rosemary & the Jack of Hearts (1975)

PEROU

Needles in the Camel’s Eye (1974)


DAN WINTERS

CHRISTIAN EBERLE-ABASOLO

F U ND ST Ü CK

„THE WALKING DEAD“

Farben des Grauens Schminkpalette für das Make-up der Zombies in der TV-Serie „The Walking Dead“, USA, 2011 Wir wissen: Untote, die Menschen bedrohen, gibt es nicht. Aber die Zombies in der 2010 gestarteten TV-Serie „The Walking Dead“ sehen so realistisch aus, dass es zum Fürchten ist. Lohn der Übung: zwei Emmys für das beste Make-up, ein Golden Globe für die beste TV-Serie. Neue Staffel: ab 24. Februar bei Sky

THE RED BULLETIN

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L I F E HACKS

SCIENCE-BASTLER

Tricks für Handy-Pics

AUSLÖSER

Knipsen mit Kopfhörer Die Lautstärke-Knöpfe der Ohrenstöpsel als Auslöser verwenden: nie wieder verwackelte Selfies!

Neue Ideen für die Dinge des Alltags, Volume 18: Mit diesen Fotografie-Hacks holst du aus deiner Smartphone-Kamera noch mehr raus.

BLITZ-TUNING

Romantisches Licht Fotos mit Blitz müssen nicht automatisch hässlich aussehen: So leuchtest du jedes Indoor-Foto sanft aus.

SCHWEBE-EFFEKT

Nur Fliegen ist schöner Wirkt mit Himmel als Hintergrund am besten: Telefon knapp an eine Stufe legen und Selbstauslöser aktivieren.

1 Finde heraus, wo auf deinem Smartphone das Objektiv, der ­Sensor und der Blitz liegen. Decke Objektiv und Sensor mit Klebeband ab. Nur der Blitz bleibt frei.

Ein Fuß schwebt über dem Objektiv, die Ferse des anderen Fußes steht fest, ist aber im Bild abgeschnitten.

2 Das Telefon waagrecht auf den Tisch legen. Von einer weißen (!) Kerze einen Wachstropfen direkt auf den Blitz tropfen.

FATA MORGANA IM SPIEGEL

Die Klebebänder wieder entfernen.

Spukhafte Verdopplung Die Panorama-Funktion nimmt viele Bilder hintereinander auf. So kannst du auf einem Foto zweimal erscheinen.

SASCHA BIERL

4 Mit Klebeband den Wachstropfen fixieren. Das Blitzlicht wird so besser im Raum gestreut. Mit der Pano-Funktion langsam über die Person vor dem Spiegel schwenken. In der Mitte des Schwenks dreht die sich schnell zum Spiegel und macht etwas Charakteristisches mit den Händen.

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THE RED BULLETIN

CLEMENS MAKANAKY

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D E R C LUB DE R TOT E N DE NK E R

FRIEDRICH SCHILLER

Macht Gaming mich zu einem besseren Menschen? Die größten Denker aller Zeiten beantworten Fragen unserer Gegenwart, übermittelt durch den Philosophen Christoph Quarch. Diesmal: Friedrich Schiller verrät, wie wir spielend menschlicher werden.

A

ch, das Spielen – wie habe ich es doch ge­ liebt! Als junger Mann spielte ich nächtelang Karten, und so manchen Einfall zu einem Gedicht habe ich auf einer Spielkarte notiert. Später dann, als ich bei Caroline und Charlotte – meiner ­späteren Frau und ihrer Schwester – ein und aus ging, da liebten wir es, zu dritt Blinde Kuh zu spielen. Oh, das hatte einen leicht frivolen Reiz, den ich nicht leugnen kann und auch nicht leugnen möchte. Doch zu meiner Zeit, im späten 18. Jahrhundert, spielten alle. Und die anzüglichen Spiele schätzten wir am meisten.

Vielleicht fragt ihr nun: Was meint der Schiller, wenn er sagt, nur Schönheit sei ein würdiger Gegenstand des Spielens? Nun, ich meine nicht etwas, das hübsch an­ zusehen wäre. Sondern dasjenige, was den Eindruck erweckt, ganz in sich zu ruhen. Etwas, was um keines äußeren Nutzens willen da ist, sondern sich selbst genügt. Denkt dabei an eine schöne Musik. Sie folgt keinen äußeren Zwängen und Gesetzen. Sie ist einfach nur sie selbst. Und ebendeshalb ist sie schön. Und be­ denkt: Wir sagen nicht zufällig, Musik werde gespielt. Spiele sind also gerade dann sinnvoll, wenn sie für das Alltagsleben vollkommen nutzlos sind. Bei solchen Spielen kann man sich selbst vergessen – und sich ­genau deshalb frei und wirklich menschlich fühlen. Bei Glücksspielen ist das anders. Da spielt man nicht um des Spielens willen, sondern weil man sich das schnelle Geld erhofft. Ähnlich ist es bei dem, was man bei euch „Gamification“ nennt. Da wird etwas als Spiel verpackt, um etwas zu erreichen, was nichts mit dem Spiel zu tun hat. Dabei werden Spiele instrumentalisiert, und das nimmt ihnen die Schönheit. Manchmal ist das vielleicht ge­ recht­­fertigt, etwa bei Lernspielen für Kinder, manchmal aber geht es nur darum, den Spielern still und heimlich bestimmte Verhaltensweisen anzu­ trainieren. Solche Spiele nehmen euch die Freiheit, statt sie euch zu schenken.

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FRIEDRICH SCHILLER (1759 – 1805) ist den meisten als Dichter und Dramatiker bekannt. Tatsächlich aber sind seiner Feder eine Reihe bedeutender Schriften zur Theorie von Kunst und Schönheit zu verdanken. Mit ihnen wurde er zum Wegbereiter der Romantik, deren Vordenker sich vor allem von Schillers in den Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ vorgetragenen ­Gedanken über die Bedeutung des Spielens inspirieren ließen. Mit seiner These, der Mensch sei nur da ganz Mensch, wo er spielt, wurde Schiller zudem zu einem Pionier der ­Lebenskunst-Philosophie des 20. Jahrhunderts.

THE RED BULLETIN

CHRISTOPH QUARCH

Denn es gibt viele verschiedene Spiele, darunter auch solche, von denen ich nicht behaupten möchte, sie zu spielen bedeute, wahrhaft Mensch zu sein. An welche Spiele ich dabei denke, steht in einem meiner Briefe „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“: Der Mensch soll nur mit der Schönheit spielen. Davon kann ich bei einigen der bei euch gängigen Spiele nichts entdecken. Vor allem dann nicht, wenn es dar­ um geht, Geld zu gewinnen. Wettspiele zum Beispiel, oder Glücksspiele am Automaten.

Ich weiß, dass Blinde Kuh heute nicht mehr so hoch im Kurs steht und jeder­ mann mit seinem Computer spielt. Ich will das auch keinem ausreden, aber gebt acht, dass diese Spiele euch nicht mehr fesseln als beleben; dass sie euch nicht süchtig machen, sondern euch die Chance geben, für eine Weile in eine gänzlich zweck­ freie, fantasievolle Zauberwelt einzutauchen.

BENE ROHLMANN

„ Schön ist das Spiel, weil es für das Alltagsleben nutzlos ist; und weil du als Spieler frei bist, dich selbst im Spielen vergisst.“

Ist also etwas dagegen einzuwenden, dass erwachsene Menschen spielen? Gewiss nicht, kann ich nur sagen, denn – wenn’s erlaubt ist, dass ich mich an dieser Stelle selbst zitiere – der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt. Womit auch die Ant­ wort auf die mir gestellte Frage ausgesprochen wäre. Doch ganz so leicht will ich es mir nicht machen. Schon als ich im Jahre 1792 diese Worte schrieb, haben sie nur wenige verstanden. Deshalb scheint es mir geboten, in groben Strichen darzulegen, von welcher Art des Spiels ich denke, dass es unbedingt zu einem guten Menschen­ leben nötig ist.


FRIEDRICH SCHILLER (1759–1805)

Dichter, Philosoph, Ur-Gamer: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ THE RED BULLETIN

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GRÖNLAND ON THE ROCKS Der kanadische Eiskletterer WILL GADD hat sich an einen Ort vorgewagt, an dem vor ihm noch niemand war: in eine Gletschermühle tief im Bauch Grönlands. Text ANDREAS WOLLINGER  Fotos CHRISTIAN PONDELLA


Kathedrale aus Eis Das ist ein Lieblingsbild von Fotograf Christian Pondella: Es fasst das Surreale und die Einzigartig­keit der Klettertour im Eisschild Grönlands auf eindrucksvolle Art zusammen.

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„Nach einem halbstündigen Flug setzte uns der Heli ab: nur flaches Eis, so weit das Auge reichte.“


Wüste in Weiß Eine Gletschermühle entsteht, wenn Schmelzwasser von der Oberfläche in die Tiefe sickert. Ihre Beschaffenheit erzählt eine Menge über das Abschmelzen des Eisschilds im Zuge des Klimawandels.

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Der Eiskönig Will Gadd, 52, muss nichts mehr beweisen. Als Eiskletterer hat er alles be­

wältigt, was denkbar ist – so ist es ihm etwa 2015 als Erstem gelungen, die Niagarafälle zu bezwingen. Warum ihn Grönland von innen interessierte? Ganz einfach: weil dort noch keiner gewesen war.

Ilulissat, Grönland

Das Dorf am Ende der Welt im Westen Grönlands war der Ausgangspunkt der „Beneath the Ice“-Expedition. Es liegt an der bekannten Diskobucht.


Ab ins Ungewisse Die „Moulins“, wie Gletscher­ mühlen im Fachjargon heißen, er­ wiesen sich als bedeutend größer und gefährlicher als ursprünglich gedacht. Besonders deshalb, weil ständig Eis abbricht und in die Tiefe stürzt. Wenn dich so ein Brocken trifft, dann gute Nacht.

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Eislaufplatz, senkrecht Steil fallen die Wände Richtung Abgrund ab, bevor nach rund 90 Metern der Boden erreicht ist. Ganz unten gibt es Wassertümpel, in denen Will Gadd eigentlich tauchen gehen wollte. Daraus wurde aber nichts: zu gefährlich.

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„Ich feiere jeden Moment, in dem ich intensiv leben kann. Hier zu klettern fĂźhlt sich sehr lebendig an.“


In seinem Element Will Gadd klettert aus dem A ­ bgrund und lässt es aussehen, als wär’s ganz einfach. Den Soundtrack dazu kann man sich als permanentes ­Krachen, Knacken und ­­­Stöhnen des Eises vorstellen.

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Licht ins Dunkel Will Gadd und Jason Gulley, ­Professor an der University of ­South Florida, am Grund der ­Gletscherhöhle. Die Expedition brachte wichtige Erkenntnisse ­ für die Klimaforschung.


Aufwärmen am Eisberg

Bevor es in die Tiefe des Eisschildes ging, kletterte sich Will Gadd auf einigen Eisbergen vor der Küste Grönlands ein. Für Fotograf Christan Pondella ergab das ein paar wirklich großartige Motive.

THE RED BULLETIN

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Dave Bautista

Text RÜDIGER STURM

Ob in „Guardians of the Galaxy“, „James Bond: Spectre“ oder „Blade Runner 2049“ – Schauspieler Dave Bautista ist die Idealbesetzung für den Kämpfer mit Seele. Das ist kein Zufall: Der 51-jährige Ex-Wrestler (1,98 Zentimeter, 132 Kilo) ist unter schwierigen Umständen aufgewachsen und sah sich lange gezwungen, seine wahren Gefühle zu unter­ drücken. Nach Jahrzehnten der Übung weiß er heute, wie wichtig es ist, sein Herz auf der Zunge zu tragen. Wo er einen gesunden Umgang mit seinen Emotionen lernte? Standesgemäß als Rausschmeißer in einer Diskothek in einem zwielichtigen Viertel. the red bulletin: In „Der Spion von nebenan“ spielen Sie einen CIA-Agenten, der es mit einem naseweisen Mädchen zu tun bekommt. Ihre Partnerin war die elfjährige Chloe Coleman. Konnten Sie von ihr etwas lernen? dave bautista: Oh ja. Sie war einer der professionellsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Ich konnte mir meistens meinen Text nicht

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merken, und sie beherrschte ihren aus dem Effeff. Deshalb bat ich sie, auch meine Zeilen zu lernen, damit sie mir notfalls einsagen kann. Aber was ich wirklich an ihr liebe, ist, dass sie bei aller Professionalität ein Kind geblieben ist. Sie will eines sein und ihre Kindheit genießen! Steckt in Ihnen auch etwas von ­einem Kind? Aber klar. Ich versuche, mich wie ein Erwachsener zu verhalten, aber gleichzeitig nehme ich das Leben nicht zu ernst. Ich würde mich zum Beispiel nie in einen normalen Bürojob zwängen lassen. Da verlierst du nur die Tuchfühlung mit deinem Ich. Was ich an Kindern ganz besonders mag, ist, dass sie völlig offen und ehrlich sind. Sie sprechen aus, was sie fühlen – ohne Filter und ganz unverstellt. Tun Sie das auch? Jetzt schon. Ich bin ein sehr emo­ tio­naler Mensch – das muss ich von meiner Mutter haben, die ist noch extremer drauf als ich. Aber es gab eine Zeit in meinem Leben, in der mir das peinlich war und ich meine Gefühle zu kontrollieren versuchte – das war allerdings vollkommen aussichtslos. Dann habe ich begriffen: Solange du niemandem wehtust, ist

Der Schlüssel besteht also darin, seine Gefühle zu akzeptieren? Exakt. Sorge nur dafür, dass sie den richtigen Weg nehmen. Und bleibe offen dabei. Du kannst von etwas leidenschaftlich überzeugt sein, aber es gibt immer Leute, die eine andere Meinung haben. Hör dir die an, vielleicht findest du raus, dass du doch falschliegst, oder du gehst einen Kompromiss ein. Sei leidenschaftlich, sei ehrlich, aber nicht verbohrt. Leichter gesagt als getan, aber das ist das, was ich im Laufe der Zeit für mich herausgefunden habe. Wie leidenschaftlich Sie sein können, hat man im Fall von James Gunn, dem Regis­seur von ­„Guardians of the Galaxy“, erlebt. Das ­Studio wollte ihn feuern, weil er vor Jahren mal anzügliche Tweets verbreitet hatte, aber Sie traten öffentlich für ihn ein … Es gab Leute, die ihre Bedenken hatten, weil ich das so offen getan habe. Und ich dachte auch, dass mir das vielleicht schaden kann. Aber der Punkt ist: Wenn du genau weißt, was das Richtige ist, und du tust es trotzdem nicht – zu was für einem Menschen macht dich das? Ja, es war riskant, aber es war mir egal. Ich wollte meinen Freund verteidigen, weil er das brauchte. Und ich war völlig ­davon überzeugt. Keine einzige Sekunde habe ich daran gezweifelt. Haben Sie überhaupt je Selbstzweifel? Das kann ich nicht sagen. Wenn ich mal einen Schritt aus meiner Komfortzone mache, dann spüre

THE RED BULLETIN

RÜDIGER STURM

Wann immer sie in Hollywood den Typ „sensibles Muskelpaket“ brauchen, ist Dave Bautista die erste Wahl. Hier erklärt der 51-Jährige, wie er auf Tuchfühlung mit sich selbst bleibt und warum er dafür fluchen muss.

FRANCINE ORR/LOS ANGELES TIMES VIA CONTOUR RA

„Du musst zu deinen Gefühlen stehen“

es völlig okay, emotional und auch mal wütend zu sein. Ich weiß, dass ich meine Gefühle nicht mit Fäusten auszudrücken brauche, ich kann das auch mit Worten tun. Und so darf ich ruhig mein Herz auf der Zunge tragen.


„Ich verhalte mich erwachsen, nehme das Leben aber nicht zu ernst.“ Dave Bautista über den Wert seines inneren Kindes

THE RED BULLETIN

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Dave Bautista

CIA-Agent JJ (Dave Bautista) steht im Film „Der Spion von nebenan“ nach einigen Vorfällen kurz vor dem Rauswurf. Als letzte Chance soll er das Haus einer Familie überwachen. Als deren neunjährige Tochter Sophie (Chloe Coleman) den Spion entdeckt, verspricht sie dichtzuhalten – unter der Bedingung, dass JJ sie zur Spionin ausbildet. Ein ungleiches Duo nimmt die Zusammenarbeit auf … Kinostart: 12. März

ich Angst. Das ist ganz normal. Aber mehr Angst habe ich davor, etwas nicht auszuprobieren. Sie haben zwei fast erwachsene Töchter und einen zwölfjährigen Sohn. Wie haben Sie gelernt, ein guter Vater zu sein? Von meinem Vater – indem ich versuchte, ein anderer Vater zu sein als er. Ich wollte nicht die glei­ chen Fehler wie er machen, denn er war wirklich furchtbar. Was ich bei meinen Töchtern gelernt habe, war, dass ich irgendwann nicht mehr Verantwortung für ihre Fehler übernehmen kann. Ich musste einen Schritt zurück machen – etwas, was alle Eltern früher oder später lernen müssen. Für den zwölfjährigen Sohn von meiner geschiedenen Frau wür­ de ich hingegen gerne mehr da sein. Er ist sehr unsicher, hinterfragt sich ständig. Er ist einfach ein kleiner Mann, der sich im Leben zurecht­ zufinden versucht.

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Was wollen Sie ihm weitergeben? Er hängt ständig mit seinem Smart­ phone herum, schaut YouTube oder spielt Videospiele. Das finde ich nicht gut. Ich verstehe den Wert des technischen Fortschritts, aber Kinder dürfen sich nicht abkapseln. Sie müssen das Leben und die Natur kennenlernen. Das habe ich als Kind auch gemacht. Ich möchte, dass er sich mehr mit anderen Menschen beschäftigt, nur so kann er sich ­weiterentwickeln. Hört er auf Sie? Ja, aber ich muss es ihm ständig sagen. Deshalb will ich jetzt in sei­ ne Nähe ziehen, damit ich besser Einfluss nehmen kann. Wenn ich ihm das sage, dann ist er erst mal irritiert, aber wenn er dann zehn ­Minuten von seinem Telefon weg ist, ist er glücklich und zufrieden. Und was haben Sie von Ihren ­Kindern gelernt? Da müsste ich nachdenken. Ich bin versucht zu sagen, dass ich von ihnen Geduld gelernt habe. Aber streng genommen stimmt das nicht. Ich habe Geduld gelernt, als ich 13 Jahre lang als Rausschmeißer in Nachtclubs gearbeitet habe. Daher würde ich sagen: Ich warte noch auf den Tag, an dem mein Sohn mir etwas beibringt. Dann werde ich sehr stolz sein. Aber bis dahin muss ich mit gutem Beispiel vorangehen.

Sie haben ja angedeutet, dass Ihre Kindheit eher schwierig war. Oh ja! Es gab Zeiten, da hatte ich nicht einmal was zu beißen.

„Ich bin emotional, meine Mutter ist aber noch extremer.“ Würden Sie sie gegen eine glück­ liche Kindheit tauschen wollen? In keiner Sekunde. Ich habe durch diese Erfahrungen gelernt, beschei­ den und mit wenig zufrieden zu sein. Ja, ich war von Armut und Ge­ walt umgeben, aber ich hatte auch großartige Zeiten. Und all das hat mich zu dem gemacht, was ich bin: ein Kämpfer.

THE RED BULLETIN

COURTESY OF STXFILMS

Die Kleine und das Biest

Beim Dreh zu „Der Spion von ­nebenan“ haben Sie das aller­ dings nicht getan. Da musste jedes Teammitglied, hört man, beim Gebrauch von Schimpfwörtern in einen Topf einzahlen … Tja, da habe ich eine Stange Geld verloren. Wenn viele Kinder am Set waren, habe ich versucht, mich ­zurückzuhalten. Andererseits: Ich bin, der ich bin. Ich komme von der Straße, ich war Wrestler. In so einem Milieu benutzt du nun mal solche Ausdrücke. Das ist ein Teil von mir. Ich versuche, es auf eine Art und Weise zu tun, in der sich niemand verletzt fühlt – einfach nur, um meine­ Gefühle rauszulassen. Denn wie ich schon sagte: Du musst zu deinen Gefühlen stehen.


Was nicht passt, wird auch nicht passend gemacht. Wer frei denken will, braucht kontroverse Standpunkte und diskursfähige Positionen.–Diese finden Sie seit 70 Jahren täglich in der Frankfurter Allgemeinen.

Freiheit hat viele Seiten. Jetzt mehr erfahren und testen. freiheitimkopf.de

Frankfurter Allgemeine

Freiheit beginnt im Kopf.


Balbina

„Freiheit ist alles für mich“ Balbina hat Straßenrap-Vergangenheit und ist die wohl eigenwilligste Popmusikerin des Landes. Ein Gespräch über Mobbing, Machos und den Mut zur Unabhängigkeit. Text BJÖRN SPRINGORUM  Foto CHRISTOPH KASSETTE

In eine Schublade stecken lässt sich Balbina Monika Jagielska nicht so leicht. Angefangen hat die heute 36-Jährige mit hartem Straßenrap im Rahmen des Berliner Kollektivs Royal Bunker. 2015, als ihr zweites Album „Über das Grübeln“ erschien, ging sie mit Deutschrock-Legende Herbert Grönemeyer auf Tour. Jetzt, knapp fünf Jahre später, liefert sie mit einem verwunschenen Rammstein-Cover („Sonne“) den Song zu einer Kampagne des US-Sportartikelriesen Nike – als erste deutsche Künstlerin überhaupt. Seinerzeit, als ihre Eltern von Polen nach Berlin zogen und sich bald darauf scheiden ließen, wusste sie noch nicht, dass ihre Erfahrungen als Außenseiterin einmal ihre Stärke sein würden. the red bulletin: Wann hast du dich erstmals als Außenseiterin gefühlt? balbina: Ich kann mich nicht er­ innern, dass ich mich jemals nicht so gefühlt habe. In der Schule war ich

immer die Außenseiterin, ich habe viel gelesen, war still – die anderen konnten nichts mit mir anfangen. Da wird man schnell zur Zielscheibe.­ Ich wurde extrem beleidigt und fertiggemacht, jeder Tag war eine Qual. Ich hoffte einfach nur, dass der Schultag schnell vorübergeht. Als Teenager ist man wahrscheinlich noch nicht in der Lage, solche Erfahrungen als Chance zu sehen. Das stimmt. Lange habe ich darin nur mein eigenes Unvermögen ge­ sehen. Aber ich habe es überstanden.­ Damals habe ich gelernt, mich auf das zu konzentrieren, was ich kann. Was mich glücklich macht. Ich habe früh damit angefangen, Gedichte und Songs zu schreiben. Irgendwann merkte ich, dass ich gar nicht versuchen musste, in einen bestimmten Rahmen zu passen, sondern dass ich mir meinen eigenen Rahmen schaffen musste. Das ist ein Prozess, der immer noch nicht abgeschlossen ist. Helfen dir deine Erfahrungen heute, mit Kritik und der allgegenwärtigen Häme in den sozialen Medien umzugehen? Ja, ich habe Hass abbekommen, und das nicht zu knapp. Wenn mich heute jemand hassen will, denke ich: nicht mein Problem. Ich habe

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mir ein echt dickes Fell angeeignet. Ohne das wäre ich längst nicht mehr in der Musikbranche. Heute interessiert mich überhaupt nicht, was irgendjemand über mich denkt. Nach der Schule hast du in der Berliner Deutschrap-Szene Fuß gefasst, die männerdominiert ist. Warst du da auch Außenseiterin? Interessanterweise nicht. Ich hatte damals Rückenwind und Unterstützung von allen Seiten. In der Rap-Szene spielen viele mit MachoKlischees, in Wahrheit sind die meisten wahnsinnig offen. Klar gibt es schwierige Typen. Aber ehrlich gesagt: Ich habe mehr mit solchen zu tun, seit ich zu einem Major-Label gewechselt bin. Du hast die radikale feministische Rapperin Ebow als Gast auf dein Album eingeladen und coverst „Sonne“ von Rammstein. Beides steht nicht für Mainstream-Pop. Ist es dir wichtig, mit solchen ­Entscheidungen Unabhängigkeit zu demonstrieren? Ja, auch die Gründung meines ­eigenen Labels „Polkadot“ war ein Schritt in diese Richtung. Ich war es leid, meine Entscheidungen erklären und rechtfertigen zu müssen. Damit habe ich viel zu viel Energie und Zeit verschwendet. Freiheit ist alles für mich. An vielen Orten auf der Welt haben Menschen nicht die Möglich­ keit, sich so zu verwirklichen wie ich. Es ist wichtig, sich dieser Freiheit bewusst zu sein und sie auszuleben. Heute weiß ich: Man muss nicht sich verbiegen und anpassen. Sondern die Umstände. Balbinas aktuelles Album „punkt.“ ist im Januar erschienen.

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„Ich war es leid, meine Ent­ scheidungen erklären zu müssen.“ Als Musikerin und Label­gründerin arbeitet Balbina in selbst aufgebauten Strukturen.

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Paddy Graham

„Ich dachte mir: Das ist krank. Das will ich auch.“ Paddy Graham über seine ersten Begegnungen mit Freeskiern

British Airways Paddy Graham zählt zur Weltelite der Freeskier. Das Besondere daran: Er ist Engländer. Und hat erst mit elf Ski fahren gelernt – auf einer künstlichen Piste. Text HUGH FRANCIS ANDERSON  Fotos GIAN PAUL LOZZA

Vor gut zwei Jahren wollte Paddy ­Graham einen Weltrekord aufstellen – das Ziel war, bei einem Sprung länger als vier Sekunden in der Luft zu bleiben. Man hatte ihm für diesen Zweck im italienischen Livigno in gut vier ­Wochen Arbeit eine Riesen­ schanze aus 100.000 Kubikmeter Schnee gebaut. Beim ersten Versuch rast Graham mit 117 km/h über den Kicker, springt und landet sicher. Aber „schon“ nach 3,8 Sekunden. 42

Beim zweiten Versuch wählt er eine noch waghalsigere Anfahrts­ geschwindigkeit. Nach 4,5 Sekunden schlägt er aus 30 Meter Höhe auf der Piste auf. Die Folgen: gerissenes Kreuzband und kaputter Meniskus im einen Bein, ein gebrochener ­Knöchel im anderen. Nur ein Detail macht die Aktion noch verrückter, als sie ohnehin war: Paddy Graham ist nicht mit Skiern an den Beinen aufgewachsen

– so wie die meisten anderen aus der Freerider-Weltelite. Er ist Engländer. Geboren in Sheffield, einer Industrie­ stadt im Herzen des Landes. Hier gibt es keine hohen Berge und selten Schnee. Aber es gab die größte künstliche Skipiste Europas, ausgestattet mit Half- und Quarter­ pipe, Kicker und Grindrails – sie ist inzwischen leider abgebrannt. Dort lernte Paddy Graham mit elf Ski ­fahren – bloß weil er jeden anderen Sport langweilig gefunden hatte. „Ich sah Menschen mit Skiern sprin­ gen und Tricks machen und dachte: Das ist krank, das will ich auch.“ Und dann ging alles ganz schnell. „Am Anfang war’s ein Kampf“, erinnert sich Graham heute grinsend. „Aber meine Lernkurve stieg rasch an.“ Natürlich haben die Älpler an­ fangs über den fliegenden Briten ge­ lacht – aber nicht lange. Inzwischen gilt G ­ raham als mit Abstand bester Freerider Englands. 2009 ist er nach Innsbruck übersiedelt und hat dort mit Freunden die Gruppe „Legs of Steel“ gegründet, mit der er spekta­ kulären Film-Content herstellt. Der jüngste Film wurde in Japan gedreht. Er heißt „121“, in Anleh­ nung an ein neues Skimodell der Marke Völkl. Dieses wurde mit Input von Legs of Steel entwickelt. „Er kann Freeride, Tiefschnee, Back­ country-Sprünge und Skitouren“, schwärmt Graham, „ein wahrer Gamechanger.“ Graham meint den Ski. Er könnte das auch von sich selbst sagen. legsofsteel.film THE RED BULLETIN


ALPHATAURI.COM


DIE EIS-EILIGE Rasantes Tempo, packende Duelle, spektakuläre Stürze: Short Track ist die aufregendste Sportart auf Eis. Top-Athletin ANNA SEIDEL erklärt, wie Nervosität ihr dabei hilft, riskante Entscheidungen zu treffen – auf der Bahn und im Leben. Text DOMINIK SCHÜTTE  Fotos FELIX KRÜGER


Born to skate: Schon im Alter von 15 Jahren debütierte Anna Seidel bei Olympia.

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„Ich brauche die Nervosität, um fokussiert und wachsam zu sein.“ Anna Seidel lernte, ihre Aufregung in eine Stärke zu verwandeln.


the red bulletin: Anna, dein Insta­ gram-Name ist „Dark­redgrape“. Was hat es denn auf sich mit dir und dunkelroten Weintrauben? anna seidel: Ich liebe sie einfach! Ich hab ja früh mit Instagram begonnen, dennoch war „Anna Seidel“ bereits ver­ geben. Nun bin ich nicht der Typ, der sich „AnnaSeidel13“ nennt. Deswegen habe ich „Dark­redgrape“ ausprobiert. War frei, super. ­Irgendwann wollte ich zu meinem Namen zurück, aber da hatte sich Darkredgrape schon durchgesetzt.

RICHARD WALCH/RED BULL CONTENT POOL

W

ie eingefroren steht sie da. Die Augen weit aufgerissen, aus dem Mund kommen stoßweise Atemwölkchen, unter ihren Füßen be­ finden sich rasiermesser­ scharfe Kufen. Genau wie bei ihren Gegnerinnen nebenan auf der Eisbahn. Kaum knallt die Startpistole, katapultieren sich Anna Seidel und ihre Konkurrentinnen mit schnellen Schritten über die Startlinie. Nur bis hierhin läuft jedes Rennen gleich, danach beginnt ein unvorhersehbares Spektakel – typisch für Anna Seidels Sportart Short Track oder, wie manche es nennen: NASCARRennen auf Eis. Wie die PS-Geschosse der US-Motorsportart kämpfen die Eisläufer auf einem Rundkurs um den Platz ganz vorn, nur eben auf Schlittschuhen statt mit Rennwagen. Mit bis zu 50 Stunden­ kilometern schießen die Kontrahenten um die Kurven des 111 Meter langen Rundkurses. Kufe an Kufe, Helm an Helm. Massencrashs sind eher die Regel als die Ausnahme. Nur wer sein Risiko am klügsten abwägt, kann gewinnen. Weltweit taktieren wenige gerissener als Anna Seidel, 21, aus Dresden. Noch mit Zahnspange tritt sie 2014 im Alter von nur 15 Jahren in Sotschi bei ihren ersten Olympischen Spielen an. Es folgen zwei Bronzemedaillen bei Europameister­ schaften, ab dem 13. März startet sie nun bei den Weltmeisterschaften in Seoul, Südkorea. Natürlich will sie auch dort Medaillen gewinnen. Weil sie ehrgeizig ist, aber auch weil sie Short Track in Deutschland noch bekannter machen will. Seit Sotschi sind ihr hier große Schritte gelungen. Dank Annas sport­ lichen Erfolgen und wegen ihrer selbst­ bewussten Auftritte in der Öffentlichkeit – zum Beispiel in den sozialen Medien.

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Wenn man es nicht besser wüsste, könnte dein Account auch der einer Schauspielerin oder eines Models sein. Es war die Fotografie, die mich anfangs für Instagram begeisterte. Gleichzeitig lege ich aber Wert darauf, dass ich mehr kann als bloß fotografieren. Ich bin Leistungssportlerin, darum verbringe ich mittlerweile auch etwas weniger Zeit auf Insta­gram. Die Entwicklung mit der vielen Werbung und den Influencern ist nicht so mein Ding. Mein Antrieb ist es, meine Sportart bekannter zu machen. Short Track kennen noch nicht alle. Was macht deinen Sport aus? Es ist ähnlich wie Eisschnelllauf … … das hätte ich aber jetzt nicht sagen dürfen, oder? Nein, auf keinen Fall, aber ich als ShortTrackerin darf das. Anders kriegt man es auch schwer vermittelt. Eisschnell­ lauf kennen nun mal die meisten, beim

Short Track geht es nicht gegen die Uhr, sondern direkt gegen die Konkurrenten. Man muss also taktisch richtig viel auf der Kette haben. Und es geht natürlich mit höheren Risiken einher. Hätte ein Eisschnellläufer eine Chance gegen dich im Short Track? Haha, null! Die fliegen meistens aus der Kurve! Der Radius ist bei uns viel enger. Lustig­ist es immer früh in der Saison. Da haben­die kleinen Bahnen oft schon Eis, die großen noch nicht. Also sieht man die Eisschnellläufer manchmal bei uns trainieren, und das sieht schon wackelig aus. Short Track ist schneller und härter. Es ist auch hoch spezialisiert. Ein Sportlerleben lang auf dem linken Bein um die schärfste Kurve, die man sich vorstellen kann? Ja, meine Hüfte ist etwas schief, und ­linkes Knie und Bein sind stärker. Kann man das sehen? Nein, aber messen. Mit Links springe ich auch höher. Nach deinem Olympia-Debüt in Sotschi 2014 hast du die Gefährlichkeit deines Sports zu spüren bekommen. Nach einem schwerem Sturz lautete die Horror-Nachricht: Wirbelbruch. Wenn einem so früh das Karriereende droht, wie kommt man damit klar? Das war eine schwere Zeit, doch sie ging recht schnell vorbei. Ich hatte das Glück, dass mich mein Umfeld aufgefangen hat.

Kufe an Kufe: Anna Seidel (re.) hält eine Verfolgerin auf Distanz.

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ANNAS TIPPS FÜR VEGANE POWER

Immer mehr Spitzensportler verzichten auf tierische Produkte, so auch Anna Seidel. Hier gibt sie fünf Ratschläge für Anfänger: 1. Wer noch zweifelt: Ich habe auf Netflix den Film „What the Health“ geguckt. Der hat mir die Augen geöffnet, was Fleischproduktion bedeutet – für die Tiere, für die Umwelt, für den eigenen Körper. Da fällt einem der Start leichter. 2. Genug Protein aufnehmen: Das ist das Wichtigste und auch das, worüber Omis (und Trainer) sich am meisten sorgen. Ich mache das mit Hülsenfrüchten – Bohnen und Kichererbsen zum Beispiel. Oder trinke nach hartem Training mal einen Proteinshake. 3. Nahrungsergänzungsmittel nutzen: Ich ­supplementiere Vitamin B¹². Das sollten Veganer definitiv machen, aber auch Fleischesser pro­ fitieren davon. Denn viele Nahrungsmittel sind ­industriell so stark verändert, dass der Körper das Vitamin kaum noch extrahieren kann. 4. Abwechslung ist der Trick: Wer immer das Gleiche isst, sitzt oft einem Missverständnis auf – nämlich dass er das Fleisch vermisst. Das ist Quatsch, man hat nur noch nicht genug leckere fleischlose Rezepte entdeckt. 5. Langsam anfangen: Keiner zwingt einen, von einem Tag auf den anderen radikal den eigenen Lifestyle über den Haufen zu werfen. Fangt lang­ sam an, mit kleinen Portionen. Ich zum Beispiel bin noch weit von einem komplett veganen Leben entfernt, aber ich nähere mich dem an – so wie viele Menschen meiner Generation.


Fernziel im Blick: Bei den Olympischen Spielen in Peking 2022 will Anna Seidel noch einmal angreifen.

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Immer voll entspannt: Yoga und Meditation helfen Anna Seidel beim Abschalten. Styling TOMISLAV BLAIC/ NINA KLEIN AGENCY Make-up & Haare KRISTINA GRIFFATO/ NINA KLEIN AGENCY Skinsuit LYCOTEX


Hast du gleich bemerkt, dass etwas kaputtgegangen war? Gar nicht. Es hat wehgetan, klar, aber ich bin noch allein in die Kabine gehumpelt. Im Krankenhaus wurde es dann relativ schnell ernst. Und Metall in den Rücken geschraubt zu bekommen – das ist echt nicht schön. Da wird einem dann klar, wie ernst die Situation ist. Du musstest wochenlang pausieren. Wann ging es wieder bergauf? Es hat sehr geholfen, wieder Kufen unter den Füßen zu haben. Mit einer Psycho­ login lernte ich wieder, einfach zu laufen und nicht mehr an den Unfall zu denken. Gehst du seither anders mit dem Risiko deines Sports um? Bewusster, klar. Wichtig war eine Erfah­ rung, die man in einer solchen Situation zwangsläufig macht – auch wenn es wie ein Klischee klingt: What doesn’t kill you, makes you stronger. Und man lernt seine Gesundheit noch mehr zu schätzen. Deine zweiten Olympischen Spiele wurden zu einer herben Enttäuschung: Du bist zweimal gestürzt. Dabei war es im Training so gut gelaufen! Aber ich konnte nichts davon zeigen, gar nichts. Das war bitter. Kann man analysieren, was schief­ gelaufen ist, wenn die Kufe wegrutscht und Monate Vorbereitung kaputt sind? Die Frage ist, warum einem die Kufe wegrutscht. War es Nervosität, muss man an sich arbeiten. War das Eis schmutzig, ist es Schicksal. Es war eine Kombination aus beidem. 2014 war mein Motto: Dabei sein ist alles. 2018 war das nicht mehr so. Ich war zu verkrampft. Vielleicht, weil zehnmal so viele ­Kameras auf dich gerichtet waren. Kameras waren 2014 auch genug da. Die Erwartungen waren zehnmal so hoch. Beim Short Track darfst du nicht zu lange zögern; wenn du eine Lücke siehst, musst du deine Chance nutzen und auch mal Risiken eingehen. Klingt ein bisschen wie das wahre Leben. Das ist ein sehr schöner Vergleich. Wie im wahren Leben muss man aber auch immer darauf achten, dass man nicht überdreht, zu viel Risiko nimmt und dann aus der Kurve knallt. Gleichzeitig darf man nicht zu viel Angst haben – ein Balanceakt. THE RED BULLETIN

„Wie im wahren Leben musst du auf dem Eis darauf achten, nicht zu viel Risiko einzugehen – es ist ein Balanceakt.“ Bist du privat so wie auf dem Eis? Ich will jedenfalls nicht zögerlich sein, sondern mit meinem Leben etwas an­ stellen, meine Chancen nutzen – auch nach der aktiven Karriere. Jetzt bist du 21 und schon sechs Jahre Profi. Hast du dich sehr verändert? Im Kern bin ich die alte Anna. Ich habe noch immer diesen Killerinstinkt, aber in­ zwischen kann ich etwas entspannter mit gewissen Situationen umgehen. Ich bin nicht mehr so nervös wie früher. Wie hast du diese Nervosität in den Griff bekommen? Man trainiert ja immer noch mehr und noch mehr. Ich bin körperlich also viel stärker geworden, das hilft auch mental. Auf deiner Website gibt’s einen Frage­ bogen, bei manchen deiner Antworten wird man stutzig. Bei der Auswahl „Geduldsprofi vs. Nervenbündel“ hast du „Nervenbündel“ angekreuzt. Ich brauche die Nervosität durchaus, um fokussiert und wachsam zu sein. Ich habe das auch deswegen angekreuzt, weil ich privat nicht gerade der geduldigste Mensch bin. Sagen wir so: Ich bin ein richtig gutes Nervenbündel. Super Antwort, wenn man mal im Stress ist: „Ich bin ein Nervenbündel, aber ein gutes Nervenbündel.“ Wenn ich nicht aufgeregt bin, bin ich auch gar nicht richtig da. Das nächste Kreuz bei „Glas halb voll vs. halb leer“. Hier hast du „halb leer“ gewählt. Mir wäre fast mein halb volles Glas umgekippt. Ich halte mich nicht für die Größte, viel­ mehr habe ich mich selbst immer etwas kleiner gemacht. Wahrscheinlich, um die Erwartungen runterzuschrauben. Ein bisschen mehr Optimismus täte mir aber gut. Da arbeite ich gerade hart dran. Was ist dein Mental-Werkzeug ? Bei mir ist’s eine Mischung aus Ablenkung und Lernen. Mir sind Freunde außerhalb des Sports wichtig, mit denen man über

ganz andere Dinge spricht. Und dann bin ich recht tief in diesem Meditations- und Yoga-Ding drin. Macht Spaß, und ich lerne viel über mich. Du bist nun 21 und arbeitest auf deine dritten Spiele hin. Wann haben ShortTracker ihren Leistungshöhepunkt? Bei Frauen zwischen 20 und 25. Bei Männern kommt der Peak etwas später. Warum sind die Karrieren so kurz? Short Track geht brutal auf die Knochen. Viele bekommen Probleme mit Knie, Rü­ cken oder Hüfte. Dann kannst du nicht mehr im nötigen Umfang trainieren. Du ernährst dich seit kurzem vegan. Waren deine Trainer irritiert? Teils, teils. Ich habe schon Sachen gehört wie „Du schon wieder mit deinen Ideen!“. Aber dann habe ich meine Trainings­ leistungen steigern können, seitdem höre ich eigentlich nichts mehr. War wohl die beste Antwort. Ich schlafe nun auch viel besser und bin viel vitaler. Ist dein Rücken nach der Verletzung dein Schwachpunkt? Ja, und er wird es immer bleiben. Mit Physio und Mobilisierung kann ich vieles machen, aber der Rücken ist sicher nicht böse, wenn ich meine aktive Karriere irgendwann beende. Werden die Olympischen Spiele in ­Peking 2022 deine letzten sein? Ich möchte jedenfalls noch viele andere Dinge probieren in meinem Leben, und für die brauche ich einen geraden Rücken und auch noch etwas Zeit. Zu 90 Prozent werde ich aufhören. Ist diese Entscheidung befreiend für dich? Ehrlich gesagt, ja. Ich kann nun diese zweieinhalb Jahre sehr strategisch an­ gehen, noch mal alles reingeben. Ich gehe auch ganz befreit in die Halle und habe mehr Spaß. Selbst wenn es in Peking mit einer Medaille nicht klappt, ist es ja nicht so, als hätte sich das alles nicht gelohnt. Es war eine richtige tolle Zeit.   51


INNOVATOR Fliegendes Fahrrad: Tragflächen (Foils) aus Carbon sorgen für Stabilität und Auftrieb im Wasser.

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Hält dich R über Wasser Mit dem Manta5 sind Radfahrer auch in Flüssen oder Seen in ihrem Element. Dank Foiling-Technologie und elektronischer Unterstützung.

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adfahrer sehnen sich nach freien Wegen. Was aber, wenn drängelnde Autos, Ampeln und andere Radfahrer diesen Wunsch zunichtemachen? Dann wechselt man das Milieu. So dachte Guy Howard-Willis, passionierter Biker aus Neuseeland, im Jahr 2011 und begann an einem Fahrrad fürs Wasser zu tüfteln. Neun Jahre später ist das Hydrofoil-Bike Manta5 er-

Mit dem Manta5 sind Geschwindigkeiten von knapp 21 km/h möglich.

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IN ALLER KÜRZE IDEE FÜR SCHNEE Werden die Winter wärmer, rauchen auch die Köpfe. Zwei Alternativen bei Schneemangel:

NATURFLOCKEN AUS DER KUNSTWOLKE Michael Bacher und sein Team erzeugen in einem (aufblasbaren) Konstrukt wie in einer Wolke Schneekristalle. Das Ergebnis: leichter, weicher Schnee für ­urbanen Wintersport. neuschnee.co.at

Sieht aus wie ein eben gelandetes UFO, ist aber ein intelligentes Hotelprojekt – das Haus erzeugt mehr Energie, als es verbraucht.

Energiewunder

Der Kreis des Lebens

STOFF, AUS DEM DIE WINTERTRÄUME SIND Das Start-up um CEO Jens Reindl entwickelt textile Skipisten und Loipen, die ohne Strom, Wasser und Schmiermittel ideale Gleiteigenschaften besitzen und sogar Carven erlauben. mr-snow.de

hältlich: ein pedalgesteuertes Fahrzeug auf Tragflächen, wie man sie aus dem Segel­ sport kennt. Der Fahrer sitzt dabei aufrecht am Lenker, be­ wegt mithilfe eines 460-Watt-­ Elektromotors die Antriebs­ schraube und hebt so ab. Top-Speed: knapp 21 km/h, Akkulaufzeit: eine Stunde. Wer vorher müde wird, geht auch nicht unter. Anders als normale Bikes schwimmt das Manta5.  manta5.com

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Luxus im Namen der Umwelt: Am Polarkreis Norwegens entsteht das weltweit erste Hotel mit einer positiven Energiebilanz.

S

chon die Lage des Hotels ist ikonisch: Das „Svart Resort“ befindet sich genau am Polarkreis, unterhalb des Svartisen, des zweitgröß­ ten Gletschers Norwegens, am Ufer des idyllischen Holandsfjords. An einem solchen Ort ist ökologische Bau­weise fast Pflicht. Doch der Bauherr, Arctic Adventure of Norway, wollte noch ein Schauferl drauflegen: Das Hotel wird das erste mit einer positiven Energiebilanz nach dem Powerhouse-Standard sein. Das heißt, dass es über einen Zeitraum von sechs Jahren gerechnet mehr Energie erzeugt als es ­verbraucht – inklusive Bau, Nutzung und Abriss. Möglich macht dies einerseits die sorgsame

Auswahl der Materialien (deren Gewinnung und Transport wird in die B ­ ilanz mit eingerechnet), anderer­ seits eine intelligente Archi­ tektur: große Fenster für Wärmenutzung auch bei tiefstehender Winter­sonne, abgesonderte ­Terrassen für Schatten und natürliche Kühlung im Sommer. Zu­ dem sorgen Solarpaneele am Dach für Strom und Thermalquellen für die Heizung. Dadurch verbraucht das kreisförmige, auf Stelzen in den Fjord gebaute Hotel 85 Prozent weniger Energie als vergleichbare Projekte. Die Eröffnung ist für 2021 geplant. Gäste errei­ chen ihr Reiseziel übrigens nur per energieneutralem Bootsshuttle. (Öko)logisch! svart.no

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5- M IN U TE N - C OACH

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Mentalist THORSTEN HAVENER tritt in ausverkauften Häusern auf, weil er in andere hineinschauen kann – das glaubt zumindest sein Publikum. Dabei weiß er bloß, wie Menschen kommunizieren, und findet so heraus, was sie denken. Wie auch du andere entschlüsselst, verrät er hier. 00:18

Ich liebe Musik. Aber ich frage nicht: „Was ist deine Lieblingsband?“ Ich frage: „Welches Lied magst du, obwohl es dir eigentlich peinlich ist? Bei mir ist das ‚My Heart Will Go On‘ von Celine Dion.“ Indem ich eine Schnulze super finde, öffne ich mich und gebe zugleich etwas von mir preis. „Was machst du beruflich?“ – Was für eine langweilige Frage! Schieß ­lieber deine Vermutungen ab: „Du bist bestimmt jemand, der in seinem Beruf viel mit Menschen zu tun hat.“ Im schlimmsten Fall verneint dein Visavis – findet aber vielleicht, du hast eine ­interessante Seite an ihm gesehen. Auf jeden Fall steigst du gut ins Gespräch ein! Diese Taktik funktioniert beim ersten Date genauso wie in langen ­Beziehungen: „Was ist los?“ – „Nix.“ – „Ist irgendwas?“ – „Nein.“ Das sind ­geschlossene Fragen, die niemanden öffnen. Stattdessen solltest du Ich-Aus­ sagen senden, denen dein Gegenüber nicht widersprechen kann: „Ich hab den Eindruck, es gibt etwas, das dich beschäftigt. Wie kann ich dir helfen?“

Kalibriere deine Mitmenschen

Simuliere Nähe zu Fremden

Die größte Freiheit des Menschen ist die, selbst zu entscheiden, was er von sich preisgibt. Deshalb spielen wir im Alltag oft Rollen. Als Ehemann oder als Tochter geben wir andere Dinge preis als im Job. So funktioniert unser Zusammenleben. Wer versteht, wie sich Menschen in Rollen darstellen, kann lesen, ob sie gerade spielen – oder echt sind. Wie? Indem man Muster im Verhalten erkennt – in der Psychologie nennt man das „kalibrieren“. Das heißt, anhand einer Nulllinie Abweichungen zu erkennen. Beobachte genau: Wie sieht dein Gegenüber normalerweise aus, wenn er lobt? Wie schaut er, wenn er es ernst meinst? Gehen die Augenbrauen nach oben, rückt er nach vorn? Und dann vergleichst du: Wie sieht derjenige aus, wenn er gestresst ist und nur so tut, als meine er, was er sagt? Blinzelt er häufiger? Verschränkt er die Arme? Kalibrieren hilft dir, herauszufinden, ob jemand es ehrlich meint.

Du triffst jemanden, den du nicht kennst, trotzdem möchtest du den ­Eindruck erwecken, als wüsstest du ­alles über ihn. Beim ersten Date zum Beispiel. Das gelingt, wenn du eine ­feine Beobachtungsgabe hast und gut kombinieren kannst. Zum Beispiel schätzt du, wie alt dein Gegenüber 03:07 ist. Dann ist es leicht, dir auszumalen, wie die Sorgen oder Wünsche in diesem Lebensalter aussehen. Nehmen wir etwa an, dein Date ist Ende zwanzig. Da liegt es nahe, dass er oder sie sich fragt, wie es beruflich langfristig weitergeht. Menschen ­Mitte vierzig fragen sich dagegen, was ge­wesen wäre, wenn gewisse Entscheidungen nach der Matura anders Je besser die Stimmung, desto wahrscheinlicher die Zustimmung. In der gefallen wären. Das geht uns allen so, Hypnose gibt es dazu den Fachbegriff es sind hohe Wahrscheinlichkeiten „Rapport“: wenn die Kommunikation für Menschen in einem bestimmten nonverbal, allein mit Körpersprache ­Alter. Mit solchen Annahmen kannst funktioniert. Verliebt sein ist eine du den Eindruck tiefer Empathie ­Ex­tremform davon: Wenn der Partner erwecken.

Sei der Spiegel deines Gegenübers

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NICLAS SEYDACK

Gedanken lesen lernen

Stell bessere Fragen

SAMMY HART

SO TICK T DEIN G EG E N Ü BER


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nickt, nickt die Partnerin auch. Ich habe schon gesehen, dass sie einen Schluck aus dem Glas nimmt und er sich danach den Mund abwischt. Verliebte ergänzen und vervollständigen ihre Bewegungen. Diese Art v­ on Vertrautheit kann man auch simulieren. Ein Sofort-Tipp für den Job: Pass deine Körpersprache deinem Gegenüber an. Wenn dein Chef mit über­ einandergeschlagenen Beinen dasitzt, mach es auch. Unterbewusst werdet ihr euch beide wohler fühlen – weil ihr euch angleicht.

04:13

Flunkere mit einem Lächeln

In seinem neuen Buch „Sag es keinem weiter“ erklärt Thorsten Havener, wie ­Geheimnisse unser ­Leben prägen und warum wir sie brauchen – gerade in Zeiten von Big Data, ­Facebook und Co.

„Stell dir mal vor, wie der Fußboden in deinem Kinder­ zimmer aussah, als du fünf Jahre alt warst. Haben sich jetzt gerade deine Augen bewegt, weil du mit ihnen nach der Information in deinem Kopf gesucht hast?“ Thorsten Havener

Wir gehen davon aus, dass Menschen immer die Wahrheit sagen. Wir suchen in Gesprächen unterbewusst nach ­Beweisen für diese Annahme. Trotzdem glaube ich: Flunkern ist einer der Schmierstoffe, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Die Frage „Geht’s dir gut?“ und die Antwort „Ja“ sind ein ­Ritual: Wir zeigen, wir haben uns wahrgenommen. Dir geht’s überhaupt nicht gut, aber du hast keine Lust, deine ­Lebensgeschichte zu erzählen? Dann musst du flunkern. Das geht am besten mit einem Lächeln, das spontan Nähe herstellt. Es gibt eine Methode, Kritik zu ­äußern, ohne jemandem zu nahe zu treten – ein sogenanntes „Sandwich“: „Das ist ein wunderschönes Kleid! Ich bin mir nicht sicher, ob der Schnitt zu dir passt. Aber diese Farbe, wow!“ Lob, Kritik, Lob – Kommunikation ist ein Spiel, im Alltag sind solche kleinen Tricks erlaubt. Aber wenn es wirklich ernst ist – wenn es etwa um Liebe geht, um echte Emotion –, hilft nur ­eines: Dann musst du ehrlich sein.

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DER WANDAZIRKUS WANDA waren eine Revolution. Deutschsprachige Musik klang nach ihnen anders als vorher. Im Interview erzählen sie vom Rausch der frühen Tage, was sie antreibt, wer sie auffängt und wo sie sich zu Hause fühlen. Text STEFAN NIEDERWIESER  Fotos DAVID FISCHER

Österreichs aktuell größte Rockband (von links): Gitarrist Manuel Christoph Poppe, Keyboarder Christian Hummer, Sänger Marco Michael Wanda, Bassist Reinhold „Ray“ Weber und Drummer Lukas Hasitschka

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Frontmann Marco Michael Wanda: „Wir wissen, dass wir keine Virtuosen sind. Wir müssen bluten für unsere Arbeit.“

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„ ICH GLAUBE ÜBERHAUPT NICHT AN DEN ABGRUND ALS QUELL DER INSPIRATION.“ MARCO MICHAEL WANDA

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underttausend sollen es gewesen sein. Aber so genau weiß das niemand. Als Wanda voriges Jahr auf der Wiener Donauinsel auftraten, konnte halb Österreich aus voller Kehle mit­ singen, „Bologna“, „Columbo“ und „Bussi Baby“. Innerhalb von nur fünf Jahren haben Wanda die deutschsprachige Musikszene er­ obert. Sogar auf Konzerten in Hamburg grölen die Fans die Hits mit – und das im Wiener ­Dialekt. Der Hype hinterließ nicht nur Spuren im kollektiven Bewusstsein, sondern auch bei den Musikern. Das ­Tempo war manches Mal zu hoch und forderte seinen Tribut. Wanda haben seither einen Gang zurückgeschaltet. „Können wir bitte bald nach Hause gehen“, singen sie auf ihrer jüngsten Single, ein anderes Mal sen­ den sie ein „S. O. S.“. Aber wie beim legendären „Help!“ von den Beatles klingen Wandas Rufe nach ­Hilfe nicht so, als wären sie kurz davor auf­zugeben – sondern wie ein Appell an die Willenskraft, weiter alles zu geben. the red bulletin: Zum Einstieg eine ­elementare Frage – wo ist zu Hause? manuel christoph poppe: Bei den liebsten Menschen. Das kann an jedem Ort der Welt sein. Zuhause ist auch die Familie, bis hin zu den Haustieren. Auf unserer Rock ’n’ Roll-Reise sind das wir fünf als Freunde, wir fangen uns gegenseitig auf – in guten wie in schlechten Zeiten, wie’s so schön heißt. marco michael wanda: Es ist schwer, ­Zuhause einzugrenzen, es ist eine ewige ­Problemstellung, eine endlose Reise, ein Anund Ablegen. Menschen versuchen, in ihrem eigenen Geist zu Hause zu sein. Gleichzeitig ist man für andere ein Zuhause, für seine Liebsten. Und wir als Band sind schließlich auch ein Zu­ hause für unser Publikum.

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Woher kommt diese Sehnsucht nach einem Zuhause? wanda: Ich habe mein Leben lang in Songs nach Sinn gesucht. Ich traue keiner Politik, ich traue wenigen Dingen, aber ich traue der Musik. Die ist deshalb so wahr, weil sie gar nicht wahr sein will und nicht wahr sein kann. Ich schreibe einzelne Songs, dabei beschäftigt mich so vieles, und einiges kann ich ausdrücken, an­ deres nicht. Ich lerne mich immer noch kennen und mein Handwerk besser zu verstehen. Marco, auf eurem neuen Album singst du erstmals über Kinder und darüber, dass du nicht weißt, wo du bist, wo du stehst. wanda: Ich bin älter geworden. Und wir alle kennen das Gefühl, dass wir sitzen bleiben, während die ganze Welt sich weiterdreht. Die Frage, zu wem oder was wir nach Hause kommen, haben wir uns alle gestellt. Wir haben sehr viel erlebt, haben es auch über­trieben, nie gab es Ruhe. 2016 und 2017 waren teilweise nur noch ein Leerlauf, eine sinnlose Suche nach Exzess und der nächsten Erkenntnis. Wie seid ihr da herausgekommen? wanda: Ich glaube, über die Musik. Und über Menschen, die uns wirklich nahestehen. Außer­ dem haben wir heute deutlich mehr Erfahrung. Wir sind nicht mehr am Jupiter, sondern schweben bloß ein paar Zentimeter über dem Boden. poppe: Wir haben gelernt, dass Körper und Geist zur selben Zeit am selben Ort sein müs­ sen. (Beide lachen.) Musstet ihr zwischendurch abtauchen, um Kräfte zu sammeln? wanda: Wir sind wider Erwarten durchaus lernfähig. Wir übernehmen uns nicht mehr und fahren mit guter Geschwindigkeit. Wie bleibt ihr hungrig, wie lasst ihr euch auf Neues ein? wanda: Ich bin grundsätzlich ein sehr fauler Mensch. Wenn mir niemand sagte, probiere dieses oder jenes aus, würde ich in meiner Gewohnheit versinken. Unser Produzent Paul Gallister ist zum Glück jemand, der unglaub­ lich geschickt und herzlich fordern kann.   59


„ SONGS SIND WIE GEISTER, DIE EINEN BESUCHEN KOMMEN.“ Viele Leute brauchen jemanden, der sie motiviert und antreibt. Seid ihr zueinander auch so? wanda: Eher nein, wir lassen einander in Ruhe. Wir verlangen voneinander nicht viel. Aber wir wissen, dass wir keine Virtuosen sind. Wir müssen bluten für unsere Arbeit. Das ist ein Kampf. Steuern können wir ihn nicht, unsere Arbeit ist immer einem Faktor X unterworfen, dem Intuitiven und dem Mentalen. Wenn gar nichts mehr geht, muss man es aussitzen. Songs sind wie Geister, die einen besuchen kommen. Geister lassen sich auch beschwören … wanda: Das heißt aber noch lange nicht, dass sie kommen. Man braucht viel Geduld, einen langen Atem und unbedingt ein gutes Leben. Ich glaube überhaupt nicht an den Abgrund als Quell der Inspiration. Wusstest du in den drei Wochen, in denen du das neue Album „Ciao!“ großteils geschrieben hast, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist? wanda: Ja. Alle Geister haben mich auf ein­ mal besucht. Früher habe ich alles dafür ver­ sucht, jedes Hilfsmittel war recht. Aber irgend­ wann war das kein gutes Leben mehr. Haben euch die Beatles besucht, haben sie euch beeinflusst? wanda: Der Einfluss, den diese Gruppierung auf die Musik, auf die gesamte Kultur hat, der lässt sich vorne und hinten nicht verfehlen. Und ja: Wir haben etwas gemeinsam. Immerhin waren wir alle bei den Beatles in der Schule. Das ist eine Art, Musik zu denken, die uns ver­ wandt ist. Ich verstehe, in welchem Rahmen sie arbeiten wollten. Diese Musik ist mir viel näher und verständlicher als vieles andere. Aber die neuen Beatles wollen wir nicht sein – und das können wir auch nicht sein. Manche Harmonien, Instrumentierungen und Rhythmen erinnern dennoch stark an die Beatles. Auch ein Songtitel wie „Swing Shit Slide Show“. wanda: Ich verstehe das als eine Art Öff­ nung. In einem Magazin habe ich eine Werbe­ einschaltung für diese Freakshow namens „Swingshift Sideshow“ gesehen, und in diesem Moment war mir klar, dass ich nicht über mich schreiben will, sondern so viele Geschichten wie möglich erzählen möchte. Wie auf einem

„ HELFEN MUSS MAN SICH SELBST. ABER FREUNDE FANGEN DICH AUF.“ MANUEL CHRISTOPH POPPE 60

MARCO MICHAEL WANDA

Festival, bei dem sich Menschen ihren Ängsten stellen und dafür auch noch Eintritt zahlen. Im Übrigen halte ich auch dieses Lied für ­grandios gescheitert. poppe: In drei Akten erfolgreich gescheitert. (Beide lachen.) Auf dem Cover eures neuen Albums lauft ihr mit einem Schiff aus, auf dem „Ciao!“ steht. Das soll angeblich eine Einladung zur Reise sein. wanda: Das haben wir nie gesagt. (Lacht.) Überhaupt spürt man eine große Lebens-, aber auch eine Todessehnsucht. In euren ­Videos geht ein Auto in Flammen auf, ein anderes geht unter, und ein Boot säuft ab. Die neuen Songs heißen „S.  O.  S.“, „Ein schneller Tod“ oder „Nix reparieren“. Geht es euch gut? wanda: Wanda will den Optimismus finden, wo es vermeintlich keinen gibt. Wanda will den Karneval, wo alles grau ist. Das war immer die geistige Reise dieser Band, für uns als Men­ schen wie als Musiker. poppe: Ein Lied, das sich nicht an das kollek­ tive Unbewusste richtet, wäre uninteressant. wanda: Es ist immer ein Versuch. Vielleicht lernt man das nie, aber der Versuch ist wichtig. Nichts kann jemals fertig sein, genauso wie ein Leben niemals fertig ist. Man stirbt, bevor irgendwas passiert ist. Wenn man die eigene Sterblichkeit versteht, aber auch die aller ­anderen, kann man niemandem mehr wehtun wollen. Dann kann man nicht spalten wollen. Alle Menschen, die spalten, haben überhaupt keine Ahnung vom Leben. Denkt ihr, dass eure Fans das genauso sehen? wanda: Meine Mutter ist Therapeutin. Sie meinte kürzlich, was wir als Musiker machen, ist eine Katharsis für den Moment. Man fühlt sich während eines Konzerts sehr stark, aber am nächsten Tag ist vermutlich nicht viel hängen geblieben. Ich muss noch darüber nachdenken. Sollte das allerdings stimmen, werde ich den Rest meines Lebens dagegen ankämpfen. Heilen und geistige Gesundheit sind derzeit große gesellschaftliche Themen. Ihr wirkt aber eher wie Menschen, die nicht oft in den Rückspiegel schauen. poppe: Die Rückspiegel sind abmontiert – habe ich einmal gesagt. wanda: Und ich hab dir damals den Slogan gestohlen und ihn aus Verlegenheit in vielen Interviews verwendet. poppe: Eigentlich ziemlich kaputt. (Lacht.) THE RED BULLETIN


Hoch die Schirme: FĂźr unser Shooting stellten Wanda ein berĂźhmtes Album-Cover der Beatles nach.


wanda: In dieser Zeit war ich vollkommen ­kaputt. Aufs Leben zurückblicken würde ich aber nur mit Stolz. Ich finde viel Schönes in dem, was wir erlebt haben. Wie helft ihr euch? poppe: Helfen muss man sich selbst. Aber man  kann einander gegenseitig auffangen. So wie in dieser Band, die als Freundschaft begonnen hat. Wenn einer fliegt, halten vier das Netz. 62

Menschen helfen sich auch anders: Yoga, Ernährung, Medikamente, Astrologie. Ihr habt den Song „Gerda Rogers“ geschrieben … wanda: Hier summiert sich alles, worüber wir gerade reden. Die Zweifel an Politik und Wissenschaft haben ein Vakuum hinterlassen, in dem sich viele Scheinexperten tummeln, sei es auf YouTube, wo mir irgendjemand inbrünstig erklärt, wie ich leben soll, oder Blogger, die meinen, die Erde sei flach. Das hat mich fasziniert: THE RED BULLETIN


„WANDA WILL DEN KARNEVAL, WENN ALLES ANDERE GRAU IST.“ MARCO MICHAEL WANDA

die schlechtere Welt? Gibt es so was überhaupt noch? Das ist für mich die große Frage. Stimmt es, dass du kein Smartphone hast? wanda: So etwas besitze ich nicht. poppe: Ich habe eines. wanda: Und wir sind trotzdem Freunde. Und wir können telefonieren. (Lacht.) Die Textzeile „Alles schaut so gut aus, so, dass man es fast glaubt“ soll Instagram meinen. wanda: Ich bin immer wieder begeistert, was Menschen in diese Texte hineinlesen. Das ist sehr schmeichelhaft und eine der Säulen der Freude. Die Interpretationen übertreffen einen selbst bei weitem. poppe: Ich fühle mich dadurch gerade sehr bereichert. Brauchst du weniger im Leben? Tun dir ­andere leid, wenn sie viele Dinge kaufen? wanda: Wenn ich hinausgehe, sehe ich keine gefühllosen Roboter. Die Menschen sind an­ gefüllt mit Angst, Schmerz, Liebe und Leiden­ schaft. In solchen Momenten empfinde ich Mitleid, das rührt mich. In diesen Momenten schreibe ich Lieder. Möchtest als Experte gesehen werden? wanda: Das steht mir nicht zu. poppe: Wanda will Menschen aus den verschiedensten Gegenden, Gesellschafts­ schichten und Denkweisen zusammenführen. wanda: Und wir erleben das auf unseren ­Konzerten, wenn sie sich in den Armen liegen.

Keyboarder Christian Hummer am Steuerrad. Wanda haben mittler­ weile einen guten Weg zwischen Ruhe und Exzess gefunden.

die Hilflosigkeit, aus der heraus wir uns auf die Suche nach Wahrheit machen. Du sprichst von einem unbekannten Zeit­ alter. Wie meinst du das? wanda: Das ist das große Jetzt. Ich kenne den Ort nicht, auf den wir als Menschen zusteuern. Es sind so viele Deutungen im Raum, dass ich keine Ahnung habe, welches Versprechen sich jetzt einlöst. Wird das die bessere oder THE RED BULLETIN

CIAO!“ ZUSAMMEN „Hier kannst du Wanda live erleben. Ab Ende Februar gehen die Österreicher mit ihrem aktuellen Album „Ciao!“ auf Deutschland-Tournee. Das sind die Daten: 25. 02. 2020 Würzburg, Posthalle 26. 02. 2020 Mannheim, Rosengarten 28. 02. 2020 Berlin, Max-Schmeling-Halle 29. 02. 2020 München, Olympiahalle 02. 03. 2020 Ulm, Ratiopharm Arena 03. 03. 2020 Hannover, Swiss Life Hall 04. 03. 2020 Leipzig, Haus Auensee 07. 03. 2020 Hamburg, Sporthalle 08. 03. 2020 Bremen, Pier 2 09. 03. 2020 Wiesbaden, Schlachthof 12. 03. 2020 Dortmund, Warsteiner Music Hall 13. 03. 2020 Köln, Palladium 08. 05. 2020 Regensburg, Donau-Arena wandamusik.com

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Sprichst du Deutschrap? Von Fanta 4 bis Capital Bra, von Blumentopf bis Bonez MC – wie tief geht dein Wissen über deutsch­ sprachigen HIP-HOP? Das große Quiz. Text MARC BAUMANN

Die Deutschrap-Szene ist so riesig wie nerdig. So viele Kontro­versen. So viele Sprüche. Und so viele Rapper mit Masken. Da kann man schon mal den Überblick ver­lieren. Demnächst startet auf dem YouTube-Kanal „Red Bull Rap Einhundert“ ein neues Quiz-Format, in dem sich prominente Kandidaten mit ihrem Wissen messen. Hier kannst du dich vor­ab selbst testen: In diesem Quiz punktet nur, wer text­ sicher ist, die aktuelle Szene im Auge hat und sich auch in den abseitigen Kapiteln der Rap-Geschichte auskennt. Lösungen am Ende der Story.

1 Die Fantastischen Vier entstanden aus einer Band mit dem Namen: a) Die zwielichtigen Zwei b) Die verrückten Vier c) Die glorreichen Sieben


2 Wer sampelte schon die Titelmelodie von Pippi Langstrumpf in einem Lied? a)  K.I.Z in dem Song

„Ein Affe und ein Pferd“

b)  Fler in dem Song

„Villa in Kunterbunt“

c)  Frauenarzt in dem Song „Titti-Fucka-Land“

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ROBERT GRISCHEK, UNIVERSAL MUSIC, GETTY IMAGES (2), APA PICTUREDESK

Welcher dieser Moderatoren nahm 1980 einen der ersten deutschen Rapsongs auf? a) Stefan Raab als zwölfjähriger „MC Ra(a)p“ mit dem Song „Deine Mudder“, den er auf dem Pausenhof erfolgreich verkaufte. b) Thomas Gottschalk als Teil eines Trios namens G.L.S.-United mit dem Song „Rapper’s Deutsch“, in dem sie von ihrer Liebe zur Rockmusik singen. c) Günther Jauch als „Günther und die furiosen Fünf“ mit dem Song „Bundes-Rap-Publik“ während einer Radiosendung auf Bayern 3.

4 Nur einen dieser drei Masken­rapper haben wir erfunden. Welchen? a)  Entetainment (rappt

mit einer Entenmaske) b)  SpongeBOZZ (rappt im SpongeBob-Kostüm) c)  Elephantman (rappt in einer Benjamin-BlümchenMaske) THE RED BULLETIN

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Mit welcher Coverversion erreicht Shirin David erstmals die Top 10 der deutschen und österreichischen Singlecharts? a) „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur b) „Schlüsselkind“ von Cora E. c) „Doppel-X-Chromosom“ von Nina MC   65


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Wer ist der erste deutsche Rapper mit einem eigenen Instagram-Filter? a) Gzuz. Mit seinem Filter trägst du Handschellen. b) Cro. Mit seinem Filter kriegst du ein niedliches

Panda-Gesicht. c) Capital Bra. Mit seinem Filter hängt dir eine goldene Capital-Bra-Kette um den Hals.

8 Aus welchem unter dem Radar laufenden Ort kommen RIN, Bausa und Shindy, was ihn zu Deutschlands heimlicher Rap-Hauptstadt macht?

c

b a

a)  Rielasingen-Worblingen b)  Bietigheim-Bissingen c)  Oberhausen-Rheinhausen

9 Wer rappte „Ich habe einen grünen Pass mit ’nem goldenen Adler drauf“? a) Advanced Chemistry im

7 Wo drehte Jan Delay sein Musikvideo „Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt“? a)  Auf dem Kölner Karneval

b)  Auf dem Münchner Oktoberfest c)  Am Ballermann in Mallorca

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Lied „Fremd im eigenen Land“, in dem sie von ­ihren Erfahrungen mit Rassismus singen b) Der damalige Innenminis­ ter Wolfgang Schäuble in einem PR-Video, das er noch am Veröffentlichungs­ tag löschen ließ c) Der russlanddeutsche Rap­ per Pharaoh, der während des Einbürgerungstermins unerlaubt ein Musikvideo drehte – und den Pass ­daher nicht bekam.

10 Wo hat Trettmann nicht mitgespielt? a)  Im Zentralen Pionier-

und FDJ-Ensemble Karl-Marx-Stadt b)  Im Reggae-Soundsystem Rotzlöffel HiFi c)  Im Knabenchor der Regens­ burger Domspatzen THE RED BULLETIN


11 Warum hat Österreich 2018 seine Chart-Regeln geändert? a)  Weil der Regierung

die Songtexte deutsch­ sprachiger Rapper zu ­gewaltverherrlichend ­ waren, sind seither nur mehr Lieder mit Jugendfreigabe zugelassen. b)  Weil 13 der Top-14-Lieder von RAF Camora und ­Bonez MC waren, wurde die Regel eingeführt, dass von einem Künstler nicht mehr als drei Songs in die Ö3-Charts dürfen. c)  Weil ein Jahr ohne Unter­ brechung Deutsch­rapper an der Spitze standen, wird die Zahl der Abrufe auf Streaming-Plattformen nicht mehr mitgezählt.

15 Welches Jugendwort des Jahres prägte der österreichische Rapper Money Boy ent­ scheidend mit? a) Swag b) Smombie c) Babo

12 Mit den „Raportagen“ während der FußballWeltmeisterschaft wurde die Band Blumen­topf auch ARDZuschauern bekannt. Welche holprige Zeile haben Blumentopf vorm WM-Finale 2014 gerappt? de Janeiro, schalalala. / Das wird ein großer Kick / Ich hoffe, euch wird der vierte Stern aufs Trikot gedrückt.“ b) „Müller, Klose, Özil, jaaaa / Der vierte Stern zum Greifen nah / Ihr kickt wie Gerd Müller: voll Vollspann und einfach wunderbaar.“ c) „ Jogi Löw, du Trainergott mit der Playmobil-Matte / Gewinnen deine Jungs gegen Argentinien, kriegen wir voll die Latte.“

Rapper Bonez MC demonstriert gerne seinen Reichtum. Was hat er noch nicht gemacht? a)  10.000 Euro in Scheinen aus dem Autofenster geworfen.

b)  Drei weiße Tiger gekauft. c)  Einen Kontoauszug über 1,5 Millionen Euro gepostet.

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Fettes Brot sind große Fans einer KinderHörspielreihe, in der sie einen Gastauftritt haben. Welche ist es? a)  „Bibi und Tina“ (Folge 79: „Jungs gegen Mädchen“)

b)  „TKKG“ (Folge 79: „Gabi in Gefahr“)

c)  „Die drei ???“ (Folge 79: „Im Bann des Voodoo“)

UND HIER RATEN DIE PROFIS! Fünf Runden, zwei Teams, ein Gewinner: 2020 startet Red Bull ein großes Rap-Quiz. Alle zwei Wochen duelliert sich das Who’s who der deutschsprachigen RapSzene in den Red Bull Music Studios in Berlin. Vom SpieleKlassiker bis zur BuzzerRunde: In dieser Gameshow ist Deutschrap-Wissen ­gefragt. Wer kennt die ­absurdesten Thesen und ­lustigsten Fun Facts? Demnächst auf youtube.com

Lösung: 1. a, 2.a, 3.b, 4. c, 5. a, 6. c, 7. a, 8. b, 9. a, 10. c, 11. b, 12. a, 13. b, 14. c, 15. a

PAUL RIPKE, 21 ENT., JENS HERRNDORFF

a) „13. Juli, Maracanã / Rio

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Hochleistungskunst Wie die Sportwissenschaft Ballett neu erfindet

Text MARK BAILEY Fotos RICK GUEST


74 Kilogramm leicht­ füßige Power: der Londoner Meister­­ tänzer Matthew Ball

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Auf der Bühne: Schönheit und Grazie. Hinter den Fassaden: Schmerzen, Leistungsdruck, geschundene Körper, entzündete Muskeln. Jetzt macht eine neue Tänzergeneration des Londoner Royal Ballet die alte Tante Ballett zukunftsfit. Und nutzt dafür die neuesten Erkenntnisse innovativer Sportwissenschaft.

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enn Gemma ­Pitchley-Gale nicht gerade mit rosa Spitzenschuhen im Londoner Royal Opera House ­Pirouetten dreht, stemmt sie in der Kraft­kammer gusseiserne Langhanteln. Die zierliche Tänzerin des welt­berühmten Londoner Royal Ballet schafft im Kreuzheben 97,5 Kilo, also mehr als das Doppelte ihres Körpergewichts von 47 Kilogramm. „Die Leute halten uns für zerbrechlich“, sagt die Südlondonerin, „aber da liegen sie falsch.“ Beispiele gefällig? Ihre Kollegin Claire Calvert trainierte mit Squats und 100-Kilo-Gewichten für ihre Rolle als Zuckerfee im „Nussknacker“. Der Waliser William Bracewell schafft beim Wadenheben mit seinem eigenen Körpergewicht 45 Wiederholungen. Der Australier Alexander Campbell, ein weiterer Tänzer aus Pitchley-Gales Ensemble, bewegt während einer durchschnittlichen Fitness-Einheit insgesamt dreieinhalb Tonnen – das ist so viel wie ein vollbeladener Ford Transit. Und Matthew Ball, ein Liverpooler mit dem Aussehen eines Boygroup-Stars, legt sich für ­seine einbeinigen Kniebeugen das Vierfache ­seines Körpergewichts auf. „Muss sein“, sagt der junge Mann, dessen Adern bei jeder Geste dick am Bizeps hervortreten. „In der Aufführung

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­ irken bei jedem hohen Sprung 500 Kilogramm w auf meine Beine.“ Ballett mag eine hochästhetische Kunstform sein. Zugleich ist es aber eine Mordsschinderei: Für Klassiker wie „Schwanensee“, „Aschen­ brödel“ oder „Romeo und Julia“ proben die ­Tänzer sechs Stunden am Tag, dazu kommen vier Auftritte pro Woche. Die von blutigen Blasen, blauen Flecken und Schrammen gemarterten Füße der rund hundert Tänzer des Royal Ballet tanzen pro Jahr 12.000 Schuhe durch. Und da ist das, was als „richtige“ Verletzungen gilt – Dinge ab Bänderriss oder Verstauchungen –, noch gar nicht eingerechnet. Genau 6,8 solcher Blessuren sind es im Schnitt pro Jahr und Tänzer, genauso viel wie beim American Football. Am Morgen schlurft müde eine Kompanie schlaksiger Figuren mit markanten Wangen­ knochen in das luftige Probestudio – die Frauen in Tutus und Beinstulpen, die Männer in engen Shorts und weiten Oberteilen. „Zu dieser Tageszeit tut hier jedem alles weh“, sagt Pitchley-Gale und lacht. 75 Minuten Aufwärmen, dann beginnt die harte Arbeit, manchmal durchgehend von zwölf bis halb sieben. Von der Probe geht es direkt zum Auftritt, einer schillernden Feier vollendeter Körperbeherrschung vor 2250 Zuschauern. „Vor eins bin ich nie zu Hause“, sagt Campbell, „und um 9.30 Uhr beginnt schon die nächste Probe.“ Fast unglaublich: Bis vor kurzem wurden die körperlichen Belastungen, denen Balletttänzer ausgesetzt sind, nicht wirklich professionell ­untersucht. Erst 2013 eröffnete das Royal Ballet die Mason Healthcare Suite – eine hochmoderne Einrichtung mit 17 Sport- und Ernährungs­ wissenschaftlern, mit Physiotherapeuten, THE RED BULLETIN


Beweglichkeitstraining: Claire Calvert an ­einer  hochmodernen Gyrotonic-Maschine

­ asseuren und Psychologen. Ihr Ziel: bessere M Erholung, weniger Verletzungen, höhere Leis­ tungsfähigkeit. „Anfangs hat mich das Arbeitspensum der Tänzer richtiggehend schockiert“, sagt Klinik­ leiter Greg Retter, der zuvor britische OlympiaAthleten betreute. „Hochleistungssportler stim­ men ihre Form auf Saisonhöhepunkte ab. Doch Balletttänzer müssen permanent 100 Prozent ­geben, bei jeder Probe, mehrmals am Tag, von September bis Juni. Und manchmal studieren sie gleichzeitig sechs Choreografien ein.“ Das Ziel dieses brutalen Trainings nennt sich neuronale Plastizität, auf gut Deutsch also „an­ passungsfähiges Muskelgedächtnis“. „Niemand kann komplexe Bewegungsmuster so schnell und so gründlich verinnerlichen wie Balletttänzer“, sagt Retter. Ebendiese Fähigkeit macht Ballett so anspruchsvoll – und so ästhe­ tisch. „Ein Balletttänzer setzt jeden Schritt in makelloser Perfektion. Die Position jedes Arms, jedes Fingers ist in jeder Sekunde genau vor­ gegeben“, erklärt Calvert. Das Problem dabei: Unser Körper ist nicht fürs Balletttanzen geschaffen. „Schon die THE RED BULLETIN

Grundstellung, das ‚en dehors‘ (die Ausdrehung der Beine, bei der Knie und Zehen nach außen zeigen; Anm.), ist einfach unnatürlich.“ Retters Team begann, Daten zu sammeln, von der Aufprallenergie bis zu Muskelaktivierungs­ mustern. Zum Einsatz kamen dabei die gleichen Kraftmessplatten, mit denen auch die Astro­ nauten der Europäischen Weltraumorganisation trainieren, dazu Sauerstoffmasken sowie Elektro­ myographie- und Herzfrequenzgeräte zur Mes­ sung der Muskelaktivität. Der nüchterne Blick der Sportwissenschaft förderte Erstaunliches zutage. Denn nicht nur Laktatüberschuss, Herzüberlastung und Sauer­ stoffnot sind Dauerbegleiter der Tänzer. Bei der Landung von Tanzfiguren müssen männliche Tänzer Kräften von bis zu 6000 New­ ton standhalten – um ein Fünftel mehr als bei ­einem Kinnhaken von Schwergewichtsboxer ­Anthony Joshua. Bei Tänzerinnen sind es 4000 Newton, mehr als ein knochenbrechendes Tackle im Rugby. Dazu kommt der Stress: In einer Aufführung kann der Laktatwert noch einmal um acht Pro­ zent ansteigen.   71


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och warum kamen Tänzer – anders als Sportler, Abenteurer und Soldaten, die seit Jahrzehnten von der Arbeit mit Sportwissenschaftlern profitieren – nie in den Genuss von professionellem Krafttraining, Ernährungstipps, Erholungsplänen oder tech­ nischen Innovationen? Und warum nahm man die Schmerzen und Verletzungen infolge unmenschlicher Belastun­ gen unwidersprochen in Kauf? „Ich habe 2005 meinen Abschluss an der ­Royal Ballet School gemacht, und in meiner Zeit dort hat man uns nur ein bisschen Pilates und Stretching angeboten“, sagt Pitchley-Gale. Während sie selbst einen Personal Trainer ­engagierte, gingen andere mit ihrem Körper ­weniger sorgsam um: Der damalige Solist Eric Underwood gab zu, dass er getrunken, geraucht und Burger gegessen hatte. Und der ukrainische Tänzer Sergei Polunin nahm sogar Drogen und feierte exzessive Partys.

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s war jedenfalls Zeit für einen Paradig­ menwechsel. Aber davor galt es, noch eine Hürde zu nehmen. Denn Tänzer sind keine Athleten, sondern Künstler, die durch den Ausdruck ihres Körpers Emotionen auslösen möchten. Klassische Werte wie Anmut und Eleganz haben für sie instinktiv mehr Be­ deutung als knallharte Daten wie Beinkraft oder Sprunghöhe. Dazu kommt die Tradition. Ballett entstand  an den Renaissance-Höfen im Italien des 15. Jahrhunderts, und viele der berühmtesten Stücke stammen aus dem 19. Jahrhundert, ­darunter „Dornröschen“ (1890 uraufgeführt), „Der Nussknacker“ (1892) und „Schwanensee“ (1895). Bis heute dient Tradition den Tänzern auch als In­spiration. Doch sie grenzt auch die Möglichkeiten ein – und verhindert die Weiter­ entwicklung. Vielleicht hat Klinikleiter Greg Retter ja eine Perspektive gefunden, die beide Welten ver­ binden kann. „Kraft, Fitness, psychisches Wohl­ befinden und ausgewogene Ernährung sind kein Selbstzweck“, sagt er seinen Klienten, „sondern die Voraussetzung dafür, dass du eine komplexe Choreografie performen und deine Leidenschaft auf die Bühne übertragen kannst.“ Die Revolution brach nicht nur im Royal ­Ballet aus. Im Jahr 2012 taten sich mehrere britische Tanz-Institutionen und Universitäten zum Natio­ nal Institute of Dance Medicine and Science (NIDMS) zusammen, um die Forschung in dieser Disziplin zu fördern. Die Erkenntnisse waren ohne Übertreibung bahnbrechend: Eine Studie wies nach, dass ein Jahr Krafttraining die Verletzungshäufigkeit von Tänzern um 59 Prozent senkt. Eine andere, dass schon sechs Wochen Konditionstraining die ­tänzerischen Kernkompetenzen Bewegungs­ 72

kontrolle, räumliches Bewusstsein, Timing und Rhythmusgefühl deutlich verbessern. Seit diese Daten auf dem Tisch liegen, kam es bei vielen aufgeschlossenen und ehrgeizigen Tänzern allmählich zu einem Umdenken gegen­ über ­Innovationen. „Ballett ist eine alte, fest in der Tradition verhaftete, stark formalisierte Kunstform. Aber das heißt nicht, dass wir nicht weiterlernen können“, sagt Ball. Im hauseigenen Fitnessstudio ist die Zeiten­ wende schon im Alltag angekommen. Jeden Tag schwingen hier fliegengewichtige Tänzer Kugel­ hanteln und Battle Ropes oder schwitzen beim Squat-Training mit schweren Gewichten. Das Krafttraining schützt sie vor Muskelverletzungen, fördert die Knochengesundheit, verbessert die Sprungkraft und hilft beim Abfedern der Aufprallenergie. Damit die Grazie beim Muskelaufbau nicht verlorengeht, wenden die Sportwissenschaftler innovative Techniken an. Kraftmessplatten messen die Explosivkraft, Langhantel-Sensoren Geschwindigkeit und Wie­ derholungen. „Ich dachte, ich würde im Fitnessstudio dicke Beine kriegen. Aber wir trainieren intelligent, damit genau das nicht passiert“, verrät Calvert. Als ideal erwiesen sich schwere Gewichte und wenige Wiederholungen, die mit hoher Ge­ schwindigkeit ausgeführt werden. Denn das ­maximiert die Kraft durch effizientere Muskel­ kontraktion und stärkere elektrische Impulse in den Muskelfasern – ohne dass dabei dicke Muskelpakete entstehen. Der Effekt? „Ich stecke die Proben jetzt viel besser weg als früher“, sagt Bracewell, „und ­meine Kreuz-, Sprunggelenks- und Knieprobleme sind fast völlig verschwunden.“ Auch auf der Bühne merkt er einen deut­ lichen Unterschied. „Wenn du beim Kreuzheben Gewichte gehievt hast, die fünfmal so schwer sind wie deine Tanzpartnerin, werden Hebe­ figuren plötzlich zum Kinderspiel.“

AUSDAUER: Claire Calvert Als Erste Solistin (der Rang knapp unter der Haupttänzerin) spielte Calvert unter a­ nderem die Fliederfee in „Dorn­ röschen“. 2013 erlitt sie eine osteochondrale ­Läsion, eine kleine Knorpelverletzung am Sprunggelenk. Der ­mitbetroffene Muskel schrumpfte auf die Hälfte seiner normalen Größe und hinterließ ein 1,5 Zentimeter großes Loch im Knorpel. Um Gelenke und Muskeln zu stärken, machte sie Kreuzheben und Knie­ beugen mit schweren Gewichten. „Ich trai­ niere, seit ich elf bin“, sagt die 31-Jährige, „aber jetzt weiß ich erst, wie sehr Fitness­ training mir hilft, eine bessere T ­ änzerin zu werden.“

„Unser Körper ist anpassungsfähig“, sagt Claire Calvert, „aber niemand ist fürs Ballett geboren.“

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ClairetoCalvert muscle half itsvereint normal geballte Kraft mit ge­ size and leaving a 1.5cm holeradezu in the übermensch­ cartilage. She licher Biegsamkeit. started doing heavy


FITNESS: Alexander Campbell Der Primo­ballerino aus Sydney spielte schon berühmte Rollen wie den Prinzen im „Nuss­ knacker“. „Du wirst besser, je mehr du ­trainierst. Aber umso schlechter, je müder du bist“, sagt er. Darum trainiert er am Ruder­ gerät und gleicht dabei sein Pensum an die An­ sprüche bevorstehen­ der Rollen an. „Ich kam mit fünf Jahren zum Ballett, spielte aber auch Aus­tralian Foot­ ball, Cricket und Fuß­ ball. Als ich zum ersten Mal Recovery Boots und Eisbäder v­ orschlug, hielten mich alle für verrückt. Jetzt ver­ wenden wir sie die ­ganze Zeit.“

Primoballerino Alexander Campbell ist Teil der sport­ wissenschaftlichen Revolution.


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uch Matthew Ball, der Nachwuchsstar der neuen Tänzergeneration, findet, dass Krafttraining das Niveau seiner Darstellung deutlich verbessert hat: „Ich liebe hohe Sprünge – und Squats mit ­schweren Gewichten sind dafür die perfekte ­Vorbereitung.“ Doch wie hilft die technologische Unter­ stützung genau, die Bühnen-Performance des Royal Ballet zu verbessern? Elektromyographie-Tests helfen den Tänzern, eher vernachlässigte, fußstabilisierende Muskeln wie den medialen Gastrocnemius (auf der Rück­ seite der Wade) zu stärken. Kraftmess­platten zeigen, wie man schonender landet. Und dank der Herzfrequenztests kann sich ­jeder Tänzer sein Fitnessprogramm perfekt ­maßschneidern lassen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Re­ generation. Mit Gyrotonic-Maschinen trainiert man durch ein Seilsystem die Dehnbarkeit. Für die Kältetherapie werden die gleichen „Game Ready“-Beinwickel eingesetzt, die auch die Fuß­ baller von Manchester City verwenden. Und ­aufblasbare RP-X-Erholungsstiefel pressen nach den Proben und Trainings die Milchsäure aus den Muskeln. „Du fühlst dich, als würde wieder frisches Blut durch deine Beine pumpen“, sagt PitchleyGale. All diese Aktivitäten werden mit „Smarta­ base“ überwacht, einer Datenanalyse-Plattform, die auch von dem National-Football-LeagueTeam der Dallas Cowboys verwendet wird.

­ eitertanzen“, sagt Calvert. Inzwischen folgen w die Tänzer den ausgeklügelten tanzgerechten ­Ernährungsplänen von Royal-Ballet-Diätolo­ gin Jacqueline Birtwisle. Sie hat schon für das ­Rugby-Team der Leicester Tigers und den Ruder­ verband British Rowing gearbeitet. Um ihren enormen Energiebedarf zu decken, essen die Tänzer leicht verdauliche Lebensmittel wie Porridge, Rührei, Risotto, Hummus, Salat, ­griechischen Joghurt, Baked Beans oder Buddha-­ Bowls. Dann Omega-3-reiche Fische wie Lachs, Makrele, Sardelle, Sardine und Hering, um die Muskelregeneration zu unterstützen. Und ge­ kocht wird mit Oliven- statt Sonnen­blumenöl, um Entzündungen vorzubeugen.

Balletttänzer haben das gleiche Verletzungsrisiko wie American-Football -Spieler.

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och Balletttanzen ist nicht nur harte körperliche Arbeit. Auch Psychologie und Neurowissenschaft können dich zum besseren Tänzer machen. So hilft die Arbeitspsychologin Britt Tajet-Foxell den Künstlern, negative Gedanken mit positiven ­Bildern zu überblenden. Eine Tänzerin verglich ihren verletzten Knö­ chel zum Beispiel mit einem gebrochenen Zweig – und lernte, sich beim Gedanken daran lieber Bilder von fließendem Wasser und einem blauen Himmel vorzustellen. „Nach einem Beinbruch hatte ich Angst vor den Landungen“, erinnert sich auch Pitchley-Ga­ le, „jetzt habe ich gelernt, in solchen Situationen gezielt an frühere Erinnerungen erfolgreicher Auftritte anzuknüpfen.“ Auch gegen allgemeinen Stress gibt es einen Trick: Die Tänzer werden angewiesen, die ver­ schiedenen Bereiche ihres Lebens – wie Ballett, Familie, Finanzen – in imaginäre Räume auf­ zuteilen und diese „aufzuräumen“, einen nach dem anderen. Der hektische Probenplan macht auch die Planung regelmäßiger und ernährungsphysio­ logisch einwandfreier Mahlzeiten zur Heraus­ forderung. „In 15 Minuten Pause kannst du dir kein Menü reinschieben und danach sofort

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Während einer durchschnittlichen WorkoutSession stemmt Campbell in Summe das Gewicht eines Klein­transporters.

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Bracewells RP-X Recovery Boots ­verbessern mittels Muskelkompression die Durchblutung nach dem Training.

PRÄZISION: William Bracewell Der in Swansea ge­ borene Erste Solist ist es gewohnt, schwierige Rollen zu übernehmen. Aktuell spielt er an ausge­wählten Terminen die H ­ auptrolle in der Royal-Ballet-Produktion von „Romeo und Julia“. „Am härtesten war ­‚Obsidian Tear‘“ (Ballett von Choreograf Wayne ­McGregor aus dem Jahr 2016, Anm.), sagt Brace­well. „Diese 25 Tanzminuten waren unfassbar intensiv.“ Sein Ernährungsplan für eine optimale Per­ formance: „Zwei Stun­ den vor einer Show ­Pasta für die Energie. Und danach Pro­teine, um die Muskeln zu repa­ rieren.“ Bracewell lern­ te auch Visualisierungs­ techniken. „Ballette sind sehr verschieden“, sagt er. „Ich stelle sie mir als unterschied­ liche Gebäude vor. Im Buckingham Palace benimmst du dich ja auch anders als in einer Lager­halle. So zu ­denken hilft mir, mich zu konzentrieren.“


KRAFT: Gemma Pitchley-Gale Als „First Artist“ ist die Tänzerin aus ­Südlondon ein hoch­ rangiges Mitglied des Corps de Ballet, das auf der Bühne auf­ wendig choreografierte Gruppentänze aufführt. ­Neben anmutigen Posen und Backstage-Selfies finden sich auf ihrer ­Instagram Site auch ­Videos vom Gewicht­ heben im Fitnessstudio. „Keine Ballerina will wie eine Bodybuilderin aussehen. Doch wenn man es richtig macht, wird man stärker, ohne Muskelpakete zu be­ kommen. Ich fordere meinen Trainer immer dazu auf, auf die Bein­ presse mehr Scheiben draufzugeben, und er kann es kaum fassen, welche Gewichte ich ­heben kann.“

„Die meisten Leute haben keine Vorstellung davon, wie viel Kraft in uns steckt.“   77


Oben: Gemma Pitchley-Gale trainiert ihre Kraft am hochmodernen Pilates-Reformer. Rechts: Claire Calvert schafft Kniebeugen mit mehr als dem Doppelten ihres Körpergewichts.

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Gut gegen Lampenfieber: Erinnerungen an erfolgreiche Auftritte von früher

Nach der Vorstellung, wenn es zu spät für schwer verdauliches Essen ist, wird die verbrauchte Energie durch Erdnussbutter- und Milchshakes ersetzt. Und weil die Tänzer so viel Zeit in geschlos­ senen Räumen verbringen, wird zusätzlich ­Vit­amin D verabreicht. Es verbessert nicht nur das Immunsystem, sondern steigert auch die ­iso­metrische Kraft der Tänzerinnen und Tänzer, die man mit „statischen“ Übungen wie dem Planking verbessert – um sagenhafte 18,7 Prozent.

PHOTOGRAPHIC ASSISTANT: FRANKIE LODGE

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egen Ende unseres Besuchs führt uns Retter zu der überwältigenden Bühne des Royal Opera House. Sie befindet sich hinter einem drei Tonnen schweren purpurroten Vorhang. Und erinnert ihn täglich nachdrücklich daran, worum es in seiner Arbeit wirklich geht: um tänzerische Exzellenz vor ­einem kritischen Publikum. „An den historischen Errungenschaften des Royal Ballet ist nicht zu rütteln“, sagt er. „Unsere Aufgabe besteht also nicht darin, das Ballett zu verändern, sondern die Tänzer bei ihrer Performance zu unterstützen. Sportler federn ihre ­Landungen in der Hüfte, den Knien und den Knöcheln ab. Aber im Ballett musst du mit gestreckten Beinen landen. Das können wir nicht ändern. Aber wir können die Tänzer stärker ­machen, damit sie solche Belastungen besser aushalten.“ Den objektiv belegbaren guten Ergebnissen zum Trotz sind nicht alle Tänzer von den neuen Ideen und wissenschaftlichen Ansätzen angetan. „Der Konflikt schwelt noch immer, doch er polarisiert nicht mehr so stark wie früher“, räumt Retter ein. „Erstens, weil angehende Tänzer der Royal Ballet School früh lernen, wie wichtig ­körperliche Leistungsfähigkeit ist. Und zweitens, weil auch Startänzer einsehen, dass ihr künst­ lerischer Ausdruck durch die neuen Methoden nicht beeinträchtigt, sondern verbessert wird.“ In dieser Saison meldeten sich 80 Prozent der Tänzer für freiwillige Tests in der Mason Healthcare Suite an – so viele wie nie zuvor. „Und nicht nur das. Sie nahmen die Ergebnisse ernst und steckten sich Ziele“, berichtet Greg Retter. „Zum Beispiel wollten sie ihre maximalen Sprunghöhen verbessern, nachdem sie dazu Feedback vom künstlerischen Personal und Royal-­ Ballet-Direktor Kevin O’Hare erhalten hatten.

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FOKUS: Matthew Ball Im März 2018 kam ein Anruf vom Direktor des Royal Ballet: Der Erste Tänzer David Hallberg hatte sich verletzt. Ball musste für die Haupt­ rolle des Albrecht in ­„Giselle“ einspringen, obwohl er sie bis dahin nur einmal getanzt ­hatte. „Wenn du keine Wahl hast, folgst du deiner ­Intuition“, sagt Ball. Er wurde später zum Haupttänzer be­ fördert und ist nun an aus­gewähl­ten Terminen in der Hauptrolle von ­„Romeo und Julia“ zu sehen. „Ich nahm ein Taxi, zog mich um, ließ mein Make-­up machen und war weniger auf­ geregt als sonst.“ Ball entwickelte Strategien, um sich auf der Bühne besser zu konzentrieren. „Dein Hirn braucht ­etwas Vertrautes. Wenn mein Herz pocht, lege ich meine Hand darauf und fokussiere meine ganze Energie auf diese Stelle.“

Ich erlebte zum ersten Mal e­ inen regelrechten Austausch und nicht nur das bloße Aufzeigen von Schwachstellen, die es zu verbessern gilt.“ Das Fazit: Auch weiterhin wird das Talent wichtiger sein als die Wissenschaft, wenn es um die Umsetzung künstlerischer Ästhetik geht. Doch wenn es die Aufgabe eines Tänzers ist, die Grenzen seines Körpers auszuloten, um damit emotionale Reaktionen im Publikum auszulösen, wenn er damit Athletik zur Kunstform erhebt – dann kann Wissenschaft dabei helfen. „Ein Läufer muss einfach nur laufen“, sagt Calvert. „Aber wir müssen uns präzise bewegen, gut aussehen, überzeugend lächeln und beim Zuschauer Gefühle erzeugen – selbst wenn wir am Ende fast draufgehen. Kniebeugen helfen mir nicht, wenn ich dreißig Fouettés (Das ist eine schnelle Drehung, bei der ein Bein zum Knie an­gewinkelt wird; Anm.) machen will. Ich muss ja die Abfolge genau üben. Aber ich habe Kraft und Vertrauen dazugewonnen und kann mich deshalb besser auf die Handlung oder meine Rolle konzentrieren.“ Und davon haben nicht nur die Tänzer etwas – sondern letztlich auch das Publikum. roh.org.uk

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FLÜÜÜGEL GIBT’S AUCH OHNE ZUCKER.

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guide Dein Programm

FITNESS

LESESTOFF

GAMING

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Extrem-Workout: mit Lauf-Ikone Christian Schiester in der Sauna

Die besten Bücher für Fans von „Game of Thrones“

Studien beweisen: „Mario Kart“ lässt dich unbeschwerter leben.

KARO PERNEGGER

REISEN

Wilder Ritt: Wir erkunden Albaniens Berge auf einer Allrad-Tour. SEITE 82

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Reisen

Albanien (im Hintergrund die Hauptstadt Tirana) erkundet man am besten o≠road. Viele Orte erreicht man anders nicht.

ABENTEUER

ALBANIEN QUERFELDEIN Unser Reporter fährt fast nie Auto. Wir schickten ihn ­trotzdem für eine Allrad-Tour durch die wilden Berge Albaniens. Ein steiniger, aber schöner Weg.

I

ch hab’s versucht. Zwei Fahr­ zeuglängen Abstand zum Vor­ derwagen halten, das war die Anweisung. Doch schon bald be­ finde ich mich, weit abgeschlagen von der Gruppe, auf irgendeinem Bergpfad. Vor mir nur eine Staub­ wolke, die mir die anderen hinter­

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lassen haben. „Fahrzeug neun, bitte aufschließen“, tönt es un­ geduldig aus dem Walkie-Talkie. Jaja, bin gleich da, murmle ich überfordert. Albanien ist das touristisch wohl unbekannteste Land Euro­ pas. Denn es war unter dem lang­

Nach dem Fahren auf die Fähre – nach Korfu, Griechenland

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guide

REISE-TIPPS

OFFROAD -IDYLLE

Albanien ist touristisch relativ unbekannt — und doch nur einige wenige Flugstunden von Deutschland entfernt.

Albanien Tirana

Elbasan Berat

Dreckige Freiheit: O≠road-Fahren ist in Albanien relativ unreglementiert möglich.

Gjirokastra Saranda

DAS RICHTIGE OFFROAD-SET-UP Einfach so von der Straße abfahren ist keine gute Idee. Mit diesen fünf Tipps der Škoda-O≠roadExperten bist du besser für ein A ­ benteuer auf­ ­unbeständigem Untergrund vorbereitet: 1. INSPEKTION Vor dem Start das Auto von außen begutachten: Wie lang und breit ist es? Und einmal von unten: Wo hängen die Fahrzeugteile besonders tief? So weißt du, ob du besser links oder rechts über Hindernisse fährst.

KARO PERNEGGER

FELIX DIEWALD

Sightseeing durch die Windschutzscheibe: unser Autor, ausnahmsweise entspannt

jährigen sozialistischen Diktator Enver Hoxha bis zum Fall des Kommunismus komplett von der Außenwelt abgeschottet. Wir wollen drei Tage lang abseits der großen Straßen das Hinterland durchstreifen, in der Kolonne von der Hauptstadt Tirana in drei Tagen bis in den Süden an die Mittelmeerküste. Albanien erkundet man am besten offroad, sagt Erald Der­ vishi, der mit Off Limits Albania Touren durchs ganze Land an­ bietet: Viele Orte erreicht man auf andere Weise nämlich gar nicht, schon gar nicht mit dem Bus. „Und dort draußen triffst du noch auf Menschen, die neugierig auf dich sind.“ Außerdem ist das

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„Es sind Passagen zu meistern, bei denen du denkst: Wer, um Himmels willen, soll hier fahren?“ Geländefahren im Vergleich zu anderen Ländern in Albanien noch relativ unreglementiert möglich. Manche der Routen sind zwar in Online-Karten verzeich­ net, Dervishi empfiehlt aber, sich nicht auf eigene Faust, sondern unbedingt in der Gruppe und mit einem lokalen Guide ins Aben­

2. KENNZEICHEN UNGELÖST Bevor du die Straße verlässt, verstärke die Befestigung des Nummernschilds oder schraube es überhaupt ab – das ist als Erstes futsch. 3. AB IN DEN HOCHSITZ Stell den Sitz aufrecht und hoch ein. Du brauchst Übersicht, um den Boden direkt vor dir sehen zu können. 4. LUFT RAUS Wenn der Untergrund matschig und rutschig wird, bekommst du mehr Grip, wenn du etwas Luft aus den Reifen lässt. 5. ALLES IM BLICK Richte die Rückspiegel auf die Hinterräder ein. So hast du alle Reifen im Blick und weißt, wo du durchkommst.

GELÄNDEWAGEN-TOUR Off Limits Albania, Bulevardi Bajram Curri, 1001 Tirana, Albanien; Tel.: +355/69/204 04 40. Zum Beispiel die drei­tägige Tour von Tirana nach Durrës an die Küste, ­weiter in die Berge nach Berat, durch den Osumi-­Canyon nach Gjirokastra in den Süden und zurück. Inkl. Geländewagen, Übernachtungen und Frühstück ab 270 Euro. offlimitsalbania.com

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Reisen

„Es macht ‚klunk‘, wenn ich einen Stein erwische. Aber ­langsam beginnt der O≠road-Fahrer in mir zu erwachen.“

Stopp am Stausee Banjë: Wasserkraft dominiert in Albanien.

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Wagen packt es leicht – dank des „intelligenten 4×4-Antriebs“, wie ich später erfahre. Wir erklimmen steile Felstreppen, schlängeln uns auf schmalen Geröllwegen durch die Gebirgslandschaft, die gut 70 Prozent der Landes­fläche ausmacht. Jetzt besser nicht schauen, wie weit der Hang rechts abfällt. Immer wieder kommen wir an kleinen Betonbunkern vorbei, die verloren in der Landschaft herum­stehen, ein Überbleibsel aus der Vergangenheit. Der paranoide Diktator Enver Hoxha isolierte das Land in den Siebzigern und Achtzigern international und ließ mehr als 170.000 Bunker im Land errichten – um Feinde ab­ zuwehren, die nie kamen. Mittlerweile werden sie von Bauern zum Teil als Ställe oder Getreidelager genutzt. Pause, kurz durchatmen. Die anderen mitgereisten Journalisten wirken auf mich wie eine Gruppe abgebrühter Rallye-Fahrer – die kühne Strecke scheint ihnen nichts auszumachen. Ich hin­ gegen besitze eine Jahreskarte für die Öffis, mehrere E-ScooterApps, habe noch nie ein eigenes Auto besessen und die Führerscheinprüfung erst beim zweiten

Antritt geschafft. Gut, dass mein Co-Pilot ein erfahrener MotorJournalist ist. Vom Beifahrersitz aus lotst er mich durch die Offroad-Passagen und bringt mir in einem Live-Crashkurs die Basics fürs Fahren abseits der Straße bei. Und obwohl ich versuche, fachgerecht durchs Gebirge zu brettern, macht es immer wieder „klunk“, wenn der Autoboden ­gegen einen Stein kracht. Aber dann, langsam, beginnt der Offroad-Fahrer in mir zu erwachen. Ich kann das Gelände immer besser deuten. Die Funksprüche, wo ich denn bleibe, werden weniger. Ich kann mit dem Tempo der anderen einigermaßen mithalten. Auch wenn ich immer noch ängstlich wie ein Fahrschüler über die Motorhaube schiele. Irgendwann tut sich hinter ­einer Bergkuppe das Ionische Meer auf und gibt den Blick auf die griechische Insel Korfu frei. Als wir von der Offroad-Schotterpiste auf eine befestigte Gebirgsstraße wechseln, kommt mir diese so weich vor wie ein luxuriöser Samtteppich. Hallo Asphalt, du großartiges Material! Wir cruisen das letzte Stück Richtung Fähre. Ende Gelände.

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FELIX DIEWALD

Albtraum für Putz-Personal: Berat, auch bekannt als die „Stadt der tausend Fenster“

KARO PERNEGGER

teuer zu stürzen. Welcher Weg passierbar ist, kann sich in den rauen Bergen Albaniens nämlich jederzeit ändern. Und die Beschaffenheit der Strecke ist ein ganz eigenes Kapitel. Es sind Passagen zu meistern, bei denen du denkst: Wer, um Himmels willen, soll hier fahren? Die Antwort ­geben höhergelegte Uralt-Kisten aus den Siebzigern, die uns immer wieder entgegenkommen und auf wundersame Weise auf diesen ­sogenannten Straßen unterwegs sind. Albaner pflegen e­ inen eher wilden Fahrstil. Das könnte damit zu tun haben, dass es bis in die Neunzigerjahre hinein überhaupt nur wenige tausend Autos im Land gab – reserviert für die ­Partei-Elite. Private Autos hin­ gegen waren verboten. Unser Gerät: der Škoda Karoq Scout, ein Geländewagen, der auf mich Auto-Null nicht wirklich wie eine Offroad-Karre wirkt. Niemals wäre ich auf die Idee ­gekommen, mit dem Ding solche Routen zu befahren. Aber der

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JAHRESABO

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BEYOND THE ORDINARY Erhältlich am Kiosk, im Abo, als E-Paper, auf theredbulletin.com oder als Beilage in einer Teilauflage von:

LITTLE SHAO/RED BULL CONTENT POOL


Fitness

MENTALES TRAINING

RADTOUR MIT AUFGUSS Seine Wüstenläufe machten Christian Schiester zum Ultrarunning-Star. Wo er dafür trainierte? In der Sauna. Davon profitierte vor allem sein Geist. achtete darauf, dass ich nie­ mals allein in der Sauna war – man weiß ja nie“, erzählt der heute 52-Jährige. Die Er­ höhung der körperlichen Leistungsfähigkeit war bei der Aktion allerdings nicht das Ziel.

Kühler Kopf bei 60 Grad

S

o ein Sauna­gang nach dem Workout ist was Feines. Die Muskeln entspannen, die Durchblu­ tung kommt in Schwung, und der Kopf wird frei. Was aber, wenn die Sauna selbst zum Fitnessstudio wird? Wie bei Christian Schiester: Zu der Zeit, als sich der Ultrarunner auf seine Wüstenläufe vor­ bereitete, stellte er sich schon mal ein Laufband oder ein Fahrradergometer in die Holzkabine, heizte sie auf 60 Grad Celsius auf und spul­ te drei Stunden lang seine Kilo­meter ab. „Ich trank dabei bis zu 15 Liter Wasser und

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Topfit war er dank diszipli­ niertem Trainingsplan und ­regelmäßigen Ultradistanz­ läufen sowieso. „Ich trainierte in der Sauna, um in meinem Kopf die Bedingungen in der Wüste zu simulieren“, so Schiester. Und es klappte. Als er beim Sahara-Ultrama­ rathon in Ägypten über eine ­Düne lief, zeigte das Thermo­ meter seiner Armbanduhr 60 Grad. „Da ging’s mir rich­ tig dreckig“, erinnert er sich. Doch plötzlich hörte er seine innere Stimme sagen: „Schiester, hab dich nicht so! Du kannst das packen. Schließ­ lich war es in der Sauna auch so heiß.“ Prompt war das Mo­ tivationsloch überwunden, und er kam nach 250 Kilome­ ter Wüstenrennen als Zweiter ins Ziel.

Trainieren statt Nichtstun – nicht nur in der Sauna: Mit zwanzig noch schwerer Raucher und Trinker, stellte Christian Schiester sein Leben um. Eineinhalb J­ ahre später lief er den New-York-City-Marathon (1990).

Vom Läufer zum Segler

Seit 2016 hat der Steirer neue Ziele vor Augen – vom Deck eines Segelboots aus. Bei sei­ nem Projekt „Sail & Run“ um­ segelt er die Welt und läuft, wo immer er an Land geht. ­Etwa in Papua-Neuguinea zum Wings for Life World Run 2019. Temperatur: 34 Grad. Oder, wie Schiester sagen w ­ ürde: angenehm.

„In der Sauna brenne ich mir die Temperaturen ins Hirn. So weiß ich beim eigent­ lichen Rennen, dass ich’s packen kann.“

Alle Infos zu „Sail & Run“: christian-schiester.com

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PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL (2), HARALD TAUDERER/RED BULL CONTENT POOL (2) CLAUDIA MEITERT

Christian Schiester, österreichische Laufikone


guide

KNOW-HOW

REINE KOPFSACHE Höher, schneller, weiter? So hilft dir dein Kopf dabei, deinen Körper zu Höchst­leistungen anzuspornen.

LIVE DABEI AM 3. MAI Ob fit wie Christian Schiester oder absoluter Neuling: Der Wings for Life World Run vereint Läufer in aller Welt im Dienst der guten Sache.

SELBSTGESPRÄCHE Ordne und steuere deine Gedanken vor und während der Crunch-Time. Wer seine innere Stimme gezielt einsetzt, zum ­Beispiel durch positiv ­besetzte ­Schlüsselworte, ist eher zu Höchst­ leistungen ­imstande. PROZESSZIELE Vergiss das große Ganze für einen Moment. ­Konzen­triere dich ­stattdessen auf einzelne Schritte, die du ­bereits beherrschst. Das stärkt dein ­Selbst­bewusstsein. BILDER Stell dir möglichst ­ bildhaft vor, wie du jeden einzelnen Teil deiner ­Challenge ­ab­solvierst. Je authen­tischer dir diese Visuali­sierung ­gelingt, ­desto b ­ esser bist du im Ernstfall vorbereitet.

Seit 2014 laufen Menschen weltweit für all jene, die es nicht können. 100 % des Startgelds aller Teil­ nehmer des Wings for Life World Run fließen direkt in die Rückenmarks­­ forschung. ­Dadurch konnten in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt werden, nachzulesen unter: wingsforlife.com DIE WICHTIGSTEN FACTS ZUM WINGS FOR LIFE WORLD RUN SO LÄUFT’S

„Heute segle ich um die Welt. Wo immer ich lande, laufe ich auch. Dank App sogar beim World Run.“ Christian Schiester, Abenteurer und Botschafter des Wings for Life World Run

Start in München (und zwölf anderen Städten) ist der 3. Mai, 13 Uhr. 30 Minuten ­später fährt das Catcher Car los. Das Rennen ist beendet, wenn es den letzten Läufer überholt hat. SO LÄUFST DU

Die Anmeldung für den Live-Event in München ist so lange möglich, bis der Lauf ausverkauft ist. Alternativ kannst du dich organisierten App Runs anschließen oder am Ort deiner Wahl mittels der Wings for Life World Run App teilnehmen. INFORMATIONEN UND ANMELDUNG WINGSFORLIFEWORLDRUN.COM

Fit für alle Witterungen: Schiester in Ägyptens Weißer Wüste

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Lesestoff

Mit seinem Kult-Zyklus „Das Lied von Eis und Feuer“ („Game of Thrones“) hat US-Autor George R.   R. Martin ein völlig neues Kapitel der FantasyLiteratur aufgeschlagen. Aber wer setzt dieses als würdiger Thronerbe fort? Wir sagen: JOE ABERCROMBIE.

„F

ür alle Fans von ‚Game of Thrones‘!“ Die Cover-­ Buttons, mit denen Buch­ verlage seit nunmehr über zehn Jahren versuchen, ihre FantasyNeuerscheinungen im lukrativen Kielwasser von George R. R. Martins Kult-Zyklus zu positionieren, haben sich zur wahren Epidemie

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entwickelt. In den meisten Fällen gilt hier allerdings die alte Weisheit: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Um diesen literarischen Erb­ folgekrieg ein wenig zu lichten, muss man sich zunächst vor ­Augen führen, was denn „Das Lied von Eis und Feuer“ (so der

Titel der auf Deutsch zehnteiligen Buchvorlage zur HBO-Erfolgs­serie „Game of Thrones“) tatsächlich auf den Fantasy-Thron gehoben hat. Und dabei zeigt sich, nicht ohne Ironie: in erster Linie der äußerst sparsame Einsatz ­aller klassischen Versatzstücke der Fantasy-Literatur. Martin, der selbst einst sehr elastisch als „der amerikanische J. R. R. Tolkien“ ­vermarktet wurde, lässt weder gleißende Schwertkämpfer noch androgyne E ­ lfen, grindige Orks oder knorrige Zwerge und auch keine Zauberer mit albernen ­Hüten aufmarschieren. Stattdessen bringt er eine ­ful­minant ziselierte Truppe von Charakteren in Stellung, die – ­sofern sie nicht völlig unerwar-

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VINZ SCHWARZBAUER

BLUTIGER ERBFOLGEKRIEG

JAKOB HÜBNER

FANTASY-BOOM


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GENRE-TIPPS DER ERSTE ABSATZ Logan hechtete zwischen den Bäumen hindurch; seine nackten Füße rutschten auf dem nassen Boden, dem Schlamm und den glitschigen Kiefernnadeln immer wieder aus. Pfeifend schoss der Atem aus seinem Mund, und das Blut dröhnte in seinem Kopf. Er stolperte und prallte hart auf der Seite auf, wobei er sich fast die eigene Axt in die Brust bohrte. Dann lag er keuchend da und spähte angestrengt in den dämmerigen Wald.

tet ­eines scharfkantigen Todes sterben – immer mehr an Tiefen­ schärfe ­gewinnen und diese rund 5000 Seiten starke Sex-and‑CrimeOrgie locker schultern. ­Magisches Material setzt Martin nur ein, um die Fugen seines ­martialischen Intrigantenstadls zu kitten. Und: Fast alle Figuren agieren jenseits von Gut und Böse. Die Moral von der Geschicht’, die gibt es schlichtweg nicht. Womit also der Kandidaten­ kreis „Für alle Fans von ‚Game of Thrones‘!“ bereits deutlich an Ra­ dius verliert. Genre-Durch­starter wie Jay Kristoff, Scott Lynch oder ­Michael J. Sullivan (siehe Tipps) ­liefern zwar erstklassigen GenreLesestoff ab – was die opulente Niedertracht betrifft, befinden sie sich aber nicht ganz auf Augen­ höhe mit Mr. Martin. Und hier kommt Joe Aber­ crombie ins Spiel. Der britische Autor, Jahrgang 1974, hat genau jenen Mix aus brachialer Action und intelligenter Personalpolitik im Programm, der das Zeug dazu hat, darbende „GoT“-Fans aus dem kalten Entzug zu reißen. Sein grandioser „The First Law“Zyklus (dt. „Klingen“-Serie) wurde von Kritikern vom Stand weg in den Himmel gejauchzt, für das ganz große nächste Ding reichte es dann aber trotzdem nicht – was ein echter Jammer ist.

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Im Mittelpunkt der Serie („Kriegsklingen“, „Feuerklingen“, „Königsklingen“), die Abercrombie mit vier Add-ons („Rache­klingen“, „Heldenklingen“, „Blutklingen“, „Schattenklingen“) nachfettete, stehen drei Figuren: ein legendärer Barbar mit aus­geprägtem Hang zum Blutrausch, ein undurchsich­ tiger Magier, der keinen nennens­ werten Unterschied zwischen Menschen und Marionetten macht, und ein verkrüppelter ­Inquisitor, in dessen Adern un­ verdünnter Zynismus zirkuliert. Um diese drei faszinierenden ­Protagonisten gruppiert Aber­ crombie – nebenbei diplomierter Psychologe – mit einem gerade­ zu beängstigenden Gespür für ­Sidekicks weitere kongeniale Handlungsträger, die es ihm ­ermöglichen, seine kriegerische Abenteuerschwarte in einem von mehreren Feuern erhitzten, wun­ derbar würzigen Sud schmoren zu lassen. Aber Achtung: Auch wenn Aber­­crombie die Streitaxt mit­ unter mit der stilistischen Ele­ ganz eines Floretts führt, ist das hier immer noch derbe Ware. Hart, räudig und sehr brutal. Mit der lang ersehnten Fort­ setzung „Zauberklingen“, dem ersten Teil des neuen Zyklus „The Age of Madness“, kehrt Abercrombie nun ins „The First Law“-Universum zurück. Und am Cover wird – Überraschung! – ein ge­wisser George R.  R. ­Martin zitiert: „Ein Rache-Epos, das mich von der ersten Seite an ­gepackt hat.“ Womit sich der literarische Kreis ganz fantastisch schließt.

JOE ABERCROMBIE: DIE KLINGEN-SAGA Bislang sind sieben Bände erschienen, der achte, „Zauber­klingen“ (Deutsch von Kirsten Borchardt; Heyne Verlag), ist seit 10. Februar 2020 erhältlich.

VORSICHT: SUCHTGEFAHR!

Erlesene Erfolgsserien: aktuelle FantasyZyklen, die Lust auf mehr machen

JAY KRISTOFF: „NEVERNIGHT“ In seiner Heimat Australien hat Kristoff so ziemlich alle Preise abgeräumt, die das Genre hergibt. Sein virtuoser „Nevernight“-­ Zyklus rund um die junge Assassinin Mia Corvere ist stilistisch brillant, definitiv nicht jugendfrei und sehr, sehr böse. 2 Bände; Fischer/Tor

SCOTT LYNCH: „GENTLEMAN BASTARDS“ Mit dem genialen Meisterdieb Locke Lamora hat Scott Lynch einen Helden er­schaffen, der sich den ­Titel „Schlafräuber“ wahrlich verdient hat. Spannung, Humor und Action in perfekter Balance – praller kann man Unterhaltungs­ literatur kaum gestalten. 3 Bände; Heyne

JOHN GWYNNE: „BLUT UND KNOCHEN“ John Gwynnes neuer Zyklus schließt nahtlos an seine preisgekrönte High-Fantasy-­ Saga „Die Getreuen und die Gefallenen“ (vier Bände) an und ist ein gefundenes Fressen für alle Freunde reichlich garnierter Schlacht­platten mit Hang zur blutigen Rohkost. 1 Band; Blanvalet

ANTHONY RYAN: „DRACONIS MEMORIA“ Fantasy-Drachensteigen für Erwachsene: Nach seiner faszinierend düsteren ­„Rabenschatten“-Trilogie heizt der Schotte dem ­Genre mit einem gewagten Mix aus blutrünstigem Abenteuer, stampfendem Steampunk und subtiler ­Politparabel ein. 3 Bände; Klett-Cotta

MICHAEL J. SULLIVAN: „THE FIRST EMPIRE“ In der sechsteiligen „Riyria“-­ Serie hat Sullivan das ­vermutlich charmanteste ­Buddy-Duo der Fantasy-­ Literatur kreiert. Sein ­aktueller ­„Empire“-Zyklus ist etwas epischer angelegt, punktet aber ebenso mit höchsten Sympathiewerten. 3 Bände; Knaur

MARK LAWRENCE: „DAS BUCH DER AHNEN“ Coming of Age auf die harte Tour: Mark Lawrence hat schon mehrfach bewiesen, dass er sich auf der dunklen Seite der Macht pudelwohl fühlt – sehr zum Leid­wesen der kleinen Nona, die sich hier durch ein sub­versiv choreografiertes ­Rache-Epos kämpft. 2 Bände; Fischer/Tor

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Events

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Februar Bester Rutsch im neuen Jahr Kämpfe um Tausendstel erwarten die Zuschauer beim Rennrodel-Weltcup in der Veltins-Eisarena in Winterberg. Auf der Hochgeschwindigkeitsbahn mit ihren 15 Steilkurven im Herzen der Wintersport-Arena Sauerland werden die Damen- und Herren-Weltcuprennen im Einsitzer, Doppelsitzer und in der Teamstaffel ausgetragen. Zu den Favoriten zählt einmal mehr der deutsche Rodler Felix Loch. Winterberg; veltins-eisarena.de

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März Schatten über Berlin In der Hip-Hop-Szene gilt DJ Shadow als Legende. Seine Kunst: Er greift Versatzstücke anderer Songs auf, bearbeitet sie und flechtet sie zu neuen Gesamtkunstwerken zusammen. Nun kommt er für sein einziges Deutschland-Konzert in die Hauptstadt Berlin und präsentiert sein neues Doppelalbum „Our Pathetic Age“. Berlin, Metropol; djshadow.com

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Februar bis 1. März Über Bretter brettern Keine Gänge, keine Bremsen, Wettbewerb pur: Bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften im Velodrom in Berlin rasen die Könner des Indoor-Radsports über die Holzbahn. Auch Laien verstehen schnell, wie die unterschiedlichen Rennformate funktionieren, und lassen sich von der mitreißenden Atmosphäre begeistern. Berlin, Velodrom; trackcycling-berlin.com

29 QUERTREIBER Februar bis 1. März

Während Freizeit-Biker ihr Motorrad bei Glatteis stehen lassen, geben andere Piloten da erst richtig Gas: Beim Finale der FIM Ice Speedway of Nations World Championships rasen die Athleten mit ihren Maschinen über die gefrorene Piste. Dank Spikes an den Rädern können Fahrer wie Weltmeister Daniil Ivanov (Bild) beinahe waagrecht durch die Kurven fliegen. Berlin, Horst-Dohm-Eisstadion; eisspeedwayberlin.de

FIM/GOODSHOOT, SONY PICTURES, BERNHARD KREMPL

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März Plötzlich verzaubert Tom Hanks spielt im Film „Der wunderbare Mr. Rogers“ den beliebten Kinderentertainer Fred Rogers, der in den USA mit der TV-Serie „Mr. Rogers’ Neighborhood“ berühmt wurde. Als der Journalist Lloyd Vogel, gespielt von Matthew Rhys, erfährt, dass er Fred Rogers interviewen soll, ist er zunächst genervt, weil er sich eigentlich als knallharten Investigativ-Schreiber sieht. Doch die Begegnung mit Rogers verändert sein Leben auf unerwartete Weise für immer. „Der wunderbare Mr. Rogers“ läuft im Kino.

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guide

14 TELEMARKEN AM OBERJOCH bis 16. März

Ski-Weltcup einmal anders: Beim FIS Telemark Weltcup am Oberjoch im Allgäu kann man diese Disziplin besser kennenlernen, hier in ihrer rasanten Form. Am Freitag steigt das Training, Samstag der Classic Sprint, Sonntag der Parallel Sprint. Ideal, um selbst einen Skitag zu genießen und in den Pausen Stars wie Johanna Holzmann (Bild) in Aktion zu erleben. Bad Hindelang; telemark-weltcup.de

Der neue BOOMSTER GO

PLAY HARD.

Der BOOMSTER GO legt den legendären Teufel Sound in deine Hand. Egal ob beim Wandern, am Bike oder bei der Umrundung des Mars. Wohin wirst du ihn mitnehmen? teufel.de/boomster-go


Events

21. März

RED BULL HOMERUN: DAS GROSSE RENNEN

Die Teilnehmer beim Le-Mans-Start: In eiligem Lauf geht’s zu den Sportgeräten.

W

ild gewordene Riesenhasen auf der Piste, spektakuläre Verfolgungsjagden zwischen Ski- und Snowboardfahrern, feiernde Zuschauer an der Strecke: Am 21. März erwartet Besucher des Skigebiets Winklmoosalm-Steinplatte Action der besonderen Art. Denn an diesem Samstag steigt der Red Bull Homerun ­in Reit im Winkl in den Chiemgauer Alpen, etwa 90 Minuten mit dem Auto von München entfernt. Los geht’s um 17 Uhr mit dem großen Massenstart. Zunächst sprinten die rund 500 Teilnehmer zu Fuß bis zur Wechselzone,

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in der ihre Sportgeräte liegen – Ski, Snowboard, Mono- oder Telemarkski. Auf denen stürzen sie sich anschließend die 6400 Meter lange Piste hinunter. Übrigens: Es gewinnen nicht nur die schnellsten Frauen und Männer auf Skiern und Snowboard, es gibt auch Auszeichnungen für die besten Kostüme – und zum Schluss eine große After-Ski-Party für alle.

Du willst beim spektakulärsten ­Massenstart des Jahres dabei sein? Dann melde dich jetzt an unter: redbull.com/homerun

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FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL (2), MARCEL LÄMMERHIRT/RED BULL CONTENT POOL, FLORIAN BREITENBERGER/RED BULL CONTENT POOL

Massenstart in den Bergen: Bei diesem Fun-Event fahren rund 500 Teilnehmer um die Wette – auf Skiern und auf Snowboards. Es gewinnen aber nicht nur die Schnellsten.


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TIPPS

SCHNELLE FACTS

SCHNELLES MATERIAL

500 Teilnehmer können beim

Siegertypen wissen: Es kommt nicht nur auf Leistung an.

Red Bull Homerun an den Start gehen.

6400 Meter ist die Strecke lang, die Skifahrer und Snowboarder ­bewältigen müssen.

717 Meter beträgt der Höhenunter-

schied zwischen Start (auf 1851 Metern) und Ziel (liegt 1134 Meter hoch).

5:50 Minuten sind zu unterbieten. So lange brauchte der schnellste Fahrer im Jahr 2019 für die Strecke.

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Lifte und Seilbahnen umfasst das Skigebiet Winklmoosalm-Steinplatte. Im Ticket für den Red Bull Homerun ist ein Tagespass inbegriffen.

Bene Mayr, Freeski-Star

SO HÄNGST DU ALLE AB

„Wer von ­außen startet, ist im Vorteil.“ Bene Mayr, Sportlicher Leiter Red Bull Homerun

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Gute Outfits am Start: Neben den schnellsten Fahrerinnen und Fahrern gewinnt auch das beste Kostüm.

Lehn dich an die Wand

Starte als Außenseiter

Je länger du es in der Renn­ hocke aushältst, desto schneller bist du am Ziel. Für die meisten dauert die Red Bull HomerunAbfahrt zwischen fünf und zehn Minuten, da brennen früher oder später die Oberschenkel. Lehn dich deshalb zur Vorbereitung in den Wochen vor dem Start jeden Tag einmal zu Hause in der Sitz­ position mit dem Rücken an die Wand, wobei deine Knie mit 90 Grad angewinkelt sind. So­ bald du fünf Minuten schaffst, bist du bereit.

Beim Massenstart sind die ­Plätze in der Mitte am begehr­ testen – klar, sie liegen auf der Ideallinie. Stell dich trotzdem besser nach außen. Da hast du vergleichsweise freie Bahn und bist vor den meisten Mittel­ stürmern bei deinen Skiern oder deinem Snowboard.

Gönn deinen Skiern eine Extraportion Wachs Wie schnell du sein kannst, ent­ scheiden auch deine Ski oder dein Snowboard. Verpass ihnen deshalb am Vorabend des Ren­ nens eine E ­ xtraportion Wachs. Schau vor dem Einkauf unbe­ dingt auf den W ­ etterbericht! Viele ­Hersteller bieten auf die ­Temperatur hin optimierte Wachs­varianten an – den Unter­ schied merkst du wirklich. ProfiTipp: Zum Abschluss mit Fluor­ wachs drübergehen, dann fliegst du regelrecht über die Piste.

Park deinen Hintern Wer das Rennen gewinnt, hängt auch davon ab, wer die Flachpassagen am schnellsten bewältigt. Mein Tipp für die ­Skifahrer: Nimm ordentlich Schwung m ­ it und setz dich dann mit dem H ­ intern auf die Bindung. Das minimiert den Luftwiderstand und entlastet die Oberschenkel. Mein Tipp für Snowboarder: Nimm dir einen Skifahrer mit, der dich „zieht“.

BESTE ZEIT Die SUUNTO 9 BARO RED ist eine Sport-GPS-Uhr mit barometrischer Höhenmessung – optimal zur Analyse des Skitrainings. 599 Euro; suunto.com

GUTER GRIFF Der Salomon S/Force Bold steht für Stabilität auch bei höherem Tempo, seine Konstruktion sorgt für viel Energie auf der Kante. 899,99 Euro; salomon.com

Kleide dich windschnittig Auch für das beste Kostüm gibt es eine Auszeichnung. Damit es dich beim Rennen nicht bremst, such dir etwas eng Anliegendes aus. Aus einem weißen Ski­ anzug kannst du zum Beispiel ein ­Zebrakostüm basteln.

BEWÄHRTES BRETT Extrem verlässlich und für jedes Gelände ­geeignet: Das Burton ­Custom Camber ist dank seiner Vielseitigkeit immer eine gute Wahl. 600 Euro; burton.com

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Gaming

guide

„Mario Kart“-Figuren: Was sagt deren Auswahl über den Spieler aus?

WIE IM ECHTEN LEBEN Haben auch die Power-ups tiefere Bedeutung, symbolisieren sie womöglich das Auf und Ab des Lebens? Die roten Koopa-Panzer könnten für Heimtücke stehen, die Bananenschale für Pech, ein Pilz, der schneller macht, für Energie und ein Unbesiegbarkeit verleihender Stern für Selbstvertrauen. Nur der blaue ­Panzer scheint nicht ganz dazu­ zupassen – der ist nämlich nur für den Führenden gefährlich. „Das Leben ist manchmal nicht fair“, sagt Kosuke ­Yabuki, Game-Designer von „Mario Kart 8“. „Wir wollten den blauen Panzer ­weglassen, aber ohne ihn hätte einfach etwas gefehlt.“

Wissenschaftlich bewiesen: Das Rennspiel „Mario Kart“ lässt dich besser Auto fahren – und unbeschwerter leben.

W

enn sich Nintendo-Entwickler Shigeru Miya­ moto ein Spiel ausdenkt, wendet er „kyokan“ an. Für die alten Philosophen hieß „kyokan“ so viel wie „sich in den anderen einfühlen“. Für den Schöpfer von „Mario“ und „The Legend of Zelda“ beschreibt es das Verhältnis zwischen Programmierer und Spieler. „Nur was mir Spaß macht, kann auch anderen Spaß machen“, erklärt Miyamoto. Als er 1992 „Super Mario Kart“ für das Super Nintendo ­Entertainment System erfand, war „kyokan“ bereits Teil der Game-DNA. Und des Erfolgs­ geheimnisses des damals völlig neuen Genres Kart-Racing. 27 Jahre und etliche erfolglose Kopierversuche später (siehe „Garfield Kart“) zählt „Mario Kart“ zu den beliebtesten Spielen überhaupt – auch in der neuesten Mobilversion „Mario Kart Tour“. Doch was fasziniert die Gamer so daran? Hier die Thesen von Spielpsychologe Jamie Madigan und seinen Kollegen:

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EXPERTENPROFIL

JAMIE MADIGAN

NIEMAND IST PERFEKT Was deine „Mario Kart“-Lieblingsfigur über dich aussagt, analysierte die Psychologie-Professorin Dr. Karen Chenier in der US-Wochenzeitung „Willamette Week“ (erscheint in Portland, Oregon). Laut ihrer These wählen Gamer Avatare aus, die ihnen charakterlich ä­ hneln: zum Beispiel den neurotischen Luigi, den clownhaften Saurier Yoshi oder den narzisstischen Bowser. Für Miyamoto ist Mario ein „Held der einfachen Leute“. Doch Madigan schränkt ein: „Viele ­wählen auch einfach nur jene Figur, die ihnen am besten gefällt oder deren Skills ihnen am meisten Spaß machen.“

SPIEL-PSYCHOLOGE Der Autor von „Getting Gamers: The Psychology of Video Games and Their Impact on the ­People Who Play Them“ betreibt auf psychology­ ofgames.com auch eine Podcast-Serie und einen Blog, in denen er die Beweggründe von Gamern und die Hintergründe von Games beleuchtet.

„Held der einfachen Leute“: Kultfigur Mario auf einem seiner Karts

SICHERER AM STEUER 2016 untersuchten Forscher an den Universitäten von Schanghai und Hongkong die Auswirkung von „Mario Kart“ und „RollerCoaster Tycoon“ (bei dem man Vergnügungsparks bauen muss) auf die analogen Fähigkeiten der Spieler. Sie wiesen nach, dass Gamen die „visuo­motorischen Fähigkeiten der Versuchspersonen verbessert“ – die AugeHand-Koordination funktioniert also schneller und zielgerichteter. Madigan ist vor­sichtig optimistisch: „Dass dich ‚Mario Kart‘ beim Fahrsimulationstraining ­besser macht, ist nun bewiesen.“ SPASS HABEN ENTSPANNT Forscher der Uni Queensland stellten Probanden so lange immer schwerere Mathematikaufgaben, bis sie keiner mehr lösen konnte. Wer danach zwei Runden „Mario Kart“ spielte, wies ge­ ringere Stresslevels und mehr Glückshormone auf. „Alles, was uns Spaß macht, kann Stress reduzieren“, sagt Madigan. „Aber Games sind darin besonders gut: Sie geben uns das Gefühl, Dinge unter Kontrolle zu haben. Das bringt uns tiefere Befriedigung als fast alles andere, was wir im Alltag erleben.“

THE RED BULLETIN

TOM GUISE

MARIO SMART

OPTIMISMUS-BOOST Ein gutes Game lässt dir in jeder ­Situa­tion eine Chance – und motiviert dich so permanent zum Weiterspielen. Bei „Mario Kart“ nennt man das Be­ lohnungssystem „Gummiband-Effekt“. Je nach Rennposition bekommt jeder Spieler u ­ nterschiedliche Power-ups: Für Nachzügler gibt es GeschwindigkeitsBoosts und für das Mittelfeld Waffen, während auf den Führenden nur eine popelige ­Bananenschale wartet. „Spiele wie ‚­ Mario Kart‘ geben dir das Gefühl, die Dinge im Griff zu haben“, inter­ pretiert Madigan.

NINTENDO

GAME-ANALYSE


Entertainment

guide

AARON BLATT/RED BULL CONTENT POOL, JAANUS REE/REDBULL CONTENT POOL, MARK ROE/RED BULL CONTENT POOL, SEBASTIAN MARKO/RED BULL CONTENT POOL

Ausgewählt für dich: das Highlight des Monats

STIL, SATZ & SIEG

Erlebe Action im US-Wintermekka, auf den Straßen Mexikos und im kanadischen Eis­kanal direkt in ­deinem Wohnzimmer: Das sind die Highlights von Red Bull TV.

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Rundflug über Vail: ein 180 von Zoi SadowskiSynnott aus Neuseeland

bis 29. Februar   LIVE

BURTON US OPEN

Der Event in den Bergen von Vail im US-Staat Colorado ist ­so etwas wie das Wimbledon für Snowboarder. Der größte Unterschied zum wichtigsten Tennisturnier der Welt: Wenn die Ausnahme-Athleten in den Dis­ ziplinen Halfpipe und ­Slopestyle ihre Künste zeigen, will keiner hart aufschlagen.

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bis 15. März   LIVE

RALLYE MEXIKO

SO SIEHST DU RED BULL TV ÜBERALL

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THE RED BULLETIN

Flotter im Schotter heißt die Devise für die weltbesten Rallye-Fahrer im mexi­ kanischen Hochland. Extra-Highlight: Die verwinkelten Schotterstraßen f­ühren auf bis zu 2700 Meter Höhe.

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Februar   LIVE

RED BULL ICE CROSS

Auch in Quebec gilt: Wer vier stramme Athleten zugleich in einen engen Eiskanal steckt, erlebt einen Kampf um jeden Zen­ timeter – sehr zur Freude der Zuseher.

MOTOGPAUFTAKT

8

März  LIVE

Dröhnende Motoren, spektakuläre Überholmanöver, frenetische Fans: Endlich startet die MotoGP in die neue Saison. Traditionell steigt das erste Rennen in Katar, auf das Qualifying (7. 3.) folgt der Grand Prix (8. 3.). Für Champion Marc Márquez (Bild) wird es im Repsol-Honda-Team familiär wie noch nie zugehen, ist Bruder Álex doch jetzt zweiter Fahrer. Bei ServusTV erwartet Zuschauer geballte Motorsportkompetenz: Neben ­Motorradlegende Gustl Auinger und Ex-Moto­ GP-Pilot Alex Hofmann ergänzt Moto2-­ Weltmeister Stefan Bradl das Expertenteam.

REINSCHAUEN: SERVUSMOTOGP.COM

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IMPRESSUM

THE RED BULLETIN WELTWEIT

Aktuell ­erscheint The Red Bulletin in sechs Ländern. Auf dem Cover unserer Frankreich-Ausgabe ist diesen Monat Franck Gastambide zu sehen, der vom Hunde­trainer zu einem der angesagtesten Schauspieler und Filmemacher des Landes aufstieg. Mehr Storys abseits des Alltäglichen gibt’s auf: redbulletin.com

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Chefredakteur Alexander Macheck Stv. Chefredakteure Andreas Rottenschlager, Nina Treml Creative Director Erik Turek Art Directors Kasimir Reimann (stv. CD), Miles English, Tara Thompson Head of Photography Eva Kerschbaum Deputy Head of Photography Marion Batty Photo Director Rudi Übelhör Textchef Andreas Wollinger Chefin vom Dienst Marion Lukas-Wildmann Managing Editor Ulrich Corazza Grafik Marion Bernert-Thomann, Martina de ­Carvalho-Hutter, Kevin Goll, Carita Najewitz Fotoredaktion Susie Forman, Ellen Haas, Tahira Mirza Head of Commercial & Publishing Management Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnership Lukas Scharmbacher Publishing Management Sara Varming (Ltg.), Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Melissa Stutz, Mia Wienerberger B2B-Marketing & -Kommunikation Katrin Sigl (Ltg.), Agnes Hager, Teresa Kronreif, Stefan Portenkirchner Executive Creative Director Markus Kietreiber Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger (Ltg.), Elisabeth Staber (Ltg.), Mathias Blaha, Raffael Fritz, Marlene H ­ interleitner, Valentina Pierer, Mariella Reithoffer, Verena Schörkhuber, Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith ZöchlingMarchart Commercial Design Peter Knehtl (Ltg.), Sasha Bunch, Simone Fischer, Martina Maier, Florian Solly Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung Veronika Felder Produktion Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Sandra Maiko Krutz, Nenad Isailović, Josef Mühlbacher MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Alexander Peham, Yvonne Tremmel Assistant to General Management Patricia Höreth Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Klaus ­Pleninger (Vertrieb), Nicole Glaser (Vertrieb), ­Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar (Abo) Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 General Manager & Publisher Andreas Kornhofer Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Gerrit Meier, Dietmar Otti, Christopher Reindl

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A L L E R E N N E N L I V E U N D I M F R E E T V. AB SONNTAG | 08. MÄRZ Einfach gut fer nsehen.


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Die nächste Ausgabe des RED BULLETIN erscheint am 10. März 2020. 98

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Sein Reich sind städtische Straßen und Parks. BMX-Profi Matthias Dandois hat sich auf Flatland spezialisiert: Tricks auf ebenen Flächen ohne Rampen, Sprünge oder Grind Rails. Aber der Franzose steckt sich hohe Ziele. Und so zog es den vielfachen Champion auf den 3226 Meter hohen Gipfel der Aiguille Rouge in den Alpen: Video auf redbull.com


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